Aktuelle Biotechnologie - scienceindustries
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
POINT NEWSLETTER NR. 224 – FEBRUAR 2021 Aktuelle Biotechnologie INHALT Pflanzenzüchtung Blitzschnelle Domestizierung von Wildreis durch «Genome Editing» 2 Gentherapie Behandlungserfolg schwerer erblicher Blutkrankheiten mit CRISPR/Cas9 3 Industrielle Biotechnologie Bioplastik aus Cyanobakterien 4 Forschung Schweiz Sieben Jahre Freilandversuche mit Gentech-Pflanzen auf der «Protected Site» 5 Gentech-Moratorium Anpassung des Gesetzesrahmens für neue Technologien gefordert 6 Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences 1
PFLANZENZÜCHTUNG Blitzschnelle Domestizierung von Wildreis durch «Genome Editing» Der weiter steigende globale Nah- Die Forscher wählten eine besonders rungsbedarf bei immer schwierigeren klima- gut für moderne Züchtungsansätze und ver- tischen Bedingungen stellt die Pflanzen- schiedene Labormethoden geeignete Vari- züchtung vor grosse Herausforderungen. ante von Oryza alta aus, PPR1 («polyploid Schrittweise, kleine Verbesserungen durch rice»). Sie erstellten das genetische Inventar klassische Züchtungsansätze reichen nicht der Pflanzen durch Sequenzierung ihres mehr aus, um mit der zunehmenden Nach- Erbgutes. Dabei stellten sie fest, dass die frage Schritt zu halten. Es wurde daher vor- Wildreissorte über etwa 20'000 Gene ver- geschlagen, neuartige Nahrungspflanzen fügt, die keine unmittelbare Entsprechung in mit deutlich verbesserten Eigenschaften als Kulturreissorten haben, darunter viele Re- Ergänzung zu den bereits verfügbaren Nutz- sistenzgene gegen Krankheiten. Dies lässt pflanzenarten zu entwickeln. Die Verfügbar- eine grössere genetische Flexibilität bei der keit innovativer Züchtungsverfahren lässt Anpassung an verschiedene Umweltbedin- diese Möglichkeit in greifbare Nähe rücken. gungen erwarten. Ausserdem konnten Un- terschiede in mehreren für die Domestizie- Reis ist Grundnahrungsmittel für rung wichtigen Genen gefunden werden. etwa die Hälfte der Weltbevölkerung, daher fallen Verbesserungen bei der Reis-Produk- Mit einer ganzen Batterie der neuen tivität besonders ins Gewicht. Das Erbgut Verfahren zur Genomeditierung (CRISPR/ von Kultur-Reispflanzen besteht aus zwei Cas9, Base Editing, Multiplex Editing) pass- Chromosomensätzen (je einen von beiden ten die Wissenschaftler sechs agronomisch Eltern), die Pflanzen werden als diploid be- besonders relevante PPR1-Wildreis-Gene so zeichnet. Viele wichtige Nutzpflanzen, wie an, dass sie domestizierten Kulturreissorten Weizen, Zuckerrohr und Erdbeeren sind po- entsprechen. So erhielten sie in kurzer Zeit lyploid und haben mehr als zwei Chromoso- tetraploide Reispflanzen, welche wichtige mensätze. Dies trägt zu kräftigerem Wuchs Eigenschaften den etablierten Kulturreissor- und einer höheren Widerstandsfähigkeit bei, ten aufweisen. Damit konnten sie die ur- vor allem wenn sich die Chromosomens- sprüngliche Domestizierung von Reis über ätze unterscheiden. Dies erhöht die geneti- einen Zeitraum von etwa 10'000 Jahren im sche Vielfalt im Erbgut. Allerdings existiert Schnelldurchlauf nachvollziehen. keine einfache Möglichkeit, eine etablierte diploide Reis-Sorte in eine polyploide Sorte Bevor der neue PPR1-Reis als neue umzuwandeln. Pflanzenart eine Rolle für die Versorgung der Menschheit spielen kann, sind noch Ein grosses Forscherteam aus China grosse Anstrengungen erforderlich. So sol- hat daher einen alternativen Ansatz ge- len weitere genetische Veränderungen die wählt. Sie identifizierten die tetraploide optimale Anpassung der Pflanzen an ver- Wildreisart Oryza alta mit vier Chromoso- schiedene