KEINE EMPFEHLUNG FÜR IGG- UND IGG 4- BESTIMMUNGEN GEGEN NAHRUNGSMITTEL - APPA EV
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Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V. Keine Empfehlung für IgG- und IgG4- Bestimmungen gegen Nahrungsmittel Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI) und der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI) nach Übernahme des Task Force Report* der European Academy of Allergology and Clinical Immunology (EAACI) Jörg Kleine-Tebbe1, Imke Reese2, Barbara K. Ballmer-Weber3, Kirsten Beyer4, Stephan Erdmann5, Thomas Fuchs6, Margot Henzgen7, Annice Heratizadeh8, Isidor Huttegger9, Lothar Jäger10, Uta Jappe11, Ute Lepp12, Bodo Niggemann13, Martin Raithel14, Joachim Saloga15, Zsolt Szépfalusi16, Torsten Zuberbier17, Thomas Werfel8, Stefan Vieths11, Margitta Worm17 1 Allergie- und Asthma-Zentrum Westend, Berlin; 2 Ernährungsberatung, München; 3 Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich, Schweiz; 4 Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin; 5 Praxis für Dermatologie, Bergisch-Gladbach; 6 Abteilung Dermatologie und Venerologie, Universitätsmedizin Göttingen; 7 Pneumologie und Allergologie, Klinik für Innere Medizin I, Friedrich-Schiller-Universität, Jena; 8 Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Hochschule Hannover; 9 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburger Landeskliniken, Salzburg, Österreich; 10 Jena; 11 Abteilung Allergologie, Paul-Ehrlich-Institut, Langen; 12 Herz- Lungen-Praxis Stade; 13 Pädiatrische Allergologie und Pneumologie, Hedwig-von-Rittberg-Zentrum, DRK-Kliniken Westend, Berlin; 14 Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie, Medizinische Klinik 1, Universität Erlangen; 15 Universitätshautklinik, Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz; 16 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien, Österreich; 17 Allergie-Centrum-Charité, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin *Koordiniert durch die EAACI-Arbeitsgruppen Allergy Diagnosis und Food Allergy, hier übersetzt und kommentiert durch die Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der DGAKI Entwicklungsstufe: S1 Stand: Februar 2009 Präambel Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten ungeeig- net und strikt abzulehnen [A–D]. Die nachfolgend abgedruckte Position der Europäischen Dies gilt auch für chronische Erkrankungen und Beschwer- Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAA- den, deren Ursache in einer vermeintlichen, nicht erkannten CI) zum Stellenwert von Immunglobulin-G-(IgG-)Tests gegen Nahrungsmittelunverträglichkeit liegen soll. Zu diesen Krank- Nahrungsmittel [E] wird inhaltlich begrüßt und in der vorlie- heitsbildern werden chronische Darmerkrankungen wie Reiz- genden, übersetzten Form von den deutschsprachigen Aller- darmsyndrom, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, entzündliche giegesellschaften übernommen. Hauterkrankungen wie Akne, Neurodermitis, Psoriasis und all- IgG4-Antikörper gegen Nahrungsmittel sind nach aktuellen gemeine Symptome wie Migräne, chronische Müdigkeit, Über- wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht als Indikator für krank gewicht und viele mehr gezählt. In der üblichen Begründung machende Vorgänge misszuverstehen, sondern Ausdruck der für IgG-Bestimmungen werden Ursache und Wirkung häufig natürlichen (physiologischen) Immunantwort des Menschen vertauscht. So werden hohe, physiologisch auftretende IgG- nach wiederholtem Kontakt mit Nahrungsmittelbestandtei- Konzentrationen gegen Nahrungsmittel als Ursache von ent- len. Daher ist der allergenspezifische Nachweis von IgG- oder zündlichen Prozessen angeschuldigt, obwohl sie vermutlich IgG4-Antikörpern gegen Nahrungsmittel zur Abklärung und eher als Folge dieser Veränderungen zu bewerten sind. 1
