Wald im Klimawandel Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen - Stadt Arnsberg
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Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 1 Wald im Klimawandel Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen www.umwelt.nrw.de www.klimawandel.nrw.de
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 3 3 Wald im Klimawandel Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen HINWEIS Das Projekt ist Teil der Anpassungspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen und wurde mit Mitteln des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) finanziert. Weitere Informationen zum Thema Anpassung an den Klimawandel sowie die Anpassungsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen finden Sie im Internet unter: www.klimawandel.nrw.de
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 4 4 Vorwort Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Bis 2100 wird ein erheblicher Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur prognosti- ziert. In der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts besteht für die Politik die dringende Notwendig- keit, dafür zu sorgen, dass der Klimawandel moderat ausfällt. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat – als erstes Flächen-Bundesland – ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, das eine CO2-Reduktion verbindlich festschreibt. Bis 2020 sollen die Treib- hausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen gegenüber 1990 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gesenkt werden. Gerade wegen der beunruhigenden Nachricht eines weltwei- ten Anstieges des CO2-Ausstoßes sind diese Klimaziele ein wichtiges Signal: Nordrhein- Westfalen wird als eine der bedeutendsten Industrieregionen der Welt zum Vorreiter und nachweisen, dass Klimaschutz und industrielle Produktion keine Gegensätze sind. Gänzlich aufhalten lässt sich der Klimawandel nicht mehr. Er ist bereits spürbar – auch in unseren Wäldern, in denen beispielsweise vermehrt Holzschädlinge aus wärmeren Klima- regionen auftauchen. Das Ziel des Umweltministeriums ist, den Wald fit zu machen für den Klimawandel und seine Ökosysteme dabei zu unterstützen, die sehr schnell ablaufenden Ver- änderungsprozesse zu verkraften. Um die vielfältigen Waldfunktionen – von der Rohstoff- quelle für die Holzwirtschaft bis zum Naherholungsraum zwischen den Ballungsgebieten – zu erhalten, hat das Umweltministerium zahlreiche Anpassungsmaßnahmen initiiert und gestartet. Der Klimawandel ist ein Risiko für unsere Forstwirtschaft, aber auch eine Chance, unsere Wälder gezielt weiterzuentwickeln. Die Voraussetzung dafür ist das Wissen über die komple- xen Abläufe im Ökosystem Wald und die Einflüsse der klimatischen Veränderungen. Diese Broschüre will über die erforderlichen Anpassungsstrategien in unseren Wäldern informie- ren und den privaten und öffentlichen Waldbesitzern vielfältige und detaillierte Daten zu- gänglich machen, damit sie mithelfen können, die Wälder für die Zukunft zu rüsten. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre Johannes Remmel, MdL Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 5 Inhalt 5 Inhalt Einführung 6 Klimawandel in NRW 8 Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst 11 Aktivitäten der Landesregierung 16 Umweltmonitoring 17 Innovationsfondsprojekte 18 Mögliche Anpassungsstrategien 20 Erhaltung und Verbesserung der Stabilität und Vitalität der Wälder 21 Ausbau des Risikomanagements 25 Erhöhung der Biodiversität 30 Optimierung der Holzverwendung (Cluster Forst und Holz) 34 Aufbau eines Forschungsnetzwerkes 38 Ausblick 41 Glossar (mit gekennzeichnete Begriffe kurz erklärt) 42 Best Practice 48 Anhang 50 Impressum 51
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 6 6 Einführung Klimawandel ist Risiko und Chance zugleich Wald bedeckt 27 Prozent der Landesfläche. Ihn auf den Klimawandel vorzu- bereiten ist eine wichtige Aufgabe der Politik, aber auch der Waldbesitzer. Bei der Klimaentwicklung gehen Prognosen von des Sauerlandes und der Eifel ist sie ideal an die einem Anstieg der Jahresmitteltemperatur von dort vorherrschenden kühl-feuchten Standort- drei Grad Celsius bis zum Jahr 2100 aus. Bei bedingungen angepasst. Der Bestand dieser den in unserer Region zu erwartenden Nieder- Baumart wird in absehbarer Zeit deutlich zu- schlagsmengen hat eine Studie im Auftrag des rückgehen. Die Ursache: gestiegene Durch- Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbrau- schnittstemperaturen und eine Veränderung cherschutz NRW deutliche Veränderungen er- bei den Niederschlägen. mittelt. Danach werden diese im Winter – der Nicht-Vegetationsperiode – gegenüber heute Klima schützen ... zunehmen und in der Vegetationsperiode – im Der Klimawandel kann nicht mehr aufgehalten, Frühling und Sommer – abnehmen. In der aber in seinen Auswirkungen deutlich abgemil- Wachstumsphase aber haben die Bäume einen dert werden. Vorausgesetzt der weltweite Aus- erhöhten Wasserbedarf. Dieser wird im Jahres- stoß von CO2 und anderer schädlicher Klima- mittel sogar noch ansteigen, da der Klimawan- gase wird erheblich eingeschränkt. Die del die jährliche Vegetationszeit der Bäume wei- Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat im Die Niederschlags- ter ausdehnt – das sind die Tage oberhalb einer Juni 2011 – als bisher einziges Bundesland – mengen werden im Durchschnittstemperatur von zehn Grad Cel- ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Re- Sommer weiter ab- sius. Damit erhöht sich der Stress für be- duktionszielen auf den Weg gebracht. Das Ge- nehmen. In dieser stimmte Baumarten. setz sieht weiterhin vor, dass die Landesregie- Jahreszeit befinden sich die Bäume in rung ab 2012 alle fünf Jahre unter Beteiligung ihrer Wachstums- Die Fichte: Opfer des Klimawandels gesellschaftlicher Gruppen einen Klimaschutz- phase und haben Die Fichte ist heute mit 37 Prozent Bestand plan erstellt. einen erhöhten die am weitesten verbreitete Baumart in Nord- Wasserbedarf. rhein-Westfalen – gefolgt von Buche und Eiche ... und mit neuen Realitäten umgehen mit jeweils 16 Prozent. Insbesondere in den Allen Klimaschutz-Bemühungen zum Trotz sind großen zusammenhängenden Waldgebieten der Anstieg der Jahresmitteltemperatur und die KLIMAWANDEL: MEHR BUCHEN, WENIGER FICHTEN Die flächenmäßigen Anteile einzelner Baumarten in den Wäldern Nordrhein-Westfalens werden sich durch den Klimawandel verändern. Die Fichte steht zunehmend unter Wärmestress. Die Buche ist unanfälliger und wird sich weiter ausbreiten. (Quelle: MKULNV) 2008 2030 Douglasie Eiche Buche Fichte Douglasie Eiche Buche Fichte 8% 16 % 18 % 36 16 % Tendenz
