Abstracts zur 33. Jahrestagung der GNP und Mitgliederversammlung vom 11. bis 13.10.2018 in Bielefeld-Bethel
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Abstracts zur 33. Jahrestagung der GNP und Mitgliederversammlung vom 11. bis 13.10.2018 in Bielefeld-Bethel 0001 0002 Selbstfindung nach Koma – Studie zur Psychische Störungen bei Menschen Selbstkonzeptfindung mit Bezug auf die mit Epilepsien Krankheitsverarbeitung nach einem durch Schädel-Hirn-Trauma induzierten Koma K. Labudda1 1 Universität Bielefeld, Klinische Neuropsychologie mit dem Schwerpunkt Epilepsieforschung, Bielefeld, S. Hoellen1,2 1 Deutschland Universität Klagenfurt, Merzig, Deutschland 2 Universität, Psychologie, Klagenfurt, Österreich Im Symposium werden neue Erkenntnisse zu Ursachen und Folgen der erhöhten Prävalenzen von psychischen Stö- Die Selbstkonzeptfindung gehört zu den grundlegenden rungen bei Menschen mit Epilepsien vorgestellt. Im ersten Mechanismen der individuellen Entwicklung eines Men- Vortrag (D. Illies: Frühe Misshandlungserfahrungen als Ri- schen. Nach einem schwerwiegenden Schädel-Hirn- sikofaktor für die Entstehung von psychischen Störungen Trauma und einer überstandenen komatösen Phase bei Epilepsiepatienten) wird ein Überblick über Risikofak- kommt es häufig zu starken Einschränkungen, welche für toren für psychische Störungen bei Epilepsiepatienten ge- eine gebotene Orientierung im sozialen Feld äußerst be- geben. Zudem werden eigene Daten vorgestellt, die zei- lastend sind und somit die Selbstfindung erkennbar er- gen, dass Epilepsiepatienten häufiger aversive Erfahrungen schweren. Für diese Studie erhielten 51 Schädel-Hirn- in der Kindheit erleben und dass dies die Entstehung von Trauma Patienten mit erlebter komatöser Episode fünf psychischen Störungen begünstigt. Im zweiten Vortrag (S. Fragebögen zur Beurteilung des Selbstfindungsprozes- Koch-Stoecker: Präoperative Psychopathologie als Risiko- ses, der Krankheitsverarbeitung, der globalen Befindlich- faktor für eine reduzierte Chance auf postoperative An- keit, möglichen Depressions- bzw. Angststörungen sowie fallsfreiheit) wird anhand eigener Studienergebnisse ver- des gesundheitlichen Gesamtzustandes. Die Auswertung deutlicht, dass das Vorliegen einer psychischen Störung vor wurde mit parametrischen Verfahren durchgeführt und einem epilepsiechirurgischen Eingriff zu einem schlechte- lässt Rückschlüsse darüber zu, dass der psychische Ein- ren postoperativen Anfallsoutcome führt. Implikationen fluss einen höheren Stellenwert für das Selbstkonzept hat für die Behandlung werden diskutiert. Im dritten Vortrag als der subjektiv empfundene physische Gesundheitszu- (K. Labudda: Stress, psychische Störungen und Epilepsien) stand. Die physische Befindlichkeit steht in keinem Zu- wird vorgestellt, inwiefern Störungen der Cortisolregula- sammenhang mit der Selbstfindung oder der Krankheits- tion sowohl die Entstehung psychischer Störungen als auch bewältigung. Die psychische Befindlichkeit hingegen die Epileptogenese begünstigen können. Es werden eigene korreliert mit dem Selbstfindungsprozess und einer nega- Daten zu möglichen Zusammenhängen zwischen Stress- tiv-emotionalen Krankheitsbewältigung. Im Vergleich zu wahrnehmung, Stresshormonen und psychischen Störun- den entsprechenden Normstichproben zeigen die Pro- gen bei Epilepsiepatienten referiert. Der vierte Vortrag (R. banden generell höhere Ausprägungen hinsichtlich De- Michaelis: Psychologische Interventionen für Menschen pressions- bzw. Angststörungen und ungünstigere Werte mit Epilepsie) befasst sich mit psychoedukativen/-thera- bei der globalen Befindlichkeit und dem gesundheitli- peutischen Interventionen zur Förderung epilepsiebezoge- chen Gesamtzustand. ner Lebensqualität sowie Behandlung psychiatrischer Ko- morbidität und anfallsbezogener Parameter. Es wird ein Überblick über das Evidenzniveau von Studien zur Wirk- samkeit solcher Interventionen gegeben und Impulse für die Praxis abgeleitet. Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209 © 2018 Hogrefe https://doi.org/10.1024/1016-264X/a000228
Abstracts 169 0003 0004 Psychologische Interventionen Stress, psychische Störungen für Menschen mit Epilepsie und Epilepsien R. Michaelis1 K. Labudda1 1 1 Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, Neurologie, Universität Bielefeld, Klinische Neuropsychologie Herdecke, Deutschland mit dem Schwerpunkt Epilepsieforschung, Bielefeld, Deutschland Der Beitrag wird auf einem Cochrane-Review und Evi- denz-basierten Empfehlungen beruhen: Einführend wird ein Überblick über die Rolle von Stress- Fragestellung: An evaluation of the current evidence is erleben und biologischen Stressmarker für die Entstehung needed to assess the effects of psychological treatments von Anfällen gegeben. Es werden zudem eigene Ergeb- for people with epilepsy (PWE) on Health Related Quality nisse einer Studie vorgestellt, in der der Zusammenhang of Life (HRQoL) outcomes to inform future therapeutic zwischen psychischen Störungen, aktuellem Stresserleben recommendations and research designs. Methoden: A sys- und Cortisolspiegeln bei Epilepsiepatienten eruiert wird. tematic literature search was conducted in line with Bislang wurden 46 Epilepsiepatienten mittels eines Cochrane criteria for randomized controlled trials (RCTs) strukturierten klinischen Interviews, Fragebögen zur Er- and quasi-RCTs investigating psychological treatments fassung der aktuellen Stressbelastung, des Umgangs mit and using HRQoL outcome measures as primary or secon- Stress (Stress und Coping Inventar) und von frühen be- dary outcome measures. Standard methodological proce- lastenden Lebenserfahrungen (Childhood Trauma Ques- dures required by the Cochrane Collaboration were used tionnaire) untersucht. Zudem wurden Speichel-Cortisol- for data collection and analysis. In order to provide practi- Tagesprofile entnommen. cal guidance to service providers, we provide ratings on Eine aktuelle psychische Störung lag bei 13 der 46 Pati- study research designs based on 1) the American Academy enten vor. Patienten mit und ohne psychische Störung un- of Neurology”s (AAN) Level of Evidence system and 2) the terschieden sich hinsichtlich ihrer Cortisolprofile (MANO- Grading of Recommendations, Assessment, Development VA: Interaktion Cortsiol x Gruppe: F = 3.82, p < .01), d. h. and Evaluation (GRADE) system. Ergebnisse: Results: Patienten mit psychischer Störung wiesen einen geringe- Twenty-four completed RCTs were included in this review ren morgendlichen Cortisolanstieg auf (p = .05) und hat- (2439 participants). Based on satisfactory methodological ten einen geringeren Abfall der Cortisolspiegel im Verlauf homogeneity, data from 9 studies (468 