Für keine der genannten Erkrankungen oder Gesundheits- störungen liegen gesicherte Hinweise in Form kontrollierter, Literatur aussagekräftiger Studien vor, dass ein Nachweis von Serum- [A] Kleine-Tebbe J, Ballmer-Weber BK, Beyer K, Erdmann S, Fuchs T, Henzgen M, IgG- oder -IgG4-Antikörpern gegen Nahrungsmittel einen Huttegger I, Jappe U, Jäger L, Lepp U, Niggemann B, Raithel M, Reese I, Saloga diagnostischen oder pathologischen Wert besitzt. Die IgG- J, Szepfalusi Z, Vieths S, Worm M, Zuberbier T, Werfel T: In-vitro-Diagnostik und molekulare Grundlagen von IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien. Leitlinie von Antikörpertests sind demzufolge weniger aufgrund poten- DGAKI, ÄDA, GPA, ÖGAI und SGAI. Allergo J 2009; 18: 132–46 zieller technischer Mängel, sondern wegen der irreführen- [B] Kleine-Tebbe J, Fuchs T, Lepp U, Niggemann B, Saloga J, Vieluf I, Vieths S, Wer- den Interpretation von Testergebnissen abzulehnen, die an- fel T, Zuberbier T, Jäger L: In-vitro-Diagnostik von Nahrungsmittel-Allergien. Allergo schließend als Begründung für ungerechtfertigte und häufig J 2001; 10: 333–9 einschneidende Diäten verwendet werden. Sie tragen damit [C] Renz H, Becker W-M, Bufe A, Kleine-Tebbe J, Raulf-Heimsoth M, Saloga J, zu erhöhtem Leidensdruck, eingeschränkter Lebensqualität, Werfel T, Worm M. In-vitro-Allergiediagnostik: Positionspapier der Deutschen Gesell- schaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI). Arbeitsgruppe „In-vitro- zur Verunsicherung oder sogar Gefährdung der betroffenen Allergiediagnostik“ der Sektion Immunologie. Allergo J 2002; 11: 492–506 Personen bei. [D] Renz H, Biedermann T, Bufe A, Eberlein B, Jappe U, Ollert M, Petersen A, Klei- Nach wie vor besteht keine Indikation zum Einsatz von IgG- ne-Tebbe J, Raulf-Heimsoth M, Saloga J, Werfel T, Worm M: In-vitro-Allergiediagnos- oder IgG4-Antikörpertests gegen Nahrungsmittel [A–E]. Auf- tik. Leitlinie von DGAKI, ÄDA und GPA. Arbeitsgruppe „In-vitro-Allergiediagnostik“ grund fehlender kontrollierter Daten ist diese Form der Dia- der Sektion Immunologie der DGAKI. Allergo J 2009; 18: in Vorbereitung gnostik strikt abzulehnen. Die Autoren schließen sich stellver- [E] Stapel SO, Asero R, Ballmer-Weber BK, Knol EF, Strobel S, Vieths S, Kleine- Tebbe J, EAACI Task Force: Testing for IgG4 against foods is not recommended as tretend für die deutschsprachigen Allergiegesellschaften der a diagnostic tool: EAACI Task Force Report. Allergy 2008; 63: 793–6 unten dargestellten europäischen Position vorbehaltlos an. IgG4-Bestimmungen gegen Nahrungsmittel werden nicht zur Diagnostik empfohlen Positionspapier der European Academy of Allergology and Clinical Immunology (EAACI)* Steven O. Stapel1a, Ricardo Asero2b, Barbara K. Ballmer-Weber3b, Edward F. Knol4a, Stephan Strobel5b, Stefan Vieths6b, Jörg Kleine-Tebbe7a 1 Sanquin Diagnostic Services, Amsterdam, Niederlande; 2 Ambulatorio di Allergologia, Clinica San Carlo, Paderno Dugnano, Italien; 3 Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich, Schweiz; 4 Department of Dermatology/Allergology, University Medical Center