Allgemeinverfügung Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Messen, messeähnlichen Veranstaltungen und Sportveranstaltungen

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Allgemeinverfügung

Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Messen, messeähnlichen Veranstaltun-
gen und Sportveranstaltungen

Das Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart erlässt auf Grund-
lage von §§ 28 Abs.1, 16 Abs.1 Infektionsschutzgesetz (IfSG), 49 ff. des Polizeige-
setzes Baden-Württemberg (PolG) und § 20 der Rechtsverordnung über infektions-
schützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus des Landes Ba-
den-Württemberg (Corona-Verordnung) folgende Verfügung:

Abweichend von § 1 Abs. 2 der Verordnung des Wirtschaftsministeriums und des So-
zialministeriums zur Eindämmung von Übertragungen des Corona-Virus (SARS-CoV-
2) auf Messen, Ausstellungen und Kongressen (Corona-Verordnung Messen –
CoronaVO Messen) und abweichend von § 4 Abs. 3 S. 1 der Verordnung des Kultus-
ministeriums und des Sozialministeriums über die Sportausübung (CoronaVO Sport)
gilt:

1. Öffentliche Veranstaltungen, bei denen eine Vielzahl von Ausstellern das wesent-
   liche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige ausstellt und überwiegend
   nach Muster an Wiederverkäufer, Verbraucher oder Großabnehmer vertreibt
   (Messen), dürfen mit maximal 100 gleichzeitig anwesenden Besuchern durchge-
   führt werden.

2. Öffentliche Veranstaltungen, auf denen eine Vielzahl von Ausstellern ein reprä-
   sentatives Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsge-
   biete ausstellt und vertreibt oder über dieses Angebot zum Zweck der Absatzför-
   derung informiert (Ausstellungen), dürfen mit maximal 100 gleichzeitig anwesen-
   den Besuchern durchgeführt werden.

3. Ein- oder mehrtägige Zusammenkünfte mehrerer Personen, bei denen in Fach-
   vorträgen, Fachdiskussionen und ähnlichen Formen des gegenseitigen Wissens-
   und Informationsaustauschs Stand und Entwicklung eines spezifischen Fachge-
   biets oder eines Wirtschaftszweigs besprochen werden (Kongresse), dürfen mit
   maximal 100 gleichzeitig anwesenden Besuchern durchgeführt werden.

4. Sportwettkämpfe und Sportwettbewerbe dürfen mit maximal 100 gleichzeitig an-
   wesenden Besuchern durchgeführt werden.

5. Bei Vorlage eines erweiterten Hygienekonzepts, das darlegt, wie Begegnungsver-
   kehr zwischen den Besuchern und Personenansammlungen auf dem Veranstal-
   tungsgelände vermieden werden, können vom Amt für öffentliche Ordnung im
   Einzelfall abweichend von den Regelungen der Ziff. 1 bis 4 Veranstaltungen mit
   bis zu 500 Besuchern genehmigt werden.
   Bei Messen, Ausstellungen und Kongressen zählt das Personal der Aussteller zu
   den höchstens zulässigen 500 Personen.

6. Für die Nichtbefolgung der Ziffern 1 bis 5 dieser Verfügung wird die Festsetzung
   eines Zwangsgeldes von 2.000 Euro angedroht.
7. Diese Allgemeinverfügung tritt mit Ablauf des 8. November 2020 außer Kraft.

Diese Allgemeinverfügung gilt gemäß § 41 Abs. 4 Satz 4 Landesverwaltungsverfah-
rensgesetz (LVwVfG) am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung als bekanntge-
geben.

