Aktueller Stand und Zukunftsvision in der Behandlung des Glioblastoms

Die Seite wird erstellt Helge Hammer
 
WEITER LESEN
Aktueller Stand und Zukunftsvision in der Behandlung des Glioblastoms
UPDATE: GLIOBLASTOM                                  41

Aktueller Stand und Zukunftsvision in der
Behandlung des Glioblastoms
Julia Onken, Martin Misch, Wolfgang Wick, Peter Vajkoczy

Das Glioblastom ist der häufigste und bösartigste Gehirntumor im Erwachsenenalter. Die Inzidenz liegt
bei 0,59−3,69 pro 100.000 Personen pro Jahr [1]. Der Tumor tritt überwiegend zwischen dem 45. und 70.
Lebensjahr auf. Ein Risikofaktor für die Glioblastom-Entstehung ist die Exposition gegenüber ionisieren-
der Strahlung [2]. Trotz einer multimodalen Therapie mit operativer Resektion, Strahlentherapie und
Chemotherapie liegt das 2-Jahres-Überleben der Patienten bei nur 30−43 % in Studienkohorten und
weitaus schlechter in bevölkerungsbasierten Serien. Die Prognose der Patienten hat sich trotz intensiver
Forschung und Einführung neuer Therapien in den letzten drei Jahrzehnten um nur wenige Monate ver-
bessert [3]. Die sehr begrenzte Lebenszeit der Patienten ist häufig geprägt von neurologischen Ausfällen
und Tumor- bzw. Therapie-assoziierter Fatigue, die ein autonomes und selbstbestimmtes Leben erschwe-
ren. Anforderungen an die Behandlung und an innovative Therapieformen sind – neben der Verlänge-
rung des Überlebens der Patienten – die Lebensqualität und Autonomie zu erhalten.

Klinische Präsentation und                 weiterführende Diagnostik besteht           liefert zusätzliche Informationen
bildgebende Diagnostik                     neben der körperlichen und neuro-           über das Vorliegen einer Einblu-
Die Art der Symptome mit denen ein         logischen Untersuchung aus der kra-         tung, Verkalkungen oder Liquorzir-
Glioblastom-Patient auffällig wird,        nialen Bildgebung.                          kulationsstörung. Die MRT stellt den
hängen entscheidend von der Loka-                                                      Goldstandard in der Diagnostik ei-
lisation des Tumors ab. Häufigste          Die kraniale Standarddiagnostik be-         nes Glioblastoms dar. Die T2-FLAIR-
Symptome sind epileptische Anfälle,        steht aus der Magnetresonanzto-             Sequenz (T2-weighted-Fluid-Attenu-
Cephalgien, Sensibilitätsstörungen,        mographie (MRT) und einer Compu-            ated Inversion Recovery) dient zur
Einschränkungen des Bewegungs-             tertomographie des Neurokranium             Abschätzung des perifokalen Ödems
apparates, des Sprach- oder Sehver-        (CCT) in der Akutdiagnostik bei Erst-       und der Infiltrationszone des Tu-
mögens oder Veränderungen in der           manifestation von neurologischen            mors (E Abb. 1A) [4]. Die T1-Wich-
kognitiven Leistungsfähigkeit und          Symptomen oder Kontraindikatio-             tung nach Kontrastmittelgabe (T1
Persönlichkeit. Von Symptombeginn          nen gegenüber der MRT. Es eignet            post KM) visualisiert hochgradige
bis zur Diagnosestellung vergehen          sich zur Detektion einer Raumforde-         Tumoranteile mit gestörter Blut-
in der Regel bis zu drei Monate. Die       rung, eines perifokalen Ödems und           Hirn-Schranke (E Abb. 1B). Messun-

Abb. 1: Bildgebende Sequenzen bei einem Glioblastom-Patienten mit neuer KM-Aufnahme anterior der vormaligen Resektions-
höhle. (A): FLAIR-Läsion am temporalen Operkulum rechts, (B): T1 post Kontrastmittel schwarzer Pfeil: vormalige Resektionshöhe,
weisser Pfeil: neue KM Aufnahme, (C): FET-PET mit deutlicher Mehranreicherung Uptake im Bereich der FLAIR-Veränderung und
der KM-Aufnahme, (D): MR-Spektroskopie mit Gliom-spezifischen Cholinpeak (CHO-weisser Pfeil) zugunsten einer N-Acetyl-Aspar-
tat (NAA)-Erniedrigung.

                                                                                            4/2019 ONKOLOGIE heute
Aktueller Stand und Zukunftsvision in der Behandlung des Glioblastoms
42          UPDATE: GLIOBLASTOM

