Afrika handelt - Metall NRW
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13. Mai 2021 #10 / 2021 ISSN 0344-919X Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft G 4120 Afrika handelt Afrika. Zum 1. Januar 2021 haben sich 54 der 55 afrikanischen Staaten zu einer Freihandelszone zusammen- geschlossen. Die wichtigsten Ziele sind der Abbau von Zöllen im Binnenhandel und eine stärkere Integration der Märkte. Was das für deutsche Industrieunternehmen bedeutet und wie es um die internationalen Handelsbeziehun- gen mit Afrika derzeit steht, erklärt Anne Lauenroth vom Bundesverband der Deutschen Industrie im iwd-Interview. Seiten 2–5 IW-Konjunkturumfrage Berufsausbildung Die meisten Unternehmen blicken recht zuversichtlich Die Ausbildungsgänge in Deutschland sollten stärker an auf den weiteren Jahresverlauf. Allerdings besteht ein den digitalen Wandel angepasst werden – betont auch großes branchenbezogenes und regionales Gefälle. IW-Geschäftsführer Hans-Peter Klös im Interview. Seiten 6–7 Seiten 14 und 15 Weitere Themen +++ Handelspolitik +++ Mediation +++ Fachkräfte +++ Top-Liste: Grundsteuer +++ Zahl der Woche: Strafzinsen
13. Mai 2021 / #10 / Seite 2 Afrika Auf dem Weg zum Freihandel Afrika. Am 1. Januar 2021 ist das Abkommen zur panafrikanischen Freihandelszone in Kraft getreten – ein großer Schritt zu freiem Waren- und Dienstleistungsverkehr auf dem afrikanischen Kontinent. Die konkrete Umsetzung soll vor allem über bereits beste- hende regionale Wirtschaftsgemeinschaften erfolgen. Mit der panafrikanischen Freihandelszone AfCFTA moderne Infrastruktur zu sorgen und die Märkte stärker (African Continental Free Trade Agreement) entsteht ein zu integrieren. Bei diesen Vorhaben spielen die acht Wirtschaftsraum mit 1,3 Milliarden Menschen und einem regionalen Wirtschaftsgemeinschaften Afrikas eine jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 2,5 Billionen Dollar. wichtige Rolle, denn sie sind es, die die konkrete Umset- Die AfCFTA ist Teil der Agenda 2063, die 2013 zum 50. Ge- zung bewerkstelligen müssen. Schaut man sich an, wie burtstag der African Union ins Leben gerufen wurde – der Integrationsgrad der Gemeinschaften derzeit aus- und bis 2063 haben jene 54 afrikanischen Länder, die das sieht, fallen jedoch große Unterschiede ins Auge (Grafik): Abkommen ratifiziert haben, nun Zeit, die vereinbarten Auf einer Skala von null bis eins erreicht selbst der Ziele in nationales Recht umzusetzen. Konkret heißt das, Spitzenreiter Ostafrikanische Gemeinschaft nur einen Zölle abzubauen, den Handel zu erleichtern, für eine Integrationsgrad von 0,54 Punkten. Das Schlusslicht, Akrikas Wirtschaftsgemeinschaften: Große Unterschiede bei der Integration Die fünf Dimensionen freier Personenverkehr, Handel, Produktion, Makroökonomie und Infrastruktur umfassen jeweils zwei bis vier Indikatoren. Für jeden Indikator wird der Durchschnitt über alle Länder berechnet, dann werden die Indikatoren für jede Dimension gemittelt. Der Integrationsgrad reicht von 0 (niedrig) bis 1 (hoch). Freier Perso- Makro- Infra- nenverkehr Handel Produktion ökonomie struktur Insgesamt Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) 0,7 0,4 0,4 0,7 0,6 0,54 Union des Arabischen Maghreb (AMU) 0,4 0,5 0,4 0,6 0,5 0,49 Zentralafrikanische Wirtschafts- gemeinschaft (ECCA ) 0,5 0,4 0,3 0,7 0,4 0,44 Intergovernmental Authority on Development (IGAD) 0,5 0,4 0,3 0,4 0,5 0,44 Westafrikanische Wirtschafts- gemeinschaft (ECOWA) 0,7 0,4 0,2 0,5 0,3 0,43 Gemeinschaft der Staaten des Sahel und der Sahara (CEN-SAD) 0,5 0,4 0,3 0,4 0,3 0,38 Gemeinsamer Markt für das Östliche und Südliche Afrika (COMESA) 0,4 0,4 0,3 0,4 0,3 0,37 Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) 0,5 0,3 0,2 0,4 0,2 0,34 Wirtschaftsgemeinschaften: Ein Land kann mehreren Gemeinschaften angehören; EAC: Burundi, Kenia, Ruanda, Südsudan, Tansania, Uganda; AMU: Algerien, Libyen, Mauretanien, Marokko, Tunesien; ECCA: Angola, Äquatorialguinea, Burundi, Gabun, Kamerun, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Ruanda, São Tomé und Príncipe, Tschad, Zentralafrikanische Republik; IGAD: Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan, Südsudan, Uganda; ECOWA: Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Togo; CEN-SAD: Ägypten, Benin, Burkina Faso, Dschibuti, Elfenbeinküste, Eritrea, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Kenia, Komoren, Liberia, Libyen, Mali, Marokko, Mauretanien, Niger, Nigeria, São Tomé und Príncipe, Senegal, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Togo, Tschad, Tunesien, Zentralafrikanische Republik; COMESA: Ägypten, Äthiopien, Burundi, Dschibuti, Eritrea, Eswatini, Kenia, Komoren, Demokratische Republik Kongo, Libyen, Madagaskar, Malawi, Mauritius, Ruanda, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Somalia, Sudan, Tunesien, Uganda; SADC: Angola, Botswana, Eswatini, Komoren, Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Madagaskar, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Südafrika, Tansania Quellen: Africa Regional Integration Index, Institut der deutschen Wirtschaft © 2021 IW Medien / iwd
Afrika 13. Mai 2021 / #10 / Seite 3 die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas, kommt sogar nur auf 0,34 Punkte. Wenig Handel innerhalb der Regionen Gleichwohl lohnt es sich, die Ostafrikanische Gemein- im Jahr 2019 schaft, bestehend aus Burundi, Kenia, Ruanda, Süd- sudan, Tansania und Uganda, näher unter die Lupe zu Panafrikanische Ostafrikanische Freihandelszone Gemeinschaft nehmen, denn sie zeigt exemplarisch, was die afrikani- (AfCFTA – 54 Länder) (EAC – 6 Länder) schen regionalen Bündnisse erreichen können und woran es noch hapert. Bevölkerung Die Ostafrikanische Gemeinschaft punktet vor allem in Millionen 1.300 190 in den Dimensionen freier Personenverkehr und makro- ökonomische Integration. So haben vier der sechs Mitglieder bereits das Zusatzprotokoll des panafrikani- Bruttoinlands- produkt in 2.500 219 schen Freihandelsabkommens zur Freizügigkeit von Milliarden Dollar Personen unterzeichnet, drei Länder haben die Bürokra- tie für das Ausstellen von Arbeitsgenehmigungen und Anteil der Exporte innerhalb der Einreisevisa vereinfacht. Bei der makroökonomischen Regionen an den 17 17 Integration hat die Gemeinschaft schon 2013 anvisiert, gesamten Exporten 2017 in Prozent bis 2024 eine einheitliche Währung zu schaffen. Quellen: African Development Bank, Weltbank Dass dieses institutionelle Fundament noch nicht © 2021 IW Medien / iwd seine volle Wirkung entfaltet, zeigt