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 7 Wald im Klimawandel 7 veränderte Niederschlagsverteilung nicht zu und der damit verbundenen Industrien im Ruhr- verhindern. Um die Entwicklung des Waldes ge- gebiet wären ohne den nahen Wald mit der Res- zielt zu beeinflussen und den Wald mit seinen source Holz nicht möglich gewesen. Darüber vielfältigen Funktionen auch für die nachfolgen- hinaus spielen die Wälder Nordrhein-Westfalens den Generationen zu sichern, hat das Ministe- mit einer Gesamtfläche von 915.800 Hektar rium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, (rund 27 Prozent der Landesfläche) eine bedeu- Natur- und Verbraucherschutz NRW For- tende Rolle für die Kohlenstoffdioxid-Kompen- schungsprojekte (siehe unten) in Auftrag gege- sation und für den Wasserhaushalt des Landes. ben. Diese sollen unter anderem ermitteln, wel- che Veränderungen sich im Einzelnen in den Wärmeliebende Traubeneiche breitet sich aus Forsten des Landes ergeben und welche Anpas- Die Forstwirtschaft sieht den Klimawandel auch sungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, als Chance für die Entwicklung der Wälder. Auf um den Waldbestand gesund zu halten. gut wasserversorgten Standorten sind bei stei- genden Temperaturen deutliche Zuwächse der Nordrhein-Westfalen braucht seine Wälder Biomasse möglich. Statt der auf vielen Flächen Gerade in Nordrhein-Westfalen erfüllt der Wald zurückgedrängten Fichte werden sich andere vielfältige Aufgaben. Er ist Lebensraum für viele Baumarten mit höherem Wärmebedarf sogar Tier- und Pflanzenarten, Naherholungsgebiet für in den Hochlagen des Sauerlandes ausbreiten – die Ballungszentren sowie beliebtes Urlaubsziel beispielsweise Esskastanie, Robinie oder auch für Menschen aus den Nachbarländern. Traubeneiche. Diese Bäume spielen heute Der Wald in Und der Wald ist ein bedeutender Wirtschafts- noch keine Rolle in den nordrhein-westfälischen Nordrhein-Westfalen faktor: Durch die Nutzung der nordrhein-westfä- Wäldern. hat viele Funktio- lischen Forste wird ein jährlicher Umsatz von nen: Lebensraum für rund 38 Milliarden Euro erzielt. 180.000 sozial- Mit dem Wissen der zu erwartenden Klimaän- Pflanzen und Tiere, Naherholungsgebiet, versicherungspflichtig Beschäftigte leben von derungen und deren Wirkungen auf Wälder kön- Urlaubsziel. Er ist den Erträgen der Forstwirtschaft. nen die Waldstandorte in Nordrhein-Westfalen außerdem ein gezielt weiterentwickelt werden. bedeutender Für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes Wirtschaftsfaktor haben die Wälder seit jeher eine herausragende des Landes. Bedeutung. Die Anfänge der Kohleförderung INNOVATIONSFONDS: FORSCHEN UND HANDELN Die Entwicklungen des Klimas in unseren Breiten und die Auswirkungen des Klimawandels auf das Ökosystem Wald hat das Umweltministerium des Landes in vier so genannten Innovationsfondsprojekten erforschen lassen. Einzelheiten werden auf den Seiten 17 bis 19 dargestellt. Digitale Standortklassifikation: Mit diesem von Waldökosystemen untersucht. Die Daten Werkzeug können Eigenschaften einzelner liefern Hinweise, welche waldbaulichen Maß- Waldstandorte beschrieben und auf Karten nahmen zur Anpassung an den Klimawandel abgebildet werden. Auf Basis der dort ermit- einzuleiten sind. telten Klimadaten (1961 bis 1990) können ver- schiedene Klimaszenarien berechnet wer- Naturwaldzellen: In naturbelassenen Wald- den. Die Ergebnisse zeigen auf, wie gebieten werden Effekte der Klimaerwärmung Waldstandorte sich im Klimawandel ändern. und die Folgen klimatischer Veränderungen Diese Daten unterstützen eine standortge- auf Flora und Fauna untersucht. rechte Anpflanzung von Baumarten in einzel- nen Regionen und Waldlagen. Klimawald: Auf einer elf Hektar großen Referenzfläche sind Bäume aus trockeneren Wasserhaushalt: Am Beispiel eines Waldge- Regionen angesiedelt worden. Dabei wird bietes im Sauerland wurden Auswirkungen beobachtet, ob sie auch in unseren Breiten des Klimawandels auf den Wasserhaushalt heimisch werden können.
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 8 8 Klimawandel in NRW Die Folgen des Klimawandels werden in Nord- Fauna, Flora, Luft, Wasser und rhein-Westfalen viele Lebensbereiche Boden: Der Klimawandel ist längst verändern – auch wenn die spürbar Auswirkungen insgesamt eher moderat ausfallen.
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 9 Klimawandel in NRW 9 Der Klimawandel ist bei uns angekommen Der Klimawandel ist längst spürbar – beispielsweise durch einen früheren Vegetationsbeginn der Bäume oder die massive Zunahme von bisher seltenen Baumschädlingen. Um 0,74 Grad Celsius sind die globalen Durch- Vögel aus den Subtropen wandern ein schnittstemperaturen in den vergangenen Auch die Tierwelt reagiert auf die erhöhten 100 Jahren gestiegen. Das gab der Weltklimarat Temperaturen. Eher im Süden vorkommende im Jahr 2007 bekannt. Mithilfe solch akribi- Arten haben ihr Verbreitungsgebiet nach Nor- scher Temperaturmessungen lässt sich der den erweitert. Vor allem mobile Insektenarten Klimawandel ebenso belegen wie durch verglei- wie die Feuerlibelle oder die Wespenspinne sind chende fotografische Darstellungen. So wird in seit den 1980er Jahren hier eingewandert. Auch den Medien regelmäßig die Rückbildung von Vogelarten aus dem Süden wie der Bienenfres- einzelnen Hochgebirgsgletschern beispiels- ser gehören dazu. Sogar aus den Subtropen weise in der Schweiz dokumentiert. gibt es Neuzugänge. Dazu gehört der Halsband- sittich, der zunächst in Köln brütete und heute Buchenaustrieb beginnt frühzeitiger mit etwa zweitausend Exemplaren auch in der In Nordrhein-Westfalen sind die Temperaturen Rhein-Ruhr-Region zu finden ist. seit Anfang des 20. Jahrhunderts um 1,1 Grad Trockenere Sommer und feuchtere Winter – so Celsius gestiegen. Das hat der Deutsche Wet- lautet verkürzt die Wetterprognose der Klima- terdienst errechnet. Diese Erhöhung bewirkt, forscher für Nordrhein-Westfalen. Diese Verän- dass sich das jahreszeitliche Eintreten von derung kann die Wachstumsbedingungen von Entwicklungsschritten in der Natur verschiebt. Kulturpflanzen grundlegend verändern. Für den Hierfür bewertet das Landesamt für Natur, Um- Menschen nützlich ist, dass sich infolge der Er- welt und Verbraucherschutz NRW regelmäßig wärmung die Vegetationsperioden von Pflanzen eine Reihe von Umweltindikatoren. Sie machen verlängern. Dies erlaubt sogar den Anbau einer die Veränderungsprozesse deutlich. So beginnt Zweitkultur nach der Ernte – denkbar zum Bei- der Buchenaustrieb beispielsweise heute deut- spiel bei Getreide. Und ausgerechnet die Haupt- lich früher als noch in den 1990er Jahren (siehe ursache des Klimawandels – der Anstieg der Infografik Seite 10). Gleiches wird bei einigen Kohlendioxid-Konzentration – löst bei Pflanzen Sträuchern wie Hasel, Kornelkirsche oder ein stärkeres Wachstum aus. Schlehe beobachtet. Pflanzenarten, die bislang Die Veränderungen der Niederschläge in Nord- in Nordrhein-Westfalen nur unbeständig vorka- rhein-Westfalen können auch zu nachteiligen men, bürgern sich zunehmend aufgrund der Entwicklungen führen. Insbesondere wenn man längeren Vegetationszeit ein, zum Beispiel der das Sommer- und Winterhalbjahr getrennt be- Fuchsschwanz auf Sand- und Kiesbänken am trachtet: Im Winter wird in unterschiedlichen Niederrheinufer. Emissionsszenarien eine Zunahme der Nieder-