     gen von regionalem Blutvolumen           gen Level Dependent). Das fMRT er-       renchym häufig visuell und haptisch
     und Blutfluss können ein mögliches       möglicht so z. B. die Lokalisation und   schwer detektierbar, in diesen Fällen
     Therapieansprechen antizipieren          Lateralisierung der Sprache [11]. Die    können fluoreszierende Farbstoffe
     und zwischen Tumor und therapeu-         navigierte transkranielle Magnet-        wie 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) das
     tischen Veränderungen im Rezidiv-        stimulation (nTMS) wird zum funk-        Resektionsergebnis und damit das
     fall unterscheiden [5, 6].               tionellen Mapping und Faserbahn-         Gesamtüberleben verbessern [16].
                                              darstellung durch Aktivierung oder
     Eine wertvolle Ergänzung zur Stan-       Hemmung von Nervenzellen durch           Das intraoperative neurophysiologi-
     darddiagnostik sind v. a. die Amino-     magnetische Impulse genutzt [12].        sche Monitoring (IONM) ermöglicht
     säure-Positronen-Emmissions-Tomo-        Die präoperativ gewonnenen Infor-        u. a. die Überprüfung von Motorik,
     graphie (PET) und die MR-Spektro-        mationen aus fMRT, DTI und TMS           Sensibilität und Hirnnervenfunktio-
     skopie (MR-S). Die (FET-)Fluorethyl-     können in die Risikostratifizierung      nen mittels motorisch evozierter
     L-Tyrosin- oder Methionin-PET er-        für die operative Resektion einflie-     Potentiale (MEPs), somatosensibel
     möglicht als metabolisches Bildge-       ßen.                                     evozierter Potentiale (SEPs) und dem
     bungsverfahren bei nicht Kontrast-                                                Elektromyographie (EMG). MEPs wer-
     mittel(KM)-aufnehmenden Tumoren          Chirurgie                                den durch direkte oder indirekte Sti-
     stoffwechselaktive und damit höher-      Die operative Resektion nimmt eine       mulation des Motorkortex ausge-
     gradige Tumoranteile sichtbar zu         prognostisch entscheidende Rolle in      löst. Hierzu werden Stimulations-
     machen (E Abb. 1C). Das FET-PET          der Glioblastomtherapie ein. Meh-        elektroden in die Kopfhaut einge-
     kommt daher bei (1) der Definition       rere unabhängige Studien konnten         braucht oder nach Schädeleröff-
     des Zielpunktes bei stereotaktischen     zeigen, dass die vollständige Entfer-    nung auf dem Motorkortex aufge-
     Biopsien nicht KM-aufnehmender           nung des KM-aufnehmenden Tu-             legt für die direkte kortikale Stimu-
     Tumoren, (2) bei der Definition des      mors mit einem signifikanten Über-       lation (E Abb. 2C). Mit der Applika-
     Resektionsvolumens, (3) der Kontu-       lebensvorteil einhergeht [13–15].        tion eines Stromimpulses auf den
     rierung des Bestrahlungsfeldes und       Die Weiterentwicklung und Integra-       Motorkortex wird dieser erregt und
     (4) in der Mitbeurteilung posthera-      tion technischer Hilfsmittel in den      ein MEP ausgelöst, welches in den
     peutischer und als Progression zu        Operationssaal hat zu einer deutli-      entsprechenden Muskelgruppen des
     wertender bildgebender Verände-          chen Verbesserung der Resektions-        Armes oder Beines detektiert wird.
     rungen zum Einsatz [7–9]. Die MR-S       ergebnisse und reduzierter Morbidi-      Eine subkortikale Stimulation er-
     stellt Metabolite im Gehirn dar, de-     tät für den Patienten geführt. Routi-    folgt mit entsprechenden Instru-
     ren Zusammensetzung eine diffe-          nemäßig kommt die Neuronaviga-           menten, an deren Spitze kontinuier-
     rentialdiagnostische Einordnung von      tion zum Einsatz. Dieses Computer-       lich Strom abgegeben wird, der zur
     ätiologisch unklaren Läsionen zu-        gestützte, bildgebende Verfahren         Auslösung eines MEP führt bei aus-
     lässt (E Abb. 1D). Sie ermöglicht bei-   basiert auf der dreidimensionalen        reichender Nähe zu den motorischen
     spielsweise die Differenzierung ei-      Rekonstruktion der präoperativen         Faserbahnen. Die Stromstärke von
     ner entzündlichen ZNS-Erkrankung         Bildgebung. In die Neuronavigation       1 mA entspricht dabei einer Reich-
     von einem höhergradigen hirneige-        können eine Vielzahl von Informa-        weite von ca. 1 mm. Über ein akusti-
     nen Tumor [10].                          tionen eingespielt werden, wie z. B.     sches Signal wird der Operateur
                                              operative Zugangsplanung, Tumor-         beim Auslösen eines MEPs infor-
     Eine wesentliche Rolle in der Resek-     ausdehnung und Faserbahnverläufe         miert. Bei den SEPs erfolgt die Sti-
     tionsplanung insbesondere von elo-       (E Abb. 2A+B). Im OP erfolgt dann        mulation im Bereich des Nervus me-
     quenten Tumoren spielt die präope-       der Datenabgleich der 3D-Oberflä-        dianus und/oder Nervus tibialis und
     rative Funktions- und Lokalisations-     che des Navigationsdatensatzes mit       Aufzeichnen des kortikalen Signals
     diagnostik. So wird zum Beispiel an-     der Oberfläche des Patienten (das        im Bereich des Gyrus postzentralis.
     hand der DTI (diffusion tensor ima-      sog. Referenzieren). Mit Hilfe regis-    Sie haben einen Stellenwert bei der
     ging)-Sequenz im MRT die anato-          trierter Instrumente (z. B. dem Poin-    Früherkennung von Durchblutungs-
     mische Faserbahndarstellung (fiber       ter) kann sich der Operateur intra-      störungen und dienen der Überwa-
     tracking) des z. B. kortikospinalen      operativ die Lage des Tumors und         chung der sensorischen Funktion
     Traktes ermöglicht. Mittels funktio-     eloquente Strukturen anzeigen las-       [17, 18].
     neller MRT (fMRT) können anhand          sen.
     des erhöhten Sauerstoffverbrauchs                                                 Alle o.g. Methoden haben deutlich
     aktivierte Gehirnareale dargestellt      Insbesondere im Randbereich des          zur Verbesserung des Resektionsaus-
     werden („BOLD“-Effekt: Blood Oxy-        Tumors ist die Grenze zum Hirnpa-        maßes beigetragen. Dennoch bleibt

     ONKOLOGIE heute 4/2019
Aktueller Stand und Zukunftsvision in der Behandlung des Glioblastoms
UPDATE: GLIOBLASTOM                                       43

Abb. 2: (A): Faserbahndarstellung und anatomische Lagebeziehung des Tumors (braun) zu motorischen Kortex (gelbe Punkte), Faszi-
kulus arcuatus (blau), Faszikulus uncinatus (gelb), frontaler Aslant Trackt (pink), Inferiorer frontoocipitaler Fascilusus (grün) und infe-
riore longitudinaler Faszikel (Lila); (B): Anatomische Lagebeziehung des Tumor in der axialen T1 post KM zum Aslant Trackt und mo-
torischen Faserbahnen der Hand (Blau); (C): intraoperative Darstellung der direkten kortikalen Stimulation mittels Stimulationspin-
zette (*) und mittels Streifenelektrode (#).

