Bakteriell bedingte Geschlechtskrankheiten
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PRAXIS Schweiz Med Forum Nr. 38 17. September 2003 898 Bakteriell bedingte Geschlechtskrankheiten: Teil 1 Stephan Lautenschlager Einleitung STD dokumentiert werden [3]. Seit 1995 wird nun jedoch in mehreren Ländern eine Trend- Sexuell übertragbare Krankheiten (STD) stellen umkehr beobachtet [4]. Beispielsweise kam es weltweit ein bedeutendes Problem für die in Grossbritannien zwischen 1995 und 2000 zu Medizin und das öffentliche Gesundheitswesen einem Anstieg der Gonorrhoe-Inzidenz um dar. Insbesondere in den Entwicklungsländern 102% mit der grössten Zuwachsrate zwischen Südostasiens, Afrikas und Lateinamerikas 1999 und 2000. In Frankreich war sogar eine gehören sexuell übertragbare Infektionen (STI) Zunahme um 170% zwischen 1997 und 1998 zu den häufigsten Krankheits- und Todesur- zu verzeichnen. Ähnliche Trends wurden auch sachen und haben nicht nur erhebliche gesund- in Holland, Finnland, Schweden und Griechen- heitliche, sondern auch bedeutende soziale land dokumentiert, wo auch gleichzeitig ver- und wirtschaftliche Konsequenzen. Weltweit mehrt resistente Erreger gefunden wurden. sind mehr als 30 sexuell übertragbare Erreger Nachdem initial ein bedeutender Wiederan- bekannt, die Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen stieg der Syphilis seit 1994 in den Staaten der und Ektoparasiten umfassen (Tab. 1). Alleine ehemaligen Sowjetunion beobachtet werden seit 1975 sind zwölf Erreger neu entdeckt konnte [5], liessen sich Ausbrüche ab 1999 worden [1]. Am häufigsten sind Infektionen mit auch in Grossbritannien, Irland, Frankreich, humanen Papillomviren, Herpesviren, Chlamy- Holland und Norwegen registrieren [4], die dien und Trichomonaden, während Infektionen meist homosexuelle Männer betrafen, wovon mit Hepatitis B, HIV, Syphilis oder Gonorrhoe einige mit einer bekannten HIV-Infektion. Be- seltener auftreten. Gemäss Schätzungen der sorgniserregend ist die Zunahme der STD, weil Weltgesundheitsorganisation (WHO) erfolgen sie mit einer erneuten Zunahme der sexuell weltweit über 333 Millionen bakteriell bedingte akquirierten HIV-Infektion korreliert, die in STI pro Jahr [2]. Bei adäquater Diagnostik und Westeuropa zwischen 1995 und 2000 um 20% Therapie sind diese Krankheiten mit wirk- anstieg [4]. samen Antibiotika heilbar. Dazu gehören die Zur Erfassung der Inzidenz von STD stehen in als klassische Geschlechtskrankheiten be- der Schweiz zwei Meldesysteme zur Verfügung. kannte Gonorrhoe, Syphilis, das Ulcus molle Einerseits werden im Rahmen des Melde- und das Lymphogranuloma venereum. Eine systems für Infektionskrankheiten durch das ungenügende Diagnostik und Therapie der Bundesamt für Gesundheit positive Labor- STD kann gravierende Auswirkungen auf Er- meldungen von Gonokokken und Chlamydien krankte, aber auch auf Schwangerschaften und registriert. Seit Jahren sind bei der Gonorrhoe Neugeborene haben. Als wichtigste Komplika- jährlich steigende Zahlen zu verzeichnen. Seit tionen sind die aufsteigende Infektion, Infer- 1996 kam es mit 254 registrierten Fällen zu tilität, Extrauteringravidität und schwerste mehr als einer Verdoppelung der Fälle bis 2002 neurologische Langzeitfolgen zu nennen. Da (531 Fälle); dieser zunehmende Trend zeichnet