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 10 10 Klimawandel in NRW BUCHENAUSTRIEB: IMMER FRÜHER IM JAHR Ein Indikator für die Klimaveränderungen im Wald ist der Austrieb der Buche. Er hat in den letzten Jahren beispielsweise in der Haard (Kreis Recklinghausen) spürbar früher eingesetzt, 2011 sogar schon Anfang April. Im Jahr 2001 wurde als „mittlerer Austriebstermin“ noch An- fang Mai ermittelt. (Quelle: Waldzustandsbericht NRW 2011) 2001 2011 3. April 7. Mai Winter vom 21. Dez. Frühling vom 20. März Sommer vom 21. Juni Herbst vom 22. Sept. bis 19. März bis 20. Juni bis 21. Sept. bis 20. Dez. schlagsmenge zwischen neun und 24 Prozent Speicher: Geht der Humus zurück, würde das erwartet. Diese Werte können je nach Region den Treibhauseffekt verstärken. In den Winter- variieren. monaten ist durch die Abnahme von Boden- Für das Sommerhalbjahr zeichnet sich dagegen frösten mit Verschlämmung zu rechnen. Das ein Rückgang der Niederschläge um bis zu erschwert die Befahrbarkeit der landwirtschaft- 12 Prozent ab. Durch vermehrte Trockenphasen lichen Nutzflächen. Auch für die Forstwirtschaft im Sommer bedroht Wassermangel die Pflan- stellt der ausbleibende Bodenfrost eine Gefahr zen. Auch die durch fortschreitende Erwärmung dar – in den Wäldern muss verstärkt auf Gefü- zu erwartenden Unwetter werden das Pflanzen- geschäden des Bodens geachtet werden. Prog- wachstum stören. Und nicht zuletzt können nostiziert werden auch häufigere und stärkere Schädlingsschwemmen beispielsweise bei den Stürme, die speziell die besonders anfälligen Buchdruckern (siehe Infografik Seite 12) die Er- monokulturellen Forstflächen in den Höhenla- tragssicherheit in den Wäldern beeinträchtigen. gen der Mittelgebirge gefährden könnten. In den zu erwartenden trockenen warmen Som- Gefahren durch ausbleibenden Bodenfrost mern nimmt die Waldbrandgefährdung zu. Auch auf die Böden wirkt sich der Klimawandel Forscher gehen aber nicht davon aus, dass die aus: Bei höheren Bodentemperaturen schwin- Klimaänderungen das Wachstum der Wälder in det die organische Substanz im Boden, in der NRW stark beeinflussen werden. Wasser-, Nähr- und Schadstoffe gespeichert sind – der Humus. Das kann die Bodenfrucht- barkeit und das Bodenleben negativ beeinflus- sen. Zudem sind die Böden der größte CO2-
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 11 Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst 11 Der Klimawandel verändert Waldstandorte und Wald Was bedeuten Temperaturveränderungen für einen einzelnen Baum? Welche Konsequenzen hat der Klimawandel für die Artenvielfalt von Flora und Fauna in den nordrhein-westfälischen Wäldern? Wälder sind ein sehr komplexes Gesamtsystem. Wie sich der Klimawandel darauf auswirkt, ist seit Jahren eines der wichtigsten Themen im Umweltministerium. Wälder haben sich in der Vergangenheit verän- Baumarten, die hohe Ansprüche an den dert und werden es auch in Zukunft tun. Um auf Faktor Wärme haben und in den Niede- diesen Wandel reagieren zu können, ist ein um- rungsgebieten gut wachsen, können ihr fangreiches Wissen über die Eigenschaften der Verbreitungsgebiet ausweiten – als Bei- Waldstandorte als Lebensraum für Bäume, spiele gelten Robinie und Esskastanie. Tiere und weitere Pflanzen nötig. In Nordrhein- Westfalen befassen sich damit unterschiedliche Baumarten, die an kühl-feuchte Standortbe- Behörden, Forschungsinstitute sowie Informati- dingungen angepasst sind (z.B. die Fichte), ons- und Beratungszentren und geben ihre können durch eine Klimaerwärmung in ihrer Kenntnisse an das Umweltministerium weiter. Vitalität beeinträchtigt und anfälliger ge- In umfangreichen Studien werden Daten und genüber verschiedensten Stressfaktoren Messreihen im Wald gesammelt und ausgewer- werden. tet. Aus diesen ersten Erkenntnissen lassen sich Rückschlüsse auf die Auswirkungen des Im Folgenden sind die Auswirkungen des Klima- Klimawandels ziehen. Als seine ersten grundle- wandels auf alle den Wald in NRW berührenden genden Folgen auf Wald und Forst kann in Nord- Bereiche beschrieben – von der Bewirtschaf- rhein-Westfalen festgehalten werden: tung des Waldes bis hin zur Artenvielfalt in diesem Ökosystem. BAUMARTEN IM NRW-WALD: WENIGER FICHTEN Die Fichte hat in den Wäldern Nordrhein-Westfalens zwar noch den größten Flächenanteil, aber dieser ist heute im Vergleich zur ersten Bundeswaldinventur um 1,2 Prozent gesunken. (Quelle: MKULNV mit Daten aus der BWI²/Jakko Poyry) Buche 16 % 18 % sonstiges Laubholz 3% Fichte Douglasie 8% Kiefer 1% 18 % Lärche Eiche 36 %
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 12 12 Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst Forstgenetik: Neues Saatgut – gesunder Wald Forste unterscheiden sich von einem natürlichen Wald vor allem durch eine feste Strategie für die großflächige Anpflanzung von Bäumen. Durch den Klimawandel haben sich in der Forstgenetik Ver- schiebungen ergeben. Während lange Zeit beispielsweise die Saatgutforschung ausschließlich dem Ziel gedient hatte, die Produktivität für die Forstwirtschaft zu steigern, sehen Forstgenetiker heute die Stabilität und Resistenz der Waldbestände gegenüber den Klimaveränderungen als vorrangig an. Bei einem Generationenwechsel im Forst – insbesondere während der Naturverjüngung – können über diese Erkenntnisse genetische Anpassungsprozesse vollzogen werden, die insgesamt zur Stabilität des Bestandes beitragen. 450.000 Waldschutz: SCHÄDLINGE IN MASSEN Schädlinge und Nützlinge des Waldes werden durch den Klimawandel ebenfalls beeinflusst: Wenn zwischen April und September Temperaturen von 20 bis 30°C dominieren, können Buchdrucker häufiger Bruten pro Jahr ausbilden. Ab einer Temperatur von 16,5°C beginnt der Schwärm- flug dieses Käfers und nimmt bis 30°C kontinuierlich zu. Folge: Aus bis- her zwei Buchdrucker-Generationen werden drei pro Jahr, was bei ent- sprechenden Geschwisterbruten zu einer exponentiellen Erhöhung der Population führt. Aus bisher 100 Eiern im Frühjahr entstehen durch drei Folgegenerationen mehr als 450.000 Nachkommen – gegen- über etwa 7.500 bei zwei Generationen pro Jahr. Weitere negative Auswirkungen für die Bäume sind durch bestimmte Pilzarten und Raupen zu erwarten, aber auch durch Insekten und neu einwandernde Schadorganismen. Mögliche Entwicklung der Population beim Buchdrucker heute: zwei Generationen pro Jahr zukünftig: drei Generationen pro Jahr Der Buchdrucker gehört zur Gattung der Borkenkäfer und 7.500 schädigt insbeson- dere die Fichtenbe- stände. Der Klima- wandel könnte dazu führen, dass künftig drei Generationen pro Jahr ausgebildet 100 werden. (Quelle: Landesbetrieb Wald und Holz NRW) Mai Juni Juli August September