die Resektion insbesondere von ma-             sowie strichförmige Nekrosen be-                Astrozytäre Gliome wie das Glioblas-
kroskopisch schlecht abgrenzbaren              schrieben. Die neue WHO-Klassifika-             tom sind außerdem durch die Ex-
Tumoren eine Herausforderung. Die              tion der Hirntumoren hat eine Stär-             pression einer ATRX-Mutation ge-
intraoperative Bildgebung mittels              kung der molekularen Diagnostik                 kennzeichnet. Der ATRX-Antikörper,
intraoperativen MRT (iMRT) ermög-              bewirkt [19]. Die Isocitrat-Dehydro-            der gegen die Wildtyp-Variante von
licht eine unmittelbare Resektions-            genase (IDH)-Mutation definiert ei-             ATRX gerichtet ist, zeigt keine Fär-
kontrolle und ggf. Nachresektion bei           ne prognostisch deutlich bessere                bereaktion, man spricht daher auch
einem Resttumor. Die Verfügbarkeit             Gruppe von Gliomen. Einzug in die               von einem ATRX-Verlust. Der MGMT-
ist aufgrund der hohen Kosten einge-           Gliomdiagnostik bei Erwachsenen                 Promotor-Status wird in der Regel
schränkt, weshalb die Resektionskon-           hat neben dem IDH-Status auch die               mittels methylierungsspezifischer
trolle in den meisten Kliniken über-           1p/19q-Kodeletion gehalten. Prädik-             PCR (MSP) oder Pyrosequenzierung
wiegend mittels früh postoperativer            tiver Biomarker beim Glioblastom                (PSQ) bestimmt.
MRT mit KM (innerhalb 72 h) nach               ist der O(6)-Methylguanin-DNA-Me-
der Operation erfolgt. Eine biopti-            thyltransferase-Promotor-Methylie-              Bei histomorphologisch nicht ein-
sche Sicherung eines zerebralen Be-            rungsstatus (MGMT-Status); Gliome               deutig zu klassifizierenden Tumo-
fundes wird in Betracht gezogen,               der Mittellinie werden durch die                ren und zukünftig möglicherweise
wenn die bildgebende Diagnose un-              Markierung der Expression von His-              auch regelmäßig zur Qualitätsver-
sicher oder die Pathologie einer Re-           ton H3.3K27M-mutierten Proteinen                besserung kann eine epigenetische
sektion nicht zugänglich ist wie z. B.         diagnostiziert. In der klinischen Rou-          Methylierungsanalyse des Tumor-
das Hirnstammgliom. Für eine Nadel-            tine werden meist zumindest der                 genoms hilfreich sein (EPIC-Analyse)
biopsie stehen navigierte oder rah-            IDH- und MGMT-Status sowie die                  [20]. Mittels Analyse von etwa
menbasierte Verfahren zur Verfü-                Alpha thalassemia/ mental retarda-             850.000 (850k-Array) CpG-Basen-
gung.                                          tion syndrome X-linked (ATRX)-Ex-               paaren können Tumoren nach Mus-
                                               pression erhoben. Eine IDH-R132H-               tern der quantitativen Methylie-
Neuropathologie                                Mutation kann immunhistochemisch                rung in den Einzel-CpGs entspre-
Die Aggressivität des Glioblastoms             (IHC) nachgewiesen werden. Seltene              chend einem Validierungsset einer
ist v. a. durch seine Heterogenität,           IDH1/2-Mutationen finden sich über-             Tumorentiät zugeordnet werden
aber auch das Wachstumsmuster                  wiegend bei Patienten unter 45 Jah-             und auf dessen Basis die molekulare
und die Resistenz gegenüber allen              ren, zu deren Nachweis sollte eine              Diagnose gestellt werden. Die EPIC-
bisher bekannten Therapieverfah-               Sequenzierung erfolgen; in der Rou-             Analyse liefert direkt oder indirekt
ren bedingt. Im histopathologischen            tine sollte dies für alle Patienten er-         eine Fülle an Daten. Zu den gegen-
Befund werden hochproliferative,               folgen, bei denen kein Glioblastom              wärtig therapeutisch relevanten
pleomorphe Tumorzellen, invasives              diagnostiziert wird, die IHC für IDH1-          Mutationen zählen im wesentli-
Tumorwachstum, Neoangiogenese                  R132H aber trotzdem negativ ist.                chem die folgenden: EGFR-Ampli-

                                                                                                    4/2019 ONKOLOGIE heute
44         UPDATE: GLIOBLASTOM

     fikation (Epidermal Growth Factor      nisten zur Prophylaxe von Übelkeit        Therapie (täglich TMZ 75 mg/m2 KOF)
     Receptor, über Kopienzahlvariation),   (in der parallelen Radiochemothera-       beginnend mit dem ersten Tag der
     BRAFV600-Mutation (über Gensequen-     pie-Phase limitiert wegen Obstipa-        Radiotherapie gefolgt von sechs 28-
     zierung), CDKN2A/B- und CDK4/6-        tion und ersetzt durch z. B. Dimen-       Tage-Zyklen TMZ (Tage 1–5) begin-
     Amplifikation (über Kopienzahlver-     hydrinat, außer bei ungewöhnlich          nend 4 Wochen nach Radiotherapie-
     änderungen) und IDH-Mutation (über     starker Übelkeit). Steroide kommen        abschluss (Dosis 150–200 mg/m2/Tag).
     gesteigerte globale Methylierung).     bei symptomatischem Ödem zum              Das mediane Gesamtüberleben wur-
     Die eingeschränkte Verfügbarkeit       Einsatz, wobei auch deren antieme-        de von 31,4 Monaten im Standard-
     und die fehlende allgemeine Kos-       tische Wirkung genutzt wird, ob-          arm (n = 63) auf 48,1 Monate im ex-
     tenerstattung beschränken den          schon bei Hirntumoren ein Einsatz         perimentellen Arm (n = 66) verbes-
     Einsatz der o. g. Methoden gegen-      als Antiemese allein explizit nicht       sert. Die Ergebnisse sollten aufgrund
     wärtig auf Studienpatienten oder       empfohlen wird [22]. Bei einer Ste-       der geringen Größe der Studie mit
     ausgewählten Einzelfällen.             roiddauertherapie sind die Neben-         Vorsicht interpretiert werden, deu-
                                            wirkungen wie Muskelatrophie, dia-        ten aber darauf hin, dass neu dia-
     Primärtherapie                         betogene Stoffwechsellage etc. zu         gnostizierte Glioblastom-Patienten
     Radiotherapie plus begleitend und      beachten. Im Falle einer signifikan-      mit Methylierung des MGMT-Pro-
     adjuvant Temozolomide                  ten Hämatotoxizität sind Bluttrans-       motors von einer intensiveren Erstli-
     Die Standardtherapie nach histolo-     fusionen und die Gabe von Kno-            nienbehandlung mit CCNU in Kom-
     gischer Sicherung eines Glioblas-      chenmark-stimulierenden Substan-          bination mit TMZ profitieren könn-
     toms umfasst eine Radiotherapie        zen notwendig. Die Nachsorge der          ten [25].
     plus begleitend und adjuvant Temo-     Patienten erfolgt mittels cMRT mit
     zolomid (TMZ) [21]. 4 bis maximal 6    KM alle 3 Monate. Die Chemosensi-         Individualisierte Therapie
     Wochen nach der Diagnosestellung       bilität gegenüber TMZ hängt stark         Bei Patienten ohne Methylierung des
     sollte die begleitende Radiochemo-     von der epigenetischen Methylie-          MGMT-Promotors besteht laut Hegi
     therapie bestehend aus einer frak-     rung des MGMT-Promotors ab. Meh-          et al. kein signifikanter Benefit der
     tionierten Bestrahlung bis zu einer    rere randomisierte Studien haben          adjuvanten Temozolomid-Therapie
     kumulativen Gesamtdosis von 60 Gy      gezeigt, dass die Methylierung des        im Anschluss an die Bestrahlung [23].
     und TMZ, einer alkylierenden Che-      MGMT-Promotors bei Glioblastom-           Für diese Patienten werden Alter-
     motherapie, begonnen werden. TMZ       patienten mit einem signifikanten         nativen zu den alkylierenden Che-
     wird für den gesamten Zeitraum der     Überlebensvorteil verbunden ist,          motherapeutika dringend gesucht.
     Bestrahlung mit einer Dosierung von    wenn sie mit Strahlentherapie und         Individualisierte Therapiekonzepte
     75 mg pro Quadratmeter Körper-         TMZ behandelt werden [23].                sind daher Gegenstand vieler Studi-
     oberfläche (m2 KOF) pro Tag einge-                                               en. In Deutschland ist seit Ende 2018
     nommen. Nach Abschluss der beglei-     CETEG/NOA-09 Protokoll                    eine Studienteilnahme in der Erstli-
     tenden Radiochemotherapie erfolgt      Die Chemosensibilität gegenüber           nientherapie bei fehlender MGMT-
     dann die („adjuvante“) Erhaltungs-     TMZ hängt stark von der epigeneti-        Promotor-Methylierung möglich im
     therapie mit TMZ über 6 Zyklen. Ein    schen Silencing durch Methylierung        Rahmen der N2M2-Studie Neuro
     Zyklus beinhaltet die Einnahme von     des MGMT-Promotors ab [24]. In der        Master Match [26]. Hier erfolgt die
     150–200 mg pro m2 KOF an 5 aufein-     CeTeG/NOA-09-Studie war daher bei         Stratifizierung in 5 Teilstudien für
     ander folgenden Tagen in einem 28-     Glioblastom-Patienten mit Methy-          gezielte Therapien zu der am bes-
     Tage-Zyklus (E Abb. 3). Der Nadir      lierung des MGMT-Promotors eine           ten passenden molekularen Verän-
     bildet sich ab Tag 21–28 im Blutbild   intensivierte Chemotherapie Ge-           derung: Alcetinib (Inhibitor der ALK-
     ab. Während und nach der Bestrah-      genstand der Studie. Im experimen-        Tyrosinkinase), Idasanutlin (MDM2-
     lung sind lokale Alopezie, Cephalgi-   tellen Arm (CCNU-/TMZ-Arm) erhiel-        Antagonist), Palbociclib (Cyclin-ab-
     en, Fatigue und Ödeme als Neben-       ten die Patienten 60 Gy Standard-         hängiger Kinase-Inhibitor), Vismo-
     wirkungen zu erwarten. Die häufigs-    radiotherapie (RT, 30 x 2 Gy) und sechs   degib (Hedgehog-Signalweg-Inhi-
     ten Nebenwirkungen unter TMZ           42-Tage-Zyklen mit oralem CCNU            bitor) und Temsirolimus (mTOR-
     sind Übelkeit (43 %) und Erbrechen     100 mg/m2 KOF (Tag 1) und oralem          Inhibitor). Patienten ohne passende
     (36 %), Müdigkeit (22 %), Thrombo-     TMZ 100 mg/m2 KOF (Tage 2–6), ab          Veränderung werden in 3 weitere
     zytopenie (19 %), Neutropenie (17 %)   dem ersten Tag der Bestrahlung. Der       Teilstudien randomisiert: Atezolizu-
     und Obstipation (17 %) [21]. Das       Standard-Arm (TMZ-Arm) bestand            mab (PD-L1-Inhibitor), Asunercept
     Nebenwirkungsmanagement bein-          aus 60 Gy Standardradiotherapie           (rekombinantes Fusionsprotein von
     haltet die Gabe von 5-HT3-Antago-      (RT, 30 x 2 Gy) und begleitende TMZ-      CD95 und IgG1) oder TMZ.

