Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen

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Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen
P r o j e k t     M O U N T L A N D

        Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische
        und agrarpolitische Herausforderungen
        Alexandre Buttler1,2,3, Konstantin Gavazov1,2, Alexander Peringer1,4, Silvana Siehoff1, Pierre Mariotte1,2,
        Jean-­Bruno Wettstein5, Joël Chételat6, Robert Huber2, François Gillet1,3 und Thomas Spiegelberger7
         Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL, School of Architecture, Civil and Environmental Engineering
        1

         ENAC, Laboratory of ecological systems ECOS, Station 2, 1015 Lausanne
        2
          Swiss F­ ederal Research Institute WSL, Site Lausanne, Station 2, 1015 Lausanne, und 8903 Birmensdorf
        3
          Université de Franche-Comté – CNRS, UMR 6249 Chrono-environnement, 25030 Besançon cedex, Frankreich
        4
          Institute for Landscape Planning, University of Stuttgart ILPOE, Stuttgart, Deutschland,
        5
          Bureau d’agronomie, 1450 Ste-Croix
        6
          Microgis Foundation for Spatial Analysis MFSA, 1025 St-Sulpice
        7
          Irstea, Research Unit Mountain Ecosystems, 38402 Saint-Martin d’Hères, Frankreich
        Auskünfte: Alexandre Buttler, E-Mail: alexandre.buttler@epfl.ch, Tel. +41 21 693 39 39

        Kontrollstandort les Amburnex beim Col du Marchairuz (Vaud). (Foto: Alexandre Buttler, WSL)

        Einleitung                                                           wie Auerhahn, Luchs oder verschiedene Orchideen. Die
                                                                             Wytweiden sind ein typischer Bestandteil der Juraland­
        Wytweiden sind vom Menschen geschaffene Weide­                       schaften und dienen sowohl im Winter als auch im
        flächen auf denen sich bestockte und reine Weide­   ­                Sommer als Erholungs- und Freizeitgebiet, insbeson­
        flächen abwechseln. Diese dienen in erster Linie als                 dere für die Bevölkerung der nahegelegenen urbanen
        Futtergrundlage für Kühe und Rinder und werden                       Gebiete des Genfersees. Die Wytweiden-Ökosysteme
        zur Holzgewinnung genutzt. Im jahrhundertelan­                       stellen noch weitere, für die Gesellschaft grundlegende
        gen Zusammenspiel von Natur und Mensch wurden                        Ökosystemdienstleistungen bereit, wie beispielsweise
        kleinräumige Mosaikstrukturen geschaffen, die einer                  die Speicherung und Reinigung von (Trink-)Wasser, die
        Vielzahl von Pflanzen und Tieren einen passenden                     Reinhaltung der Luft oder die attraktiven Kulturland­
        Lebensraum bieten, darunter emblematische Arten                      schaften (Miéville-Ott und Barbezat 2005).

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Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen
Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen | Projekt MOUNTLAND

Wytweiden reagieren empfindlich auf Landnutzungsän­                             Die für den Jura typischen Wytweiden dienen
derungen, weil die Vegetationsentwicklung durch ein                             als Futterweiden und Holzlieferanten.