Anbauregionen erleichtern. Die mensätzen, die vor langer Zeit durch Hybri- Forscher konnten aber einen mit den heute disierung von zwei unterschiedlichen Reis- verfügbaren Methoden gangbaren Weg auf- sorten entstanden war. Diese Pflanzen sind weisen, um das Spektrum der menschlichen robust und kräftig, aber es fehlen ihnen Grundnahrungsmittel mit einer neuen Kul- viele der wichtigen Eigenschaften, die Kul- turpflanzenart zu erweitern. turreissorten im Lauf der Domestizierung Quellen: Hong Yu et al. 2021, A route to de novo erworben haben. Dazu gehören kompakter domestication of wild allotetraploid rice, Cell Wuchs, die Form der Ähren, grosse Körner, (online 03.02.2021, doi:10.1016/ die nach der Reife nicht zu Boden fallen, j.cell.2021.01.013); Caixia Gao 2021, Genome en- gineering for crop improvement and future agri- und die Reisqualität. culture, Cell (online 12.01.2021, doi:10.1016/ j.cell.2021.01.005) 2
GENTHERAPIE Behandlungserfolg schwerer erblicher Blutkrankheiten mit CRISPR/Cas9 Mutationen im menschlichen HBB- Geburt des Menschen durch das adulte Hä- Gen für den roten Blutfarbstoff Hämoglobin moglobin ersetzt wird. lösen ernste Erbkrankheiten aus. Die Beta- Thalassämie ist eine Blutarmut, die in Der Verlust der BCL11A-Funktion in schweren Fällen mit lebenslangen Infusio- den Blutstammzellen führt zur Reaktivie- nen von roten Blutkörperchen behandelt rung der Produktion des fetalen Hämoglob- werden muss, und jährlich etwa 60'000 ins, welches die Funktion des durch den er- Menschen neu betrifft. Eine bekannte Muta- erbten Gendefekt beeinträchtigten roten tion löst die Sichelzellkrankheit aus, bei der Blutfarbstoffs übernehmen kann. Die ge- sich rote Blutkörperchen verformen und ver- nomeditierten Blutstammzellen wurden an- klumpen. Das führt zu äusserst schmerz- schliessend in den Patienten gegen die Zel- haften, zum Teil lebensbedrohlichen Durch- len mit der defekten Hämoglobin-Version blutungsstörungen. Eine direkte Behand- ausgetauscht, vermehrten sich dort und be- lung für die etwa 300'000 neu Betroffenen gannen, rote Blutkörperchen mit funktionie- pro Jahr existiert nicht. rendem fetalem Hämoglobin zu produzie- ren. Nach dem belastenden Stammzell-Aus- Jetzt wurden erstmals die Resultate tausch besserte sich der Zustand der Pati- eines gentherapeutischen CRISPR/Cas9-An- enten deutlich. Ihre schweren Krankheits- satzes im angesehenen New England Jour- symptome waren verschwunden, und kehr- nal of Medicine veröffentlicht. Im Rahmen ten auch nach 16 – 20 Monaten nicht zu- klinischer Versuche in den USA, in Kanada rück. Dies führte zu einer enormen Verbes- und Europa unter Begleitung durch ein gros- serung der Lebensqualität, wie Victoria Gray ses Ärzteteam wurden dabei mehrere Pati- berichtet: «Es ist besser, als ich es mir hätte enten mit der CTX001™-Gentherapie des vorstellen können. Ich habe das Gefühl, Schweizer Unternehmens CRISPR dass ich jetzt tun kann, was ich will». Therapeutics und des US Unternehmens Vertex behandelt. Die bisherigen Resultate In der Fachzeitschrift werden die Re- geben Anlass zu grossen Hoffnungen. sultate für je einen Patienten mit Beta-Tha- lassämie oder der Sichelzellkrankheit be- Den Patienten wurden ihre eigenen schrieben. Mittlerweile wurde die Behand- Blutstammzellen mit dem Gendefekt ent- lung von 19 oder mehr Patienten begonnen, nommen. Im Reagenzglas erfolgte dann die für mindestens zehn liegen schon ermuti- Genomeditierung mit CRISPR/Cas9. Dabei gende Zwischenresultate vor. wurde allerdings nicht versucht, den HBB- Quellen: Haydar Frangoulet al. 2021, CRISPR- Gendefekt zu reparieren, das wäre nur mit Cas9 Gene Editing