Aktuell Ein Wald - viele Leistungen - 1|2021 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
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1. Quartal 2021; ISSN 1435-4098; Einzelpreis: € 5,– aktuell 1|2021 Ausgabe 128 Ein Wald – viele Leistungen Das Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan
Inhalt Dienstleister Wald Wald & Mehr 6 Was kann der Wald? 31 Waldpflege im Klimawandel Ulrich Stetter und Roland Schörry Ottmar Ruppert, Wolfram Rothkegel und Stefan Tretter 9 Was suchen Waldbesucher? 36 BeechSAT – Geschädigte Buchen Christoph Schulz und Markus Meyer mit Fernerkundungsdaten kartieren Christoph Straub, Javier Gonzalez, Rudolf Seitz, Bettina Felten, 12 Was Waldbesucher im Wald finden Ragasree Polepally, Peter Schauer und Nicole Schmeitzner Michael Suda, Anika Gaggermeier, Kilian Ramisch und Nancy Koller 40 Elsbeeren aus Bayern 15 Holz – schafft Werte und Arbeit Muhidin Šeho, Darius Kavaliauskas, Karl Heinz Mellert Sebastian Gößwein und Barbara Fussi 19 Kontrovers diskutiert: Der Klimaschutzbeitrag 43 Habichtskauz im Anflug der Forst- und Holzwirtschaft Interview mit Michaela Domeyer und Johannes Bradtka Christoph Schulz und Gabriele Weber-Blaschke 46 Südosteuropäische Eichenarten – Hoffnung im Klimawandel? Olaf Schmidt 49 Oberpfalz-Kiefern im »Langzeit-Monitoring« Jörg Prietzel, Birgit Reger und Wolfgang Falk 52 Weiterer Band der LWF-Praxishilfe »Klima–Boden–Baumartenwahl« Manuela Forster, Wolfgang Falk, Birgit Reger, Karl-Heinz Mellert, Jörg Kunz, Muhidin Šeho, Olaf Schmidt und Hans-Joachim Klemmt 6 15 Was kann der Wald? Wald liefert Holz, schafft Arbeits- Holz – schafft Werte und Arbeit: 40 Milliarden Euro setzte der Cluster Forst und plätze und dient der Gesellschaft als Ort der Erholung. Holz 2019 in Bayern um und stellte für 164.000 Menschen einen sozialversicherungs- Die Waldfunktionsplanung beschreibt und die Wald- pflichtigen Arbeitsplatz zur Verfügung. Foto: BACH Holzbau, Leidersbach funktionskarte zeigt, was der Wald in Bayern wo leisten kann. Foto: R. Schörry, AELF Fürstenfeldbruck Titelseite: So vielfältig wie sich der Wald zwischen Karwendel und Spessart zeigt, so vielfältig sind auch seine Leistungen, die er uns Menschen und der gesamten Umwelt zur Verfügung stellt. Foto: Rainer Sturm, pixelio.de 2 LWF aktuell 1|2021
Editorial Rubriken Kalender Seite 25 4 Meldungen Forstliche Veranstaltungen auf einen Blick 23 Zentrum Wald-Forst-Holz 27 Amt für Waldgenetik 54 Holzwerkstatt 56 Waldklimastationen 59 Medien 60 Impressum Liebe Leserinnen und Leser, ich freue mich aufrichtig, Sie auf der ersten Seite von LWF aktuell persönlich begrüßen zu dürfen und darf Ihnen für das neue Jahr 2021 alles Gute wünschen. Ich möchte aber auch die Tradition unserer Zeitschrift fortsetzen, Sie in einem kurzen Editorial auf das Schwerpunktthema dieser Ausgabe hinzuführen. Dabei versuche ich das eine oder andere zu erläutern oder einfach nur meine Sicht der Dinge zu skizzieren. Diese Aufgabe hat in den letzten beiden Ausgaben dankenswer- terweise Michael Mößnang, unser langjähriger Chefredakteur übernommen: Das eine Mal zur Verabschiedung von Präsident Olaf Schmidt, der über 20 Jahre lang die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft erfolgreich leitete, und im letzten Heft zu meinem »Start« als neuer Leiter dieser großartigen Landesanstalt. Heute halten Sie die erste Ausgabe des Jahres 2021 in Händen, die sich mit den vielfältigen Leistungen des Waldes für unsere Gesellschaft beschäftigt. Das Thema ist nicht neu und eigentlich sollte es allen forstlich Ausgebildeten und allen an der Umwelt Interessierten durchaus geläufig sein. In den Diskussionen über den Wald kann jedoch der Eindruck entstehen, als wäre jeweils nur eine einzige (dabei aber durchaus wechselnde) Waldfunktion von Bedeutung. Uns Forstleute macht jedoch aus, die Gesamtschau über alle Funktionen zu behalten und dabei den langfristigen Gesamtnutzen für die Gesellschaft zu optimieren. Wir wollen Ihnen daher in dieser Ausgabe einen Eindruck verschaffen, wie es 46 um die Leistungen und Funktionen unseres Waldes derzeit be- stellt ist: Wir geben einen Überblick über den aktuellen Stand der Waldfunktionsplanung in Bayern, welche die vielfältigen Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktionen der Wälder sowie ihre Bedeutung für die biologische Vielfalt dargestellt und bewertet. Wir beleuch- ten den ökonomischen Aspekt aus dem Blickwinkel des Clusters Südosteuropäische Eichenarten – Hoffnung im Klimawandel? Forst und Holz, wir berichten über aktuelle Forschungsergebnisse Sie sind an Trockenheit, Hitze, Kälte und Schnee angepasst – die Eichen aus den griechischen Rhodopen. Und sie wären aus dem Bereich »Wald und Erholung« und diskutieren unter- durchaus eine Alternative für unsere mitteleuropäischen schiedliche Standpunkte zum Klimaschutzbeitrag der Holz- und Wälder. Foto: M. Schölch, HSWT Forstwirtschaft. Ihr Dr. Peter Pröbstle 1 |2021 LWF aktuell 3
Meldungen Stechpalme – Baum des Jahres 2021 sie im Klimawandel vieler- orts neue, ihr zusagende Ni- schen finden. Vegetations- kundler diskutieren als Folge des Klimawandels die soge- Die Deutsche Wildtierstiftung verkündete den Fischotter zum »Wildtier« des Jahres nannte »Laurophyllisierung« 2021. Foto: Naturfoto Hofmann mitteleuropäischer Wälder. So profitieren viele immer- grüne Gehölze wie Efeu, Natur des Jahres 2021 Mistel oder Stechpalme vom Klimawandel und breiten Noch sind längst nicht alle »Jah- sich deutlich aus. In den reswesen« des Jahres 2021 ge- Wäldern der Alpensüdseite wählt, aber von den mehr als 30 sind es immergrüne Laubge- Natur-des-Jahres-Objekten sind hölze wie Kampferbaum, bereits über 20 verkündet worden. Hanfpalme, Großblütige Ma- Begonnen hat alles 1971, als der Foto: G. Aas gnolie und Kirschlorbeer, die Wanderfalken zum »Vogel des Im November 2020 hat die West- und Mitteleuropa so- häufig aus Gärten oder Jahres« gewählt wurde. Dr. Silvius Wodarz Stiftung wie im Mittelmeerraum. Ob- Grünanlagen in die Wälder Über die zahlreichen »Jahreswe- die Europäische Stechpalme wohl der Stechpalme klima- verwildern. Es könnten sich sen« gibt der Naturschutzbund (Ilex aquifolium) zum Baum tische Extreme nicht sehr daher wieder den tertiären Deutschland e.V. NABU einen sehr des Jahres 2021 gekürt. Die zusagen – Sommertrocken- Lorbeerwäldern ähnliche guten Überblick. So ist der Fisch- meisten kennen die Stech- heit und Winterkälte be- Wälder mit sommergrünen otter das »Wildtier« des Jahres, palme als Strauch oder Baum grenzen ihre Verbreitung – und wintergrünen Laub der Grünling der »Pilz« des Jahres in unseren Gärten oder als gilt sie doch als recht zäh baumarten mit neuer Arten- oder der Hartholz-Auenwald die Weihnachtsschmuck. Aller- lebig, sofern die Früh- und zusammensetzung bilden.red »Pflanzengesellschaft« des Jah- dings ist sie auch ein einhei- Spätfrostgefahr nicht zu ex- www.baum-des-jahres.de res. Die Ivenacker Eichen in Meck- mischer, wenn auch seltener trem ist und der Boden nicht www.lwf.bayern.de lenburg-Vorpommern sind für die Waldbaum, der bis zu 15 m allzu sehr austrocknet. Nicht Jahre 2020 und 2021 das »Waldge- hoch und 300 Jahre alt wer- zuletzt wegen der zuneh- biet« des Jahres und Mitte Januar den kann. Sie wächst in mend milderen Winter wird 2021 werden der NABU und der Landesbund für Vogelschutz nach einer öffentlichen Wahl den 50. »Vogel des Jahres« ausrufen. red www.deutschewildtierstiftung.de Windkraftanlagen aus Holz www.vogeldesjahres.de Mehr »nachhaltige Windenergie« geht Der Windenergieturm von Björkö entstand www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/ schon fast nicht mehr. Im Jahr 2020 wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Svenskt aktionen-und-projekte/natur- des-jahres/2021.html in Schweden ein erster hölzerner Wind- Vindkraftstekniskt Centrum an der Techni- energieturm errichtet. Der Turm mit einer schen Hochschule Chalmers. Finanziert Höhe von 30 m steht auf der Insel Björkö wird das Windkraftprojekt von der schwe- vor Göteborg. Die Holzkonstruktion soll dischen Energieverwaltung, der Region zeigen, dass Windkraftanlagen von Anfang Västra Götaland und dem EU-Programm an klimaneutral sein können. Der auf Björkö Horizon 2020. red In der Produktionshalle werden die Einzelteile der errichtete Windenergieturm dient vor allem www.modvion.com Anlage vorproduziert und erst am endgültigen Forschungszwecken und soll den Weg für Standort zusammengesetzt. Fotos: modvion.com Windkraftanlagen der nächsten Generation ebnen. Baumaterial ist Verbundholz, das bei gleichem Gewicht stärker und stabiler ist als Stahl. Das Konzept des modularen Aufbaus ermöglicht es, noch deutlich hö- here Windkraftanlagen zu errichten. Schon 2022 soll der erste Holzturm zu kommerzi- ellen Zwecken aufgestellt werden. Das Gö- teborger Unternehmen Modvion, das an- spruchsvolle Konstruktionen aus Verbund- holz entwickelt, beabsichtigt, in zwei Jahren für zwei schwedische Energieunter- nehmen mehrere 110 bis 150 m hohe Wind- kraftanlagen zu errichten. 4 LWF aktuell 1|2021
Meldungen Wald in Frauenhänden In Bayern gibt es 1,4 Mio. Hektar Privat- ländlicher Räume. Frauen haben schon wald. 220.000 ha davon sind im Allein jetzt einen großen Anteil daran. Fem4- eigentum von Frauen, weitere 222.000 ha Forest wird sie darin unterstützten, ihre gehören Eheleuten und Erbengemein- Potenziale noch besser zu nutzen und schaften. Jedoch sind Frauen in der Bay- sich verstärkt einzubringen. Hierfür ar- erischen Forstverwaltung, bei den Bay beitet die Bayerische Landesanstalt für Noch immer sind Frauen im Forstsektor deutlich unterrepräsentiert. »Fem4Forest« will gegen- erischen Staatsforsten und den Forst Wald und Forstwirtschaft (LWF) mit 14 steuern. Foto: AELF Ebersberg lichen Zusammenschlüssen deutlich Partnern aus zehn Ländern im Do weniger vertreten als es die Zahlen zur nauraum zusammen. Für die evidenz- das bestehende Angebot neu konzipiert Waldbesitzverteilung und dem Anteil basierte Grundlagenarbeit im ersten Ar- und erweitert, um Frauen in ihren Regio- von Frauen bei den Absolventen forstli- beitspaket sind Dr. Kathrin Böhling und nen gezielter, praxisnäher und thema- cher Studiengänge vermuten ließe. Das Roland Schreiber verantwortlich. Parallel tisch umfassender anzusprechen. Interreg-Projekt »Fem4Forest – Wald in hat die LWF bereits einige Projektaktivi- Dr. Kathrin Böhling, LWF Frauenhände« will die Sichtbarkeit und täten für Bayern initiiert, wie zum Bei- www.interreg.de/INTERREG2014/DE/Interreg/ Teilhabe von Frauen im Forstsektor stär- spiel die Weiterentwicklung des Fortbil- SechsProgrammraeume/Donauraum/ ken. Wälder und die Waldbewirtschaf- dungsangebots für Waldbesitzerinnen. donauraum-node.html tung sind zentral für die Entwicklung Zusammen mit der Forstverwaltung wird Feuersalamander mit Bsal-typischen rötlichen, dunkel umrandeten Haut Folienlagerung erhält Holzqualität geschwüren Foto: Vanessa Schulz Salamanderpest – Was tun? Seit einigen Jahren wissen wir in Europa von einer neuartigen Amphibien-Krankheit, der »Salamanderpest«. Sie wird durch den vermut lich aus Asien eingeschleppten Hautpilz Ba- trachochytrium salamandrivorans (Bsal) her- vorgerufen, der vor allem für unsere Salaman- der und Molche gefährlich ist. Die Salamander- Foto: Wald und Holz NRW pest wurde in mehreren europäischen Ländern Bei fachgerechter Anwendung ist die Lagerung von Holz in Folie nachgewiesen, doch anscheinend breitet sie eine geeignete Maßnahme, um die Werthaltigkeit von aktuell am sich nirgends so stark aus wie in Deutschland. Markt nicht absetzbarem Fichtenholz über eine gewisse Zeit zu Besonders betroffen ist der Feuersalamander, erhalten. Das bestätigte die Öffnung eines unter Luftabschluss bei dem es zu lokalen Massensterben kommt. eingeschweißten, foliengeschützten Holzpolters bei Wald und Die Salamanderpest ist eine enorme Bedro- Holz NRW. Im Mai 2019 hatte man im Arnsberger Wald zehn Folien- hung für die gesamte europäische Amphibien- Testlager mit je rund 300 m³ Fichtenholz angelegt. Bei der Öffnung fauna. Nun hat die Deutsche Gesellschaft für wiesen die 5 m langen, eingeschweißten Fichtenstämme auch Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT e. V.) nach 1,5 Jahren noch eine sehr gute Qualität auf. Zwar zeigte sich eine Informationsbroschüre und ein Themen- im äußeren Bereich der Fichtenstämme Pilzbefall. Im Holzinneren heft zur Salamanderpest herausgegeben mit trat dieser aber nicht auf. Das Holz sei wie frisch gefällt, so erklärt Basisinformationen und wichtigen Handlungs- Wald und Holz NRW. Fazit nach 1,5 Jahren: Folienlager seien aus empfehlungen zum Umgang mit seuchenartig wirtschaftlicher Sicht eine interessante, aber nicht risikolose Wet- verlaufenden Amphibienkrankheiten in der te auf die Zukunft. Bleibe die Folie dicht und die Holzqualität hoch, Terraristik und im Freiland. Damit soll die Aus- könne sich die Investition lohnen, denn nach der Borkenkäferkrise breitung gestoppt oder zumindest verlang- rechneten Experten wieder mit steigenden Holzpreisen. Wird das samt werden. Die 16-seitige Broschüre kann Lager jedoch undicht, verliere man das Holz und die Investition in unter anderem als PDF kostenlos auf den Ser- das Lager. Quelle: Holz-Zentralblatt vice-Seiten der DGHT heruntergeladen oder Zu diesem Thema ist auch eine Broschüre erschienen: dort bestellt werden. red www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Publikationen/Broschueren/ www.dght.de/service 20201025_wuh_broschuere_folienlager_web.pdf 1 |2021 LWF aktuell 5
