Wald im Klimawandel Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen - Stadt Arnsberg

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Wald im Klimawandel Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen - Stadt Arnsberg
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        Wald im Klimawandel
        Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und
        Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen

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                                                                                  www.klimawandel.nrw.de
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        Wald im Klimawandel
        Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und
        Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen

        HINWEIS
        Das Projekt ist Teil der Anpassungspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen und wurde mit Mitteln des Ministeriums
        für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV)
        finanziert. Weitere Informationen zum Thema Anpassung an den Klimawandel sowie die Anpassungsstrategie des
        Landes Nordrhein-Westfalen finden Sie im Internet unter: www.klimawandel.nrw.de
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           4 Vorwort

           Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

                                  Bis 2100 wird ein erheblicher Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur prognosti-
                                  ziert. In der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts besteht für die Politik die dringende Notwendig-
                                  keit, dafür zu sorgen, dass der Klimawandel moderat ausfällt. Die Landesregierung von
                                  Nordrhein-Westfalen hat – als erstes Flächen-Bundesland – ein Klimaschutzgesetz auf den
                                  Weg gebracht, das eine CO2-Reduktion verbindlich festschreibt. Bis 2020 sollen die Treib-
                                  hausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen gegenüber 1990 um 25 Prozent und bis 2050
                                  um 80 Prozent gesenkt werden. Gerade wegen der beunruhigenden Nachricht eines weltwei-
                                  ten Anstieges des CO2-Ausstoßes sind diese Klimaziele ein wichtiges Signal: Nordrhein-
                                  Westfalen wird als eine der bedeutendsten Industrieregionen der Welt zum Vorreiter und
                                  nachweisen, dass Klimaschutz und industrielle Produktion keine Gegensätze sind.

                                  Gänzlich aufhalten lässt sich der Klimawandel nicht mehr. Er ist bereits spürbar – auch in
                                  unseren Wäldern, in denen beispielsweise vermehrt Holzschädlinge aus wärmeren Klima-
                                  regionen auftauchen. Das Ziel des Umweltministeriums ist, den Wald fit zu machen für den
                                  Klimawandel und seine Ökosysteme dabei zu unterstützen, die sehr schnell ablaufenden Ver-
                                  änderungsprozesse zu verkraften. Um die vielfältigen Waldfunktionen – von der Rohstoff-
                                  quelle für die Holzwirtschaft bis zum Naherholungsraum zwischen den Ballungsgebieten –
                                  zu erhalten, hat das Umweltministerium zahlreiche Anpassungsmaßnahmen initiiert und
                                  gestartet.

                                  Der Klimawandel ist ein Risiko für unsere Forstwirtschaft, aber auch eine Chance, unsere
                                  Wälder gezielt weiterzuentwickeln. Die Voraussetzung dafür ist das Wissen über die komple-
                                  xen Abläufe im Ökosystem Wald und die Einflüsse der klimatischen Veränderungen. Diese
                                  Broschüre will über die erforderlichen Anpassungsstrategien in unseren Wäldern informie-
                                  ren und den privaten und öffentlichen Waldbesitzern vielfältige und detaillierte Daten zu-
                                  gänglich machen, damit sie mithelfen können, die Wälder für die Zukunft zu rüsten.

                                  Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre

                                  Johannes Remmel, MdL
                                  Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,
                                  Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
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        Inhalt
        Einführung                                                                            6

        Klimawandel in NRW                                                                    8

        Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst                                      11

        Aktivitäten der Landesregierung                                                      16

              Umweltmonitoring                                                               17

              Innovationsfondsprojekte                                                       18

        Mögliche Anpassungsstrategien                                                        20

              Erhaltung und Verbesserung der Stabilität und Vitalität der Wälder             21

              Ausbau des Risikomanagements                                                   25

              Erhöhung der Biodiversität                                                     30

              Optimierung der Holzverwendung (Cluster Forst und Holz)                        34

              Aufbau eines Forschungsnetzwerkes                                              38

        Ausblick                                                                             41

        Glossar (mit  gekennzeichnete Begriffe kurz erklärt)                                42

        Best Practice                                                                        48

        Anhang                                                                               50

        Impressum                                                                            51
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           6 Einführung

                                 Klimawandel ist Risiko und Chance zugleich

                                 Wald bedeckt 27 Prozent der Landesfläche. Ihn auf den Klimawandel vorzu-
                                 bereiten ist eine wichtige Aufgabe der Politik, aber auch der Waldbesitzer.

                                 Bei der Klimaentwicklung gehen Prognosen von        des Sauerlandes und der Eifel ist sie ideal an die
                                 einem Anstieg der Jahresmitteltemperatur von        dort vorherrschenden kühl-feuchten Standort-
                                 drei Grad Celsius bis zum Jahr 2100 aus. Bei        bedingungen angepasst. Der Bestand dieser
                                 den in unserer Region zu erwartenden Nieder-        Baumart wird in absehbarer Zeit deutlich zu-
                                 schlagsmengen hat eine Studie im Auftrag des        rückgehen. Die Ursache: gestiegene Durch-
                                 Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbrau-          schnittstemperaturen und eine Veränderung
                                 cherschutz NRW deutliche Veränderungen er-          bei den Niederschlägen.
                                 mittelt. Danach werden diese im Winter – der
                                 Nicht-Vegetationsperiode – gegenüber heute          Klima schützen ...
                                 zunehmen und in der Vegetationsperiode – im         Der Klimawandel kann nicht mehr aufgehalten,
                                 Frühling und Sommer – abnehmen. In der              aber in seinen Auswirkungen deutlich abgemil-
                                 Wachstumsphase aber haben die Bäume einen           dert werden. Vorausgesetzt der weltweite Aus-
                                 erhöhten Wasserbedarf. Dieser wird im Jahres-       stoß von CO2 und anderer schädlicher Klima-
                                 mittel sogar noch ansteigen, da der Klimawan-       gase wird erheblich eingeschränkt. Die
                                 del die jährliche Vegetationszeit der Bäume wei-    Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat im
            Die Niederschlags-   ter ausdehnt – das sind die Tage oberhalb einer     Juni 2011 – als bisher einziges Bundesland –
            mengen werden im     Durchschnittstemperatur von zehn Grad Cel-          ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Re-
            Sommer weiter ab-
                                 sius. Damit erhöht sich der Stress für be-          duktionszielen auf den Weg gebracht. Das Ge-
             nehmen. In dieser
                                 stimmte Baumarten.                                  setz sieht weiterhin vor, dass die Landesregie-
           Jahreszeit befinden
             sich die Bäume in                                                       rung ab 2012 alle fünf Jahre unter Beteiligung
             ihrer Wachstums-    Die Fichte: Opfer des Klimawandels                  gesellschaftlicher Gruppen einen Klimaschutz-
             phase und haben     Die Fichte ist heute mit 37 Prozent Bestand        plan erstellt.
               einen erhöhten    die am weitesten verbreitete Baumart in Nord-
                Wasserbedarf.
                                 rhein-Westfalen – gefolgt von Buche und Eiche       ... und mit neuen Realitäten umgehen
                                 mit jeweils 16 Prozent. Insbesondere in den         Allen Klimaschutz-Bemühungen zum Trotz sind
                                 großen zusammenhängenden Waldgebieten               der Anstieg der Jahresmitteltemperatur und die

           KLIMAWANDEL: MEHR BUCHEN, WENIGER FICHTEN
           Die flächenmäßigen Anteile einzelner Baumarten in den Wäldern Nordrhein-Westfalens werden sich durch den
           Klimawandel verändern. Die Fichte steht zunehmend unter Wärmestress. Die Buche ist unanfälliger und wird
           sich weiter ausbreiten. (Quelle: MKULNV)

           2008                                                           2030

           Douglasie       Eiche       Buche       Fichte                  Douglasie       Eiche      Buche       Fichte

