Praxisinformation umweltbundesamtu - Nr. 51 2020 - BFW
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Nr. 51 - 2020 13Z039578 M Praxisinformation u PERSPEKTIVEN FÜR UMWELT & GESELLSCHAFT umweltbundesamt Bundesforschungszentrum für Wald https://bfw.ac.at Seckendorff-Gudent-Weg 8, 1131 Wien, Österreich
Dieses Papier stammt aus nach- haltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen. www.pefc.at Inhalt PETER WEISS ET AL. Einleitung zum Projekt „CareforParis“ .............................3 THOMAS LEDERMANN, GEORG KINDERMANN, ROBERT JANDL, KLEMENS SCHADAUER Klimawandelanpassungsmaßnahmen im Wald und deren Einfluss auf die CO2-Bilanz ...................................................6 MARTIN BRAUN, PETER SCHWARZBAUER, FRANZISKA HESSER Kohlenstoffspeicherung durch Holzprodukte aus heimischem Einschlag...................................................14 Dem Wald und Holz kommt eine bedeutende Rolle beim Klimaschutz zu, denn DAVID FRITZ, WERNER PÖLZ der Wald nimmt Kohlendioxid aus der Luft auf und speichert den Kohlenstoff im Vermiedene Treibhausgas- Emissionen durch Holzprodukte aus Holz. In Österreich nimmt dieser Kohlenstoff-Vorrat derzeit und in naher Zukunft dem österreichischen Wald .................17 zu und hilft beim Klimaschutz. PETER WEISS ET AL. Der Klimawandel wirkt sich gleichzeitig auch auf den Wald in Österreich aus, das Zusammenschau der Treibhausgas- ergebnisse des waldbasierten wird auch seinen Beitrag zum Klimaschutz deutlich beeinflussen. Klimawandel- Sektors für verschiedene folgen verringern die Speicherkapazität. Notwendige Anpassungsmaßnahmen be- CareforParis-Szenarien .........................20 einflussen zusätzlich auch wirtschaftliche Erträge aus dem Rohstoff Holz. Und MARTIN BRAUN, PETER SCHWARZBAUER, steht weniger Holz zur Verfügung, bedeutet der notwendige Ersatz oft zusätzliche FRANZISKA HESSER Wirtschaftliche Entwicklung des Emissionen von fossilem Kohlenstoff in die Atmosphäre. Forst- und Holzsektors – eine Analyse der Wettbewerbsfähigkeit ....25 Im vom Klima- und -Ernergiefonds geförderten Projekt CareforParis, an dem das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW), die Universität für Bodenkultur (BOKU), ALICE LUDVIG Ergebnisse von Stakeholder- Wood K plus und das Umweltbundesamt zusammenarbeiteten, wurden ver- Befragungen und Empfehlungen schiedene Szenarien der Waldbewirtschaftung erstellt und untersucht. Die Szenar- an die Politik .............................................29 ien gehen von unterschiedlichen Klimaveränderungen und Anpassungsstrategien für den österreichischen Wald aus und zeigen mögliche Entwicklungen bis ins Jahr 2150. Genauer analysiert wurden die CO2-Bilanz des Waldes, die CO2-Bilanz Titelseite: Säulenhalle Wald im Parlament in Wien von Holzprodukten und die Vermeidung von CO2-Emissionen durch den Einsatz und Holz-Installation von Holzprodukten. Foto: proHolz/Bruno Klomfar Österreichs Wald wird zusammen mit den Holzproduktepools noch für die nächsten Impressum 20-90 Jahre eine CO2-Netto-Senke darstellen, danach zeigen die Szenarien ein anderes Bild: Der Wald wird früher oder später zur CO2-Netto-Emissionsquelle, weil unter den gewählten Annahmen der Zuwachs langfristig wegen schlechterer ISSN 1815-3895 © Juli 2020 Wuchsbedingungen (Zunahme von Trockenperioden), steigendem Schadholzanfall Nachdruck nur nach vorheriger (Schädlingsbefall, Wetterextreme) und Art der Bewirtschaftung (vorzeitige Nutzung schriftlicher Zustimmung seitens des Herausgebers gestattet. oder Überalterung) zurückgeht und dadurch auch der Vorrat abnimmt. Wenn wir Presserechtlich für den Inhalt also das Klimaziel von Paris erreichen und die globale Erderwärmung auf unter verantwortlich: Peter Mayer Bundesforschungs- und Ausbildungs- 2 Grad Celsius begrenzen wollen, hat die Verwendung von Holz und die damit zentrum für Wald, Naturgefahren und verbundene Vermeidung von Treibhausgasemissionen oberste Priorität. Ein dauer- Landschaft (BFW) Seckendorff-Gudent-Weg 8, hafter Erhalt des Waldes als CO2-Netto-Senke ist nicht möglich. 1131 Wien, Österreich Tel.: +44 1 87838 0 Die Dekarbonisierung ist der Hebel zur Erreichung der Klimaziele: Bei der Art und Fax: +44 1 87838 1250 Weise unseres Wirtschaftens muss angesetzt werden. Unser Wirtschaftssystem http://bfw.ac.at muss in Richtung eines niedrigeren Umsatzes von Kohlenstoff gehen. Eine Maß- Redaktion: Christian Lackner Layout: Johanna Kohl nahme ist etwa der Umstieg von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Bezugsquelle: BFW-Bibliothek Energien. Für die Dekarbonisierung ist Holz ein unverzichtbarer Rohstoff. Eine Tel.: +44 1 87838 1216 E-Mail: bibliothek@bfw.gv.at nachhaltige, kreislauforientierte Bioökonomie und der Green Deal bieten dazu Online-Bestellung: Konzepte der Zukunft. http://www.bfw.ac.at/webshop Ein spannendes Lesevergnügen wünschen Genderschreibweise erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Peter Mayer (BFW-Leiter) und Thomas Ledermann (BFW-Projektkoordinator) 2 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
Autorenteam: PETER WEISS, PETER WEISS ET AL. MARTIN BRAUN, Einleitung zum Projekt „CareforParis“ DAVID FRITZ, THOMAS GSCHWANTNER, FRANZISKA HESSER, ROBERT JANDL, GEORG KINDERMANN, THEO KOLLER, Das Übereinkommen von Paris hat das sicht). Dadurch ändert sich auch der Bei- THOMAS LEDERMANN, Ziel, ein Gleichgewicht zwischen der trag des Waldes und seiner Holzpro- ALICE LUDVIG, Emission von Treibhausgasen (THG) dukte zur österreichischen Treibhausgas- WERNER PÖLZ, und deren Bindung in sogenannten Bilanz. KLEMENS SCHADAUER, Senken ab dem Jahr 2050 zu erreichen. BLASIUS FRANZ SCHMID, Umfassende Berechnung der CARMEN SCHMID, Wald und Holzprodukte binden Treibhausgasbilanz PETER SCHWARZBAUER, Treibhausgase Das institutionsübergreifende Projekt GERHARD WEISS Der österreichische Wald und der Vorrat „CareforParis“ hatte das Ziel, die Aus- der daraus produzierten Holzprodukte wirkungen von Klimawandel und der (HWP) sind in der österreichischen Treib- Anpassungen der Waldbewirtschaftung hausgas-Bilanz eine wichtige Senke für und Holznutzung auf die Treibhausgas- Treibhausgas-Emissionen. Aktuell sind es etwa 7 %, in den 1990er-Jahren waren dies bis zu 25 % der jährlichen Treibhaus- Übereinkommen von Paris gas-Emissionen Österreichs, die im Wald Das Übereinkommen von Paris (englisch Paris Agreement) ist eine Verein- und in den Holzprodukten gespeichert barung der 197 Vertragsparteien (Staaten) der Klimarahmenkonvention sind (Umweltbundesamt 2019). der Vereinten Nationen (UNFCCC) mit dem Ziel des Klimaschutzes in Nach- Dazu kommt, dass Produkte aus folge des Kyoto-Protokolls. Das Übereinkommen wurde 2015 auf der Holz, über den Lebenszyklus betrachtet, UN-Klimakonferenz in Paris verabschiedet und sieht die Begrenzung der geringere Treibhausgas-Emissionen als menschengemachten globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C