participants) provi- der nächsten Stunde (p = .03) als Patienten ohne psychi- ding Quality of Life in Epilepsy-31 (QOLIE-31) outcomes sche Störung. Patienten mit psychischer Störung gaben were pooled for meta-analyses, showing significant mean tendenziell mehr aktuelle Stresssymptome (p = .07) und changes for QOLIE-31 total score and 6 subscales.The mehr maladaptives Coping an (p = .04). Die Cortisolwerte strongest evidence for psychological interventions was korrelierten z. T. mit der Stressbelastung und mit dem identified for the most common mental health problems, Stresscoping. Aktuelles Stresserleben und -coping waren including depression, neurocognitive disturbances, and wiederrum korreliert mit Misshandlungserfahrungen in medication adherence. Schlussfolgerung: These results pro- der Kindheit (z. B. emotionaler Missbrauch und Stresssymp- vide moderate-quality evidence that psychological treat- tome: r = .32, p = .04). ments for adults with epilepsy may enhance HRQoL in Die Ergebnisse werden abschließend in den Kontext PWE. There is a range of psychological strategies which der aktuellen Diskussion darüber eingeordnet, inwiefern show promise for improving the lives of PWE. Störungen der Cortisolregulation, z. B. bedingt durch bio- graphische Belastungen, sowohl die Entstehung psychi- scher Störungen als auch die Epileptogenese begünstigen könnten. © 2018 Hogrefe Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209
170 Abstracts 0005 stroke survivors, they reduce rehabilitation outcome and Frühe Misshandlungserfahrungen als quality of life of the affected patients, and require increa- sed efforts by formal as well as informal caregivers. Howe- Risikofaktor für die Entstehung von psy- ver, compared to the broad body of research accumulated chischen Störungen bei Epilepsiepatienten about affective disorders in general, our knowledge about depression after stroke is astonishingly small. D. Illies1 The current, internationally composed symposium aims 1 Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland to present recent knowledge about diagnosis, pathogene- sis and intervention of depressive disorders by tracking the Frühe Misshandlungserfahrungen sind in der Allgemein- chain of rehabilitation stages. Innovative strategies for bevölkerung Risikofaktoren für die Entwicklung psychi- early assessment and management of depressive symp- scher Störungen. Obwohl Epilepsiepatienten häufig psy- toms in acute and postacute stroke and for timely identifi- chische Erkrankungen aufweisen, ist bislang unklar, in cation of patients at risk for later depressive disorders will welchem Ausmaß sie von frühen Misshandlungserfahrun- be presented. Concerning later outpatient phases, the use gen betroffen sind und ob diese einen Risikofaktor für das of different kinds of interventions and candidate factors Vorliegen einer psychischen Komorbidität darstellen. Dies for successful prevention of depressive disorders will be war Gegenstand der vorliegenden Studie. considered. Besides giving an overview of current evi- Frühe Misshandlungserfahrungen wurden mittels zwei- dence, the participants will delineate subjects for future er Selbstbeurteilungsfragebögen (Childhood Trauma research and good clinical practice. Questionnaire und Fragebogen zu belastenden Sozialer- fahrungen in der Peergroup) in einer Stichprobe von 125 Patienten des Epilepsie-Zentrum Bethel erhoben. Das Vor- 0007 liegen von Achse-I-Störungen wurde mittels eines struktu- Diagnosis and Treatment of an Obsessive- rierten Interviews (Mini International Neuropsychiatric Compulsive Disorder Following Traumatic Interview) erfasst. Die Ergebnisse der Epilepsiepatienten Brain Injury: Specific characteristics zu frühen Misshandlungserfahrungen wurden mit denen einer gematchten Allgemeinbevölkerungsstichprobe ver- glichen. Der Einfluss von frühen Misshandlungserfahrun- H. Hofer1, S. Frigerio2 1 gen auf das Vorliegen einer aktuellen psychischen Störung Universitätsspital Bern, Neuroreahbilitation, wurde regressionsanalytisch überprüft. Bern, Schweiz 2 Im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung berichteten Spital Olten, Neurologie, Olten, Schweiz die Epilepsiepatienten von mehr frühen sexuellen (p = .005), emotionalen (p < .001) und sozialen (p = .005) Misshand- Introduction: Although the appearance of OCD after TBI is lungserfahrungen. Frühe Misshandlungserfahrungen erwie- well documented, evidence referring to diagnostic or psy- sen sich zudem als unabhängige Prädiktoren für das Vorlie- chotherapeutic guidelines is sparse. Assessing OCD after gen einer psychischen Störung bei den Patienten (p = .004). TBI is a delicate task due to the fact that OCD symptoma- Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Epilepsiepatienten tology and the cognitive impairments following TBI partly in besonderem Ausmaß von frühen Misshandlungserfah- overlap. Research questions: In this single case study, the rungen betroffen sind und dass frühe Misshandlungser- diagnostic procedure and the effectiveness of cognitive fahrungen einen relevanten Risikofaktor für psychische behavioral therapy and additional pharmacotherapy in Komorbiditäten bei Epilepsiepatienten darstellen. managing OCD after TBI were investigated. Method: A 27-year-old patient with traumatic brain injury and neuro- psychiatric symptoms fitting OCD was investigated. A psy- 0006 chological and a comprehensive neuropsychological as- Affective Disorders after Stroke sessment was performed before starting OCD therapy. State-of-the-art psychotherapeutic treatment for OCD K. Werheid1 (combining prolonged exposure to distressing situations, 1 Humboldt-Universität, Institut für Psychologie, Berlin, objects, or thoughts with the simultaneous prevention of Deutschland compulsive acts) was provided. Results: Main Outcome Measure was the Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale at pre- and post-treatment and at six months follow-up. Affective disorders, especially depression after stroke are a The combination of pharmacotherapy and psychotherapy common phenomenon. Affecting about one third of all resulted in lower intensity and frequency of symptoms. Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209 © 2018 Hogrefe