Begründung

1. Das Virus SARS-CoV-2 ist ein neuartiges, leicht von Mensch zu Mensch übertrag-
bares Beta-Coronavirus. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Asien ausge-
hend weltweit und löst bei immer mehr Menschen die Infektionskrankheit COVID-19
aus.
COVID-19 wurde von der WHO am 11.03.2020 zu einer Pandemie erklärt. In einer
erheblichen Anzahl von Staaten gibt es Ausbrüche mit zum Teil hohen Fallzahlen.
Ein Übertragungsrisiko besteht sowohl in Deutschland als auch in vielen Regionen
weltweit. Aufgrund eines hohen Ansteckungsrisikos wurden zahlreiche Länder, auch
innerhalb Europas, zwischenzeitlich von der Bundesregierung als Risikogebiete ein-
gestuft. Dies gilt auch für eine Vielzahl an Land- und Stadtkreisen im Bundesgebiet,
darunter auch die Landeshauptstadt Stuttgart.

Nach den Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts treten im Fall einer Infektion zwar
zumeist milde Krankheitsverläufe mit typischen Erkältungssymptomen, wie z. B. Hus-
ten, Fieber oder Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns, auf. Insbesondere
bei jüngeren Menschen verlaufen die Erkrankungen häufig sogar völlig asymptotisch.
In ca. 20 % der Fälle kommt es aber zu schweren Lungenerkrankungen, teilweise mit
tödlichem Ausgang. Betroffen davon sind mehrheitlich ältere Erkrankte und Men-
schen mit Vorerkrankungen. Seit dem Auftreten des Virus in Europa sind über 10.000
Menschen im Bundesgebiet an den Folgen von Covid-19 gestorben.

Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist das Einatmen virushaltiger Partikel
(Tröpfchen und Aerosole), die beim Atmen, Sprechen und verstärkt beim Husten,
Niesen, Singen und Schreien entstehen. Während größere Teilchen schnell zu Bo-
den sinken, können Aerosole auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich
insbesondere in geschlossenen Räumen verteilen und in der Atemluft anreichern.
Bei längerem Aufenthalt an Örtlichkeiten mit einer hohen Konzentration von belaste-
ten Partikeln in der Atemluft erhöht sich daher die Wahrscheinlichkeit einer Übertra-
gung durch Aerosole, selbst wenn eine größere Distanz zwischen den anwesenden
Personen eingehalten wird.

Da Infizierte, die Krankheitssymptome zeigen, bereits ein bis zwei Tage vor deren
Auftreten Erreger ausscheiden und die Krankheit Covid-19 in vielen Fällen völlig
asymptotisch verläuft, geht die höchste Gefahr von (noch) nicht erkannten Infektio-
nen aus. Zur Verhinderung einer unkontrollierten Verbreitung des Virus sind daher
besondere Distanz- und Hygieneregelungen erforderlich.

Nachdem alle Bundesländer seit dem Auftreten der Pandemie im Frühjahr 2020 ein-
schneidende Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus getroffen hat-
ten, konnte vorübergehend eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens erreicht
werden. Seit Ende August steigt die Zahl der Fälle bundesweit wieder dynamisch an.
Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere auch für die Landeshauptstadt Stuttgart;
dies verdeutlicht die nachfolgende Grafik:

Der Anstieg der Zahlen Infizierter ab 7.10.2020 ist mittlerweile deutlich höher als je-
ner der ersten Infektionswelle im Frühjahr, die nur mit einem weitgehenden Lock-
down samt damit verbundener, sehr einschneidender Maßnahmen eingedämmt wer-
den konnte.
Im Fall einer unkontrollierten Verbreitung des Virus könnte ein erneutes Herunterfah-
ren großer Bereiche der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens erforderlich werden.
In diesem Fall wäre mit schwerwiegenden Folgen für das Gesundheitswesen, die
Wirtschaft und die Gesellschaft zu rechnen. Ziel der Bundesregierung und der Lan-
desregierungen ist es daher, das Infektionsgeschehen so zu verlangsamen, dass die
bestehenden medizinischen Behandlungskapazitäten nicht überlastet werden. Zu-
dem soll das Bildungswesen aufrechterhalten und weitere Einschnitte für die Wirt-
schaftstätigkeit und das öffentliche Leben vermieden werden. Dies gilt umso mehr,
weil derzeit weder ein zuverlässiger Impfschutz noch wirksame Medikamente zur Be-
handlung von Covid-19 erhältlich sind.
Das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart haben in den ver-
gangenen Monaten zahlreiche Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Virus
SARS-CoV-2 getroffen. Hierzu zählen insbesondere der Erlass der Rechtsverord-
nung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavi-
rus des Landes Baden-Württemberg (Corona-Verordnung) mit den Grundpflichten,
wie z. B. Abstandhalten zu anderen Personen, Einhalten von Hygieneregeln und das
Tragen von (Alltags-)Masken sowie das regelmäßige Lüften von Räumen (AHA + L-
Regel) sowie Maßnahmen auf Grundlage von §§ 29, 30 Infektionsschutzgesetz
(IfSG). Dazu zählen Beobachtungen, Absonderungen und die Anordnung von Qua-
rantänen.
Die Landeshauptstadt Stuttgart hat in mehreren Allgemeinverfügungen (AV) seit dem
12.10.2020 u.a.
- eine Verpflichtung, auch während des Unterrichts eine Mund-Nasen-Bedeckung zu
tragen, für alle weiterführenden Schulen sowie für das Lehrpersonal an Grundschu-
len eingeführt (AV vom 12.10.2020);
- einen zeitlich versetzten Unterrichtsbeginn an den weiterführenden Schulen vorge-
geben, um die Verdichtung von Schülern in den Schulen, aber auch auf den Schul-
weg, v.a. im ÖPNV, einzudämmen (AV vom 12.10.2020);
- private Veranstaltungen und Feiern auf 25 Personen in anmietbaren und auf 10
Personen in privaten Räumen beschränkt (AV vom 12.10.2020; mittlerweile durch §
10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 CVO des Landes in allen Bereichen auf 10 Personen reduziert;
- eine Verpflichtung, im öffentlichen Raum innerhalb des Cityrings eine Mund-Nasen-
Bedeckung zu tragen (AV vom 12.10.2020; mittlerweile durch § 3 Abs. 1 Nr. 11 und
12 CVO des Landes für Fußgängerbereiche bei Unterschreiten des Mindestabstands
geregelt);
- den Alkoholverkauf im Gassenschank oder durch Verkaufsstellen von Donnerstag
bis Samstag Nacht ab 21 Uhr und den Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit ab 23 Uhr
untersagt (AV vom 12.10.2020);
- die Verpflichtung eingeführt, bei Veranstaltungen durchgängig eine Mund-Nasen-
Bedeckung zu tragen (AV vom 12.10.2020);
- die Sperrzeit für gastronomische Betriebe an allen Wochentagen von 23 bis 6 Uhr
verlängert (AV vom 20.10.2020) und
- den Alkoholverkauf im Gassenschank vollständig untersagt (AV vom 20.10.2020).

Diese Maßnahmen der Landeshauptstadt Stuttgart gehen einher mit einer Verschär-
fung der Maßnahmen des Landes in der CVO in der ab 19.10.2020 gültigen Fas-
sung.

Dennoch setzt sich das Wachstum der Fallzahlen Infizierter dynamisch, teilweise so-
gar exponentiell fort, wie nachfolgende Graphik verdeutlicht:
Der 7-Tage-Inzidenzwert liegt mittlerweile für die Landeshauptstadt Stuttgart für den
25.10.2020 bei 112,4 und für den 26.10.2020 trotz der wochenendbedingt geringeren
Testungen und Auswertungen bei 109,3. Damit weist die Landeshauptstadt Stuttgart
sowohl im Bundes- (80,9) als auch im Landesvergleich (80,5) ein überdurchschnittli-
ches Infektionsgeschehen auf. Die 7-Tage-Inzidenz liegt zudem weit über den beiden
Warnschwellenwerten von 35 bzw. 50, ab denen davon ausgegangen werden muss,
dass eine hinreichende Nachverfolgung und Unterbrechung von Infektionsketten
nicht mehr gewährleistet werden kann. Die Vervierfachung des Wertes seit Anfang
Oktober – trotz aller oben dargestellten Maßnahmen – zeigt die Dynamik der Aus-
breitung des Coronavirus.
Im Hinblick auf den Hauptübertragungsweg des Virus geht die größte Gefahr einer
Ausbreitung von Situationen aus, in denen viele Menschen mit wenig gegenseitigem
Abstand zusammenkommen. Bei Messen und Sportveranstaltungen besteht daher
wie bei anderen Veranstaltungen auch im Fall der Anwesenheit einer infizierten Per-
son grundsätzlich ein erhöhtes Risiko der Übertragung des Coronavirus auf andere
Personen.