                                                              Zusammenfassung
komplexes Zusammenspiel von Beweidung und Forst­                                Darüber hinaus haben diese artenreichen
wirtschaft geprägt ist. In den letzten Jahrzehnten wech­                        Ökosysteme weitere Funktionen, insbeson-
selten sich verschiedene Phasen der Landnutzung ab                              dere als Raum für Erholungs- und Freizeitakti-
(Chételat et al. 2012). Nach dem 2. Weltkrieg wurden                            vitäten. Die Wytweiden reagieren empfind-
viele Flächen gerodet, um die Nachfrage nach Holz und                           lich auf Klima- und Landnutzungsänderungen.
Nahrungsmitteln decken zu können. Die Kombination                               Dieser Artikel zeigt mit Hilfe eines Transplan-
einer protektionistischen Landwirtschaft mit der fort­                          tations-Experiments und Modellrechnungen,
schreitenden Mechanisierung der Landwirtschaft hielt in                         wie sich die prognostizierten Klimaänderun-
der Folgezeit die Intensität der Nutzung hoch. Gleichzei­                       gen auf die Grasproduktion der Wytweiden
tig führte der Strukturwandel in der Landwirtschaft zu                          auswirken und welche zusätzlichen Effekte
voneinander abgetrennten Nutzungseinheiten. In den                              durch die nächste Agrarreformetappe
Siebzigerjahren führte die Einführung der Milchkontin­                          (AP14 – 17) zu erwarten sind. Die Resultate
gentierung zu einer Abschwächung der Nutzungsinten­                             zeigen, dass unter zukünftigen Klimabedin-
sität. Die Trennung von Einkommens- und Preispolitik                            gungen die Futterproduktion auf Wytweiden
anfangs der neunziger Jahre resultierte in einem starken                        stabiler verläuft als auf Weiden ohne Bäume.
Rückgang der Produzentenpreise, wodurch sich der                                Die Modellsimulationen prognostizieren,
Trend verstärkte, dass Flächen entweder intensiv genutzt                        dass die bestehende Nutzungsintensität zu
oder aber aufgegeben wurden. ­      Dieser Trend konnte                         einer Übernutzung auf offenen Weiden
auch durch die Einführung der (öko­     logischen) Direkt­                      führen kann, wenn das Futterangebot
zahlungen mit dem neuen Verfassungsartikel von 1996                             trockenheitsbedingt zurückgeht. Im Gegen-
nicht wesentlich gebremst werden. Parallel zu den                               satz dazu führt die AP14 – 17 zu einer
unterschiedlichen Phasen der Landnutzung spielten                               Extensivierung der Landnutzung, wodurch
auch die Veränderung des Klimas und Wetterereignisse                            längerfristig die Zunahme geschlossener
wie Stürme und Dürreperioden eine wichtige Rolle in                             Waldflächen gefördert wird. Die in der
der Entwicklung der Wytweiden (Peringer et al. 2012).                           AP14 – 17 vorgesehenen Landschaftsqualitäts-
Durch die kalkhaltigen Unterböden und den damit ver­                            beiträge sollten es ermöglichen, spezifische
bundenen raschen Wasserabfluss sind die Wytweiden im                            Massnahmen zur Erhaltung der Wytweiden
Jura insbesondere anfällig auf Trockenheit. Die Zunahme                         zu unterstützen.
der mittleren jährlichen Temperatur um 1,5 Grad führte
im vergangenen Jahrhundert zu extremen Sommertem­
peraturen und vermehrten Dürreperioden, welche sich
negativ auf die Futterproduktion auswirkten (Gavazov
et al. 2012). Für viele landwirtschaftliche Betriebe im
Jura erhöhte sich dadurch das Einkommensrisiko, weil
fehlende Futterreserven zugekauft oder der Tierbestand
angepasst werden mussten.
    Auch in Zukunft werden sich klimatische und sozio-
ökonomische Änderungen stark auf die Vegetation der
Wytweiden auswirken. Der Klimawandel rechnet in die­
sem Jahrhundert mit einer Fortsetzung des Temperatur­
anstiegs um 2,8 – 5,3 Grad und einer Verringerung der
Niederschläge um 30 %, wodurch das Risiko von Dürre­
perioden weiter zunehmen dürfte (CH2011). Gleichzei­
tig sieht die nächste Reformetappe der Agrarpolitik
(AP14 – 17) vor, dass mit der Weiterentwicklung des
Direktzahlungssystems tierbezogene durch flächenbe­
zogene Direktzahlungen ersetzt werden. Damit sollen
Intensivierungsanreize in der Tierhaltung abgeschafft
werden und die Landnutzungsintensität reduziert wer­
den (Barth et al. 2011). Eine zusätzliche Extensivierung 

                                                                                    Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012   347
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Projekt MOUNTLAND | Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen

          Abb. 1 | Mesokosmos für das Transplantationsexperiment. (Foto: Konstantin Gavazov, EPFL)

