Aktueller Stand und Zukunftsvision in der Behandlung des Glioblastoms
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UPDATE: GLIOBLASTOM 41 Aktueller Stand und Zukunftsvision in der Behandlung des Glioblastoms Julia Onken, Martin Misch, Wolfgang Wick, Peter Vajkoczy Das Glioblastom ist der häufigste und bösartigste Gehirntumor im Erwachsenenalter. Die Inzidenz liegt bei 0,59−3,69 pro 100.000 Personen pro Jahr [1]. Der Tumor tritt überwiegend zwischen dem 45. und 70. Lebensjahr auf. Ein Risikofaktor für die Glioblastom-Entstehung ist die Exposition gegenüber ionisieren- der Strahlung [2]. Trotz einer multimodalen Therapie mit operativer Resektion, Strahlentherapie und Chemotherapie liegt das 2-Jahres-Überleben der Patienten bei nur 30−43 % in Studienkohorten und weitaus schlechter in bevölkerungsbasierten Serien. Die Prognose der Patienten hat sich trotz intensiver Forschung und Einführung neuer Therapien in den letzten drei Jahrzehnten um nur wenige Monate ver- bessert [3]. Die sehr begrenzte Lebenszeit der Patienten ist häufig geprägt von neurologischen Ausfällen und Tumor- bzw. Therapie-assoziierter Fatigue, die ein autonomes und selbstbestimmtes Leben erschwe- ren. Anforderungen an die Behandlung und an innovative Therapieformen sind – neben der Verlänge- rung des Überlebens der Patienten – die Lebensqualität und Autonomie zu erhalten. Klinische Präsentation und weiterführende Diagnostik besteht liefert zusätzliche Informationen bildgebende Diagnostik neben der körperlichen und neuro- über das Vorliegen einer Einblu- Die Art der Symptome mit denen ein logischen Untersuchung aus der kra- tung, Verkalkungen oder Liquorzir- Glioblastom-Patient auffällig wird, nialen Bildgebung. kulationsstörung. Die MRT stellt den hängen entscheidend von der Loka- Goldstandard in der Diagnostik ei- lisation des Tumors ab. Häufigste Die kraniale Standarddiagnostik be- nes Glioblastoms dar. Die T2-FLAIR- Symptome sind epileptische Anfälle, steht aus der Magnetresonanzto- Sequenz (T2-weighted-Fluid-Attenu- Cephalgien, Sensibilitätsstörungen, mographie (MRT) und einer Compu- ated Inversion Recovery) dient zur Einschränkungen des Bewegungs- tertomographie des Neurokranium Abschätzung des perifokalen Ödems apparates, des Sprach- oder Sehver- (CCT) in der Akutdiagnostik bei Erst- und der Infiltrationszone des Tu- mögens oder Veränderungen in der manifestation von neurologischen mors (E Abb. 1A) [4]. Die T1-Wich- kognitiven Leistungsfähigkeit und Symptomen oder Kontraindikatio- tung nach Kontrastmittelgabe (T1 Persönlichkeit. Von Symptombeginn nen gegenüber der MRT. Es eignet post KM) visualisiert hochgradige bis zur Diagnosestellung vergehen sich zur Detektion einer Raumforde- Tumoranteile mit gestörter Blut- in der Regel bis zu drei Monate. Die rung, eines perifokalen Ödems und Hirn-Schranke (E Abb. 1B). Messun- Abb. 1: Bildgebende Sequenzen bei einem Glioblastom-Patienten mit neuer KM-Aufnahme anterior der vormaligen Resektions- höhle. (A): FLAIR-Läsion am temporalen Operkulum rechts, (B): T1 post Kontrastmittel schwarzer Pfeil: vormalige Resektionshöhe, weisser Pfeil: neue KM Aufnahme, (C): FET-PET mit deutlicher Mehranreicherung Uptake im Bereich der FLAIR-Veränderung und der KM-Aufnahme, (D): MR-Spektroskopie mit Gliom-spezifischen Cholinpeak (CHO-weisser Pfeil) zugunsten einer N-Acetyl-Aspar- tat (NAA)-Erniedrigung. 4/2019 ONKOLOGIE heute
42 UPDATE: GLIOBLASTOM gen von regionalem Blutvolumen gen Level Dependent). Das fMRT er- renchym häufig visuell und haptisch und Blutfluss können ein mögliches möglicht so z. B. die Lokalisation und schwer detektierbar, in diesen Fällen Therapieansprechen antizipieren Lateralisierung der Sprache [11]. Die können fluoreszierende Farbstoffe und zwischen Tumor und therapeu- navigierte transkranielle Magnet- wie 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) das tischen Veränderungen im Rezidiv- stimulation (nTMS) wird zum funk- Resektionsergebnis und damit das fall unterscheiden [5, 6]. tionellen Mapping und Faserbahn- Gesamtüberleben verbessern [16]. darstellung durch Aktivierung oder Eine wertvolle Ergänzung zur Stan- Hemmung von Nervenzellen durch Das intraoperative neurophysiologi- darddiagnostik sind v. a. die Amino- magnetische Impulse genutzt [12]. sche Monitoring (IONM) ermöglicht säure-Positronen-Emmissions-Tomo- Die präoperativ gewonnenen Infor- u. a. die Überprüfung von Motorik, graphie (PET) und die MR-Spektro- mationen aus fMRT, DTI und TMS Sensibilität und Hirnnervenfunktio- skopie (MR-S). Die (FET-)Fluorethyl- können in die Risikostratifizierung nen mittels motorisch evozierter L-Tyrosin- oder Methionin-PET er- für die operative Resektion einflie- Potentiale (MEPs), somatosensibel möglicht als metabolisches Bildge- ßen. evozierter Potentiale (SEPs) und dem bungsverfahren bei nicht Kontrast- Elektromyographie (EMG). MEPs wer- mittel(KM)-aufnehmenden Tumoren Chirurgie den durch direkte oder indirekte Sti- stoffwechselaktive und damit höher- Die operative Resektion nimmt eine mulation des Motorkortex ausge- gradige Tumoranteile sichtbar zu prognostisch entscheidende Rolle in löst. Hierzu werden