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 13 Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst 13 Wasserhaushalt: STARKREGEN VERSICKERT NICHT Optimale Wasserverteilung Klimawandel: Wasser fließt ab Außerhalb der Vegetationszeit füllen Niederschläge die Bodenwasser- speicher auf. Fließt das Wasser durch Starkregen schnel- ler ab, kann in der Vegetationszeit der Wasserbedarf der Bäume schlechter gedeckt werden. Die prognostizierten Veränderungen von Niederschlagsmenge, -intensität und -verteilung beeinflussen den gesamten Wasserhaushalt im Wald. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hatte zwischen 1950 bis 2008 an 176 konti- nuierlichen und 412 Tages-Messstationen festgestellt, dass Starkniederschläge besonders im Winterhalbjahr zugenommen haben. Diese fließen gerade in Hanglagen schneller ab. Dadurch haben diese Waldstandorte weniger Wasser im Boden zur Verfügung. An anderen Standorten kann das Gegenteil eintreten: In tonreichen Böden können große Wassermengen nicht schnell genug verteilt werden. In der Folge gefährdet Staunässe das Wurzelwerk der Bäume. Vitalität: Es kommt auf den Standort an Ob die Vitalität der Baumarten im Klimawandel eher zu- oder abnimmt, ist nicht eindeutig geklärt. Eine wichtige Rolle spielen die Bedingungen des Standortes – und die Baumart. Die Buche beispielsweise könnte in mittleren und höheren Lagen wegen der Verlängerung der Vegetationszeiten künftig bessere Dr. Bertram Leder, Wachstumsbedingungen vorfinden. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Holzproduktion aus, son- Landesbetrieb Wald dern auch auf die Kohlenstoffspeicherung: Durch die positiven Zuwachseffekte kann der Wald noch und Holz NRW: „Eine mehr Kohlenstoff binden – eine 30 Meter hohe Buche mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern in höhere Beteiligung 1,3 Metern Höhe speichert etwa 4 Tonnen CO2; eine Fichte gleicher Dimension nur 2,5 Tonnen CO2. wärmeliebender Baumarten am Waldaufbau erhöht Allerdings bestehen für die Buche auch Gefahren. In Trockenperioden wird es für sie und andere die Chancen, die Baumarten verstärkt Stresssituationen geben. Hier spielt die Veränderung der jährlichen Nieder- Vitalität im Wald zu schlagsverteilung eine Rolle: Bäume, die auf eine hohe Bodenfeuchte angewiesen sind oder zu flach steigern.“ wurzeln, werden im Sommer zunehmend unter Wasserstress leiden. Das vermindert die Vitalität. Die Anpassungspotenziale der einzelnen Baumarten an die Klimaveränderungen sind noch weitge- hend unbekannt. Deshalb rät Dr. Bertram Leder, Leiter der Schwerpunktaufgabe Waldbau, Bera- tungsstelle für Forstvermehrungsgut im Landesbetrieb Wald und Holz NRW, den Waldbesitzern, ihr Risiko zu streuen: „Eine höhere Beteiligung wärmeliebender Baumarten am Waldaufbau erhöht die Chancen, die Vitalität im Wald zu steigern.“ Solche Zuwächse könnte im Sauerland die Traubeneiche liefern, die künftig auch in Hochlagen als standortgerecht gilt.
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 14 14 Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst Waldbau: MEHR HOLZ, MEHR FRÜCHTE, MEHR WILD Dezember bis März März bis Juni Juni bis September Die Vegetations- periode beginnt künftig frühzeitiger im Jahr. Dadurch kann der Wald mehr Holzmasse produ- zieren – und mehr Früchte. Dadurch steigen die Wild- population und die Verbissschäden. Früherer Beginn der Vegetationsperiode bedeutet: • früherer Beginn: Austrieb • früherer Beginn: Fortpflanzungszyklus Beginn Vegetationsperiode heute in Zukunft heute Holzbereitstellung: Der Holzmarkt wächst Holz wird künftig stärker genutzt zur Die Holz- und Waldwirtschaft wird als potenzieller Wachstumsmarkt angesehen: Holz gilt als Bau- Energiegewinnung material der Zukunft und wird bei Neubauten immer häufiger den energieaufwändig produzierten und als Baumaterial. Beton ersetzen. Auch für die erneuerbare Energieversorgung wird der umweltfreundliche Rohstoff Holz zunehmend bedeutender – beispielsweise in Pellet-Heizungen oder bei der Energiegewinnung durch Biomasse. In der Möbelindustrie ist qualitativ hochwertiges Holz aus einheimischer Bewirtschaftung ohnehin seit einigen Jahren stärker gefragt. Für eine wirtschaftliche Verwertung des Holzes sind stabile Wälder unerlässlich. Die Auswirkungen von Orkanen wie „Kyrill“ und „Emma“ können einer nachhaltigen Verwertung des Holzes schaden. Unter anderem um die Mobilisierungspotenziale im Wald besser be- werten zu können, hat das Land Nordrhein-Westfalen 1998 erstmals eine Landeswaldinventur durchgeführt. Innerhalb einer Pilotstudie des Wald-Zentrums der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Jahr 2007 wurden die daraus gewonnenen Erkenntnissen mit An- gaben der Bundeswaldinventur ergänzend ausgewertet. Die Lan- deswaldinventur soll wiederholt werden.
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:21 Uhr Seite 15 Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst 15 Die prognostizierten milderen Winter und die veränderte Niederschlags- September bis Dezember verteilung haben Folgen für die Wälder und deren Bewirtschaftung. So werden die Waldgesellschaften um bisher in unseren Breiten nur verein- zelt auftretende Baumarten aus wärmeren Klimaregionen bereichert. Durch höhere Frühjahrstemperaturen setzt die Vegetationsperiode der Bäume früher ein, das führt bei standortgerechtem Anbau unter anderem zu einem Zuwachs der verfügbaren Holzmenge. Die veränderten jahres- Späteres Ende der zeitlichen Wachstums- und Entwicklungsphasen beeinflussen zum Bei- Vegetationsperiode bedeutet: spiel die Fruchtbildung der Bäume, also die Ausbildung von Samen und • längere Wachstumsphase Früchten und somit auch die Nahrungsbereitstellung im Wald. Mit zuneh- • mehr Wachstum pro Jahr mendem Futterangebot erhöhen sich die Wildbestände, aber auch deren • höherer Fruchtstand • mehr Wildverbiss Verbissdruck auf junge Pflanzen. • größere Käferpopulation Ende Vegetationsperiode heute Biodiversität: Arten wandern ein Der Anpassungsdruck für viele Arten wird sich durch den Klimawan- del erhöhen. Mit der Verlagerung von Populationen werden neue Konkurrenten im Wald hinzukommen: Neobiota – einwandernde Tier- und Pflanzenarten können bisher etablierte Lebewesen ver- drängen und in ihrem Bestand gefährden. Die Feuerlibelle ist ursprünglich in mediterranen Klima- Das Institut für Landschaftsökologie Münster hat 2009 im Auftrag des Umweltministeriums des zonen beheimatet, Landes Nordrhein-Westfalen eine umfangreiche Pilotstudie durchgeführt, wie sich der Klimawandel hat sich aber auf die biologische Vielfalt auswirkt. Die Untersuchungen dienten der Einschätzung, inwiefern Arten mittlerweile auch in und deren Lebensräume für die Zukunft erhalten und stabilisiert werden können – im Rahmen der unserer Region an- europäischen Biotop- und Artenschutz-Strategie „NATURA 2000“. Als Ergebnis wurde beispiels- gesiedelt. weise für Laubwälder festgestellt, dass 47 Pflanzen- und 61 Tierarten durch den Klimawandel be- nachteiligt, 35 Pflanzen- und 42 Tierarten begünstigt werden. Den Wäldern kommt zur Erhaltung und Stärkung der Biodiversität eine besondere Bedeutung zu. Sie bilden den Lebensraum für viele so genannte FFH-Arten. Die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH) der EU schützt wildlebende Arten und sichert deren Lebensräume, indem diese europaweit vernetzt werden.