          der Landnutzung im Wytweidensystem des Juras könnte                 (Waadtländer Jura) in tiefere Lagen verpflanzt (Abb. 2).
          jedoch die Zunahme der Walddichte beschleunigen und                 Der Standort Combe des Amburnex (1350 m ü.M.,
          damit der Segregation der Flächen in offene Weiden und              N 46° 4‘, E 6° 23‘) diente als Kontrolle vor Ort. Eine
          geschlossenen Wald Vorschub leisten.                                Verpflanzung nach Saint-George (1010 m ü.M., N 46°
              Für diesen Artikel wurden verschiedene methodische
          Ansätze miteinander verknüpft, um eine ganzheitliche
                                                                                                                                                                           e
          Perspektive zu ermöglichen (Huber et al. 2012b). Mit                 0            20 km                                                                    ler
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                                                                                                                                         Neuenburg
          Blick auf die verschiedenen wertvollen Funktionen der
          Wytweiden und die daraus entstehenden Nutzungskon­                                                                                      e
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          flikte wurden bereits in früheren Forschungsprojekten                                                                          bur           ur
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          Instrumente entwickelt, welche eine integrierte und mul­
          tifunktionale Bewirtschaftung unter der Berücksichti­
          gung divergierender Interessen ermöglichen sollen (Bar­
          bezat und Boquet 2008). Die hier präsentierten Resultate
                                                                                                       x
          verdeutlichen, wie wichtig die Berücksichtigung der kli­                                  ou
                                                                                                  eJ
                                                                                               cd
                                                                                             La
          matischen und agrarpolitischen Veränderungen in der
                                                                                        Les Amburnex
          Entwicklung von adaptiven Massnahmen sein wird.                                           Aubonne            Lausanne
                                                                                           St-George
                                                                                                              Genfersee
          Material und Methoden

          Die vorliegende Analyse umfasst drei verschiedene
          methodische Ansätze. 1) Ein Boden-Transplantations­
          experiment; 2) ein Vegetationsmodell und 3) ein sozio-                     Genf
          ökonomisches Landnutzungsmodell.
              Für den experimentellen Teil dieser Studie wurden
                                                                              Abb. 2 | Geographische Lage des Verpflanzungsexperiments (ent-
          im August 2009 Bodensoden («Mesokosmen», ca.                        lang des Höhengradienten Les Amburnex – St-George – Arboretum
          60 × 80 cm und 35 cm tief – Abbildung 1) entlang eines              d’Aubonne) und der Modellregionen in Bullet. (Planets Ouest, Pla-
          Höhengradienten von der Combe des Amburnex                          nets Milieu Est, Cluds sud).

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Abb. 3 | Die verpflanzten Mesokosmen auf einer offen Wytweide in der Combe des Amburnex.
(Foto: Alexandre Buttler, WSL)

52‘, E 6° 26‘) repräsentiert einen Temperaturanstieg              gen. Die Weiden unterscheiden sich in ihrer
von +2 Grad und eine Reduktion der Niederschläge                  Landnutzungsintensität und der aktuellen Vegetations­
von -20 %. Das Arboretum von Aubonne (570 m ü.M.,                 struktur: Planets Ouest ist eine fast baumlose, sehr inten­
N 46° 51‘, E 6° 37‘) entspricht einer Änderung von                siv genutzte Allmende (1,79 GVE/ha für 170 Tage/Jahr),
+4 Grad beziehungsweise -40 % der Niederschläge.                  Planets Milieu Est ist ein meist offenes Grasland mit eini­
    Die Bodensoden aus der Combe des Amburnex                     gen licht bewaldeten Flächen (1,56 GVE/ha für 135 Tage/
stammten dabei aus Wytweiden mit unterschiedlicher                Jahr), während Cluds Sud ein Mosaik aus Weide und
Walddichte: i) einer dicht bewaldeten Weide, ii) einer            Waldstücken ist (0,99 GVE/ha für 153 Tage/Jahr). Durch
licht bewaldeten Weide und iii) einer baumfreien                  die Nähe zu den Versuchsflächen konnten die experi­
Weide. An jedem Standort wurden fünfzehn Mesokos­                 mentellen Ergebnisse in die Parametrisierung des
men (5 x 3 Typen Weidefläche) eingesetzt und die                  Modells einfliessen.
natürlich vorherrschenden Lichtbedingungen mit Hilfe                  Die sozio-ökonomische Modellierung, welche den
von Beschattungsnetzen simuliert (Abb. 3). In jedem               Einfluss der Agrarreform (AP14 – 17) auf die Nutzungsin­
Mesokosmos wurde das Gras auf einer Fläche von                    tensität auf den Wytweiden simuliert, basiert auf dem
35 × 35 cm geschnitten (Ende Juli), alle Pflanzenarten            Optimierungsmodell ALUAM. Dieses agentenbasierte
bestimmt, getrocknet und gewogen. Die entspre­                    Modell optimiert die Einkommen der Landwirte unter
chende Biomasse diente als Grundlage für die Schät­               der Berücksichtigung von agrarökologischen und
zung der jährlichen Biomasseproduktion.                           betriebsbedingten Restriktionen (Huber et al. 2012a).
    Für die Simulation der Sukzessionsdynamik in den              Für die Auswirkungen der AP14 – 17 wurden die Berech­
Wytweiden wurde das dynamische Computermodell                     nungen ohne Tierbeiträge aus dem Beitrag von Huber et
WoodPaM (Gillet 2008; Peringer et al. 2012) benutzt.              al. (2012b) verwendet. Dieses Modell wurde mit dem
WoodPaM ist ein räumlich explizites Modell der Wyt­               WoodPam-Modell gekoppelt.
weide-Ökosysteme, das in der Lage ist, im Schweizer                   Für die Klimawandelszenarien wurden regionali­
Jura die Entstehung einer halboffenen Weidelandschaft             sierte Temperatur- und Niederschlags-Zeitreihen benutzt,
unter der selektiven Beweidung von Rindern und Kühen              die den erwarteten Klimawandel für zwei unterschiedli­
zu simulieren. Es wurde für diese Studie auf drei Wytwei­         che Emissionsszenarien wiederspiegeln (IPCC 2007). Für
den in der Nähe von Bullet (1200 m ü.M., Abb. 2) ange­            den Zeitraum von 2000 – 2100 werden folgende Annah­
wendet, welche in enger Nachbarschaft zueinander lie­             men getroffen:                                              

