Anforderungen an eine verlässliche Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen - Positionspapier von GSK März 2014
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Anforderungen an eine verlässliche Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen Positionspapier von GSK März 2014
Impressum Kontakte GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG Verantwortlich http://glaxosmithkline.de Roger Jaeckel (v.i.S.d.P.) Leiter Gesundheitspolitik vertreten durch die Tel.: 089/ 360 44-8327 GlaxoSmithKline Verwaltungs GmbH Fax: 089/ 360 44-98327 Prinzregentenplatz 9 E-Mail: roger.r.jaeckel@gsk.com 81675 München Doris-Ulrike Meyer Geschäftsführer Dr. Sang-Jin Pak (Vors.) Manager Impfstoffpolitik/ Pandemie Tel.: 089/ 360 44-8348 Registergericht: Fax: 089/ 360 44-98348 Amtsgericht München E-Mail: doris-ulrike.d.meyer@gsk.com HReg: HRA 78754 Zuständige Aufsichtsbehörde: Regierung von Oberbayern Maximilianstraße 39 80538 München
Zusammenfassung Besondere Anforderungen an Impfstoffe Impfstoffe leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Gesundheit jedes Einzelnen und der Bevölkerung. Doch nicht nur die Möglichkeit Krankheiten zu verhindern, bevor diese entstehen, grenzt Impfstoffe von klassischen Arzneimitteln ab, sondern es sind weitere Besonderheiten zu be- achten, die die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen beeinflussen. Weltweit sind nur wenige Hersteller in der Lage, die technischen und finanziellen Herausforderungen zur Entwicklung und Produktion von Impfstoffen zu meistern. Insbesondere produzieren nur zwei Hersteller die Kombinationsimpfstoffe, welche die Ständige Impfkommission bei Säuglingen und Kleinkindern empfiehlt. Dies liegt daran, dass die Anforderungen an die Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen sowie an deren pharmazeutische Qualität bei der Produktion noch höher sind als bei Therapeutika. Außerdem handelt es sich bei Impfstoffen um biologische Produkte. Schon leichte Schwankungen bei der Anzucht der Mikroorganismen oder Zellkulturen können großen Einfluss auf den Produktionspro- zess und die Qualität des Endproduktes haben mit der Folge, dass nicht jede Charge in den Vertrieb gelangt. Dies führt einerseits zu Ausfallkosten bei den Herstellern, aber es kann auch zu Engpässen in der Verfügbarkeit der betroffenen Impfstoffe führen. Eine Produktion auf Vorrat ist nur begrenzt möglich, weil Impfstoffe zum einen eine begrenzte Halt- barkeitszeit haben, und es das biologische Produktionsverfahren darüber hinaus erfordert, dass Impfstoffe kontinuierlich hergestellt werden müssen. Eine kurzfristige Mengenausweitung auf Grund eines plötzlich auftretenden Mehrbedarfs ist daher nicht möglich, sondern setzt eine langfristige Planung voraus. Die Schwankungen bei den biologischen Ausgangsstoffen und Unterschiede in der weiteren Verarbei- tung sind auch die Gründe dafür, dass Impfstoffe unterschiedlicher Hersteller grundsätzlich nicht „aut idem“-fähig sind. Bei Impfstoffen unterschiedlicher Hersteller muss trotz gleichlautender oder ähnlicher Bezeichnung des Wirkstoffes von einer unterschiedlichen Zusammensetzung ausgegangen werden. Hoher Nutzen von Impfungen, aber auch hohe Hürden für Impfungen Der hohe Nutzen von Impfstoffen spiegelt sich nur unzureichend in der Wahrnehmung der Bevölke- rung und der Fachkreise wider. Dies zeigt sich u.a. darin, dass oftmals zu spät und nicht vollständig geimpft wird. Doch die verschiedenen Möglichkeiten zur Verbesserung der Impfquoten werden von den beteiligten Akteuren, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss und auch die Krankenkassen zählen, nicht vollständig ausgeschöpft. Aber selbst wenn die Bereitschaft in der Bevölkerung zur Impfung hoch ist, gilt es Hürden zu über- winden. So muss bei neuen Impfstoffentwicklungen zunächst die Ständige Impfkommission eine Empfehlung aussprechen, der Gemeinsame Bundesausschuss einen Erstattungsbeschluss fassen, bis schließlich Krankenkassen und Ärzteschaft eine Impfvereinbarung abgeschlossen haben, die zum Seite 1 von 26