ein Vergleich des intraregionalen Handels (Grafik): Die sechs Länder der Ostafrikanischen Gemein- schen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes schaft handelten 2017 nur 17 Prozent ihrer Exporte verdeutlicht, dass das Problem der Unterauslastung von untereinander – auf den gleichen Wert kamen die Betriebskapazitäten durch die Corona-Pandemie ver- 54 Mitglieder der panafrikanischen Freihandelszone. schärft wurde. Während vor der Pandemie nur 8 Prozent Die generelle Exportschwäche der Region liegt vor der Unternehmen angaben, weniger als die Hälfte ihrer allem darin begründet, dass viele Zwischen- und Endpro- Betriebskapazität zu nutzen, waren es im Mai 2020 schon dukte importiert werden, während Rohmaterialien ohne 53 Prozent. Mittlerweile ist dieser Wert zwar wieder die Mehrwert generierende Weiterverarbeitung in den gesunken, doch die verringerte Nachfrage der Konsu- Export gehen. So führen Kaffee, Schnittblumen, Tee, menten hindert viele kenianische Unternehmen weiter- Tabak, Fisch und Gemüse die Liste der Produkte an, die hin daran, ihre Kapazitäten stärker auszulasten. von der Ostafrikanischen Gemeinschaft in die EU expor- Auf der Angebotsseite kämpfen die kenianischen tiert werden. Zurück kommen Maschinen, Fahrzeuge und Unternehmen vor allem mit einem Anstieg der Kosten für pharmazeutische Produkte. Zulieferungen, was vor allem auf die Frachtkosten Zudem produzieren die Unternehmen des Verarbei- zurückzuführen ist. Eine stärkere regionale Integration tenden Gewerbes in Ostafrika etwa 20 bis 40 Prozent und der Aufbau von Lieferketten vor Ort könnte auch hier unter ihrem Potenzial. Damit die Region tatsächlich vom Abhilfe schaffen. Blickt man auf die vorgesehenen Freihandel profitieren kann, gilt es Wertschöpfungsket- Investitionen der Unternehmen für das nächste Halbjahr, ten innerhalb der Region aufzubauen. Dies kann nur planen jedoch nur 7 Prozent eine Expansion. gelingen, wenn der Privatsektor eingebunden wird. Ein Hemmnis, um Produktivitätspotenziale besser Business Scouts for Development auszuschöpfen, ist der Mangel an Fachkräften. So sagen Mit dem Projekt Business Scouts für Development möchte das 41 Prozent der Unternehmen in Tansania und 30 Prozent Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Unternehmen in Kenia, dass der Fachkräftemangel Entwicklung deutsche und europäische Unternehmen mit Un- ternehmen in 40 Partnerländern des globalen Südens vernet- für ihr Geschäft ein Problem ist. Neben einer Verbesse- zen. Die Scouts sollen als entwicklungspolitische Expertinnen rung des Bildungssystems kann hier auch die Freizügig- und Experten unter anderem Kooperationsprojekte anstoßen keit von Personen helfen, weil sie einen Austausch von und dadurch Zugänge zu neuen Märkten ermöglichen. Be- Kompetenzen und Ideen ermöglicht. triebspartnerschaften und der Transfer von Know-how schaffen Abzuwarten bleibt, wie sich die Corona-Pandemie auf nicht nur neue Handelschancen, sondern auch neue Arbeits- die Umsetzung des Abkommens auswirken wird. Eine plätze vor Ort. Die Kontaktdaten sind zu finden auf: bmz.de vierteljährlich durchgeführte Umfrage unter keniani-
13. Mai 2021 / #10 / Seite 4 Afrika: Interview Interview. Mit der Gründung einer neuen Freihan- delszone, der größten der Welt, wollen 54 der 55 afrikanischen Staaten einen gesamtkontinentalen Binnenmarkt schaffen und so vor allem den inner- afrikanischen Handel fördern. Was das – auch für die deutschen Unternehmen – bedeutet, darüber sprach der iwd mit Anne Lauenroth, stellvertretende Abteilungsleiterin Internationale Zusammenarbeit, Sicherheit, Rohstoffe und Raumfahrt beim Bundes- verband der Deutschen Industrie (BDI). Foto: Christian Kruppa „Afrika ist ein Kontinent der Chancen“ Die Ziele der panafrikanischen es um die generelle Vision der unter den Handelshemmnissen Freihandelszone AfCFTA sollen bis Afrikanischen Union. und der gesunkenen globalen 2063 umgesetzt sein. Ist das in Wie beurteilen Sie die Entwick- Nachfrage, der Tourismus liegt unserer schnelllebigen und globa- lungen in Afrika in den vergange- brach. Vor allem die Länder südlich lisierten Wirtschaft nicht ein sehr nen Jahren? Geht es – beispiels- der Sahara, in denen Millionen langer Zeitraum? weise mit Blick auf internationale Menschen im informellen Sektor Die neue Freihandelszone ist ein Handelsbeziehungen – voran? arbeiten, dürften bei der Bekämp- Teil der Agenda der Afrikanischen Der BDI sieht Afrika als Kontinent fung der Armut um Jahre oder gar Union und dazu ein besonders der Chancen, mit viel Potenzial für Jahrzehnte zurückgeworfen wichtiger. Ich denke auch nicht, dass Wirtschaftswachstum, Handel und werden. es so lange dauern wird. Viele der nachhaltige Entwicklung. Das Bild Corona macht allen zu schaffen, 54 teilnehmenden Länder haben von Afrika in der Welt ist oft zu insbesondere auch dem afrikani- bereits erste Vorschläge für die einseitig, verbunden mit Armut, schen Kontinent. Außer in China ist Zollunion eingereicht, man ist also Kriegen und Konflikten. Vor Corona die Wirtschaftsleistung im vergange- schon im Umsetzungsprozess. gab es bereits hohe Wachstumsraten, nen Jahr überall auf der Welt ge- Die deutsche Industrie geht zwar in Ostafrika sogar durchschnittlich schrumpft. Ich bin überzeugt, dass davon aus, dass dieser Prozess um die 5 bis 6 Prozent. sich die Lage auch in den afrikani- dauern wird, allerdings nicht bis zum Corona aber hat den Kontinent schen Staaten langfristig wieder Jahr 2063. Bei der Agenda 2063 geht hart getroffen. Afrika leidet sehr stabilisiert. Dazu braucht es Unter-