weltweit wieder ein Anstieg der STD zu ver- sich auch für das laufende Jahr ab. Ebenfalls ist zeichnen ist und diese Erkrankungen typi- eine Zunahme der positiven Laborresultate scherweise mit Hautveränderungen einherge- der Chlamydien zu verzeichnen, die seit 1999 hen, wird im folgenden auf die charakteristi- (2132) jährliche Zuwachsraten aufweisen und sche Klinik, die erforderlichen Abklärungs- 2002 3133 Fälle umfassen. Die tatsächliche schritte und die adäquate Therapie der klassi- Prävalenz liegt jedoch um ein Vielfaches höher Korrespondenz: schen STI eingegangen. [6]. Nachdem die Inzidenz der Syphilis in der PD Dr. med. Schweiz seit 1989 bis 1997 kontinuierlich Stephan Lautenschlager rückläufig war, wurde die Meldepflicht für Chefarzt Dermatologisches Epidemiologie Syphilis aufgehoben, obwohl eine Trendum- Ambulatorium Triemli kehr 1998 noch festgehalten werden konnte. Herman Greulich-Strasse 70 CH-8004 Zürich Im Rahmen von AIDS-Präventionskampagnen Somit kann der weltweite Trend der erneuten konnten in mehreren westeuropäischen Län- Zunahme der Syphilis aufgrund fehlender stephan.lautenschlager@triemli. dern Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre Laborkollektiv-Meldungen für die Schweiz stzh.ch eine deutlich abnehmende Inzidenz klassischer nicht analysiert werden.
PRAXIS Schweiz Med Forum Nr. 38 17. September 2003 899 Tabelle 1. Sexuell übertragbare Krankheiten und assoziierte Erreger. Bakterien Bakterielle Vaginose Gardnerella vaginalis, Mycoplasma hominis, Mobiluncus spp und andere vaginale Anaerobier Enteritis (v.a. bei MSM*) Shigella spp, Campylobacter spp, Branhamella, Helicobacter spp (?). Gonorrhoe Neisseria gonorrhoeae Granuloma inguinale Calymmatobacterium granulomatis Lymphogranuloma venereum Chlamydia trachomatis Serotypen L1–L3 NGU** Chlamydia trachomatis, Ureaplasma urealyticum, Mycoplasma genitalium (?) und hominis (?) Syphilis Treponema pallidum Ulcus molle Haemophilus ducreyi Viren AIDS HIV Condylomata acuminata Humane Papillomviren Hepatitis Hepatitis A-, B- und C-Virus Herpes genitalis Herpes simplex Typ 1 und 2 Kaposi-Sarkom Humanes Herpesvirus Typ 8 Molluscum contagiosum Molluscum-contagiosum-Virus (Poxviren) Mononukleose Zytomegalievirus, Epstein-Barr-Virus Pilze Vulvovaginitis, Balanitis Candida spp NGU** Protozoen Trichomoniasis, NGU** Trichomonas vaginalis Giardiasis (MSM*) Giardia lamblia Amöbiasis (MSM*) Entamoeba histolytica Ektoparasiten Pediculosis pubis Phthirius pubis Skabies Sarcoptes scabiei MSM* = «males who have sex with males» (homosexuelle Männer) NGU** = nicht-gonorrhoische Urethritis Abbildung 1. Extragenitaler syphilitischer fasst werden. Die Gründe für die Zunahme der Primäraffekt. STD sind vielfältig. Einerseits muss eine nach- lassende Bereitschaft zu «safer-sex» genannt werden und – insbesondere bei jüngeren Er- wachsenen, die die ersten Präventionskampa- gnen nicht miterlebt haben – besteht ein Infor- mationsmangel. Weiter haben die Fortschritte in der HIV-Therapie und der Postexpositions- prophylaxe zu einem ungerechtfertigten blin- den Vertrauen sowohl bei HIV-negativen als auch bei HIV-positiven Personen geführt [8]. In grösserem Umfang ist jedoch der oro-genitale Infektionsweg für die Zunahme verantwortlich. Die Übertragung dieser STD bei ungeschütztem Oralsex erfolgt meist in Unkenntnis des Risikos Das zweite Meldesystem betrifft das Schweize- [9], da von vermeintlich «safer-sex» ausgegan- rische Netzwerk der sechs Dermatologischen gen wird, was jedoch nur für die HIV-Präven- Polikliniken, das die HIV-Prävalenz bei Patien- tion gilt. ten mit einer Geschlechtskrankheit seit 1990 erfasst [7]. Im Rahmen dieser Erhebung konnte ebenfalls ein ansteigender Trend der STD er-