Dienstleister Wald Was kann der Wald? Waldfunktionspläne und Waldfunktions karten zeigen, was der Wald in Bayern für die Gesellschaft leistet Ulrich Stetter und Roland Schörry Der Wald hat besondere Bedeutung für den Schutz von Klima, Wasser, Luft, Boden, Tieren und Pflan- zen, für die Landschaft und den Naturhaushalt. Er hat ferner landeskulturelle, wirtschaftliche, soziale sowie gesundheitliche Aufgaben zu erfüllen. So steht es sinngemäß in Art. 1 des Bayerischen Wald- gesetzes. Die Waldfunktionspläne der Bayerischen Forstverwaltung stellen die Wälder mit besonderer Bedeutung für den Schutz der lebenswichtigen Ressourcen Wasser, Boden, Klima, für die Erholung und die biologische Vielfalt dar. Bis in die 1970er Jahre war der Wald Waldfunktionskartierung In den Waldfunktionskarten wird die begehrte, weil preiswerte Flächenreser- Die Schutz- und Erholungsfunktionen Nutzfunktion nicht eigens dargestellt. Sie ve für Siedlungen, Industrie, Gewerbe der Wälder sowie ihre Bedeutung für wird – von Ausnahmen abgesehen (i. W. und Infrastrukturen. Der Verlust großer die biologische Vielfalt wurden erstmals Naturwaldreservat, Nationalpark, Natur- Waldgebiete vor allem in Ballungsräu- in den Jahren nach 1973 kartiert. In der wald) – grundsätzlich überall, wenn auch men rief schließlich den Widerstand en- Folge sind die Waldfunktionskarten in mit unterschiedlicher Intensität, ausgeübt. gagierter Bürger hervor, weil die Wohl- den Jahren nach 1992 und erneut im We- fahrtswirkungen des Waldes zunehmend sentlichen zwischen den Jahren 2007 und Nutzfunktion ins Bewusstsein der modernen Gesell- 2017 aktualisiert worden. Die Waldfunkti- Die Nutzfunktionen umfassen die Roh- schaft rückten. Schließlich schuf das Bay- onskarten stehen der Öffentlichkeit über stoff-, Arbeits- und Vermögensfunktion. erische Waldgesetz die Grundlagen für ei- das Geoportal Bayern (BayernAtlas) zur Wald liefert Holz und andere Naturgüter. nen besseren Schutz der Wälder und eta- Verfügung. Digitale Daten können von Die dritte Bundeswaldinventur von 2012 blierte die Waldfunktionsplanung. der Bayerischen Landesanstalt für Wald weist für Bayern einen Holzvorrat von und Forstwirtschaft bezogen werden. Die 987 Millionen Vorratsfestmetern (fm) aus. Waldfunktionsplanung Waldfunktionskartierung der Forstver- Das sind fast 400 fm/ha. Genutzt wurden Das übergeordnete Ziel der Waldfunkti- waltung wird ergänzt durch Flächenda- im Betrachtungszeitraum rund 28 Millio- onsplanung ist die Erhaltung und erfor- ten anderer Verwaltungen. Dabei handelt nen Festmeter pro Jahr (LWF 2014). Wald derlichenfalls Mehrung der Waldfläche. es sich vor allem um Schutzgebiete nach stellt Arbeitsplätze für alle bereit, die Seit der Änderung des Planungsrechts dem Wald-, Wasser- und Naturschutz- ständig oder vorübergehend, haupt- oder und der Anpassung des Bayerischen recht. Waldgesetzes (BayWaldG) im Jahr 2005 hat die Waldfunktionsplanung den Rang Flächen der Waldfunktionen in Bayern einer internen Fachplanung der Forstver- Wasserschutz waltung (Art. 5 und 6 BayWaldG). Sie ist Bodenschutz eine wichtige Grundlage für die Erstel- lung forstfachlicher Stellungnahmen bei Lawinenschutz der Inanspruchnahme von Wald. Wald- Klima-, Immissions-, Lärmschutz funktionspläne wurden für die 18 Pla- Erholung Stufen I und II nungsregionen Bayerns erstellt und sol- Lebensraum, Landschaftsbild len auch in Zukunft fortgeschrieben wer- den. ohne besondere Funktionen 1 Viele Wälder erfüllen 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 mehrere Funktionen auf Tsd. Hektar ein und derselben Fläche. Stand: August 2020 6 LWF aktuell 1 |2021
Dienstleister Wald 2 Der Wald ist Erholungs- und Erlebnisraum für viel- fältige Ansprüche. Foto: R. Schörry, AELF Fürstenfeldbruck Überschwemmungsgebieten und wasser- vor allem von großen zusammenhängen- sensiblen Bereichen. Dort beeinflusst der den Waldgebieten, dass sie das Klima in Wald den Wasserrückhalt in der Regel einer für den Menschen positiven Weise positiv. Etwa ein Viertel der Waldfläche beeinflussen (Latif 2009 in Projektgrup- Bayerns (ca. 684 Tsd. Hektar) erfüllt so pe WFK 2015). Wald mit besonderer Be- die Waldfunktion Wasserschutz. deutung für den regionalen Klimaschutz soll in Verdichtungsräumen das Klima Boden- und Lawinenschutz durch großräumigen Luftaustausch ver- Wald mit besonderer Bedeutung für den bessern. Davon profitieren die Wohn- Bodenschutz schützt gefährdete Stand- und Erholungsgebiete großer Städte. orte sowie benachbarte Flächen vor den Wald mit besonderer Bedeutung für Auswirkungen von Wasser- und Windero- den lokalen Klimaschutz verbessert das sion, Rutschungen, Steinschlag, Aushage- Klima in der Nähe von Siedlungen und rung und Humusabbau. In den Hoch- und empfindlichen Kulturen durch den Aus- Kammlagen der Alpen und der Mittelge- gleich von Temperaturextremen, Wind - birge dient er darüber hinaus auch der bremsung und indem er das Abfließen Waldregeneration. Etwa 19 % der Wälder von Kaltluft aus Hanglagen hemmt. in Bayern haben besondere Bedeutung Lokaler Immissionsschutzwald mindert für den Bodenschutz. Naturgemäß ist der schädliche Einwirkungen und Belastun- Flächenanteil in den Bayerischen Alpen gen durch Gase, Stäube oder Aerosole. nebenberuflich im Dienste der Waldbesit- (WG 15) aufgrund des ausgeprägten Re- Er verbessert dadurch die Luftqualität zer, von Unternehmern oder Käufern von liefs besonders hoch. Dort sind es etwa für Siedlungen, Erholungsgebiete sowie Walderzeugnissen oder als Selbständige 78 %, während der mittlere Anteil im üb- land- und forstwirtschaftliche Nutzflä- im Wald tätig sind. Im Jahr 2013 umfass- rigen Bayern bei etwa 11 % liegt. chen. Er liegt zwischen den Emittenten te der Cluster Forst, Holz und Papier in Wälder mit besonderer Bedeutung für und schutzbedürftigen Objekten. Bayern knapp 200.000 erwerbstätige Per- den Lawinenschutz gibt es in Bayern nur Lärmschutzwald schützt Objekte wie sonen (Knauf et al. 2016). in den Alpen (WG 15). Sie vermindern Wohn-, Arbeits- und Erholungsbereiche die Gefahr von Lawinenanrissen und sowie Krankenhäuser vor Lärmbelästi- Wasserschutz schützen damit Siedlungen und Infra- gung. Er dämpft den Lärm durch Absen- Wald mit besonderer Bedeutung für