Ersatzprodukte aus anderen Rohstoffen gegenüber vorindustriellen Werten vor. Weiters sollen Anstrengungen aufweisen und dass durch die Verwen- unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem dung von Holzprodukten auch Emissio- vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Als wichtigste Maßnahmen nennt die UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) den Ausbau von nen vermieden werden. Dieser zusätz- Wind- und Solarenergie, die Steigerung der Energieeffizienz in An- lich erzielbare Substitutions-Effekt ist in wendungen und bei Autos, die Aufforstung von Wäldern sowie das Österreich quantitativ betrachtet sogar Stoppen von Rodungen. bedeutender als die Kohlenstoff-Senke, die durch Wald und den Vorrat an Holz- In der Zeitschrift Science wurde eine Roadmap mit konkreten Klima- produkten gebildet wird (BFW 2015, schutzschritten publiziert, mit denen die Paris-Ziele erfüllt werden können. Braun et al. 2016). Demnach müssen die weltweiten Treibhausgasemissionen spätestens 2020 Durch den Klimawandel ändern sich ihren Höhepunkt erreichen und anschließend pro Jahrzehnt halbiert wer- den. Die Emissionen von 40 Mrd. Tonnen im Jahr 2020 müssen auf 20 jedoch die Rahmenbedingungen für die Mrd. Tonnen in 2030, auf 10 Mrd. Tonnen in 2040 und auf 5 Mrd. Tonnen Waldbewirtschaftung. Höhere Tempera- in 2050 reduziert werden. Parallel muss der Anteil von kohlendioxidfreien turen, Trockenperioden, Stürme und an- Energiequellen alle fünf bis sieben Jahre verdoppelt werden. Die anthro- dere Kalamitäten sowie notwendige An- pogenen Treibhausgas-Emissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahr- passungsmaßnahmen wie Baumarten- hunderts müssen auf null Netto-Emissionen reduziert werden. Bei den wechsel und Umtriebszeitverkürzung sogenannten Netto-Emissionen werden Senken, wie z. B. in Wäldern und verändern das Ökosystem Wald sowie anderen Kohlenstoffspeichern, abgezogen. Somit bedeutet dieses Ziel, dass verbleibende Rest-Emissionen (etwa durch die Landwirtschaft) vollständig die nachhaltig verfügbare Holzmenge durch Senken kompensiert werden müssen. aus dem Wald (auch in qualitativer Hin- Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 3
Bilanz des waldbasierten Sektors in sechs miedene Emissionen durch Holz- Szenarien bis zum Jahr 2150 zu unter- produkte“) sowie zusätzlich anfal- suchen (Ledermann et al., Seite 8). lende fossile Treibhausgas-Emissionen Um ein gesamthaftes Bild der Treib- durch Ersatzprodukte aus anderen hausgaswirkung des waldbasierten Sek- Rohstoffen, wenn Holzprodukte z. B. tors in Österreich zu ermöglichen (Weiss durch Nutzungsreduktion oder aus et al., Seite 20), wurden folgende Ele- anderen Gründe entfallen; Umwelt- mente berechnet: bundesamt (Fritz et al., Seite 17, Treibhausgas-Bilanz des österrei- Weiss et al., Seite 20) chischen Waldes (Biomasse, Totholz, Boden); Bundesforschungszentrum Modellstruktur und simulierte für Wald (Ledermann et al., Seite 6) Szenarien Treibhausgas-Bilanz des Holzprodukte- Ausgangspunkt der Treibhausgas-Model- Pools (Schnittholz, Platte, Papier) auf lierungen in verschiedenen Szenarien war Basis des Einschlags aus dem österrei- der Status des österreichischen Waldes chischen Wald, Universität für Boden- gemäß den Ergebnissen der Österrei- kultur Wien, Institut für Marketing & chischen Waldinventur 2007/09. Innovation, Wood K plus (Braun et al., Die Entwicklungen der Treibhausgas- Seite 14) bilanz wurden anhand eines Sets von Treibhausgas-Emissionen über den Modellen für vordefinierte Szenarien Lebenszyklus von Holzprodukten und konsistent über die Schnittstellen Abbildung 1: Ersatzprodukten aus anderen Roh- zwischen den drei Subsystemen Wald, Modellierungsschema stoffen auf Basis des Einschlags aus Holzprodukte und Substitutionseffekte des Projekts CareforParis dem österreichischen Wald („ver- gerechnet (Abbildung 1). Subsystem Wald Subsystem Holzprodukte ÖWI Daten Klima, (potenzieller) Demographie Wertschöpfungskette Holz Klimawandel Einschlag, Preise iterativer BIP, Ölpreis Rohholz,Halbwaren, Datenaustausch HWP Zuwachs Waldbewirtschaftung Einzelbaumwachstum Einschlag nach Altersklassen, Verteilung der Streufall, Abfall Eigentumskategorie Subsystem Endprodukte, Energieholz Emissionsvermeidung Energie Energiemix ober/unterirdischer Totholz, Streufall Ernterückstände Transport Nutzungsdauer Material-/Energie- Substitution Wurzelabbau ? 4 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
Der waldbasierte Sektor ist ein ele- nahmen das Treibhausgas-Potenzial Dekarbonisierung mentarer Wirtschaftsfaktor in Österreich. des gesamten waldbasierten Sektors Bei der Dekarbonisierung Der Beitrag zu Österreichs Wirtschafts- Österreichs verändern? werden Prozesse, durch leistung, gemessen am Bruttoinlandspro- Wie werden der künftige Klima- die Kohlenstoffdioxid dukt, beträgt derzeit zirka zwei Prozent. wandel und waldbauliche An- (CO2) freigesetzt wird, durch solche Prozesse Auch im Export spielt der Sektor eine passungsmaßnahmen die ökono- abgelöst, bei denen wichtige Rolle. Insgesamt weist dieser mischen Rahmenbedingungen des diese Freisetzungen Sektor eine ähnliche Größenordnung gesamten österreichischen Forst- und unterbleiben oder wie die Tourismusbranche auf und ist Holzsektors verändern und welche kompensiert werden. Es somit ein wichtiger Devisenbringer in Anpassungen sind erforderlich, um geht also um Emissions- minderung: Die Nach- der heimischen Leistungsbilanz. Aus der potentielle negative Konsequenzen frage nach Energie soll Forstwirtschaft und der Holzverarbeitung in den ökonomischen Produktions- verringert (Energie- in Österreich beziehen derzeit etwa bedingungen dieser Branchen zu effizienz, Energie- 300.000 Menschen ein Einkommen. Zu- minimieren? suffizienz) und weniger sätzlich wurden daher im Projekt Welche politischen, gesetzlichen und emissionsintensive „CareforParis“ auch die – je nach Szenario gesellschaftlichen Veränderungen sind Energieträger eingesetzt werden. Ziel ist die unterschiedlichen – Auswirkungen auf für Treibhausgas optimiertes Manage- CO2-Neutralität der die österreichische Forst- und Holzwirt- ment, Anpassung und Holznutzung Wirtschaft. schaft analysiert (u.a. Beitrag des wald- des waldbasierten Sektors Österreichs basierten Sektors zur Geamtwirtschaft, sowie für die erforderliche Anpassung Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit) dieser Branche an Szenarien des Kli- (Braun et al., Seite 25). mawandels notwendig? In einer politikwissenschaftlichen Ana- lyse wurden Vorschläge zur Anpassung Die nachfolgenden Beiträge stellen die der politischen, rechtlichen und gesell- Ergebnisse des Projektes CareforParis schaftlichen Rahmenbedingungen in dar. Zum richtigen Verständnis der Österreich in Richtung einer Treibhaus- Ergebnisse ist folgende Tatsache bedeu- Dr. Peter Weiss, gas-optimierten Waldbewirtschaftung tend: Szenarien sind keine Vorhersagen, Mag. David Fritz, DI Werner Pölz, und Holzverwendung erarbeitet. Ergän- sondern dienen der Identifizierung des DI Carmen Schmid, zend wurden Empfehlungen und Ent- Möglichkeitsraumes unter verschiedenen Umweltbundesamt, Wien scheidungsgrundlagen für deren Verbes- Entwicklungspfaden. Dr. Martin Braun, serung abgeleitet (Ludvig et al., Seite 29). Die Projektergebnisse stellen eine Msc., Univ.