     ONKOLOGIE heute 4/2019
UPDATE: GLIOBLASTOM                              45

Abb. 3: Darstellung der Radiotherapie plus begleitend Temozolomid und anschließender Temozolomiderhaltungstherapie über 6
Zyklen.

Tumortherapiefelder                        fehlender Verblindung und Placebo-       geringer als bei jüngeren Patienten.
Ein neuer Ansatz zur Verbesserung          kontrolle der Studie, dem partiell un-   Mögliche Erklärungen für dieses
der Tumorkontrolle für die Primär-         geklärten Wirkmechanismus bzw.           verkürzte Überleben sind Unter-
therapie des Glioblastoms ist die Be-      dem Verständnis profitierender und       schiede in der Tumorbiologie, redu-
handlung mit Tumortherapiefeldern          nicht profitierender Patienten und       zierter Therapieeinsatz, erhöhte
(TTFields) [3]. Das Tumorbett wird un-     den recht hohen Therapiekosten. Die      Toxizität der Behandlung oder ver-
ter wechselnde elektrische Felder mit      tägliche Therapiedauer von mindes-       minderte Wirksamkeit der verfüg-
niedriger Intensität (1–3 V/cm) und        tens 18 Stunden könnte negative          baren Therapien mit zunehmen-
Frequenz (200 kHz) gesetzt mittels 4       Auswirkungen auf die Lebensquali-        dem Alter. Etwa 50 % der Glioblas-
Transducer-Arrays, die auf die rasier-     tät der Patienten haben. Detaillierte    tom-Patienten sind bei Diagnose-
te Kopfhaut aufgebracht werden.            Untersuchungen hierzu fehlen der-        stellung über 65 Jahre. Die Behand-
Durch die elektrischen Felder wird die     zeit noch [28]. Lokale Nebenwirkun-      lung des älteren Patienten mit ei-
Tumorzelle während der Teilung in          gen dieser Therapieform sind Irrita-     nem Glioblastom war daher Inhalt
der Polarität gestört, mit der Folge ei-   tionen der Kopfhaut, die mit (steroid-   verschiedener Studien [30, 31]. In
ner mitotischen Katastrophe, resul-        haltigen) Cremes gut kontrolliert        der NORDIC- Elderly-Studie wurden
tierend in Autophagie und Apoptose         werden. Systemische Nebenwirkun-         291 Patienten über 60 Jahre in 3
der Tumorzelle [27]. Die EF-14-Studie      gen sind nicht bekannt. Die Behand-      Gruppen randomisiert.
zeigte, dass TTFields bei Patienten        lung stellt eine Option in der Primär-
mit neu diagnostiziertem Glioblas-         therapie dar und ist im Rezidiv nicht    Gruppe 1: alleinige Chemotherapie
tom sowohl das progressionsfreie           wirksam [29].                            mit TMZ 200 mg/m2 KOF an Tag 1–5
Überleben (PFS) als auch das Gesamt-                                                alle 28 Tage für bis zu 6 Zyklen
überleben (OS) signifikant um 2,7          Therapie älterer                         Gruppe 2: alleinige hypofraktionier-
bzw. 4,9 Monate verlängern. Aller-         Glioblastom-Patienten                    te Strahlentherapie (34 Gy verab-
dings wird die Verwendung von              Die Lebenserwartung älterer Pati-        reicht in 3,4-Gy-Fraktionen über 2
TTFields kontrovers diskutiert bei         enten mit Glioblastom ist deutlich       Wochen [Wo]) oder