den strukturen, aber auch tiefer gelegene Wäl- ken des Schalldruckpegels. Wasserschutz sichert und verbessert die der. Sie hemmen zudem das Schneekrie- Rund 14 % Prozent der bayerischen Wald- Qualität des Grundwassers sowie stehen- chen und -gleiten, welche die Waldver- fläche erfüllen in besonderem Maße min- der und fließender Oberflächengewäs- jüngung erheblich erschweren. In lichten destens eine dieser Funktionen. ser. Grundwasser, das unter Wald gebil- Schutzwäldern sind daher zur Sanierung det wird, ist qualitativ häufig so gut, dass vorübergehende aufwändige technische Erholung eine Aufbereitung im Rahmen der Trink- Verbauungen erforderlich. Als Lawinen- Das Betreten des Waldes zum Zweck des wasserversorgung nicht mehr notwen- schutzwald wurden kartiert: Wälder in Genusses der Naturschönheiten und zur dig ist. Waldböden mit ihren ausgepräg- Hanglagen mit mehr als 30 Grad Neigung Erholung ist jedermann unentgeltlich ge- ten Porensystemen und der intensiven und im Bereich von Lawinengassen. stattet (Art. 13 BayWaldG). Damit ist im Durchwurzelung weisen eine hohe In- Grunde genommen jeder Wald, soweit es filtrations- und Wasserspeicherkapazität Klimaschutz, Immissions- und keine ausdrücklichen Beschränkungen auf. Dadurch gelangt Wasser auch in tie- Lärmschutz des Betretungsrechts gibt, potenzieller fere Bodenschichten und legt einen län- Der Klimawandel und seine Auswirkun- Erholungswald. Die Waldfunktionskar- geren Weg bei der Versickerung zurück. gen gehören zu den wesentlichen Heraus- tierung stellt diejenigen Wälder dar, die Auf diese Weise erhöht der Wald die Ste- forderungen unserer Zeit. Wälder sollen in besonderem, also überdurchschnitt- tigkeit der Wasserspende und vermindert als Kohlenstoffspeicher und als Produzen- lichem Maße der Erholung dienen. Da- die Gefahr von Hochwasser (Projekt- ten des nachwachsenden klimaneutralen bei werden zwei Intensitätsstufen unter- gruppe WFK 2015). Rohstoffs Holz zur Lösung des Problems schieden: Stufe I wird vor allem in der Wald mit besonderer Bedeutung für den beitragen. Daneben haben die Wälder Umgebung und im Siedlungsbereich von Wasserschutz ist Wald in Trinkwasser- eine weitere wichtige Aufgabe zu erfül- Städten, Fremdenverkehrs- und Kurorten und Heilquellenschutzgebieten, in Vor- len: Aufgrund ihrer Transpiration und sowie an Schwerpunkten des Erholungs- rang- und Vorbehaltsgebieten der Was- Schattenbildung bleiben Wälder auch bei verkehrs erfasst. Stufe II wird ebenfalls serversorgung sowie in Wildbacheinzugs- hohen sommerlichen Temperaturen ver- stark, jedoch nicht in gleichem Maße wie gebieten. Hinzugerechnet wird Wald in hältnismäßig kühl. Daher erwartet man Stufe I besucht. 1 |2021 LWF aktuell 7
Dienstleister Wald 3 Wälder haben große Bedeutung als Lebensraum und für die biologi- sche Vielfalt. Vor allem Totholz steckt voller Leben. Foto: R. Schörry, AELF Fürstenfeldbruck Laut einer Erhebung in Deutschland geht etwa die Hälfte der Bevölkerung (Alter > 20 Jahre) mindestens einmal im Mo- nat in den Wald, rund ein Viertel sogar mindestens einmal wöchentlich (Klein- hückelkotten et al. 2009). Eine Studie aus der Schweiz untersuchte, wie lange sich bestimmte Besuchergruppen jährlich im Wald aufhielten. Auf ca. 760 Stunden kam die Aktivität »Hund ausführen«, ge- folgt von »Natur beobachten« 430 h, »Rei- ten« 330 h, »Spazierengehen« 230 h, »Jog- gen« 140 h, »Wandern« 140 h und »Rad- sport betreiben« 120 h (Bernasconi & Schroff 2008). Bayernweit ist knapp ein Viertel der Waldfläche Erholungswald i. S. der Wald- funktionsplanung. 4 % der Waldfläche sind der Stufe I, 19 % der Stufe II zuzuord- nen. Der Anteil der Stufe I ist in den Pla- nungsregionen München und Nürnberg mit deutlich über 10 % besonders hoch. andere Wälder, die prägende Elemente Literatur charakteristischer Landschaften sind. LWF - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (2014): Nachhaltig und naturnah. Wald und Forstwirtschaft in Bay- Lebensraum, biologische Vielfalt und Etwa 770.000 ha und etwa ein Drittel der ern. Ergebnisse der dritten Bundeswaldinventur. Freising Bayerische Landesamt für Statistik (2020): GENESIS-Online Da- Landschaftsbild Wälder Bayerns haben in diesem Sinne tenbank, Tabelle 33111-001r mit dem Stand 31.12.2018. Abgerufen Eine möglichst naturnahe Waldbewirt- besondere Bedeutung als Lebensraum im Juli 2020 von https://www.statistikdaten.bayern.de/genesis/ online/logon schaftung ist ein wichtiger Beitrag für die und für die biologische Vielfalt oder sind StMELF - Bayerisches Staatsministerium für Ernährung Land- biologische Vielfalt, weil sie verschieden- von besonderer Bedeutung für das Land- wirtschaft und Forsten (2015): Arbeitsanweisung für die Aktuali- sierung der Waldfunktionspläne. München artige Lebensräume für unterschiedlichs- schaftsbild. Bernasconi, A.; Schroff, U. (2008): Freizeit und Erholung im Wald. Grundlagen, Instrumente, Beispiele. Umwelt-Wissen Nr. 0819. Bun- te Arten zur Verfügung stellt. Von großer desamt für Umwelt, Bern. 69 S. Bedeutung sind Wälder in NATU RA Zusammenfassung Kleinhückelkotten, S.; Calmbach, M.; Glahe, J.; Neitzke, H.-P.; Stöcker, R.; Wippermann, C.; Wippermann, K. (2009): Kommu- 2000-Gebieten, Nationalparken, Natur- Es gibt in Bayern rund 2,5 Millionen Hektar Wald. nikation für eine nachhaltige Waldwirtschaft. Forschungsverbund schutzgebieten, Natur denkmälern, ge- Das entspricht einem Waldanteil von gut einem Mensch & Wald, M&W-Bericht 09/01, Hannover Drittel der Gesamtfläche. Wälder haben Nutz-, Knauf, M.; Hunkemöller, R.; Friedrich, S.; Mai, W.; Borchert, H.; schützten Landschaftsbestandteilen, Na- Bauer, J. (2016): Clusterstudie Forst, Holz und Papier in Bayern Schutz- und Erholungsfunktionen und sie be- 2015. Abschlussbericht. Langfassung. Juni 2016, Freising turwaldreservaten und die Naturwälder. reichern die biologische Vielfalt. Die Bayerische Projektgruppe WKF – Waldfunktionenkartierung der AG Forst- Die Waldfunktionskartierung stellt au- Forstverwaltung erstellt Waldfunktionspläne als einrichtung (Hrsg.) (2015): Leitfaden zur Kartierung der Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes. Waldfunktionenkartierung ßerhalb dieser Schutzgebiete weitere interne Fachplanung für alle 18 Planungsregionen. (WFK), Freiburg Waldlebensräume dar, die aufgrund ihrer Sie sind eine wichtige Grundlage für Stellungnah- men der Forstbehörden zu Planungen und Maß- standörtlichen Voraussetzungen oder ih- nahmen, die den Wald betreffen. Die Waldfunkti- rer Struktur dem Erhalt schützenswerter onskarten stellen abgesehen von der Nutzfunktion Autoren Ulrich