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:22 Uhr Seite 16 16 Aktivitäten der Landesregierung Dr. Joachim Gehrmann, Landes- amt für Natur, Um- Den Wald beobachten und handeln welt und Verbrau- cherschutz NRW: „Unser forstliches Umweltmonitoring Aktivitäten der Landesregierung: Umweltmoni- ist mit dem Waldmo- nitoring des Bundes toring und Innovationsfondsprojekte und dem EU-Um- weltmonitoring eng vernetzt. Damit kön- nen wir Beobachtun- gen und Messdaten zum Klimawandel länderübergreifend auswerten.“
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:22 Uhr Seite 17 Aktivitäten der Landesregierung 17 Aktivitäten der Landesregierung Gut angepasst Der Klimawandel bringt für die Waldökosysteme in Nordrhein-Westfalen zum Teil gravierende Veränderungen. Diese stellen für die privaten und öffentlichen Waldbesitzer eine große Herausfor- derung dar. Denn ohne begleitende Maßnahmen können sich die Waldgesellschaften nicht rechtzei- tig auf die Veränderungen ihrer Lebens- und Verjüngungszeiträume einstellen. Dr. Norbert Asche, Landesbetrieb Wald Um die Folgen des Klimawandels für die Umwelt abzuschätzen und abzumildern, hat die Landes- und Holz NRW: „Die regierung eine umfangreiche Strategie zur Anpassung an den Klimawandel erarbeitet. Dort wer- Daten der digitalen den unter anderem auch waldbauliche und waldökologische Handlungsfelder beschrieben. Aus Standortklassifika- tion haben für den den Ergebnissen der einzelnen Projekte können öffentliche und private Waldbesitzer weitere Waldbesitzer den Maßnahmen ableiten. Vorteil, dass sie die zu erwartenden Ver- So können mit dem Werkzeug der digitalen Standortklassifikation für jede Waldfläche die Auswir- änderungen in sei- kungen des Klimawandels berechnet und flächig dargestellt werden. In weiteren Forschungspro- nem Wald in Form von Klimaszenarien jekten wurden die Auswirkungen auf den Wasserhaushalt von Waldökosystemen beziehungsweise aufzeigen und eine die Effekte der Klimaerwärmung auf Flora und Fauna sowie die Wuchsbedingungen von wärmelie- belastbare ökologi- benden Bäumen untersucht. Weitere Projekte betreffen das Monitoring, also das systematische sche Grundlage für und regelmäßige Beobachten und Erfassen von Veränderungen in ausgesuchten Forsten. Baumartenwahl und Waldbau sind.“ Mit solchen Anpassungsstrategien können Waldbesitzer den steigenden Risiken in der Forstwirt- schaft begegnen. Umweltmonitoring Beobachten, dokumentieren, Schlüsse ziehen Das LANUV untersucht im Auftrag des Umweltministeriums an ausge- wählten Referenzflächen die Auswirkungen von Luftverunreinigungen und des globalen Klimawandels auf Wälder in Nordrhein-Westfalen. Dr. Joachim Von mehreren Waldflächen, die im Umweltmoni- haltsdaten bildet das forstliche Umweltmonito- Gehrmann, Landes- toring unter Beobachtung stehen, werden vier ring den Nährstoffkreislauf im Wald ab und amt für Natur, Waldbestände besonders intensiv untersucht: erfasst die Belaubungsdichte der Baumkronen, Umwelt und zwei liegen im Tiefland und zwei im Bergland den Holzzuwachs der Waldbäume sowie die Verbraucherschutz NRW: „Die von Nordrhein-Westfalen. Dabei werden fortlau- Artenzusammensetzung und deren Verände- Ergebnisse des fend Wetterdaten entnommen und die Wasser- rung in der Strauch- und Krautschicht. forstlichen Umwelt- flüsse unter den Baumkronen sowie im Boden „Die Ergebnisse des forstlichen Umweltmonito- monitorings dienen gemessen. Mit diesen Daten will man den Was- rings dienen den Waldbesitzern als Entschei- den Waldbesitzern serhaushalt der Wälder an unterschiedlichen dungshilfe bei waldbaulichen Maßnahmen und als Entscheidungs- hilfe bei waldbauli- Standorten analysieren und Rückschlüsse zie- helfen, Fehlentscheidungen vorzubeugen“, chen Maßnahmen hen auf den Zusammenhang zwischen Trocken- erläutert Dr. Joachim Gehrmann, im Landesamt und helfen, stress und Vernässung sowie der örtlichen Wet- für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW Fehlentscheidungen terentwicklung. Die Flächen im Tiefland finden (LANUV) zuständig für das Umweltmonitoring. vorzubeugen.“ sich am Niederrhein (Eichenbestand auf Löss), „Ausgestattet mit unseren Daten können sie in in der Westfälischen Bucht (Buchenbestand auf der kommenden Waldgeneration Baumarten Sand), im Weserbergland (Buchenmischbe- anpflanzen, die mit den Folgen des Klimawan- stand auf Kalkverwitterungslehm) sowie im dels besser zurechtkommen – indem sie Sauerland (Fichtenbestand auf Schiefergebirgs- beispielsweise besser an den verfügbaren lehm). Parallel zu den Wetter- und Wasserhaus- Bodenwasservorrat angepasst sind.“
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:22 Uhr Seite 18 18 Aktivitäten der Landesregierung Digitale forstliche Standortklassifikation Was wächst wo am besten? Die „Digitale Standortklassifikation“ berechnet, wie sich eine Zunahme der Temperatur und die Veränderung der Niederschlagsmenge auf einzelne Waldstandorte auswirken. Die Fichte wird künftig in vielen Waldlagen Nordrhein- ten Niederschlagsmenge. Auf der Grundlage klimatischer, Westfalens keine günstigen Wachstumsbedingungen topografischer, geologischer und bodenkundlicher Daten mehr vorfinden. Das sagen die im Rahmen der „Digitalen wurden dann die in den regionalen und lokalen Waldflä- Standortklassifikation“ vorgenommenen Klimasimulatio- chen vorherrschenden speziellen Standortmerkmale nen voraus. Die Verbreitung der Küstentanne oder der beschrieben – dazu gehören die Nährstoffausstattung Douglasie dagegen wird ansteigen, weil diese Baumarten und die Gesamtwasserversorgung. Durch Verknüpfung eher angepasst sind an die zu erwartenden Änderungen. dieser Ergebnisse mit den Angaben zu den Ansprüchen Die Studie der Universität Göttingen und des Landesbe- wichtiger Baumarten ist es künftig möglich, Karten zur triebes Wald und Holz NRW kommt auch zu dem Ergebnis, standortgerechten Baumartenwahl zu erstellen. dass Waldbesitzer in Berglagen Nordrhein-Westfalens künftig auch Esskastanien und Robinien anbauen können. Für die einzelnen Waldbesitzer hat die Studie den Nutzen, dass sie die konkreten Auswirkungen des Klimawandels Um diese Standortklassifikationen zu ermitteln, wurden in auf regionale beziehungsweise lokale Waldstandorte der Studie zunächst auf Basis der Klimamerkmale des beschreibt und damit die Möglichkeit eröffnet, durch Aus- Zeitraumes von 1961 bis 1990 verschiedene Varianten wahl der zu pflanzenden Baumarten die erforderlichen möglicher Klimaveränderungen berechnet: der Anstieg Anpassungsmaßnahmen zu treffen. der Jahresmitteltemperatur um 1°C, 2°C und 3°C bei einer gleich bleibenden Jahresniederschlagsmenge, bei einer gesunkenen beziehungsweise einer um 10 Prozent erhöh- Klimawald Elf Hektar für den Wald von morgen Welche Baumarten aus anderen Klimaregionen im nordrhein-westfälischen Wald der Zukunft leben können, wird im Klimawald erforscht. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW hat im Auftrag des In einer Studie im Rahmen der Innovationsfondsprojekte Umweltministeriums NRW einen elf Hektar großen Klima- wurden im Klimawald – beschreibend und messend – die wald angelegt. Dort soll geprüft werden, welche Baumar- Wuchsbedingungen der verschiedenen Arten dokumen- ten aus Regionen mit zukünftig hier erwarteten Klima- tiert. Dabei wurden insbesondere die Anpassungsfähig- kennwerten in den Wäldern Nordrhein-Westfalens keit und die Anfälligkeit gegenüber Schädlingen erfasst. angebaut werden können. Hier sind Baumarten aus Diese Untersuchungen sollen in einem Abstand von fünf trockeneren Regionen angepflanzt worden, um deren Jahren erfolgen. Eignung für unsere Regionen zu erforschen. Von den Ergebnissen werden wichtige Erkenntnisse für die Zu den im Klimawald wachsenden Baumarten gehören Baumartenwahl zur Anpassung heutiger Wälder an den er- unter anderem der Gebirgsmammutbaum, die Rotbuche, warteten Klimawandel erwartet. die Esskastanie und die Robinie. Da in den zukünftigen Wäldern ein angemessener Flächenanteil der Nadel- baumarten unverzichtbar ist, um den Bedarf der Holzin- dustrie zu decken und die Kohlenstoff-Speicherung zu fördern, gilt ein besonderes Augenmerk im Klimawald der Douglasie, der Atlas-Zeder und der Großen Küstentanne.
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:22 Uhr Seite 19 Innovationsfondsprojekte 19 Naturwaldforschung Nicht alles vom Klima beeinflusst In den 75 Naturwaldzellen Nordrhein-Westfalens kann beobachtet werden, dass klimabedingte Einflüsse oft von anderen Effekten überlagert werden. Seit 40 Jahren werden in Nordrhein-Westfalen Waldflä- zellen zusammen. Eindeutig dem Klimawandel zugeordnet chen aus der Bewirtschaftung herausgenommen und sich werden kann aber die Abnahme beziehungsweise sogar selbst überlassen. Solche Naturwaldzellen sind gute Ob- das Verschwinden bestimmter nordischer Arten der jekte für Studien, in denen die Einflüsse des Klimawandels Totholzkäfer. Da andere Arten von der Zunahme der auf die Artenvielfalt ermittelt werden. Sommer- und Hitzetage profitieren, ist insgesamt ein Anstieg der Population zu verzeichnen. In einer Untersuchung im Rahmen der Innovationsfonds- projekte wurde eine deutliche Zunahme von Braun- und Bei einer Untersuchung der Biodiversität in Naturwaldzel- Weißfäulepilzen festgestellt. Diese leiten die Phase der len wurde die Zunahme frostempfindlicher, immergrüner Holzzersetzung ein. Ursache dieser Entwicklung sind aber Arten wie Efeu und Stechpalme in sommergrünen Wäl- nicht klimatische Einflüsse, sondern durch Luftverschmut- dern registriert. Auch das Buschwindröschen profitiert zung erhöhte Stickstoffanteile im Holz- beziehungsweise von der früher im Jahr beginnenden Vegetationsperiode. Rindengewebe. Auch bei einer weiteren Studie, bei der es Eindeutig zuordnen auf den Klimawandel lassen sich aller- um die Population der Totholzkäferfauna ging, kam dings nur wenige Veränderungen in der Vegetation in den heraus, dass nicht alle Veränderungen ausschließlich dem Naturwaldzellen. So konnten am „Hellerberg“ im Arnsber- Klimawandel geschuldet sind. Der gegenüber den 90er ger Wald viele nicht klimabedingte Einflüsse auf die Arten- Jahren des vergangenen Jahrhunderts beobachtete gene- vielfalt ermittelt werden, darunter Wildverbiss oder der relle Anstieg des Bestands hängt auch mit dem durch Einstellung der forstlichen Nutzung verminderte erhöhten Angebot von Totholz vor allem in den Naturwald- Lichteinfall auf den Waldboden. Wasserhaushalt Zu trocken für die Fichte Ein Projekt im östlichen Sauerland liefert Hinweise, welche waldbaulichen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bezüglich des Wasserhaushaltes einzuleiten sind. Für das untersuchte Waldgebiet nordöstlich der Stadt phase, in der die Fichte einen erhöhten Wasserbedarf Medebach hat das Projekt ein eindeutiges Ergebnis hat, wird dieser Baumart also weniger Wasser zur Verfü- herausgearbeitet: Die Wuchsbedingungen der Fichte gung stehen. Die mit 60 Prozent Bestand in diesem Wald- werden sich bis zum Ende dieses Jahrhunderts drama- gebiet vertretene Buche kommt mit diesen Veränderun- tisch verschlechtern. Ursache ist der prognostizierte gen besser zurecht. Die Studie hält den Weiteranbau Trockenstress dieser auf 30 Prozent der betreffenden dieser Baumart in dem betreffenden Waldstück weiterhin Waldfläche wachsenden Baumart, die frische bis mäßig für sinnvoll. frische Standorte für ihr Wachstum benötigt. Beeinflusst wird die Wasserversorgung von Bäumen durch Der Klimawandel wird in dem untersuchten Gebiet, das in Temperatur, Niederschlag, Exposition, Hangneigung, Was- einer montanen Höhenzone zwischen 475 und 585 Me- serspeichervermögen und Wasserleitfähigkeit der Böden. tern liegt, zu einem Anstieg der Winterniederschläge und „Die klaren Ergebnisse aus diesem Projekt“, so resümiert wahrscheinlich zu einer Abnahme der Sommernieder- die auf vergleichbare Waldstandorte im Sauerland über- schläge führen. Die Lufttemperatur wird in beiden tragbare Studie, „sollten Anlass sein, Einschätzungen zum Jahreszeiten um 2 bis 3°C ansteigen, dadurch wird die Wasserhaushalt als objektives Kriterium zu verwenden, Verdunstung höher ausfallen als in der heutigen Zeit. In um frühzeitig auf den Klimawandel im Waldbau und im der durch den Klimawandel verlängerten Vegetations- Waldnaturschutz reagieren zu können.“