Stimulations- machen (E Abb. 1C). Das FET-PET der Glioblastomtherapie ein. Meh- elektroden in die Kopfhaut einge- kommt daher bei (1) der Definition rere unabhängige Studien konnten braucht oder nach Schädeleröff- des Zielpunktes bei stereotaktischen zeigen, dass die vollständige Entfer- nung auf dem Motorkortex aufge- Biopsien nicht KM-aufnehmender nung des KM-aufnehmenden Tu- legt für die direkte kortikale Stimu- Tumoren, (2) bei der Definition des mors mit einem signifikanten Über- lation (E Abb. 2C). Mit der Applika- Resektionsvolumens, (3) der Kontu- lebensvorteil einhergeht [13–15]. tion eines Stromimpulses auf den rierung des Bestrahlungsfeldes und Die Weiterentwicklung und Integra- Motorkortex wird dieser erregt und (4) in der Mitbeurteilung posthera- tion technischer Hilfsmittel in den ein MEP ausgelöst, welches in den peutischer und als Progression zu Operationssaal hat zu einer deutli- entsprechenden Muskelgruppen des wertender bildgebender Verände- chen Verbesserung der Resektions- Armes oder Beines detektiert wird. rungen zum Einsatz [7–9]. Die MR-S ergebnisse und reduzierter Morbidi- Eine subkortikale Stimulation er- stellt Metabolite im Gehirn dar, de- tät für den Patienten geführt. Routi- folgt mit entsprechenden Instru- ren Zusammensetzung eine diffe- nemäßig kommt die Neuronaviga- menten, an deren Spitze kontinuier- rentialdiagnostische Einordnung von tion zum Einsatz. Dieses Computer- lich Strom abgegeben wird, der zur ätiologisch unklaren Läsionen zu- gestützte, bildgebende Verfahren Auslösung eines MEP führt bei aus- lässt (E Abb. 1D). Sie ermöglicht bei- basiert auf der dreidimensionalen reichender Nähe zu den motorischen spielsweise die Differenzierung ei- Rekonstruktion der präoperativen Faserbahnen. Die Stromstärke von ner entzündlichen ZNS-Erkrankung Bildgebung. In die Neuronavigation 1 mA entspricht dabei einer Reich- von einem höhergradigen hirneige- können eine Vielzahl von Informa- weite von ca. 1 mm. Über ein akusti- nen Tumor [10]. tionen eingespielt werden, wie z. B. sches Signal wird der Operateur operative Zugangsplanung, Tumor- beim Auslösen eines MEPs infor- Eine wesentliche Rolle in der Resek- ausdehnung und Faserbahnverläufe miert. Bei den SEPs erfolgt die Sti- tionsplanung insbesondere von elo- (E Abb. 2A+B). Im OP erfolgt dann mulation im Bereich des Nervus me- quenten Tumoren spielt die präope- der Datenabgleich der 3D-Oberflä- dianus und/oder Nervus tibialis und rative Funktions- und Lokalisations- che des Navigationsdatensatzes mit Aufzeichnen des kortikalen Signals diagnostik. So wird zum Beispiel an- der Oberfläche des Patienten (das im Bereich des Gyrus postzentralis. hand der DTI (diffusion tensor ima- sog. Referenzieren). Mit Hilfe regis- Sie haben einen Stellenwert bei der ging)-Sequenz im MRT die anato- trierter Instrumente (z. B. dem Poin- Früherkennung von Durchblutungs- mische Faserbahndarstellung (fiber ter) kann sich der Operateur intra- störungen und dienen der Überwa- tracking) des z. B. kortikospinalen operativ die Lage des Tumors und chung der sensorischen Funktion Traktes ermöglicht. Mittels funktio- eloquente Strukturen anzeigen las- [17, 18]. neller MRT (fMRT) können anhand sen. des erhöhten Sauerstoffverbrauchs Alle o.g. Methoden haben deutlich aktivierte Gehirnareale dargestellt Insbesondere im Randbereich des zur Verbesserung des Resektionsaus- werden („BOLD“-Effekt: Blood Oxy- Tumors ist die Grenze zum Hirnpa- maßes beigetragen. Dennoch bleibt ONKOLOGIE heute 4/2019
UPDATE: GLIOBLASTOM 43 Abb. 2: (A): Faserbahndarstellung und anatomische Lagebeziehung des Tumors (braun) zu motorischen Kortex (gelbe Punkte), Faszi- kulus arcuatus (blau), Faszikulus uncinatus (gelb), frontaler Aslant Trackt (pink), Inferiorer frontoocipitaler Fascilusus (grün) und infe- riore longitudinaler Faszikel (Lila); (B): Anatomische Lagebeziehung des Tumor in der axialen T1 post KM zum Aslant Trackt und mo- torischen Faserbahnen der Hand (Blau); (C): intraoperative Darstellung der direkten kortikalen Stimulation mittels Stimulationspin- zette (*) und mittels Streifenelektrode (#). die Resektion insbesondere von ma- sowie strichförmige Nekrosen be- Astrozytäre Gliome wie das Glioblas- kroskopisch schlecht abgrenzbaren schrieben. Die neue WHO-Klassifika- tom sind außerdem durch die Ex- Tumoren eine Herausforderung. Die tion der Hirntumoren hat eine Stär- pression einer ATRX-Mutation ge- intraoperative Bildgebung mittels kung der molekularen Diagnostik kennzeichnet. Der ATRX-Antikörper, intraoperativen MRT (iMRT) ermög- bewirkt [19]. Die Isocitrat-Dehydro- der gegen die Wildtyp-Variante von licht eine unmittelbare Resektions- genase (IDH)-Mutation definiert ei- ATRX gerichtet ist, zeigt keine Fär- kontrolle und ggf. Nachresektion bei ne prognostisch deutlich bessere bereaktion, man spricht daher auch einem Resttumor. Die Verfügbarkeit Gruppe von Gliomen. Einzug in die von einem ATRX-Verlust. Der MGMT- ist aufgrund der hohen Kosten einge- Gliomdiagnostik bei Erwachsenen Promotor-Status wird in der Regel schränkt, weshalb die Resektionskon- hat neben dem IDH-Status auch die mittels methylierungsspezifischer trolle