                                                                                        4/2019 ONKOLOGIE heute
46          UPDATE: GLIOBLASTOM

     Gruppe 3: Standard-Radiotherapie         Die Interpretation der MRT-Aufnah-       im Rezidiv gemäß den Daten der
     (60 Gy in 2-Gy-Fraktionen über 6 Wo).    men erfordert eine gute Kenntnis         DIRECTOR-Studie nur bei Patienten
                                              des bisherigen Krankheitsverlaufs,       mit eindeutiger Methylierung des
     Die Ergebnisse der NORDIC-Elderly-       Vortherapien, und dem klinischen         MGMT-Promotors sinnvoll [40]. Eine
     Studie zeigen ein verbessertes Über-     Zustand des Patienten. Die RANO          Rezidiv-Bestrahlung ist anhand der
     leben der Patienten, die ein verkürz-    (Response Assessment in Neuro-On-        Ausdehnung des Befundes und dem
     tes Bestrahlungsprotokoll oder die       cology)-Kriterien berücksichtigen den    Zeitintervall zur initalen Radiation
     alleinige TMZ-Therapie erhielten         Allgemeinzustand des Patienten,          zu reevaluieren. Studienteilnahmen
     gegenüber der Standard-Strahlen-         den Steroidbedarf und bildgebende        und individualisierte Konzepte kom-
     therapie. Eine Subgruppenanalyse         Parameter wie das Vorhandensein          men zur Anwendung.
     deutet darauf hin, dass Patienten        neuer Läsionen und der Größenver-
     mit MGMT-Promotor-Methylierung           änderungen der KM-Aufnahme des           Basierend auf molekularen Analysen
     durch die Monotherapie mit Temo-         Primärbefundes [38]. Eine sog. Pseu-     kommen auch mutationsgerichtete
     zolomid einen größeren Nutzen ha-        doprogression liegt vor, wenn neu        Wirkstoffe, die aus anderen onko-
     ben als durch die Strahlentherapie       aufgetretene oder größenprogre-          logischen Anwendungsgebieten be-
     [30, 32]. In einer Studie der Canadian   diente KM-anreichernde Läsionen          kannt sind, zum Einsatz. Die Inzidenz
     Cancer Trials Group (CCTG) wurden        im weiteren Verlauf, ohne Umstel-        für eine BRAFV600-Mutation beim
     562 Patienten im Alter über 65 Jahre     lung oder Intensivierung der Che-        Glioblastom des Erwachsenen liegt
     in 2 Gruppen randomisiert. Hier wur-     motherapie, unverändert bleiben          bei l 2 % und wird mit 50 % bei epi-
     de die alleinige hypofraktionierte       oder rückläufig sind. Eine relevante     theloiden Glioblastomen beschrie-
     Strahlentherapie (mit 40 Gy verteilt     Pseudoprogression kommt in bis zu        ben [41, 42]. Vemurafenib, ein selek-
     auf 15 Fraktionen) mit der hypofrak-     20−30 % nach der kombinierten Ra-        tiver Inhibitor von BRAFV600 zeigte
     tionierten Strahlentherapie mit be-      diochemotherapie vor, meist inner-       erste Erfolge in einer Phase-II-Studie
     gleitender und adjuvanter TMZ-The-       halb von 12 Wochen bis zu 6 Mona-        [43]. Eine EFGR-Amplifikation ist we-
     rapie verglichen. Das mediane Ge-        ten. Hier kann das Aminosäure-PET        sentlich häufiger und findet sich bei
     samtüberleben war bei der Kombi-         in Kombination mit dem MRT die           ca. 50 % der Patienten mit Glioblas-
     nation aus Strahlentherapie plus Te-     Sensitivität bei der Differenzierung     tom [44]. Versuche zur therapeuti-
     mozolomid länger als bei alleiniger      zwischen Therapiefolgen und Tu-          schen Blockade wurde vielfältig un-
     Strahlentherapie (9,3 vs. 7,6 Mona-      morrezidiv erhöhen [7]. Eine histo-      ternommen. Als Ursachen für enttäu-
     te) wie auch das mediane progressi-      logische Sicherung ist bei unklaren      schende Ergebnisse werden die man-
     onsfreies Überleben (5,3 vs. 3,9 Mo-     Fällen angeraten. Zusätzlich werden      gelnde Passage der Substanzen durch
     nate) [31]. Analog der o. g. Studien-    v.a. bei IDH-mutierten Gliomen tran-     die Blut-Hirn-Schranke diskutiert so-
     ergebnisse kann bei dem älteren          siente winzige KM-affine Läsionen        wie Anpassungsmechanismen über
     Glioblastom-Patienten sowohl nach        beobachtet, deren Biologie eben-         alternative Reaktionspfade in der
     NOA-08- oder CCTG-Schema behan-          falls unklar ist [39].                   Zelle und Relevanzverlust des EGFR-
     delt werden. Ein guter Allgemeinzu-                                               Signalweges im fortgeschrittenen
     stand und ein positiver MGMT-Pro-        Die Empfehlung zur Rezidivtherapie       Krankheitsstadium. Erste ermutigen-
     motor-Methylierungsstatus können         richtet sich maßgeblich nach den         de Ergebnisse zeigt das Antikörper-
     Argumente für die verkürzte Kombi-       Vortherapien, des prognostischen         Wirkstoff-Konjugat Depatuxizumab
     nationsbehandlung aus Bestrahlung        Ansprechens auf alkylierende Che-        Mafodotin (Depatux-M), welches al-
     und TMZ-Therapie bzw. eine alleini-      motherapie (MGMT-Promotor-Sta-           lerdings aufgrund der okulären To-
     ge zyklische TMZ-Therapie sein.          tus) und dem Zustand des Patienten.      xizität mit einem aufwendigen Ne-
                                              Bei einem guten Allgemeinzustand         benwirkungsmanagement mit kon-
     Rezidivtherapie                          des Patienten, nicht eloquenter Tu-      sequenter Kühlung und engmaschi-
     Der Progress der Erkrankung führt        morlage und kleinem Tumorvolu-           ger Applikation von Augentropfen
     häufig zu einer graduellen Ver-          men sowie anschließender Therapie        verbunden ist [45].
     schlechterung des Allgemeinzustan-       ist eine chirurgische Entfernung
     des und/oder neuen neurologischen        sinnvoll. Diese hat neben der Zytore-    Antiangiogene Therapie
     Ausfällen. Bildgebend findet sich in     duktion den Vorteil der erneuten         Die hohen Erwartungen an die anti-
     80 % der Fälle ein Lokalrezidiv, es      Probengewinnung und Analyse hin-         angiogene Therapie im Glioblastom
     kommen aber auch multilokuläre           sichtlich individualisierter Therapie-   wurden nicht erfüllt. Der Einsatz des
     Befunde oder Rezidive distant zum        optionen. Eine erneute TMZ-Expo-         VEGF-Antikörpers Bevacizumab hat
     Primärbefund (multifokal) vor.           sition (TMZ rechallenge) erscheint       in mehreren unabhängigen Studien