tatsächlichen Einsatz der Impfung führt. Der gesamte Prozess dauert zwischen neun und zwölf Mona- te. Zum medizinischen Nutzen von Impfungen kommen die Einsparungen durch Vermeidung von Be- handlungs- und Folgekosten sowie Erhalt der Produktivität. Diese Einsparungen werden in der Bilan- zierung der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch nicht berücksichtigt. Impfungen verursachen nur geringe Ausgaben, aber erzielen hohe Einsparungen Und auch ein weiterer Aspekt darf nicht vernachlässigt werden: Die Impfstoffausgaben der gesetzli- chen Krankenversicherung erweisen sich bei langjähriger Betrachtung als stabil, sie liegen durch- schnittlich bei etwa 0,5% der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Änderungen sind vor allem auf neue Impfleistungen der Krankenkassen zurückzuführen. Dennoch wurden mit den Impf- stoffabschlägen (§ 130a Abs.2 SGB V) – EU-Preisreferenzierung – und den Ausschreibungen (§ 132e Abs.2 SGB V) Kostendämpfungsinstrumente im Impfstoffbereich eingeführt. Insbesondere berücksichtigen die Ausschreibungskriterien der Krankenkassen bis heute nicht die Besonderheiten des Impfstoffmarktes. Auch wenn das Interesse der Krankenkassen nach Kostenein- sparungen nachvollziehbar ist, sollte die gute Versorgung der Versicherten an erster Stelle stehen. Unser Plädoyer: Im Sinne einer guten Impfstoffversorgung der Versicherten auf Ausschreibungen verzichten Im Sinne einer solchen bedarfsgerechten, zuverlässigen und dem medizinischen Fortschritt angepass- ten Versorgung der Versicherten ist es notwendig, günstige Bedingungen zu schaffen und ungeeigne- te Strukturen zu beseitigen. Insbesondere gilt dies bei biologischen Produkten wie Impfstoffen, weil aus den genannten Gründen keine generische Produktion möglich ist und es auch nur wenige Anbie- ter gibt, die sich den Herausforderungen der Impfstoffentwicklung und –produktion stellen. Hinzu kommt, dass es ordnungspolitisch fragwürdig ist, bei Pflichtleistungen der Krankenkassen zu- sätzlich zu den Impfstoffabschlägen weitere Rabatte zu erheben. Wir schlagen daher vor, §132e Abs. 2 SGB V eindeutig auf qualitative Kriterien zur Verbesserung der Impfraten auszurichten und von Ausschreibungen im Impfstoffbereich Abstand zu nehmen. Seite 2 von 26
Einleitung Moderne Impfstoffe sind wirksam, sicher und gut verträglich. Deshalb können Impfungen einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Gesundheit jedes Einzelnen und der gesamten Bevölkerung leis- ten und zwar, indem sie Krankheiten verhindern, bevor diese entstehen. Aus diesem Grund empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Durchführung von Impfungen: Diese werden größtenteils von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstattet. Doch trotz dieser positiven Rahmenbedingun- gen entsprechen die Impfquoten nicht den empfohlenen bzw. erforderlichen Werten. Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde den Krankenkassen die Möglichkeit eröffnet, additiv zur verpflichtenden EU-Preisreferenzierung, mit Impfstoffherstellern Exklusivverträ- ge zur Versorgung ihrer Versicherten abzuschließen (§ 132e Abs.2 SGB V). Die Regelung berücksich- tigt allerdings nicht, dass an die Ausgestaltung der Ausschreibung von Impfstoffen besondere Anfor- derungen zu stellen sind mit der Folge, dass die GKV die Impfstoffausschreibungen nach dem Muster der Ausschreibungen für Generika (im Bereich der Therapeutika) durchführen. Um eine gute Versorgung der Versicherten mit Impfstoffen zu gewährleisten, müssen die Besonder- heiten des Impfstoffmarktes, der Impfstoffproduktion und die Public-Health Aspekte von Impfungen sowie die bereits bestehenden Regelungen im Marktzugang von Impfstoffen beachtet werden. Keinesfalls sollten sich die negativen Erfahrungen