PRAXIS Schweiz Med Forum Nr. 38 17. September 2003 900 Tabelle 2. Differentialdiagnose Genitale Ulzerationen genitaler Ulzera. In den letzten Jahren hat sich der Begriff des Genitalulkus-Syndroms (genital ulcer disease) Infektiös eingebürgert und umfasst alle Krankheiten bei Viral: Herpes-simplex-Virus, Zytomegalievirus, sexuell aktiven Personen, die mit Ulzera bzw. Epstein-Barr-Virus, HIV-Primärinfektion Erosionen ano-genital mit oder ohne Lympha- Bakteriell: Lues, Lymphogranuloma venereum, denopathie einhergehen. Die Tabelle 2 zeigt Donovanose, schankriforme Pyodermie, das Spektrum der Differentialdiagnose. Die Fournier’sche Gangrän, Tuberkulose, Ekthyma drei überwiegenden infektiösen Ursachen sind Mykotisch: Candida Herpes genitalis, Ulcus molle und der syphili- Nicht infektiös tische Primäraffekt. Die Inzidenz der unter- Pyoderma gangraenosum schiedlichen Erreger ist je nach geographischer Morbus Behçet Verteilung sehr unterschiedlich. In den west- Medikamentös lichen Industrieländern überwiegt ursächlich z.B. Foscarnet der Herpes genitalis gefolgt von primärer Syphilis, während in den meisten afrikanischen Traumatisch Staaten das Ulcus molle für ano-genitale Ulze- Neoplastisch rationen verantwortlich ist. z.B. Spinaliom, Basaliom Syphilis Die Syphilis – verursacht durch Treponema Abbildung 2. pallidum – ist durch den stadienhaften Verlauf Roseola syphilitica. charakterisiert, wo Perioden mit Krankheits- symptomen von teilweise sehr langen asympto- matischen Phasen (Latenzphasen) unterbro- chen werden. Die Inkubationsperiode beträgt durchschnittlich 3 Wochen, kann jedoch zwi- schen 9 bis 90 Tagen variieren. Die Übertra- gung erfolgt in der Regel durch sexuellen Kon- takt mit einer infizierten Person, die eine Früh- syphilis (Stadium I oder II) aufweist. Das Risiko, sich bei einem einmaligen Kontakt mit einer infizierten Person anzustecken, schwankt Abbildung 3. zwischen 10 und 60%, durchschnittlich kann Corona veneris bei sekundärer von einer Ansteckungsrate von 30% ausgegan- Syphilis. gen werden [10]. Eine Spätsyphilis weist nur ein minimales Übertragungsrisiko auf. Die primäre Manifestation der Syphilis ist ein schmerzloses Ulkus an der Inokulationsstelle. Meist entwickelt sich aus einem lokalisierten Erythem innerhalb von Tagen ein isoliertes Ulkus, das klinisch durch derb infiltrierte Rän- der und eine schmierig belegte Basis charakte- risiert ist. In 5 bis 14% besteht ein extragenita- les Ulkus, das am häufigsten oral lokalisiert ist und dann typischerweise sehr schmerzhaft sein kann [11] (Abb. 1). Gelegentlich bestehen Abbildung 4. atypische Primäraffekte wie multiple oder wei- Plaques muqueuses der Zunge che Ulzera oder nur knotige Verhärtungen. Ge- bei sekundärer Syphilis. legentlich kann ein Primäraffekt gänzlich feh- len oder asymptomatisch verlaufen (v.a. zervi- kal oder rektal). Wenige Tage nach Auftreten des Primäraffekts kommt es zur meist beidsei- tigen schmerzlosen regionären Lymphknoten- schwellung. Ein ano-rektaler Primäraffekt kann eine ähnliche Symptomatik wie eine Anal- fissur mit schmerzhafter und blutig-tingierter Defäkation verursachen; eine gleichzeitig be- stehende Induration und inguinale Lymph-