Abstracts 171 Conclusions: The change in the symptoms of OCD as Conclusion: The DePreS shows a good ability to detect well as the achievement of the individually formulated patients with a low risk for depression after stroke. This li- therapy goals support the notion that psychothera- mits the burden of structural diagnostic follow-up only to peutic interventions are promising. Due to the acquired patients with a high risk. Using routine data, the instru- brain injury and its consequences, a full response should ment enables clinicians to estimate the risk of PSD in the not be the main goal. A realistic goal is the achievement first week following a stroke. of a partial response. Even with a partial response, pa- This study was registered prospectively (DRKS000 tients may benefit from psychotherapeutic interventions 11546). in terms of re-establishing more satisfactory life circum- stances. 0009 The influence of self-efficacy 0008 beliefs on post-stroke depression: Prognostic value of the DePreS – a predic- A longitudinal analysis tion scale for depression after stroke: results of the binational study ValiDePreS M. Volz1, M. Völkle1,2, K. Werheid3 1 Humboldt-Universität zu Berlin, Klinische Gerontopsy- J. Hirt1, L. van Meijeren2, S. Saal1, G. Meyer1, chologie, Berlin, Deutschland J. M. de Man-van Ginkel2 2 Max Planck Institute for Human Development, Center 1 Martin Luther University Halle-Wittenberg, Faculty of for Lifespan Psychology, Berlin, Deutschland 3 Medicine, Institute for Health and Nursing Science, Ernst von Bergmann Klinikum, Klinik für Neurologie, Halle (Saale), Deutschland Potsdam, Deutschland 2 University Medical Centre Utrecht, Julius Center for Health Sciences and Primary Care, Nursing Science, Background: Post-stroke depression (PSD) is the most Utrecht, Niederlande common psychiatric condition after stroke, affecting one third of survivors. Despite identification of meaningful Background: Post-Stroke Depression (PSD) is a common predictors, knowledge about the interplay between these complication. Early treatment might improve recovery. factors remains fragmentary. General self-efficacy (GSE) In the Netherlands, the Post-stroke Depression Predic- is closely linked to PSD, yet direction and magnitude of tion Scale (DePreS) was developed to predict the risk for this relationship remains unclear. The authors assessed PSD during the first week following a stroke. The instru- the relationship between GSE and depression during the ment shows good predictive performance with an area first two years post-stroke while controlling for stable in- under the curve of 0.78 (95 % CI 0.72–0.85). The aim of ter-individual differences. Method: Patients of two Ger- this study was to determine the prognostic value of the man rehabilitation centres (N = 294, mean age = 63.78 DePreS in a new sample of stroke patients. Methods: The years, SD = 10.83) were assessed six weeks after ischemic DePreS was applied to stroke patients within the first stroke and at four follow-ups covering two years. GSE week following a stroke in three stroke units in the Scale and Geriatric Depression Scale (GDS) were used to Netherlands and Germany (index test). Patients” inclusi- assess GSE and depression. Continuous time (CT) struc- on criteria were no severe cognitive and psychiatric disor- tural equation modelling (SEM) was used to estimate ders at stroke onset and the ability to communicate ade- within-person cross-effects by controlling for stable in- quately. After six weeks, a structured diagnostic interview ter-individual differences. Results: CT-analysis revealed (Composite International Diagnostic Interview) was con- significantly higher within-person cross-effects of GSE ducted to detect a PSD (reference test). The researchers on GDS (a21 = −.29) than vice versa (a12 = −.17) during the were blinded towards the results of the index test. Results: whole two-year period. Maximal cross-lagged effects A total of 93 stroke patients were included, of which 17 were estimated six months post-stroke. Discussion: Our (18.3 %) showed symptoms of major depressive disorder. results show that decreasing GSE led to increasing de- With a cut-off value of ≥ 0 the DePreS performed best pressiveness, and only to a smaller extent vice versa. This with a sensitivity of 0.65 (95 % CI 0.42–0.87), a specifici- suggests that fostering GSE by strengthening perceived ty of 0.74 (95 % CI 0.64–0.84), a positive predictive value control after stroke can counter PSD emersion and exa- of 0.35 (95 % CI 0.19–0.52), and a negative predictive cerbation. Six months post-stroke, when patients face so- value of 0.90 (95 % CI 0.80–1.00). The AUC was 0.71 cial re-integration, programmes focusing on GSE could (95 % CI 0.56–0.86). potentially help to prevent later PSD. © 2018 Hogrefe Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209
172 Abstracts 0010 0011 Symposium Bewusstseinsstörungen Neuropsychologie der Sprachverarbeitung und Sprachproduktion I. Steppacher1, J. Kissler1 1 Universität Bielefeld, Psychologie, Bielefeld, M. Wegrzyn1 Deutschland 1 Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland Dr. Kaps – Der Weg zurück aus dem Koma: Verbessern Im Symposium werden neue Erkenntnisse zur Diagnostik neue diagnostische und therapeutische Verfahren die von Sprachfunktionen und Möglichkeiten zur Intervention Behandlung? vorgestellt. Dr. Inga Steppacher – Multivariate logistische Prognose- Im ersten Vortrag (M. Hielscher-Fastabend: Differen- vorhersage in Syndromen der schweren Bewusstseins- zierte Aphasiediagnostik in der Akut- und Postakutphase störungen nach Schlaganfall) wird der Einsatz des Bielefeld Aphaise- Prof. Johanna Kissler – Langzeitreliabilität verschiede- screenings (BiAS) als Testinstrument für die Erfassung der ner kognitiver Ereigniskorrelierter Potentiale von Pa- Aphasiesymptomatik in der Akutphase und Post-Akutpha- tienten mit schweren Bewusstseinsstörungen se bei Schlaganfallpatienten vorgestellt. Prof. Boris Kotchoubey – Polysomnographische Unter- Der zweite Vortrag (K. Labudda: Übereinstimmung suchungen von Patienten mitschweren Bewusstseins- zwischen Sprachlokalisation mittels fMRT und Elektro- störungen corticostimulation) befasst sich mit der invasiven und nicht-invasiven Lokalisation von Spracharealen. Es wer- Wer an einer schweren Bewusstseinsstörung leidet befin- den Ergebnisse einer Fallserie von Epilepsiepatienten det sich in einem von zwei Zuständen: dem Zustand der vorgestellt und dargelegt, inwiefern die Resektion von Reaktionslosen Wachheit (UWS) oder dem Minimallen Arealen mit präoperativen Sprach-fMRT Aktivierungen Bewusstseinszustand (MCS). Beide Syndrome können als mit Veränderungen der Wortflüssigkeit einher gingen. Zwischenstadien im Prozess einer Erholung aus dem Implikationen für die Planung eines epilepsiechirurgi- Koma auftreten oder aber chronifizieren. schen Eingriffs werden diskutiert. Verlässliche Daten sind über die Prävalenz der schwe- Im dritten Vortrag (M. Wegrzyn: Vorhersage der ren Bewusstseinsstörungen sind für Deutschland nicht er- Sprachlateralisation bei Epilepsiepatienten mittels funk- hoben, legt man jedoch die Schätzung einer Wiener