Stetter ist Mitarbeiter in der Abteilung Lebensräume und seltener Arten dienen. die Waldfunktionen in ganz Bayern dar. Die Wald- »Waldbesitz, Beratung, Forstpolitik« der Baye- Eine flächenscharfe Abgrenzung ge- funktionskarten können von jedermann im Geo- rischen Landesanstalt für Wald und Forstwirt- schaft. Roland Schörry ist Ansprechpartner der schützter Biotope ist damit nicht beab- portal Bayern (BayernAtlas) eingesehen werden. Bayerischen Forstverwaltung für die Waldfunk- Die größten Anteile an der Waldfläche Bayerns sichtigt und wäre im Kartierungsmaß- tionsplanung und Mitarbeiter des Amtes für haben der Reihe nach die Funktionen Lebensraum Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürs- stab 1:50.000 auch nicht möglich. Auch einschließlich Landschaftsbild, Wasserschutz, Er- tenfeldbruck. Kontakt: Ulrich.Stetter@lwf.bayern.de historische Forstnutzungen wie Nieder-, holung, Bodenschutz. Dabei erfüllen viele Wälder Roland.Schoerry@aelf-ff.bayern.de Mittel- und Plenterwald gehören in diese mehrere Funktionen auf ein und derselben Fläche. Kategorie, weil sie einen Beitrag zur Di- Auf 36 % der Waldfläche sind keine besonderen Links Waldfunktionen kartiert. Die Erläuterungen der https://www.stmelf.bayern.de/wald/wald- versität der Wälder leisten. funktionen/waldfunktionsplanung/ Waldfunktionen im Text folgen der Arbeitsanwei- Darüber hinaus prägt der Wald das Land- sung für die Aktualisierung der Waldfunktionsplä- index.php https://geoportal.bayern.de/ bayernatlas schaftsbild unserer Heimat ganz wesent- ne (BayStMELF Stand 2015) und dem Leitfaden zur lich mit. Von besonderer Bedeutung sind Kartierung der Schutz- und Erholungsfunktionen Waldränder, exponierte Wälder in Kup- des Waldes der Projektgruppe Waldfunktionenkar- tierung der AG Forsteinrichtung (2015). penlagen oder Hanglagen, Auwälder und 8 LWF aktuell 1 |2021
Dienstleister Wald Was suchen Waldbesucher? Die Besonderheiten der Ökosystemdienstleistung »Naherholung« – Ergebnisse eines LWF-Projekts Christoph Schulz und Markus Meyer Die Erholung im Wald ist komplex und schwer zu fassen. Immerhin geht es um viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichs- ten Ansprüchen. Wissenschaftliche Untersuchungen zu den ge- wünschten, idealen Vorstellungen des Waldes müssen dabei nicht unbedingt mit dem alltäglichen Verhalten übereinstimmen. Mit dem Konzept der Ökosystemdienst- ken [8, 10–13]. Beispielsweise wird Tot- leistungen kann der Frage nachgegangen holz von Jüngeren und Gebildeteren häu- werden, wie Ökosysteme zum menschli- figer positiv bewertet, während Ältere chen Wohlbefinden beitragen [1]. Dazu eher zu »ordentlichen« Waldbildern nei- kann auch das räumliche Verhältnis vom gen [10, 14]. Trotz der Vielfalt der Wün- Ort der Bereitstellung einer Leistung zum sche zeigen die Untersuchungen jedoch, Ort des Nutzens analysiert werden [2]. dass es spezifische Waldstrukturen gibt, Die Erholungsleistung zeigt dabei eine die tendenziell von vielen Besuchern be- grundlegende Besonderheit: Sie wird vorzugt werden: ältere, strukturreiche, vom Wald ermöglicht (bereitstellt) und nicht zu dichte Bestände, Mischungen sie wird auch direkt vor Ort »abgeholt« von Laub- und Nadelbäumen sowie be- (genutzt). Bei fast allen sonstigen Ökosys- messene Totholzmengen – lieber stehend temdienstleistungen ist das anders: Sie als liegend (z. B. [8, 10, 11, 15–18]). Es werden zwar vom Wald geliefert, aber au- wird aber nicht nur Vielfalt innerhalb ei- ßerhalb des Waldes genutzt. Das gilt für nes Bestandes geschätzt, sondern auch alle versorgenden Leistungen (z. B. Holz, Abwechslung zwischen den Beständen Trinkwasser, Wildbret, Pilze oder Honig) [19]. Die genannten Strukturen entspre- 1 Erholungsnutzung im Stadtwald Augsburg: und die meisten regulierenden Leistun- chen weitgehend einem modernen Wald- Die fünf Farbabstufungen reichen von intensiver gen (z. B. Lärm-, Lawinen- oder Hoch- bau und sind generell auch positiv für (dunkelrot) bis seltener (rosa) Nutzung der Wege wasserschutz). Das menschliche Wohl- Biodiversität oder die Bereitstellung an- abschnitte. Schwarz gezeichnete Wege wurden befinden stellt sich bei der Erholung sehr derer Ökosystemdienstleistungen [3, 17, von den Befragten nicht genutzt. unmittelbar und intuitiv ein [3] und er- 20, 21]. klärt die besondere Wertschätzung [4, 5], Es gibt jedoch weitere Faktoren der Erho- schaften oder Prozessen der Ökosyste- aber auch das Konfliktpotenzial [6, 7] der lungsnutzung, die nicht unmittelbar mit me, die sich negativ auf das menschliche Erholung im Wald. dem Ökosystem Wald verbunden sind. Wohlbefinden auswirken können. Waldbesucher brauchen eine Infrastruk- Was suchen Waldbesucher? tur, insbesondere Waldwege, aber auch »Abschalten« bei der Naherholung Nun ist es naheliegend zu untersuchen, Parkplätze, Bänke, Schutzhütten, Spiel- Eine eigene Untersuchung in einem Wald was die Waldbesucher wünschen und plätze usw. [8]. Zudem sind Störungen der Stadt Augsburg zeigt einen weiteren, brauchen. Seit den 1970er Jahren gibt es ein wichtiger Faktor. Das kann sich auf ganz anders gelagerten Aspekt der Nah- Studien zu den verschiedenen Faktoren, forstlichen Maßnahmen beziehen, wie erholung: Waldbesucher gehen in den die die Attraktivität von Wäldern aus- gefällte Bäume, verschmutzte Wege und Wald, um »abzuschalten«! machen, und es wird deutlich, dass diese Lärm von Forstmaschinen, oder auf Kon- Im Rahmen eines Forschungsprojekts zu Faktoren mannigfaltig und alles andere flikte unter den Waldbesuchern, zum verschiedenen Ökosystemdienstleistun- als eindeutig sind [8]. Das fängt damit an, Beispiel zwischen Radfahrern und Spa- gen eines 1.700 ha großen, stadtnahen dass es keinen durchschnittlichen Wald- ziergängern [7, 12, 22–25]. Eher unauf- Waldgebiets wurden unter anderem auf- besucher gibt und folglich keinen idealen fällig läuft die Verkehrssicherungspflicht, wändige Erhebungen zur Erholungsnut- Muster-Wald, der alle Besucher gleicher- durch die Waldbesucher von Waldbesit- zung gemacht [27]. An zwei Sommerta- maßen zufriedenstellt [9]. Es zeigt sich zern und Forstleuten zumindest vor aty- gen (Freitag und Sonntag) im Juli 2016 vielmehr, dass sich die Art der Tätigkeit pischen Gefahren des Waldes geschützt und vier Wintertagen (Dezember 2016 (Spazieren, Radfahren, Joggen usw.) so- werden. Im Sinne der Ökosystemdienst- und Januar 2017) wurden an allen maß- wie demografische Faktoren (Alter, Ge- leistungen handelt es sich dabei um die geblichen Waldeingängen für acht Stun- schlecht, Herkunft, Tradition, Wohlstand Minimierung von Fehlleistungen (»Dis- den insgesamt 478 Waldbesucher zu ih- oder Bildung) auf die Wünsche auswir- services« [26]) der Natur, d. h. von Eigen- ren Gewohnheiten, erwünschten Nutzen 1 |2021 LWF aktuell 9