                                                                                   Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012   349
Projekt MOUNTLAND | Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen

                                                                         200                                     Baumfreie Weide
                                                                                                                 Licht bewaldete Weide
         Unterschiede in der oberirdischen Biomasseproduktion {g* m-²}

                                                                                                                 Dicht bewaldete Weide

                                                                         100

                                                                          0

                                                                         -100

                                                                         -200
                                                                                +2 K                      +4 K
                                                                                 Erwärmung durch Verpflanzung

               Abb. 4 | Unterschiede in der durchschnittlichen Biomassenproduktion (2010 und 2011) der Grasschicht (g*m -2)
               der drei Habitate im Vergleich zum Kontrollstandort auf 1400m. Signifikante Unterschiede sind mit einem Stern
               gekennzeichnet.

         ••Szenario B2: Temperaturerhöhung von +4 Grad;                                                           ist. Steigt die Auslastung auf über 100 %, dann reicht
         ••Szenario A1FI: Temperaturerhöhung von +8 Grad                                                          das heranwachsende Futter nicht mehr aus, um die ent­
         ••Szenario B2 & A1FI: Zunahme der Trockenperioden                                                        sprechende Anzahl der Tiere ausreichend zu ernähren.
           durch Verlagerung der jährlichen Niederschlagsmen­                                                     Dagegen ermöglicht eine kurzfristige Auslastung (d.h.
           gen vom Sommer- in das Winterhalbjahr.                                                                 einige Jahre) von unter 100 % die Regene­    ration der
                                                                                                                  Wytweiden und eine Erhaltung des spezifischen Land­
                 Resultate                                                                                        schaftsmosaiks. Findet jedoch längerfristig eine Unter­
                                                                                                                  weidung statt, dann nimmt die Walddichte auf den
         Abbildung 4 zeigt die Resultate der Verpflanzung von                                                     entsprechenden Weiden zu. Abbildung 5 illustriert,
         Bodensoden für zwei Höhenstufen und die drei unter­                                                      dass mit steigender Temperatur ab dem Jahr 2000 die
         suchten Habitate. Eine moderate Klimaerwärmung von                                                       Auslastung der intensiv bewirtschafteten Weiden Pla­
         +2K führte auf keiner der Flächen zu signifikanten Ände­                                                 nets Ouest die 100 %-Schwelle während einer Vielzahl
         rungen. Eine simulierte Erwärmung von +4K reduzierte                                                     von Jahren überschreitet. Im Gegensatz dazu bleibt die
         die jährliche Biomasseproduktion auf den unbewalde­                                                      Auslastung der extensiv und moderat genutzten Wei­
         ten Flächen, welche ursprünglich die höchsten Erträge                                                    den während der ersten 50 Jahre des Klimawandels
         aufwiesen, um 40 %. Auf den dicht bewaldeten Weiden                                                      (2000 – 2050) sowohl im moderaten Szenario B2 als
         hingegen ergab sich eine leichte Erhöhung der Futter­                                                    auch im Szenario A1F unter der 100 % Schwelle. Nach
         produktion.                                                                                              2050 kann je nach Klimaszenario eine unterschiedliche
            In den Simulationen der Futterproduktion auf Land­                                                    Entwicklung beobachtet werden. Eine moderate Klima­
         schaftsebene führte das zu einer unterschiedlichen                                                       erwärmung liesse die Ausnutzung auf den offenen
         Nutzung der vorhandenen Futterressourcen bei kons­                                                       Weiden deutlich über den optimalen Ausnutzungsgrad
         tanter Besatzdichte (Abb. 5). Eine Auslastung von 100 %                                                  steigen, während die licht bewaldeten Flächen sich bis
         in Abbildung 5 bedeutet, dass alles verfügbare Futter                                                    2100 dem Schwellenwert von 100 % näherten. Im extre­
         abgeweidet wird und keine Waldregeneration möglich                                                       men Szenario A1Fl überschritten auch die licht bewal­