Auch das Land Baden-Württemberg hat mit entsprechenden Unterverordnungen zur
Corona-Verordnung (Verordnung des Kultusministeriums und des Sozialministeriums
über die Sportausübung [Corona-Verordnung Sport] und Verordnung des Wirt-
schaftsministeriums und des Sozialministeriums zur Eindämmung von Übertragun-
gen des Corona-Virus (SARS-CoV-2) auf Messen, Ausstellungen und Kongressen
[Corona-Verordnung Messen]) spezielle Regelungen für die Veranstaltung von Mes-
sen und Sportereignissen mit Zuschauern erlassen, der Verordnungsgeber geht
nach dem Erlass des Ministeriums für Soziales und Integration vom 16.10.2020 über
durch Allgemeinverfügung regional zu treffende Maßnahmen bei Inzidenzen jenseits
der Schwellenwerte von 35 bzw. 50 Neuinfektionen/100.000 Einwohner jedoch da-
von aus, dass die örtlich zuständigen Behörden bei Überschreitung der Schwellen-
werte verschärfende Maßnahmen zur Verlangsamung des Infektionsgeschehens zu
treffen haben. Der Verordnungsgeber bezieht sich dabei auf den Beschluss der Mi-
nisterpräsidenten und der Bundeskanzlerin vom 14.10.2020, nach dem in Gebieten,
in denen diese Grenzwerte hinsichtlich der Neuinfektionen überschritten werden, wei-
tergehende Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Virus zu
treffen sind, u. a. eine Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Messen, Sport- und Kul-
turveranstaltungen, soweit das lokale Infektionsgeschehen dies gebietet.
Vergleichbares gibt der Erlass des Sozialministeriums vom 23.10.2020 (AZ. 51-
1443.1 SARS-COV-2/6) wieder, in dem die Kommunen bei einem Überschreiten ei-
ner 7-Tages-Inzidenz von 50 /100 000 Einwohnern aufgegeben wird, in Abweichung
von § 2 Abs. 2 Sätze 1 u. 2 CoronaVO Messen die Anzahl der gleichzeitig anwesen-
den Besucher so zu begrenzen, dass eine Mindestfläche von 10 m² je Besucher be-
zogen auf die Ausstellungsfläche nicht unterschritten werden darf; darüber hinaus
werden die zuständigen Behörden ermächtigt, weitergehende Maßnahmen, bei-
spielsweise eine niedrigere Besucherzahl, anzuordnen. In Einklang mit der Begrün-
dung zur CVO des Landes ist die Landeshauptstadt Stuttgart damit ermächtigt, mit
dem Mittel der Allgemeinverfügung nicht nur die Hauptverordnung, sondern auch die
subdeligierten Verordnungen zu verschärfen. Und hat von dieser Möglichkeit vorlie-
gend Gebrauch gemacht.