Dienstleister Wald 2 Von den 478 Befragten gab Motivation für begangenen Weg der Großteil waldunspezifische Gründe für die Auswahl des ge- Zufall/Spontaneität nutzten Weges an. Gewohnheit Nähe/Zweckmäßigkeit plätze ausschlaggebend, in 20 Fällen wur- Transit (z.B. Weg zur Arbeit oder Biergarten) de dabei konkret die gute Beschaffenheit bevorzugte Dauer/Länge des Weges waldunspezifisch des Weges genannt. 58 Antworten (12 %) (46%) soziale Beziehungen bezogen sich schlicht auf die ausgeübten Schönheit (unspezifisch: 32 x »schöner Weg«) Tätigkeiten wie Sport oder Hund ausfüh- Ruhe/Lärm entgehen allg. Wald- Klimawirkung eigenschaften (22%) ren. Nur in 23 Antworten (5 %) wurden Bäche und Seen spezifische Waldeigenschaften erwähnt. Aufsuchen bestimmter Orte waldfremde Orte oder Dabei wurden häufig die Heideflächen, gute Beschaffenheit des Weges Eigenschaften (16%) also stark aufgelichtete, teils baumfreie Sport (Jogging, Radfahren, Walking) Tätigkeit (12%) Bereiche genannt, sieben Mal wurde kon- Hund ausführen Naturelemente kret die dort wachsende Sumpfgladiole Freizeitaktivitäten (z.B. Fotografieren) spezifische Wald- (Galdiolus palustris) erwähnt. Ansonsten Nahrungsmittel (Pilze) sammeln eigenschaften (5%) wurde Totholz, Mischwald, einmal auch 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Nadelwald als Grund für die Wegewahl Anzahl der Nennungen genannt. Bei den Befragten handelte es sich maß- des Waldbesuchs (z. B. Ruhe, Naturer- starke Differenzierung der Wegenutzung geblich um Bewohner von Augsburg und fahrung, Gesundheit) und wahrgenom- nach Nutzergruppen, d. h. Spaziergän- Königsbrunn (83 %), weitere elf Prozent menen Waldeigenschaften befragt. Die ger, Radfahrer, Jogger usw. unterscheiden kamen aus dem Großraum Augsburg. Befragten wurden auch aufgefordert, die sich wenig in der Auswahl der Wege und Nur sechs Prozent der Befragten waren genutzten Wege in Karten einzutragen scheinen sich auch nicht aus dem Weg zu aus dem Großraum München sowie ver- und den Grund für die Wegeauswahl an- gehen. Die bei der Befragung genannten einzelt aus anderen Regionen Deutsch- zugeben. Neben den befragten Waldbe- bevorzugten Nutzen führten auch nicht lands. Die Ergebnisse beziehen sich folg- suchern wurde auch die Gesamtzahl der zu einer unterscheidbaren Wegewahl der lich auf Naherholung, was auch dadurch Waldbesucher an den Waldeingängen ge- Waldbesucher; nur in der südöstlichen deutlich wird, dass über die Hälfte der zählt, so dass Karten der Nutzungsinten- Kiefernheide hat die Naturerfahrung Befragten angab, täglich oder mehrmals sität für einzelne Wegeabschnitte erstellt eine leicht höhere Bedeutung als in ande- pro Woche in den Wald zu gehen. werden konnten. Die Antworten der Be- ren Bereichen (für Details siehe [27]). Die Antworten der Waldbesucher weisen fragung wurden statistisch ausgewertet darauf hin, dass die Entspannung (das und über Clusteranalysen den genutzten Nach welchen Kriterien werden Wege »Abschalten«) bei dieser Form der Erho- Wegen zugeordnet, um die Muster der Er- ausgewählt ? lung eine zentrale Rolle spielt, was dazu holungsnutzung zu analysieren (für De- Besonders aufschlussreich sind die ge- führt, dass die Aufmerksamkeit reduziert tails siehe [27]). nannten Gründe für die Wahl der Wege ist und spezifische Waldstrukturen wenig Abbildung 1 zeigt die Intensität der Er- (Abbildung 2). Die Antworten auf diese Beachtung finden. Allgemeine Waldeigen- holungsnutzung im untersuchten Wald- offene Frage wurden danach klassifiziert, schaften wie die bloße Bereitstellung von gebiet. Als Waldfläche, die für die Er- wie sie sich auf den Wald beziehen. Fast Raum, vorteilhafte Klimaeffekte oder die holung relevant ist, wurde der Bereich die Hälfte der Antworten (n = 218; 46 %) Abwesenheit von Lärm haben eine größe- der Verkehrssicherungspflicht von 40 m bezogen sich gar nicht auf den Wald, son- beidseitig der Wege angenommen. Die- dern erklärten die Wegewahl mit Sponta- se Fläche dürfte den von den Waldbesu- neität, Gewohnheit oder Praktikabilität, chern wahrgenommenen (und damit ge- in geringem Ausmaß auch mit gemein- nutzten) Bereichen des Waldes weitestge- samen Erleben (»soziale Beziehungen«). hend entsprechen bzw. tendenziell sogar In 105 Antworten (22 %) wurden allge- überschätzen. Die Karte zeigt deutliche meine Waldeigenschaften wie Schönheit, Schwerpunkte der Erholungsnutzung im Klimawirkung (Schatten, Kühle, gute nördlichen, zentrumsnahen Bereich, im Luft) oder die Abwesenheit von Lärm als Osten entlang des Lechs sowie im Süd- Grund für die Wegewahl genannt. Für westen, wo sich teils stark aufgelichte- 16 % der Befragten (n = 75) waren be- te Schneeheide-Kiefern-Wälder finden. stimmte Orte wie Bäche, Seen oder Spiel- Nun könnte man erwarten, dass solche Schwerpunkte der Erholung mit einem 3 Die Augsburger Erho- besonderen Nutzen für die Besucher er- lungsstudie machte deutlich, klärt werden können. Die Auswertung dass die meisten Waldbesu- cher bei ihrem Aufenthalt im der Daten erbrachte jedoch wenig eindeu- Wald vor allem eins suchen: tige Zusammenhänge: Es zeigt sich keine »Abschalten«. Foto: P. Fliegl 10 LWF aktuell 1 |2021
Dienstleister Wald re Bedeutung. Auch Sonderstrukturen, Wege) oder Lärm (z. B. durch Forstma- [14] Pastorella, F.; Avdagić, A.; Čabaravdić, A.; Mraković, A.; Osmanović, M.; Paletto, A. (2016): Tourists’ perception of dead- die nicht unmittelbar dem Wald zuge- schinen) sind Beispiele für Störungen, wood in mountain forests. Ann. For. Res. (Annals of Forest Re- schrieben werden können, sind für einige die weit mehr Emotionen hervorrufen [7] search) 59(1): S. 311–326. doi:10.15287/afr.2016.482 [15] Edwards, D.; Jay, M.; Jensen, F.; Lucas, B.; Marzano, M.; Waldbesucher bedeutsamer als besonde- als eine erwünschte, aber nicht vorgefun- Montagne, C.; Peace, A.; Weiss, G. (2010): Public preferences for silvicul-tural attributes of European forests. EFORWOOD Report re Waldstrukturen. Das kann sich auf In- dene Waldstruktur. D2.3.3. frastrukturelemente wie Spielplätze, auf In urbanen Verdichtungsräumen gehört [16] Referowska-Chodak (2019): Management and Social Problems Linked to the Human Use of European Urban and Suburban Forests. Gewässer oder auch auf Abwechslungen das Management der Erholung im Wald Forests 10(11):964. doi:10.3390/f10110964 zum gewohnten Waldbild wie die Heide- zur täglichen Praxis. Neben der Verkehrs- [17] Giergiczny, M.; Czajkowski, M.; Żylicz, T.; Angelstam, P. (2015): Choice experiment assessment of public preferences flächen beziehen [27]. sicherungspflicht und der Vermeidung for forest structural attributes. Ecological Economics 119:8–23. doi:10.1016/j.ecolecon.2015.07.032 von Störungen ist die Kommunikation [18] Ribe, R.G. (2009): In-stand scenic beauty of variable reten- Management der Naherholung dabei von zunehmender Bedeutung [7, tion harvests and mature forests in the U.S. Pacific Northwest. The effects of basal area, density, retention pattern and down Die geringe Nennung spezifischer Wald- 22]. Wenn forstliche Maßnahmen nötig wood. J. Environ. Manage. 