Präva- tioneller MRT und Wada-Test) wird vorgestellt, inwiefern lenzstudie zugrunde, so dürften sich derzeit etwa 17 000 das fMRT mit dem Wada-Test, dem Goldstandard zur Menschen in anhaltenden Zuständen fehlenden Bewusst- Sprachlateralisation, in Übereinstimmung gebracht wer- seins befinden (Prävalenz UWS ca. 19 Patienten pro Milli- den kann. on Einwohner, MCS etwa 10 mal so hoch). Generell wird Im vierten Vortrag (S. Weiss: Modifikation von Sprach- die Lebenserwartung in UWS oder MCS mit im Durch- leistung und Lateralisation durch transkranielle Elektro- schnitt sieben Jahren angegeben, jedoch sind mit heutigen stimulation) wird vorgestellt, welchen Einfluss die trans- medizinischen Mitteln Fälle von über 20 Jahren keine Sel- kranielle Elektrostimulation relevanter Regionen auf tenheit mehr. die Sprachverarbeitung und das verbale Arbeitsgedächt- Aufgrund steigender Patientenzahlen und langer Le- nis von jungen und älteren Personen sowie Patienten benserwartungen wird es immer wichtiger verlässliche mit Sprachbeeinträchtigungen haben kann. Hier stehen Prognosefaktoren zu ermitteln und angemessene Therapi- Methoden der nicht-invasiven Elektrostimulation im en anzubieten um vorhandenes Rehabilitationspotential Vordergrund (tDCS und tACS), die Sprachlateralisation optimal zu nutzen. Hierbei können ereigniskorrelierte Po- wird mittels fTCD gemessen. tential helfen, die verbleibenden kognitiven Mechanis- men aufzudecken und den Rehaverlauf zu unterstützen. Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209 © 2018 Hogrefe
Abstracts 173 0012 0013 Vorhersage der Sprachlateralisation mittels Negative Antwortverzerrungen im funktioneller MRT und Wada-Test heilkundlichen Kontext M. Wegrzyn1, M. Mertens2, L. Hopf2, C. G. Bien2, S. Bodenburg1 F. Woermann2, K. Labudda1 1 Neuropsychologische Praxis, Hamburg, Deutschland 1 Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland 2 Epilepsie-Zentrum Bethel, Krankenhaus Mara, Negative Antwortverzerrungen werden quantitativ mit Bielefeld, Deutschland expliziten Beschwerdenvalidierungstests oder mit einge- betteten Parametern untersucht. Als ein eingebetteter Fragestellung: Im Rahmen der prächirurgischen Epilepsie- Parameter haben sich die Standardabweichungen einfa- diagnostik ist es wichtig herauszufinden, in welcher Hirn- cher Reaktionszeiten negativer Antwortverzerrungen be- hemisphäre die Sprachfunktionen einer Person lokali- währt. Dabei stellt die Beschwerdenvalidierung nicht nur siert sind. Als Goldstandard für die Sprachlateralisation im gutachtlichen Kontext eine wichtige zu beantworten- wird der invasive Wada-Test betrachtet, bei dem jeweils de Frage dar. Auch im heilkundlichen Kontext finden sich eine Hemisphäre narkotisiert wird, um sodann die Hemi- gelegentlich Testresultate oder -profile, die nicht theorie- sphärendominanz für Sprachfunktionen zu überprüfen. und leitliniengerecht eingeordnet werden können. In die- In der vorliegenden Studie soll analysiert werden, welche ser Studie (N = 486) wurden nicht nur gutachtlich unter- fMRT-Aktivierungsmuster aus einer Sprach-fMRT-Auf- suchte Probanden hinsichtlich der Beschwerdenvalidität gabe besonders gut geeignet sind, um die Sprachlaterali- überprüft, sondern auch Patienten, die um heilkundliche sation des Wada-Tests vorherzusagen. Methoden: Bei der Untersuchung und Behandlung nachsuchten. Es handel- retrospektiven Analyse wurden Daten von 75 Epilepsie- te sich insgesamt um 285 Fälle mit gesicherten Hirner- patienten ausgewertet, bei denen neben dem Wada-Test krankungen und fraglichen neuropsychologischen Stö- auch ein fMRT-Wortflüssigkeitsparadigma durchgeführt rungen (ICD-10, F0; EG:n = 183; KG:n = 102) sowie um wurde. Um herauszufinden, welche fMRT-Parameter die 201 Fälle ohne Hirnerkrankung aber mit fraglichen psy- beste Vorhersage der mittels des Wada-Tests ermittelten chopathologischen Störungen (ICD-10, F3 oder F4; Sprachlateralisation erlauben, wurden verschiedene EG;n = 175; KG:n = 26). Abhängige Variable war die Stan- Kombinationen von Hirnregionen und Aktivierungs- dardabweichung der Reaktionszeiten (Untertest Alert- schwellen betrachtet. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, ness, Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung). Die dass mit Aktivierungen in frontalen Arealen, insbesonde- Rohwerte des Strukturierten Fragebogens Simulierter re der Broca-Region, die höchste Übereinstimmung zwi- Symptome (SFSS), die Reliable Digit Span und der Word schen fMRT und Wada-Testergebnis erzielt werden kann. Memory Test (WMT) sowie die Anzahl klinisch fassbarer Dies ist insbesondere der Fall, wenn moderate Aktivie- Auffälligkeiten der Aufmerksamkeit und psychopatholo- rungsstärken (t = 2 bis t = 4) zur Vorhersage der Sprachla- gischer Auffälligkeiten wurden in die deskriptiven Aus- teralisation genutzt werden. Schlussfolgerungen: Die vor- wertungen einbezogen. Probanden mit einer geringen liegenden Ergebnisse bestätigen die Eignung des fMRTs Anzahl richtiger Antworten im WMT und höherer Werte als nicht-invasive Methode zur Sprachlateralisation.Es im SFSS zeigten hochsignifikant größere Standardabwei- wird diskutiert, inwiefern die Wahl der berücksichtigen chungen. Eine Korrelation zu klinisch fassbaren Auffällig- Hirnregionen und des Aktivierungsniveaus optimiert keiten fand sich nicht. 8,8 % der behandelten Patienten werden können. Ideen zur Integration des vorgestellten hatten im WMT Auffälligkeiten. Die Implikationen für Vorgehens in den klinischen Alltag werden vorgestellt, heilkundliche Tätigkeit werden diskutiert. um zur Verbesserung der Lateralisation von Sprachfunk- tionen im Einzelfall beizutragen. © 2018 Hogrefe Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209
174 Abstracts 0014 ren Verkehrsteilnehmern, diagnostische Möglichkeiten Präoperative Psychopathologie als sowie die Effektivität von Trainingsmaßnahmen. Ein wei- terer Schwerpunkt liegt auf der Beratung älterer Fahrer Risikofaktor für eine reduzierte Chance mit beginnender dementieller Erkrankung. auf postoperative Anfallsfreiheit Nach einer kurzen Einleitung in das Thema durch Herrn PD Dr. Alexander Brunnauer und Herrn PD Dr. Max Töp- S. Koch-Stoecker1 per wird Herr Philipp Schulz (MSc) aus der Forschungs- 1 Evangelisches Klinikum Bethel, Klinik für Psychiatrie abteilung des Evangelischen Klinikums Bethel (EvKB) ein und Psychotherapie, Bielefeld, Deutschland ökonomisches multifaktorielles Diagnostikinstrument zur Objektivierung fahrtauglichkeitsrelevanter Risikofaktoren Fragestellung: In der vorgestellten Studie wird der Frage vorstellen sowie die Ergebnisse einer Validierungsstudie. nachgegangen, ob vorbestehende psychiatrische Komorbi- Im Anschluss stellt Frau Dr. Melanie Karthaus vom dität ein