              8%           16 %        18 %        36
                                                   16 %             Tendenz
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                                veränderte Niederschlagsverteilung nicht zu          und der damit verbundenen Industrien im Ruhr-
                                verhindern. Um die Entwicklung des Waldes ge-        gebiet wären ohne den nahen Wald mit der Res-
                                zielt zu beeinflussen und den Wald mit seinen        source Holz nicht möglich gewesen. Darüber
                                vielfältigen Funktionen auch für die nachfolgen-     hinaus spielen die Wälder Nordrhein-Westfalens
                                den Generationen zu sichern, hat das Ministe-        mit einer Gesamtfläche von 915.800 Hektar
                                rium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,        (rund 27 Prozent der Landesfläche) eine bedeu-
                                Natur- und Verbraucherschutz NRW For-                tende Rolle für die Kohlenstoffdioxid-Kompen-
                                schungsprojekte (siehe unten) in Auftrag gege-       sation und für den Wasserhaushalt des Landes.
                                ben. Diese sollen unter anderem ermitteln, wel-
                                che Veränderungen sich im Einzelnen in den           Wärmeliebende Traubeneiche breitet sich aus
                                Forsten des Landes ergeben und welche Anpas-         Die Forstwirtschaft sieht den Klimawandel auch
                                sungsmaßnahmen ergriffen werden müssen,              als Chance für die Entwicklung der Wälder. Auf
                                um den Waldbestand gesund zu halten.                 gut wasserversorgten Standorten sind bei stei-
                                                                                     genden Temperaturen deutliche Zuwächse der
                                Nordrhein-Westfalen braucht seine Wälder             Biomasse möglich. Statt der auf vielen Flächen
                                Gerade in Nordrhein-Westfalen erfüllt der Wald       zurückgedrängten Fichte werden sich andere
                                vielfältige Aufgaben. Er ist Lebensraum für viele    Baumarten mit höherem Wärmebedarf sogar
                                Tier- und Pflanzenarten, Naherholungsgebiet für      in den Hochlagen des Sauerlandes ausbreiten –
                                die Ballungszentren sowie beliebtes Urlaubsziel      beispielsweise Esskastanie, Robinie oder
                                auch für Menschen aus den Nachbarländern.            Traubeneiche. Diese Bäume spielen heute
                 Der Wald in    Und der Wald ist ein bedeutender Wirtschafts-        noch keine Rolle in den nordrhein-westfälischen
        Nordrhein-Westfalen     faktor: Durch die Nutzung der nordrhein-westfä-      Wäldern.
           hat viele Funktio-
                                lischen Forste wird ein jährlicher Umsatz von
        nen: Lebensraum für
                                rund 38 Milliarden Euro erzielt. 180.000 sozial-     Mit dem Wissen der zu erwartenden Klimaän-
         Pflanzen und Tiere,
        Naherholungsgebiet,     versicherungspflichtig Beschäftigte leben von        derungen und deren Wirkungen auf Wälder kön-
          Urlaubsziel. Er ist   den Erträgen der Forstwirtschaft.                    nen die Waldstandorte in Nordrhein-Westfalen
              außerdem ein                                                           gezielt weiterentwickelt werden.
               bedeutender      Für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes
          Wirtschaftsfaktor
                                haben die Wälder seit jeher eine herausragende
                des Landes.
                                Bedeutung. Die Anfänge der Kohleförderung

                                INNOVATIONSFONDS: FORSCHEN UND HANDELN
                                Die Entwicklungen des Klimas in unseren Breiten und die Auswirkungen des Klimawandels
                                auf das Ökosystem Wald hat das Umweltministerium des Landes in vier so genannten
                                Innovationsfondsprojekten erforschen lassen. Einzelheiten werden auf den Seiten 17 bis 19
                                dargestellt.

                                Digitale Standortklassifikation: Mit diesem         von Waldökosystemen untersucht. Die Daten
                                Werkzeug können Eigenschaften einzelner              liefern Hinweise, welche waldbaulichen Maß-
                                Waldstandorte beschrieben und auf Karten             nahmen zur Anpassung an den Klimawandel
                                abgebildet werden. Auf Basis der dort ermit-         einzuleiten sind.
                                telten Klimadaten (1961 bis 1990) können ver-
                                schiedene Klimaszenarien berechnet wer-             Naturwaldzellen:  In naturbelassenen Wald-
                                den. Die Ergebnisse zeigen auf, wie                  gebieten werden Effekte der Klimaerwärmung
                                Waldstandorte sich im Klimawandel ändern.            und die Folgen klimatischer Veränderungen
                                Diese Daten unterstützen eine standortge-            auf Flora und Fauna untersucht.
                                rechte Anpflanzung von Baumarten in einzel-
                                nen Regionen und Waldlagen.                          Klimawald: Auf einer elf Hektar großen
                                                                                     Referenzfläche sind Bäume aus trockeneren
                                Wasserhaushalt: Am Beispiel eines Waldge-            Regionen angesiedelt worden. Dabei wird
                                bietes im Sauerland wurden Auswirkungen              beobachtet, ob sie auch in unseren Breiten
                                des Klimawandels auf den Wasserhaushalt              heimisch werden können.
Wald im Klimawandel Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen - Stadt Arnsberg
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           8 Klimawandel in NRW

                Die Folgen des
                 Klimawandels
               werden in Nord-    Fauna, Flora, Luft, Wasser und
               rhein-Westfalen
           viele Lebensbereiche   Boden: Der Klimawandel ist längst
              verändern – auch
                      wenn die    spürbar
                 Auswirkungen
                insgesamt eher
            moderat ausfallen.
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                                                                                                      Klimawandel in NRW 9

                          Der Klimawandel ist bei uns angekommen

                          Der Klimawandel ist längst spürbar – beispielsweise durch einen früheren
                          Vegetationsbeginn der Bäume oder die massive Zunahme von bisher
                          seltenen Baumschädlingen.

                         Um 0,74 Grad Celsius sind die globalen Durch-       Vögel aus den Subtropen wandern ein
                         schnittstemperaturen in den vergangenen             Auch die Tierwelt reagiert auf die erhöhten
                         100 Jahren gestiegen. Das gab der Weltklimarat      Temperaturen. Eher im Süden vorkommende
                         im Jahr 2007 bekannt. Mithilfe solch akribi-        Arten haben ihr Verbreitungsgebiet nach Nor-
                         scher Temperaturmessungen lässt sich der            den erweitert. Vor allem mobile Insektenarten
                         Klimawandel ebenso belegen wie durch verglei-       wie die Feuerlibelle oder die Wespenspinne sind
                         chende fotografische Darstellungen. So wird in      seit den 1980er Jahren hier eingewandert. Auch
                         den Medien regelmäßig die Rückbildung von           Vogelarten aus dem Süden wie der Bienenfres-
                         einzelnen Hochgebirgsgletschern beispiels-          ser gehören dazu. Sogar aus den Subtropen
                         weise in der Schweiz dokumentiert.                  gibt es Neuzugänge. Dazu gehört der Halsband-
                                                                             sittich, der zunächst in Köln brütete und heute
                         Buchenaustrieb beginnt frühzeitiger                 mit etwa zweitausend Exemplaren auch in der
                         In Nordrhein-Westfalen sind die Temperaturen        Rhein-Ruhr-Region zu finden ist.
                         seit Anfang des 20. Jahrhunderts um 1,1 Grad        Trockenere Sommer und feuchtere Winter – so
                         Celsius gestiegen. Das hat der Deutsche Wet-        lautet verkürzt die Wetterprognose der Klima-
                         terdienst errechnet. Diese Erhöhung bewirkt,        forscher für Nordrhein-Westfalen. Diese Verän-
                         dass sich das jahreszeitliche Eintreten von         derung kann die Wachstumsbedingungen von
                         Entwicklungsschritten in der Natur verschiebt.      Kulturpflanzen grundlegend verändern. Für den
                         Hierfür bewertet das Landesamt für Natur, Um-       Menschen nützlich ist, dass sich infolge der Er-
                         welt und Verbraucherschutz NRW regelmäßig           wärmung die Vegetationsperioden von Pflanzen
                         eine Reihe von Umweltindikatoren. Sie machen        verlängern. Dies erlaubt sogar den Anbau einer
                         die Veränderungsprozesse deutlich. So beginnt       Zweitkultur nach der Ernte – denkbar zum Bei-
                         der Buchenaustrieb beispielsweise heute deut-       spiel bei Getreide. Und ausgerechnet die Haupt-
                         lich früher als noch in den 1990er Jahren (siehe    ursache des Klimawandels – der Anstieg der
                         Infografik Seite 10). Gleiches wird bei einigen     Kohlendioxid-Konzentration – löst bei Pflanzen
                         Sträuchern wie Hasel, Kornelkirsche oder            ein stärkeres Wachstum aus.
                         Schlehe beobachtet. Pflanzenarten, die bislang      Die Veränderungen der Niederschläge in Nord-
                         in Nordrhein-Westfalen nur unbeständig vorka-       rhein-Westfalen können auch zu nachteiligen
                         men, bürgern sich zunehmend aufgrund der            Entwicklungen führen. Insbesondere wenn man
                         längeren Vegetationszeit ein, zum Beispiel der      das Sommer- und Winterhalbjahr getrennt be-
                         Fuchsschwanz auf Sand- und Kiesbänken am            trachtet: Im Winter wird in unterschiedlichen
                         Niederrheinufer.                                    Emissionsszenarien eine Zunahme der Nieder-
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           10 Klimawandel in NRW