der Ausschreibungen von Grippeimpfstoffen – Ver- sorgungsengpässe in der Saison 2012/ 2013 – wiederholen. Der Impfstoffmarkt in Deutschland Dem weltweit großen Bedarf an Impfstoffen steht eine vergleichsweise kleine Zahl an Anbietern ent- gegen (Tab.1). Dies liegt daran, dass Impfstoffe biologische Produkte sind, bei denen die technischen und finanziellen Anforderungen an Forschung und Entwicklung sowie Herstellung deutlich höher sind als bei traditionellen Pharmazeutika. Insbesondere beherrschen weltweit nur zwei Hersteller das notwendige Wissen und die Erfahrung zur Herstellung von Kombinationsimpfstoffen für Säuglinge und Kleinkinder. Gerade Kombinationsimpfstoffe sind jedoch für einen bedarfsgerechten Schutz von Kindern in der Praxis unerlässlich (Abb.1) 1. Daneben spielen Kombinationsimpfstoffe auch für den Aufbau des sog. Herdenschutzes eine besondere Rolle. Nur mit Kombinationsimpfstoffen wird ver- mieden, dass einzelne Impfungen vergessen oder gar vernachlässigt werden (Abb.2). Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen Die Entwicklung eines neuen Impfstoffs ist ein aufwendiger, kosten- und zeitintensiver Prozess, der sich in vielen Belangen von dem klassischer Pharmazeutika unterscheidet: • Impfstoffe dienen – anders als klassische Arzneimittel – nicht der Therapie, sondern der Prävention einer Erkrankung und werden dabei millionenfach bei gesunden Menschen an- gewendet, weshalb die Sicherheit und Verträglichkeit der Impfstoffe für die Akzeptanz einer Impfung sehr wichtig ist. 1 Kalies et al. The use of combination vaccines has improved timeliness of vaccination in children. Pediatr Infect Dis J. 2006; 25 (6): 507-12 Seite 3 von 26
Durch diese Unterschiede bedingt werden an Impfstoffe – was den Studienumfang vor Zulas- sung und die pharmazeutische Qualität bei der Produktion betrifft – andere Anforderungen gestellt als an klassische Arzneimittel (Abb.3). Dies führt dazu, dass nur wenige initial Erfolg versprechende Vakzinekandidaten tatsächlich in ein zugelassenes Produkt münden: So er- reicht nur etwa einer von 1.000 Impfstoffen, die präklinisch getestet werden, die klinische Phase. Und für Impfstoffe, die schließlich zugelassen werden, fallen hohe Investitionen an. Beispielsweise wurden für die Rotavirusimpfstoffe für den Zeitraum vom Beginn der Entwick- lung bis zum Jahr 2008 Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in Höhe von 878 Millio- nen US$ berechnet (Diskontsatz 7%) 2. • Impfstoffe sind biologische Produkte, deren Grundlage Mikroorganismen oder deren Be- standteile sind, die nicht wie klassische Arzneimittel anhand physiko-chemischer Methoden hinreichend charakterisiert werden können. Auch geringfügige Abweichungen zwischen den Ausgangsstoffen können Änderungen im Produktionsverfahren verursachen und daher er- hebliche Auswirkungen auf das Endprodukt haben. Durch diese biologische Variabilität un- terscheiden sich selbst prinzipiell ähnliche Impfstoffe, die gegen dieselbe Erkrankung gerich- tet sind, untereinander, und es ist nicht ohne weiteres möglich, generische Produkte herzu- stellen. Abb: GSK 3 Abb.1: In den ersten Lebensmonaten (LM) empfiehlt die STIKO die Impfung gegen acht Erkrankungen . Bei der Impfung gegen Rotaviren handelt es sich um eine einfach zu verabreichende Schluckimpfung, die Impfstoffe gegen die übrigen sieben Indikationen werden intramuskulär injiziert. Die angestrebte möglichst frühzeitige Gabe der Impfungen ist vor allem unter Verwendung von Kombinationsimpfstoffen zu erreichen, wodurch man sowohl den Kindern als auch den Eltern mehr als zwei bis drei Nadelstiche pro Termin erspart. 2 Waye A. et al. Vaccine development costs: a review. Expert Rev Vaccines 2013; 12(12): 1495-1501 3 Epidemiologisches Bulletin. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut/ Stand August 2013 Seite 4 von 26