PRAXIS Schweiz Med Forum Nr. 38 17. September 2003 901 Abbildung 5. men [13]. Lokalisierte Papeln im Kapillitium Braunrote, serpiginöse können zur Mottenfrass-ähnlichen Alopecia tertiäre Syphilis am Rücken. areolaris führen. Dieser Haarausfall kann sel- tener auch Augenbrauen, Wimpern und Bart- haare betreffen. Wenn die papulösen Syphilide in intertriginösen Arealen lokalisiert sind, kann es durch Mazeration zu flachen, feuchten Lä- sionen, den sogenannten Condylomata lata kommen. Das Sekret dieser erodierten Papeln ist sehr erregerreich, weshalb diese Manifesta- tionen die höchste Kontagiosität aufweisen. Bis knapp die Hälfte der Patienten entwickelt auch Schleimhautveränderungen, am häufigsten die Plaques muqueuses (Abb. 4) und die Angina specifica. Ebenfalls können lokalisierte Enan- them- oder Perlèche-artige Veränderungen (split papules) im Mundwinkel bestehen [11]. Rezidivexantheme können während Monaten auftreten bis die Erkrankung ohne Therapie in die Latenzphase übertritt (Lues latens). Diese Latenzphase tritt meist zwischen dem zweiten und dritten Stadium auf und ist charakterisiert durch eine positive Serologie in Abwesenheit von Symptomen. Die Lues latens wird arbiträr in eine Früh- und Spätlatenz eingeteilt. Die CDC (Center of Disease Control, Atlanta) hat eine Infektionsdauer von bis zu einem Jahr als in- adenopathie sollte jedoch diagnostisch weg- fektiöse Frühlatenz eingeteilt, während eine weisend sein. Die primäre Symptomatik heilt Infektion über einem Jahr als Spätlatenz und innerhalb von durchschnittlich sechs Wochen als nicht mehr infektiös beurteilt wird. Die ab. Noch im Primärstadium, meist aber erst Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die nach der dritten Woche, werden die Seroreak- Trennlinie dieser Stadien auf zwei Jahre fest- tionen positiv. Unbehandelt kommt es bei der gelegt. Ohne Therapie geht ein Drittel der Pa- Hälfte der Patienten nachfolgend zu Sympto- tienten in eine tertiäre Syphilis über. Dieses men des zweiten Stadiums, während die an- dritte Stadium, das heutzutage in der west- dere Hälfte direkt in die Latenzphase eintritt lichen Welt nur noch sehr selten angetroffen [12]. wird, ist gekennzeichnet durch eine zelluläre Die grosse klinische Variabilität des zweiten Abwehrreaktion bei gleichzeitiger Erreger- Stadiums hat der Lues den sprichwörtlichen armut. Mehrere Jahre nach der Primärinfek- Ruf der «grande imitatrice» verliehen. Der tion können insbesondere die Haut, das Zen- Beginn dieser Krankheitsphase findet 6 bis tralnerven- und das kardiovaskuläre System 8 Wochen nach Auftreten des Primäraffekts betroffen sein. Weniger häufig finden sich statt. In knapp einem Drittel kommt es zu über- Manifestationen an Knochen, Augen, Muskula- lappenden Symptomen der beiden Stadien. tur und viszeralen Organen. Gummen sind die Das zweite Stadium tritt infolge hämatogener klassischen Läsionen und treten am häufigsten Dissemination von T. pallidum auf. Allgemein- an Haut und Schleimhaut auf. Dabei handelt es