Afrika: Interview 13. Mai 2021 / #10 / Seite 5 stützung, auch durch international das Projekt „Perspektiven schaffen“ Absolventen ein Jahr lang in ihrem koordinierte Maßnahmen. ins Leben gerufen, das deutsche mit Betrieb ausbilden und sie dann zum Denn die Herausforderungen für afrikanischen Unternehmen ver- Beispiel in ihrer Niederlassung in die nächsten Jahre sind groß. Wir netzt. So haben Unternehmen vor Afrika einsetzen. müssen jetzt die Voraussetzungen Ort die Chance, ihre Wertschöp- Deutsche Unternehmen entwi- dafür schaffen, dass die Länder fungsketten zu integrieren, sich als ckeln – meist vermittelt durch die wieder auf die Beine kommen. Wie Zulieferer zu qualifizieren oder auch Gesellschaft für Internationale vor der Pandemie sind dafür mehr gemeinsam neue Produkte entwi- Zusammenarbeit oder die Auslands- innerafrikanischer Handel, mehr ckeln zu können. Das sind typische handelskammern – die Lehrpläne an Investitionen in die Digitalisierung Win-win-Situationen. den afrikanischen Universitäten oder und die Infrastruktur, höhere Bil- Der Dialog in Sachen Industriali- Fachhochschulen mit. Im Zentrum dungsausgaben und, nicht zuletzt, sierung geschieht aber nicht nur steht dabei, die Ausbildung so die Ankurbelung der Privatwirtschaft zwischen den Unternehmen, son- praxisnah wie möglich zu gestalten. notwendig. dern auch auf der Ebene der Verbän- Das sind wichtige Schritte auf dem Welche Rolle spielt Afrika de. Die Politik kann dabei helfen, Weg zu strukturellen Veränderungen. generell für die deutsche Industrie indem sie bessere Rahmenbedingun- China sichert sich viele Roh- und was haben deutsche Unter- gen schafft. Außerdem sollte die stoffquellen auf dem afrikanischen nehmen davon, wenn in Afrika ein Bundesregierung zum Beispiel dafür Kontinent. Verschläft Europa hier gesamtkontinentaler Binnenmarkt sorgen, unser Modell der dualen wichtige Weichenstellungen? entsteht? Ausbildung in afrikanischen Ländern Der immer stärkere Einfluss Die meisten einzelnen afrikani- stärker zu verankern, das Interesse Chinas hat inzwischen dazu geführt, schen Märkte – mit Ausnahme von daran ist groß. dass überall ein Umdenken einsetzt. Südafrika, Nigeria und Ägypten – Auch davon profitieren beide Die erste Auslandsreise der neuen sind zu klein für deutsche Unterneh- Seiten: die einheimischen Unterneh- EU-Kommissionspräsidentin Ursula men. Für deutsche Unternehmen men und die deutschen Unterneh- von der Leyen ging nach Äthiopien, lohnt es sich zum Beispiel nur, Autos men in Afrika, die stets auf der Suche dem Sitz der Afrikanischen Union – in Kenia zu produzieren, wenn sie nach ausreichend qualifizierten das zeigt schon, dass Europa engere von dort ohne hohe Zölle auch in Fachkräften sind. In Afrika ist die Beziehungen zu Afrika will. Kenias Nachbarstaaten zu verkaufen Ausbildung häufig sehr akademisch, Im Wettbewerb der Systeme sind. Es geht also um regionale mit der dualen Ausbildung kann punkten die Chinesen mit ihren stark Integration. Sie ist die Grundlage Deutschland für mehr Praxisnähe subventionierten Staatsunterneh- dafür, dass sich mehr Unternehmen sorgen. men und Finanzierungen, die ansiedeln. Größere Märkte sind für Auch Deutschland fehlen Europäer und die Deutschen können die deutschen Unternehmen auch Fachkräfte. Lässt sich hier ein da nicht mithalten und müssen des- deshalb besonders wichtig, weil sie gemeinsamer Lösungsansatz halb ihre eigenen Instrumente eher gehobene, technologisch finden? ausbauen und ihre Stärken einset- komplexe Produkte herstellen. In Afrika gibt es bereits interes- zen: Unsere Projekte sind zwar Afrika exportiert derzeit in sante Projekte der Zusammenarbeit. teurer, aber sie bieten auch techni- erster Linie Rohstoffe und Agrar- So werden beispielsweise gemein- sches Know-how und Ausbildungs- produkte. Um mehr Wachstum zu sam Data-Analysten und andere angebote. Die Chinesen tun das erzielen, muss die industrielle IT-Experten ausgebildet und dann nicht, sie bringen oft ihre eigenen Basis gestärkt werden. Sollte auch für Aufträge von Unternehmen Arbeiter mit und sind nach Ende der Deutschland etwas tun, um die in Deutschland eingesetzt. Diese Projekte schnell wieder weg. Lang- afrikanischen Länder dabei zu Experten arbeiten aber ebenso für fristig und nachhaltig gedacht haben unterstützen? afrikanische Unternehmen, insbe- die Europäer und die Deutschen also Es ist wichtig, die Zusammen- sondere für die vielen Start-ups, die mehr zu bieten. Diese Stärke müssen arbeit mit der Wirtschaft innerhalb vor allem in Ruanda, Kenia und sowohl Deutschland als auch die EU der Entwicklungspolitik zu stärken, Ghana entstehen. klar hervorheben und die richtigen beispielsweise um den Know-how- Ein anderes Programm heißt Instrumente bereitstellen – von der Transfer zu fördern. Der BDI hat dazu „Afrika kommt“, für das Unterneh- Finanzierung bis zur Entwicklung schon vor drei Jahren in Ostafrika men in Deutschland afrikanische von gemeinsamen Programmen.
13. Mai 2021 / #10 / Seite 6 IW-Konjunkturumfrage Gespaltene Wirtschaft IW-Konjunkturumfrage. Die deutsche Wirtschaft wird derzeit von der dritten Welle der Corona-Pandemie belastet, wobei die Dienstleister ihre Lage als deut- lich schlechter bewerten als die Industrie. Für den weiteren Jahresverlauf sind die vom IW befragten Unternehmen insgesamt recht zuversichtlich. Allerdings besteht weiterhin sowohl ein branchenbezogenes als auch ein regionales Gefälle. Lockdown, Notbremse, Impf- besser bewerten als jene vor einem betriebe insgesamt, wobei vor allem verzögerungen – die Nachrichten der Jahr und nur 29 Prozent von einer im Handel – wenig überraschend – vergangenen Wochen gaben wenig Verschlechterung sprechen. Ganz noch viele Unternehmen skeptisch Anlass zu guter Laune. Doch die anders die Dienstleister: Während sind. Im Baugewerbe herrscht unterm Hoffnung bleibt, dass sich das Leben 36 Prozent eine negative Lagebewer- Strich ebenfalls Optimismus vor, in Deutschland ab dem Sommer tung abgeben, sagen nur 18 Prozent, allerdings sind die Erwartungen nicht schrittweise normalisiert. sie seien besser dran als im vergange- mehr so hoch wie in den Vorjahren. Vor diesem Hintergrund gaben nen Frühjahr. Die unterschiedlichen Einschät- auch die gut 2.800 Unternehmen, die Für den weiteren Jahresverlauf zungen zur Produktionsentwicklung das IW im März und April befragt hat, sind die Firmen durch die Bank ein schlagen sich auch in den regional eine wenig erfreuliche Lagebeschrei- gutes Stück zuversichtlicher (Grafik): aufgegliederten Ergebnissen nieder. bung ab, blicken jedoch meist Von den Industrieunternehmen Im Groben gilt: Dort, wo exportorien- optimistisch nach vorn. Im Detail sind gehen 47 Prozent für 2021 von tierte Industriefirmen stark vertreten die Einschätzungen allerdings sehr einer höheren Produktion aus als sind, fallen die Erwartungen höher unterschiedlich: im Vorjahr, nur 21 Prozent rechnen aus als dort, wo Dienstleistungsberei- y Produktion. Die Industrieunterneh- mit schlechteren Geschäften. che wie etwa der Tourismus eine men, die vom ersten Lockdown im Vor allem die Hersteller von größere Rolle spielen (Grafik Seite 7): Frühjahr 2020 besonders kalt er- Grundstoffen und Investitionsgütern Vor allem im südlichen Deutsch- wischt wurden, konnten sich seither sind optimistisch. Doch auch bei den land sowie in Nordrhein-Westfalen ein gutes Stück erholen (siehe iwd Konsumgüterproduzenten ist der sind jene Unternehmen, die für 3/2021). Dies erklärt, warum 38 Pro- Saldo der Erwartungen positiv. 2021 eine Produktionssteigerung zent von ihnen die aktuelle Situation Gleiches gilt für die Dienstleistungs- erwarten, klar in der Überzahl. IW-Konjunkturumfrage: Differenziertes Branchenbild So viel Prozent der Unternehmen in Deutschland ... Negativ … bewerten ihre Geschäftssituation im Frühjahr … erwarten für das Gesamtjahr 2021 gegenüber Positiv 2021 gegenüber dem Frühjahr 2020 wie folgt 2020 diese Produktionsentwicklung Gesamtwirtschaft 33 27 24 39 Industrie 29 38 21 47 Dienstleistungen 36 18 25 35 Bauwirtschaft 26 24 22 28 Rest zu 100: gleichbleibend Befragung von 2.814 Unternehmen im März/April 2021 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft © 2021 IW Medien / iwd