Utrecht, Niederlande; 5 Peninsula College of Medicine and Dentistry, Institute of Clinical and Biological Sciences, Plymouth, UK; 6 Abteilung Allergologie, Paul-Ehrlich-Institut, Langen; 7 Allergie- und Asthma-Zentrum Westend, Berlin a EAACI Interest Group Allergy Diagnosis; b EAACI Interest Group Food Allergy *Ins Deutsche übersetzte Fassung der englischen Originalpublikation in Allergy 2008; 63: 793–6 Zusammenfassung Summary Serologische Tests zur Immunglobulin-G4-(IgG4-) Bestimmung gegen Serological tests for immunoglobulin G4 (IgG4) against Nahrungsmittel werden weiterhin für die Diagnose einer nahrungsmit- foods are persistently promoted for the diagnosis of food- telbedingten Überempfindlichkeit beworben. Da viele Patienten ohne induced hypersensitivity. Since many patients believe diagnostische Bestätigung eines kausalen Zusammenhanges davon that their symptoms are related to food ingestion without überzeugt sind, dass ihre Symptome mit der Nahrungsmittelzufuhr diagnostic confirmation of a causal relationship, tests for zusammenhängen, stellen Tests auf nahrungsmittelspezifisches IgG4 food-specific IgG4 represent a growing market. Testing 2
einen wachsenden Markt dar. Die Bestimmung von IgG4 im Blut gegen for blood IgG4 against different foods is performed with verschiedene Nahrungsmittel wird anhand eines umfangreichen Scree- large-scale screening for hundreds of food items by nings auf Hunderte von Nahrungsmitteln mit Enzymimmunoassays (EIA) enzyme-linked immunosorbent assay-type and radio und Radioallergosorbenttests (RAST) bei Kleinkindern, Jugendlichen und allergosorbent-type assays in young children, adoles- Erwachsenen durchgeführt. cents and adults. Viele Serumproben zeigen allerdings positive IgG4-Ergebnisse ohne kor- However, many serum samples show positive IgG4 respondierende klinische Symptome. In Verbindung mit dem Mangel an results without corresponding clinical symptoms. These überzeugenden Hinweisen auf histaminfreisetzende Eigenschaften von findings, combined with the lack of convincing evidence IgG4 beim Menschen und dem Fehlen jeglicher kontrollierter Studien zum for histamine-releasing properties of IgG4 in humans, and diagnostischen Wert der IgG4-Bestimmung bei Nahrungsmittelallergie lack of any controlled studies on the diagnostic value of rechtfertigen diese Befunde nicht die Hypothese, dass nahrungsmittel- IgG4 testing in food allergy, do not provide any basis for spezifisches IgG4 Reaktionen einer Nahrungsmittelüberempfindlichkeit the hypothesis that food-specific IgG4 should be attributed auslöst. Im Gegensatz zu den kritisierten Hypothesen ist die Anwesenheit with an effector role in food hypersensitivity. In contrast von IgG4 gegen Nahrungsmittel ein Hinweis auf die wiederholte Exposi to the disputed beliefs, IgG4 against foods indicates that tion des Organismus gegenüber den Nahrungsmittelbestandteilen, die the organism has been repeatedly exposed to food com- als Fremdproteine vom Immunsystem erkannt worden sind. Vorhandenes ponents, recognized as foreign proteins by the immune IgG4 sollte keineswegs als Auslöser für eine Überempfindlichkeit angese- system. Its presence should not be considered as a factor hen werden, sondern als Indikator für immunologische Toleranz, die auf which induces hypersensitivity, but rather as an indicator aktivierten regulatorischen T-Zellen beruht. for immunological tolerance, linked to the activity of regu- Zusammenfassend zeigt nahrungsmittelspezifisches