Das Robert-Koch-Institut hat die Durchführung von Messen, Ausstellungen und Kon-
gressen sowie Sportveranstaltungen im Hinblick auf die nachgewiesenen Infektions-
geschehen zwar bisher noch nicht generell als kritisch eingestuft. In Stuttgart ist mitt-
lerweile die Rate an diffusen Infektionen, bei denen kein Infektionsweg mehr konkret
ermittelt werden kann, aufgrund der dynamischen Fallzahlenanstiege auf aktuell ca.
58 % der Fälle angestiegen. Dies bedeutet, dass in 58 % aller Infektionsfälle der kon-
krete Infektionsverlauf und die konkrete Ansteckungsquelle nicht mehr ermittelt wer-
den können. Maßnahmen, die sich alleine auf die vom Gesundheitsamt ermittelten
Infektionsketten und -anlässe konzentrieren, sind daher keinesfalls mehr ausreichend
für eine effektive Pandemiebewältigung. Deswegen sind vielmehr – gerade auch an-
gesichts der aktuellen, dynamischen Fallzahlensteigerung - auch solche Maßnahmen
zu ergreifen, die die gesamte Bevölkerung in den Blick nehmen. Es muss also davon
ausgegangen werden, dass es – unabhängig von der Einhaltung der Regelungen der
Corona-Verordnung und den jeweiligen Unterverordnungen - auch bei der Durchfüh-
rung von Veranstaltungen wie etwa Messen oder Sportevents zu einer nicht uner-
heblichen Anzahl an Virusübertragungen kommt.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die Durchführung der
Nachverfolgung von Infektionsquellen beim Gesundheitsamt wegen der dynami-
schen Fallzahlenentwicklung gefährdet ist. Dass sich diese Gefahr noch nicht ver-
wirklicht hat, liegt ausschließlich am Einsatz von 60 Bundeswehrsoldaten bei der
Kontaktnachverfolgung im Gesundheitsamt. Wird der dynamische Fallzahlenanstieg
nicht gebremst, droht, dass die Kontaktnachverfolgung nicht mehr umsetzbar ist –
und die Fallzahlen deshalb noch weiter steigen. Dann allerdings müssten noch ein-
schneidendere Maßnahmen bis hin zum erneuten Lockdown ergriffen werden, die
über die Beschränkung der Besucherzahlen von Messen und Sportveranstaltungen
hinausgehen.
Die hohe 7-Tages-Inzidenz an Neuinfektionen in Stuttgart und den umliegenden
Landkreisen lässt im Übrigen auf eine hohe Dunkelziffer an Infektionen in der Bevöl-
kerung schließen. Selbst bei Einhaltung der Regelungen der Corona-Verordnung
muss daher von einem nicht unerheblichen Infektionsrisiko im Bereich der gewerbli-
chen Veranstaltungen und bei Sportveranstaltungen ausgegangen werden.

2. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zustän-
dige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung
übertragbarer Krankheiten. Eine übertragbare Krankheit ist eine durch Krankheitser-
reger verursachte Krankheit, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen über-
tragen werden kann (§ 2 Nr. 3 IfSG). Krankheitserreger ist dabei ein vermehrungsfä-
higes Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit), das bei Menschen eine Infektion oder
übertragbare Krankheit verursachen kann (§ 2 Nr. 1 IfSG).

Die Landeshauptstadt Stuttgart ist als Ortspolizeibehörde nach § 1 Abs. 6 Satz 1 und
Abs. 6a S. 4 der Verordnung des Sozialministeriums über Zuständigkeiten nach den
IfSG (IfSGZustV) für diese Schutzmaßnahmen zuständig.

Bei der Veranstaltung von Messen, Ausstellungen, Kongressen und bei Sportveran-
staltungen kommt regelmäßig eine Vielzahl von Personen überregionaler Herkunft
zusammen. Zwar gelten nach der Corona-Verordnung und den vorgenannten Unter-
verordnungen besondere Schutzvorgaben für derartige Veranstaltungen, wie z. B.
Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 500, die Einhaltung von Abständen zwischen
Teilnehmern/Besuchern und die Erfassung von personenbezogenen Daten zur Si-
cherstellung der Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten. Gerade im Fall eines hohen
Infektionsgeschehens sind diese Regelungen jedoch nicht ausreichend, um einen
wirksamen Infektionsschutz zu gewährleisten.