Risikofaktor für eine reduzierte Chance auf post- Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dort- operative Anfallsfreiheit nach epilepsiechirurgischen Tem- mund (IfADo) eine Längsschnittstudie vor, die den zeit- porallappenresektionen besitzt. Methode: 434 erwachsene lichen Verlauf mobilitätsbezogener Personenmerkmale, Patienten, die zwischen 1991 und 2009 in Bethel eine mögliche Merkmalskonstellationen und Einflussfaktoren Temporallappenteilresektion erhielten, wurden präopera- untersucht, um das Unfallrisiko im höheren Lebensalter tiv psychiatrisch untersucht. Klassifikation der psychischen einschätzen zu können. Störungen: 1. Psychiatrische Syndrome (PS): Psychose; De- Herr Prof. Dr. Michael Falkenstein vom Institut für Ar- pression; andere; 2. Persönlichkeitsstörungen (Pst): DSM beiten, Lernen, Altern (ALA) in Bochum referiert über die Cluster A, B, C, organisch; andere). Zwei Jahre nach der Effektivität unterschiedlicher Trainingsmaßnahmen bei Operation wurde ihr Anfallsergebnis überprüft und zu den älteren Verkehrsteilnehmern. präoperativen psychiatrischen Befunden als mögliche Prä- Herr Mag. Maximilian Eder von der Schuhfried AG diktoren in Beziehung gesetzt. Ergebnisse: Anfallsfreiheit wird die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zum Trai- war signifikant höher (p < 0.001) bei Patienten ohne Vorge- ning fahrrelevanter kognitiver Funktionen bei gesunden schichte von PS oder Pst als bei denjenigen mit PS oder Pst. älteren Verkehrsteilnehmern vorstellen und dabei insbe- Besonders niedrige Anfallsfreiheitsraten hatten Patienten sondere den Einfluss des Trainings auf die Leistung in mit Psychose, organischer Pst oder einer Doppeldiagnose Fahrverhaltensbeobachtungen. PS plus Pst. Schlussfolgerungen: Psychiatrische Komorbidi- Abschließend diskutiert Herr Dr. Stefan Spannhorst aus tät verschlechtert die Prognose postoperativer Anfallsfrei- der Abteilung für Gerontopsychiatrie des Evangelischen heit bei Temporallappenresektionen. Die Ergebnisse der Klinikums Bethel (EvKB) ethische, juristische und medizi- Anfallsfreiheit unterscheiden sich hinsichtlich Art und nische Herausforderungen der Fahreignungsberatung ins- Ausmaß der psychischen Vorbelastung. Das Ergebnis un- besondere bei Patienten mit Demenz. terstreicht die Notwendigkeit einer präoperativen psychia- trischen Evaluation zur Prognoseeinschätzung. Wichtig ist aber festzuhalten, dass trotz dieser Ergebnisse auch Pa- 0016 tienten mit psychischen Störungen von dem Eingriff profi- Multiprofessionelle Expertise als Antwort tieren können. Grundlagenwissenschaftlich unterstützen auf ethische, juristische und medizinische die vorliegenden Ergebnisse die Hypothese, dass psychi- Herausforderungen in der Fahreignungs- schen Störungen und der Epilepsie gemeinsame pathoge- netische Mechanismen zugrunde liegen könnten. beratung bei kognitiven Einschränkungen S. Spannhorst1, M. Töpper1, P. Schulz2, T. Beblo2, 0015 S. Kreisel1, M. Driessen3 Fahrtauglichkeit im höheren Lebensalter 1 Evangelisches Klinikum Bethel, Gerontopsychiatrie, Bielefeld, Deutschland M. Töpper1, A. Brunnauer1 2 Evangelisches Klinikum Bethel, Forschungsabteilung, 1 Evangelisches Klinikum Bethel, Klinik für Psychiatrie Bielefeld, Deutschland und Psychotherapie, Forschungsabteilung, Bielefeld, 3 Evangelisches Klinikum Bethel, Chefarzt Klinik f. Deutschland Psychiatrie und Psychotherapie, Bielefeld, Deutschland In dem Symposium „Fahrtauglichkeit im höheren Lebens- Die professionelle Fahreignungsberatung älterer Verkehrs- alter“ geht es um fahreignungsrelevante Risiken bei älte- teilnehmer in der Gedächtnissprechstunde sowie in der Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209 © 2018 Hogrefe
Abstracts 175 ärztlichen Berufspraxis allgemein stellt nach wie vor hohe schlechte Fahrer ein längeres Training benötigten. Trai- Anforderungen an die Abwägung zwischen Autonomie nings am Fahrsimulator erbringen ebenfalls klare Verbes- und Sicherheit des Patienten. Kenntnisse über Aufmerk- serungen des Fahrverhaltens Älterer; sie sind jedoch tech- samkeits- und Handlungsparameter älterer Verkehrsteil- nisch aufwändiger als das Fahrtraining im Realverkehr. nehmer bilden eine wichtige Grundlage für die Beratung. Trainings spezifischer Fertigkeiten wie die Erkennung von Ein eigener Risikoerfassungsbogen („SAFE“) (1) wird im Gefahrensituationen können nicht nur im Realverkehr son- Alltag der Gedächtnissprechstunde des Evangelischen Kli- dern auch am PC durchgeführt werden. Kognitive und kör- nikums Bethel eingesetzt und derzeit anhand einer Studie perliche Funktionstrainings zielen auf die Verbesserung mittels Fahrverhaltensbeobachtungen validiert. Allerdings wichtiger Grundfunktionen, die für das Fahren essenziell werden Beurteilungsskalen allein das komplexe Konstrukt sind, wie Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen. Sie der Fahreignung sowie ethisch diffizile Empfehlungen zur haben den Vorteil, dass sie sehr einfach und nach Einwei- Fahreignung nicht abbilden können. In einem eigenen sung auch ohne Trainer durchzuführen sind. Etliche Studi- Case report (2) wurden ethische, juristische und medizini- en zeigen, dass ein PC-basiertes kognitives Training bei sche Herausforderungen der Fahreignungsberatung bei Älteren solche Funktionen verbessern kann; bei einigen kognitiven Einschränkungen im Alter dargestellt. Anhand Studien zeigen sich auch Verbesserungen des Fahrverhal- des dort dargestellten Falles und weiterer Beispiele soll tens. Motorisches und koordinatives Training bewirkt bei ausgeführt werden, dass eine einerseits standardisierte, Älteren nicht nur motorisch-koordinative, sondern auch andererseits genügend individualisierte Herangehenswei- kognitive Verbesserungen. Zur Wirkung auf das Fahrver- se wichtig ist. Die Beratung sollte multiprofessionell ange- halten sind weitere Studien notwendig. legt sein und ethischen Standards (3) genügen. 0018 Einfluss von Verarbeitungstempo und Literatur kognitiver Flexibilität auf verschiedene 1 Schulz P.; Spannhorst, S.; Beblo T. ;,Thomas, C.; Kreisel, S; Dries- Bereiche des sozialen Funktionsniveaus bei sen, M.; Toepper, M: Preliminary Validation of a Questionnaire Covering Risk Factors for Impaired Driving Skills in Elderly Pati- unterschiedlichen ents. Geriatrics 2016, 1,5. psychischen Erkrankungen 2 Spannhorst S.; Toepper, M.; Schulz, P.; Wenzel, G.; Driessen, M.; Kreisel, S. : Advice for Elderly Drivers in a German Memory Cli- nic: A Case Report on Medical, Ethical and Legal Consequences. L. B. Dehn1, J. Grochtmann1, E. Prestin1, P. Schulz1, Geriatrics 2016, 1.9. M. Driessen1, T. Beblo1 3 Beachamp,T.; Childress, J.: Principles of biomedical ethics, 7. 