IgG4 keine (dro- latory T cells. hende) Nahrungsmittelallergie oder -unverträglichkeit an, sondern stellt In conclusion, food-specific IgG4 does not indicate (im- eine physiologische Reaktion des Immunsystems nach Kontakt mit Nah- minent) food allergy or intolerance, but rather a physio- rungsmittelbestandteilen dar. Daher wird die Bestimmung von IgG4 gegen logical response of the immune system after exposure Nahrungsmittel als irrelevant für die Labordiagnostik einer Nahrungsmit- to food components. Therefore, testing of IgG4 to foods telallergie oder -intoleranz angesehen und sollte bei Symptomen, die im is considered as irrelevant for the laboratory work-up of Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme auftreten, nicht durchgeführt food allergy or intolerance and should not be performed werden. in case of food-related complaints. Schlüsselwörter: Nahrungsmittelallergie, Nahrungsmittelunverträglich- Key words: Food allergy, food intolerance, IgG, IgG4, keit, IgG, IgG4, In-vitro-Diagnostik in vitro tests Einleitung erwünschter Nahrungsmittelreaktion des nicht, eine IgE-vermittelte Nahrungsmit- Patienten und immunologischer Grund- telallergie zu diagnostizieren, suchen un- Eine Unverträglichkeitsreaktion auf lage dieser Reaktion herzustellen. Bei ei- zufriedene Patienten in der Überzeugung, Nahrungsmittel ist ein allgemeiner Be- ner Nahrungsmittelallergie ist die exakte Nahrungsmittel seien für ihre Probleme griff, der klinisch abweichende Reaktio Diagnose außerordentlich wichtig, um verantwortlich, nicht selten anderweitig nen gegenüber zugeführten Nahrungs- Patienten vor überflüssigen und mögli- nach einer Bestätigung ihrer Vermutung mitteln beschreibt, die sekundär auf einer cherweise krank machenden Diäten zu und bemühen sich um Testergebnisse, nicht allergischen (z. B. Nahrungsmittel schützen. die eher ihren Erwartungen entsprechen. intoleranz) oder einer allergischen Über- Der Nachweis nahrungsmittelspezi- In ganz Europa bieten derzeit kom- empfindlichkeit (Nahrungsmittelallergie) fischer IgE-Sensibilisierungen mittels In- merzielle Labors in großem Maßstab beruhen. vitro-Tests oder (indirekt) mithilfe von IgG4-Tests gegen Nahrungsmittel als an- Eine Nahrungsmittelallergie ist eine im- Hauttests wird routinemäßg eingesetzt, geblich verlässliche Verfahren zur Dia- munologische Reaktion, die auf einem de- um eine Nahrungsmittelallergie zu dia- gnose von Nahrungsmittelallergien an. finierten Immunglobulin-E-(IgE-)Mecha- gnostizieren. Diese diagnostischen Tests Diese Vorstellung beruht möglicherwei- nismus basiert, dessen klassisches Beispiel weisen nahrungsmittelspezifische IgE- se auf Beobachtungen aus den frühen die Anaphylaxie darstellt. Antikörper nach, reichen aber für die 80er-Jahren, wonach antigenspezifisches Nahrungsmittelintoleranz ist im Ge- Diagnose einer Nahrungsmittelallergie IgG4 ebenso wie IgE eine Histaminfreiset- gensatz dazu ein allgemeiner Begriff, der nicht aus. Der endgültige Beweis der kli- zung aus basophilen Leukozyten indu- die unphysiologische Reaktion gegen nischen Relevanz der erhobenen Vorge- zieren kann [2]. über aufgenommenen Nahrungsmitteln schichte und der nachgewiesenen nah- oder Nahrungsmittelzusätzen beschreibt. rungsmittelspezifischen IgE-Antikörper IgG4 und Histaminfreisetzung Die Diagnose einer Nahrungsmittelaller- ist nur durch eine positive kontrollierte gie zielt darauf ab, einen gesicherten Zu- Nahrungsmittelprovokation zu führen [1]. Nach der Entdeckung histaminfreiset- sammenhang zwischen Anamnese, un- Gelingt es mit den üblichen Verfahren zender IgG-Antikörper im menschlichen 3