-Prof. Dr. Peter Schwarzbauer, wichtige Grundlage für die erforderliche Universität für Bodenkultur Wien, Insgesamt wurden im Projekt folgende Transformation zu einer klimaneutralen Institut für Marketing und Fragen behandelt: Gesellschaft dar (Stichwort Dekarboni- Innovation Wie werden der künftige Klimawandel sierung), um die Ziele des Paris Agree- Dr. Thomas Gschwantner, und waldbauliche Anpassungsmaß- ments zu erreichen. Dr. Robert Jandl, Dr. Georg Kindermann, Priv.-Doz. Dr. Thomas Ledermann, Dr. Klemens Schadauer, Literatur Bundesforschungszentrum für Wald, Wien BFW, 2015: Treibhausgasbilanz der österreichischen Holzkette. Bundesforschungszentrum für Wald, Wien, BFW-Praxisinformation Nr. 38, 19 pp., DI Dr. Franziska Hesser, MSc, http://bfw.ac.at/cms_stamm/500/PDF/BFW_praxisinformation38_treibhausgasbilanz.pdf Wood K plus, Braun M., Fritz D., Weiss P., Braschel N., Büchsenmeister R., Freudenschuß A., Gschwantner (Kompetenzzentrum Holz GmbH), Linz T., Jandl R., Ledermann T., Neumann M., Pölz W., Schadauer K., Schmid C., Schwarzbauer P., Stern T. 2016: A holistic assessment of greenhouse gas dynamics from forests to the ef- Dr. Alice Ludvig, fects of wood products use in Austria. Carbon Management, Blasius Franz Schmid, DOI: 10.1080/17583004.2016.1230990, DI Dr. Gerhard Weiss, http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/17583004.2016.1230990 Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Wald-, Umwelt- und Umweltbundesamt (2019): Austria’s National Inventory Report 2019. REP-0677, Umwelt- Ressourcenpolitik und European bundesamt Wien, 636 pp., Forest Institute - Forest Policy https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0677.pdf Research Network Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 5
THOMAS LEDERMANN, GEORG KINDERMANN, ROBERT JANDL, KLEMENS SCHADAUER Klimawandelanpassungsmaßnahmen im Wald und deren Einfluss auf die CO2-Bilanz Der Wald nimmt Kohlendioxid aus der Standortsdaten. Flächeninformationen Klimaszenario RCP 4.5: Luft auf und speichert den Kohlenstoff über National- und Biosphärenparks, der Temperaturanstieg im Holz – ein wichtiger Beitrag zum Naturwaldreservate, Natura 2000-Gebiete beträgt zwischen den Jahren 2000 und 2100 Klimaschutz. Mit steigenden Tempera- und andere Schutzgebiete wurden aus ungefähr 2 °Celsius. turen sind unsere Wälder aber auch dem Holzkettenprojekt (veröffentlicht in zunehmend durch Trockenheit, Sturm der BFW-Praxisinformation 38/2015) für Klimaszenario RCP 8.5: und Schadinsekten gefährdet. Forst- die vorliegende Studie übernommen. die Temperatur steigt bis leute denken daher vermehrt über ver- Die für die Simulation der Wald- zum Ende des Jahrhun- schiede Anpassungsmaßnahmen nach. entwicklung erforderlichen Klimadaten derts um etwas mehr als 4,8 °Celsius gegenüber Wie sich diese auf die CO2-Bilanz des wurden dem ÖKS 15 Datensatz (Klima- dem Jahr 2000 an. österreichischen Ertragswaldes aus- szenarien für Österreich) entnommen, wirken, hat das Bundesforschungs- der bei Projekten des Klima- und zentrum für Wald in Zusammenarbeit Energiefonds verbindlich zu verwenden Für die Fragestellung von mit der BOKU, Wood K plus und dem ist. Dieser Datensatz wird vom Daten- CareforParis wurde der Umweltbundesamt in einer Studie zentrum des CCCA (Climate Change Zeithorizont auf das Jahr untersucht. Centre Austria) bereitgestellt. Für 2150 ausgedeht, damit die vorliegende Studie wurden ein eine ganze Umtriebszeit Für die CareforParis-Studie wurde auf die ambitioniertes Klimaszenario (RCP 4.5) eines Bestandes abdeckt Daten der österreichischen Waldinventur und ein pessimistisches Klimaszenario werden kann und die (ÖWI) der Erhebungsperiode 2007/09 (RCP 8.5) verwendet. Auswirkungen von zurückgegriffen. Dieser Datensatz umfasst Beim Szenario RCP 8.5 steigt die Anpassungs- und Umbau- den gesamten österreichischen Ertrags- Temperatur bis zum Ende des Jahrhun- maßnahmen im Wald wald mit einer Fläche von rund 3,4 Mio. derts um etwas mehr als 4,8 °Celsius sichtbar werden. Hektar und enthält wichtige wachstums- gegenüber dem Jahr 2000 an. Beim Foto: Wiki/Haneburger bestimmende Baum-, Bestandes- und Szenario RCP 4.5 beträgt der Temperatur- anstieg zwischen den Jahren 2000 und 2100 ungefähr 2 °Celsius (Abbildung 1). Für die Berichte des Weltklimarats (IPCC) werden stets Klimaszenarien bis 2100 verwendet. Für die Fragestellung von CareforParis ist dieser Zeithorizont jedoch unzureichend, da er in vielen Fällen nicht einmal eine ganze Umtriebs- zeit eines Bestandes abdeckt und daher Auswirkungen von Anpassungs- und Umbaumaßnahmen im Wald nicht in vollem Umfang sichtbar werden. Des- halb wurden die verwendeten Klima- daten bis zum Jahr 2150 extrapoliert und alle Simulationsläufe bis zu diesem Jahr durchgeführt. 6 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
Die Bewirtschaftungsszenarien und an CALDIS übermittelt. Im Wald- Drei Klimaszenarien und drei ver- wachstumsmodell wurde dann der Abbildung 1: schiedene Szenarien der Waldbewirt- potenzielle Einschlag nach bestimmten Verwendete Klima- schaftung (auf Basis des Klimaszenarios Kriterien auf die Probeflächen der ÖWI szenarien für die Wald- RCP 8.5) wurden definiert und umgelegt. Endnutzungen wurden als wachstums- und Boden- durchgerechnet. In Tabelle 1 (Seite 8) Kahlschlag oder als Einzelstammentnah- simulationen sind die sechs Szenarien beschrieben. men in Beständen älter als 60 Jahre durchgeführt. Vornutzungen wurden mit Simulation der Waldentwicklung Hilfe von standortsspezifischen Stamm- Die Waldentwicklung wurde mit dem am zahlleitkurven in Beständen unter 60 BFW entwickelten, klimasensitiven Jahre umgesetzt. Bestehende Nutzungs- Waldwachstumsmodell CALDIS simuliert. einschränkungen in Schutzgebieten (Na- Das Kernstück von CALDIS besteht aus tional- und Biosphärenparks, Naturwald- Funktionen, mit denen der Durchmesser- reservate, etc.) wurden dabei be- und Höhenzuwachs von Einzelbäumen rücksichtigt. Für jede Probefläche, die berechnet werden kann. Darüber hinaus für eine Nutzung vorgesehen war, wurde enthält CALDIS Modelle zur Abschätzung mit Produktivitätsmodellen für die Holz- von Zufallsnutzungen, konkurrenzbed- ernte und den vom Modell FOHOW2 ingter Mortalität und Waldverjüngung. errechneten Holzpreisen ein erntekosten- Die Simulation der Szenarien erfolgte freier Erlös (DB I) errechnet. Anschließend in Interaktion mit dem Forest Sector wurden die Probeflächen nach dem DB I Modell FOHOW2, welches die Dynamik gereiht. Beginnend bei der Probefläche in der österreichischen Forst- und Holz- mit dem höchsten DB I wurden die zur wirtschaft modellhaft nachbildet (Abbil- Nutzung bestimmten Bäume solange von dung 2, siehe auch Artikel Braun et al., den Probeflächen entfernt, bis die poten- Seite 25). Zu Beginn einer Simulation zielle Einschlagsmenge erreicht war. Da- wurde der potenzielle, jährliche Einschlag durch wurde das in den ÖWI-Daten mit Hilfe von FOHOW2 auf Basis von abgebildete Nutzungsverhalten simuliert, Marktmechanismen, ökonomischen Rah- wonach in bringungsgünstigen Lagen menbedingungen und waldbezogenen bevorzugt genutzt wird. Konnte der po- Kennzahlen (Vorrat, Zuwachs) berechnet tenzielle Einschlag aufgrund gesetzlicher, Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 7