for Sickle Cell Disease and β- der Schneidefunktion der Nuklease schwie- Thalassemia, New England Journal of Medicine rig. Stattdessen wurde die Funktion des 384:252-260; CRISPR Therapeutics and Vertex Present New Data for CRISPR/Cas9 Gene-Editing BCL11A-Gens durch eine gezielte Spaltung Therapy, CTX001™, , 05.12.2020; 1st Patients To des Erbmaterials ausgeschaltet. Das Pro- Get CRISPR Gene-Editing Treatment Continue To Thrive, National Public Radio NPR, 15.12.2020; dukt dieses Gens unterdrückt die Produk- Panagiotis Antoniou et al. 2021, Base and Prime tion des fetalen Hämoglobins, das nach der Editing Technologies for Blood Disorders. Front. Genome Ed. 3:618 3
INDUSTRIELLE BIOTECHNOLOGIE Bioplastik aus Cyanobakterien Plastik ist aus unserem Alltag nicht PHB-Ausbeute in den Zellen deutlich zu mehr wegzudenken. Ob als Werkstoff, steigern. Dämmmaterial, Textilfaser oder Verpa- ckungsmaterial – fast überall sind wir da- Zum einen entfernten sie das Regula- von umgeben. Allerdings werden Kunst- tor-Protein PirC durch Ausschaltung des da- stoffe trotz vieler hervorragender Eigen- zugehörenden Gens. PirC drosselt die PHB- schaften zunehmend auch kritisch beurteilt. Synthese, ohne PirC wird sozusagen eine Viele von ihnen sind in der Umwelt nur Bremse für die Biokunststoff-Synthese ge- schwer abbaubar, und können sich so zum löst. Zusätzlich wurden noch zwei Gene aus Beispiel in den Weltmeeren anreichern. Cupriavidus necator-Bakterien in die Auch wird ein Grossteil der Kunststoffe aus Cyanobakterien eingeschleust, welche Erdöl hergestellt. Sowohl bei der Verbren- ebenfalls die PHB-Produktion stimulieren. nung als auch bei einer Zersetzung gelangt Unter geeigneten Wachstumsbedingungen so fossiler Kohlenstoff in die Atmosphäre, produzierten diese genetisch veränderten und trägt zur Klimaerwärmung bei. Cyanobakterien grosse Mengen an PHB, und reicherten bis zu 81% ihres Eigenge- Biobasierte Kunststoffe können hier wichts davon an – der höchste Gehalt des einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhal- Biopolymers, der je für Cyanobakterien be- tigkeit leisten. Die Vermeidung fossiler Roh- schrieben wurde. stoffe schont das Klima, und die Eigen- schaften neuer Kunststoffe lassen sich Ein wesentlicher Vorteil der Produk- massschneidern, so dass sie nach Erfüllung tion in Cyanobakterien ist, dass diese mit ihrer Aufgabe einfach rezykliert oder in der Hilfe der Photosynthese Lichtenergie zur Umwelt abgebaut werden können. Polyhyd- Umwandlung von Kohlendioxyd zu organi- roxyalkanoate (PHA) sind eine Klasse von scher Materie verwenden können. Sie kön- Biopolymeren, die zunehmend Interesse fin- nen nur mit Wasser, CO2 , Sonnenlicht und den. Hierbei handelt es sich um natürliche anorganischen Nährstoffen Bioplastik pro- Polyester. Zu ihnen gehört das biologisch duzieren. Pflanzliche Rohstoffe, wie bei der abbaubare Polyhydroxybutyrat (PHB), das herkömmlichen Produktion durch Fermen- ähnliche Eigenschaften wie der Kunststoff tation, sind nicht mehr erforderlich – damit Polypropylen aufweist. PHB wird aktuell fällt auch die mögliche Konkurrenz zwi- durch Fermentation von pflanzlichen Roh- schen der Verwendung von Pflanzen als Le- stoffen durch spezielle Bakterien gewon- bensmittel und als Rohstoff für die Kunst- nen, kann aber aufgrund seines hohen Prei- stoffproduktion weg. ses ausser in Nischenmärkten nicht mit erdölbasierten Kunststoffen konkurrieren. Bis zu einer industriellen PHB-Produk- tion im grossen Massstab müssen noch Forschende von der Universität Tü- viele Faktoren optimiert werden. Die hier bingen (D) unter Leitung von Professor Karl präsentierten Resultate zeigen