                             BUCHENAUSTRIEB: IMMER FRÜHER IM JAHR
                             Ein Indikator für die Klimaveränderungen im Wald ist der Austrieb der Buche. Er hat in den
                             letzten Jahren beispielsweise in der Haard (Kreis Recklinghausen) spürbar früher eingesetzt,
                             2011 sogar schon Anfang April. Im Jahr 2001 wurde als „mittlerer Austriebstermin“ noch An-
                             fang Mai ermittelt. (Quelle: Waldzustandsbericht NRW 2011)

                  2001
                  2011

                                                           3. April    7. Mai

                              Winter vom 21. Dez.     Frühling vom 20. März Sommer vom 21. Juni         Herbst vom 22. Sept.
                                 bis 19. März              bis 20. Juni        bis 21. Sept.                bis 20. Dez.

                             schlagsmenge zwischen neun und 24 Prozent          Speicher: Geht der Humus zurück, würde das
                             erwartet. Diese Werte können je nach Region        den Treibhauseffekt verstärken. In den Winter-
                             variieren.                                         monaten ist durch die Abnahme von Boden-
                             Für das Sommerhalbjahr zeichnet sich dagegen       frösten mit Verschlämmung zu rechnen. Das
                             ein Rückgang der Niederschläge um bis zu           erschwert die Befahrbarkeit der landwirtschaft-
                             12 Prozent ab. Durch vermehrte Trockenphasen       lichen Nutzflächen. Auch für die Forstwirtschaft
                             im Sommer bedroht Wassermangel die Pflan-          stellt der ausbleibende Bodenfrost eine Gefahr
                             zen. Auch die durch fortschreitende Erwärmung      dar – in den Wäldern muss verstärkt auf Gefü-
                             zu erwartenden Unwetter werden das Pflanzen-       geschäden des Bodens geachtet werden. Prog-
                             wachstum stören. Und nicht zuletzt können          nostiziert werden auch häufigere und stärkere
                             Schädlingsschwemmen beispielsweise bei den         Stürme, die speziell die besonders anfälligen
                             Buchdruckern (siehe Infografik Seite 12) die Er-     monokulturellen Forstflächen in den Höhenla-
                             tragssicherheit in den Wäldern beeinträchtigen.    gen der Mittelgebirge gefährden könnten. In
                                                                                den zu erwartenden trockenen warmen Som-
                             Gefahren durch ausbleibenden Bodenfrost            mern nimmt die Waldbrandgefährdung zu.
                             Auch auf die Böden wirkt sich der Klimawandel      Forscher gehen aber nicht davon aus, dass die
                             aus: Bei höheren Bodentemperaturen schwin-         Klimaänderungen das Wachstum der Wälder in
                             det die organische Substanz im Boden, in der       NRW stark beeinflussen werden.
                             Wasser-, Nähr- und Schadstoffe gespeichert
                             sind – der Humus. Das kann die Bodenfrucht-
                             barkeit und das Bodenleben negativ beeinflus-
                             sen. Zudem sind die Böden der größte CO2-
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                                                                     Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst 11

                         Der Klimawandel verändert Waldstandorte
                         und Wald
                         Was bedeuten Temperaturveränderungen für einen einzelnen Baum?
                         Welche Konsequenzen hat der Klimawandel für die Artenvielfalt von Flora
                         und Fauna in den nordrhein-westfälischen Wäldern? Wälder sind ein sehr
                         komplexes Gesamtsystem. Wie sich der Klimawandel darauf auswirkt, ist
                         seit Jahren eines der wichtigsten Themen im Umweltministerium.

                         Wälder haben sich in der Vergangenheit verän-        Baumarten, die hohe Ansprüche an den
                         dert und werden es auch in Zukunft tun. Um auf       Faktor Wärme haben und in den Niede-
                         diesen Wandel reagieren zu können, ist ein um-       rungsgebieten gut wachsen, können ihr
                         fangreiches Wissen über die Eigenschaften der        Verbreitungsgebiet ausweiten – als Bei-
                         Waldstandorte als Lebensraum für Bäume,              spiele gelten Robinie und Esskastanie.
                         Tiere und weitere Pflanzen nötig. In Nordrhein-
                         Westfalen befassen sich damit unterschiedliche       Baumarten, die an kühl-feuchte Standortbe-
                         Behörden, Forschungsinstitute sowie Informati-       dingungen angepasst sind (z.B. die Fichte),
                         ons- und Beratungszentren und geben ihre             können durch eine Klimaerwärmung in ihrer
                         Kenntnisse an das Umweltministerium weiter.          Vitalität beeinträchtigt und anfälliger ge-
                         In umfangreichen Studien werden Daten und            genüber verschiedensten Stressfaktoren
                         Messreihen im Wald gesammelt und ausgewer-           werden.
                         tet. Aus diesen ersten Erkenntnissen lassen
                         sich Rückschlüsse auf die Auswirkungen des         Im Folgenden sind die Auswirkungen des Klima-
                         Klimawandels ziehen. Als seine ersten grundle-     wandels auf alle den Wald in NRW berührenden
                         genden Folgen auf Wald und Forst kann in Nord-     Bereiche beschrieben – von der Bewirtschaf-
                         rhein-Westfalen festgehalten werden:               tung des Waldes bis hin zur Artenvielfalt in
                                                                            diesem Ökosystem.

                         BAUMARTEN IM NRW-WALD: WENIGER FICHTEN
                         Die Fichte hat in den Wäldern Nordrhein-Westfalens zwar noch den größten Flächenanteil,
                         aber dieser ist heute im Vergleich zur ersten Bundeswaldinventur um 1,2 Prozent gesunken.
                         (Quelle: MKULNV mit Daten aus der BWI²/Jakko Poyry)

                           Buche                                    16 %                              18 %
                           sonstiges Laubholz

                                                             3%
                           Fichte

                           Douglasie
                                                          8%

                           Kiefer
                                                             1%                                                 18 %
                           Lärche

                           Eiche

                                                                                36 %
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           12 Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst

                                  Forstgenetik: Neues Saatgut – gesunder Wald
                                  Forste unterscheiden sich von einem natürlichen Wald vor allem durch eine feste Strategie für die
                                  großflächige Anpflanzung von Bäumen. Durch den Klimawandel haben sich in der Forstgenetik Ver-
                                  schiebungen ergeben. Während lange Zeit beispielsweise die Saatgutforschung ausschließlich dem
                                  Ziel gedient hatte, die Produktivität für die Forstwirtschaft zu steigern, sehen Forstgenetiker heute
                                  die Stabilität und Resistenz der Waldbestände gegenüber den Klimaveränderungen als vorrangig
                                  an. Bei einem Generationenwechsel im Forst – insbesondere während der Naturverjüngung –
                                  können über diese Erkenntnisse genetische Anpassungsprozesse vollzogen werden, die insgesamt
                                  zur Stabilität des Bestandes beitragen.

                                                                                                450.000

                                  Waldschutz: SCHÄDLINGE IN MASSEN
                                  Schädlinge und Nützlinge des Waldes werden durch den Klimawandel
                                  ebenfalls beeinflusst: Wenn zwischen April und September Temperaturen
                                  von 20 bis 30°C dominieren, können Buchdrucker häufiger Bruten pro
                                  Jahr ausbilden. Ab einer Temperatur von 16,5°C beginnt der Schwärm-
                                  flug dieses Käfers und nimmt bis 30°C kontinuierlich zu. Folge: Aus bis-
                                  her zwei Buchdrucker-Generationen werden drei pro Jahr, was bei ent-
                                  sprechenden Geschwisterbruten zu einer exponentiellen Erhöhung der
                                  Population führt. Aus bisher 100 Eiern im Frühjahr entstehen durch
                                  drei Folgegenerationen mehr als 450.000 Nachkommen – gegen-
                                  über etwa 7.500 bei zwei Generationen pro Jahr.
                                  Weitere negative Auswirkungen für die Bäume sind durch
                                  bestimmte Pilzarten und Raupen zu erwarten, aber auch durch
                                  Insekten und neu einwandernde Schadorganismen.

