Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise
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DZA-Fact Sheet Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise Svenja M. Spuling, Markus Wettstein und Clemens Tesch-Römer 07. April 2020 Problemaufriss Ältere Menschen werden in der Einschränkungen haben (siehe zum Corona-Krise häufig als verletzliche und Thema „Alte Menschen sind unter- gefährdete Gruppe, als potenzielle „Op- schiedlich, auch in der Corona-Krise“ fer des Virus“ dargestellt, die es zu das entsprechende Fact Sheet auf der schützen gilt. Klare Risikokommunika- Website des DZA, www.dza.de). Daher tion ist in diesen Zeiten wichtig. Des- ist ein differenziertes Altersbild wichtig. halb muss selbstverständlich auf das Risikogruppen pauschal festzulegen, insgesamt erhöhte COVID-19-Risiko kann aus zwei Gründen problematisch bei älteren und sehr alten Menschen sein: Sie können zunehmende Alters- hingewiesen werden. Sowohl die diskriminierung fördern, und sie können Schwere des Verlaufs als auch das zur Festigung negativer Altersselbstbil- Mortalitätsrisiko von COVID-19 steigt der führen. mit dem Alter stark an. Allerdings hängt Altersdiskriminierung: Der pauschali- der Verlauf wesentlich mit dem allge- sierte gesellschaftliche Diskurs zu älte- meinen Gesundheitszustand und rele- ren Menschen („Alte Menschen sind vanten Vorerkrankungen (z.B. Erkran- schwach und müssen beschützt wer- kungen des Herz-Kreislauf-Systems, den“) erhöht das Risiko, dass ältere chronische Erkrankungen der Lunge, Menschen diskriminiert werden – eben Krebserkrankungen, geschwächtes Im- weil sie zur Gruppe der Älteren gehö- munsystem) zusammen. Diese Risiken ren, von denen man zu wissen glaubt, gelten für ältere und jüngere Menschen dass ihre Chancen geringer seien, CO- gleichermaßen. VID-19 zu überleben. Eine solche pau- Alte Menschen sind nämlich sehr unter- schale Darstellung könnte dazu führen, schiedlich: Es gibt ältere Menschen, die dass Entscheidungen, etwa im medizi- an mehreren Krankheiten zugleich lei- nischen Bereich, allein aufgrund des Al- den (Multimorbidität) und es gibt ters einer Person und nicht aufgrund ebenso ältere Menschen, die körperlich detaillierter Informationen zu ihrem Ge- fit sind und nur geringe gesundheitliche
2 Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise sundheitszustand gefällt werden. Unge- www.dza.de), schlechterer Gesundheit, rechtfertigte Benachteiligungen und Al- geringerem Wohlbefinden und sogar tersdiskriminierung wären die Folge. mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden sind. Negative Altersselbstbilder: Negative gesellschaftliche Altersbilder (Altersste- Im Folgenden geben wir einen Über- reotype) werden von Menschen über- blick über Befunde zu den Themen Al- nommen, wenn sie älter werden. Ge- tersdiskriminierung und Altersselbstbil- sellschaftliche Altersstereotypen wer- der, die auf Auswertungen des Deut- den so zu Altersselbstbildern. Wer schen Alterssurveys (DEAS) basieren. glaubt, mit dem Alter krank und einsam Der Deutsche Alterssurvey ist eine bun- zu werden, der unterliegt auch einem desweit repräsentative Langzeitunter- höheren Risiko für Erkrankungen und suchung von Personen, die sich in der Einsamkeit im Alter. Altersselbstbilder zweiten Lebenshälfte befinden (d. h. 40 können also selbsterfüllende Prophe- Jahre und älter sind). Die teilnehmen- zeiungen werden. Die Altersforschung den Personen werden umfassend zu ih- hat gezeigt, dass negative Altersbilder rer Lebenssituation befragt, unter ande- mit einem ungünstigen Gesundheitsver- rem zu ihrer Erwerbstätigkeit oder ih- halten (z. B. geringerer körperlicher Ak- rem Leben im Ruhestand, zu gesell- tivität: siehe zum Thema „Körperliche schaftlicher Teilhabe und Ehrenamt, zu Aktivität älterer Menschen in der Einkommen und Vermögen, zu sozialer Corona-Krise“ das entsprechende Fact Integration und Einsamkeit sowie zu Sheet auf der Website des DZA, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. .
Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise 3 Befunde Altersdiskriminierung diese Frage bejahen, werden ergän- zend danach gefragt, in welchen von Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fünf ausgewählten Lebensbereichen die des Deutschen Alterssurveys werden Erfahrung mit Diskriminierung gemacht zu ihren Erfahrungen mit Altersdiskrimi- wurde: Arbeit und Arbeitssuche, Behör- nierung befragt. Dabei handelt es sich dengänge, medizinische Versorgung, um die subjektive Sicht der Befragten im Alltag generell oder bei Geldangele- auf Benachteiligungen, die sie aufgrund genheiten. ihres Alters erlitten haben. Nachfolgend wird dargestellt, wie hoch Die Frage, die an die teilnehmenden der Anteil an Personen ist, die Alters- Personen gestellt wird, lautet: „Haben diskriminierung insgesamt erfahren, so- Sie in den vergangenen zwölf Monaten wie der Anteil der Personen, die von er- erlebt, dass Sie wegen Ihres Alters lebter Altersdiskriminierung im Bereich durch andere benachteiligt wurden oder der medizinischen Versorgung berich- gegenüber anderen Menschen schlech- ten. Die Befunde sind in Abbildung 1 ter gestellt wurden?“ Personen, die dargestellt. Abbildung 1: Anteile der Personen mit wahrgenommener Altersdiskriminierung insgesamt sowie im Bereich medizinischer Versorgung, im Jahr 2017 (in Prozent) (a) nach Alter und (b) nach Bildung 25 25 20 20 15 15 Prozent Prozent 10 10 11,6 5 9,0 10,2 5 7,9 8,4 8,1 5,7 4,8 2,6 2,8 3,1 3,7 3,3 2,1 0 0 45-54 55-64 65-74 75-84 45-54 55-64 65-74 75-84 Hohe Mittlere Niedrige Hohe Mittlere Niedrige Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Bildung Bildung Bildung Bildung Bildung Bildung Gesamt Medizinische Versorgung Gesamt Medizinische Versorgung Quelle: DEAS 2017 (n = 4.970), gewichtet, eigene Berechnungen. Prozentuierungsgrundlage sind alle befragten Perso- nen im Alter zwischen 45 und 84 Jahren im Jahr 2017.
4 Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise Insgesamt: Der Anteil von Personen im Bildung: Auch mit Blick auf den Bil- Alter zwischen 45 und 84 Jahren, die dungshintergrund gibt es Unterschiede: Altersdiskriminierung insgesamt berich- Während die wahrgenommene Alters- ten, lag im Jahr 2017 bei insgesamt 8,5 diskriminierung insgesamt bei Perso- Prozent (nicht in Abbildung 1 darge- nen mit hoher Bildung bei 8,4 Prozent stellt). Das ist eine gute Nachricht: Nur liegt, beträgt sie bei Personen mit nied- wenige Menschen fühlen sich aufgrund riger Bildung 11,6 Prozent (s. Abbildung ihres Alters diskriminiert. Allerdings 1-b). Offenbar schützt also auch eine kann man hier keine Entwarnung ge- hohe Bildung nicht völlig vor Altersdis- ben: Möglicherweise nehmen viele äl- kriminierung. Ähnliche Unterschiede fin- tere Menschen eine Diskriminierung den sich bei der wahrgenommenen Al- aufgrund ihres Alters gar nicht wahr. tersdiskriminierung im Bereich der me- Von größerer Bedeutung ist daher die dizinischen Versorgung: Bei Personen Frage, ob sich die wahrgenommene Al- mit hoher Bildung liegt diese bei 2,1 tersdiskriminierung mit dem Alter verän- Prozent, bei Personen mit niedriger Bil- dert. dung beträgt sie 4,8 Prozent – eine Verdopplung des Wertes gegenüber Alter: In allen Altersgruppen gibt es den Menschen mit hoher Bildung. Personen, die Diskriminierungserfah- rungen berichten. Interessanterweise Ein höheres Alter und niedrige Bildung sind dies bei den 55- bis 64-Jährigen sind demnach insbesondere im medizi- mehr Personen (10,2%) als in den Al- nischen Versorgungsbereich Risikofak- tersgruppen darüber (s. Abbildung 1-a). toren für Diskriminierungserfahrungen. Altersdiskriminierung trifft also keines- Dieser Befund ist gerade vor dem Hin- wegs nur die ältesten Personengrup- tergrund der Behandlungsnotwendig- pen. Dies könnte damit zu tun haben, keiten bei COVID-19 relevant. Möglich- dass nach Übergang in den Ruhestand erweise führt der pauschalisierte gesell- Erfahrungen von Altersdiskriminierung schaftliche Diskurs zu älteren Men- am Arbeitsplatz enden. Anders als das schen als Risikogruppe dazu, dass äl- generelle Erleben von Altersdiskriminie- tere Menschen in Zukunft vermehrt dis- rung steigt die wahrgenommene Alters- kriminiert werden, insbesondere im Be- diskriminierung im Bereich der medizi- reich der medizinischen (Not-)Versor- nischen Versorgung kontinuierlich über gung. die Altersgruppen an, von 2,6 Prozent bei den 45- bis 54-Jährigen auf 3,7 Pro- zent bei den 70- bis 85-Jährigen.
Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise 5 Altersselbstbilder Altersselbstbilder sind Vorstellungen, mich, dass ich weiterhin in der Lage die Menschen von ihrem eigenen Älter- bin, neue Dinge zu lernen“ oder „Älter- werden haben. Menschen können hoff- werden bedeutet für mich, dass sich nungsfroh in die Zukunft schauen und meine Fähigkeiten erweitern“. sich auf die Freiheiten des Alters, auf Verlustorientierte Sicht auf das eigene Weiterentwicklungsmöglichkeiten oder Älterwerden: Das Älterwerden wird mit die zunehmende Weisheit freuen, die körperlichen Verlusten verknüpft. Bei- mit dem Älterwerden eintreten könnten. spiele für Aussagen sind „Älterwerden Andererseits könnte das eigene Älter- bedeutet für mich, dass ich körperliche werden auch mit Ängsten und Sorgen Einbußen schlechter ausgleichen kann“ verknüpft sein, etwa mit Blick auf die ei- oder „Älterwerden bedeutet für mich, gene Gesundheit oder hinsichtlich des weniger vital und fit zu sein“. Verlustes von geliebten Menschen. Pro Sichtweise bewerteten die Befrag- Altersselbstbilder werden im Deutschen ten jeweils vier Aussagen anhand der Alterssurvey mehrdimensional erfasst, Antwortkategorien „trifft gar nicht zu“, und zwar als gewinnorientierte und als „trifft eher nicht zu“, „trifft eher zu“ und verlustorientierte Sicht. „trifft genau zu“. Die vier Bewertungen Gewinnorientierte Sicht auf das eigene wurden jeweils gemittelt und anschlie- Älterwerden: Das Älterwerden wird mit ßend in zwei Kategorien aufgeteilt Möglichkeiten persönlicher Weiterent- (Aussage „trifft gar nicht zu“/„trifft eher wicklung verknüpft. Beispiele für Aussa- nicht zu“ versus „trifft eher zu“/„“trifft ge- gen sind „Älterwerden bedeutet für nau zu“).
6 Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise In Abbildung 2 ist der Anteil an Perso- Weiterentwicklung im Vergleich zu jün- nen dargestellt, die den Aussagen zu geren Menschen. verlust- und gewinnorientierten Sicht- Bildung: Es sind auch bei beiden Alters- weisen auf das Alter zugestimmt ha- bilderdimensionen starke Bildungsun- ben. In Abbildung 2-a sind Altersunter- terschiede zu beobachten (s. Abbildung schiede dargestellt, in Abbildung 2-b 2-b): Personen mit einer höheren Bil- Bildungsunterschiede. Die dargestellten dung verbinden das Älterwerden eher Ergebnisse beruhen auf dem DEAS- mit einer gewinnorientierten Sicht und Bericht zur Erhebungswelle 2014. parallel dazu weniger mit einer verlust- Alter: Während das verlustorientierte orientierten Sicht als Personen mit Altersbild über die Altersgruppen hin- niedriger Bildung. Es bestimmt also weg zunimmt, nimmt das gewinnorien- nicht unbedingt das Alter (allein) über tierte Altersbild über die Altersgruppen die Ausprägung des eigenen Altersbil- ab (s. Abbildung 2-a). Ältere Menschen des. verbinden das eigene Älterwerden also eher mit körperlichen Verlusten und we- niger mit Möglichkeiten persönlicher Abbildung 2: Anteile von Personen mit verlustorientiertem bzw. gewinnorientiertem Altersbild, im Jahr 2014 (in Prozent) (a) nach Alter und (b) nach Bildung 100 100 80 80 60 60 Prozent Prozent 80,2 40 73,5 81,5 40 73,7 70,3 70,9 59,0 65,5 62,9 60,2 63,8 50,8 20 20 0 0 Verlustorientiertes Gewinnorientiertes Verlustorientiertes Gewinnorientiertes Altersbild Altersbild Altersbild Altersbild 40-54 Jahre Niedrige Bildung 55-69 Jahre Mittlere Bildung 70-85 Jahre Hohe Bildung Beyer, A.-K., Wurm, S., & Wolff, J. K. (2017). Älter werden – Gewinn oder Verlust? Individuelle Altersbilder und Alters- diskriminierung. In K. Mahne, J. K. Wolff, J. Simonson & C. Tesch-Römer (Hrsg.), Altern im Wandel: Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS) (S. 329-343). Wiesbaden: Springer VS. (S. 334, Abbildung 22-1). Quelle: DEAS 2014 (körperliche Verluste: n = 4.288; persönliche Weiterentwicklung: n = 4.287), gewichtet; (p < ,05). a) Körperliche Verluste: Signifikante Unterschiede nur zwischen den 70- bis 85-Jährigen und den 55- bis 69-Jährigen bzw. 40- bis 54-Jährigen. Persönliche Weiterentwicklung: Alle Altersgruppenunterschiede signifikant. b) Signifikante Bil- dungsunterschiede für beide Altersbilder.
Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise 7 Eine wichtige Frage in diesem Zusam- funde zeigen sich auch für die gewinn- menhang lautet nun: Wie haben sich orientierte Sichtweise auf das eigene Altersselbstbilder in den letzten zwei Älterwerden, die auch im Vergleich zu Jahrzehnten verändert? Das Alters- 1996 in den älteren Altersgruppen zu- selbstbild wird im Deutschen Alterssur- genommen hat (Befunde hier nicht dar- vey seit 1996 erhoben (s. Abbildung 3). gestellt). Mit Blick auf die Corona-Pan- In Abbildung 3 kann man erkennen, demie und der damit verbundenen, zum dass es in den älteren Gruppen (54- bis Teil pauschalisierenden Risikokommu- 77-Jährige) eine Abnahme der verlust- nikation ist zu fragen, ob sich dieser orientierten Sichtweise auf das eigene Trend in Zukunft verändern wird: hin zu Älterwerden von 1996 zu 2014 gibt. einem stärker negativen, verlustorien- Dies führt dazu, dass sich Jüngere und tierten Altersbild, gerade bei älteren Ältere in ihren Altersselbstbildern etwas Menschen. angeglichen haben. Entsprechende Be- Abbildung 3: Anteile der Personen mit verlustorientiertem Altersbild, nach Alter, in den Jahren 1996, 2002, 2008 und 2014 (in Prozent) 1996 2002 2008 2014 100 80 60 Prozent 84,5 77,2 40 82,7 76,5 74,0 84,0 82,3 77,1 78,7 65,3 67,7 63,6 61,8 59,2 59,9 61,2 69,9 63,1 64,0 61,1 66,2 70,8 60,7 59,6 58,5 52,3 53,8 52,3 20 0 42-47 48-53 54-59 60-65 66-71 72-77 78-83 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Beyer, A.-K., Wurm, S., & Wolff, J. K. (2017). Älter werden – Gewinn oder Verlust? Individuelle Altersbilder und Alters- diskriminierung. In K. Mahne, J. K. Wolff, J. Simonson & C. Tesch-Römer (Hrsg.), Altern im Wandel: Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS) (S. 329-343). Wiesbaden: Springer VS. (S. 335, Abbildung 22-2). Quelle: DEAS 1996 (n = 3.986), 2002 (n = 2.782), 2008 (n = 4.429) und 2014 (n = 4.288) gewichtet; (p < ,05). Signifi- kante Abnahme von 1996 zu 2014 bei 54- bis 77-Jährigen. Signifikante Zunahme von 1996 zu 2008 und Stabilität von 2008 zu 2014 bei 42- bis 47-Jährigen. Bei den 48- bis 53-Jährigen signifikante Abnahme von 1996 zu 2002 und an- schließend bis 2014 wieder Zunahme auf das Niveau von 1996. Nur bei 66- bis 71-Jährigen und 78- bis 83-Jährigen signifikante Abnahme von 2008 zu 2014.