Referenzszenario 4.5 - In Tabelle 1 sind die business as usual bei moderatem Klimawandel (RCP 4.5) sechs Szenarien Das Klima ändert sich gemäß regionalisiertem RCP 4.5: Temperaturanstieg beschrieben. gegenüber dem Zeitraum 1971-2000 um 2,0 °C bis zum Zeitraum 2071- 2100 und um 2,4 °C bis 2121-2150. Das gewählte RCP 4.5 liegt leicht über dem Ziel des Paris-Agreement von maximal 2 °C. Die Nachfrage nach Holz und die Waldbewirtschaftung ent- sprechen dem Trend der letzten Jahre und sind beeinflusst durch die gleichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie derzeit. Wiederbewaldung mit Baumarten, die bisher auf den Probeflächen vorhanden waren. Referenzszenario 8.5 - business as usual bei extremem Klimawandel (RCP 8.5) Das Klima ändert sich gemäß regionalisiertem RCP 8.5: Temperaturanstieg gegenüber dem Zeitraum 1971-2000 um 4,3 °C bis zum Zeitraum 2071- 2100 und um 7,0 °C bis 2121-2150. Das RCP 8.5 liegt deutlich über den Temperaturzielen des Paris-Agreement. Die Nachfrage nach Holz und die Waldbewirtschaftung entsprechen dem Trend der letzten Jahre und sind beeinflusst durch die gleichen wirtschaftli- chen Rahmenbedingungen wie derzeit. Wiederbewaldung mit Baumarten, die bisher auf den Probeflächen vorhanden waren. KAL – Kalamitätenszenario unter RCP 8.5+ Zusätzlich zum Klimatrend unter RCP 8.5 werden in diesem Szenario geringere Niederschlagsmengen und höhere Windgeschwindigkeiten angenommen. Dies führt zu einer Zunahme von Trockenheits- und Windwurfereignissen. Zusätzlich werden die geschätzten Mortalitätswahrscheinlichkeiten um 20 % erhöht, um einer steigenden Gefährdung durch Waldbrand oder neu- artige Schadorganismen Rechnung zu tragen. Wiederbewaldung mit Baumarten, die bisher auf den Probeflächen vorhanden waren. UZV – Umtriebszeitverkürzungsszenario unter RCP 8.5 Umtriebszeitverkürzung als Maßnahme der Klimawandelanpassung. Ver- schiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für Kalamitäten mit steigendem Bestandesalter zunimmt. Daher werden in diesem Szenario die älteren, vorratsreicheren Waldbestände vorrangig ge- erntet und das mittlere Endnutzungsalter auf 75 Jahre gesenkt. Wiederbewaldung mit Baumarten, die bisher auf den Probeflächen vorhanden waren. BAW – Baumartenwechselszenario unter RCP 8.5 Wechsel der Baumarten im Wald als Maßnahme der Klimawandelanpassung. Nadelholz wird entsprechend der in 50 Jahren erwarteten Temperatur durch verschiedene Laubholzarten (Buche, Eiche und Ahorn) ersetzt. Nicht heimische Baumarten werden dabei nicht berücksichtigt. VAU - Vorratsaufbau-Szenario unter RCP 8.5 Vorratsaufbau im Wald als Klimaschutzmaßnahme. Der Vorratsaufbau erfolgt durch zwei Maßnahmen: a) Der Anteil der Waldfläche mit Nutzungsverzicht wird bis zum Jahr 2100 von derzeit 1,2 % auf 5 % erhöht, b) die im Referenzszenario R 8.5 berechnete Nutzungsmenge wird sukzessive reduziert. Wiederbewaldung mit Baumarten, die bisher auf den Probeflächen vorhanden waren. 8 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
Potenzieller Einschlag FOHOW 2 getrennt nach CALDIS Eigentumskategorien, Demographie Holzkette Altersklasse, Laubholz/ Nadelholz, Holzpreise ÖWI Klima „Interagierende Modelle“ BIP, Ölpreis Einschlag, Vorrat, Zuwachs getrennt nach Eigentumskategorien, Altersklasse, Baum-/Bestandeswachstum Laubholz/Nadelholz waldbaulicher oder ertragskundlicher szenario (BAW) wurde außerdem Restriktionen nicht erfüllt werden, so sichergestellt, dass der Hektarvorrat im Abbildung 2: wurde von CALDIS eine geringere Ein- Ertragswald nicht unter 280 Vorratsfest- Schematische Darstellung schlagsmenge an FOHOW2 zurückge- meter Schaftholz/ha absinkt. Bei den an- der Interaktionen schickt. Zusammen mit den von CALDIS deren drei Szenarien (KAL, UZV, VAU) zwischen dem Forest aktualisierten Vorrats- und Zuwachs- wurde diese Vorratsregelung bewusst Sector Modell FOHOW2 daten wurde anhand ökonomischer Pa- nicht verwendet, da entsprechend der und dem Waldwachs- rameter von FOHOW2 der potenzielle Szenariendefinition eine Anwendung tumsmodell CALDIS Einschlag für das Folgejahr berechnet. nicht zielführend war. Dieser wechselseitige Datenaustausch zwischen beiden Modellen erfolgte Biomasse und Kohlenstoffvorräte im vollen Umfang jedoch nur bei den Zur Berechnung der ober- und unter- beiden Referenzszenarien (R 4.5 und irdischen Biomasse wurde für jeden R 8.5) sowie beim Baumartenwechsel- Baum das Schaftholzvolumen mit Hilfe szenario (BAW). Beim Umtriebszeitver- von baumartenspezifischen Schwind- kürzungsszenario (UZV) und beim Vor- maßen und Rohdichten umgerechnet. ratsaufbauszenario (VAU) ergaben sich In einem zweiten Schritt wurden dann die Einschlagsmengen allein aufgrund die Ast-, Blatt- und Nadeltrockenmassen von Anpassungsmaßnahmen im Wald. sowie die Wurzeltrockenmasse mit Hilfe Beim Kalamitätenszenario (KAL) wurde von Biomassefunktionen geschätzt. Die der Einschlag aus regulären Nutzungen Summe aus den einzelnen Baumkom- vom Referenzszenario R 8.5 über- partimenten ergibt die gesamte ober- nommen und die Zufallsnutzungen mit und unterirdische Trockenmasse eines den geänderten Klimadaten dazu ge- Baumes, die in Kohlenstoff (C) bzw. schätzt. Hinsichtlich des Holzeinschlags CO2-Äquivalente umgerechnet wurde. erfolgte bei den drei letztgenannten Die Bodenkohlenstoffdynamik wurde Szenarien daher nur ein einseitiger mit dem Modell YASSO 15 simuliert, Datenfluss von CALDIS zu FOHOW2. Bei das die Mineralisierung der vorhande- den beiden Referenzszenarien (R 4.5 und nen organischen Substanz im und auf R 8.5) sowie beim Baumartenwechsel- dem Waldboden nachbildet. Diese Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 9