in den meisten Kliniken über- 1p/19q-Kodeletion gehalten. Prädik- PCR (MSP) oder Pyrosequenzierung wiegend mittels früh postoperativer tiver Biomarker beim Glioblastom (PSQ) bestimmt. MRT mit KM (innerhalb 72 h) nach ist der O(6)-Methylguanin-DNA-Me- der Operation erfolgt. Eine biopti- thyltransferase-Promotor-Methylie- Bei histomorphologisch nicht ein- sche Sicherung eines zerebralen Be- rungsstatus (MGMT-Status); Gliome deutig zu klassifizierenden Tumo- fundes wird in Betracht gezogen, der Mittellinie werden durch die ren und zukünftig möglicherweise wenn die bildgebende Diagnose un- Markierung der Expression von His- auch regelmäßig zur Qualitätsver- sicher oder die Pathologie einer Re- ton H3.3K27M-mutierten Proteinen besserung kann eine epigenetische sektion nicht zugänglich ist wie z. B. diagnostiziert. In der klinischen Rou- Methylierungsanalyse des Tumor- das Hirnstammgliom. Für eine Nadel- tine werden meist zumindest der genoms hilfreich sein (EPIC-Analyse) biopsie stehen navigierte oder rah- IDH- und MGMT-Status sowie die [20]. Mittels Analyse von etwa menbasierte Verfahren zur Verfü- Alpha thalassemia/ mental retarda- 850.000 (850k-Array) CpG-Basen- gung. tion syndrome X-linked (ATRX)-Ex- paaren können Tumoren nach Mus- pression erhoben. Eine IDH-R132H- tern der quantitativen Methylie- Neuropathologie Mutation kann immunhistochemisch rung in den Einzel-CpGs entspre- Die Aggressivität des Glioblastoms (IHC) nachgewiesen werden. Seltene chend einem Validierungsset einer ist v. a. durch seine Heterogenität, IDH1/2-Mutationen finden sich über- Tumorentiät zugeordnet werden aber auch das Wachstumsmuster wiegend bei Patienten unter 45 Jah- und auf dessen Basis die molekulare und die Resistenz gegenüber allen ren, zu deren Nachweis sollte eine Diagnose gestellt werden. Die EPIC- bisher bekannten Therapieverfah- Sequenzierung erfolgen; in der Rou- Analyse liefert direkt oder indirekt ren bedingt. Im histopathologischen tine sollte dies für alle Patienten er- eine Fülle an Daten. Zu den gegen- Befund werden hochproliferative, folgen, bei denen kein Glioblastom wärtig therapeutisch relevanten pleomorphe Tumorzellen, invasives diagnostiziert wird, die IHC für IDH1- Mutationen zählen im wesentli- Tumorwachstum, Neoangiogenese R132H aber trotzdem negativ ist. chem die folgenden: EGFR-Ampli- 4/2019 ONKOLOGIE heute
44 UPDATE: GLIOBLASTOM fikation (Epidermal Growth Factor nisten zur Prophylaxe von Übelkeit Therapie (täglich TMZ 75 mg/m2 KOF) Receptor, über Kopienzahlvariation), (in der parallelen Radiochemothera- beginnend mit dem ersten Tag der BRAFV600-Mutation (über Gensequen- pie-Phase limitiert wegen Obstipa- Radiotherapie gefolgt von sechs 28- zierung), CDKN2A/B- und CDK4/6- tion und ersetzt durch z. B. Dimen- Tage-Zyklen TMZ (Tage 1–5) begin- Amplifikation (über Kopienzahlver- hydrinat, außer bei ungewöhnlich nend 4 Wochen nach Radiotherapie- änderungen) und IDH-Mutation (über starker Übelkeit). Steroide kommen abschluss (Dosis 150–200 mg/m2/Tag). gesteigerte globale Methylierung). bei symptomatischem Ödem zum Das mediane Gesamtüberleben wur- Die eingeschränkte Verfügbarkeit Einsatz, wobei auch deren antieme- de von 31,4 Monaten im Standard- und die fehlende allgemeine Kos- tische Wirkung genutzt wird, ob- arm (n = 63) auf 48,1 Monate im ex- tenerstattung beschränken den schon bei Hirntumoren ein Einsatz perimentellen Arm (n = 66) verbes- Einsatz der o. g. Methoden gegen- als Antiemese allein explizit nicht sert. Die Ergebnisse sollten aufgrund wärtig auf Studienpatienten oder empfohlen wird [22]. Bei einer Ste- der geringen Größe der Studie mit ausgewählten Einzelfällen. roiddauertherapie sind die Neben- Vorsicht interpretiert werden, deu- wirkungen wie Muskelatrophie, dia- ten aber darauf hin, dass neu dia- Primärtherapie betogene Stoffwechsellage etc. zu gnostizierte Glioblastom-Patienten Radiotherapie plus begleitend und beachten. Im Falle einer signifikan- mit Methylierung des MGMT-Pro- adjuvant Temozolomide ten Hämatotoxizität sind Bluttrans- motors von einer intensiveren Erstli- Die Standardtherapie nach histolo- fusionen und die Gabe von Kno- nienbehandlung mit CCNU in Kom- gischer Sicherung eines Glioblas- chenmark-stimulierenden Substan- bination mit TMZ profitieren könn- toms umfasst eine Radiotherapie zen notwendig. Die Nachsorge der ten [25]. plus begleitend und adjuvant Temo- Patienten erfolgt mittels cMRT mit zolomid (TMZ) [21]. 