91(1): S. 245–260. doi:10.1016/j.jenv- strukturen in der Augsburger Studie soll- sind, die absehbar von vielen Waldbe- man.2009.08.014 [19] Filyushkina, A.; Agimass, F.; Lundhede, T.; Strange, N.; Jacob- te nicht dazu verleiten, die eingangs er- suchern als Störung empfunden werden sen, J.B. (2017): Preferences for variation in forest characteristics. Does diversity between stands matter? Ecological Economics 140: wähnten, erwünschten Waldeigenschaf- könnten, ist eine frühzeitige Ankündi- S. 22–29. doi:10.1016/j.ecolecon.2017.04.010 ten im forstlichen Management völlig zu gung, Erläuterung, fallweise auch eine [20] Schall, P.; Gossner, M.M.; Heinrichs, S.; Fischer, M.; Boch, S.; Prati, D.; Jung, K.; Baumgartner, V.; Blaser, S.; Böhm, S.; Buscot, missachten. Eine umfassende Studie in Diskussion der Maßnahmen oder gar F.; Daniel, R.; Goldmann, K.; Kaiser, K.; Kahl, T.; Lange, M.; Mül- Baden-Württemberg in drei stadtnahen eine Beteiligung bei der Entscheidungs- ler, J.; Overmann, J.; Renner, S.C.; Schulze, E.-D.; Sikorski, J.; Tschapka, M.; Türke, M.; Weisser, W.W.; Wemheuer, B.; Wubet, T.; Wäldern macht deutlich, dass dort wald- findung hilfreich. Ammer, C.; Mori, A. (2017): The impact of even-aged and uneven- aged fo-rest management on regional biodiversity of multiple taxa baulich steuerbare Strukturen ein Faktor Grundsätzlich sollten Anlässe vermieden in European beech forests. J Appl Ecol 109:17495. doi:10.1111/1365- für bevorzugt genutzte Wege und Orte werden, die bei Waldbesuchern vom »Ab- 2664.12950 [21] van der Plas, F.; Manning, P.; Soliveres, S. et al. (2016): Biotic im Wald sind [28, 29]. Spezifische Wald- schalten« zum »Aufdrehen« führen. Es homogenization can decrease landscape-scale forest multi-func- strukturen sollten deshalb als ein Bau- sollte aber auch klar sein, dass das forst- tionality. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. doi:10.1073/pnas.1517903113 [22] Arzberger, M.; Gaggermeier, A.; Suda, M. (2015): Der Wald: ein stein angesehen werden, um den Wald als liche Management all den verschiedenen Wohlfühlraum. LWF aktuell 107, S. 9–13 [23] Wilkes-Allemann, J.; Hanewinkel, M.; Pütz, M. (2017): Forest »überzeugende Kulisse für Naturerleben« Ansprüchen und Wünschen der Waldbe- recreation as a governance problem. Four case studies from Swit- [7] zu erhalten und zu fördern, zumal sie sucher nicht immer gerecht werden kann. zerland. Eur J Forest Res 2(1):25. doi:10.1007/s10342-017-1049-0 [24] Koep, M.; Palm, T.; Bethmann, S.; Schraml, U. (2019): Begeg- – wie oben bereits erwähnt – meist mit nungen im Wald – Immer konfliktgeprägt? FVA-einblick (1) den heutigen waldbaulichen Verfahren Literatur [25] Arnberger, A. 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Ecological Eco-no- derstrukturen wie Wasserflächen, Offen- mics 68(3): S. 643–653. doi:10.1016/j.ecolecon.2008.09.014 s10021-015-9952-z [27] Meyer, M.A.; Rathmann, J.; Schulz, C. (2019): Spatially-explicit [3] Daniel, T.C.; Muhar, A.; Arnberger, A.; Aznar, O.; Boyd, J.W.; land, Sporteinrichtungen usw. die Po- Kai, M.A. Chan; Costanza, R.; Elmqvist, T.; Flint, C.G.; Gobst- mapping of forest benefits and analysis of motivations for every- day-life’s visitors on forest pathways in urban and rural contexts. sitivfaktoren für die Erholung in Wald. er, P.H.; Grêt-Regamey, A.; Lave, R.; Muhar, S.; Penker, M.; Ribe, Landscape and Urban Planning (185): S. 83–95 R.G.; Schauppenlehner, T.; Sikor, T.; Soloviy, I.; Spierenburg, M.; Im täglichen Management stadtnaher Taczanowska, K.; Tam, J.; von der Dunk, A. (2012): Contributions [28] Baumeister, C.F.; Gerstenberg, T.; Plieninger, T.; Schraml, U. (2020): Exploring cultural ecosystem service hotspots. Linking Wälder weit wichtiger ist jedoch die Ver- of cultural services to the ecosystem services agenda. Proc. Natl. multiple urban forest features with public participation mapping Acad. Sci. U.S.A. 109(23): S. 8812–8819. doi:10.1073/pnas.1114773109 meidung oder Reduktion von Negativ- [4] Elsasser, P.; Weller, P. (2013): Aktuelle und potentielle Erho- data. Urban Forestry & Urban Greening 48:126561. doi:10.1016/j. ufug.2019.126561 lungsleistung der Wälder in Deutschland: Monetärer Nutzen der Er- faktoren: Abweichungen vom Gewohn- holung im Wald aus Sicht der Bevolkerung. AFJZ 184(3/4): S. 84–96 [29] Gerstenberg, T.; Baumeister, C.F.; Schraml, U.; Plieninger, T. (2020): Hot routes in urban forests: The impact of multiple land- ten (z. B. gefällte Bäume, neu angelegte [5] Kleinhückelkotten, S.; Neitzke, H.-P.; Wippermann, C. (2009): scape features on recreational use intensity. Landscape and Urban Einstellungen der Deutschen zu Wald und Forstwirtschaft. Forst Rückegassen, gesperrte oder verdreckte und Holz 64(4): S. 12–19 Planning (203) [6] Konijnendijk, C.C. (2003): A decade of urban forestry in Euro- pe. Forest Policy and Economics 5(2): S. 173–186. doi:10.1016/S1389- 9341(03)00023-6 Autoren [7] Bethmann, S.; Wurster, M. (2016): Zum Image der Forstwirt- Christoph Schulz arbeitet in der Abteilung »Waldbesitz, Beratung, schaft. AFZ/DerWald (3): S. 38–42 Forstpolitik« der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forst- [8] Ciesielski, M.; Stereńczak, K. (2018): What do we expect from wirtschaft (LWF) und leitete das Kuratoriumsprojekt G39. Dr. Mar- forests? The European view of public demands. J. Environ. Manage. kus Meyer war 2016 und 2017 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in 209: S. 139–151. doi:10.1016/j.jenvman.2017.12.032 der Abteilung als Projektbearbeiter tätig. [9] Jensen, F.S.; Koch, N.E. (2000): Measuring Forest Preferen- Kontakt: Christoph.Schulz@lwf.bayern.de ces of the Population - A Danish Approach. Swiss Forestry Journal 151(1): S. 11–16. doi:10.3188/szf.2000.0011 [10] Kühne, O.; Jenal, C.; Currin, A. (2014): Längsschnittstudie zur Projekt Wahrnehmung von Alt- und Totholz sowie zur symbolischen Kon- Im Kuratoriums-Projekt