IW-Konjunkturumfrage 13. Mai 2021 / #10 / Seite 7 IW-Konjunkturumfrage: Perspektiven nach Regionen Negativ Positiv So viel Prozent der Unternehmen in den folgenden Regionen Deutschlands erwarten für das Gesamtjahr 2021 gegenüber 2020 diese Produktionsentwicklung 26 31 Nord-Ost 24 32 Nord Nordrhein-Westfalen 21 41 30 32 Süd-Ost Süd-West 26 42 Baden-Württemberg 22 46 Rest zu 100: gleichbleibend Nord-Ost: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt; Nord: Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein; Süd-Ost: Sachsen, Thüringen, Süd-West: 25 40 Bayern Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland Befragung von 2.814 Unternehmen im März/April 2021 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft © 2021 IW Medien / iwd In den ostdeutschen Regionen y Investitionen. Die Corona-Pande- in vielen Bereichen der Wirtschaft fällt der Saldo dagegen nur leicht mie hat die bereits zuvor getrübte bemerkbar. positiv aus. Investitionskonjunktur in Deutsch- y Beschäftigung. Auch wenn die y Exporte. Bereits im zweiten land nochmals erheblich geschwächt. mittlerweile dritte Infektionswelle Halbjahr 2020 erholten sich die Im Krisenjahr 2020 gingen die das Wirtschaftsleben weiterhin deutschen Ausfuhren merklich vom Ausrüstungsinvestitionen gegenüber einschränkt, führt dies offenbar nicht ersten Corona-Schock. Und der Trend dem Vorjahr um 12 Prozent zurück. zu einer weiteren Verschlechterung zeigt weiter aufwärts, vor allem, weil Vor diesem Hintergrund sind die auf dem Arbeitsmarkt. So rechnen auf wichtigen Märkten wie China die Erwartungen der hiesigen Unterneh- 29 Prozent der Unternehmen für das Pandemie offenbar keine große Rolle men für die kommenden Monate laufende Jahr mit einem Beschäfti- mehr spielt. Insgesamt gehen zwar zwar erfreulich, geben aber noch gungsaufbau gegenüber 2020, nur 23 Prozent der befragten Unter- keinen Anlass zur Euphorie: lediglich 22 Prozent erwarten einen nehmen für 2021 von steigenden Insgesamt geht ein Drittel der Abbau. Vor allem bei den Dienstleis- Exporten aus und 21 Prozent erwar- Unternehmen für 2021 davon aus, tern ist der Saldo mit 34 zu 23 Prozent ten sogar einen Rückgang. Aber: dass ihre Investitionen über dem klar positiv. Allerdings war hier der Von jenen Firmen, die stark auf Vorjahresniveau liegen werden – coronabedingte Einbruch im vergan- globale Märkte abzielen, sind ein Viertel erwartet jedoch einen genen Jahr auch besonders stark – 44 Prozent überzeugt, dass ihre Rückgang. fast 300.000 der insgesamt knapp Ausfuhren 2021 wachsen werden, Deutlich über diesem Durch- 490.000 Arbeitsplätze, die im Jahres- nur 22 Prozent rechnen mit einem schnitt liegen allerdings die Firmen durchschnitt 2020 verloren gingen, Minus. mit digitalen Geschäftsmodellen, von entfielen auf den Servicesektor. Deutlich geringer sind die Aus- denen 40 Prozent in Sachen Investi- schläge bei den innovationsorientier- tionsperspektiven zuversichtlich und IW-Report 14/2021 Michael Grömling: Branchen und Regionen ten Unternehmen – von ihnen haben nur 18 Prozent pessimistisch sind. driften auseinander – IW-Konjunkturumfrage 18 Prozent positive Exporterwartun- Hier macht sich der durch die Pande- Frühjahr 2021 iwkoeln.de/konjunkturumfrage_f21 gen, 13 Prozent sind skeptisch. mie ausgelöste Digitalisierungsschub
13. Mai 2021 / #10 / Seite 8 Handelspolitik Im Sinne des Klimas Handelspolitik. Neben der Corona-Krise erfordern vor allem der Klimaschutz und der angeschlagene Welthandel die Aufmerksamkeit der internationalen Poli- tik. Mit dem richtigen Ansatz könnten Handels- und Klimapolitik gleichermaßen profitieren, zeigt eine neue IW-Studie. Mit Blick auf den Klima- und Energie dort sehr günstig, der Generell lassen sich vier Folgen Umweltschutz sind globale Handels- Silizium-Rohstoff Quarzit allerdings des internationalen Handels auf die beziehungen Fluch und Segen nicht. Doch es lohnt sich – zumindest weltweiten CO2-Emissionen feststel- zugleich. Ein Beispiel ist die Silizium- finanziell –, Quarzit über Tausende len, die teils gegeneinander wirken: produktion in Island. Das Halbmetall von Kilometern zu verschiffen, 1. Kraftstoffverbrauch. Das wird unter anderem für Solarzellen beispielsweise aus Polen nach International Transport Forum hat benötigt, die Herstellung ist aller- Island, um es dann dort weiterzuver- schon vor einigen Jahren geschätzt, dings äußerst energieintensiv. Dank arbeiten. Ohne internationalen dass etwa 30 Prozent aller CO2-Emis- der isländischen Geothermik ist Handel wäre das nicht möglich. sionen des Transportsektors vom Warenhandel verursacht werden, das wären 7 Prozent aller entsprechen- Handel mit Umweltschutzgütern: den Emissionen weltweit. China übernimmt die Führung 2. Verfügbarkeit grüner Tech- nik. Erst der internationale Handel So viel Prozent der weltweiten Exporte von potenziellen Umweltschutz- gütern entfielen auf diese Länder macht es möglich, dass umwelt- freundliche Geräte und Bauteile 20 Deutschland USA China Italien Japan überall verfügbar sind: Laut OECD wurden 2016 welt- weit Umweltgüter wie Solar- oder 15 14,9 Windkraftanlagen für etwa 1,3 Bil- 13,6 lionen Dollar gehandelt. Allein China exportierte solche 10 10,3 Güter im Wert von etwa 100 Milliar- den Dollar. Mittlerweile ist das Land sogar globaler Marktführer (Grafik): 5 4,7 War Deutschland mit einem 4,4 Welthandelsanteil von fast 17 Pro- zent im Jahr 2007 noch der größte 0 Exporteur von Umweltschutzgü- 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 tern, muss sich die Bundesrepublik Potenzielle Umweltschutzgüter: zum Beispiel Maschinen zur Gewinnung erneuerbarer Energien und Produkte zur Wärmedämmung und Wasseraufbereitung mittlerweile China geschlagen Quellen: Gehrke und Schasse (2019), Umweltbundesamt © 2021 IW Medien / iwd geben, das 2017 auf einen Anteil von knapp 15 Prozent kam.