1 Ausgabe 2012, Oxford University Press, Oxford/new York Ev. Klinikum Bethel, Klinik für Psychiatrie und Psycho- therapie, Forschungsabteilung, Bielefeld, Deutschland 0017 Einleitung: Psychische Erkrankungen sind häufig mit neu- Trainingsmaßnahmen für ältere Fahrer ropsychologischen Defiziten verbunden, die Alltag und Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen. Es soll M. Falkenstein1 hier untersucht werden, wie sich kognitive Leistungen 1 Inst für Arbeiten Lernen Altern, Bochum, Deutschland bei unterschiedlichen Patientengruppen auf verschiede- ne Bereiche der sozialen Funktionsfähigkeit auswirken. Zu den wichtigsten Maßnahmen zur Förderung der Fahr- Methode: Die Daten stammen von 99 Patienten (Alter: tüchtigkeit Älterer gehören individuelle Trainingsmaßnah- M = 40±12 Jahre) aus 3 Diagnosegruppen (Substanzbezo- men. Fahrsicherheitstrainings auf dem Übungsplatz sind gene Störungen: n = 35, Schizophrenien: n = 31, Affektive nützlich, verändern aber nicht das für Ältere schwierige Störungen: n = 33), die in der Studie „Wirksamkeit der Fahren in schwierigen Situationen im realen Verkehr. Dies Eingliederungshilfe Wohnen für Menschen mit seeli- wird am besten durch ein Fahrtraining im Realverkehr ein- schen Behinderungen“ erhoben wurden. Erfasst wurde geübt. Eine einschlägige Trainingsstudie im deutschspra- u. a. das kognitive Verarbeitungstempo (TMT-A), die kog- chigen Raum ist die Dortmunder Fahrtrainingsstudie. nitive Flexibilität (TMT-B), die psychische Symptombe- Nach dem Training erreichten die älteren (70+) Fahrer das lastung (SCL-K-9) sowie das soziale Funktionsniveau Leistungsniveau, welches untrainierte Autofahrer mittle- (Social Functioning Scale, SFS) mit 7 Facetten: Rückzug/ ren Alters auf der Teststrecke zeigten. Relativ gute Fahrer Soziale Eingebundenheit (R), Interpersonelle Kommuni- benötigten nur wenige Trainingsfahrten, während relativ kation (I), soziale Aktivitäten (S), Freizeitgestaltung (F), © 2018 Hogrefe Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209
176 Abstracts Unabhängigkeit-Kompetenz (U-K), Unabhängigkeit-Per- tienten mit zerebraler Hypoxie gibt die Diffusionswich- formanz (U-P), Arbeit/Beschäftigung (A). Für jede Grup- tung im MRT Hinweise auf „late awakeners“ in der pe wurden lineare Regressionen (kontrolliert für Alter, Postakutphase. Therapeutisch spielen neben der akti- Geschlecht und SCL-K-9) berechnet. Ergebnisse: Bei Schi- vierenden rehabilitativen Therapie neuropharmakolo- zophrenien und affektiven Störungen erwiesen sich gische Ansätze eine große Rolle. Durch transkranielle TMT-A bzw. -B als signifikante Prädiktoren für den SFS- Stimulation des Kortex u. a. mit Gleichstrom kann die Gesamtwert und 3 Subskalen (I, S, A). Die TMT-Regressi- Rückbildung der Bewusstseinsstörung gefördert werden onsgewichte waren dabei höher als die der SCL-K-9. In kann. Die Kombination der diagnostischen und thera- der Gruppe F10–19 zeigten sich keine signifikanten Zu- peutischen Verfahren wird die Behandlung weiter ver- sammenhänge. Schlussfolgerung: Im Gegensatz zu subs- bessern. tanzbezogenen Störungen hing bei Schizophrenien bzw. affektiven Störungen (88 % Depressionen) das Verarbei- tungstempo sowie die kognitive Flexibilität mit dem sozi- 0020 alen Funktionsniveau der Patienten zusammen, v. a. in Klinische Validität etablierter den Bereichen interpersonelle Kommunikation, soziale Testverfahren bei Epilepsiepatienten – Aktivitäten und Arbeit/Beschäftigung. eine Faktorenanalyse 0019 N. Conradi1, M. Behrens2, T. Kannemann1, N. Merkel1, Der Weg zurück aus dem Koma: A. Strzelczyk1, F. Rosenow1, A. Hermsen1 1 Universitätsklinikum Frankfurt, Epilepsiezentrum Verbessern neue diagnostische und Frankfurt Rhein-Main, Frankfurt am Main, Deutschland therapeutische Verfahren die Behandlung? 2 Universitätsklinikum Frankfurt, Zentrum der Neurologie und Neurochirurgie, Frankfurt am Main, M. Kaps1 Deutschland 1 Kliniken Schmieder, Frührehabilitation, Allensbach, Deutschland Einleitung und Fragestellung: Die ausführliche neuropsy- chologische Diagnostik mithilfe standardisierter Test- Durch Fortschritte in der Intensivmedizin in den letzten verfahren ist seit Langem fester Bestandteil der prächirur- 25 Jahren überleben mehr Patienten mit schweren Be- gischen Epilepsiediagnostik. Die neuropsychologische wusstseinsstörungen, die nach der Akutphase in der neu- Kommission der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie rologischen Frührehabilitation behandelt werden. Die (DGfE) hat einen Standard der zu untersuchenden kogni- klinische Beurteilung der Patienten ist immer noch mit tiven Domänen zusammengestellt und entsprechende einer hohen Rate an Fehldiagnosen verbunden. Wieder- Testverfahren empfohlen (Brückner, 2012). Europaweit holte klinische Untersuchungen erhöhen die Aussage- zeigte sich zwischen verschiedenen Epilepsiezentren eine kraft. Durch Weiterentwicklung der funktionellen bild- hohe Übereinstimmung bezüglich dieser Domänen, ins- gebenden und elektrophysiologischen Verfahren ist es gesamt fällt jedoch auf, dass die klinische Validität der ver- möglich geworden, die prognostische Einschätzung deut- wendeten Testverfahren nur selten an Epilepsiepatienten lich zu verbessern. Dazu gehören die Magnetresonanzto- untersucht worden ist (Vogt et al., 2017). Methoden: Die mographie (MRT) mit Diffusion Tensor Imaging (DTI) empfohlene Standard-Testbatterie wurde bei 224 Epilep- und Resting State MRT, die 18 F-Fluordesoxyglucose siepatienten durchgeführt und die zugrundeliegende Fak- Positronenemissionstomographie und die Elektroenze- torenstruktur der neuropsychologischen Testwerte mittels phalographie mit ereigniskorrelierten und motorisch Hauptkomponentenanalyse und Varimax-Rotation analy- evozierten Potentialen. Es bestehen selten auch Hin- siert. Faktorenladungen unter ± .40 wurden nicht berück- weise auf eine motorisch-kognitive Dissoziation. Der kli- sichtigt. Ergebnisse: Die Faktorenanalyse ergab die folgen- nische Untersuchungsbefund des Patienten entspricht den zehn interpretierbaren Faktoren, welche 65.8 % der dann dem Befund eines Wachkomas, in der funktionellen Varianz erklären: Wortflüssigkeit, geteilte Aufmerksam- Diagnostik zeigen sich dagegen Hinweise auf ein partiell keit, Verbalgedächtnis, verbal-logisches Gedächtnis, Kurz- erhaltenes Bewusstsein. Bei Patienten mit schwerem zeit- und Arbeitsgedächtnis, verbales Lernen, visuospatia- Schädelhirntrauma deutet eine möglichst geringe Un- le Funktionen, Figuralgedächtnis, Abrufmonitoring und terbrechung der gerichteten Diffusionsbewegung von Exekutivfunktionen. Schlussfolgerungen: Inhaltlich ent- Wassermolekülen in subkortikalen Bahnsystemen in der sprachen die gefundenen Faktoren den zu untersuchen- DTI Sequenz eine gute Chance zur Erholung an. Für Pa- den Domänen kognitiver Leistungsfähigkeit und waren Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209 © 2018 Hogrefe