aber deutlich Forchhammer haben jetzt einen vielverspre- das grosse Potential der Cyanobakterien für chenden Ansatz präsentiert, um PHB in ho- eine nachhaltige industrielle Produktion von her Ausbeute mit Hilfe von Cyanobakterien Bioplastik auf. (Blaualgen) zu produzieren. Diese bilden Quellen: Cyanobakterien könnten die Plastikin- von Natur aus geringe Mengen von PHB als dustrie revolutionieren, Medienmitteilung Univer- Speichersubstanz, aber viel zu wenig, um sität Tübingen, 02.02.2021); Tim Orthwein et al. wirtschaftlich interessant zu sein. Eine 2021, The novel PII-interactor PirC identifies phosphoglycerate mutase as key control point of gründliche Analyse der Stoffwechsel-Vor- carbon storage metabolism in cyanobacteria, gänge in den Cyanobakterien ermöglichte PNAS 118(6):e2019988118; Moritz Koch et al. 2020, Maximizing PHB content in Synechocystis den Wissenschaftlern jetzt, gezielte geneti- sp. PCC 6803: a new metabolic engineering strat- sche Veränderungen einzuführen, um die egy based on the regulator PirC, Microb Cell Fact 19:231 (2020 4
Krautfäuleresistente cisgene Kartoffeln mit Wildkartoffel-Resistenzgenen und anfäl- lige herkömmliche Sorte im Agroscope-Freilandversuch (Photo: Susanne Brunner) FORSCHUNG SCHWEIZ Sieben Jahre Freilandversuche mit Gen- tech-Pflanzen auf der «Protected Site» Auf etwa 13 % der weltweiten Acker- Hektaren können dort unter strengen Si- fläche wachsen gentechnisch veränderte cherheitsvorkehrungen Freilandversuche Nutzpflanzen, sie sind in manchen Ländern mit gentechnisch veränderten Pflanzen seit Jahrzehnten zu einer Selbstverständ- durchgeführt werden. So wird sowohl die lichkeit in der Landwirtschaft geworden. Umwelt gegen eine unerwünschte Ausbrei- Auch in der Grundlagen- und anwendungs- tung von Versuchsorganismen geschützt, orientierten Forschung gehören Freilandver- als auch die Forschungsfreiheit durch einen suche mit gentechnisch veränderten Pflan- Schutz vor Störungen der wissenschaftli- zen ausserhalb Europas zur Routine. Allein chen Arbeiten durch Vandalen. Die Protec- in den USA wurden 2020 etwa 350 derartige ted Site nahm ihren Betrieb im Jahr 2014 Versuche gemeldet. Im Gegensatz dazu ist auf. In der Zeitschrift «Agrarforschung die Zahl angemeldeter Freisetzungsversu- Schweiz» geben die Agroscope-Forschen- che in der EU aufgrund ungünstiger politi- den Susanne Brunner, Jörg Romeis, Andrea scher Rahmenbedingungen von über 100 Patocchi und Roland Peter jetzt einen Über- im Jahr 2009 auf gerade einmal fünf im blick über sieben Jahre Freilandversuche Jahr 2020 zurückgegangen. mit gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP). Die Schweiz mit ihrem langen for- schungspolitischen Horizont möchte sich Bereits 1991 und 1992 fanden die dagegen von den globalen Entwicklungen ersten Feldversuche mit GVP in der Schweiz der Pflanzenforschung und- Züchtung nicht statt, mit virusresistenten Kartoffeln in völlig abkoppeln, und bietet ihren Forschen- Changins. Seither wurden in der Schweiz den eine europaweit einzigartige Infrastruk- verschiedene Freisetzungsversuche durch- tur an: die «Protected Site» an der staatli- geführt, aber leider wiederholt durch tech- chen Forschungsanstalt Agroscope am nologie-kritische Vandalen beschädigt. In Standort Reckenholz. Auf etwa drei der EU waren solche Angriffe ein Grund für 5