600 Abbildung 3: 550 Stammholz- 500 Vorratsentwicklung der 450 sechs Szenarien 400 350 VfmS/ha 300 250 200 150 100 50 0 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 2130 2140 2150 Jahr Referenz (RCP 4.5) Umtriebszeitverkürzung (RCP 8.5) Referenz (RCP 8.5) Baumartenwechsel (RCP 8.5) Kalamitäten (RCP 8.5+) Vorratsaufbau (RCP 8.5) Menge setzt sich zusammen aus dem der Vorrat bis zum Ende des Simulations- oberirdischen Streufall (Nadeln, Blätter, zeitraumes ab. Anders als beim Äste, Zweige), dem Rücklass nach Kalamitätenszenario fällt in diesem Nutzungen, den abgestorbenen Grob- Szenario die Vorratsabnahme aber zu und Feinwurzeln und dem Totholz am Beginn der Simulationen stärker aus. Ab Boden. Informationen über die Qualität dem Jahr 2080 stabilisiert sich der Vor- der organischen Substanz (Anteile an rat bei etwa 200 Vorratsfestmeter säurelöslicher, wasserlöslicher bzw. nicht Schaftholz je Hektar und nimmt bis zum löslicher organischer Substanz) und Ab- Ende des Simulationszeitraumes kaum bauraten kommen aus dem Modell mehr ab. Beim Baumartenwechsel selbst. Als Output liefert YASSO 15 den nimmt der Vorrat bis zum Ende des Kohlenstoffvorrat im Boden und dessen Jahrhunderts ebenfalls ab, steigt danach jährliche Änderung. jedoch wieder an und erreicht am Ende des Simulationszeitraumes einen höheren Vorrat – Zuwachs – Nutzung Vorrat als zu Beginn der Simulationen. Die Simulationsrechnungen zeigen, dass Beim Vorratsaufbauszenario steigt der der Vorrat bei den beiden Referenz- Vorrat am stärksten an und erreicht etwa szenarien (R 4.5 und R 8.5) bis zum Jahr um das Jahr 2130 seinen Maximalwert. 2080 geringfügig ansteigt und danach Danach nimmt der Vorrat geringfügig bis zum Ende des Simulationszeitraumes ab, liegt aber am Ende des Simulations- unter den Ausgangsvorrat absinkt (Ab- zeitraumes deutlich über dem Aus- bildung 3). Dagegen nimmt beim gangswert. Der mittlere jährliche Vor- Kalamitätenszenario bereits von Beginn ratsanstieg bis zum Erreichen des Maxi- an der Vorrat ab, diese Entwicklung fällt malwertes liegt beim Vorratsauf- in der zweiten Hälfte des Simulations- bauszenario bei ca. 1,7 Vorratsfestmeter zeitraumes etwas stärker aus. Auch beim Schaftholz je Hektar. Im Vergleich dazu Umtriebszeitverkürzungsszenario nimmt beträgt der zwischen 1981 und 2009 im 10 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
12 Abbildung 4: 10 Laufender Stammholz- Zuwachs der sechs 8 Szenarien VfmS/ha/Jahr 6 4 2 0 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 2130 2140 2150 Jahr Referenz (RCP 4.5) Umtriebszeitverkürzung (RCP 8.5) Referenz (RCP 8.5) Baumartenwechsel (RCP 8.5) Kalamitäten (RCP 8.5+) Vorratsaufbau (RCP 8.5) Rahmen der ÖWI beobachtete mittlere darüber und beim Vorratsaufbauszenario jährliche Vorratsanstieg rund 2,3 Vor- mit ca. 15 Mio. Erntefestmetern deutlich ratsfestmeter Schaftholz je Hektar. darunter. Beim Baumartenwechsel liegt Der Zuwachsverlauf ist bei allen die jährliche Gesamtnutzungsmenge bis Szenarien ziemlich ähnlich, wenngleich zum Jahr 2100 ebenfalls bei etwa 20 das Zuwachsniveau sich zwischen den Mio. Erntefestmetern, danach nimmt sie Szenarien doch deutlich unterscheidet. aber innerhalb von 20 Jahren auf ca. 10 Zunächst geht der Zuwachs bei allen Mio. Erntefestmeter ab. Diese rapide Ab- Szenarien zurück. Zwischen 2040 und nahme ist darauf zurückzuführen, dass 2060 steigt der Zuwachs wieder an und durch den Waldumbau immer weniger erreicht zwischen 2070 und 2090 seine nutzbare Nadelholzbestände zur Verfü- höchsten Werte. Danach nimmt der gung stehen. Die Laubholznutzung steigt Zuwachs bis zum Ende des Simulations- zwar stetig an, es wurde in den Szenarien zeitraumes deutlich ab. Die einzige Aus- jedoch die gleiche Holzverwendung wie nahme ist dabei das Referenzszenario derzeit unterstellt. Deshalb wird das R 4.5, bei dem aufgrund des geringeren fehlende Nadelholz nicht vollständig Temperaturanstiegs der Zuwachs ab durch Laubholz ersetzt, und es kommt etwa 2110 mehr oder weniger stabil ab dem Jahr 2100 zu einem deutlichen bleibt (Abbildung 4). Einbruch der Gesamtnutzungsmenge (Ab- Die jährliche Gesamtnutzungsmenge bildung 5). Dieser Umstand ist auch dafür (reguläre Nutzung und Kalamitäts- verantwortlich, dass beim Baumarten- nutzung) bewegt sich bei den beiden Re- wechsel der Vorrat ab dem Jahr 2100 ferenzszenarien und beim Kalamitäten- wieder zunimmt (siehe Abbildung 3). szenario um 20 Mio. Erntefestmeter. Dagegen liegt sie beim Umtriebszeit- Waldboden verkürzungsszenario zwischenzeitlich mit Hinsichtlich des Waldbodens wird er- 27-28 Mio. Erntefestmetern deutlich wartet, dass durch geeignete Maßnahmen Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 11
35 Abbildung 5: 30 Jährliche Gesamtnutzung (Einschlag) für alle sechs 25 Szenarien Mio. Efm 20 15 10 5 0 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 2130 2140 2150 Jahr Referenz (RCP 4.5) Umtriebszeitverkürzung (RCP 8.5) Referenz (RCP 8.5) Baumartenwechsel (RCP 8.5) Kalamitäten (RCP 8.5+) Vorratsaufbau (RCP 8.5) der Waldbehandlung der Pool des Boden- Schadholz kohlenstoffes vergrößert werden kann. Beim Schadholz zeigen sich ebenfalls Diese Erwartung wird nur vom Szenario deutliche Unterschiede zwischen den R 4.5 erfüllt. Bei der Fortsetzung der ak- Szenarien. Im Referenzszenario R 4.5, tuellen Waldbewirtschaftung und einem im Baumartenwechselszenario (BAW) ein wenig wärmeren Klima kann der Bo- und im Umtriebszeitverkürzungsszenario denkohlenstoffvorrat tatsächlich ver- (UZV) liegen die über den gesamten größert werden. Bei allen Szenarien, die Simulationszeitraum kumulierten Schad- eine starke Erwärmung unterstellen (RCP holzmengen um 5, 14 und 32 % unter 8.5), kann der Aufbau der Bodensenke der Schadholzmenge des R 8.5-Referenz- nur für wenige Jahrzehnte aufrecht er- szenarios. Im Gegensatz dazu liegt die halten werden. Ab 2075 bis 2095 zeigen Schadholzmenge im Kalamitätenszenario alle RCP 8.5-Szenarien einen Abbau von (KAL) um 33 % über der Schadholz- Bodenkohlenstoff, sodass langfristig der menge des R 8.5-Referenzszenarios. Die aktuelle Referenzwert des Bodenkohlen- mit Abstand höchste Schadholzmenge stoffes unterschritten wird. Der Abbau ergibt sich für das Vorratsaufbauszenario des Bodenkohlenstoffvorrates ist mecha- (VAU), die 66 % über jener des R 8.5 nistisch gut verständlich. Damit wird Referenzszenarios liegt. Die unter- bestätigt, dass die Maßnahmen der schiedlichen Schadholzmengen sind zum Forstwirtschaft als Zeitpolster fungieren, Teil klimatisch bedingt. So ist zum aber langfristig nicht die Lösung der Beispiel die etwas geringere Schadholz- Klimaproblematik sein können. Es ist da- menge beim R 4.5-Referenzszenario auf her unverantwortlich, überzogene Er- den geringeren Temperaturanstieg zu- wartungen in die Leistung der CO2- rückzuführen, die höhere Schadholz- Senke Boden zu setzen. menge beim Kalamitätenszenario (KAL) ergibt sich hingegen aufgrund des gerin- 12 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