Handelspolitik 13. Mai 2021 / #10 / Seite 9 Welthandel: Jahrzehnte stark gestiegen Wert der weltweit exportierten Produkte in Milliarden Dollar 20.000 17.583 15.000 10.000 5.000 59 0 1948 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Quelle: Welthandelsorganisation © 2021 IW Medien / iwd 3. Kompositionseffekt. Unter 4. Wohlstand und Wettbewerb. In den 1960er Jahren beinhalte- diesem Fachbegriff versteht man die Globaler Handel erhöht einerseits ten die EU-Handelsabkommen im Auswirkung des internationalen den Wettbewerbsdruck und mehrt Durchschnitt lediglich eine Um- Handels auf Produktionsprozesse. andererseits den Wohlstand (Grafik): weltschutzbestimmung, in den Auf der einen Seite kann grenz- Seit 1948 hat sich der weltweite 2010er Jahren enthielt jedes neue überschreitender Handel dazu Export von Produkten mehr als Abkommen durchschnittlich führen, dass Vorgaben des Heimat- verdreihundertfacht – er stieg von 78 solcher Regelungen. lands mit Blick auf den Klimaschutz knapp 59 Milliarden auf fast 18 Bil- Trotzdem sind die aktuellen umgangen werden. Dann wird die lionen Dollar im Jahr 2020. Kurz Rahmenbedingungen weltweit nicht Produktion beispielsweise in ein vor der Corona-Pandemie betrug so ausgestaltet, dass sie den Um- Land verlagert, in dem laxere er sogar mehr als 19 Billionen weltschutz begünstigen. Vielmehr Emissionsregeln gelten: Dollar. sind beispielsweise die Zölle auf Pro- Im Jahr 2015 – neuere Zahlen Außerdem lebten nach dem dukte, die wenig CO2 verursachen, im sind nicht verfügbar – steckten in Zweiten Weltkrieg zwei Drittel der Schnitt höher als bei Produkten, die den Produkten, die in OECD-Län- Weltbevölkerung unter extremer für viel CO2 verantwortlich sind. dern nachgefragt wurden, rund Armut – also von weniger als 1,9 Dol- Doch da es unrealistisch ist, all 1,6 Gigatonnen mehr Kohlendio- lar pro Tag, gemessen in sogenann- diese Zölle zeitnah umzugestalten, xid, als die Produktionsbetriebe ten Kaufkraftparitäten. Heute trifft sieht das IW andere Ansätze, wie die dieser Länder verursachen. das nur noch auf knapp 10 Prozent weltweite Handelspolitik Klima- und Dieser zusätzliche CO2-Ausstoß der Weltbevölkerung zu. Umweltschutz voranbringen kann: fiel stattdessen in jenen Nicht-OECD- Dieser neue globale Wohlstand y Zollfreiheit oder -ermäßigung für Ländern an, aus denen die Produkte hat einen positiven Nebeneffekt: Er Umweltschutzgüter. Das würde importiert wurden. führt zu einer wesentlich stärkeren deren internationalen Handel stark Auf der anderen Seite führt der Bereitschaft der Menschen, in begünstigen. Über eine entsprechen- Kompositionseffekt dazu, dass sich Umwelt- und Klimaschutz zu inves- de Handelsliberalisierung wird unter Länder auf die Produktion jener tieren und dem Thema auch poli- anderem in einer Initiative der Waren spezialisieren, bei denen sie tisch einen entsprechenden Stellen- Welthandelsorganisation seit 2014 – beispielsweise mit Blick auf das wert einzuräumen. beraten – die Gespräche kommen Klima oder die verfügbaren Ressour- Das spiegelt sich auch in interna- allerdings nur schleppend voran. cen – Vorteile haben. Im Ergebnis tionalen Handelsabkommen wider kann das helfen, CO2 zu reduzieren. (Grafik Seite 10): Fortsetzung
13. Mai 2021 / #10 / Seite 10 Handelspolitik Handelsabkommen: tionale Koordination – und eine Climate, kurz TCC. Dieser sollte Umweltschutz mittlerweile andere Organisation von Hilfe. erstens darauf abzielen, den Handel zentrales Thema y Klimaschutz stärker unterstüt- mit Umweltschutzgütern deutlich zu zen. Im Jahr 2017 flossen noch vereinfachen und dadurch eine Durchschnittliche Zahl der Umweltschutz- bestimmungen je EU-Handelsabkommen immer 70 Prozent der weltweiten Mitgliedschaft attraktiv zu machen. Subventionen für den Energiesektor Zweitens sollte der Club die CO2- in fossile Energieträger. Das Geld Bepreisung unter den Mitgliedsstaa- Zahl der abgeschlossenen Handelsabkommen sollte künftig gezielt für Umwelt- und ten vereinheitlichen. Klimaschutz aufgewendet werden. Allerdings wäre ein TCC nur dann 1950er Jahre y Label für klimafreundliche Güter schlagkräftig, wenn genügend 1 5,0 international harmonisieren. Studi- Staaten mitmachen. Zudem könnte en belegen, dass vor allem Menschen er dazu führen, dass Umweltschutz- 1960er Jahre in reicheren Ländern bereit sind, für güter zwar unter den teilnehmenden 4 0,8 klimafreundliche Produkte zu zahlen. Staaten umfassend genutzt werden, Deshalb sollte es entsprechende nicht aber außerhalb des Clubs. 1970er Jahre internationale und fälschungssichere Sollten sich nicht ausreichend 27 Standards geben. Zudem würde ein viele Staaten für einen TCC gewinnen 2,0 harmonisiertes Label für einen lassen, kennt das IW eine Alternative: höheren Wiedererkennungswert den Sector/Industry Climate Club 1980er Jahre 10,5 4 sorgen und den Herstellern einen (SICC). angemessenen Preisaufschlag Ein industriespezifischer ermöglichen. Klimaclub brächte all jene Staaten 1990er Jahre y „Grüne“ Ausschreibungen. Bis- zusammen, in denen die weltwei- 21,4 31 lang ist es zum Beispiel in der Euro- ten Hauptproduzenten einzelner päischen Union auf freiwilliger Basis Produkte beheimatet sind. 2000er Jahre 19,0 12 möglich, Ausschreibungen für öffent- Die Staaten würden sich auf liche Projekte mit Umweltschutzvor- gemeinsame Klimastandards oder gaben zu kombinieren. Das könnte einen Preis für CO2 in der Produktion 2010er Jahre deutlich ausgeweitet werden – einer- einigen, beispielsweise für Kupfer. 78,2 13 seits, um mit gutem Beispiel voran- Der würde dann für alle Marktteil- zugehen, andererseits, um grüne nehmer gelten und Wettbewerbsver- Quellen: Konrad-Adenauer-Stiftung, Institut der deutschen Wirtschaft Innovationen zu befeuern. zerrungen durch unterschiedliche © 2021 IW Medien / iwd y Internationale CO₂-Preise an- CO2-Preise ausschließen. Klima- gleichen. Um für faire Wettbewerbs- schutz würde sich dann für jeden bedingungen zu sorgen, muss der Anbieter gleichermaßen lohnen. Kohlendioxidausstoß weltweit Generell ist die Zeit ideal für vergleichbar bepreist sein. Das ist solche supranationalen Vorhaben – y Subventionen für fossile Energie- derzeit nicht der Fall, Europa ist mit ob nun TCC oder SICC. Zum einen, träger beenden. Die staatlichen dem Emissionshandel nach wie vor weil die neue US-Regierung um Joe Subventionen für Öl, Gas und Kohle Vorreiter. Biden sich mit Nachdruck dem Klima- beliefen sich 2017 auf etwa 5 Billio- Um dies auszugleichen, schlägt schutz verschrieben hat. Zum nen Dollar. In vielen Ländern kom- die EU-Kommission ebenso wie die anderen können sowohl die Welthan- men diese der armen Bevölkerung US-Administration vor, Abgaben für delsorganisation als auch die interna- zugute. Andere Steuerausnahmen das CO2 zu erheben, das bei der tionalen Klimaschutzverhandlungen sind zum Beispiel energieintensiven Produktion von Importgütern neuen Schwung gebrauchen. Industriezweigen gewährt worden, emittiert wird. Doch so einfach das um CO2-Preise für andere Bereiche klingt, sind damit große Herausfor- IW-Policy Paper 8/2021 einführen zu können, ohne die derungen verbunden, will man keine Hubertus Bardt, Galina Kolev: Trade Club for Climate – A Climate Approach Wettbewerbsfähigkeit insgesamt zu neuen Handelskonflikte provozieren. to Revive Multilateralism riskieren. Um diese Subventions- Das IW geht einen Schritt weiter iwkoeln.de/climateclub praxis zu beenden, hilft nur interna- und wirbt für einen Trade Club for