den starken Rückgang von Freilandversu- führten hier zu einem weitgehenden Schutz chen mit GVP, da die Budgets von Grundla- gegen Infektion mit dem Erreger Phytoph- genforschenden in der Regel nicht ausrei- thora infestans, auf einen Einsatz von Fungi- chen, um aufwändige Schutzmassnahmen ziden konnte bei den cisgenen Kartoffeln zu finanzieren. In der Schweiz bestand der weitgehend verzichtet werden (siehe Foto politische Wille, die Forschungsfreiheit zu auf Seite 5). schützen, und das Parlament bewilligte 2012 die erforderlichen Finanzmittel für den Trotz der guten, von Agroscope be- Aufbau und Betrieb der Protected Site. Dort reitgestellten Infrastruktur verlangen Frei- finden Wissenschaftler seit 2014 günstige landversuche mit GVP für die Forschenden Arbeitsbedingungen vor, und können sich einen grossen administrativen Aufwand. auf ihre Arbeiten konzentrieren. Agroscope Anträge für neue Versuche sind umfang- stellt den Schutz der Versuchsfelder, die ag- reich (ca. 80 Seiten) und erfordern fast ein ronomische Betreuung, die fachliche Koor- halbes Jahr Arbeit. Auch ist der Ablauf des dination und die Kommunikation gegenüber Bewilligungsverfahrens schwer vorausseh- der Öffentlichkeit sicher. Dabei spielt die ei- bar, oft kommt es zu unerwarteten Verzöge- gene Website www.protectedsite.ch eine rungen. Das erschwert die Planung der For- wichtige Rolle. schungsarbeiten deutlich. Nach Inbetriebnahme der Protected Dennoch stellen die Forschungsmög- Site wuchs die Zahl der Freisetzungsversu- lichkeiten an der Protected Site eine wich- che rasch, und seit 2017 laufen parallel vier tige Voraussetzung dar, um GVP unter Pra- Versuche mit unterschiedlichen Kulturen xisbedingungen zu untersuchen – sowohl und Fragestellungen. Bis auf einen Versuch agronomische Eigenschaften als auch As- mit Winterweizen mit erhöhtem Ertragspo- pekte der Biosicherheit können im Labor nur tential ging es dabei immer um Untersu- unzureichend geprüft werden. So können chungen zur Verbesserung der Krankheits- auch Kompetenzen der Schweiz auf diesem resistenz von Pflanzen. So wurden Mehltau- Gebiet erhalten und weiter ausgebaut wer- resistenz bei Sommerweizen, Feuerbrandre- den. Es ist damit zu rechnen, dass in der sistenz bei Apfelbäumen, und seit 2020 Zukunft auch Grundlagenforschung mit ge- auch Pilzresistenz von Mais und Gerste nomeditierten Pflanzen auf der Protected durch den Einbau eines Weizen-Resistenz- Site stattfinden wird. gens untersucht. Quellen: Susanne Brunner et al. 2021, Protected Site: Sieben Jahre Freilandforschung mit gen- Eindrucksvolle Resultate ergaben technisch veränderten Pflanzen, Agrarforschung Versuche zur Krautfäuleresistenz bei Kar- Schweiz 12:9–15; «Protected Site»: Standort für Feldversuche mit gentechnisch veränderten toffeln. Resistenzgene aus Wildkartoffeln Pflanzen, www.protectedsite.ch, Agroscope GENTECH-MORATORIUM Anpassung des Gesetzesrahmens für neue Technologien gefordert Im November 2020 hatte der Schwei- Moratoriums erweitern. Neu soll es auch für zer Bundesrat vorgeschlagen, das aktuell alle mit neuen Züchtungsverfahren wie der geltende Zulassungs-Moratorium für den Genomeditierung entwickelte Pflanzen gel- Anbau gentechnisch veränderte Pflanzen ten. Deren rechtliche Einordnung ist aktuell ein viertes Mal zu verlängern, diesmal bis nicht eindeutig geklärt. Ende 2025. Eine entsprechende Vorlage wurde bis zum 25. Februar 2021 in die Ver- Verschiedene Organisationen haben nehmlassung geschickt (POINT 221, No- ihre Stellungnahme zu der Vorlage bei Re- vember 2020). Zugleich möchte der Bun- daktionsschluss bereits veröffentlicht. sci- desrat auch den Geltungsbereich des enceindustries betont die Chancen der 6