20.000 15.000 Abbildung 6: kt CO2/Jahr (- Senke / + Emission) Jährliche Änderung des 10.000 Gesamtkohlenstoffpools 5000 im Wald (ober- und unter 0 irdische Biomasse, Totholz und Bo- -5000 denkohlenstoff). -10.000 -15.000 -20.000 -25.000 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 2130 2140 2150 Jahr Referenz (RCP 4.5) Umtriebszeitverkürzung (RCP 8.5) Referenz (RCP 8.5) Baumartenwechsel (RCP 8.5) Kalamitäten (RCP 8.5+) Vorratsaufbau (RCP 8.5) geren Niederschlags. Einen ganz Mit Ausnahme der Umtriebszeitver- wesentlichen Einfluss auf die Schadholz- kürzung nimmt die Senkenleistung bei menge hat aber auch die Bewirtschaf- allen Szenarien bis zum Jahr 2070 zu, tung. Wird das Endnutzungsalter her- macht danach jedoch eine ziemlich abgesetzt, fallen deutlich geringere abrupte Kehrtwendung und bewegt sich Schadholzmengen an; lässt man hinge- anschließend relativ rasch in Richtung gen den Vorrat ansteigen, so kommt es CO2-Quelle. Dieses Verhalten ist auf den aufgrund der höheren Gefährdung von Umstand zurückzuführen, dass im öster- Altbeständen zu einer deutlichen Zu- reichischen Wald in den bringungs- nahme der Schadholzmengen. günstigen Lagen bevorzugt genutzt wird, und deshalb der laufende Zuwachs Senkenleistung des Waldes nur ab dem Jahr 2070 zurückgeht. Der von vorübergehender Dauer Zuwachsrückgang ab dem Jahr 2100 ist Abbildung 6 zeigt die für die Treibhaus- dann hauptsächlich durch das Klima gasbilanzierung maßgeblichen jährlichen bedingt. Änderungen des gesamten Kohlenstoff- Die CareforParis-Studie zeigt recht vorrats im Wald (stehende Biomasse und eindrucksvoll, dass der CO2-Speicherung Boden). Dabei wird offensichtlich, dass im Wald Grenzen gesetzt sind. Daher trotz unterschiedlicher Bewirtschaftung ist eine effiziente Holzverwendung alle Szenarien von einer CO2-Senke zu mindestens ebenso wichtig, oder viel- einer CO2-Quelle werden. Der Zeitab- leicht sogar noch wichtiger, als den Wald stand, in dem das passiert, variiert als „simples Kohlenstofflager“ zu be- Priv.-Doz. Dr. Thomas Ledermann, allerdings beträchtlich. Bei der Umtriebs- trachten. Denn durch Holznutzung und Dr. Georg Kindermann, Dr. Robert Jandl, zeitverkürzung ist das bereits nach 15 Holzverwendung können Emissionen Dr. Klemens Schadauer, Jahren der Fall, beim Vorratsaufbau von fossilem Kohlenstoff in beträcht- Bundesforschungszentrum für Wald, Seckendorff-Gudent-Weg 8, wird der Wald erst nach etwa 90 Jahren lichem Ausmaß vermieden werden 1130 Wien, zur CO2-Quelle. (siehe dazu Fritz et al. und Weiss et al.). thomas.ledermann@bfw.gv.at Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 13
MARTIN BRAUN, PETER SCHWARZBAUER, FRANZISKA HESSER Kohlenstoffspeicherung durch Holzprodukte aus heimischem Einschlag Waldbauliche Maßnahmen sowie Wald gespeicherten Kohlenstoff in Möglichkeiten der adaptiven Waldbe- einem zusätzlichen Holzprodukte-Kreis- wirtschaftung in naher Zukunft können lauf speichern, sondern helfen auch die Marktdynamik zwischen ver- dabei, fossil basierte Produkte stofflich schiedenen Sektoren des Forst- und und energetisch zu substituieren. Eine Holzsektors langfristig beeinflussen. effiziente kaskadische Nutzung von Holz Diese Interaktionen wirken weit über hilft dabei, Kohlenstoff länger im den Aufbau von Kohlenstoffvorräten Holzprodukte-Kreislauf zu halten. in Holzprodukten hinaus. Anhand mehrerer spezifischer Szenarien (siehe Veränderung der Kohlenstoff- Einleitung Seite 8) wurden mögliche vorräte in Holzprodukten Effekte auf die Entwicklung der Kohlen- Das Übereinkommen von Paris führt die stoffspeicherung in Holzprodukten ursprünglich in der 17. Klimarahmen- untersucht. konvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) festgelegten Anrechnungs- Holzprodukte leisten neben dem Wald regeln fort, bei denen eine stoffliche einen wichtigen Beitrag zum Klima- Nutzung von heimischem Holz in der na- schutz. Sie können nicht nur den im tionalen Treibhausgasbilanz als Kohlen- Die Nutzung von Holzprodukten ist in je- dem Fall zu empfehlen, weil fossile Rohstoffe dauerhaft ersetzt werden. Foto: NTC/Lignum 14 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
stoffspeicher angerechnet werden kann. kürzungsszenario, Baumartenwechsel- Holzprodukte (Harvested Der Fokus bei Holzprodukten (Harvested szenario) bzw. eine gleichbleibende Ent- Wood Products, HWP): Wood Products, HWP) liegt auf den wicklung (Referensszenarien, Vorratsauf- vor allem Halbwaren aus Halbfertigprodukten Schnittholz, Span- bauszenario) der jährlichen Holzpro- Holz (z.B. Nadelschnitt- und Faserplatten sowie Papier und dukte-Senke zu erwarten ist. Dies zeigt, holz, Laubschnittholz, Pappe. dass – genauso wie im Wald – der durch Span- und Faserplatten, Papier und Pappe) Holzprodukte aufgebaute Kohlenstoff- Entwicklung des Einschlags vorrat nur über einen begrenzten Zeit- In sechs „was-wäre-wenn“-Szenarien raum als Treibhausgas-Senke wirken kann wurden die Effekte verschiedener wald- und sich über einen längeren Zeitraum baulicher Szenarien auf den waldbasier- Sättigungseffekte unter Annahme eines ten Sektor mit Hilfe des dynamischen moderaten Wirtschaftswachstums ein- Modells für die Forst- und Holzwirt- stellen. schaft (FOHOW2) untersucht. Hierzu Das Vorratsaufbauszenario zeigt, dass wurden iterativ für jedes Jahr Daten mit bei weiterem Vorratsaufbau im Wald die dem waldwachstumskundlichen Modell Holzprodukte unmittelbar nur einen CALDIS des Bundesforschungszentrums kleinen Beitrag zur Treibhausgas-Vermei- für Wald (BFW) ausgetauscht, um die dung leisten können. Über die Wirkung marktgängige Verfügbarkeit an Holz aus dieser Produkte für die Vermeidung von heimischem Einschlag festzustellen. Die Emissionen wird später noch genau be- Entwicklung des Einschlags für die ein- richtet werden (Fritz et al., Seite 17). zelnen Szenarien ist in Abbildung 5 auf Abbildung 2 zeigt die jährliche Ver- Abbildung 1: Seite 12 dargestellt. änderung der Kohlenstoffspeicher (d.h. Insgesamt durch die Kohlenstoffflüsse) für die Holzpro- Holzprodukte aufgebaute Wechselwirkungen dukte. Hieraus ist ersichtlich, dass bis Kohlenstoffvorräte Für die Speicherung von Kohlenstoff in ca. 2080 die Zuflüsse in den Kohlen- (in Kilotonnen Holzprodukten spielt die Produktion an stoffspeicher überwiegen und somit CO2-Äquivalenten). Nadelschnittholz aus heimischen Quel- len die größte Rolle. Hier sind Möglich- 50.000 keiten der Rohstoffversorgung an Nadel- sägerundholz für die Entwicklung der langlebigen Holzprodukte maßgeblich. 0 Dabei ist die Mobilisierung von Holz aus schwer zugänglichen Lagen zu empfehlen, -50.000 um einer Überalterung der Bestände kt CO2-eq entgegenzuwirken und dieses Holz als -100.000 Holzproduktkohlenstoffspeicher verfüg- bar zu machen. -150.000 Ergebnisse Abbildung 1 zeigt den seit 2020 aufge- -200.000 bauten Kohlenstoffspeicher für alle 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 2130 2140 2150 Holzprodukte. Dies illustriert, dass die Referenzszenarien R 4.5 und R 8.5 auf Jahr den gesamten Simulationszeitraum bezogen den günstigsten Beitrag zur Referenz (RCP 4.5) Umtriebszeitverkürzung (RCP 8.5) Holzprodukte-Treibhausgasbilanz leisten. Referenz (RCP 8.5) Baumartenwechsel (RCP 8.5) Die Simulationen zeigen ferner, dass in allen Szenarien ein Rückgang Kalamitäten (RCP 8.5+) Vorratsaufbau (RCP 8.5) (Kalamitätsszenario, Umtriebszeitver- Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 15