4 bis maximal 6 KM alle 3 Monate. Die Chemosensi- Individualisierte Therapie Wochen nach der Diagnosestellung bilität gegenüber TMZ hängt stark Bei Patienten ohne Methylierung des sollte die begleitende Radiochemo- von der epigenetischen Methylie- MGMT-Promotors besteht laut Hegi therapie bestehend aus einer frak- rung des MGMT-Promotors ab. Meh- et al. kein signifikanter Benefit der tionierten Bestrahlung bis zu einer rere randomisierte Studien haben adjuvanten Temozolomid-Therapie kumulativen Gesamtdosis von 60 Gy gezeigt, dass die Methylierung des im Anschluss an die Bestrahlung [23]. und TMZ, einer alkylierenden Che- MGMT-Promotors bei Glioblastom- Für diese Patienten werden Alter- motherapie, begonnen werden. TMZ patienten mit einem signifikanten nativen zu den alkylierenden Che- wird für den gesamten Zeitraum der Überlebensvorteil verbunden ist, motherapeutika dringend gesucht. Bestrahlung mit einer Dosierung von wenn sie mit Strahlentherapie und Individualisierte Therapiekonzepte 75 mg pro Quadratmeter Körper- TMZ behandelt werden [23]. sind daher Gegenstand vieler Studi- oberfläche (m2 KOF) pro Tag einge- en. In Deutschland ist seit Ende 2018 nommen. Nach Abschluss der beglei- CETEG/NOA-09 Protokoll eine Studienteilnahme in der Erstli- tenden Radiochemotherapie erfolgt Die Chemosensibilität gegenüber nientherapie bei fehlender MGMT- dann die („adjuvante“) Erhaltungs- TMZ hängt stark von der epigeneti- Promotor-Methylierung möglich im therapie mit TMZ über 6 Zyklen. Ein schen Silencing durch Methylierung Rahmen der N2M2-Studie Neuro Zyklus beinhaltet die Einnahme von des MGMT-Promotors ab [24]. In der Master Match [26]. Hier erfolgt die 150–200 mg pro m2 KOF an 5 aufein- CeTeG/NOA-09-Studie war daher bei Stratifizierung in 5 Teilstudien für ander folgenden Tagen in einem 28- Glioblastom-Patienten mit Methy- gezielte Therapien zu der am bes- Tage-Zyklus (E Abb. 3). Der Nadir lierung des MGMT-Promotors eine ten passenden molekularen Verän- bildet sich ab Tag 21–28 im Blutbild intensivierte Chemotherapie Ge- derung: Alcetinib (Inhibitor der ALK- ab. Während und nach der Bestrah- genstand der Studie. Im experimen- Tyrosinkinase), Idasanutlin (MDM2- lung sind lokale Alopezie, Cephalgi- tellen Arm (CCNU-/TMZ-Arm) erhiel- Antagonist), Palbociclib (Cyclin-ab- en, Fatigue und Ödeme als Neben- ten die Patienten 60 Gy Standard- hängiger Kinase-Inhibitor), Vismo- wirkungen zu erwarten. Die häufigs- radiotherapie (RT, 30 x 2 Gy) und sechs degib (Hedgehog-Signalweg-Inhi- ten Nebenwirkungen unter TMZ 42-Tage-Zyklen mit oralem CCNU bitor) und Temsirolimus (mTOR- sind Übelkeit (43 %) und Erbrechen 100 mg/m2 KOF (Tag 1) und oralem Inhibitor). Patienten ohne passende (36 %), Müdigkeit (22 %), Thrombo- TMZ 100 mg/m2 KOF (Tage 2–6), ab Veränderung werden in 3 weitere zytopenie (19 %), Neutropenie (17 %) dem ersten Tag der Bestrahlung. Der Teilstudien randomisiert: Atezolizu- und Obstipation (17 %) [21]. Das Standard-Arm (TMZ-Arm) bestand mab (PD-L1-Inhibitor), Asunercept Nebenwirkungsmanagement bein- aus 60 Gy Standardradiotherapie (rekombinantes Fusionsprotein von haltet die Gabe von 5-HT3-Antago- (RT, 30 x 2 Gy) und begleitende TMZ- CD95 und IgG1) oder TMZ. ONKOLOGIE heute 4/2019
UPDATE: GLIOBLASTOM 45 Abb. 3: Darstellung der Radiotherapie plus begleitend Temozolomid und anschließender Temozolomiderhaltungstherapie über 6 Zyklen. Tumortherapiefelder fehlender Verblindung und Placebo- geringer als bei jüngeren Patienten. Ein neuer Ansatz zur Verbesserung kontrolle der Studie, dem partiell un- Mögliche Erklärungen für dieses der Tumorkontrolle für die Primär- geklärten Wirkmechanismus bzw. verkürzte Überleben sind Unter- therapie des Glioblastoms ist die Be- dem Verständnis profitierender und schiede in der Tumorbiologie, redu- handlung mit Tumortherapiefeldern nicht profitierender Patienten und zierter Therapieeinsatz, erhöhte (TTFields) [3]. Das Tumorbett wird un- den recht hohen Therapiekosten. Die Toxizität der Behandlung oder ver- ter wechselnde elektrische Felder mit tägliche Therapiedauer von mindes- minderte Wirksamkeit der verfüg- niedriger Intensität (1–3 V/cm) und tens 18 Stunden könnte negative baren Therapien mit zunehmen- Frequenz (200 kHz) gesetzt mittels 4 Auswirkungen auf die Lebensquali- dem Alter. Etwa 50 % der Glioblas- Transducer-Arrays, die auf die rasier- tät der Patienten haben. Detaillierte tom-Patienten sind bei Diagnose- te Kopfhaut aufgebracht werden. Untersuchungen hierzu fehlen der- stellung über 65 Jahre. Die Behand- Durch die elektrischen Felder wird die zeit noch [28]. Lokale Nebenwirkun- lung des älteren Patienten mit ei- Tumorzelle während der Teilung in gen dieser Therapieform sind Irrita- nem Glioblastom war daher Inhalt der Polarität gestört, mit der Folge ei- tionen der Kopfhaut, die mit (steroid- verschiedener Studien [30, 31]. In ner mitotischen Katastrophe, resul- haltigen) Cremes gut kontrolliert der NORDIC- Elderly-Studie wurden tierend in Autophagie und Apoptose werden. Systemische Nebenwirkun- 291 Patienten über 60 Jahre in 3 der Tumorzelle [27]. Die EF-14-Studie gen sind nicht bekannt. Die Behand- Gruppen randomisiert. zeigte, dass TTFields bei Patienten lung stellt eine Option in der Primär- mit neu diagnostiziertem Glioblas- therapie dar und ist im Rezidiv nicht Gruppe 1: alleinige Chemotherapie tom sowohl das progressionsfreie wirksam [29]. mit TMZ 200 mg/m2 KOF an Tag 1–5 Überleben (PFS) als auch das Gesamt- alle 28 Tage für bis zu 6 Zyklen überleben (OS) signifikant um 2,7 Therapie älterer Gruppe 2: alleinige hypofraktionier- bzw. 4,9 Monate verlängern. Aller- Glioblastom-Patienten te Strahlentherapie (34 Gy verab- dings wird die Verwendung von Die Lebenserwartung älterer Pati- reicht in 3,4-Gy-Fraktionen über 2 TTFields kontrovers diskutiert bei enten mit Glioblastom ist deutlich Wochen [Wo]) oder 4/2019 ONKOLOGIE heute