Im Gegensatz zu Kulturveranstaltungen, wie z. B. in Theatern und Konzerten, sind
die Besucher auf Messen, Ausstellungen und Kongressen ständig in Bewegung.
Selbst bei Einbahnregelung können auf Grund der unterschiedlichen Verweildauer
der Gäste an den Ständen Stauungen und Personenansammlungen von Ausstellern
und deren Mitarbeitern mit den Messebesuchern nicht zuverlässig vermieden wer-
den. Ebenso kommt es bei diesen Beratungsgesprächen an den einzelnen Ständen
zu einer Vielzahl an direkten Kontakten zwischen den Beschickern und den Besu-
chern, auf die die Messe ja gerade abzielt. Selbst bei guter Durchlüftung der Räume
und der Einhaltung von Mindestabständen und Hygienevorgaben muss auf Grund
der Vielzahl an potenziellen Ausscheidern von einem erhöhten Infektionsrisiko aus-
gegangen werden, insbesondere wenn dem Kreis der Beschicker infizierte Personen
angehören. Bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen muss zudem selbst im
Fall einer guten Durchlüftung und bei Einhaltung des Mindestabstands mit steigender
Zahl der anwesenden Personen von einer erhöhten Anreicherung von Aerosolen in
der Atemluft und in der Folge von einem erhöhten Infektionsrisiko ausgegangen wer-
den.

Gleiches gilt für die Durchführung von Sportveranstaltungen. Typische Verhaltens-
weisen, wie z. B. Zurufen, Schreien und Jubeln, führen zu einer deutlich erhöhten
Ausscheidung von Tröpfchen und Aerosolen. Zudem haben die in den vergangenen
Monaten gewonnen Erfahrungen gezeigt, dass die Mindestabstände bei Sportveran-
staltungen nicht zuverlässig eingehalten werden, insbesondere in emotionalen Situa-
tionen. Aus diesem Grund besteht bei Sportveranstaltungen grundsätzlich ein deut-
lich erhöhtes Infektionsrisiko, selbst wenn diese unter freiem Himmel durchgeführt
werden.

Die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 100 Personen bei den vorgenannten Veran-
staltungen ist daher ein geeignetes Mittel, um die Gefahr einer verstärkten Ausbrei-
tung des Corona-Virus zu verringern.

Die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 100 Personen ist auch erforderlich, da ein
wirksamer Infektionsschutz mit milderen Mitteln nicht erreicht werden kann. Auf
Grund des großen Zustroms von Besuchern aus den ebenfalls von der Infektionsaus-
breitung stark betroffenen umliegenden Landkreisen muss zudem davon ausgegan-
gen werden, dass diese Veranstaltungen zu einem hohen Eintrag an Erregern ins
Stadtgebiet beiträgt. Im Fall eines Infektionsgeschehens wäre hingegen mit einer
Verbreitung der Infektion in Gemeinden in der gesamten Region und darüber hinaus
zu rechnen. Hierbei ist nicht nur die Infektionsgefahr in der Messe oder beim Sporter-
eignis selbst in den Blick zu nehmen, sondern auch die bei der An- und Abreise, ins-
besondere wenn diese im ÖPNV erfolgt.

Soweit das höhere Infektionsrisiko bei der Durchführung dieser Veranstaltungsarten
nicht durch weitergehende Hygienemaßnahmen reduziert wird, wäre im Fall einer
Ausbreitung des Virus auf der Veranstaltung bei einer höheren Teilnehmer- bzw. Be-
sucherzahl zudem eine Nachverfolgung der Infektionsketten durch die Gesundheits-
behörden nicht mehr leistbar. Da bei der aktuellen Infektionslage selbst im Fall der
Umsetzung eines erweiterten Hygienekonzepts von einem erhöhten Infektionsrisiko
auf derartigen Veranstaltungen ausgegangen werden muss, kommt im Hinblick auf
die Nachverfolgbarkeit der Infektionsketten auch im Ausnahmefall eine Veranstaltung
mit mehr als 500 gleichzeitig anwesenden Personen derzeit nicht in Betracht.