                                  Mögliche Entwicklung der Population
                                  beim Buchdrucker

                                     heute: zwei Generationen pro Jahr

                                     zukünftig: drei Generationen pro Jahr
              Der Buchdrucker
            gehört zur Gattung
           der Borkenkäfer und
                                                                                 7.500
            schädigt insbeson-
            dere die Fichtenbe-
            stände. Der Klima-
           wandel könnte dazu
           führen, dass künftig
             drei Generationen
           pro Jahr ausgebildet
                                                       100
               werden. (Quelle:
            Landesbetrieb Wald
                und Holz NRW)
                                              Mai               Juni               Juli             August          September
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                                                                             Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst 13

                                Wasserhaushalt: STARKREGEN VERSICKERT NICHT
                                          Optimale Wasserverteilung                         Klimawandel: Wasser fließt ab
              Außerhalb der
             Vegetationszeit
        füllen Niederschläge
           die Bodenwasser-
         speicher auf. Fließt
           das Wasser durch
         Starkregen schnel-
          ler ab, kann in der
         Vegetationszeit der
          Wasserbedarf der
          Bäume schlechter
            gedeckt werden.

                                Die prognostizierten Veränderungen von Niederschlagsmenge, -intensität und -verteilung
                                beeinflussen den gesamten Wasserhaushalt im Wald. Das Landesamt für Natur, Umwelt und
                                Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hatte zwischen 1950 bis 2008 an 176 konti-
                                nuierlichen und 412 Tages-Messstationen festgestellt, dass Starkniederschläge besonders im
                                Winterhalbjahr zugenommen haben. Diese fließen gerade in Hanglagen schneller ab. Dadurch
                                haben diese Waldstandorte weniger Wasser im Boden zur Verfügung.
                                An anderen Standorten kann das Gegenteil eintreten: In tonreichen Böden können große
                                Wassermengen nicht schnell genug verteilt werden. In der Folge gefährdet Staunässe das
                                Wurzelwerk der Bäume.

                                Vitalität: Es kommt auf den Standort an
                                Ob die Vitalität der Baumarten im Klimawandel eher zu- oder abnimmt, ist nicht eindeutig geklärt. Eine
                                wichtige Rolle spielen die Bedingungen des Standortes – und die Baumart. Die Buche beispielsweise
                                könnte in mittleren und höheren Lagen wegen der Verlängerung der Vegetationszeiten künftig bessere
          Dr. Bertram Leder,    Wachstumsbedingungen vorfinden. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Holzproduktion aus, son-
        Landesbetrieb Wald      dern auch auf die Kohlenstoffspeicherung: Durch die positiven Zuwachseffekte kann der Wald noch
        und Holz NRW: „Eine
                                mehr Kohlenstoff binden – eine 30 Meter hohe Buche mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern in
         höhere Beteiligung
                                1,3 Metern Höhe speichert etwa 4 Tonnen CO2; eine Fichte gleicher Dimension nur 2,5 Tonnen CO2.
            wärmeliebender
             Baumarten am
         Waldaufbau erhöht      Allerdings bestehen für die Buche auch Gefahren. In Trockenperioden wird es für sie und andere
            die Chancen, die    Baumarten verstärkt Stresssituationen geben. Hier spielt die Veränderung der jährlichen Nieder-
         Vitalität im Wald zu   schlagsverteilung eine Rolle: Bäume, die auf eine hohe Bodenfeuchte angewiesen sind oder zu flach
                  steigern.“
                                wurzeln, werden im Sommer zunehmend unter Wasserstress leiden. Das vermindert die Vitalität.
                                Die Anpassungspotenziale der einzelnen Baumarten an die Klimaveränderungen sind noch weitge-
                                hend unbekannt. Deshalb rät Dr. Bertram Leder, Leiter der Schwerpunktaufgabe Waldbau, Bera-
                                tungsstelle für Forstvermehrungsgut im Landesbetrieb Wald und Holz NRW, den Waldbesitzern, ihr
                                Risiko zu streuen: „Eine höhere Beteiligung wärmeliebender Baumarten am Waldaufbau erhöht die
                                Chancen, die Vitalität im Wald zu steigern.“ Solche Zuwächse könnte im Sauerland die Traubeneiche
                                liefern, die künftig auch in Hochlagen als standortgerecht gilt.
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           14 Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst

                                  Waldbau: MEHR HOLZ, MEHR FRÜCHTE, MEHR WILD
                                            Dezember bis März                               März bis Juni              Juni bis September

               Die Vegetations-
               periode beginnt
           künftig frühzeitiger
              im Jahr. Dadurch
           kann der Wald mehr
             Holzmasse produ-
             zieren – und mehr
             Früchte. Dadurch
              steigen die Wild-
            population und die
               Verbissschäden.

                                              Früherer Beginn der Vegetationsperiode bedeutet:
                                              • früherer Beginn: Austrieb
                                              • früherer Beginn: Fortpflanzungszyklus

                                                          Beginn Vegetationsperiode heute

                  in Zukunft

                       heute

                                  Holzbereitstellung: Der Holzmarkt wächst
              Holz wird künftig
            stärker genutzt zur   Die Holz- und Waldwirtschaft wird als potenzieller Wachstumsmarkt angesehen: Holz gilt als Bau-
             Energiegewinnung     material der Zukunft und wird bei Neubauten immer häufiger den energieaufwändig produzierten
           und als Baumaterial.                                 Beton ersetzen. Auch für die erneuerbare Energieversorgung wird
                                                                der umweltfreundliche Rohstoff Holz zunehmend bedeutender –
                                                                beispielsweise in Pellet-Heizungen oder bei der Energiegewinnung
                                                                durch Biomasse. In der Möbelindustrie ist qualitativ hochwertiges
                                                                Holz aus einheimischer Bewirtschaftung ohnehin seit einigen Jahren
                                                                stärker gefragt.

                                                                   Für eine wirtschaftliche Verwertung des Holzes sind stabile Wälder
                                                                   unerlässlich. Die Auswirkungen von Orkanen wie „Kyrill“ und „Emma“
                                                                   können einer nachhaltigen Verwertung des Holzes schaden.
                                                                   Unter anderem um die Mobilisierungspotenziale im Wald besser be-
                                                                   werten zu können, hat das Land Nordrhein-Westfalen 1998 erstmals
                                                                   eine Landeswaldinventur durchgeführt. Innerhalb einer Pilotstudie
                                                                   des Wald-Zentrums der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
                                                                   im Jahr 2007 wurden die daraus gewonnenen Erkenntnissen mit An-
                                                                   gaben der Bundeswaldinventur ergänzend ausgewertet. Die Lan-
                                                                   deswaldinventur soll wiederholt werden.
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                                                                         Auswirkungen des Klimawandels auf Wald und Forst 15

                                                 Die prognostizierten milderen Winter und die veränderte Niederschlags-
             September bis Dezember              verteilung haben Folgen für die Wälder und deren Bewirtschaftung. So
                                                 werden die Waldgesellschaften um bisher in unseren Breiten nur verein-
                                                 zelt auftretende Baumarten aus wärmeren Klimaregionen bereichert.
                                                 Durch höhere Frühjahrstemperaturen setzt die Vegetationsperiode der
                                                 Bäume früher ein, das führt bei standortgerechtem Anbau unter anderem
                                                 zu einem Zuwachs der verfügbaren Holzmenge. Die veränderten jahres-
                           Späteres Ende der
                                                 zeitlichen Wachstums- und Entwicklungsphasen beeinflussen zum Bei-
               Vegetationsperiode bedeutet:      spiel die Fruchtbildung der Bäume, also die Ausbildung von Samen und
                 • längere Wachstumsphase        Früchten und somit auch die Nahrungsbereitstellung im Wald. Mit zuneh-
                  • mehr Wachstum pro Jahr
                                                 mendem Futterangebot erhöhen sich die Wildbestände, aber auch deren
                       • höherer Fruchtstand
                          • mehr Wildverbiss     Verbissdruck auf junge Pflanzen.
                  • größere Käferpopulation