Serum 1970, ursprünglich als kurzzei- teresse an der Bestim- tig sensibilisierendes IgG bezeichnet [3], mung des spezifischen wurde die Frage aufgeworfen, zu welcher IgG: Im Rahmen einer Subklasse diese Antikörper gehören. Die spezifischen Immun- neu entdeckte IgG4-Subklasse stellte eine therapie gebildetes ernst zu nehmende Option dar, so dass IgG 4 hat nicht nur IgG4 „anaphylaktische Qualitäten“ zuge- blockierende Eigen- schrieben wurden. Die spätere Erkennt- schaften durch die nis, dass die IgG4- ebenso wie die IgE-Syn- Hemmung der IgE- these von T-Helfer-2-Zytokinen gesteu- unterstützten Antigen- ert wird, hat dazu beigetragen, IgG4 mit präsentation („IgE-me- einer IgE-vermittelten Allergie in Verbin- diated facilitated anti- dung zu bringen. gen presentation“) [7]. Die Fähigkeit von IgG4-Antikörpern, ei- Sich mehrende Hin- ne Histaminfreisetzung aus basophilen weise legen darüber Leukozyten zu induzieren, wurde lange hinaus die Schlussfol- Zeit diskutiert, ohne dass sich klare Be- gerung nahe, dass ei- Abb. 1a: IgG4-RAST mit Kuhmilch (mi), Hühnereiweiß (ew), Orange (or), weise erbringen ließen [4], und es liegen ne allergenspezifische Banane (ba), Schweinefleisch (po),Kartoffel (pt), Soja/Erdnuss (sp, Misch- extrakt) und Weizen/Reis (wr, Mischextrakt) bei 100 nicht selektionierten auch keine neuen Erkenntnisse dazu vor. IgG4-Zunahme auf der zwölf- bis 16-jährigen Schulkindern [4]. Bis heute wurde nur eine gut belegte Aktivierung regula- Studie zur Histaminfreisetzung veröffent- torischer T-Zellen be- licht, in der allergenspezifische IgG4-Anti- ruht, die an der Entstehung immunolo- heblich in Frage gestellt [13]. Eine ande- körper eine Rolle spielten. Allerdings in- gischer Toleranz aufgrund fortgesetzter re Veröffentlichung berichtet von einer duzierte in dieser Studie ein bivalenter, Exposition gegenüber Antigenen betei geringen, allerdings nicht signifikant er- chimärer IgG4-Antikörper gegen das ligt sind [8]. Eine der charakteristischen Ei- höhten Konzentration spezifischer IgG4- Hausstaubmilbenallergen Der p 2 durch genschaften der regulatorischen T-Zellen Antikörper gegen Molkeproteine beim indirekte Kreuzvernetzung von rDer-p- ist die Sekretion von Interleukin-(IL-)10, verzögerten Typ einer nicht IgE-vermit- 2-spezifischen, auf Basophilen immobi- das offenbar die Entwicklung einer an- telten Kuhmilchallergie [14]. lisierten, chimären IgE-Antikörpern ei- tigenspezifischen, nicht komplementak- Hauptziel zweier Studien, welche die ne Histaminfreisetzung von basophilen tivierenden IgG4-Antwort induziert [9, IgG-Reaktion auf Nahrungsmittel er- Leukozyten [5]. Hervorzuheben ist dabei, 10]. Darüber hinaus wurde für die Kuh- fassten, war es zu untersuchen, ob eine dass IgG1-Antikörper unter diesen (künst- milchallergie gezeigt, dass eine Toleranz IgG4-Immunantwort gegen Nahrungsmit- lichen) Bedingungen ebenfalls gut funk- auf einer allergeninduzierten IL-10-Pro- tel in den ersten Lebensjahren die spä- tionierten, dass die chimären IgG4-Anti- duktion von T-Zellen beruht [11]. tere Entwicklung einer inhalativen Aller- körper in diesem Test funktionell biva- gie vorhersagen kann. Zu diesem Zweck lent waren (IgG4 im Plasma ist funktio- IgG-Immunreaktionen auf wurden IgG4-Bestimmungen mit diversen nell monovalent [6]) und dass die Frei- Nahrungsmittel Nahrungsmitteln durchgeführt, wobei