 350           Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012
Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen | Projekt MOUNTLAND

                                                  Klimawandelszenario B2
                                  200%
                                  180%
                                  160%
                                  140%                                                    a
                                  120%
                                                                                          b
                                  100%
                                                                                          c
                                   80%
                                   60%
Nutzungsrate des Futterangebots

                                   40%
                                   20%
                                    0%

                                                  Klimawandelszenario A1FI
                                  200%
                                  180%                                                    a
                                  160%
                                  140%                                                    b
                                  120%
                                                                                          c
                                  100%
                                  80%
                                  60%
                                  40%
                                  20%
                                    0%
                                      1950     2000                     2050                  2100
                                                       Kalenderjahre

      Abb. 5 | Entwicklung des Ausnutzungsgrads der totalen Futterproduktion unter zwei
      ­K limaszenarien auf drei Wytweiden in der Nähe von Bullet, Planets Ouest (a), Planets­
       ­M ilieu Est (b) und Cluds Sud (c) (nach Gavazov et al . 2012).

     deten Flächen eine Ausnutzung von 100 % und nur die                            Der Anteil der licht bewaldeten Flächen nimmt auf
     extensiv genutzte Mosaikweide von Cluds Sud bliebe                             den zurzeit intensiv genutzten Flächen zu, während
     unter der 100 %-Schwelle. Mit anderen Worten: nur auf                         auf weniger intensiv genutzten Flächen dicht bewal­
     diesen Weiden wäre kontinuierlich ausreichend Futter                           dete Weiden entstehen.
     vorhanden um den Bedarf der Tiere zu decken. Dies                            2. Die Waldentwicklung ist gekennzeichnet durch eine
     verdeutlicht das Potenzial dieser Wytweiden, dank der                         Veränderung der Baumartenzusammensetzung von
     Schutzwirkung der Bäume, die negativen Effekte des                             der Fichte zur Buche (Peringer et al. 2012). Dadurch
     Klimawandels auf die Futterproduktion abzumildern.                             nimmt die Waldfläche mittelfristig (bis 2050) ab, bevor
         Wie wirkt sich nun eine extensivere Nutzung, impli­                        sie gegen Ende des Jahrhunderts wieder ansteigt
     ziert durch die AP14 – 17 (Huber et al. 2012a), auf die                       (Cluds Sud). In der Simulation verbindet dabei ein
     Entwicklung der verschiedenen Wytweiden-Typen aus
     ­                                                                              intermediäres Sukzessionsstadium mit Vogelbeere den
     (baumfreie Weide, licht bewaldete Weide, dicht bewal­                         trockenheitsbedingten Zusammenbruch von Fichten­
     dete Weide und beweideter Wald)? Abbildung 6 illust­                           beständen mit der Neuetablierung der Buche. Simula­
     riert die Entwicklung bis ins Jahr 2050 und 2100 in den                       tionen mit einem Zeithorizont über 2100 zeigen, dass
     drei Modellregionen Planets Ouest, Planets Milieu Est                          sich dieser Trend der zunehmenden Waldfläche
     und Cluds Sud für das Klimaszenario B2. Dabei können                          akzentuiert und auch, dass die licht bewaldete durch
     zwei Entwicklungen unterschieden werden:                                       dicht bewaldete Weiden und Wald ersetzt werden.
                                                                                   Längerfristig deutet dies auf eine Simplifizierung der
  1. Die Walddichte nimmt aufgrund der Extensivierung                              Landschaft hin, welche im Verlust von reichstrukturier­
    auf allen Flächen zu. In der Simulation sind im Jahr                           ten Lebensräumen und damit der typischen Biodiversi­
    2100 nur noch vereinzelte offene Weiden zu finden.                             tät der Wytweiden resultieren.                                    