Anbieter monovalenter Impfstoffe Abbott Astra Baxter Bio- GSK Janssen- Novartis Pfizer Ratiopharm SPMSD STADA Zeneca CSL Cilag Diphtherie x Frühsommer- x x Meningokokken- Enzephalitis Hepatitis A x x x Hepatitis B x x Humane Papillomviren x x Influenza x x x x X* x x x x Masern x Meningokokken C x x x Meningokokken ACWY x x Pneumokokken x x (Konjugatimpfstoff) Pneumokokken x (Polysaccharidimpfstoff) Poliomyelitis x x Rotaviren x x Röteln x Tetanus x x Tollwut x x Varizellen x x * ab Saison 2014/ 2015 Einstellung der Produktion Anbieter von Kombinationsimpfstoffen Abbott Astra Baxter Bio- GSK Janssen- Novartis Pfizer Ratiopharm SPMSD STADA Zeneca CSL Cilag Diphtherie/ Tetanus (DT) x x x Diphtherie/ Tetanus (Td) x x Hepatitis A/B x Diphtherie/ Pertus- x sis/Tetanus (DTP) Diphtherie/ Pertus- x x sis/Tetanus (Tdp) Diphtherie/ Tetanus/ Polio- x myelitis (Td-IPV) Masern/ Mumps/ Röteln x x Diphtherie/ Pertus- x x sis/Tetanus/ Poliomyelitis (Tdp-IPV) Masern/ Mumps/ Röteln/ x Varizellen Diphtherie/ Pertus- x x sis/Tetanus/ Poliomyeli- tis/Haemophilus influenzae Typ b (DTP-IPV Hib) Diphtherie/ Pertus- x x sis/Tetanus/ Poliomyeli- tis/Haemophilus influenzae Typ b/ Hepatitis B (DTP-IPV- Hib-HepB) Tab.1: Nur zwei Hersteller bieten in Deutschland ein breites, dem Pflichtleistungskatalog der Krankenkassen entsprechendes Portfolio an. Zwar gibt es im Grippemarkt mit neun Unternehmen eine größere Zahl von Anbie- tern, darunter sind jedoch zwei Firmen als Co-Vermarkter tätig. Insbesondere bei den Kombinationsimpfstoffen reduziert sich die Anzahl der Anbieter deutlich. Seite 5 von 26
Abb. nach Rieck et al. Abb.2: Impfquoten gegen Windpocken in Schleswig-Holstein im Zeitraum 2004 bis 2009 vor und nach Einfüh- rung des Kombinationsimpfstoffes gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV) im Jahr 2006. Wäh- rend die Empfehlung zur Impfung gegen Windpocken durch die STIKO 2004 und die Erstattung durch die Kran- kenkassen 2005 bereits zu einer Zunahme der Impfquoten geführt haben, konnten ausreichende Quoten für die erste und zweite Impfung gegen Windpocken erst nach Einführung des Kombinationsimpfstoffes erzielt werden. 4 Dies spricht für die bessere Akzeptanz der Kombinationsimpfung im Vergleich zum monovalenten Impfstoff . • Da bei einem biologischen Prozess das Endprodukt prozessspezifisch immer leicht unter- schiedlich ausfallen kann, wird die Qualität des Endproduktes bei Impfstoffen über etliche Produktionsprozesskontrollen und Freigabetests gesichert, die sich innerhalb möglichst enger Spezifikationen bewegen sollten. Diese Qualitätssicherungsverfahren werden ständig an den neuesten Stand der Technik angepasst. Wenn beispielsweise neue Nachweismethoden zur Testung von Fremdviren durch den technischen Fortschritt zur Verfügung stehen, wird ge- prüft, ob und wie diese Verfahren das bestehende Test- und Kontrollprogramm gegebenen- falls ergänzen können. Diese strengen Anforderungen an die pharmazeutische Qualität der Impfstoffe haben zur Folge, dass nicht jede produzierte Charge in den Vertrieb gelangt und somit nicht nur erhebliche Ausfallkosten auf Seiten des Herstellers verursacht, sondern auch die Verfügbarkeit von Impfstoffen vorübergehend beeinträchtigen kann. • Auch die Dauer des Produktionsverfahrens unterscheidet sich wesentlich von dem klassischer Pharmazeutika. Die initial eingesetzten Mikroorganismen erfordern einen kontinuierlichen und gut abgestimmten Produktionsprozess, der zwischen 6 Monate (Grippeimpfstoffe) und 25 Monate (bei komplexen Kombinationsimpfstoffen) dauern kann. Hinzu kommt, dass die einzelnen Wirkstoffe nicht in großen Mengen vorproduziert und dann nach Bedarf „formu- liert“ werden können, sondern Impfstoffe müssen kontinuierlich hergestellt werden. Dies bedeutet auch, dass Produktionsanlagen nicht nacheinander für die Herstellung unterschied- licher Wirkstoffe genutzt werden können. Deshalb müssen für die unterschiedlichen Impf- stoffe jeweils eigene Produktionsstätten aufgebaut, zugelassen und unterhalten werden. Planung, Bau und Validierung einer neuen Produktionsanlage dauern mindestens 5 Jahre. 4 Rieck T. et al.Vaccination coverage among Children in Germany estimated by analysis of health insurance claims data. Human Vaccines & Immunotherapeutic 2014; 10/2: 1-9 Seite 6 von 26