46 UPDATE: GLIOBLASTOM Gruppe 3: Standard-Radiotherapie Die Interpretation der MRT-Aufnah- im Rezidiv gemäß den Daten der (60 Gy in 2-Gy-Fraktionen über 6 Wo). men erfordert eine gute Kenntnis DIRECTOR-Studie nur bei Patienten des bisherigen Krankheitsverlaufs, mit eindeutiger Methylierung des Die Ergebnisse der NORDIC-Elderly- Vortherapien, und dem klinischen MGMT-Promotors sinnvoll [40]. Eine Studie zeigen ein verbessertes Über- Zustand des Patienten. Die RANO Rezidiv-Bestrahlung ist anhand der leben der Patienten, die ein verkürz- (Response Assessment in Neuro-On- Ausdehnung des Befundes und dem tes Bestrahlungsprotokoll oder die cology)-Kriterien berücksichtigen den Zeitintervall zur initalen Radiation alleinige TMZ-Therapie erhielten Allgemeinzustand des Patienten, zu reevaluieren. Studienteilnahmen gegenüber der Standard-Strahlen- den Steroidbedarf und bildgebende und individualisierte Konzepte kom- therapie. Eine Subgruppenanalyse Parameter wie das Vorhandensein men zur Anwendung. deutet darauf hin, dass Patienten neuer Läsionen und der Größenver- mit MGMT-Promotor-Methylierung änderungen der KM-Aufnahme des Basierend auf molekularen Analysen durch die Monotherapie mit Temo- Primärbefundes [38]. Eine sog. Pseu- kommen auch mutationsgerichtete zolomid einen größeren Nutzen ha- doprogression liegt vor, wenn neu Wirkstoffe, die aus anderen onko- ben als durch die Strahlentherapie aufgetretene oder größenprogre- logischen Anwendungsgebieten be- [30, 32]. In einer Studie der Canadian diente KM-anreichernde Läsionen kannt sind, zum Einsatz. Die Inzidenz Cancer Trials Group (CCTG) wurden im weiteren Verlauf, ohne Umstel- für eine BRAFV600-Mutation beim 562 Patienten im Alter über 65 Jahre lung oder Intensivierung der Che- Glioblastom des Erwachsenen liegt in 2 Gruppen randomisiert. Hier wur- motherapie, unverändert bleiben bei l 2 % und wird mit 50 % bei epi- de die alleinige hypofraktionierte oder rückläufig sind. Eine relevante theloiden Glioblastomen beschrie- Strahlentherapie (mit 40 Gy verteilt Pseudoprogression kommt in bis zu ben [41, 42]. Vemurafenib, ein selek- auf 15 Fraktionen) mit der hypofrak- 20−30 % nach der kombinierten Ra- tiver Inhibitor von BRAFV600 zeigte tionierten Strahlentherapie mit be- diochemotherapie vor, meist inner- erste Erfolge in einer Phase-II-Studie gleitender und adjuvanter TMZ-The- halb von 12 Wochen bis zu 6 Mona- [43]. Eine EFGR-Amplifikation ist we- rapie verglichen. Das mediane Ge- ten. Hier kann das Aminosäure-PET sentlich häufiger und findet sich bei samtüberleben war bei der Kombi- in Kombination mit dem MRT die ca. 50 % der Patienten mit Glioblas- nation aus Strahlentherapie plus Te- Sensitivität bei der Differenzierung tom [44]. Versuche zur therapeuti- mozolomid länger als bei alleiniger zwischen Therapiefolgen und Tu- schen Blockade wurde vielfältig un- Strahlentherapie (9,3 vs. 7,6 Mona- morrezidiv erhöhen [7]. Eine histo- ternommen. Als Ursachen für enttäu- te) wie auch das mediane progressi- logische Sicherung ist bei unklaren schende Ergebnisse werden die man- onsfreies Überleben (5,3 vs. 3,9 Mo- Fällen angeraten. Zusätzlich werden gelnde Passage der Substanzen durch nate) [31]. Analog der o. g. Studien- v.a. bei IDH-mutierten Gliomen tran- die Blut-Hirn-Schranke diskutiert so- ergebnisse kann bei dem älteren siente winzige KM-affine Läsionen wie Anpassungsmechanismen über Glioblastom-Patienten sowohl nach beobachtet, deren Biologie eben- alternative Reaktionspfade in der NOA-08- oder CCTG-Schema behan- falls unklar ist [39]. Zelle und Relevanzverlust des EGFR- delt werden. Ein guter Allgemeinzu- Signalweges im fortgeschrittenen stand und ein positiver MGMT-Pro- Die Empfehlung zur Rezidivtherapie Krankheitsstadium. Erste ermutigen- motor-Methylierungsstatus können richtet sich maßgeblich nach den de Ergebnisse zeigt das Antikörper- Argumente für die verkürzte Kombi- Vortherapien, des prognostischen Wirkstoff-Konjugat Depatuxizumab nationsbehandlung aus Bestrahlung Ansprechens auf alkylierende Che- Mafodotin (Depatux-M), welches al- und TMZ-Therapie bzw. eine alleini- motherapie (MGMT-Promotor-Sta- lerdings aufgrund der okulären To- ge zyklische TMZ-Therapie sein. tus) und dem Zustand des Patienten. xizität mit einem aufwendigen Ne- Bei einem guten Allgemeinzustand benwirkungsmanagement mit kon- Rezidivtherapie des Patienten, nicht eloquenter Tu- sequenter Kühlung und engmaschi- Der Progress der Erkrankung führt morlage und kleinem Tumorvolu- ger Applikation von Augentropfen häufig zu einer graduellen Ver- men sowie anschließender Therapie verbunden ist [45]. schlechterung des Allgemeinzustan- ist eine chirurgische Entfernung des und/oder neuen neurologischen sinnvoll. Diese hat neben der Zytore- Antiangiogene Therapie Ausfällen. Bildgebend findet sich in duktion den Vorteil der erneuten Die hohen Erwartungen an die anti- 80 % der Fälle ein Lokalrezidiv, es Probengewinnung und Analyse hin- angiogene Therapie im Glioblastom kommen aber auch multilokuläre sichtlich individualisierter Therapie- wurden nicht erfüllt. Der Einsatz des Befunde oder Rezidive distant zum optionen. Eine erneute TMZ-Expo- VEGF-Antikörpers Bevacizumab hat Primärbefund (multifokal) vor. sition (TMZ rechallenge) erscheint in mehreren unabhängigen Studien ONKOLOGIE heute 4/2019