                   Ende
     Vegetationsperiode
                  heute

        Biodiversität: Arten wandern ein
        Der Anpassungsdruck für viele Arten wird sich durch den Klimawan-
        del erhöhen. Mit der Verlagerung von Populationen werden neue
        Konkurrenten im Wald hinzukommen: Neobiota – einwandernde
        Tier- und Pflanzenarten können bisher etablierte Lebewesen ver-
        drängen und in ihrem Bestand gefährden.                                                                Die Feuerlibelle ist
                                                                                                                   ursprünglich in
                                                                                                              mediterranen Klima-
        Das Institut für Landschaftsökologie Münster hat 2009 im Auftrag des Umweltministeriums des
                                                                                                               zonen beheimatet,
        Landes Nordrhein-Westfalen eine umfangreiche Pilotstudie durchgeführt, wie sich der Klimawandel
                                                                                                                     hat sich aber
        auf die biologische Vielfalt auswirkt. Die Untersuchungen dienten der Einschätzung, inwiefern Arten   mittlerweile auch in
        und deren Lebensräume für die Zukunft erhalten und stabilisiert werden können – im Rahmen der          unserer Region an-
        europäischen Biotop- und Artenschutz-Strategie „NATURA 2000“. Als Ergebnis wurde beispiels-                    gesiedelt.

        weise für Laubwälder festgestellt, dass 47 Pflanzen- und 61 Tierarten durch den Klimawandel be-
        nachteiligt, 35 Pflanzen- und 42 Tierarten begünstigt werden.
        Den Wäldern kommt zur Erhaltung und Stärkung der Biodiversität eine besondere Bedeutung zu.
        Sie bilden den Lebensraum für viele so genannte FFH-Arten. Die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie
        (FFH) der EU schützt wildlebende Arten und sichert deren Lebensräume, indem diese europaweit
        vernetzt werden.
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           16 Aktivitäten der Landesregierung

                   Dr. Joachim
            Gehrmann, Landes-
            amt für Natur, Um-      Den Wald beobachten und handeln
             welt und Verbrau-
              cherschutz NRW:
             „Unser forstliches
            Umweltmonitoring
                                    Aktivitäten der Landesregierung: Umweltmoni-
           ist mit dem Waldmo-
           nitoring des Bundes
                                    toring und Innovationsfondsprojekte
              und dem EU-Um-
            weltmonitoring eng
           vernetzt. Damit kön-
           nen wir Beobachtun-
            gen und Messdaten
             zum Klimawandel
            länderübergreifend
                   auswerten.“
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                                 Aktivitäten der Landesregierung

                                 Gut angepasst
                                 Der Klimawandel bringt für die Waldökosysteme in Nordrhein-Westfalen zum Teil gravierende
                                 Veränderungen. Diese stellen für die privaten und öffentlichen Waldbesitzer eine große Herausfor-
                                 derung dar. Denn ohne begleitende Maßnahmen können sich die Waldgesellschaften nicht rechtzei-
                                 tig auf die Veränderungen ihrer Lebens- und Verjüngungszeiträume einstellen.
          Dr. Norbert Asche,
        Landesbetrieb Wald       Um die Folgen des Klimawandels für die Umwelt abzuschätzen und abzumildern, hat die Landes-
        und Holz NRW: „Die
                                 regierung eine umfangreiche Strategie zur Anpassung an den Klimawandel erarbeitet. Dort wer-
         Daten der digitalen
                                 den unter anderem auch waldbauliche und waldökologische Handlungsfelder beschrieben. Aus
         Standortklassifika-
         tion haben für den      den Ergebnissen der einzelnen Projekte können öffentliche und private Waldbesitzer weitere
           Waldbesitzer den      Maßnahmen ableiten.
         Vorteil, dass sie die
        zu erwartenden Ver-      So können mit dem Werkzeug der digitalen Standortklassifikation für jede Waldfläche die Auswir-
         änderungen in sei-
                                 kungen des Klimawandels berechnet und flächig dargestellt werden. In weiteren Forschungspro-
          nem Wald in Form
         von Klimaszenarien
                                 jekten wurden die Auswirkungen auf den Wasserhaushalt von Waldökosystemen beziehungsweise
         aufzeigen und eine      die Effekte der Klimaerwärmung auf Flora und Fauna sowie die Wuchsbedingungen von wärmelie-
         belastbare ökologi-     benden Bäumen untersucht. Weitere Projekte betreffen das Monitoring, also das systematische
         sche Grundlage für      und regelmäßige Beobachten und Erfassen von Veränderungen in ausgesuchten Forsten.
        Baumartenwahl und
             Waldbau sind.“
                                 Mit solchen Anpassungsstrategien können Waldbesitzer den steigenden Risiken in der Forstwirt-
                                 schaft begegnen.

                                 Umweltmonitoring

                                 Beobachten, dokumentieren, Schlüsse ziehen
                                 Das LANUV untersucht im Auftrag des Umweltministeriums an ausge-
                                 wählten Referenzflächen die Auswirkungen von Luftverunreinigungen und
                                 des globalen Klimawandels auf Wälder in Nordrhein-Westfalen.

                 Dr. Joachim     Von mehreren Waldflächen, die im Umweltmoni-      haltsdaten bildet das forstliche Umweltmonito-
         Gehrmann, Landes-       toring unter Beobachtung stehen, werden vier      ring den Nährstoffkreislauf im Wald ab und
              amt für Natur,
                                 Waldbestände besonders intensiv untersucht:       erfasst die Belaubungsdichte der Baumkronen,
                 Umwelt und
                                 zwei liegen im Tiefland und zwei im Bergland      den Holzzuwachs der Waldbäume sowie die
         Verbraucherschutz
                  NRW: „Die      von Nordrhein-Westfalen. Dabei werden fortlau-    Artenzusammensetzung und deren Verände-
             Ergebnisse des      fend Wetterdaten entnommen und die Wasser-        rung in der Strauch- und Krautschicht.
        forstlichen Umwelt-      flüsse unter den Baumkronen sowie im Boden        „Die Ergebnisse des forstlichen Umweltmonito-
         monitorings dienen      gemessen. Mit diesen Daten will man den Was-      rings dienen den Waldbesitzern als Entschei-
         den Waldbesitzern
                                 serhaushalt der Wälder an unterschiedlichen       dungshilfe bei waldbaulichen Maßnahmen und
         als Entscheidungs-
         hilfe bei waldbauli-
                                 Standorten analysieren und Rückschlüsse zie-      helfen, Fehlentscheidungen vorzubeugen“,
          chen Maßnahmen         hen auf den Zusammenhang zwischen Trocken-        erläutert Dr. Joachim Gehrmann, im Landesamt
                 und helfen,     stress und Vernässung sowie der örtlichen Wet-    für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW
        Fehlentscheidungen       terentwicklung. Die Flächen im Tiefland finden    (LANUV) zuständig für das Umweltmonitoring.
              vorzubeugen.“
                                 sich am Niederrhein (Eichenbestand auf Löss),     „Ausgestattet mit unseren Daten können sie in
                                 in der Westfälischen Bucht (Buchenbestand auf     der kommenden Waldgeneration Baumarten
                                 Sand), im Weserbergland (Buchenmischbe-           anpflanzen, die mit den Folgen des Klimawan-
                                 stand auf Kalkverwitterungslehm) sowie im         dels besser zurechtkommen – indem sie
                                 Sauerland (Fichtenbestand auf Schiefergebirgs-    beispielsweise besser an den verfügbaren
                                 lehm). Parallel zu den Wetter- und Wasserhaus-    Bodenwasservorrat angepasst sind.“
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           18 Aktivitäten der Landesregierung

           Digitale forstliche Standortklassifikation

           Was wächst wo am besten?
           Die „Digitale Standortklassifikation“ berechnet, wie sich eine Zunahme der Temperatur
           und die Veränderung der Niederschlagsmenge auf einzelne Waldstandorte auswirken.