     ONKOLOGIE heute 4/2019
UPDATE: GLIOBLASTOM                               47

zu keiner Verbesserung des Gesamt-       mit Glioblastom-Patienten getestet.      nun helfen, Biomarker für geeignete
überlebens in der Primärtherapie         DCVax-L besteht aus dendritischen        Patienten zu identifizieren. Künfti-
und im Rezidiv geführt [33–35]. Be-      Zellen, die per Leukapherese aus         gen Studienprotokolle werden au-
vacizumab kann nachweislich den          dem Blut der Patienten isoliert und      ßerdem die Rolle der Steroide, Res-
Steroidbedarf senken und verbes-         dann ex vivo eine immunologische         ponse-Kriterien der Bildgebung als
serte das progressionsfreie Überle-      Prägung durch Konfrontation mit          auch neue Technologien des drug
ben. MR-tomographisch findet sich        intraoperativ gewonnen Glioblas-         delivery und kombinatorischer Im-
in diesen Fällen eine deutlich redu-     tom-Zellen erhalten haben. Die An-       muntherapien verstärkt berücksich-
zierter KM-Aufnahme des Tumors           tigen-präsentierenden dentritischen      tigen müssen [51]. Die GAPVAC-
und eine Reduktion des perifokalen       Zellen werden durch regelmäßige          Studie zielt darauf ab, das gesamte
Ödems (Pseudoregression) [36]. Be-       interdermale Injektionen an den Pa-      Tumorantigen-Repertoire des Glio-
vacizumab kommt in Einzelfällen bei      tienten zurückgegeben und sollen         blastoms zu analysieren, um eine ef-
der Behandlung symptomatischer           eine zytotoxischen T-Zellen-Aktivie-     fektivere Immuntherapie v. a. für
Strahlennekrosen zum Einsatz [37].       rung auslösen. Die endgültigen Er-       Tumoren mit geringer Mutations-
Der Einsatz von Bevacizumab hat          gebnisse der Studie sind nicht publi-    zahl zu erreichen. In einer Phase-I-
zumindest bei der Therapie von zu-       ziert; aus der derzeit publizierten      Studie wird eine hochpersonalisierte
meist strahleninduzierten Pseudo-        Datenlage lassen sich leider keinerlei   Vakzinierung mit Tumorantigenen
progressionen trotz fehlender Zulas-     Schlüsse zur Wirksamkeit ziehen,         in die Standard-Radiochemothera-
sung in Deutschland einen gewissen       weil die Arme nicht getrennt darge-      pie nach einer Operation integriert.
Stellenwert in der Behandlung von        stellt werden und Zahlen zum PFS         Das Ziel ist die limitierte Anzahl von
Glioblastomen zur Symptomlinde-          fehlen, obgleich Daten zum (später       effektiven Targets für Patienten mit
rung oder Verlängerung des pro-          eintretenden) OS genannt sind [48].      neu diagnostiziertem Glioblastom
gressionsfreien Überlebens. Typische                                              so effektiv wie möglich zu adressie-
Nebenwirkungen sind arterieller Hy-      Die onkolytische Virustherapie wird      ren [52].
pertonus, Proteinurie und häufigere      derzeit ebenfalls beim Glioblastom
thrombembolische Ereignisse.             erforscht. Der Impfstoff DNX-2401        Komplementärmedizin
                                         bestehend aus dendritischen Zellen,      Ergänzend zur Standardtherapie
Immuntherapie                            der gegen Tumorzellen gerichtet ist,     kann die Komplementärmedizin
Immuntherapien haben sich gegen          die Cytomegalo-Virus(CMV)-induzier-      mit Einsatz von pflanzlichen Präpa-
eine wachsende Zahl von Krebser-         te Antigene exprimieren. Die rekom-      raten, naturheilkundlichen Verfah-
krankungen als wirksam erwiesen.         binanten, nicht-pathogenen Polio-        ren (z. B. Traditionell Chinesische
Leider konnten bei der Behandlung        Rhinovirus-Chimären (PVSRIPO) sind       Medizin, TCM), Bewegungs- und
des Glioblastoms bisher keine durch-     ebenfalls Gegenstand aktueller Stu-      Ernährungstherapien symptomlin-
schlagenderen Erfolge erreicht wer-      dien beim Glioblastom. Für beide         dernd wirken. Studien konnten
den. Folgende Ansätze werden in          Verfahren liegen Daten aus Dosis-        zeigen, dass Bewegung und Sport
klinischen Phase-II/III-Studien ver-     findungs- und Toxizitätsstudien vor,     den Krankheitsverlauf bei gynäko-
folgt: Vakzinierungstherapie, z. B.      die noch keine Rückschlüsse über         logischen Tumorerkrankungen po-
mit IDH-1-gerichteter Vakzine oder       deren Effektivität zulassen [49, 50].    sitiv beeinflussen kann. Daten zum
dendritischen Zellen, chimäre T-Zell-                                             Glioblastom fehlen diesbezüglich
Rezeptoren und Virotherapie. Die         Als Ursachen für die fehlende Über-      noch. Darüber hinaus werden etwa
Vakzinierung mit dem Impfstoff           tragbarkeit der immuntherapeuti-         die ketogene Diät, Nahrungsergän-
Rindopepimut, gerichtet gegen die        schen Ansätze solider Tumoren auf        zungsmittel, Akupunktur bei Fati-
mutierte Form des EGFR-Proteins          das Glioblastom wird (a) die unter-      gue und vieles mehr in der Hirntu-
(EGFRvIII) als auch die Checkpoint-      schiedliche Wirkungsweise des ZNS-       morforschung diskutiert. Die Evi-
Inhibitor-Studie CheckMate-143 (Ni-      Immunsystems, (b) die eingeschränk-      denzlage zur Wirkung der genann-
volumab, PD1-Inhibitor) und chimä-       te Passage der Substanzen über die       ten Methoden ist bisher dünn. Bes-
re T-Zell-Rezeptor-Therapien konn-       Blut-Hirn-Schranke und (c) die häu-      ser untersucht ist die Wirkung des
ten bisher keinen Überlebensvorteil      fig zu schwache Immunantwort auf-        pflanzlichen Präparats Boswellia
zeigen und nur milde Immunant-           grund geringerer Anzahl von Neo-         serrata (BS-Weihrauch). BS kann ei-
worten provozieren [46, 47].             epitopen gegenüber z. B. dem malig-      ne strahleninduziertes zerebrales
                                         nen Melanom oder dem Bronchial-          Ödem signifikant reduzieren und
Ein weiterer Impfstoff, DCVax-L,         karzinom diskutiert. Die Erfahrung       könnte somit einen steroidsparen-
wird derzeit in einer Phase-III-Studie   aus den bisherigen Studien können        den Effekt haben [53].