Abstracts 177 jeweils einem Testverfahren aus der empfohlenen Stan- 0022 dard-Testbatterie zuzuordnen. Trotz des Umfangs der Symposium: Motorische Kognition Testbatterie zeigten sich keine Redundanzen zwischen den Faktoren, was für die Durchführung aller enthalten- und Klinische Korrelate den Testverfahren spricht. J. Randerath1 1 Universität Konstanz, Konstanz, Deutschland 0021 Übereinstimmung zwischen Die Motorische Kognition ist ein breites Feld mit vielen Sprachlokalisation mittels fMRT Teilleistungen. Fähigkeiten reichen von der Vorhersage einfacher Bewegungsabfolgen bis hin zur Nutzung von und Elektrocorticostimulation Werkzeugen und Objekten sowie Entscheidungen, ob bei- spielsweise eine Straße überquerbar ist. Das gesunde Ge- K. Labudda1, F. G. Woermann2 hirn greift entsprechend auf ein großes bilaterales Netz- 1 Universität Bielefeld, Klinische Neuropsychologie werk zurück. Das Symposium „Motorische Kognition und mit dem Schwerpunkt Epilepsieforschung, Bielefeld, Klinische Korrelate“ liefert einen Einblick zu dem Einfluss Deutschland von Beeinträchtigungen kognitiv-motorischer Fähigkeiten 2 Krankenhaus Mara, MRT, Bielefeld, Deutschland in verschiedenen neurologischen Patienten-Populationen. Ima Trempler stellt in ihrem Vortrag „Beeinträchtigungen Bei Patienten mit Frontallappenepilepsie (FLE) ist die Lo- der Prädiktion beim idiopathischen Parkinson-Syndrom“ vor. kalisation von spracheloquentem Cortex ein wichtiger Be- Hierbei wird mittels Daten der Bildgebung die Rolle von standteil der prächirurgischen Diagnostik. Neben der funktionellen und strukturellen Veränderungen frontostri- Elektrocorticostimulation (ES) mit subduralen Platten ataler Schleifen diskutiert. Ilka Buchmann beschreibt in wird die fMRT als Alternative zur Identifikation sprachre- ihrem Vortrag „Profile der Gliedmaßenapraxie bei Patienten levanter Cortexareale diskutiert. Ziel dieses Beitrags ist mit verschiedenen neurologischen Krankheitsbildern“ die ein Vergleich beider Methoden innerhalb einer kleinen Pa- Ausprägung der Probleme mit Imitation, der pantomimi- tientengruppe und die Exploration von Zusammenhängen schen Darstellung oder auch dem tatsächlichen Gebrauch zwischen präoperativen ES- sowie fMRT-Ergebnissen und von Objekten und Werkzeugen bei Demenz, Schlaganfall, postoperativen Veränderung der Wortflüssigkeit. Multipler Sklerose sowie Schädel-Hirntrauma. In ihrer Es werden 5 FLE-Patienten vorgestellt, bei denen prä- Präsentation beschreibt Lisa Finkel Defizite in der kom- operativ sowohl eine ES als auf ein Sprach-fMRT durchge- plexen Fähigkeit der Einschätzung von Handlungsmög- führt wurde. Die Divergenz/Konvergenz hinsichtlich der lichkeiten „Liegt das in Reichweite? – Beeinträchtige Af- Lokalisation von Spracharealen mittels beider Methoden fordanzwahrnehmung nach Schlaganfall“. Sie erklärt, wie wird dargestellt und mit der postoperativen Veränderung unterschiedliche Teilleistungen je nach Aufgabenstellung der Wortflüssigkeit in Bezug gesetzt. einen Schwerpunkt erhalten können und diskutiert das Mittels ES konnte bei 3 der 5 Patienten spracheloquen- bisher heterogene Bild bei diesem Funktionsdefizit und ter Cortex identifiziert werden. Bei diesen Patienten neuronalen Korrelaten. zeigte sich ein Spracharrest bei Stimulation derjenigen Zum Abschluss diskutiert Jennifer Randerath, anhand Elektrode(n), die im Bereich maximaler fMRT-Aktivie- des Beispiels von „Regel- vs. planbasierte Handlungen“, Er- rung lagen. Sechs Monate nach OP fand sich bei 3 Patien- gebnisse aus der Grundlagenforschung und ihre Imple- ten eine Verschlechterung der verbalen Flüssigkeit. Bei mentierungsmöglichkeiten in der Rehabilitation. allen 3 Patienten wurden frontale Areale reseziert, in de- nen sich präoperativ Sprachaktivierungen zeigten. Diese Verschlechterung war am stärksten ausgeprägt bei einem Patienten, bei dem die Resektion bis ins Broca-Areal reichte und die präoperative ES keine sichere Identifikati- on von Sprachareale erlaubte. Die Ergebnisse zeigen, dass mittels ES identifizierte Sprachareale mit Clustern maximaler fMRT-Aktivierung übereinstimmen. Es erscheint sinnvoll, die Ergebnisse von fMRT-Sprachaktivierungen bei der OP-Planung zu be- rücksichtigen, insbesondere wenn die ES nicht zu konklu- siven Ergebnissen geführt hat. © 2018 Hogrefe Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209
178 Abstracts 0023 0024 Evaluation eines kombinierten Fahrtauglichkeitsdiagnostik Sportprogramms zur Therapie bei Senioren mit und ohne depressiver Erkrankungen kognitive Beeinträchtigung A. Berwinkel1, M. Driessen2, T. Beblo2, S. Hey3, P. Schulz1, S. Spannhorst2, V. Bertke3, S. Kreisel2, M. Weigelt1 T. Beblo1, M. Driessen4, M. Töpper1 1 1 Universität Paderborn, Psychologie und Bewegung, Evangelisches Klinikum Bethel, Klinik für Psychiatrie Paderborn, Deutschland und Psychotherapie, Forschungsabteilung, Bielefeld, 2 Evangelisches Klinikum Bethel, Bielefeld, Deutschland Deutschland 3 2 movisens GmbH, Karlsruhe, Deutschland Evangelisches Klinikum Bethel, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Abteilung für Gerontopsychiatrie, Bielefeld, Deutschland Einleitung: Wissenschaftliche Studien zur Sporttherapie 3 DEKRA Automobil GmbH, Begutachtungsstelle bei depressiven Erkrankungen beschäftigten sich über- für Fahreignung, Detmold, Deutschland wiegend mit aeroben Ausdauertrainings (Weigelt & 4 Evangelisches Klinikum Bethel, Klinik für Psychiatrie Berwinkel, 2017). Kombinierte Sportprogramme bieten und Psychotherapie, Bielefeld, Deutschland den Vorteil der stärkeren Ressourcenorientierung, wes- halb in dieser Interventionsstudie die Wirksamkeit eines kombinierten Sportprogramms mit der eines Ausdauer- Einleitung: Normales Altern und beginnende dementielle trainings verglichen wird. Methode: 62 depressive Pati- Erkrankungen werden von kognitiven, sensorischen und enten in tagesklinischer Behandlung wurden quasi-ran- physischen Veränderungen begleitet, die die Fahrtaug- domisiert einer Experimentalgruppe (KoTG; n = 31; Alter: lichkeit beeinträchtigen können. Da einzelne neuropsy- 43 ± 12 J.) und einer Kontrollgruppe (AdTG; n = 31; Alter: chologische Testverfahren nur ungenau zwischen siche- 41 ± 12 J.) zugeteilt und im Prä-Posttest-Design vergli- ren und unsicheren älteren Fahrern differenzieren, wird chen. Die KoTG absolvierte ein kombiniertes Trainings- zunehmend eine multifaktorielle Herangehensweise zur programm (Qi Gong, Nordic Walking, PMR, allg. Bewe- Diagnostik der Fahrtauglichkeit empfohlen. Methode: gungstherapie) und die AdTG ein Ausdauertraining N = 70 ältere Kraftfahrer mit und