Kurzfristige Mengenänderungen sind daher nicht möglich, im Gegenteil: Kapazitäten bei der Impfstoffproduktion müssen langfristig geplant werden. Abb: GSK Abb.3: Entwicklung von Impfstoffen. Bis zur Zulassung können bis zu 15 Jahre vergehen. Der Bau der Produkti- onsanlage muss bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Entwicklungsphase beginnen, weil die Anlagen Be- standteil der Zulassung sind. Daher fallen bereits in der Anfangszeit hohe Investitionen an, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit für einen Markteintritt noch gering ist. Auch in der Phase 3 sind die Risiken für den Markteintritt noch sehr hoch. Zugleich entstehen in dieser Phase wegen des umfangreichen Studienpro- gramms enorme Kosten, weil die Anforderungen an die pharmazeutische Qualität von Impfstoffen, die Sicher- heit und Wirksamkeit in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen sind. Aus diesen Gründen sind nur weni- 5,6,7 ge Hersteller in der Lage, Impfstoffe zu entwickeln und zu produzieren . Der insgesamt hohe Aufwand und die damit verbundenen Risiken bei der Entwicklung und Produkti- on von Impfstoffen sowie das hohe finanzielle Investment für den Aufbau und Unterhalt der Produk- tionsanlagen sind der Grund dafür, dass es bei Impfstoffen keine generischen Produkte gibt und sich nur wenige Hersteller dieser Herausforderung stellen. 5 Wierenga D. et al. Office of Research and Development, Pharmaceutical Manufacturers Association 6 Struck M. Chances and risks of developing vaccines. Vaccine, 1996; 14:1301-1302 7 Salisbury D. From research to implementation – the policy process preclinical and clinical development of new vaccines. IABS, Paris, May 27-30, 1997 Seite 7 von 26
Impfstoffe unterscheiden sich Wenn bereits Abweichungen im Produktionsprozess eines Impfstoffes zu Schwankungen beim End- produkt führen, wie groß muss dann erst der Unterschied zwischen zwei Impfstoffen verschiedener Hersteller sein, obwohl diese gegen dieselbe Erkrankung gerichtet sind? Nach einer Analyse des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 15. Januar 2002, die 2012 nochmals bestätigt wurde, werden der Wirkstoff und damit die Wirksamkeit bei Impfstoffen entscheidend von den un- terschiedlichen Ausgangsstoffen, dem Herstellungsprozess selbst und der Formulierung beeinflusst 8: • Unterschiedliche Ausgangsstoffe sind z.B. Mikroorganismen, Zellkulturen oder biotechnologi- sche Zellkonstruktionen • die Art der Herstellung kann sich in den Anzuchtverfahren, der Fermentierung oder Inaktivie- rung von Mikroorganismen unterscheiden • die unterschiedlichen Hilfsstoffe bei der Formulierung wie Adjuvantien oder Stabilisatoren haben ebenfalls entscheidenden Einfluss auf den Wirkstoff. Abb: GSK Abb.4: Impfstoffe unterscheiden sich. Trotz gleichlautender Indikation sind die verschiedenen Pneumo- kokkenimpfstoffe unterschiedlich zusammengesetzt – sowohl hinsichtlich der Zahl der enthaltenden Antigene als auch hinsichtlich der Zusatzstoffe. Pneumokokkenimpfstoffe für Erwachsene enthalten lediglich gereinigte Polysaccharidmoleküle aus der Hülle der Bakterien. Bei den Impfstoffen für Kinder müssen diese Polysaccharidmoleküle an Proteine gebunden sein, sog. Konjugatimpfstoffe, damit die Impfstoffe wirksam sind. Ein weiterer Unterschied ist die Auswahl der im Impfstoff enthaltenen Antigene, bei Erwachsenen herrschen andere Serotypen der Pneumokokken vor als bei Kindern. Diesem Umstand trägt auch die Biosimilar-Richtlinie des EU Gemeinschaftskodex für Humanarznei- mittel Rechnung 9. Wenn sich Ausgangsmaterialien oder der Herstellungsprozess unterscheiden, kann 8 Schreiben des PEI an den Verband Forschender Arzneimittelhersteller vom 15.01.2002 und 5.3.2012 Seite 8 von 26