                                                                                      4/2019 ONKOLOGIE heute
48          UPDATE: GLIOBLASTOM

     Supportivtherapie                        und wahrgenommener Behand-              Erkennung von Biomarkern führen,
     Studien konnten zeigen, dass eine        lungswert. PROMs können genutzt         die prognostische und therapeuti-
     Reduktion der Symptombelastung           werden, um Versorgungslücken auf-       sche Relevanz erlangen werden (Ar-
     durch den frühzeitigen Einsatz von       zuzeigen und Nebenwirkungsprofi-        tifical Intelligence). Mit Hilfe von Ra-
     palliativen Diensten zu einer verbes-    le von neuen Medikamenten oder          diomics ist es beispielsweise möglich
     serten Lebensqualität und verlän-        Kombinationsbehandlungen aufzu-         quantitative radiomische Merkmale
     gerten Überleben bei Tumorpatien-        decken.                                 aus einem MRT zu extrahieren und
     ten führen kann [54, 55]. Laut einer                                             mit Hilfe der radiomischen Signatur
     Studie von Koekkoek et al. sind Som-     Zukunftsvision                          eine nicht-invasive Vorhersage und
     nolenz, fokale neurologische Defi-       Aufgrund der hohen Interdisziplina-     Stratifizierung von PFS und OS zu
     zite und kognitive Störungen die         rität der Behandlung und Stärkung       treffen [58,59]. Ziel verschiedener
     häufigsten krankheitsspezifischen        der individualisierten Therapiekon-     Genomic-Technologien wird sein,
     Symptome während der End-of-Life         zepte wird die Rolle von zertifizier-   mit einer raschen Sequenzierung des
     (EoL)-Phase von Glioblastom-Patien-      ten, neuroonkologischen Zentren         Tumors die Gensignatur darzustel-
     ten [56]. Das Absetzen von Antiepi-      einschließlich Tumorboards weiter       len, Resistenzmechanismen zu anti-
     leptika war beispielsweise in 96 %       gestärkt werden. Zukünftige Anfor-      zipieren und somit individualisierte,
     der Fälle einer Somnolenz und/oder       derung an die Behandlung von Glio-      kombinatorische Behandlungssche-
     Dysphagie geschuldet. Dieser Studie      blastom-Patienten wird sein, dass       mata zu entwerfen. Die Schwierig-
     zufolge wiesen eine Woche vor dem        aus der Vielzahl von Informationen      keiten der Bewertung der Bildge-
     Tod nur 65,9 % der Patienten mit ho-     unterschiedlicher Disziplinen indivi-   bung unter neuartigen Therapien
     her Symptomlast eine gute Quality        dualisierte Therapiekonzepte er-        (Pseudoprogression) wird die Rolle
     of care (QOC) auf, verglichen mit        wachsen [57]. Das Prozessieren von      der Neurochirurgie im Hinblick auf
     87,5 % der Patienten mit niedriger       großen Datenmengen (Big Data) aus       Gewebegewinnung im Rezidivfall,
     Symptomhäufigkeit. Die Intensität        genomischen Analysen (Genomics),        aber auch bei der Frage nach geziel-
     und Komplexität der Symptome ei-         der Bildgebung (Radiomics) und kli-     ter Wirkstoffabgabe in die Resekti-
     nes Glioblastom-Patienten sprechen       nischen Daten wird zur Etablierung      onshöhle (Targeted Drug Delivery)
     für eine frühzeitige und angemesse-      neuer Behandlungsalgorithmen und        und der Erhebung pharmakologi-
     ne Integration supportiver Maßnah-
     men wie spezialisierte ambulante
     Palliativversorgung (SAPV), psycho-
                                                Zusammenfassung
     onkologische Begleitung, die Durch-
     führung von Physiotherapie, Ergo-          Die Prognose von Glioblastom-Patienten bleibt trotz der multimoda-
     therapie und Logopädie. Neben der          len Behandlung mit operativer Resektion, Strahlentherapie und Che-
     verbesserten Kontrolle der Sympto-         motherapie schlecht. Moderne Operationstechniken haben zu einer
     me ist das Ziel der palliativen Pflege     deutlichen Verbesserung des operativen Ergebnisses geführt. Alterna-
     die Lebensqualität und die Selbstbe-       tive Therapiekonzepte wie Tumortherapiefelder haben sich in den
     stimmung so weit wie möglich zu er-        letzten Jahren neben der Standardtherapie bestehend aus Radiothera-
     halten, zu fördern und zu verbessern       pie plus begleitend und erhaltend Temozolomid etabliert. In der Neu-
     und ein menschenwürdiges Leben             ropathologie ist die molekulare Diagnostik zu einem integralen Be-
     bis zum Tod zu ermöglichen [54].           standteil bei der Diagnosestellung geworden. Die dadurch verstärkt
                                                abgebildete Tumorheterogenität führt zu einer Stärkung individuali-
     Um die Bedürfnisse der Glioblastom-        sierter Therapiekonzepte aus kombinatorischen Behandlungsstrate-
     Patienten in allen Phasen der Erkran-      gien. Insbesondere bei MGMT-negativen Glioblastomen sind alternati-
     kung besser abzubilden erlangen            ve Behandlungsstrategien zur alkylierenden Chemotherapie zu disku-
     die PROMs (patient reported outco-         tieren. Die Implementierung immunologischer Verfahren wird umtrie-
     me measures) zunehmend an Be-              big beforscht. Fallstricke wurden identifiziert, die Ergebnisse ange-
     deutung. PROMs konzentrieren sich          passter Studiendesigns stehen aus.
     auf die Erhebung folgender Inhalte:
     Gesundheitsbezogene Lebensquali-           Schlüsselwörter:
     tät, Symptome, körperliche Funk-           Glioblastom – molekulare Diagnostik – multimodale Therapie – Radio-
     tion, psychische Gesundheit, Zufrie-       therapie mit Temozolomid – Tumortherapiefelder – Palliativ- und Sup-
     denheit mit der Pflege/Symptomen-          portivtherapie – PROMs
     kontrolle, Compliance der Therapie