Mediation 13. Mai 2021 / #10 / Seite 11 Friedliche Konfliktlösung Mediation. Konflikte in Unternehmen verursachen in Deutschland jedes Jahr Millionen- schäden: Gerichts- und Anwaltskosten, Geld für Abfindungen, Produktionsausfälle auf- grund von Streiks oder wegen hoher Krankenstände. Mediation – die unabhängige Ver- mittlung zwischen zwei Konfliktparteien – kann für alle Beteiligten zu einer akzeptablen außergerichtlichen Lösung führen. Tarifkonflikte, die durch eine dern sie verschlechtern meist auch ble Lösung zu finden. Durch ein Mediation oder ein Schlichtungs- das Betriebsklima und beeinträchti- strukturiertes Gesprächsverfahren verfahren gelöst werden, nimmt die gen die Arbeitsabläufe. Dies hat schafft Mediation den nötigen Raum, Öffentlichkeit oft ganz bewusst wahr, wiederum Folgen für die Produktivi- in dem sich die Parteien annähern, weil sie durch angedrohte oder tät, die sich durch erhöhte Fehlzeiten offen miteinander reden und selbst tatsächlich durchgeführte Streiks und insgesamt schlechtere Leistun- kreative Lösungen schaffen, die alle meist direkt betroffen ist. gen verringert. Seiten mittragen können. Anders sieht es mit den weit Dabei gibt es einen Weg aus Wesentliche Grundsätze der häufigeren betriebsinternen Konflik- dieser Spirale: die Mediation, die seit Mediation sind Freiwilligkeit und ten aus – sie bleiben der Öffentlich- 2012 als Instrument der außerge- Verschwiegenheit. Der Mediator ist keit meist verborgen: Konflikte richtlichen Konfliktlösung gesetzlich außerdem allen beteiligten Partei- zwischen Beschäftigten im Team, geregelt ist. Seit 2014 erfasst das en gleichermaßen verpflichtet. zwischen Beschäftigten und ihren Statistische Bundesamt auch Es gilt, die Kommunikation der Führungskräften, über Abteilungs- Verfahren vor dem Güterichter, die Parteien zu fördern und sicherzustel- grenzen hinweg, zwischen Führungs- allerdings noch vergleichsweise len, dass alle in angemessener und kräften und dem Management oder selten eingeschaltet werden (Grafik). fairer Weise eingebunden sind. sogar innerhalb des Managements. In den Unternehmen spielt die Das Mediationsverfahren läuft in Konflikte kosten nicht nur Zeit, Geld Wirtschaftsmediation eine immer fünf Phasen ab: den Auftrag klären, und Nerven – vor allem wenn sie vor wichtigere Rolle. Ziel ist es, in einem alle relevanten Themen zusammen- dem Arbeitsgericht landen –, son- Konflikt eine für alle Seiten akzepta- stellen, sämtliche maßgeblichen Interessen und Hintergründe klären, Lösungsoptionen entwickeln und Mediation: Bei Arbeitsgerichtsverfahren noch selten bewerten sowie zu guter Letzt eine Abschlussvereinbarung finden und Zahl der erledigten Arbeitsgerichtsverfahren, die … formulieren. Viele Unternehmen haben Insgesamt … vor dem … vor dem … vor dem … nicht an den erkannt, dass firmeninterne Konflik- Güterichter Güterichter Güterichter Güterichter te zur betrieblichen Normalität vollständig teilweise nicht verwiesen beigelegt beigelegt beigelegt wurden gehören und daher einer ausgepräg- wurden wurden wurden ten Kommunikations- und Konflikt- 2014 392.061 465 6 65 391.525 kultur bedürfen. So beschäftigen 2015 374.095 325 3 105 373.662 einige Unternehmen bereits inner- 2016 361.626 193 5 96 361.332 betriebliche Mediatoren, weil die 2017 339.794 207 – 95 339.492 Mediation oftmals als die bessere, 2018 319.381 187 7 79 319.108 weil ressourcenschonende und dem 2019 320.384 227 5 58 320.094 Image zuträgliche Alternative zu Quelle: Statistisches Bundesamt © 2021 IW Medien / iwd einer gerichtlichen Auseinanderset- zung angesehen wird.
13. Mai 2021 / #10 / Seite 12 Fachkräfte Typisch Mann, typisch Frau? Fachkräfte. Das Berufswahlverhalten von Frauen und Männern hat sich wenig verändert – das zeigt unter anderem der Blick auf die Ausbildungsstellen. Frauen und Männer entscheiden sich nach wie vor für ganz bestimmte Berufe. Heute gehen in Deutschland Vor allem bei der Wahl des Ausbil- Medizinische und die Zahnmedizi- deutlich mehr Frauen einer Erwerbs- dungsberufs folgt der Nachwuchs oft nische Fachangestellte zu den tätigkeit nach als vor einigen Jahr- noch althergebrachten Rollenmus- beliebtesten Ausbildungsberufen zehnten. Dennoch gibt es noch tern (Grafik Seite 13): von Frauen. immer Branchen, in denen Frauen Im Jahr 2020 gehörten die Damit haben sich die beliebtesten kaum vertreten sind. Die Ursache: Kauffrau für Büromanagement, die Ausbildungsberufe im Vergleich zu den Vorjahren nicht verändert. Bei den Männern waren im Berufe: Frauen vor allem im Erziehungs- vergangenen Jahr die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, Fachinfor- und Gesundheitswesen matiker und Elektriker besonders Anteil der Frauen an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten beliebt. In diesen Berufen war teils im Juni 2020 in den Berufsgruppen mit dem ... in Prozent nicht mal jeder zwanzigste angehen- de Azubi eine Frau. … niedrigsten Frauenanteil Unter den Top-5-Ausbildungs- Hoch- und Tiefbauberufe 1,5 gängen sind nur die Kauffrau/der (Innen-)Ausbauberufe 3,4 Kaufmann und die Verkäuferin/der Verkäufer im Einzelhandel bei Gebäude- und versorgungstechnische Berufe 4,4 beiden Geschlechtern etwa glei- Führer-/in von Fahrzeug- und Transportgeräten 5,6 chermaßen angesagt. Metallerzeugung, -bearbeitung, Metallbau 8,6 Auch der Blick auf die Branchen, in denen entweder vornehmlich … höchsten Frauenanteil Männer oder aber Frauen sozialver- Erziehung, soziale und sicherungspflichtig beschäftigt sind, hauswirtschaftliche Berufe, Theologie 84,0 zeigt ein bekanntes geschlechterspe- Medizinische Gesundheitsberufe 81,9 zifisches Muster (Grafik): Nichtmedizinische Gesundheits-, Körperpflege- 79,8 Während in einigen der Bau- und Wellnessberufe, Medizintechnik und Metallberufe deutlich weniger Berufe in Recht und Verwaltung 75,6 als 10 Prozent der Beschäftigten Reinigungsberufe 74,5 Frauen sind, beträgt ihr Anteil vor allem in den Berufen des Erzie- Quelle: Bundesagentur für Arbeit © 2021 IW Medien / iwd hungs- und Gesundheitswesens mehr als 80 Prozent.