                                                                                                     Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012       351
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                                        c                                      c                                    c

                               b                                      b                                    b

                        a                                      a                                    a

           2000                                  2050                                  2100

                              Baumfreie Weide                                          Dicht bewaldete Weide
                              Licht bewaldete Weide                                    Beweideter Wald

          Abb. 6 | Simulation der Entwicklung von Weidetypen mit unterschiedlichem Bestockungsgrad für die Jahre 2050
          und 2100 in Planets Ouest (a), Planets Milieu Est (b) und Cluds Sud (c) bei Bullet unter dem Szenario AP 14 – 17 und
          dem Klimaszenario B2.

          Diskussion                                                               schen Bedingungen gleichzeitig die Konkurrenzkraft der
                                                                                   Bäume erhöht. Schon aktuell zeigt sich in den Wytwei­
         Das Feldexperiment belegt, dass mit steigenden Tempe­                     den eine allgemeine Tendenz zur verstärkten Waldent­
         raturen und einer Reduktion der Niederschläge die Fut­                    wicklung, weil die Klimaerwärmung im vergangenen
         terproduktion auf den offenen Weiden des Juras zurück­                    Jahrhundert das harsche Klima milderte und die Baume­
         geht. Im Gegensatz dazu ist die Biomasseproduktion auf                    tablierung förderte.
         den Wytweiden stabil (licht bewaldete Weiden) bezie­                          Die Wirkung der durch die AP 14 – 17 zu erwarten­
         hungsweise sogar leicht ansteigend (dicht bewaldete                       den Extensivierung der Wytweiden muss als ambivalent
         Weiden). In der Versuchsanlage wiesen die entsprechen­                    bezeichnet werden. Einerseits wird die Wahrscheinlich­
         den Wytweiden eine (künstliche) Beschattung von 40%                       keit einer Übernutzung der Weiden mit der Umlage­
         respektive 80 % auf, was zu einer niedrigeren Boden­                      rung der tierbezogenen Direktzahlungen auf die Fläche
         temperatur und einer höheren Bodenfeuchte führte.                         stark vermindert. Andererseits führt eine starke
         Dadurch waren die negativen Einflüsse der simulierten                     Zunahme der Walddichte längerfristig zu einer Simplifi­
         Trockenheit auf diese Bodensoden begrenzt. Die Wich­                      zierung der Landschaft. Um die verschiedenen Funktio­
         tigkeit des Mikroklimas zeigte sich auch in der Simulie­                  nen der Wytweiden und die landschaftliche Vielfalt län­
         rung der Klimaveränderung auf Landschaftsebene. Die                       gerfristig zu gewährleisten, ist deshalb die Ausgestaltung
         mosaikartige Zusammensetzung der Wytweiden ermög­                         der Landschaftsqualitätsbeiträge im Rahmen der
         licht eine stabile Futterproduktion trotz vermehrtem                      AP14 – 17 elementar. Diese sollten es ermöglichen, räum­
         Trockenheitsstress. Halboffene Wytweide-Landschaften                      lich explizite Massnahmen zur Erhaltung der Wytwei­
         sollten es daher den Landwirten erlauben, trotz der pro­                  den zu definieren. Dazu gehören eine gezielte Unter­
         gnostizierten Zunahme von Trockenperioden eine konti­                     stützung einer standortgerechten Besatzdichte und
         nuierliche Grasmenge zu produzieren. Dadurch redu­                        eine räumlich explizite Reduzierung des Walddrucks
         ziert sich auch das ökonomische Risiko, weil sich die                     durch selektive Holzeinschläge. Auch eine Anpassung
         Wahrscheinlichkeit verringert, dass man in trockenen                      der Zonenzugehörigkeit (landwirtschaftliche Nutzflä­
         Jahren zusätzlich Futterkäufe tätigen muss.                               che (LN) bzw. Sömmerungsfläche) könnte dabei als Mit­
         Die Simulationsergebnisse verdeutlichen auch, dass die                    tel zur Anpassung der Nutzungsintensität in Betracht
         Erhaltung der Wytweiden von einer optimalen Nut­                          gezogen werden. n
         zungsintensität abhängig ist. Eine zu hohe Nutzungsin­
         tensität fördert die Entstehung einer offenen und damit
         trockenheitsempfindlicheren Weide (Gavazov et al. 2012,
         Mariotte 2012). Eine Extensivierung der Wytweiden
         dagegen kann das sensible Konkurrenzverhältnis zwi­                       Dank
                                                                                   Das Forschungsprojekt MOUNTLAND wurde durch die Finanzierung des Compe-
         schen Gras und Krautschicht ebenfalls ins Ungleichge­                     tence Center for Environment and Sustainability (CCES) des ETH Bereichs
         wicht bringen. Insbesondere dann, wenn die klimati­                       ermöglicht.