G39 »Prüfung des Konzeptes der Ökosys- notation von Wald. Zwischenbericht Phase 1 - Erstellt im Auftrag temdienstleistungen als forstliches Planungs- und Kommunikati- des NABU Saarland onsinstrument an einem Fallbeispiel« untersuchte die Bayerischen [11] Edwards, D.; Jay, M.; Jensen, F.; Lucas, B.; Marzano, M.; Mon- Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im kommunalen Forst- tagne, C.; Peace, A.; Weiss, G. (2010): Assessment of the recrea- betrieb Augsburg die Anwendbarkeit des Ökosystemdienstleis- tional value of European forest management alternatives. EFOR- tungs-Ansatzes für forstliche Planungs- und Kommunikationspro- WOOD Report D2.3.6. zesse. Laufzeit: 15.03.2016 bis 31.03.2019; Finanzierung: Bayerisches [12] Aasetre, J.; Gundersen, V.; Vistad, O.I.; Holtrop, E.J. (2016): Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Recreational preferences along a naturalness-development conti- nuum. Results from surveys in two unequal urban forests in Eu- Link rope. Journal of Outdoor Recreation and Tourism 16: S. 58–68. www.lwf.bayern.de/waldbesitz-forstpolitik/forstpolitik/158764/ doi:10.1016/j.jort.2016.09.006 index.php [13] Taye, F.A.; Abildtrup, J.; Mayer, M.; Ščasný, M.; Strange, N.; Lundhede, T. (2019): Childhood experience in forest recreation prac-tices. Evidence from nine European countries. Urban Forestry & Urban Greening 46:126471. doi:10.1016/j.ufug.2019.126471 1 |2021 LWF aktuell 11
Dienstleister Wald Was Waldbesucher Die Corona-Pandemie hat erhebliche Ver- änderungen für das öffentliche Leben im Wald finden und die Bewegungsmöglichkeiten der Menschen im Freien mit sich gebracht. Durch die Ausgangsbeschränkungen wurden städtische, aber auch ländliche Befragung von über 1.000 Waldbesuchern Naturräume wie zum Beispiel der Wald, während der Corona-Pandemie zu den wenigen verbleibenden Orten, die einen Aufenthalt außerhalb des ei- genen Wohnumfelds ermöglichten. Mit Michael Suda, Anika Gaggermeier, Kilian Ramisch und Nancy Koller Hilfe der Befragung von Waldbesuchern Mit Hilfe einer Online-Befragung von Waldbesucherinnen und Wald- wollten wir herausfinden, wie Menschen besuchern ist der TUM-Lehrstuhl »Wald- und Umweltpolitik« der den Wald während der Pandemie wahr- Frage nachgegangen, welche Bedeutung der Wald als Erholungsraum nehmen und ob sich etwas an ihren Nut- für die Menschen während der Corona-Pandemie hat und inwiefern zungsverhalten, zum Beispiel die Häu- der Wald als frei betretbarer Raum eine natürliche Alternative zum figkeit der Waldbesuche, verändert hat. häuslichen Lockdown bietet. Gehen die Menschen häufiger in den Insbesondere hat uns interessiert, ob die Wald und zu welchen Waldorten fühlen sie sich hingezogen? Menschen gerade in Krisenzeiten auf der »Suche« nach bestimmten Waldorten sind, die Abwechslung und Zerstreuung »Ich ging im Wald so für mich hin, und sem Kontext ist es wichtig, dass sich die bieten. nichts zu suchen, das war mein Sinn.« Wissenschaft bei ihrer Entwicklung von In Kooperation mit den lokalen Forst- Was der große Dichter Johann Wolfgang Erklärungsmodellen nicht von dem Kon- behörden stellten wir ab Beginn der ers- von Goethe hier mit wenigen Worten in strukt eines Besuchers irreleiten lässt, ten Lockerungsmaßnahmen Ende April seinem Gedicht »Gefunden« zum Aus- der sich im Wald auf einer aktiven Suche 2020 in zahlreichen Waldgebieten Schil- druck bringt, steht im Widerspruch zu nach dem schönsten und besten Erho- der (Abbildung 1) mit der Internetadres- zahlreichen Forschungsanstrengungen lungsort befindet. Wenn sich die Wissen- se zu unserer Online-Umfrage auf. Insge- der Wissenschaftsdisziplin der Walderho- schaft bei ihrer Modellentwicklung aus- samt nahmen 1.083 Waldbesucherinnen lung der letzten Jahrzehnte. Hier hat sich schließlich dem »Suchvorgang« widmet, und Waldbesucher aus 96 Landkreisen der Begriff des »Erholungssuchenden« so läuft sie Gefahr etwas zu konstruieren, in ganz Deutschland an der Online-Be- zur Beschreibung derjenigen Personen was im Waldalltagserleben der Menschen fragung teil. An einer Vielzahl an Or- etabliert, die zur Entspannung und Rege- keine oder nur eine untergeordnete Rolle ten (u.a. Freising, Augsburg, Vogelsberg, neration den Wald besuchen. spielt. Bamberg) trafen Waldbesucher auf das Hinweisschild »Ruft der Wald?« und wur- Waldbesucher vs. Erholungssuchende 1.000 Waldbesucher befragt den mit Hilfe eines QR-Codes gebeten, an Dieser Begriff »Erholungssuchende« ver- Um »mehr Licht ins Dunkel« des For- der Umfrage teilzunehmen. Neben Fra- deutlicht die gegensätzliche Sichtweise schungsfeldes der Erholung und Gesund- gen nach Assoziationen zur Freude und auf den Prozess der Erholung. Geht die heit im Wald zu bringen, hat ein vier- Ärger (»Bei meinem letzten Waldbesuch Walderholungsforschung davon aus, dass köpfiges Forscherteam am Lehrstuhl habe ich mich gefreut/geärgert über ...«) Menschen aktiv auf der Suche nach Ent- für Wald- und Umweltpolitik der Techni- sollten die Befragten auch die Bedeutung spannung im Wald sind, steht bei Johann schen Universität München (TUM) eine des Waldes für sich selbst seit der Coro- Wolfgang von Goethe gerade das Zurück- Online-Befragung von Waldbesucherin- na-Epidemie einschätzen (»Seit Corona lassen von allem willentlichen Streben im nen und Waldbesuchern während der ist der Wald für mich …«). Zusätzlich Wald im Vordergrund. Die aktuelle me- Pandemie durchgeführt. wurden folgende Fragen gestellt: »Gehen dizinische Forschung im Bereich »Wald Sie häufiger oder seltener in den Wald?« und Gesundheit« bestätigt Johann Wolf- »Was sind die Gründe für Ihre Waldbe- gang von Goethes Walderleben. Men- suche (Wohnumfeld verlassen, in der Na- schen wollen im Wald Erholung finden, tur sein, Abschalten)?« Es folgten die üb- die Natur entdecken und nicht bestimm- lichen sozio-demografischen Fragen nach te Waldbilder suchen. Bislang ist wissen- den genutzten Verkehrsmitteln, der Ent- schaftlich noch nicht eindeutig geklärt, fernung des Waldes vom Wohnort, der was genau den sogenannten »Erholungs- Gruppengröße während des Waldbesu- effekt« im Wald auslöst. Als mögliche ches, dem Alter und Geschlecht. Wirkmechanismen werden das beson- dere Waldinnenklima, das Vorhanden- sein bestimmter Baumarten oder Wald- strukturen, aber auch die Abwesenheit 1 »Ruft der Wald?« Mit Schildern wie diesem wurden Waldbesucher von Störungen wie zum Beispiel Luft- aufgerufen, sich zu äußern, wie sie schadstoffe oder Lärm erforscht. In die- den Wald wahrnehmen. Foto: N. Koller 12 LWF aktuell 1 |2021
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