5000 Abbildung 2: Darstellung der jährlichen kt CO2/Jahr (- Senke / + Emission) Kohlenstoffflüsse für 2500 Holzprodukte (in Kilotonnen CO2- Äquivalenten). 0 -2500 -5000 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 2130 2140 2150 Jahr Referenz (RCP 4.5) Umtriebszeitverkürzung (RCP 8.5) Referenz (RCP 8.5) Baumartenwechsel (RCP 8.5) Kalamitäten (RCP 8.5+) Vorratsaufbau (RCP 8.5) Kohlenstoff in Holzprodukten aufgebaut Beim Management von Kohlenstoff- wird. Ab ca. 2080 ist in allen Szenarien speichern – sei es in natürlichen Systemen – zum Teil Klimawandel bedingt, zum (zum Beispiel Wald) oder anthropoge- Teil bedingt durch die Nutzung bis 2080 nen Systemen (wie etwa Holzprodukte) – mit einer Verknappung der Rohstoff- – wird langfristig immer ein dynamisches versorgung zu rechnen. Wie bei der Equilibrium erreicht, das heißt, irgend- Kohlenstoffspeicherung im Wald kommt wann kann nicht mehr Kohlenstoff ge- es bei der Speicherung von Kohlenstoff speichert werden, als bereits im System in Holzprodukten mit der Zeit zu gespeichert ist. Irgendwann wird der ge- Sättigungseffekten. Diese treten bei speicherte Kohlenstoff freigesetzt (Ab- Holzprodukten deutlich früher als im bau der stehenden Biomasse im Wald Wald auf, weil die Konsumptions- und oder Entsorgung der Produkte) und Entsorgungszyklen im Durchschnitt kür- idealerweise durch neuen Kohlenstoff zer sind als die Wachstums- und Zer- ersetzt (Naturverjüngung bzw. Auffors- fallszyklen im Wald. tung im Wald; Konsum neuer biobasier- DI Dr. Martin Braun MMSc, Trotz dieser Sättigungseffekte findet ter Produkte). Das Verwenden alterna- Ao. Univ.-Prof. auch nach 2080 ein positiver Effekt auf tiver Produkte statt fossilbasierter bzw. DI Dr. Peter Schwarzbauer, Universität für Bodenkultur, die Vermeidung von Treibhausgasen energieintensiver Produkte unterliegt Department für Wirtschaft- und statt, nämlich durch die Substitution von dieser Beschränkung jedoch nicht: Ein Sozialwissenschaften, fossil basierten bzw. energieintensiv her- Holztisch statt eines Aluminiumtisches Institut für Marketing und Innovation, gestellten Produkten durch holzbasierte hat die für den nicht konsumierten Alu- Feistmantelstraße 4, 1180 Wien, Produkte. Da Substitution permanent miniumtisch erforderliche Energie per- martin.braun@boku.ac.at stattfindet, weil Produkte dauerhaft manent substitutiert. DI Dr. Franziska Hesser, MSc, ersetzt werden, ist die Nutzung von Wood K plus, (Kompetenzzentrum Holz GmbH), Holzprodukten somit in jedem Fall zu Altenberger Straße 69, 4040 Linz empfehlen (Fritz et al., Seite 17). 16 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
DAVID FRITZ, WERNER PÖLZ Vermiedene Treibhausgas-Emissionen durch Holzprodukte aus dem österreichischen Wald Welchen Beitrag der Wald und Holz- Für die Berechnung der Auswirkun- produkte zur Speicherung von Kohlen- gen des heimischen Holzes auf Treib- Projekt CareforParis: Untersucht wurden stoff und damit zum Klimaschutz leisten hausgasemissionen spielt die genutzte unterschiedliche Klima- können, wurde in CareforParis von BFW Holzmenge eine entscheidende Rolle. wandelanpassungen im und BOKU untersucht. Zusätzlich ist Diese Menge wird im Rahmen von Care- Wald und deren aber eine weitere Betrachtung wichtig, forParis von BFW und BOKU geliefert. Auswirkungen auf die bei der die folgende Frage beantwortet Bei der Bestimmung der Menge an Er- Treibhausgasbilanz. wird: Wie viele Treibhausgas-Emissionen satzmaterialien wurden die Material- Projektpartner: entstehen durch den Einsatz von Ersatz- eigenschaften und insbesondere auch Bundesforschungs- produkten, wenn kein Holz aus österrei- die Lebensdauer der unterschiedlichen zentrum für Wald (BFW), chischem Wald genutzt wird? Expertin- Produkte als Kriterien berücksichtigt. Umweltbundesamt, nen und Experten aus dem Umweltbun- Eine weitere Grundlage für die Be- Universität für desamt sind dieser Frage nachgegangen. rechnungen ist auch die unterschiedliche Bodenkultur (BOKU), Wood K-Plus Holzart. Die zur Verfügung stehende Stoffliche und energetische Holzmenge wird nach den verschiedenen Finanzierung durch den Nutzung von Holz und Holzarten und Halbprodukten (Nadel- Klima und Energiefonds Treibhausgas-Emissionen oder Laubholz, Holzplatten bzw. Sägen- (KLIEN) Holz aus Österreichs Wald hat ein viel- ebenprodukte sowie energetisch genutz- fältiges Einsatzgebiet. Die stoffliche tes Holz) aufgeschlüsselt und deren stoff- Nutzung umfasst konstruktive Bauele- liche und energetische Einsatzbereiche mente, gestaltende Konstruktionen in Endprodukten für den gesamten Be- sowie die Herstellung von Waren (Holz- trachtungshorizont von 2020 bis 2150 Jedes Holzhaus bindet verpackungen, Möbel, etc.). Insbeson- berücksichtigt. Je nach Szenario ist die Kohlenstoff - ein Beitrag dere in Haushalten wird Holz auch als zur Verfügung stehende Holzmenge zum Klimaschutz Energieträger für die Raumwärme ein- unterschiedlich hoch. Zusammenfassend Foto: lignum_799-011 gesetzt. Entfällt die Nutzung von Holz, müssen allerdings andere Materialien für die stoffliche und energetische Nutzung herangezogen werden. Art und Mengen dieser Alternativen wurden anhand von Expertenbefragungen sowie Energie- statistiken und –trends im Projekt Care- forParis definiert. Für die unterschiedliche stoffliche Nutzung kommen in der Regel abiotische Rohstoffe, wie Eisen, Alumi- nium oder Beton zur Anwendung. Wird Holz als Energieträger in der Raum- wärmebereitstellung ersetzt, kommen Erdgas oder erneuerbare Energiequellen wie Solarthermie oder Wärmepumpen als möglicher Holzersatz in Frage. Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 17
100% stärker aus als für Holzprodukte. Das be- 90% deutet, dass der Treibhausgas-Vorteil von Holz im Laufe der Zeit abnimmt 80% (Abbildung 1). 70% Zusammenfassend zeigen die Ergeb- 60% nisse, dass durch Holz aus österrei- 50% chischem Wald in jedem Szenario und 40% in jedem Jahr viele Treibhausgas-Emis- Stahl-Beton-Ziegel sionen vermieden werden können. 