Fachkräfte 13. Mai 2021 / #10 / Seite 13 Ausbildung: Nachwuchs folgt den alten Rollenmustern Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2020 in Deutschland So viel Prozent aller Ausbildungsanfänger waren Frauen Männer Top-5-Ausbildungsberufe von Männern Kraftfahrzeugmechatroniker/-in 19.170 4,6 Fachinformatiker/in 13.836 8,3 Elektroniker/in 13.698 2,5 Anlagenmechaniker/-in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik 13.119 1,6 Verkäufer/in 10.878 49,3 Top-5-Ausbildungsberufe von Frauen Kaufmann/-frau für Büromanagement 16.692 27,6 Medizinische/-r Fachangestellte/-r 15.138 3,2 Zahnmedizinische/-r Fachangestellte/-r 12.411 2,6 Verkäufer/-in 10.581 50,7 Kaufmann/-frau im Einzelhandel 9.663 52,1 Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung © 2021 IW Medien / iwd Heute entscheiden sich Frauen wie Informatik und Maschinenbau. So sind einige Berufe, in denen allerdings häufig für eine akademi- Im April 2021 studierten rund 45.000 vorwiegend Frauen arbeiten, mit sche Laufbahn. So gibt es an den Männer und nur etwa 10.600 Frauen niedrigeren Löhnen und schlechte- Unis so viele Studentinnen wie nie Wirtschaftsinformatik. ren Aufstiegschancen verbunden. zuvor: Im Herbst 2020 waren rund Bei den Frauen sind nach BWL vor Das gilt zum Beispiel für das Sozial- 1,47 Millionen Frauen an deutschen allem Rechtswissenschaften und wesen und den Gesundheitssektor. Hochschulen eingeschrieben, zehn Psychologie beliebt, aber auch Die Unterschiede in der Berufswahl Jahre zuvor waren es erst etwas Fächer wie Erziehungswissenschaf- erklären einen großen Anteil des mehr als 1,05 Millionen Studentin- ten – hier gab es im April 2021 rund Gender Pay Gaps – also des Unter- nen. Damit ist das Verhältnis der 44.000 Studentinnen und lediglich schieds zwischen den durchschnitt- Geschlechter nahezu ausgeglichen: 12.500 Studenten. lichen Bruttostundenlöhnen von Im Wintersemester 2020/2021 lag der Insgesamt unterscheiden sich Männern und Frauen. Frauenanteil bei 49,9 Prozent. Frauen und Männer in ihrer Berufs- Auch der Fachkräftemangel Trotzdem gibt es bei der Studien- wahl also noch immer stark vonein- drängt darauf, Geschlechterklischees wahl noch immer deutliche Unter- ander. Daran ist nichts auszusetzen, über Bord zu werfen. So fehlen in schiede: Zwar liegt Betriebswirt- wenn die Wahl den jeweiligen vielen Unternehmen qualifizierte schaftslehre (BWL) bei den Vorlieben entspricht. Dennoch gibt Mitarbeiter im MINT-Bereich (Mathe- Studienanfängern beider Geschlech- es gute Gründe dafür, junge Men- matik, Informatik, Naturwissenschaf- ter auf Platz eins, danach dominieren schen zu ermutigen, die traditionel- ten und Technik), mehr Bewerbun- bei den Männern aber technische len Pfade zu verlassen und sich von gen von Frauen wären demzufolge und naturwissenschaftliche Fächer stereotypen Vorstellungen zu lösen. hochwillkommen.
13. Mai 2021 / #10 / Seite 14 Berufsausbildung Flexibler, digitaler, selbstorganisierter Berufsausbildung. Der digitale Wandel und die Corona-Pandemie verändern die Ge- schäftsmodelle von Unternehmen und Branchen. Deshalb sollte auch die Ausbildung auf die technologische Dynamik sowie auf neue Trends schneller und umfassender reagieren. Die Corona-Pandemie hat starke rung virtuell deutlich schlechter Ländern finanzierter „Digitalpakt Auswirkungen auf den Ausbildungs- gelingt als sonst, wo im Rahmen von Berufliche Bildung“, der die digitale markt (Grafik): Praktika und auf Ausbildungsmessen Infrastruktur für Berufsschulen, Im Jahr 2020 wurden 9,4 Pro- direkte Gespräche geführt und Betriebe und Beschäftigte stärkt. zent weniger Ausbildungsverträge Eindrücke vor Ort gesammelt werden Dieser sollte zum einen den geschlossen als im Vorjahr. können. Viele Schüler hängen Berufsschulen zugutekommen. Sie Von Oktober 2020 bis April 2021 deshalb derzeit lieber noch ein benötigen eine angemessene waren zudem gut 10 Prozent weniger weiteres Schuljahr dran. Ausstattung, zeitgemäß qualifiziertes Bewerber zu verzeichnen als ein Jahr Hinzu kommt, dass sich auch die Lehrpersonal und mehr organisatori- zuvor – ein Alarmsignal für die Geschäftsmodelle von Unternehmen sche Flexibilität im dualen System. Nachwuchssicherung. Denn nach und Branchen dynamisch weiterent- Berufsschullehrer und Ausbilder sind wie vor besteht in vielen Berufen ein wickeln (siehe Interview Seite 15). In fachlich und methodisch für den Fachkräftemangel: Derzeit fehlen in einigen Bereichen fehlen passende digitalen Wandel fit zu machen, um Deutschland laut einer Studie des Ausbildungsprofile und Konzepte, Auszubildende noch mehr zu eigen- Kompetenzzentrums Fachkräfte- die mit der technologischen Dyna- verantwortlichem und selbst organi- sicherung trotz Corona-Pandemie mik Schritt halten. Daher sollte die siertem Lernen zu motivieren, deren 65.000 qualifizierte Handwerker. Ausbildung schneller und umfassen- Medienkompetenz zu fördern und sie Grund für die derzeit mangelnde der auf diesen digitalen und struktu- besser auf die Anforderungen in der Nachfrage am Ausbildungsmarkt ist rellen Wandel der Wirtschaft reagie- digitalen Arbeitswelt vorzubereiten. zum einen, dass die Berufsorientie- ren: Nötig ist dafür ein von Bund und Unternehmen wiederum benöti- gen geeignete Lernplattformen, um den Zugriff auf relevante Lerninhalte Duale Berufsausbildung: Fast überall rückläufig für ihre Auszubildenden und Be- schäftigten arbeitsplatznah anzubie- Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2020 ten. Über Plattformen kann zudem die Lernortkooperation zwischen Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent Betrieben und Berufsschulen, aber Industrie Haus- Handwerk Freie Öffentlicher Land- Insgesamt auch mit Hochschulen und anderen und Handel wirtschaft Berufe Dienst wirtschaft Bildungspartnern gestärkt werden. 3,6 –3,1 –6,6 –6,5 –9,6 –9,4 IW-Policy Paper 9/2021 –11,9 Hans-Peter Klös, Rahild Neuburger, Thomas Sattelberger, Dirk Werner: 265.300 1.700 129.600 40.900 14.300 13.400 465.200 Geschäftsmodelle und berufliche Quelle: Statistisches Bundesamt Bildung im digitalen Wandel © 2021 IW Medien / iwd iwkoeln.de/beruflichebildung