UPDATE: GLIOBLASTOM 47 zu keiner Verbesserung des Gesamt- mit Glioblastom-Patienten getestet. nun helfen, Biomarker für geeignete überlebens in der Primärtherapie DCVax-L besteht aus dendritischen Patienten zu identifizieren. Künfti- und im Rezidiv geführt [33–35]. Be- Zellen, die per Leukapherese aus gen Studienprotokolle werden au- vacizumab kann nachweislich den dem Blut der Patienten isoliert und ßerdem die Rolle der Steroide, Res- Steroidbedarf senken und verbes- dann ex vivo eine immunologische ponse-Kriterien der Bildgebung als serte das progressionsfreie Überle- Prägung durch Konfrontation mit auch neue Technologien des drug ben. MR-tomographisch findet sich intraoperativ gewonnen Glioblas- delivery und kombinatorischer Im- in diesen Fällen eine deutlich redu- tom-Zellen erhalten haben. Die An- muntherapien verstärkt berücksich- zierter KM-Aufnahme des Tumors tigen-präsentierenden dentritischen tigen müssen [51]. Die GAPVAC- und eine Reduktion des perifokalen Zellen werden durch regelmäßige Studie zielt darauf ab, das gesamte Ödems (Pseudoregression) [36]. Be- interdermale Injektionen an den Pa- Tumorantigen-Repertoire des Glio- vacizumab kommt in Einzelfällen bei tienten zurückgegeben und sollen blastoms zu analysieren, um eine ef- der Behandlung symptomatischer eine zytotoxischen T-Zellen-Aktivie- fektivere Immuntherapie v. a. für Strahlennekrosen zum Einsatz [37]. rung auslösen. Die endgültigen Er- Tumoren mit geringer Mutations- Der Einsatz von Bevacizumab hat gebnisse der Studie sind nicht publi- zahl zu erreichen. In einer Phase-I- zumindest bei der Therapie von zu- ziert; aus der derzeit publizierten Studie wird eine hochpersonalisierte meist strahleninduzierten Pseudo- Datenlage lassen sich leider keinerlei Vakzinierung mit Tumorantigenen progressionen trotz fehlender Zulas- Schlüsse zur Wirksamkeit ziehen, in die Standard-Radiochemothera- sung in Deutschland einen gewissen weil die Arme nicht getrennt darge- pie nach einer Operation integriert. Stellenwert in der Behandlung von stellt werden und Zahlen zum PFS Das Ziel ist die limitierte Anzahl von Glioblastomen zur Symptomlinde- fehlen, obgleich Daten zum (später effektiven Targets für Patienten mit rung oder Verlängerung des pro- eintretenden) OS genannt sind [48]. neu diagnostiziertem Glioblastom gressionsfreien Überlebens. Typische so effektiv wie möglich zu adressie- Nebenwirkungen sind arterieller Hy- Die onkolytische Virustherapie wird ren [52]. pertonus, Proteinurie und häufigere derzeit ebenfalls beim Glioblastom thrombembolische Ereignisse. erforscht. Der Impfstoff DNX-2401 Komplementärmedizin bestehend aus dendritischen Zellen, Ergänzend zur Standardtherapie Immuntherapie der gegen Tumorzellen gerichtet ist, kann die Komplementärmedizin Immuntherapien haben sich gegen die Cytomegalo-Virus(CMV)-induzier- mit Einsatz von pflanzlichen Präpa- eine wachsende Zahl von Krebser- te Antigene exprimieren. Die rekom- raten, naturheilkundlichen Verfah- krankungen als wirksam erwiesen. binanten, nicht-pathogenen Polio- ren (z. B. Traditionell Chinesische Leider konnten bei der Behandlung Rhinovirus-Chimären (PVSRIPO) sind Medizin, TCM), Bewegungs- und des Glioblastoms bisher keine durch- ebenfalls Gegenstand aktueller Stu- Ernährungstherapien symptomlin- schlagenderen Erfolge erreicht wer- dien beim Glioblastom. Für beide dernd wirken. Studien konnten den. Folgende Ansätze werden in Verfahren liegen Daten aus Dosis- zeigen, dass Bewegung und Sport klinischen Phase-II/III-Studien ver- findungs- und Toxizitätsstudien vor, den Krankheitsverlauf bei gynäko- folgt: Vakzinierungstherapie, z. B. die noch keine Rückschlüsse über logischen Tumorerkrankungen po- mit IDH-1-gerichteter Vakzine oder deren Effektivität zulassen [49, 50]. sitiv beeinflussen kann. Daten zum dendritischen Zellen, chimäre T-Zell- Glioblastom fehlen diesbezüglich Rezeptoren und Virotherapie. Die Als Ursachen für die fehlende Über- noch. Darüber hinaus werden etwa Vakzinierung mit dem Impfstoff tragbarkeit der immuntherapeuti- die ketogene Diät, Nahrungsergän- Rindopepimut, gerichtet gegen die schen Ansätze solider Tumoren auf zungsmittel, Akupunktur bei Fati- mutierte Form des EGFR-Proteins das Glioblastom wird (a) die unter- gue und vieles mehr in der Hirntu- (EGFRvIII) als auch die Checkpoint- schiedliche Wirkungsweise des ZNS- morforschung diskutiert. Die Evi- Inhibitor-Studie CheckMate-143 (Ni- Immunsystems, (b) die eingeschränk- denzlage zur Wirkung der genann- volumab, PD1-Inhibitor) und chimä- te Passage der Substanzen über die ten Methoden ist bisher dünn. Bes- re T-Zell-Rezeptor-Therapien konn- Blut-Hirn-Schranke und (c) die häu- ser untersucht ist die Wirkung des ten bisher keinen Überlebensvorteil fig zu schwache Immunantwort auf- pflanzlichen Präparats Boswellia zeigen und nur milde Immunant- grund geringerer Anzahl von Neo- serrata (BS-Weihrauch). BS kann ei- worten provozieren [46, 47]. epitopen gegenüber z. B. dem malig- ne strahleninduziertes zerebrales nen Melanom oder dem Bronchial- Ödem signifikant reduzieren und Ein weiterer Impfstoff, DCVax-L, karzinom diskutiert. Die Erfahrung könnte somit einen steroidsparen- wird derzeit in einer Phase-III-Studie aus den bisherigen Studien können den Effekt haben [53]. 4/2019 ONKOLOGIE heute