symptome umfassen Fieber, Malaise, Hals- und sich um schmerzlose Knoten von bis zu mehre- Kopfschmerzen, Myalgien sowie eine generali- ren Zentimetern Grösse aus zentral verkäsen- sierte, nicht dolente Mikrolymphadenopathie. dem tuberkuloidem Granulationsgewebe mit In 80% der Patienten findet sich eine Haut- und einer charakteristischen gummiartigen Konsi- Schleimhautsymptomatik [13]. Häufig besteht stenz. Prädilektionsstellen umfassen Gesicht, initial ein asymptomatisches, makulöses, oft Kapillitium, Unterschenkel und die sternoklavi- sehr zartes, hellrotes Exanthem seitlich am kuläre Region. Im Verlauf kommt es zur Ein- Thorax (Roseola syphilitica, Abb. 2), das nach schmelzung und wie ausgestanzt wirkenden 2 Wochen wieder verschwindet. Im weiteren Ulzerationen, die unter ausgeprägter Narben- Verlauf kommt es zu den charakteristischen bildung abheilen. Als weitere charakteristische makulo-papulösen oder papulo-squamösen Hautveränderungen finden sich flache, braun- Exanthemen mit scharfer Begrenzung, etwas rote, gruppierte, oft serpiginös konfigurierte, dunklerer Farbe und Prädilektionsstellen pal- plattenartige oder knotige Läsionen, die soge- moplantar, Stamm, Gesicht (Abb. 3) und auch nannten Spätsyphilide der Haut (Abb. 5). Sie Extremitäten. Pustulöse, granulomatöse oder weisen ebenfalls eine Neigung zu Ulzerationen nodöse Varianten können ebenfalls vorkom- und Narbenbildung auf und sind insbesondere
PRAXIS Schweiz Med Forum Nr. 38 17. September 2003 902 am Rücken, an Armen und im Gesicht lokali- trolle. Diese Antikörpertiter sollten sich typi- siert. scherweise innerhalb von 6 bis 12 Monaten um das Vierfache reduzieren, um nach mehreren Diagnostik Jahren die Nachweisgrenze vollständig zu un- Da der kulturelle Nachweis von T. pallidum terschreiten [15]. Spezifische Antitreponemen- nicht möglich ist, beruht die Diagnostik der Antikörper korrelieren nicht mit der Krankheits- Syphilis mehrheitlich auf den charakteri- aktivität und bleiben trotz adäquater Therapie stischen Seroreaktionen. Es ist jedoch zu meist lebenslang nachweisbar. Im Rahmen berücksichtigen, dass der Primäraffekt 1 bis einer sekundären Syphilis sind sämtliche Tests 3 Wochen vor einer serologischen Antwort be- positiv, während im dritten Stadium die unspe- stehen kann. Infolgedessen ist es in dieser zifischen Tests negativ oder nur schwach posi- Phase unumgänglich, eine Dunkelfeld-Unter- tiv sein können. suchung des läsionären Exsudates oder allen- falls eine fluoreszenzmikroskopische Unter- Therapie suchung zum Direktnachweis der Spirochäten Während bald 50 Jahren erweist sich Penicil- durchzuführen. Diese Untersuchung erfordert lin bei ausbleibender Resistenzentwicklung jedoch eine grosse Erfahrung und kann falsch und unverminderter Wirksamkeit als Therapie negative Resultate infolge der Anwendung der Wahl [16]. Zur Therapie der primären, topischer Antibiotika oder Einnahme nur ge- sekundären und frühen Lues latens wird eine ringer Mengen systemischer Antibiotika liefern einzige intramuskulär zu verabreichende Dosis [14]. Testverfahren auf Basis der Polymerase- von Benzathin-Penicillin G (2,4 Mio. Einheiten) Kettenreaktion (PCR) zum Nachweis trepone- empfohlen. Bei Therapieversagen (5 bis 10% maler DNS aus klinischen Proben sind vielver- der Patienten) werden nach Ausschluss