           Die Fichte wird künftig in vielen Waldlagen Nordrhein-      ten Niederschlagsmenge. Auf der Grundlage klimatischer,
           Westfalens keine günstigen Wachstumsbedingungen             topografischer, geologischer und bodenkundlicher Daten
           mehr vorfinden. Das sagen die im Rahmen der „Digitalen      wurden dann die in den regionalen und lokalen Waldflä-
           Standortklassifikation“ vorgenommenen Klimasimulatio-       chen vorherrschenden speziellen Standortmerkmale
           nen voraus. Die Verbreitung der Küstentanne oder der        beschrieben – dazu gehören die Nährstoffausstattung
           Douglasie dagegen wird ansteigen, weil diese Baumarten      und die Gesamtwasserversorgung. Durch Verknüpfung
           eher angepasst sind an die zu erwartenden Änderungen.       dieser Ergebnisse mit den Angaben zu den Ansprüchen
           Die Studie der Universität Göttingen und des Landesbe-      wichtiger Baumarten ist es künftig möglich, Karten zur
           triebes Wald und Holz NRW kommt auch zu dem Ergebnis,       standortgerechten Baumartenwahl zu erstellen.
           dass Waldbesitzer in Berglagen Nordrhein-Westfalens
           künftig auch Esskastanien und Robinien anbauen können.      Für die einzelnen Waldbesitzer hat die Studie den Nutzen,
                                                                       dass sie die konkreten Auswirkungen des Klimawandels
           Um diese Standortklassifikationen zu ermitteln, wurden in   auf regionale beziehungsweise lokale Waldstandorte
           der Studie zunächst auf Basis der Klimamerkmale des         beschreibt und damit die Möglichkeit eröffnet, durch Aus-
           Zeitraumes von 1961 bis 1990 verschiedene Varianten         wahl der zu pflanzenden Baumarten die erforderlichen
           möglicher Klimaveränderungen berechnet: der Anstieg         Anpassungsmaßnahmen zu treffen.
           der Jahresmitteltemperatur um 1°C, 2°C und 3°C bei einer
           gleich bleibenden Jahresniederschlagsmenge, bei einer
           gesunkenen beziehungsweise einer um 10 Prozent erhöh-

           Klimawald

           Elf Hektar für den Wald von morgen
           Welche Baumarten aus anderen Klimaregionen im nordrhein-westfälischen Wald der
           Zukunft leben können, wird im Klimawald erforscht.

           Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW hat im Auftrag des      In einer Studie im Rahmen der Innovationsfondsprojekte
           Umweltministeriums NRW einen elf Hektar großen Klima-       wurden im Klimawald – beschreibend und messend – die
           wald angelegt. Dort soll geprüft werden, welche Baumar-     Wuchsbedingungen der verschiedenen Arten dokumen-
           ten aus Regionen mit zukünftig hier erwarteten Klima-       tiert. Dabei wurden insbesondere die Anpassungsfähig-
           kennwerten in den Wäldern Nordrhein-Westfalens              keit und die Anfälligkeit gegenüber Schädlingen erfasst.
           angebaut werden können. Hier sind Baumarten aus             Diese Untersuchungen sollen in einem Abstand von fünf
           trockeneren Regionen angepflanzt worden, um deren           Jahren erfolgen.
           Eignung für unsere Regionen zu erforschen.
                                                                       Von den Ergebnissen werden wichtige Erkenntnisse für die
           Zu den im Klimawald wachsenden Baumarten gehören            Baumartenwahl zur Anpassung heutiger Wälder an den er-
           unter anderem der Gebirgsmammutbaum, die Rotbuche,          warteten Klimawandel erwartet.
           die Esskastanie und die Robinie. Da in den zukünftigen
           Wäldern ein angemessener Flächenanteil der Nadel-
           baumarten unverzichtbar ist, um den Bedarf der Holzin-
           dustrie zu decken und die Kohlenstoff-Speicherung zu
           fördern, gilt ein besonderes Augenmerk im Klimawald der
           Douglasie, der Atlas-Zeder und der Großen Küstentanne.
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                                                                                                   Innovationsfondsprojekte 19

        Naturwaldforschung

        Nicht alles vom Klima beeinflusst
        In den 75 Naturwaldzellen Nordrhein-Westfalens kann beobachtet werden, dass
        klimabedingte Einflüsse oft von anderen Effekten überlagert werden.

        Seit 40 Jahren werden in Nordrhein-Westfalen Waldflä-        zellen zusammen. Eindeutig dem Klimawandel zugeordnet
        chen aus der Bewirtschaftung herausgenommen und sich         werden kann aber die Abnahme beziehungsweise sogar
        selbst überlassen. Solche Naturwaldzellen sind gute Ob-      das Verschwinden bestimmter nordischer Arten der
        jekte für Studien, in denen die Einflüsse des Klimawandels   Totholzkäfer. Da andere Arten von der Zunahme der
        auf die Artenvielfalt ermittelt werden.                      Sommer- und Hitzetage profitieren, ist insgesamt ein
                                                                     Anstieg der Population zu verzeichnen.
        In einer Untersuchung im Rahmen der Innovationsfonds-
        projekte wurde eine deutliche Zunahme von Braun- und         Bei einer Untersuchung der Biodiversität in Naturwaldzel-
        Weißfäulepilzen festgestellt. Diese leiten die Phase der     len wurde die Zunahme frostempfindlicher, immergrüner
        Holzzersetzung ein. Ursache dieser Entwicklung sind aber     Arten wie Efeu und Stechpalme in sommergrünen Wäl-
        nicht klimatische Einflüsse, sondern durch Luftverschmut-    dern registriert. Auch das Buschwindröschen profitiert
        zung erhöhte Stickstoffanteile im Holz- beziehungsweise      von der früher im Jahr beginnenden Vegetationsperiode.
        Rindengewebe. Auch bei einer weiteren Studie, bei der es     Eindeutig zuordnen auf den Klimawandel lassen sich aller-
        um die Population der Totholzkäferfauna ging, kam            dings nur wenige Veränderungen in der Vegetation in den
        heraus, dass nicht alle Veränderungen ausschließlich dem     Naturwaldzellen. So konnten am „Hellerberg“ im Arnsber-
        Klimawandel geschuldet sind. Der gegenüber den 90er          ger Wald viele nicht klimabedingte Einflüsse auf die Arten-
        Jahren des vergangenen Jahrhunderts beobachtete gene-        vielfalt ermittelt werden, darunter Wildverbiss oder der
        relle Anstieg des Bestands hängt auch mit dem                durch Einstellung der forstlichen Nutzung verminderte
        erhöhten Angebot von Totholz vor allem in den Naturwald-     Lichteinfall auf den Waldboden.

        Wasserhaushalt

        Zu trocken für die Fichte
        Ein Projekt im östlichen Sauerland liefert Hinweise, welche waldbaulichen Maßnahmen
        zur Anpassung an den Klimawandel bezüglich des Wasserhaushaltes einzuleiten sind.

        Für das untersuchte Waldgebiet nordöstlich der Stadt         phase, in der die Fichte einen erhöhten Wasserbedarf
        Medebach hat das Projekt ein eindeutiges Ergebnis            hat, wird dieser Baumart also weniger Wasser zur Verfü-
        herausgearbeitet: Die Wuchsbedingungen der Fichte            gung stehen. Die mit 60 Prozent Bestand in diesem Wald-
        werden sich bis zum Ende dieses Jahrhunderts drama-          gebiet vertretene Buche kommt mit diesen Veränderun-
        tisch verschlechtern. Ursache ist der prognostizierte        gen besser zurecht. Die Studie hält den Weiteranbau
        Trockenstress dieser auf 30 Prozent der betreffenden         dieser Baumart in dem betreffenden Waldstück weiterhin
        Waldfläche wachsenden Baumart, die frische bis mäßig         für sinnvoll.
        frische Standorte für ihr Wachstum benötigt.
                                                                     Beeinflusst wird die Wasserversorgung von Bäumen durch
        Der Klimawandel wird in dem untersuchten Gebiet, das in      Temperatur, Niederschlag, Exposition, Hangneigung, Was-
        einer montanen Höhenzone zwischen 475 und 585 Me-            serspeichervermögen und Wasserleitfähigkeit der Böden.
        tern liegt, zu einem Anstieg der Winterniederschläge und     „Die klaren Ergebnisse aus diesem Projekt“, so resümiert
        wahrscheinlich zu einer Abnahme der Sommernieder-            die auf vergleichbare Waldstandorte im Sauerland über-
        schläge führen. Die Lufttemperatur wird in beiden            tragbare Studie, „sollten Anlass sein, Einschätzungen zum
        Jahreszeiten um 2 bis 3°C ansteigen, dadurch wird die        Wasserhaushalt als objektives Kriterium zu verwenden,
        Verdunstung höher ausfallen als in der heutigen Zeit. In     um frühzeitig auf den Klimawandel im Waldbau und im
        der durch den Klimawandel verlängerten Vegetations-          Waldnaturschutz reagieren zu können.“
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           20 Mögliche Anpassungsstrategien

                             Den steigenden Risiken entgegenwirken
                             Die Anpassungsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen bietet Ansätze,
                             wie sich die Holzwirtschaft und Waldbesitzer auf künftige Risiken einstel-
                             len und sich die ändernden Bedingungen zu Nutze machen können.