48 UPDATE: GLIOBLASTOM Supportivtherapie und wahrgenommener Behand- Erkennung von Biomarkern führen, Studien konnten zeigen, dass eine lungswert. PROMs können genutzt die prognostische und therapeuti- Reduktion der Symptombelastung werden, um Versorgungslücken auf- sche Relevanz erlangen werden (Ar- durch den frühzeitigen Einsatz von zuzeigen und Nebenwirkungsprofi- tifical Intelligence). Mit Hilfe von Ra- palliativen Diensten zu einer verbes- le von neuen Medikamenten oder diomics ist es beispielsweise möglich serten Lebensqualität und verlän- Kombinationsbehandlungen aufzu- quantitative radiomische Merkmale gerten Überleben bei Tumorpatien- decken. aus einem MRT zu extrahieren und ten führen kann [54, 55]. Laut einer mit Hilfe der radiomischen Signatur Studie von Koekkoek et al. sind Som- Zukunftsvision eine nicht-invasive Vorhersage und nolenz, fokale neurologische Defi- Aufgrund der hohen Interdisziplina- Stratifizierung von PFS und OS zu zite und kognitive Störungen die rität der Behandlung und Stärkung treffen [58,59]. Ziel verschiedener häufigsten krankheitsspezifischen der individualisierten Therapiekon- Genomic-Technologien wird sein, Symptome während der End-of-Life zepte wird die Rolle von zertifizier- mit einer raschen Sequenzierung des (EoL)-Phase von Glioblastom-Patien- ten, neuroonkologischen Zentren Tumors die Gensignatur darzustel- ten [56]. Das Absetzen von Antiepi- einschließlich Tumorboards weiter len, Resistenzmechanismen zu anti- leptika war beispielsweise in 96 % gestärkt werden. Zukünftige Anfor- zipieren und somit individualisierte, der Fälle einer Somnolenz und/oder derung an die Behandlung von Glio- kombinatorische Behandlungssche- Dysphagie geschuldet. Dieser Studie blastom-Patienten wird sein, dass mata zu entwerfen. Die Schwierig- zufolge wiesen eine Woche vor dem aus der Vielzahl von Informationen keiten der Bewertung der Bildge- Tod nur 65,9 % der Patienten mit ho- unterschiedlicher Disziplinen indivi- bung unter neuartigen Therapien her Symptomlast eine gute Quality dualisierte Therapiekonzepte er- (Pseudoprogression) wird die Rolle of care (QOC) auf, verglichen mit wachsen [57]. Das Prozessieren von der Neurochirurgie im Hinblick auf 87,5 % der Patienten mit niedriger großen Datenmengen (Big Data) aus Gewebegewinnung im Rezidivfall, Symptomhäufigkeit. Die Intensität genomischen Analysen (Genomics), aber auch bei der Frage nach geziel- und Komplexität der Symptome ei- der Bildgebung (Radiomics) und kli- ter Wirkstoffabgabe in die Resekti- nes Glioblastom-Patienten sprechen nischen Daten wird zur Etablierung onshöhle (Targeted Drug Delivery) für eine frühzeitige und angemesse- neuer Behandlungsalgorithmen und und der Erhebung pharmakologi- ne Integration supportiver Maßnah- men wie spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), psycho- Zusammenfassung onkologische Begleitung, die Durch- führung von Physiotherapie, Ergo- Die Prognose von Glioblastom-Patienten bleibt trotz der multimoda- therapie und Logopädie. Neben der len Behandlung mit operativer Resektion, Strahlentherapie und Che- verbesserten Kontrolle der Sympto- motherapie schlecht. Moderne Operationstechniken haben zu einer me ist das Ziel der palliativen Pflege deutlichen Verbesserung des operativen Ergebnisses geführt. Alterna- die Lebensqualität und die Selbstbe- tive Therapiekonzepte wie Tumortherapiefelder haben sich in den stimmung so weit wie möglich zu er- letzten Jahren neben der Standardtherapie bestehend aus Radiothera- halten, zu fördern und zu verbessern pie plus begleitend und erhaltend Temozolomid etabliert. In der Neu- und ein menschenwürdiges Leben ropathologie ist die molekulare Diagnostik zu einem integralen Be- bis zum Tod zu ermöglichen [54]. standteil bei der Diagnosestellung geworden. Die dadurch verstärkt abgebildete Tumorheterogenität führt zu einer Stärkung individuali- Um die Bedürfnisse der Glioblastom- sierter Therapiekonzepte aus kombinatorischen Behandlungsstrate- Patienten in allen Phasen der Erkran- gien. Insbesondere bei MGMT-negativen Glioblastomen sind alternati- kung besser abzubilden erlangen ve Behandlungsstrategien zur alkylierenden Chemotherapie zu disku- die PROMs (patient reported outco- tieren. Die Implementierung immunologischer Verfahren wird umtrie- me measures) zunehmend an Be- big beforscht. Fallstricke wurden identifiziert, die Ergebnisse ange- deutung. PROMs konzentrieren sich passter Studiendesigns stehen aus. auf die Erhebung folgender Inhalte: Gesundheitsbezogene Lebensquali- Schlüsselwörter: tät, Symptome, körperliche Funk- Glioblastom – molekulare Diagnostik – multimodale Therapie – Radio- tion, psychische Gesundheit, Zufrie- therapie mit Temozolomid – Tumortherapiefelder – Palliativ- und Sup- denheit mit der Pflege/Symptomen- portivtherapie – PROMs kontrolle, Compliance der Therapie ONKOLOGIE heute 4/2019