einer sprechend, aber noch nicht routinemässig Neurosyphilis drei Dosen Benzathin-Penicillin verfügbar. Serologisch werden spezifische und G zu 2,4 Mio. Einheiten in wöchentlichen Ab- nichtspezifische Tests unterschieden. Von den ständen empfohlen. Eine späte Lues latens spezifischen serologischen Testverfahren eig- sowie eine tertiäre Syphilis werden in gleicher net sich insbesondere der TPHA (Treponema- Weise mit drei Injektionen therapiert [16]. Pa- pallidum-Haemagglutinationstest) aufgrund tienten mit einer bekannten Penicillin-Allergie seiner einfachen Handhabung und günstigen können mit Doxycyclin, Erythromycin oder Preises als idealer Screeningtest. Zur Bestäti- Azithromycin behandelt werden. Unabhängig gung ist der FTA-ABS (Fluorescent-T.-palli- von der Wahl des Antibiotikums kann es ins- dum-Antikörper-Absorptionstest) aufgrund der besondere bei der Therapie der Frühsyphilis zu höheren Spezifität geeignet. Nur selten kommt einer akuten febrilen Reaktion, der sogenann- es beispielsweise bei Leberzirrhose, Kollageno- ten Jarisch-Herxheimer-Reaktion kommen, die sen, Diabetes mellitus oder in der Schwanger- sich mit Muskelschmerz, Schüttelfrost und schaft zu falsch reaktiven Befunden. Die unspe- Kopfschmerzen als grippale Symptomatik ma- zifischen Tests weisen sogenannte Reagine nifestieren kann. Eine Prophylaxe kann mit (Autoantikörper gegen Phospholipide der Mito- einer einmaligen Dosis von 50 mg Prednison chondrienmembran) nach; ihr Titer ist ein erfolgen. Sexualpartner von Patienten im Sta- grobes Mass der Krankheitsaktivität und eignet dium I mit Kontakt innerhalb von drei Monaten sich infolgedessen gut für eine Therapiekon- vor Symptombeginn (im Stadium II sechs Mo- nate und im Stadium der Frühlatenz ein Jahr) sollten untersucht und allenfalls therapiert werden [16]. Zahlreiche Interaktionen sind zwischen Syphi- lis und HIV bekannt. Wie die übrigen ulzerie- Quintessenz renden STD ist auch die Syphilis mit einer er- höhten Transmission und Akquisition von HIV Bakteriell bedingte Geschlechtskrankheiten weisen weltweit eine steigende infolge einer günstigen Eintrittspforte verge- Tendenz auf. In der Schweiz ist eine deutliche Zunahme von Chlamydien- sellschaftet. Aufgrund dieser Assoziation sowie Infektionen, Gonorrhoe und Syphilis zu verzeichnen. gemeinsamer Risikofaktoren sollte dem Patien- Neben einer nachlassenden Bereitschaft zu «safer-sex» und einem ten – wie generell bei STD-Patienten – eine ungerechtfertigten blinden Vertrauen in die HIV-Therapie ist in grösserem gleichzeitige HIV-Testung empfohlen werden. Umfang ungeschützter Oralsex für die Zunahme verantwortlich. Obwohl die Mehrzahl der koinfizierten Patien- ten den typischen Verlauf einer Syphilis aufwei- Infolge des häufig nicht diskriminierenden klinischen Bildes muss bei sen, sind sowohl atypische Verläufe mit multi- genitalen Ulzera eine Erregerabklärung vorgenommen werden. plen primären Ulzera, häufigere überlappen- Während bei der Syphilis Penicillin bei fehlenden Resistenzen immer noch den Stadien, häufiger Allgemeinsymptome das Mittel der Wahl darstellt, muss die Resistenzlage insbesondere bei sowie atypischen Manifestationen der sekun- Gonokokken beachtet werden. dären Syphilis (lichenoide und noduläre Syphi- lide und Lues maligna) zu verzeichnen [17, 18].