neuen Technologien wie der Genomeditie- neuer gentechnischer Verfahren unter das rung, auch für Gebiete ausserhalb der Land- bisherige Gentechnikrecht entbehre einer wirtschaft. Die Verlängerung des Gentech- rechtlichen Grundlage, daher solle der Bun- Moratoriums bis 2025 wird entschieden ab- desrat den rechtlichen Status von neuen gelehnt, weil dadurch Innovationen für eine gentechnischen Verfahren klären. nachhaltigere Landwirtschaft blockiert wer- den, z. B. die Entwicklung krankeitsresisten- Die Grünliberalen fordern eine diffe- ter Nutzpflanzen. Zugleich wird die Anpas- renzierte Regelung: während sie eine Mora- sung der rechtlichen Rahmenbedingungen toriumsverlängerung für klassische Formen für neue gentechnische Verfahren an den der Gentechnik unterstützen, sollen neue wissenschaftlichen Fortschritt gefordert, Methoden des Genome Editing nicht mehr um die Chancen der neuen Technologien dem Gentech-Moratorium unterstellt, son- auch für die Schweiz nutzbar zu machen. dern separat reguliert werden. economiesuisse unterstreicht, dass Es fällt auf, dass es zu der Frage der die Moratoriums-Verlängerung wissen- Moratoriumsverlängerung verschiedene Po- schaftlich nicht gerechtfertigt sei, und lehnt sitionen mit unterschiedlichen Argumenten sie ab. Ein Moratorium würde die notwendi- gibt. Weitgehende Einigkeit scheint jedoch gen zukunftsweisenden rechtlichen Anpas- darin zu bestehen, dass für die neuen gen- sungen im Bereich der Gentechnik weiter technischen Verfahren möglichst bald ge- verzögern. Die Rahmenbedingungen für in- eignete rechtliche Rahmenbedingungen novative genetische Technologien müssten ausgearbeitet werden sollten, um Rechtssi- jetzt geregelt werden. cherheit zu schaffen. Bereits 2018 hatte der Bundesrat differenzierte, dem Risiko ange- Der Schweizer Bauernverband SBV passte Regelungen für neue Technologien begrüsst eine Verlängerung des Moratori- angekündigt, bisher aber immer noch keine ums, denn damit könne das Erfolgsmodell Vorschläge dazu präsentiert. Die Rückmel- der gentechnikfreien Schweizer Landwirt- dung zur Vernehmlassung erteilen hier ei- schaft auch in Zukunft gelebt werden. Er nen klaren Arbeitsauftrag. fordert allerdings, die offenen Fragen zur Quellen: GVO-Anbau: Bundesrat will Moratorium Regulierung der neuen Züchtungsverfahren verlängern, Medienmitteilung des Bundesrats, 11. zu klären, da diese auch Chancen bieten 11. 2020; Erläuternder Bericht zur Änderung des könnten. Gentechnikgesetzes (Entwurf November 2020); Gentech-Moratorium: Technologieverbote verhin- dern Chancen, scienceindustries Medienmittei- Die Eidgenössische Kommission für lung, 24.02.2021; scienceindustries Stellung- nahme zur Verlängerung des Gentech-Moratori- Konsumentenfragen EKK begrüsst eine ums, 24.02.2021; economiesuisse Stellung- Moratoriumsverlängerung, um die Positio- nahme (Gentech-Moratorium), 15.02.2021; Schweizer Bauernverband SBV Stellungnahme, nierung der EU abzuwarten. Die EKK emp- 26.01.2021; Eidgenössische Kommission für fiehlt jedoch, die Diskussion um die Chan- Konsumentenfragen EKK (Stellungnahme), 28.01.2021; Grünliberale Stellungnahme (Morato- cen und Risiken der Gentechnik in der Öf- rium) 24.02.2021 fentlichkeit zu fördern und die Anliegen der Bevölkerung zu klären. Die Unterstellung Der POINT Newsletter «Aktuelle Biotechnologie» erscheint monatlich in elektronischer Form. Er fasst aktuelle Meldungen aus Forschung und Anwendung rund um die Bi otechnologie zu- sammen. Für ein mail-Abonnement hier klicken oder e-mail an die Redaktion. Frühere Aus- gaben stehen im online-Archiv zur Verfügung. Text und Redaktion: Jan Lucht, Leiter Biotechnologie (jan.lucht@scienceindustries.ch) scienceindustries info@scienceindustries.ch Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life scienceindustries.ch Sciences Nordstrasse 15 - Postfach Folgen Sie uns CH-8021 Zürich Tel. + 41 44 368 17 11 7
Sie können auch lesen