UPDATE: GLIOBLASTOM 49 scher Parameter (intratumorale Wirk- States in 2011–2015. Neuro Oncol sectability, and effect on survival. stoffkonzentration etc.) stärken. Zu 2018; 20: iv1-iv86 Journal of neurosurgery 2012;117: 3. Stupp R, Taillibert S, Kanner AA, Ke- 851–859 einer neuartigen Behandlungsmög- sari S, Steinberg , et al. Maintenance 14. Lacroix M, Abi-Said D, Fourney DR, lichkeit könnte sich die interstitielle Therapy With Tumor-Treating Fields Gokaslan ZL, Shi W, et al. A multiva- Thermo-Laserablation (LITT) entwi- Plus Temozolomide vs Temozolomi- riate analysis of 416 patients with gli- de Alone for Glioblastoma: A Rand- oblastoma multiforme: prognosis, ckeln. Die LITT ist ein Verfahren bei omized Clinical Trial. Jama 2015; 314: extent of resection, and survival. dem eine Lasersonde stereotaktisch 2535–2543 Journal of neurosurgery 2001; 95: in das Tumorgewebe eingebracht 4. Hajnal JV, Bryant DJ, Kasuboski L, 190–198 Pattany PM, De Coene B, et al. Use of wird. Die Lasersonde wird anschlie- fluid attenuated inversion recovery ßend auf 52 °C erhitzt und führt so Vollständige Literatur unter: (FLAIR) pulse sequences in MRI of the medizin.mgo-fachverlage.de/onkologie zur Ablation des umgebenden Ge- brain. Journal of computer assisted tomography 1992;16: 841–844 webes. Die Stärken des MRT-basier- 5. Kickingereder P, Bonekamp D, No- Korrespondenzadresse: ten LITT liegen in der sehr präzisen wosielski M, Kratz A, Sill M, et al. Ra- Dr. med. Julia Onken Applikationsform der Wärme und diogenomics of Glioblastoma: Ma- Oberärztin der Klinik für Neurochirurgie chine Learning-based Classification Campus Charité Mitte macht die Technik für die Behand- of Molecular Characteristics by Using Charitéplatz 1 lung nicht resektabler (Hirnstamm)- Multiparametric and Multiregional 10117 Berlin Gliome attraktiv [60]. Bisher wurden MR Imaging Features. Radiology julia.onken@charite.de 2016; 281: 907–918 nur kleine Fallzahlen publiziert, pro- 6. Tsien C, Galban CJ, Chenevert TL, spektive Studienergebnisse stehen Johnson TD, Hamstra DA, et al. Para- metric response map as an imaging Dr. noch aus. Julia Onken biomarker to distinguish progression from pseudoprogression in high-gra- Fazit für die Praxis de glioma. J Clin Oncol 2010; 28: 2293–2299 Klinik für Die Behandlung von Glioblastom- Neurochirurgie, 7. Muoio B, Giovanella L, Treglia G. Re- Patienten wird in Zukunft komple- cent Developments of 18F-FET PET in Campus Charité xer werden. Die steigenden Quali- Neuro-oncology. Current medicinal Mitte, Berlin tätsansprüche an die Neurochirur- chemistry 2018; 25: 3061–3073 8. Kebir S, Fimmers R, Galldiks N, Scha- gie, Neuroradiologie, Strahlenthe- fer N, Mack F, et al. Late Pseudopro- rapie, Neuropathologie, Neuroon- gression in Glioblastoma: Diagnostic Value of Dynamic O-(2-[18F]fluoroe- Dr. kologie und Palliativmedizin macht Martin Misch thyl)-L-Tyrosine PET. Clinical cancer die Behandlung der Patienten an research 2016; 22: 2190–2196 spezialisierten Zentren sinnvoll. Die 9. Galldiks N, Dunkl V, Stoffels G, Hutte- rer M, Rapp M, et al. Diagnosis of Klinik für Umsetzung individualisierter The- Neurochirurgie, pseudoprogression in patients with rapiekonzepte sollte idealerweise glioblastoma using O-(2-[18F]fluo- Campus Charité im Rahmen kontrollierter Studien roethyl)-L-tyrosine PET. European Mitte, Berlin stattfinden. Die Komplexität der journal of nuclear medicine and mo- lecular imaging 2015; 42: 685–695 Beschwerden der Patienten macht 10. Horska A, Barker PB. Imaging of eine frühe Implementierung von brain tumors: MR spectroscopy and metabolic imaging. Neuroimaging Prof. Dr. supportiven Maßnahmen wie einer Wolfgang Wick clinics of North America 2010; 20: palliativmedizinischen Betreuung 293–310 im ambulanten Bereich sinnvoll. Die 11. Toronov V, Walker S, Gupta R, Choi JH, Gratton E, Hueber D, Webb A. Neuroonkologie, Integration von PROMs wird die Universitäts- The roles of changes in deoxyhemo- Versorgung der Patienten langfris- globin concentration and regional klinikum tig verbessern. cerebral blood volume in the fMRI Heidelberg BOLD signal. NeuroImage 2003;19: Literatur: 1521–1531 1. Wohrer A, Waldhor T, Heinzl H, Hackl 12. Picht T, Frey D, Thieme S, Kliesch S, M, Feichtinger J, et al. The Austrian Vajkoczy P. Presurgical navigated Prof. Dr. Brain Tumour Registry: a cooperative TMS motor cortex mapping improves Peter Vajkoczy way to establish a population-based outcome in glioblastoma surgery: a brain tumour registry. Journal of controlled observational study. Jour- neuro-oncology 2009; 95: 401–411 nal of neuro-oncology 2016; 126: Klinik für 2. Ostrom QT, Gittleman H, Truitt G, 535–543 Neurochirurgie, Boscia A, Kruchko C, Barnholtz-Sloan 13. Orringer D, Lau D, Khatri S, Zamora- Charité, JS. CBTRUS Statistical Report: Primary Berridi GJ, Zhang K, et al. Extent of Universitätsmedizin Brain and Other Central Nervous Sys- resection in patients with glioblasto- Berlin tem Tumors Diagnosed in the United ma: limiting factors, perception of re- 4/2019 ONKOLOGIE heute
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