Angesichts der hohen zu schützenden Rechtsgüter, wie dem Schutz des Lebens und
der körperlichen Unversehrtheit, ist die Maßnahme auch angemessen. Das öffentli-
che Interesse an einer wirksamen Verlangsamung des Infektionsgeschehens über-
wiegt das Interesse der Veranstalter an einer weniger regulierten Durchführung der
Veranstaltungen. Dies gilt umso mehr, weil diese Veranstaltungen zumeist ein über-
regionales Publikum anziehen und sich Infektionen daher ggf. weit über die Stadt-
grenzen hinaus verbreiten würden. Schließlich handelt es sich um eine zeitlich befris-
tete Maßnahme. Den Veranstaltern wird zudem die Möglichkeit gewährt, durch Er-
stellung und Umsetzung eines erweiterten Hygienekonzepts die Zahl an zulässigen
Teilnehmern/Besuchern im Einzelfall ausnahmsweise auf 500 zu erhöhen.
Da bei Messen eine deutlich höhere Anzahl an Ausstellern und deren Personal an-
wesend ist, sind diese Personen im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen, bei de-
nen außer den Besuchern nur Service- und Sicherheitspersonal eingesetzt wird, auf
die höchstens zulässigen Personen, vorliegend ausnahmsweise maximal 500, anzu-
rechnen.

Messen und Sportveranstaltungen unterliegen im Übrigen nach den vorstehenden
Regelungen vergleichbaren Beschränkungen, wie sie das Land in § 5 Abs. 3 der
CVO Studienbetrieb und Kunst auch für Kulturveranstaltungen vorgesehen hat. Auch
dort wird abweichend von § 10 Abs. S. 1 Nr. 2 CVO unter bestimmten Voraussetzun-
gen ausnahmsweise eine Veranstaltungsgröße von 500 Personen zugelassen.

Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 Euro für jede Zuwiderhand-
lung gegen Ziff. 1 bis 5 dieser Allgemeinverfügung ist geeignet, erforderlich und an-
gemessen, um die genannten Vorgaben durchsetzen zu können. Ein anderes
Zwangsmittel ist nicht tauglich, der Gefahr vorzubeugen. Im Übrigen stellt das
Zwangsgeld das am wenigsten belastende Zwangsmittel dar.
Das Zwangsgeld kann so lange wiederholt festgesetzt und erhöht werden, bis der
geforderte Zustand hergestellt ist. Außerdem kann nach dem LVwVG durch das Ver-
waltungsgericht Zwangshaft verhängt werden, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich
ist.

Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe
Widerspruch bei der Landeshauptstadt Stuttgart mit Sitz in Stuttgart erhoben werden.

Hinweise:
Die Regelungen der Verordnung des Wirtschaftsministeriums und des Sozialministe-
riums zur Eindämmung von Übertragungen des Corona-Virus (SARS-CoV-2) auf
Messen, Ausstellungen und Kongressen (Corona-Verordnung Messen – CoronaVO
Messen) bleiben mit Ausnahme des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 weiterhin gültig.
Die Regelungen der Verordnung des Kultusministeriums und des Sozialministeriums
über die Sportausübung (CoronaVO Sport) bleiben mit Ausnahme des § 4 Abs. 3 S.
1 weiterhin gültig.

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügung haben gemäß
§ 28 Abs. 3 und § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung.

Verstöße gegen diese Allgemeinverfügung können mit einem Bußgeld geahndet wer-
den.

Stuttgart, 23. Oktober 2020

Landeshauptstadt Stuttgart
Amt für öffentliche Ordnung
Dorothea Koller
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