 352      Agrarforschung Schweiz 3 (7–8): 346–353, 2012
Erhaltung der Wytweiden im Jura: klimatische und agrarpolitische Herausforderungen | Projekt MOUNTLAND

            Conservazione dei pascoli alberati del Giura:                                     Conservation of pasture woodlands in the Jura
            sfide climatiche e agro-politiche                                                 mountains: climate change and agro-political
Riassunto

                                                                                    Summary
            I caratteristici pascoli alberati del Giura                                       challenges
            servono principalmente da foraggio per                                            Wooded pastures of the Jura mountains are
            animali e forniscono legname. Inoltre, essi                                       mainly used for fodder and timber production,
            sono anche importanti per la loro biodiver-                                       but they provide also other goods and services
            sità, svolgono altre funzioni come aree di                                        such as biodiversity, leisure areas as well as
            svago e di ricreazione per il tempo libero,                                       attractive landscapes. These ecosystems are
            come pure per la qualità del paesaggio che                                        sensitive to climate and land-use changes. In
            essi offrono in prossimità delle grandi zone                                      this paper we report on a transplantation
            urbane nell’arco lemanico. Questo articolo                                        experiment and model simulations to show
            mostra, con l’aiuto di modelli di simulazione,                                    the impact of climate change on the grass
            l’effetto di cambiamenti climatici sulla                                          production as well as the consequences of the
            produzione di biomassa erbacea e, in questo                                       upcoming new agriculture policy (AP 14–17) on
            contesto, le conseguenze della nuova                                              landscape dynamics. Results indicate that
            riforma agraria (PA 14–17) sull’evoluzione                                        wooded pastures could better resist to climate
            del paesaggio. I pascoli alberati potrebbero                                      warming and concomitant summer droughts
            meglio resistere all’aumento delle tempera-                                       than open pastures, and thus provide more
            ture e alla diminuzione delle precipitazioni                                      stable fodder yields along the season. Simula-
            estive, rispetto ai pascoli non alberati,                                         tions of vegetation evolution indicate that the
            mantenendo una produzione foraggera più                                           global utilization rate of fodder in treeless
            stabile. L’associazione del modello di                                            intensive used pastures would be beyond a
            vegetazione ad un modello socio-economico                                         sustainable threshold. The AP 14–17 will lower
            indica che attraverso la nuova politica                                           the intensity of pasturing which will lead to
            agricola (AP 14–17), la pressione di pascolo                                      more closed landscapes in the long run. The
            diminuirà e che nell’ambito di uno scenario                                       new policy should allow, by means of incen-
            di moderato riscaldamento climatico questo                                        tives in favour of landscape quality, to take
            porterà a un inforestamento con un                                                targeted measures for the conservation of
            aumento di zone boschive chiuse. La nuova                                         wooded pastures.
            politica agricola dovrebbe permettere di
            prendere delle misure mirate per conservare                                       Key words: pasture-woodland, climate
            i pascoli alberati.                                                               warming, vegetation dynamics, transplanta-
                                                                                              tion experiment, agricultural policy.

  Literatur                                                                          ▪▪ Huber R., Briner S., Peringer A., Widmer A., Gillet F., Seidl R., Lauber S.,
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     20 – 25.                                                                           A
                                                                                        ­ grarforschung Schweiz 3 (7–8), 354–359.
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