setzung von der Anwesenheit von IgE-An- IgG4-Radioallergosorbenttests (RAST) tikörpern auf der Basophilen-Zelloberflä- Die Bestimmung von IgG gegen Nah- für Serumproben von unselektionierten che abhängig war. Diese Ergebnisse bie- rungsmittel mag gelegentlich indiziert zwölf- bis 16-jährigen Schulkindern [15] ten daher keine überzeugende Evidenz sein. Ein Beispiel ist der IgG-Nachweis ge- und IgG-„enzyme-linked immunosorbent für die angenommene „anaphylaktische gen Weizengliadin zur Diagnose der Zöli- assays“ (ELISA) [16] für einjährige Kinder Natur“ der IgG4-Antikörper-Subklasse. akie (Glutenenteropathie); allerdings be- mit mittlerem Risiko einer Atopieentwick- sitzt diese Information nur geringe kli- lung [17] eingesetzt wurden. Verblüffen- IgG-Bestimmung bei Allergie nische Spezifität und Sensitivität, so dass derweise konnten selbst bei nicht selek dieser Test nur im Fall einer IgA-Antikör- tionierten Kindern deutlich erhöhte IgG4- Der Nachweis allergenspezifischer IgG- per-Defizienz eingesetzt werden sollte. Antikörper gegenüber Nahrungsmitteln Antikörper spielt andererseits für die Al Einige Untersucher halten die Bestim- nachgewiesen werden (Abb. 1a). Das galt lergiediagnostik durchaus eine Rolle. Ein mung von IgG gegen Nahrungsmittel auch für nahrungsmittelspezifisches IgG Beispiel ist die Bestimmung präzipitie- im Zusammenhang mit einer Antigen- bei Kindern mit mittlerem Atopierisiko render, vorwiegend zur IgG-Klasse gehö- vermeidung beim Reizdarmsyndrom für (Abb. 1b). riger Antikörper gegen Typ-III-Allergene. sinnvoll [12]. Allerdings wurde aufgrund Eine wichtige Schlussfolgerung die- Zusätzlich besteht bei IgE-vermittelten des mangelhaften Studiendesigns die Be- ser Untersuchungen lautete, dass IgG- Erkrankungen ein wiedererwachtes In- weiskraft für diese Schlussfolgerung er- Bestimmungen nur zur Datenerhebung 4
zifischen IgG-Antwort Im Fall einer anhaltenden Exposition resultieren, z. B. durch des Immunsystems gegenüber Nah- eine (vorübergehend) rungsmittelproteinen, z. B. als Ergebnis erhöhte Permeabilität einer lokal erhöhten Darmpermeabili- der noch nicht voll- tät, ist es wahrscheinlich, dass das Im- ständig entwickelten munsystem schließlich mit einer anti- Darmschleimhaut. genspezifischen IgG4-Antwort reagiert, Da kaum Daten zur wie auch in zahlreichen anderen Situa- IgG4-Immunantwort tionen bei Stimulation des Immunsys gegenüber Nahrungs- tems durch anhaltende Antigenexposi- mitteln bei Erwachse- tion. Typische Beispiele einer derartigen nen zur Verfügung durch IgG4-Antikörper dominierten Im- stehen, wurden bei 13 munantwort lassen sich bei häufig ge- Laborangestellten mit stochenen Imkern, bei denen mehr als 90 RAST-Methoden Tests Prozent des bienengiftspezifischen IgG auf IgG4 und IgE gegen zur IgG4-Subklasse gehören [18], und bei Abb. 1b: IgG-ELISA für Kuhmilch (Mi), Hühnereiweiß (EW), Schweine- Nahrungsmittel durch- (klinisch erfolgreicher) Immuntherapie fleisch (po), Kartoffel (pt), Orange (or), Weizen/Reis (WR, Mischextrakt) geführt, die folgendes nachweisen, in deren Verlauf eine kon- und Soja/Erdnuss (LE, Mischextrakt), bei 264 einjährigen Säuglingen mit mittlerem Risiko einer atopischen Erkrankung [5] Ergebnis erbrachten tinuierliche Zunahme des allergenspezi- (Abb. 2): Positive Resul- fischen IgG4/IgG1-Quotienten beobach- tate für IgG4 gegen un- tet werden kann. Insofern sollte das Vor- im Rahmen epidemiologischer Studien terschiedliche Nahrungsmittel wurden in liegen von