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:22 Uhr Seite 20 20 Mögliche Anpassungsstrategien Den steigenden Risiken entgegenwirken Die Anpassungsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen bietet Ansätze, wie sich die Holzwirtschaft und Waldbesitzer auf künftige Risiken einstel- len und sich die ändernden Bedingungen zu Nutze machen können. Der Klimawandel wird hierzulande keine extremen Veränderungen bringen. Aber seine Auswirkun- gen beispielsweise auf den Wasserhaushalt der Wälder oder das Auftreten von eingewanderten Schädlingen sind bereits spürbar und werden sich noch verstärken. Die Anpassungsfähigkeit des Ökosystems Wald ist dabei überfordert – die Waldbesitzer werden zunehmend Anpassungsmaß- nahmen treffen müssen, um ihre Wälder auf den Klimawandel vorzubereiten. Die Politik wird ihren Beitrag zur Unterstützung der 150.000 privaten Waldbesitzer weiterhin leisten: Seit einigen Jahren erarbeitet das Umweltministerium mit seinen Fachbehörden Anpassungsstrategien, um den steigenden Risiken in der Forstwirtschaft entgegenzuwirken. Die Folgen des Klimawandels werden sich regional unterschiedlich auswirken. Daher müssen die Anpassungsstrategien die Akteure auf allen Ebenen einbeziehen, um passgenaue Lösungen für die künftigen Herausforderungen zu finden. Denn eine gelungene Anpassung an neue Verhältnisse kann auch neue Chancen eröffnen. Das gilt insbesondere für die Wald- und Holzwirtschaft. Die folgenden Seiten geben einen umfassenden Überblick über die einzelnen Anpassungsstrate- gien der Landesregierung für die Wald- und Forstwirtschaft. Verbesserung der Vitalität und Stabilität der Wälder Ausbau des Risikomanagements Erhöhung der Biodiversität Optimierung der Holzverwendung (Clustermanagement) Aufbau eines Forschungsnetzwerkes
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:22 Uhr Seite 21 Mögliche Anpassungsstrategien – Vitalität 21 Erhaltung und Verbesserung der Stabilität und Vitalität der Wälder Der richtige Baum am richtigen Platz Die etwa 150.000 Waldbesitzer in Nordrhein-Westfalen müssen ihren Wald für die nächsten Jahrzehnte fit machen. Anpassungsstrategien helfen, den steigenden Risiken in der Forstwirtschaft entgegenzuwirken. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW sucht sind einerseits in Broschüren festgehalten. geeignete Baumarten, die den künftigen Bedin- Darüber hinaus erstellt der Landesbetrieb gungen angepasst sind und somit stabile konkrete Karten, die zeigen, wo die jeweilige Verhältnisse für die Waldbewirtschaftung im Baumart unter derzeitigen Klimabedingungen Klimawandel unterstützen. „Da die Anpas- standortgerecht ist und bei der zu erwartenden sungspotenziale unserer Baumarten an den Klimaerwärmung standortgerecht sein wird. Klimawandel noch weitgehend unbekannt sind, müssen wir uns intensiv damit beschäftigen, ob Durchmischung für die Stabilität und wie jede einzelne Baumart mit den Verän- Das Konzept der naturnahen Waldwirtschaft in derungen an ihren Standorten umgehen wird“, NRW sieht stabile, artenreiche Mischbestände sagt Dr. Bertram Leder. Für den Leiter der vor. Durch die ungünstigeren Bedingungen für Schwerpunktaufgabe Waldbau, Beratungsstelle Fichten rückt der künftige Nadelwaldanteil in für Forstvermehrungsgut im Landesbetrieb den Wäldern Nordrhein-Westfalens in den Fo- stellt die standortgerechte Baumartenwahl eine kus des Landesbetriebes: „Ein angemessener entscheidende Voraussetzung für einen intak- Flächenanteil der Nadelbaumarten ist auch in ten Waldlebensraum dar. Dabei spielen die ge- Zukunft unverzichtbar, um die Erträge der netische Variabilität des Pflanzenmaterials und Forstbetriebe zu sichern, den Bedarf der Holz- die Herkünfte eine entscheidende Rolle. industrie zu decken und die Kohlenstoff-Spei- cherung auf dem Wege des Holzbaus zu för- Dr. Bertram Leder, Als künftige Risikobaumart wird vielerorts die dern“, hält Bertram Leder dazu fest. Landesbetrieb Wald Fichte eingestuft, falls sich die warm-trockene und Holz NRW: „Die Klimasituation weiter verschärft. Fichtenbe- Mischbestände von Bäumen anderer Regionen Anpassungspoten- stände auf Grenzstandorten eines westexpo- und heimischen Baumarten werden den Wald in ziale unserer Baum- arten an den Klima- nierten Hanges beispielsweise werden nicht NRW im Klimawandel prägen: „Buchenwälder wandel sind noch mehr für ihren Standort angepasst sein, da sie könnten beispielsweise mit Küstentannen weitgehend unbe- aufgrund der verlängerten Vegetationszeit ergänzt werden“, sagt Leder. „Einige fremdlän- kannt. Wir müssen einen erhöhten Wasserbedarf haben. Andere dische Baumarten haben besonders auch hin- uns intensiv damit Bäume wiederum können von den steigenden sichtlich der Eignung als Vorwaldbaumart oder beschäftigen, ob Temperaturen profitieren. Die heimische Trau- wegen ihrer hohen Volumen- und Wertleistung und wie jede ein- zelne Baumart mit beneiche wird in Zukunft auch in den Hochlagen eine besondere Bedeutung. Bei der Entschei- den Veränderungen des Sauerlandes als standortgerecht gelten, wo dung zum Anbau wuchskräftiger fremdländi- an ihren Standorten sie derzeit wegen fehlender Wärme eher selten scher Baumarten ist auch die CO2-Problematik umgehen wird.“ zu finden ist. einzubeziehen.“ Dabei fällt auch hierbei der Blick auf die Nadelwälder. Sie sind ein entschei- Der Landesbetrieb Wald und Holz nutzt seine dender Faktor, um die Klimaziele zu erreichen Erkenntnisse unter anderem aus der digitalen und die Kohlenstoffbilanz in NRW zu verbes- Standortklassifikation und stellt für den Wald- sern. Die CO2-Umwandlung zu Sauerstoff besitzer Handlungsempfehlungen bereit. Diese beispielsweise geschieht bei den immergrünen