ohne kognitive Defizi- (Nordic Walking) über den Zeitraum der Behandlung te absolvierten eine ausführliche Fahranamnese/Test- (je 3 h/Woche, Ø 4 Wochen). Eine umfangreiche psycho- diagnostik sowie eine standardisierte Fahrverhaltens- logische Diagnostik [u. a. Beck-Depressionsinventar (BDI- beobachtung im realen Straßenverkehr. Zudem wurde II), Symptom-Checkliste (SCL-9-K), Multidimensionaler ein neues multifaktorielles Instrument zur Einschätzung Selbstwertfragebogen (MSWS)] wurde eingesetzt. Der der Fahrtauglichkeit (SAFE; Seniorenberatung Aufgrund Kcal-Verbrauch wurde über Akzelerometer (movisens Fahreignungsrelevanter Einschränkungen) eingesetzt. GmbH) erfasst. Ergebnisse: Die statistische Auswertung Die diagnostische Genauigkeit des SAFE wurde mithilfe erfolgte mittels Varianzanalysen für die Faktoren „Mess- von Korrelations-, Regressions- sowie Sensitivitäts- und zeitpunkt“ × „Gruppe“. Es ergaben sich signifikante Spezifitätsanalysen berechnet. Ergebnisse: Die Ergebnisse Haupteffekte für den Messzeitpunkt (alle p“s < .05). Eine zeigten signifikante Korrelationen zwischen dem durch Interaktion von „Messzeitpunkt“ × „Gruppe“ zeigte sich den SAFE erfassten Risiko und der Fahrtauglichkeitsein- nicht durchgängig. Der Kcal-Verbrauch der AdTG war schätzung, während eine Vielzahl von Screening-Tests höher (p < .05). Diskussion: Vor dem Hintergrund der psy- nicht mit der Fahrtauglichkeit korrelierten. Darüber hin- chologischen Diagnostik scheinen beide Interventionen aus wies der SAFE eine zufriedenstellende Sensitivität einen vergleichbar positiven Effekt zu haben. Die Unter- bei begrenzter Spezifität auf. Eine modifizierte Version schiede im Kcal-Verbrauch deuten jedoch auf eine inten- des SAFE geht mit einer erhöhten diagnostischen Genau- sitätsunabhängige Verbesserung hin und bieten wichtige igkeit einher. Schlussfolgerung: Die vorläufigen Ergebnisse Implikationen für die klinische Praxis. weisen darauf hin, dass der SAFE fahrtauglichkeitsrele- vante Risiken von Senioren quantifizieren und im klini- schen Setting eine Beratungsgrundlage bilden kann. Zu- dem scheint der SAFE einzelnen Screening-Testverfahren überlegen zu sein. Auf Basis der Studienergebnisse wird eine Modifikation des SAFE angestrebt, um die diagnos- tische Güte weiter zu erhöhen. Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209 © 2018 Hogrefe
Abstracts 179 0025 0026 Digitalisierung in Diagnostik und Therapie – Polysomnographische Neuropsychologische Konzepte, innovative Untersuchungen von Patienten mit Technologien und Anwendungsbeispiele schweren Bewusstseinsstörungen S. V. Müller1, *A. Thöne-Otto2 B. Kotchoubey1, Y. G. Pavlov1,2, I. Nopper1,3, C. Barner1, 1 Ostfalia Hochschule, Fakultät Soziale Arbeit, F. Müller3, S. Diekelmann1 1 Wolfenbüttel, Deutschland Universität Tübingen, Medizinischen Psychologie, 2 Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik für Kognitive Tübingen, Deutschland 2 Neurologie, Leipzig, Deutschland Ural Federal University, Psychologie, Ekaterinburg, Russische Föderation 3 Schoen-Klinik, Bad Aibling, Deutschland In diesem Symposium werden erste Anwendungsbeispie- le für die Nutzung innovativer Technologien in der neuro- psychologischen Diagnostik und Therapie vorgestellt, Schwere Bewusstseinsstörungen (Diagnosen Unresponsive sowie Chancen und Herausforderungen diskutiert. Der Wakefulness Syndrome [UWS] und Minimally Conscious erste Teil befasst sich mit der Anwendung Virtueller Rea- State [MCS]) werden durch sehr starke Schlafstörungen lität (VR). Zunächst wird von J. Belger et al. der Prozess charakterisiert. Es ist allerdings unklar, inwieweit unspezifi- der „Immersion“ untersucht und Beispiele für die An- sche Faktoren (Krankenhausumgebung, Immobilität, evtl. wendung virtueller Realität (VR) in der Rehabilitation Schmerzen, störende Pflegeeingriffe in der Nacht usw.) da- senso-motorischer Fähigkeiten vorgestellt. In dem Bei- für verantwortlich gemacht werden können. 24-Std. Poly- trag von E. Quinque et al. wird eine Übersicht über aktu- somnographie (EEG, Elektrookulogram, Elektromyogram) elle VR-Entwicklungen zur Untersuchung sowie zum wurde bei 42 Patienten mit schweren Verletzungen des zen- Training kognitiver Funktionen gegeben. Im Zentrum tralen Nervensystems registriert, davon 16 Patienten mit dabei stehen Verfahren zur Untersuchung räumlicher Na- UWS, 16 mit MCS und 10 mit schwersten spinalen Läsionen vigation sowie von Exekutivfunktionen. P. Chojecki gibt aber im vollen Bewusstsein (Kontrollgruppe). Zirkadiane eine Übersicht über technische Lösungsansätze, wie Per- Veränderungen neurophysiologischer Parameter wurden sonen in VR dargestellt werden (Selbstrepräsentation) bei allen Patienten beobachtet. Bei zwei UWS-Patienten und wie sie virtuell interagieren können. Dabei werden gab es keinerlei Veränderungen des EEG in der Nacht, aber auch Möglichkeiten vorgestellt, um sog. Cybersickness, deutliche Anzeichen des Schlafes (inkl. REM-Schlaf) am ein Unwohlsein, das manche Menschen nach der Interak- Tag, was darüber hinweist, dass die entsprechenden Unter- tion mit VR beschreiben, zu vermeiden. Im zweiten Teil suchungen mindestens 24 Std. umfassen müssen. Die drei wird F. Ertas die Realisierung eines Therapieverfahrens Patientengruppen unterschieden sich sowohl in der Ge- zur Behandlung exekutiver Dysfunktion, das Goal-Ma- samtdauer der Schlafzeiten (Kontrolle > MCS > UWS) als nagement-Training, in Form einer App vorstellen. An- auch in der Differenz zwischen dem Schaf am Tag (8 bis 20 hand zweier Einzelfälle wird der Einsatz im Alltag und in Uhr) und in der Nacht (20 bis 8 Uhr). UWS-Patienten der beruflichen Rehabilitation demonstriert. I. Schiering schliefen im Durchschnitt 134,2+101,5 min am Tag und stellt schließlich das Spannungsfeld zwischen dem Inno- 174+160,4 min in der Nacht, MCS-Patienten 164+96,6 min vationspotential von Smart Devices und Augmented Rea- am Tag und 240,7+109,9 min in der Nacht, Kontrollpatien- lity Anwendungen und den Datenschutz-Risiken für die ten 95,9+76 min am Tag und 366,5+91,6 min in der Nacht. Betroffenen dar. Anhand konkreter Anwendungsbeispie- Offensichtlich können die Schlafstörungen bei UWS und le werden Konzepte des Privacy by Design skizziert und MCS nur in einem sehr geringen Maß durch unspezifische Möglichkeiten des Erhalts der informationellen Selbstbe- Faktoren erklärt werden, da diese Faktoren alle drei Grup- stimmung der Menschen in diesem sensiblen Umfeld. pen betrafen; vielmehr sind die Ursachen dieser Schlafstö- rungen in den spezifischen Faktoren (d. h. Hirnläsionen) von UWS- und MCS-Pateinten zu suchen. © 2018 Hogrefe Zeitschrift für Neuropsychologie (2018), 28 (3), 168–209
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