– auch bei gleichlautender oder ähnlicher Bezeichnung des Wirkstoffes – nicht von einer identischen qualitativen wie quantitativen Zusammensetzung biologischer Arzneimittel ausgegangen werden. Die möglichen Schwankungen im Herstellungsprozess sind auch der Grund dafür, dass selbst nach Ertei- lung der Zulassung zusätzlich jede einzelne Impfstoffcharge von den Zulassungsbehörden freigege- ben werden muss. Ein Beispiel für die unterschiedliche Zusammensetzung der Antigene als auch in der Formulierung sind die Impfstoffe gegen Pneumokokken (Abb 4). Die STIKO empfiehlt die generelle Impfung gegen Pneumokokken sowohl für Säuglinge und Kleinkinder als auch für Senioren. In beiden Zielgruppen sollen invasive Pneumokokkeninfektionen und ihre Komplikationen vermieden werden. Die Indikati- on ist also identisch, dennoch enthalten die Impfstoffe für Kinder aus epidemiologischen und phar- makologischen Gründen andere Serotypen und eine andere Zusammensetzung als die der Erwachse- nen. Dies liegt einerseits daran, dass für Kinder andere Serotypen gefährlich sind als für Senioren, andererseits sind Pneumokokkenimpfstoffe für Kinder nur wirksam, wenn die Antigene an Proteine gebunden sind (sog. Konjugatimpfstoffe). Erwachsene können dagegen auch mit Polysaccharid- Impfstoffen geschützt werden. Bei Impfstoffen können Wirkstoffe also nicht losgelöst von Hilfsstoffen wie Konjugationsproteinen oder Adjuvantien betrachtet werden. Der Nutzen von Impfungen Das erneute Auftreten der Kinderlähmung in Syrien nach dem Zusammenbruch des dortigen Gesundheitssystems in Folge des Bürgerkriegs belegt eindrucksvoll, welche Folgen es hat, wenn Imp- fungen vernachlässigt werden 10. Doch auch in Deutschland sind Impfraten zu niedrig mit der Folge, dass immer noch Kinder an den Spätfolgen von Maserninfektionen sterben. Hohe Impfquoten sind jedoch nicht nur aus humanitären Gründen notwendig (Abb.5). Der Nutzen von Impfungen macht sich in vielerlei Hinsicht bemerkbar: • Im Gesundheitssystem können die Kosten für die Behandlung der Infektionserkrankungen eingespart werden. Diese entstehen bereits bei einem normal verlaufenden Infekt und stei- gen stark an, wenn ein schwerer Krankheitsverlauf zur Hospitalisierung oder gar zu einer an- dauernden Behinderung oder zum Tod führt. • Die Produktivität von Unternehmen bleibt erhalten, wenn die Beschäftigten selbst oder ihre Kinder gesund sind und entsprechend keine Arbeitsausfalltage anfallen. So dauert eine Grip- pewelle zum Beispiel durchschnittlich sechs bis zwölf Wochen und verursacht rund 10% der jährlichen Arbeitsunfähigkeitstage. Die Vermeidung von Arbeitsausfalltagen wirkt sich bei Versorgungsbetrieben auch positiv auf die Gesellschaft aus, weil das öffentliche Leben nicht beeinträchtigt wird. 9 Richtline 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemein- schaftskodex Arzneimittel. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 311/67 10 Suspected outbreak of poliomyelitis in Syria: Risk of importation and spread of poliovirus in the EU. ECDC Rapid Risk Assessment, 23 October 2013. http://www.ecdc.europa.eu/en/publications/Publications/RRA%20poliomyelitis%20Syria%2021%2010%202013.pdf Seite 9 von 26
Quelle: Prof. Wutzler Abb.5: Beispiele für die erfolgreiche und konsequente Durchführung von Impfungen sind die weltweite 11 Eradikation der Pocken und Eliminierung der Kinderlähmung in Deutschland 1990 . Nach Einführung der Imp- fung im Jahr 1961 gingen die Fallzahlen an Kinderlähmung deutlich zurück. Im Jahr 2002 konnte die gesamte 12 WHO-Region Europa als poliofrei zertifiziert werden . Aus diesen Gründen sollte ein großes öffentliches Interesse daran bestehen, dass die in Frage kom- menden Zielgruppen möglichst frühzeitig und vollständig geimpft werden. Quelle: BZgA Abb.6: Effekt