                             Der Klimawandel wird hierzulande keine extremen Veränderungen bringen. Aber seine Auswirkun-
                             gen beispielsweise auf den Wasserhaushalt der Wälder oder das Auftreten von eingewanderten
                             Schädlingen sind bereits spürbar und werden sich noch verstärken. Die Anpassungsfähigkeit des
                             Ökosystems Wald ist dabei überfordert – die Waldbesitzer werden zunehmend Anpassungsmaß-
                             nahmen treffen müssen, um ihre Wälder auf den Klimawandel vorzubereiten. Die Politik wird ihren
                             Beitrag zur Unterstützung der 150.000 privaten Waldbesitzer weiterhin leisten: Seit einigen Jahren
                             erarbeitet das Umweltministerium mit seinen Fachbehörden Anpassungsstrategien, um den
                             steigenden Risiken in der Forstwirtschaft entgegenzuwirken.

                             Die Folgen des Klimawandels werden sich regional unterschiedlich auswirken. Daher müssen die
                             Anpassungsstrategien die Akteure auf allen Ebenen einbeziehen, um passgenaue Lösungen für die
                             künftigen Herausforderungen zu finden. Denn eine gelungene Anpassung an neue Verhältnisse
                             kann auch neue Chancen eröffnen. Das gilt insbesondere für die Wald- und Holzwirtschaft.

                             Die folgenden Seiten geben einen umfassenden Überblick über die einzelnen Anpassungsstrate-
                             gien der Landesregierung für die Wald- und Forstwirtschaft.

                             Verbesserung der Vitalität und Stabilität der Wälder

                             Ausbau des Risikomanagements

                             Erhöhung der Biodiversität

                             Optimierung der Holzverwendung (Clustermanagement)

                             Aufbau eines Forschungsnetzwerkes
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                                                                                    Mögliche Anpassungsstrategien – Vitalität 21

                               Erhaltung und Verbesserung der Stabilität und Vitalität der Wälder
                               Der richtige Baum am richtigen Platz

                               Die etwa 150.000 Waldbesitzer in Nordrhein-Westfalen müssen ihren Wald
                               für die nächsten Jahrzehnte fit machen. Anpassungsstrategien helfen, den
                               steigenden Risiken in der Forstwirtschaft entgegenzuwirken.

                               Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW sucht          sind einerseits in Broschüren festgehalten.
                               geeignete Baumarten, die den künftigen Bedin-      Darüber hinaus erstellt der Landesbetrieb
                               gungen angepasst sind und somit stabile            konkrete Karten, die zeigen, wo die jeweilige
                               Verhältnisse für die Waldbewirtschaftung im        Baumart unter derzeitigen Klimabedingungen
                               Klimawandel unterstützen. „Da die Anpas-           standortgerecht ist und bei der zu erwartenden
                               sungspotenziale unserer Baumarten an den           Klimaerwärmung standortgerecht sein wird.
                               Klimawandel noch weitgehend unbekannt sind,
                               müssen wir uns intensiv damit beschäftigen, ob     Durchmischung für die Stabilität
                               und wie jede einzelne Baumart mit den Verän-       Das Konzept der naturnahen Waldwirtschaft in
                               derungen an ihren Standorten umgehen wird“,        NRW sieht stabile, artenreiche Mischbestände
                               sagt Dr. Bertram Leder. Für den Leiter der         vor. Durch die ungünstigeren Bedingungen für
                               Schwerpunktaufgabe Waldbau, Beratungsstelle        Fichten rückt der künftige Nadelwaldanteil in
                               für Forstvermehrungsgut im Landesbetrieb           den Wäldern Nordrhein-Westfalens in den Fo-
                               stellt die standortgerechte Baumartenwahl eine     kus des Landesbetriebes: „Ein angemessener
                               entscheidende Voraussetzung für einen intak-       Flächenanteil der Nadelbaumarten ist auch in
                               ten Waldlebensraum dar. Dabei spielen die ge-      Zukunft unverzichtbar, um die Erträge der
                               netische Variabilität des Pflanzenmaterials und    Forstbetriebe zu sichern, den Bedarf der Holz-
                               die Herkünfte eine entscheidende Rolle.            industrie zu decken und die Kohlenstoff-Spei-
                                                                                  cherung auf dem Wege des Holzbaus zu för-
          Dr. Bertram Leder,   Als künftige Risikobaumart wird vielerorts die     dern“, hält Bertram Leder dazu fest.
        Landesbetrieb Wald     Fichte eingestuft, falls sich die warm-trockene
        und Holz NRW: „Die     Klimasituation weiter verschärft. Fichtenbe-       Mischbestände von Bäumen anderer Regionen
         Anpassungspoten-
                               stände auf Grenzstandorten eines westexpo-         und heimischen Baumarten werden den Wald in
        ziale unserer Baum-
        arten an den Klima-
                               nierten Hanges beispielsweise werden nicht         NRW im Klimawandel prägen: „Buchenwälder
          wandel sind noch     mehr für ihren Standort angepasst sein, da sie     könnten beispielsweise mit Küstentannen
          weitgehend unbe-     aufgrund der verlängerten Vegetationszeit          ergänzt werden“, sagt Leder. „Einige fremdlän-
         kannt. Wir müssen     einen erhöhten Wasserbedarf haben. Andere          dische Baumarten haben besonders auch hin-
         uns intensiv damit
                               Bäume wiederum können von den steigenden           sichtlich der Eignung als Vorwaldbaumart oder
           beschäftigen, ob
                               Temperaturen profitieren. Die heimische Trau-      wegen ihrer hohen Volumen- und Wertleistung
           und wie jede ein-
         zelne Baumart mit     beneiche wird in Zukunft auch in den Hochlagen     eine besondere Bedeutung. Bei der Entschei-
         den Veränderungen     des Sauerlandes als standortgerecht gelten, wo     dung zum Anbau wuchskräftiger fremdländi-
        an ihren Standorten    sie derzeit wegen fehlender Wärme eher selten      scher Baumarten ist auch die CO2-Problematik
            umgehen wird.“     zu finden ist.                                     einzubeziehen.“ Dabei fällt auch hierbei der
                                                                                  Blick auf die Nadelwälder. Sie sind ein entschei-
                               Der Landesbetrieb Wald und Holz nutzt seine        dender Faktor, um die Klimaziele zu erreichen
                               Erkenntnisse unter anderem aus der digitalen       und die Kohlenstoffbilanz in NRW zu verbes-
                               Standortklassifikation und stellt für den Wald-    sern. Die CO2-Umwandlung zu Sauerstoff
                               besitzer Handlungsempfehlungen bereit. Diese       beispielsweise geschieht bei den immergrünen
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           22 Mögliche Anpassungsstrategien – Vitalität