Berufsausbildung: Interview 13. Mai 2021 / #10 / Seite 15 „Die berufliche Bildung steht unter Druck“ Interview. Seit Jahren sinkt die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge, 2020 gab es besonders wenige neue Azubis. Warum das so ist und wie sich dagegen ansteuern ließe, erklärt IW-Geschäftsführer Hans-Peter Klös. Foto: IW Lange wurde Deutschland um werk. Die gesamtwirtschaftliche lebenslaufbezogener Weiterbildung: sein System der Berufsausbildung Wertschöpfung geht aber mehr und Es müssen also nach einer Berufs- beneidet. Warum ist es nun ein Fall mehr auf die Plattformökonomie und ausbildung permanent neue Qualifi- für die Reparaturwerkstatt? digitale Geschäftsmodelle zurück, zierungsbausteine hinzugefügt Den Begriff teile ich definitiv die unter Verbrauchern bestehen werden können, selbst gesteuert nicht, aber es gibt Modernisierungs- oder von ihnen genutzt werden: über Lernplattformen, angeleitet von bedarf, der durch die Corona-Krise eBay, Zalando, Amazon, MyHammer. Fachkollegen im Arbeitsalltag oder noch deutlicher hervorgetreten ist. Diese Bereiche sind bisher nicht stark durch Techniken wie E-Learning. Die berufliche Bildung steht unter von der beruflichen Bildung geprägt. Lässt sich der Azubimangel dreifachem Druck: Schon nach der Die Frage ist also: Kriegen wir hier nicht eher durch höhere Gehälter Finanzkrise 2008/2009 gab es einen auch einen Fuß hinein? beheben? strukturellen Rückgang bei den In welchen drei wesentlichen Es gibt jetzt Mindestausbildungs- Ausbildungsverträgen bei weiter Punkten muss nachgebessert vergütungen, da müssen wir mal ein steigenden Studierendenzahlen und werden? Jahr abwarten, um beurteilen zu sinkenden Schulabgängerzahlen. Erstens ist die berufliche Bildung können, wie sie sich auswirken. Durch Corona sind im vergangenen – wie die gesamte Ökonomie in Genauso wichtig finde ich aber, dass Jahr fast 10 Prozent weniger Verträge Deutschland – noch etwas unterdigi- die Ausbildungsberufe auch digital neu abgeschlossen worden als 2019. talisiert. Erst rund 30 Prozent der interessant sein müssen, weil viele Und die durch Corona beschleunigte ausbildenden Betriebe praktizieren junge Menschen damit den Zugang Digitalisierung übt ebenfalls Druck „Ausbildung 4.0“. Das gilt auch für zur Arbeitswelt verbinden: nämlich auf die Berufsausbildung aus, weil die Berufsschulen. Die Gelder aus eine digital anregende Form von sich die dahinterliegenden Ge- dem Digitalpakt sind noch zöger- Beschäftigung zu finden. Und hier schäftsprozesse verändern. licher an die Berufsschulen geflossen geht noch so einiges: zum Beispiel Was verändert sich? als an die allgemeinbildenden durch die Stärkung digitaler Ausbil- Die berufliche Bildung ist im Kern Schulen. Zum Zweiten brauchen wir dung im Verbund, digitale Lernort- um das Business-to-Business- und auch einen Digitalisierungsschub kooperationen, mehr digitale Berufs- das Business-to-Consumer-Modell beim Ausbildungspersonal. Und orientierung, Lernplattformen und herum gruppiert, also vor allem um drittens brauchen wir ein anderes die Nutzung von Social Media und industrielle Prozesse sowie im Hand- Verhältnis von Erstausbildung zu Serious Games in der Ausbildung. Impressum Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. · Präsident: Arndt Günter Kirchhoff · Direktor: Prof. Dr. Michael Hüther · Mitglieder: Verbände und Unternehmen in Deutschland · Redaktions- leiter: Jork Herrmann (verantwortlich) · Redaktion: Berit Schmiedendorf (stellv.), Andreas Wodok (Textchef), Lara Blankenberg, Florian Janssen, Alexander Weber · Grafik: IW Medien GmbH E-Mail: iwd@iwkoeln.de · Bezugspreis: € 11,89/Monat inkl. Versand und MwSt., Erscheinungsweise 14-täglich · Abo-Service: Friederike Ennsberger, Telefon: 0221 4981-450, ennsberger@iwkoeln.de Verlag: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH, Postfach 10 18 63, 50458 Köln · Telefon: 0221 4981-0 · Druck: Henke GmbH, Brühl · Rechte für Nachdruck oder elektronische Verwertung über: lizenzen@iwkoeln.de · Zur Abwicklung des Vertriebs erforderliche Daten werden nach den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes verwaltet, E-Mail: datenschutz-iwd@iwmedien.de.
13. Mai 2021 / #10 / Seite 16 Zahl der Woche Top-Liste: Bodenzinsen 551 Millionen Euro zahlen deutsche Lage, Lage, Lage. Das gilt nicht nur für Immobilien, sondern auch für den Unternehmen derzeit pro Jahr an dafür zu entrichtenden Bodenzins: In den 100 größten deutschen Städten Strafzinsen auf ihre Bankeinlagen, liegt die Spanne für die Grundsteuer, die Immobilieneigentümer in diesem hat das Institut der deutschen Wirt- Jahr für ein Haus mit 125 Quadratmetern Wohnfläche zahlen müssen, schaft auf Grundlage von Daten der zwischen 323 und 771 Euro. Am günstigsten kommen Hauseigentümer in Deutschen Bundesbank errechnet. Gütersloh weg, was auch mit der guten Haushaltssituation der Stadt zu tun Grund sind die anhaltend niedrigen hat. Denn wo das Geld knapp ist, wird gerne auf die Grundsteuer zugegriffen, beziehungsweise negativen Zinsen die nach der Gewerbesteuer die zweitwichtigste Einnahmequelle der Kom- im Euroraum, die Banken an ihre munen ist. Wegen klammer Haushaltskassen haben deshalb die Städte Firmenkunden weitergeben. Offenbach, Mülheim an der Ruhr und Gelsenkirchen zuletzt die Grundsteuern Problematisch ist das vor allem für drastisch erhöht. Doch es geht auch andersherum: Erlangen, Leverkusen und kleine und mittlere Unternehmen, Remscheid haben seit 2018 ihre Grundsteuer gesenkt. denn diese sind in der Regel nicht am Kapitalmarkt aktiv, können ihre Zahlungsfähigkeit also nicht einfach Grundsteuer: Eine Frage der Lage über alternative Finanzinstrumen- So viel Grundsteuer müssen Eigentümer im Jahr 2021 für ein Standard-Einfamilienhaus te sichern, wie es beispielsweise in den fünf günstigsten bzw. teuersten der 100 größten deutschen Städte zahlen, in Euro Aktiengesellschaften möglich ist, und müssen die Strafzinsen deshalb 1. Gütersloh 323 zwangsläufig zahlen. 2. Regensburg 335 Allerdings hat das niedrige Zins- 4. Ratingen 339 niveau auch Vorteile: Die Firmen 3. Reutlingen 339 können momentan ziemlich günstig 5. Konstanz 347 Kredite aufnehmen. Und genau das … hat die Corona-Pandemie oft nötig 96. Berlin 686 97. Duisburg 724 gemacht, weil das Geschäft in vielen 98. Mülheim an der Ruhr 754 Branchen erheblich ins Stocken gera- 99. Offenbach am Main 758 ten ist (siehe Seiten 6–7). Die meisten 100. Witten 771 Unternehmen nutzen die neuen Standard-Einfamilienhaus: 125 Quadratmeter Wohnfläche, 200 Quadratmeter Bruttogrundfläche und Kredite aber fast ausschließlich, um 500 Quadratmeter Grundstücksfläche ihre laufenden Kosten zu decken – Quelle: IW Consult © 2021 IW Medien / iwd und selten für zukunftssichernde Investitionen.
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