30% Aluminium Der Einsatz der unterschiedlichen 20% Kunststoff Holzarten hat einen entscheidenden Ein- Glas-Keramik-Gips 10% sonstiges fluss auf die Emissionen. Wird drastisch 0% weniger Nadelholz (Baumartenwechsel) 2010 2020 2030 2040 2050 Jahr eingesetzt (Ledermann et al., Seite 6 und Braun et al., Seite 14), wirkt sich das nachteilig in der Bilanz aus, da langlebige Holzprodukte auf Basis von Nadelschnitt- werden im Jahr 2020 rund 40 % des holz anhand der in den Szenarien unter- Abbildung 1: Holzaufkommens stofflich und rund 60 % stellten gleichen Holzverwendung wie Treibhausgasintensität energetisch (inkl. Kaskadennutzung) ge- bisher nicht durch Laubholz ersetzt wer- unterschiedlicher nutzt. (siehe Szenarien Seite 8). den (Szenario Baumartenwechsel). Bis Materialien Mit dem Ökobilanzmodell GEMIS zum Jahr 2050 zeigt sich die Abnahme Quelle: Hill, N. et al (2011) (Globales Emissions Modell Integrierter des Treibhausgas-Vorteiles von Holz. The role of GHG emissions Systeme) wurden für die Holzprodukte Zur energetischen Nutzung wird Holz from infrastructure construc- sowie die in Frage kommenden Ersatz- insbesondere in Haushalten eingesetzt. tion, vehicle manufacturing, produkte bis 2150 Treibhausgasbilanzen In diesem Bereich zeigen sich in den Sze- and ELVs in overall transport erstellt. GEMIS berücksichtigt dabei alle narien bereits deutliche Auswirkungen sector emissions wesentlichen Prozesse im Rahmen einer der Dekarbonisierung. Bis 2050 wird von Lebenszyklusbetrachtung, bei der auch einem hohen Anteil an erneuerbaren Hilfsprodukte bzw. Transportbewegungen Energieträgern, wie z.B. Solarthermie in die Berechnungen eingehen. Aus der oder der Einsatz einer Wärmepumpe Gegenüberstellung dieser Treibhausgas- ausgegangen. Bei diesen erneuerbaren Bilanzen ergeben sich die vermiedenen Energieträgern ist von Treibhausgas- Emissionen durch den Einsatz von Holz Emissionen je kWh in einer ähnlichen im Zeitraum zwischen 2020 und 2150. Größenordnung wie bei energetisch ge- Vorausgesetzt wird, dass die Ersatz- nutztem Holz auszugehen. Das bedeu- materialien die gleiche Dienstleistung tet, dass es nur dann zu Treibhausgas- erbringen wie die Holzprodukte. Einsparungen kommt, wenn Holz an Stelle von fossilen Energieträgern zum Emissionsminderung durch Einsatz kommt. Da der Anteil an fossilen Dekarbonisierung Energieträger bis 2050 stark sinken wird, Eine angenommene Dekarbonisierung sinkt auch dieses Reduktionspotenzial der Energieversorgung (insbesondere und stabilisiert sich bei rund 2,5 Mio. Strom und Transport) bis 2050 bewirkt, Tonnen CO2-Äquivalente jährlich. Die dass die Treibhausgas-Intensität der Er- vermiedenen THG-Emissionen aus der satzmaterialien und auch der Holzpro- stofflichen Holznutzung sind in allen dukte sinken. Szenarien deutlich höher als beim ener- Die Auswirkung dieser Dekarbonisie- getischen Holzeinsatz, obwohl weniger rung fällt für abiotische Ersatzmaterialien Holz stofflich genutzt wird (Abbildungen wie Stahl, Beton oder Zement bis 2050 2 und 3). Dies verdeutlicht die Sinn- 18 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
0 Abbildung 2: (- vermiedene Emission / + zusätzliche Emission) -1000 Jährlich vermiedene -2000 Treibhausgas-Emissionen der stofflichen kt CO2-Äquivalente -3000 Holznutzung -4000 -5000 -6000 -7000 -8000 -9000 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 2130 2140 2150 Jahr 0 (- vermiedene Emission / + zusätzliche Emission) -500 Abbildung 3: -1000 Jährlich vermiedene -1500 Treibhausgas-Emissionen kt CO2-Äquivalente der energetischen -2000 Holznutzung -2500 -3000 -3500 -4000 -4500 -5000 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 2130 2140 2150 Jahr Referenz (RCP 4.5) Umtriebszeitverkürzung (RCP 8.5) Referenz (RCP 8.5) Baumartenwechsel (RCP 8.5) Kalamitäten (RCP 8.5+) Vorratsaufbau (RCP 8.5) haftigkeit der kaskadischen Holznutzung Österreichs rund 79 Mio. Tonnen. mit stofflichem Einsatz in langlebigen Ab dem Jahr 2050 zeigen sich in den Holzprodukten. Ergebnissen – mit Ausnahmen im Insgesamt können entsprechend den Szenario Baumartenwechsel – vermie- Berechnungen im Jahr 2020 rund 12 dene Emissionen in der Höhe von Mio. Tonnen CO2-Äquivalente durch 6 bis 8 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente, Mag. David Fritz, den modellierten Holzeinsatz vermieden das entspricht in etwa 10 Prozent DI Werner Pölz, Umweltbundesamt, werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 der aktuellen Treibhausgas-Emissionen Spittelauer Lände 5, 1090 Wien, betrugen die Treibhausgas-Emissionen Österreichs. david.fritz@umweltbundesamt.at Praxisinformation | Nr. 51 - 2020 19
Autorenteam: PETER WEISS ET AL. PETER WEISS MARTIN BRAUN, Zusammenschau der Treibhausgas- DAVID FRITZ, THOMAS GSCHWANTNER, ergebnisse des waldbasierten Sektors für FRANZISKA HESSER , verschiedene CareforParis Szenarien ROBERT JANDL, GEORG KINDERMANN, THEO KOLLER, THOMAS LEDERMANN, Im Projekt CareforParis wurde die Treib- zur Produktion von Waren und Dienst- ALICE LUDVIG, hausgas(THG)-Wirkung des wald- leistungen wird durch die Verwendung WERNER PÖLZ, basierten Sektors in Österreich anhand von Holz eine erhebliche Menge an KLEMENS SCHADAUER, von sechs Szenarien analysiert. Die Treibhausgas-Emissionen vermieden. Im BLASIUS FRANZ SCHMID, Ergebnisse wurden für die Subsysteme R 4.5-Szenario („business as usual“ mit CARMEN SCHMID, Wald, den Holzprodukte-Pool und die moderater Klimaerwärmung gemäß RCP PETER SCHWARZBAUER, Holzverwendung interpretiert. Das sind: 4.5, siehe Seite 8) liegt diese Reduktion GERHARD WEISS die THG-Bilanz im österreichischen mehr als doppelt so hoch wie die Senke Wald und im Holzprodukte (HWP)- im Wald und den HWPs (siehe Abbil- Pool, die Treibhausgas-Emissionen über dung 1). Der Gesamteffekt Wald- und den Lebenszyklus von Holzprodukten Holzprodukte-Senke sowie vermiedene und Ersatzprodukten aus anderen Roh- Emission entspricht bis zum Jahr 2150 stoffen. Darüber hinaus wurden zusätz- in diesem Szenario etwa 20 aktuellen lich notwendige fossile Emissionen jährlichen Treibhausgas-Emissionen von gegenüber dem Referenzszenario be- Österreich. Selbst ein forcierterer Dekar- rechnet, wenn Holzprodukte durch bonisierungspfad, der im Rahmen einer Nutzungsreduktion oder andere Gründe Sensitivitätsanalyse simuliert wurde, entfallen. würde die vermiedene Emission durch Die Stadt Wien setzt Holzprodukte gegenüber dem Referenz- auf Vorbildwirkung: Holzverwendung leistet positiven szenario 4.5 zwar verringern, aber den- Außenvisualisierung des Beitrag zum Klimaschutz noch eine konstante und positive Treib- Holzhochhauses in Holzprodukte haben einen geringeren hausgas-Vermeidung insbesondere durch Aspern CO2-Fußabdruck im Vergleich zu anderen die stoffliche Holznutzung über den ge- Foto: rlp/Ruediger, Lainer Rohstoffen. Trotz unterstellter steigender samten Simulationszeitraum ermögli- und Partner Dekarbonisierung der Energieversorgung chen. Die Ergebnisse von CareforParis bestätigen somit jene des Vorgängerpro- jektes (BFW 2015), wonach der größte Hebel des waldbasierten Sektors für den Klimaschutz der Ersatz abiotischer Roh- stoffe durch Holzprodukte und die damit vermiedenen Emissionen ist. Wald wird langfristig zur Kohlenstoffquelle Eine stärkere Ausprägung des Klimawan- dels kann die Treibhausgasbilanz des Waldes wesentlich verschlechtern. Dem- nach stellt der Wald zukünftig eine deut- liche Emissionsquelle dar (gemäß den Szenarien R 8.5 und dem Kalamitäten- szenario, siehe Abbildung 2). Bis 2150 20 Praxisinformation | Nr. 51 - 2020
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