der Herdenimmunität. In Teil (1) der Abbildung kann sich der Erreger ausbreiten, weil die Zahl der immunen Personen zu gering ist. Es kommt immer wieder zu Ausbrüchen der Erkrankung. Damit die Anste- ckungskette von Infektionskrankheiten wirksam unterbrochen werden kann, sind ausreichend hohe Impfquoten notwendig, aber auch die frühzeitige und bedarfsgerechte Impfung (Teil (2)). So kann sich z.B. das Masernvirus nicht weiterverbreiten, sobald 95% der Bevölkerung gegen Masern geimpft ist. Für Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten besteht dann keine Gefahr mehr, mit Masern infiziert zu werden. Und gerade diese Personen sind auf die Herdenimmunität bei Masern angewiesen, da sie keine Lebendimpfstoffe erhalten dürfen und eine Maserninfektion bei ihnen oftmals einen schweren Verlauf nimmt. 11 Nationaler Impfplan, Impfwesen in Deutschland – Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf; Stand 1. Januar 2012 12 Festvortrag Prof. Wutzler. http://www.dvv-ev.de/kontakt/festvortrag_wutzler.pdf Seite 10 von 26
• Die Gesellschaft profitiert zusätzlich von der sog. Herdenimmunität, sobald ausreichend hohe Impfquoten erreicht werden und dadurch die Zirkulation der Erreger unterbrochen wird. Ge- lingt dies über mehrere Generationen hinweg, können Erreger vollständig eliminiert oder so- gar eradiziert werden (Abb.6). • Auch jede geimpfte Person kann ihren persönlichen Nutzen aus den Impfungen ziehen, weil ihr Erkrankungen mit gegebenenfalls Langzeit- oder Spätfolgen erspart bleiben. Dies kann sich darüber hinaus positiv auf die wirtschaftliche Lage des Einzelnen auswirken und ihm selbst und seiner Familie ermöglichen, den gewohnten Lebensstandard zu erhalten. Wahrnehmung von Impfungen Der Nutzen von Impfungen spiegelt sich jedoch nicht in den Impfquoten in Deutschland wieder. Ex- perten gehen inzwischen davon aus, dass unzureichende Kenntnisse über die Gefahren von Infekti- onskrankheiten und deren Folgen sowie über den Nutzen von Impfungen der Grund für die Skepsis in der Bevölkerung sind 13,14. Umfragen des Forsa-Instituts im Auftrag der Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung (BZgA) zeigen, dass nur 1% der Eltern von Kindern im Alter von null bis dreizehn Jahren Impfungen ablehnen. Bei Jugendlichen und Erwachsenen liegt der Anteil mit 8% höher. Den Impfgegnern stehen unter den Eltern 64% Impfbefürworter und 35% Impfskeptiker gegenüber (Tab. 2) 15,16. Impfbefürworter Impfskeptiker Impfgegner Eltern mit Kindern im Alter von 0-13 Jahren 64% 35% 1% Jugendliche und Erwachsene im Alter von 16 - 85 Jahren 61% 31% 8% Tab.2: Ergebnisse einer Umfrage des Forsa-Instituts unter Eltern und bei Jugendlichen/ Erwachsenen zur Einstel- lung gegenüber Impfungen. Während Impfbefürworter die empfohlenen Impfungen in Anspruch nehmen, folgen Impfskeptiker individuellen Impfplänen und lassen einzelne Impfungen aus. Da die Gruppe mit 31 bzw. 35% einen großen Anteil innerhalb der Bevölkerung stellt, behindern die entstehenden Impflücken die Ausbildung der Herdenimmunität. Fehlinformationen über Risiken, die von Impfgegnern bewusst über das Internet gestreut werden, werden häufiger von impfskeptischen Eltern gelesen als von Eltern ohne Vorbehalte gegenüber Imp- fungen 17,18. Dies lässt vermuten, dass solche Fehlinformationen geeignet sind, eine skeptische Grundeinstellung zu verfestigen. 13 Elternbefragung zum Thema „Impfen im Kindesalter“ Ergebnisbericht, Mai 2011. Forsa – Gesellschaft für Sozialforschung und Statistische Analysen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 14 Nationaler Impfplan. Impfwesen in Deutschland – Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf; Stand 1. Januar 2012 15 Elternbefragung zum Thema „Impfen im Kindesalter“ Ergebnisbericht, Mai 2011. Forsa – Gesellschaft für Sozialforschung und Statistische Analysen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 16 Einstellungen, Wissen und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zu Hygiene und Infektionsschutz, Juni 2013. Forsa – Gesellschaft für Sozialforschung und Statistische Analysen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 17 http://www.impfkritik.de/ , http://www.impf-report.de/ , http://www.impfkontrolle.de/ aufgerufen am 23.1.2014 Seite 11 von 26