                               Nadelbäumen ganzjährig. Laubbäume können                Empfehlungen an die Hand zu geben, welche
                               das nicht leisten. Daher sucht der Landesbe-            Bestände den künftigen Bedingungen standhal-
                               trieb Wald und Holz nach neuen Beständen, die           ten können.
                               durchmischt mit anderen Arten ein stabiles
                               Gesamtsystem bilden können. Dies ist im Sinne           Mehr Krankmacher im Wald
                               der wirtschaftlichen Interessen und der natur-          Sowohl die Buche als auch andere heimische
                               nahen Bewirtschaftung, die sich wiederum                Bäume sind durch den Klimawandel in ihrem
                               positiv auf die Artenvielfalt auswirkt. Die Misch-      Gesundheitszustand neuen Bedrohungen aus-
                               baumarten Douglasie und Küstentanne sind für            gesetzt. Die so genannten Komplexkrankheiten
                               den Landesbetrieb Alternativen, um die Wälder           (Buchen- und Eichenkomplexkrankheit) werden
                               langfristig auszubauen.                                 zunehmen – verursacht durch Pilze und Käfer.
                                                                                       Sommertrockenheit fördert die Buchenwoll-
                               Neben der Mischbarkeit mit einheimischen                schildlaus und somit die Vorschädigung der
                               Arten wird von den fremdländischen Baumar-              Rinde. Herbstliche Starkregenereignisse und
                               ten erwartet, dass sie an den Standort ange-            milde Winter begünstigen das Wachstum der
                               passt sind und den Boden verbessern bezie-              Rindenpilze. Da die Klimaprognosen genau
                               hungsweise nicht verschlechtern. Sie dürfen             solche Witterungsereignisse für Nordrhein-
                               nicht krankheitsanfällig sein. Erfahrungen mit          Westfalen erwarten, ist mit einer Zunahme von
                               fremdländischen Baumarten werden schon seit             Erkrankungswellen zum Beispiel durch
                               50 Jahren gesammelt – im Arboretum Burgholz             Buchenrindennekrose zu rechnen. Der Leiter
                               bei Wuppertal. Auf einer Fläche von etwa                für die Schwerpunktaufgabe Waldschutzmana-
                               250 Hektar wachsen hier mehr als 100 Nadel-             gement im Landesbetrieb Wald und Holz NRW,
                               und Laubbaumarten aus der ganzen Welt – die             Dr. Mathias Niesar, sieht daher einen Hand-
                               größte Ansammlung in ganz Deutschland. Hier,            lungsbedarf in der Pflege der Wälder: „Der
                               aber auch in den vom Land ausgewiesenen                 Gesundheitszustand der Buchen ist mittels
                               Naturwaldzellen und Klimawaldflächen werden             spezieller Forstschutzmonitoring-Programme
                               die Erprobungen weiter fortgeführt, um die              zu überwachen. Hier ist beispielsweise auf die
                               idealen künftigen Baumartengesellschaften zu            Entwicklung der wärmeliebenden Arten des
                               identifizieren und den Waldbesitzern weitere            Kleinen Buchenborkenkäfers und des Buchen-

        Standorteignung
            gut,
            hohe Vitalität
            bedingt, vermin-
            derte Vitalität
                               WASSERSTRESS: DIE FICHTE AUF DEM RÜCKZUG
            Wald,
            hohes Risiko          + 10% Niederschlag                    Heutige Verbreitung                  - 10% Niederschlag

              + 1°C

                                                                    Die Fichte ist an ihren Standorten
                                                                                                                                        Quelle: Landesbetrieb Wald und Holz NRW

              + 3°C                                                 unter anderem auf eine hohe Bo-
                                                                    denfeuchte angewiesen. Ändern
                                                                    sich Temperatur und jährliche Nie-
                                                                    derschlagsmenge und -verteilung,
                                                                    hat dies gravierende Folgen für die
                                                                    Baumart, wie diese Szenarien zei-
                                                                    gen. Nehmen die Niederschläge
                                                                    bei steigenden Temperaturen ab,
                                                                    wird die Fichte als nicht mehr
                                                                    standortgerecht eingestuft.
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                                                                                      Mögliche Anpassungsstrategien – Vitalität 23

                               prachtkäfers zu achten, welche bisher in Nord-       dar. Ersichtlich wurde dies vor allem durch die
                               rhein-Westfalen nahezu keine Rolle spielten.“        Entwicklung der Baumkronen. Im Juli und
                               Eine Klimaerwärmung wird einen wesentlichen          August 2010 führte der Landesbetrieb auf der
                               Einfluss auf das Wirt-Parasit-Gefüge haben. „Es      gesamten Waldfläche Nordrhein-Westfalens ein
                               ist zu befürchten, dass sich neue Schadorganis-      umfangreiches Baumkronen-Monitoring durch.
                               men leichter etablieren können, wenn sie auf         Dabei wurden in einem Stichprobenraster von
                               destabilisierte, in der Abwehrkraft geschwächte      vier mal vier Kilometern an 525 Aufnahmepunk-
                               Waldökosysteme treffen“, stellt Mathias Niesar       ten circa 9.500 Einzelbäume untersucht.
                               daher grundsätzlich fest und sieht eine Hand-
                               lungsoption: „Für eine wirksame Anpassungs-          Mit der Empfehlung, das Austriebverhalten der
                               strategie müssen wir alle Risiken analysieren        Eichen im Jahr 2011 weiter genau zu beobach-
         Dr. Mathias Niesar,   und dabei auch die Beobachtungsmethoden              ten, stellte der Landesbetrieb Wald und Holz
        Landesbetrieb Wald     weiterentwickeln.“                                   konkrete Eingriffsmaßnahmen vor, die schon im
        und Holz NRW: „Für
                                                                                    Vorfeld ein großflächiges Eichensterben verhin-
             eine wirksame
                               Neuen Maßnahmen bei der Pflege und eventu-           dern sollen. Unter anderem wurde ein gezielter
         Anpassungsstrate-
         gie müssen wir alle   ellen Eingriffen, um Schädlinge zu bekämpfen,        Einschlag und Abtransport betroffener Stämme
         Risiken analysieren   geht eine neue Qualität bei der Beobachtung          vorgeschlagen.
         und dabei auch die    des Waldzustands voraus.                             Das Beispiel der Eichenschäden ist bedeutend,
             Beobachtungs-                                                          da im Jahr 2010 typische Merkmale des Klima-
          methoden weiter-
                               Eine verbesserte Qualität bei der Beobachtung        wandels Mitverursacher für den starken Befall
               entwickeln.“
                               des Waldzustands ist die Voraussetzung für           waren: Die Monate Juni und Juli waren sehr
                               neue Maßnahmen bei der Pflege und eventuel-          warm und von wenig Niederschlag geprägt.
                               len Eingriffen, um Schädlinge zu bekämpfen. Ein      Zudem war die Regenmenge ungünstig auf ver-
                               Beispiel dafür lieferte Niesar bereits im Waldzu-    einzelte Starkregen verteilt, die oft nicht schnell
                               standsbericht des Jahres 2010 mit seinem Bei-        genug in den Boden einsickern konnten. Mit
                               trag zur Forstschutzsituation. Darin widmete er      diesen Witterungsverhältnissen wird in Zukunft
                               sich beispielsweise den Schädlingen an Eichen-       häufig zu rechnen sein.
                               beständen. Die Raupen der Eichenfraßgesell-
                               schaften, wie der Frostspanner und der Eichen-       Alarmierender Zustand
                               wickler, aber auch der Mehltau-Pilz stellten in      Der Waldzustandsbericht 2011 lieferte noch
                               dem Jahr eine markante Gefahr für die Bäume          dramatischere Erkenntnisse. Das Frühjahr war

                               ZUKUNFTSWALD: NEUE BÄUME AN NEUEN ORTEN

                               Eine zukunftsorientierte naturnahe                        gleich zur aktuellen Bestockung eine bes-
                               Waldwirtschaft hat folgende Baumarten                     sere Eignung und Anpassungsfähigkeit
                               im Fokus:                                                 aufweisen (Douglasie, Küstentanne)

                                 Trockenheits- und hitzetolerante Baumarten           Heimische Baumarten, die gegenwärtig
                                    Baumarten mit breiter ökologischer                aufgrund der Konkurrenzbeziehungen nur
                                    Amplitude, Pionierbaumarten (z.B. Birke,          suboptimale Wuchsbedingungen an einem
                                    Vogelbeere, Aspe, Erle, Lärche, Kiefer,           Standort finden, jedoch im Falle eines Kli-
                                    Schwarzkiefer),                                   mawandels an Konkurrenzkraft gewinnen
                                    wärmeliebende Arten und Arten, die auf              seltene Baumarten (Sorbus-Arten,
                                    warmtrockene Standorte spezialisiert sind           Wildobst, Nuss)
                                    (Elsbeere, Mehlbeere, Feldahorn, Trauben-
                                    eiche, Hainbuche, Winterlinde, Robinie,           Mischung unterschiedlicher Herkünfte
                                    Roteiche, Esskastanie, Nussarten, Kiefer)         gleicher Art
                                                                                         Kombination von Bäumen mit vermutlich
                                 Bereits etablierte fremdländische Baumarten             unterschiedlicher Klimaanpassung (z.B. in
                                   z. B. in Gebieten, wo sie aufgrund ihrer              naturnahen Buchen-Reinbeständen)
                                   größeren ökologischen Amplitude im Ver-
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