PRAXIS Schweiz Med Forum Nr. 38 17. September 2003 903 Ebenfalls besteht eine häufigere und schnellere gleichzeitiger HIV-Infektion eine aggressivere Entwicklung einer Neurolues und gelegentlich Therapie mit drei Injektionen Benzathin-Peni- eine erschwerte serologische Beurteilung [19]. cillin G empfohlen [16]. Infolgedessen wird von einigen Autoren bei Literatur 1 Holmes KK, Sparling PF, Mardh P, Policlinics. The Swiss Network of 14 Löwhagen GB. Syphilis: test proce- Lemon SM, Stamm WE, et al. Dermatology Policlinics HIV pre- dures and therapeutic strategies. Sexually transmitted diseases. 3 ed. valence study: Rationale, characte- Semin Dermatol 1990;9:152–9. New York: McGraw-Hill, 1999. ristics and results (1990–1996). Soz 15 Thomas DL, Quinn TC. Serologic 2 Gerbase AC, Rowley JT, Heymann Präventivmed 1999;44:1–7. testing for sexually transmitted DH, Berkley SF, Piot P. Global pre- 8 Brewer TH, Metsch LR, Zenilman diseases. Infect Dis Clin North Am valence and incidence estimates of JM. Use of a public sexually trans- 1993; 7:793–824. selected curable STDs. Sex Transm mitted disease clinic by known HIV- 16 Sexually transmitted diseases treat- Infect 1998;74 Suppl 1:S12–6. positive adults: decreased self-re- ment guidelines 2002. Centers for 3 van Duynhoven YT. The epidemio- ported risk behavior and increased Disease Control and Prevention. logy of Neisseria gonorrhoeae in disease incidence. J Acquir Im- MMWR Recomm Rep 2002;51(RR- Europe. Microbes Infect 1999;1: mune Defic Syndr 2002;29:289–94. 6):1–78. 455–64. 9 Fenton KA, Nicoll A, Kinghorn G. 17 Rompalo AM, Lawlor J, Seaman P, 4 Nicoll A, Hamers FF. Are trends in Resurgence of syphilis in England: Quinn TC, Zenilman JM, Hook EW HIV, gonorrhoea, and syphilis time for more radical and nationally 3rd. Modification of syphilitic geni- worsening in western Europe? BMJ coordinated approaches. Sex tal ulcer manifestations by coexis- 2002;324:1324–7. Transm Infect 2001;77:309–10. tent HIV infection. Sex Transm Dis 5 Tichonova L, Borisenko K, Ward H, 10 Hook EW 3rd, Marra CM. Acquired 2001;28:448–54. Meheus A, Gromyko A, Renton A. syphilis in adults. N Engl J Med 18 Kumar B, Gupta S, Muralidhar S. Epidemics of syphilis in the Russian 1992;326:1060–9. Mucocutaneous manifestations of Federation: trends, origins, and 11 Alam F, Argiriadou AS, Hodgson secondary syphilis in north Indian priorities for control. Lancet 1997; TA, Kumar N, Porter SR. Primary patients: a changing scenario? J 350:210–3. syphilis remains a cause of oral Dermatol 2001;28:137–44. 6 Paget WJ, Zbinden R, Ritzler E, ulceration. Br Dent J 2000;189: 19 Rolfs RT, Joesoef MR, Hendershot Zwahlen M, Lengeler C, et al. Natio- 352–4. EF, Rompalo AM, Augenbraun MH, nal laboratory reports of chlamydia 12 Hutchinson CM, Hook EW 3rd. et al. A randomized trial of en- trachomatis seriously underesti- Syphilis in adults. Med Clin North hanced therapy for early syphilis in mate the frequency of genital Am 1990;74:1389–416. patients with and without human chlamydial infections among 13 Martin DH, Mroczkowski TF. Der- immunodeficiency virus infection. women in Switzerland. Sex Transm matologic manifestations of sexual- The Syphilis and HIV Study Group. Dis 2002;29:715–20. ly transmitted diseases other than N Engl J Med 1997;337:307–14. 7 Paget WJ, Batter V, Zwahlen M, and HIV. Infect Dis Clin North Am 1994; the Swiss Network of Dermatology 8:533–82.
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