IgG4-Antikörpern gegen Nah- sinnvoll waren, dass sie aber keine rele- allen Proben gefunden und gingen nicht rungsmittel als Ergebnis der Antigenex- vante Information auf individueller Basis mit positiven IgE-Ergebnissen einher. In position und nicht als Ausdruck einer Er- beisteuern konnten. Ohne Zweifel hätte keinem Fall waren die beobachteten Er- krankung betrachtet werden. Das Vor- eine Intervention wie z. B. eine gezielte gebnisse im IgG4-RAST mit klinischen handensein dieser Antikörper ist daher Diät, basierend auf der Anwesenheit von Beschwerden beim Verzehr der entspre- voraussichtlich eher günstig als schäd- nahrungsmittelspezifischen IgG(4)-Anti- chenden Nahrungsmittel verknüpft. lich für das betreffende Individuum. Die- körpern, in dieser Untersuchungsgrup- Positive IgG4-Testergebnisse gegen se Einschätzung stimmt mit der kürzlich pe zu einer unangemessenen, überzo- über Nahrungsmitteln liefern daher kei- publizierten Beobachtung überein, dass genen Behandlung geführt. Des Wei- ne Hinweise auf das Vorliegen einer Nah- die Entstehung einer Toleranz bei kuh- teren fanden sich in beiden Studien kei- rungsmittelallergie, sondern reflektieren milchallergischen Kindern mit erhöhten ne Hinweise darauf, dass nahrungsmit- vermutlich die fortgesetzte Exposition ge- Konzentrationen kuhmilchspezifischer telspezifische IgG(4)-Antikörper – eine in genüber Nahrungsmittelbestandteilen. IgG4-Antikörper verbunden war [19]. Dar der Gruppe junger Patienten offenbar häufige Beobachtung – mit nahrungs- mittelallergischen Beschwerden assozi- iert waren, selbst auf Populationsebene. Darüber hinaus belegten die Studien ei- ne positive Assoziation zwischen IgG und der späteren Entwicklung einer Inhala tionsallergie. Das Vorliegen erhöhter Konzentratio nen nahrungsmittelspezifischer IgG(4)- Antikörper im Serum erklärt sich wahr- scheinlich dadurch, dass das Immunsys tem bei einigen Menschen eher zu einer aktiven Auseinandersetzung mit (harm- losen) Antigenen neigt als bei anderen. Eine derartige verstärkte Aktivierung des Immunsystems kann in bestimmten Fäl- len zu einer IgE-vermittelten allergischen Abb. 2: IgG -/IgE-RAST mit Kuhmilch (mi), Hühnerei (eg), Erdnuss (pe), Weizen (wh), Banane (ba), Orange 4 Erkrankung führen, bei Kleinkindern (or), Reis (ri), Kartoffel (pt) und Schweinefleisch (po) bei 13 gesunden Laborangestellten. Die Ergebnisse aber auch in einer nahrungsmittelspe- sind als Mittelwerte der prozentualen (Antikörper-)Bindung dargestellt (125I-Anti-IgG4/125I-Anti-IgE). 5
über hinaus lässt sich bei einem Nachweis Nahrungsmittelallergie oder -intoleranz, Korrespondenzadresse: nahrungsmittelspezifischer IgG4-Antikör- sondern stellt im Gegenteil eine natür- PD Dr. med. Jörg Kleine-Tebbe per bei Patienten mit atopischer Derma- liche Immunantwort nach Kontakt mit Allergie- und Asthma-Zentrum Westend, titis kein Zusammenhang zwischen den Nahrungsmittelbestandteilen dar. Die Spandauer Damm 130, Haus 9 erhöhten Serumspiegeln und den kli- Bestimmung von IgG4-Antikörpern ge- 14050 Berlin nischen Beschwerden herstellen [20]. gen Nahrungsmittel ist daher irrelevant E-Mail: kleine-tebbe@allergie-experten.de für den laborgestützten Nachweis einer Schlussfolgerung Nahrungsmittelallergie oder -intoleranz und sollte im Zusammenhang mit nah- Nahrungsmittelspezifisches IgG4 lie- rungsmittelassoziierten Beschwerden fert keine Hinweise auf eine (drohende) nicht durchgeführt werden [21]. 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