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:22 Uhr Seite 22 22 Mögliche Anpassungsstrategien – Vitalität Nadelbäumen ganzjährig. Laubbäume können Empfehlungen an die Hand zu geben, welche das nicht leisten. Daher sucht der Landesbe- Bestände den künftigen Bedingungen standhal- trieb Wald und Holz nach neuen Beständen, die ten können. durchmischt mit anderen Arten ein stabiles Gesamtsystem bilden können. Dies ist im Sinne Mehr Krankmacher im Wald der wirtschaftlichen Interessen und der natur- Sowohl die Buche als auch andere heimische nahen Bewirtschaftung, die sich wiederum Bäume sind durch den Klimawandel in ihrem positiv auf die Artenvielfalt auswirkt. Die Misch- Gesundheitszustand neuen Bedrohungen aus- baumarten Douglasie und Küstentanne sind für gesetzt. Die so genannten Komplexkrankheiten den Landesbetrieb Alternativen, um die Wälder (Buchen- und Eichenkomplexkrankheit) werden langfristig auszubauen. zunehmen – verursacht durch Pilze und Käfer. Sommertrockenheit fördert die Buchenwoll- Neben der Mischbarkeit mit einheimischen schildlaus und somit die Vorschädigung der Arten wird von den fremdländischen Baumar- Rinde. Herbstliche Starkregenereignisse und ten erwartet, dass sie an den Standort ange- milde Winter begünstigen das Wachstum der passt sind und den Boden verbessern bezie- Rindenpilze. Da die Klimaprognosen genau hungsweise nicht verschlechtern. Sie dürfen solche Witterungsereignisse für Nordrhein- nicht krankheitsanfällig sein. Erfahrungen mit Westfalen erwarten, ist mit einer Zunahme von fremdländischen Baumarten werden schon seit Erkrankungswellen zum Beispiel durch 50 Jahren gesammelt – im Arboretum Burgholz Buchenrindennekrose zu rechnen. Der Leiter bei Wuppertal. Auf einer Fläche von etwa für die Schwerpunktaufgabe Waldschutzmana- 250 Hektar wachsen hier mehr als 100 Nadel- gement im Landesbetrieb Wald und Holz NRW, und Laubbaumarten aus der ganzen Welt – die Dr. Mathias Niesar, sieht daher einen Hand- größte Ansammlung in ganz Deutschland. Hier, lungsbedarf in der Pflege der Wälder: „Der aber auch in den vom Land ausgewiesenen Gesundheitszustand der Buchen ist mittels Naturwaldzellen und Klimawaldflächen werden spezieller Forstschutzmonitoring-Programme die Erprobungen weiter fortgeführt, um die zu überwachen. Hier ist beispielsweise auf die idealen künftigen Baumartengesellschaften zu Entwicklung der wärmeliebenden Arten des identifizieren und den Waldbesitzern weitere Kleinen Buchenborkenkäfers und des Buchen- Standorteignung gut, hohe Vitalität bedingt, vermin- derte Vitalität WASSERSTRESS: DIE FICHTE AUF DEM RÜCKZUG Wald, hohes Risiko + 10% Niederschlag Heutige Verbreitung - 10% Niederschlag + 1°C Die Fichte ist an ihren Standorten Quelle: Landesbetrieb Wald und Holz NRW + 3°C unter anderem auf eine hohe Bo- denfeuchte angewiesen. Ändern sich Temperatur und jährliche Nie- derschlagsmenge und -verteilung, hat dies gravierende Folgen für die Baumart, wie diese Szenarien zei- gen. Nehmen die Niederschläge bei steigenden Temperaturen ab, wird die Fichte als nicht mehr standortgerecht eingestuft.
Layout_Wald+Forst_20120216_RZ:Broschur_MUNLV 16.02.2012 13:22 Uhr Seite 23 Mögliche Anpassungsstrategien – Vitalität 23 prachtkäfers zu achten, welche bisher in Nord- dar. Ersichtlich wurde dies vor allem durch die rhein-Westfalen nahezu keine Rolle spielten.“ Entwicklung der Baumkronen. Im Juli und Eine Klimaerwärmung wird einen wesentlichen August 2010 führte der Landesbetrieb auf der Einfluss auf das Wirt-Parasit-Gefüge haben. „Es gesamten Waldfläche Nordrhein-Westfalens ein ist zu befürchten, dass sich neue Schadorganis- umfangreiches Baumkronen-Monitoring durch. men leichter etablieren können, wenn sie auf Dabei wurden in einem Stichprobenraster von destabilisierte, in der Abwehrkraft geschwächte vier mal vier Kilometern an 525 Aufnahmepunk- Waldökosysteme treffen“, stellt Mathias Niesar ten circa 9.500 Einzelbäume untersucht. daher grundsätzlich fest und sieht eine Hand- lungsoption: „Für eine wirksame Anpassungs- Mit der Empfehlung, das Austriebverhalten der strategie müssen wir alle Risiken analysieren Eichen im Jahr 2011 weiter genau zu beobach- Dr. Mathias Niesar, und dabei auch die Beobachtungsmethoden ten, stellte der Landesbetrieb Wald und Holz Landesbetrieb Wald weiterentwickeln.“ konkrete Eingriffsmaßnahmen vor, die schon im und Holz NRW: „Für Vorfeld ein großflächiges Eichensterben verhin- eine wirksame Neuen Maßnahmen bei der Pflege und eventu- dern sollen. Unter anderem wurde ein gezielter Anpassungsstrate- gie müssen wir alle ellen Eingriffen, um Schädlinge zu bekämpfen, Einschlag und Abtransport betroffener Stämme Risiken analysieren geht eine neue Qualität bei der Beobachtung vorgeschlagen. und dabei auch die des Waldzustands voraus. Das Beispiel der Eichenschäden ist bedeutend, Beobachtungs- da im Jahr 2010 typische Merkmale des Klima- methoden weiter- Eine verbesserte Qualität bei der Beobachtung wandels Mitverursacher für den starken Befall entwickeln.“ des Waldzustands ist die Voraussetzung für waren: Die Monate Juni und Juli waren sehr neue Maßnahmen bei der Pflege und eventuel- warm und von wenig Niederschlag geprägt. len Eingriffen, um Schädlinge zu bekämpfen. Ein Zudem war die Regenmenge ungünstig auf ver- Beispiel dafür lieferte Niesar bereits im Waldzu- einzelte Starkregen verteilt, die oft nicht schnell standsbericht des Jahres 2010 mit seinem Bei- genug in den Boden einsickern konnten. Mit trag zur Forstschutzsituation. Darin widmete er diesen Witterungsverhältnissen wird in Zukunft sich beispielsweise den Schädlingen an Eichen- häufig zu rechnen sein. beständen. Die Raupen der Eichenfraßgesell- schaften, wie der Frostspanner und der Eichen- Alarmierender Zustand wickler, aber auch der Mehltau-Pilz stellten in Der Waldzustandsbericht 2011 lieferte noch dem Jahr eine markante Gefahr für die Bäume dramatischere Erkenntnisse. Das Frühjahr war ZUKUNFTSWALD: NEUE BÄUME AN NEUEN ORTEN Eine zukunftsorientierte naturnahe gleich zur aktuellen Bestockung eine bes- Waldwirtschaft hat folgende Baumarten sere Eignung und Anpassungsfähigkeit im Fokus: aufweisen (Douglasie, Küstentanne) Trockenheits- und hitzetolerante Baumarten Heimische Baumarten, die gegenwärtig Baumarten mit breiter ökologischer aufgrund der Konkurrenzbeziehungen nur Amplitude, Pionierbaumarten (z.B. Birke, suboptimale Wuchsbedingungen an einem Vogelbeere, Aspe, Erle, Lärche, Kiefer, Standort finden, jedoch im Falle eines Kli- Schwarzkiefer), mawandels an Konkurrenzkraft gewinnen wärmeliebende Arten und Arten, die auf seltene Baumarten (Sorbus-Arten, warmtrockene Standorte spezialisiert sind Wildobst, Nuss) (Elsbeere, Mehlbeere, Feldahorn, Trauben- eiche, Hainbuche, Winterlinde, Robinie, Mischung unterschiedlicher Herkünfte Roteiche, Esskastanie, Nussarten, Kiefer) gleicher Art Kombination von Bäumen mit vermutlich Bereits etablierte fremdländische Baumarten unterschiedlicher Klimaanpassung (z.B. in z. B. in Gebieten, wo sie aufgrund ihrer naturnahen Buchen-Reinbeständen) größeren ökologischen Amplitude im Ver-
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