Implikationen Die Befunde aus dem Deutschen Al- allgemein zu einer Abnahme des Wohl- terssurvey zeigen, dass sich die Erfah- befindens sowie der Gesundheit Älterer rungen von Altersdiskriminierung, auch führen kann. Negative gesellschaftliche im medizinischen Bereich, zwischen Altersstereotype können negative Aus- Personen unterschiedlichen Alters un- wirkungen auf Erleben und Verhalten terscheiden. Die Anteile der Menschen, besonders älterer Menschen sowie auf die von Benachteiligungen aufgrund ih- deren Altersselbstbilder und deren Er- res Alters berichten, sind zum Glück wartungen an das weitere Älterwerden nur gering. Dennoch ist es aufgrund der haben. Fallen diese Altersselbstbilder belastenden Folgen von Altersdiskrimi- und Erwartungen negativ aus, ist das nierung alarmierend, wenn 8,5% der Risiko größer, dass diese Personen tat- Personen im mittleren und höheren Er- sächlich, im Sinne einer selbsterfüllen- wachsenenalter Diskriminierungserfah- den Prophezeiung, mit einer einge- rungen gemacht haben. Die Befunde schränkteren Gesundheit sowie mit ei- zeigen auch, dass Menschen mit stei- nem geringeren Wohlbefinden alt wer- gendem Alter über ein zunehmend ver- den. Die Forschung konnte zeigen, lustorientiertes und parallel dazu über dass negative Altersbilder sogar die ein weniger gewinnorientiertes Alters- Langlebigkeit beeinflussen – also po- selbstbild berichten. tenziell lebensverkürzend sind. Besonders ältere Menschen könnten Die Befunde des Deutschen Alterssur- von den aufgrund der aktuellen Situa- veys weisen aber auch darauf hin, dass tion kursierenden negativen und pau- es einen positiven Wandel hinsichtlich schalisierenden Aussagen über ihre ei- der Altersselbstbilder gibt – vor allem in gene Altersgruppe betroffen sein, da älteren Gruppen. Dieser positive Wan- die somit transportierten negativen Al- del liegt unter anderem möglicherweise tersstereotype zu einer Zunahme von an den Bemühungen in den letzten Altersdiskriminierung führen könnten. In Jahren und Jahrzehnten, das Alter und der jetzigen Situation kann eine solche das Altern jedes Einzelnen differenzier- Altersdiskriminierung von erheblicher ter darzustellen und somit allzu pau- Bedeutung sein: Wenn bei Entschei- schalisierende negative Altersstereo- dungen über knappe Ressourcen nicht type (die sich wie oben beschrieben in das Individuum und seine ganz eigenen negativen Altersselbstbildern nieder- Charakteristika und Lebenssituationen schlagen können) abzubauen. Eine sol- betrachtet werden, sondern nur das Al- che positive Entwicklung könnte abge- ter zählt, dann wäre dies ein Beispiel schwächt oder gar gestoppt werden, für eine erhebliche und äußerst be- wenn aktuell zu pauschale und einsei- denkliche Altersdiskriminierung. tige Aussagen über ältere Menschen verbreitet werden und das höhere Alter Neben einer Zunahme an Altersdiskri- ausschließlich als Lebensphase hoher minierung können negative gesell- körperlicher Verletzlichkeit stigmatisiert schaftliche Altersbilder aber auch zu ei- wird, ohne zugleich die Vielfalt des Al- ner Ausgrenzung und Abwendung von ters sowie die Potenziale und Ressour- älteren Menschen führen, was wiede- cen älterer Menschen zu betonen. rum zur Entstehung oder Verstärkung von Isolation und Einsamkeit und ganz
Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise 9 Empfehlungen Basierend auf unseren Befunden möch- Differenziertes Bild des Alters zeichnen: ten wir die folgenden Empfehlungen für Es sollte nicht pauschalisierend über äl- die Risikokommunikation zum Thema tere Menschen gesprochen werden. Corona-Virus und COVID-19 geben. Auch in der Risikokommunikation der Corona-Pandemie ist es wichtig, ein dif- Altersdiskriminierung vermeiden: In der ferenziertes Altersbild zu zeichnen, da gesellschaftlichen Diskussion wird bis- die Verstärkung negativer Altersbilder weilen über das Kriterium „Alter“ im Zu- nachteilige Auswirkungen auf Verhal- sammenhang mit der Verteilung wichti- ten, Erleben, Lebensqualität und die ger Ressourcen gesprochen. Über alte Gesundheit (nicht nur) älterer Men- Menschen in pauschalisierender Weise schen hat. zu sprechen, könnte diesem diskrimi- nierenden Diskurs Vorschub leisten. Hierbei handelt es sich um eine unge- rechtfertigte Diskriminierung, die unbe- dingt vermieden werden sollte.
Impressum Svenja M. Spuling, Markus Wettstein und Clemens Tesch-Römer: Altersdiskriminierung und Altersbilder in der Corona-Krise Erschienen im April 2020. Das DZA-Fact Sheet ist ein Produkt der Wis- senschaftlichen Informationssysteme im Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA), Berlin. Das DZA wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. www.dza.de
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