     ONKOLOGIE heute 4/2019
UPDATE: GLIOBLASTOM                                      49

scher Parameter (intratumorale Wirk-             States in 2011–2015. Neuro Oncol               sectability, and effect on survival.
stoffkonzentration etc.) stärken. Zu             2018; 20: iv1-iv86                             Journal of neurosurgery 2012;117:
                                             3. Stupp R, Taillibert S, Kanner AA, Ke-           851–859
einer neuartigen Behandlungsmög-                 sari S, Steinberg , et al. Maintenance     14. Lacroix M, Abi-Said D, Fourney DR,
lichkeit könnte sich die interstitielle          Therapy With Tumor-Treating Fields             Gokaslan ZL, Shi W, et al. A multiva-
Thermo-Laserablation (LITT) entwi-               Plus Temozolomide vs Temozolomi-               riate analysis of 416 patients with gli-
                                                 de Alone for Glioblastoma: A Rand-             oblastoma multiforme: prognosis,
ckeln. Die LITT ist ein Verfahren bei            omized Clinical Trial. Jama 2015; 314:         extent of resection, and survival.
dem eine Lasersonde stereotaktisch               2535–2543                                      Journal of neurosurgery 2001; 95:
in das Tumorgewebe eingebracht               4. Hajnal JV, Bryant DJ, Kasuboski L,              190–198
                                                 Pattany PM, De Coene B, et al. Use of
wird. Die Lasersonde wird anschlie-              fluid attenuated inversion recovery
ßend auf 52 °C erhitzt und führt so                                                         Vollständige Literatur unter:
                                                 (FLAIR) pulse sequences in MRI of the
                                                                                            medizin.mgo-fachverlage.de/onkologie
zur Ablation des umgebenden Ge-                  brain. Journal of computer assisted
                                                 tomography 1992;16: 841–844
webes. Die Stärken des MRT-basier-           5. Kickingereder P, Bonekamp D, No-            Korrespondenzadresse:
ten LITT liegen in der sehr präzisen             wosielski M, Kratz A, Sill M, et al. Ra-   Dr. med. Julia Onken
Applikationsform der Wärme und                   diogenomics of Glioblastoma: Ma-           Oberärztin der Klinik für Neurochirurgie
                                                 chine Learning-based Classification        Campus Charité Mitte
macht die Technik für die Behand-                of Molecular Characteristics by Using      Charitéplatz 1
lung nicht resektabler (Hirnstamm)-              Multiparametric and Multiregional          10117 Berlin
Gliome attraktiv [60]. Bisher wurden             MR Imaging Features. Radiology             julia.onken@charite.de
                                                 2016; 281: 907–918
nur kleine Fallzahlen publiziert, pro-       6. Tsien C, Galban CJ, Chenevert TL,
spektive Studienergebnisse stehen                Johnson TD, Hamstra DA, et al. Para-
                                                 metric response map as an imaging          Dr.
noch aus.                                                                                   Julia Onken
                                                 biomarker to distinguish progression
                                                 from pseudoprogression in high-gra-
Fazit für die Praxis                             de glioma. J Clin Oncol 2010; 28:
                                                 2293–2299                                  Klinik für
Die Behandlung von Glioblastom-                                                             Neurochirurgie,
                                             7. Muoio B, Giovanella L, Treglia G. Re-
Patienten wird in Zukunft komple-                cent Developments of 18F-FET PET in        Campus Charité
xer werden. Die steigenden Quali-                Neuro-oncology. Current medicinal          Mitte, Berlin
tätsansprüche an die Neurochirur-                chemistry 2018; 25: 3061–3073
                                             8. Kebir S, Fimmers R, Galldiks N, Scha-
gie, Neuroradiologie, Strahlenthe-               fer N, Mack F, et al. Late Pseudopro-
rapie, Neuropathologie, Neuroon-                 gression in Glioblastoma: Diagnostic
                                                 Value of Dynamic O-(2-[18F]fluoroe-        Dr.
kologie und Palliativmedizin macht                                                          Martin Misch
                                                 thyl)-L-Tyrosine PET. Clinical cancer
die Behandlung der Patienten an                  research 2016; 22: 2190–2196
spezialisierten Zentren sinnvoll. Die        9. Galldiks N, Dunkl V, Stoffels G, Hutte-
                                                 rer M, Rapp M, et al. Diagnosis of         Klinik für
Umsetzung individualisierter The-                                                           Neurochirurgie,
                                                 pseudoprogression in patients with
rapiekonzepte sollte idealerweise                glioblastoma using O-(2-[18F]fluo-         Campus Charité
im Rahmen kontrollierter Studien                 roethyl)-L-tyrosine PET. European          Mitte, Berlin
stattfinden. Die Komplexität der                 journal of nuclear medicine and mo-
                                                 lecular imaging 2015; 42: 685–695
Beschwerden der Patienten macht              10. Horska A, Barker PB. Imaging of
eine frühe Implementierung von                   brain tumors: MR spectroscopy and
                                                 metabolic imaging. Neuroimaging            Prof. Dr.
supportiven Maßnahmen wie einer                                                             Wolfgang Wick
                                                 clinics of North America 2010; 20:
palliativmedizinischen Betreuung                 293–310
im ambulanten Bereich sinnvoll. Die          11. Toronov V, Walker S, Gupta R, Choi
                                                 JH, Gratton E, Hueber D, Webb A.           Neuroonkologie,
Integration von PROMs wird die                                                              Universitäts-
                                                 The roles of changes in deoxyhemo-
Versorgung der Patienten langfris-               globin concentration and regional          klinikum
tig verbessern.                                  cerebral blood volume in the fMRI          Heidelberg
                                                 BOLD signal. NeuroImage 2003;19:
Literatur:                                       1521–1531
1. Wohrer A, Waldhor T, Heinzl H, Hackl      12. Picht T, Frey D, Thieme S, Kliesch S,
    M, Feichtinger J, et al. The Austrian        Vajkoczy P. Presurgical navigated          Prof. Dr.
    Brain Tumour Registry: a cooperative         TMS motor cortex mapping improves          Peter Vajkoczy
    way to establish a population-based          outcome in glioblastoma surgery: a
    brain tumour registry. Journal of            controlled observational study. Jour-
    neuro-oncology 2009; 95: 401–411             nal of neuro-oncology 2016; 126:           Klinik für
2. Ostrom QT, Gittleman H, Truitt G,             535–543                                    Neurochirurgie,
    Boscia A, Kruchko C, Barnholtz-Sloan     13. Orringer D, Lau D, Khatri S, Zamora-       Charité,
    JS. CBTRUS Statistical Report: Primary       Berridi GJ, Zhang K, et al. Extent of      Universitätsmedizin
    Brain and Other Central Nervous Sys-         resection in patients with glioblasto-     Berlin
    tem Tumors Diagnosed in the United           ma: limiting factors, perception of re-

                                                                                                 4/2019 ONKOLOGIE heute
Sie können auch lesen