So behalten sich impfskeptische Eltern eine individuell geprägte Auswahl von Impfungen vor, die sie persönlich für sinnvoll halten, und lassen einzelne Impfungen aus. Beispielsweise belegt die Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) über Impfquoten bei kleinen Kindern, dass etwa 10% der Kleinkinder mit 24 Monaten noch keine Hepatitis B-Impfung erhalten haben, obwohl ein geeigneter Kombinati- onsimpfstoff zur Verfügung steht 19. Daher verwundert es nicht, dass es in der deutschen Bevölkerung zu gefährlichen Impflücken kommt (Abb.7). Abb: GSK Abb.7: Untersuchung über die Einschätzung von Eltern in die Notwendigkeit, ihre Kinder impfen zu lassen. Die Untersuchung wurde von forsa – Gesellschaft für Sozialforschung und statische Analysen mbH im Auftrag der 20 BZgA durchgeführt . Die Eltern wurden in 3 Gruppen unterteilt: Eltern ohne Vorbehalte gegen Impfungen, 21 impfskeptische Eltern und Impfgegner. Die Ergebnisse spiegeln sich in den Impfquoten wider . Eine als nicht notwendig angesehene Impfung führt zu geringeren Impfquoten, wodurch es zu gefährlichen Impflücken kom- men kann. (Es werden die Quoten nach vollständiger Immunisierung gezeigt). In einem opportunistischen Gesundheitssystem wie dem deutschen ist es notwendig, dass neben dem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt die verschiedenen Möglichkeiten zur Information und Mo- tivation der Bevölkerung über den Nutzen von Impfungen ausgeschöpft werden, um hohe Impfquo- 18 Elternbefragung zum Thema „Impfen im Kindesalter“ Ergebnisbericht, Mai 2011. Forsa – Gesellschaft für Sozialforschung und Statistische Analysen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 19 Rieck T. et al. 2014. Vaccination coverage among children in Germany estimated by analysis of health insurance claims data. Human Vaccines & Immunotherapeutics 10:2, 1-9 20 Elternbefragung zum Thema „Impfen im Kindesalter“ Ergebnisbericht, Mai 2011. Forsa – Gesellschaft für Sozialforschung und Statistische Analysen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 21 Rieck T. et al. 2014. Vaccination coverage among children in Germany estimated by analysis of health insurance claims data. Human Vaccines & Immunotherapeutics 10:2, 1-9 Seite 12 von 26
ten zu erreichen und Impflücken vorzubeugen. Hier sind vor allem, wie dies auch bereits vom Ge- meinsamen Bundesausschuss (G-BA) empfohlen wurde, die Krankenkassen und Ärzte aufgerufen, Recall-Systeme zu betreiben, mit denen die Versicherten aktiv und persönlich auf Impfungen auf- merksam gemacht und zu anstehenden Terminen eingeladen werden können22. Es werden jedoch nur 17% der Eltern von Kindern vom behandelnden Arzt schriftlich, telefonisch oder elektronisch auf die nächst anstehende Impfung aufmerksam gemacht, obwohl 71% eine solche Erinnerung begrüßen würden. Auch Informationen über Broschüren oder Faltblätter werden von 81% der Eltern ge- schätzt 23. Die Impfstoffhersteller leisten hier wertvolle Unterstützung, indem sie entsprechende laiengerechte Materialien, die kontinuierlich dem Stand der Wissenschaft angepasst werden, zur Verfügung stellen. Allerdings entfällt dieser Service, wenn Hersteller infolge von Ausschreibungen vom Markt ausgeschlossen werden. Es müsste bei den ausschreibenden Krankenkassen nachgefragt werden, ob sie selbst mit ebenso gut geeigneten Materialien in die Informationslücke gesprungen sind. Der Marktzugang von Impfstoff-Innovationen Die Zulassung eines neuen Impfstoffes erfolgt durch das PEI oder durch die Europäische Arzneimit- telagentur (EMA). Die wesentlichen Kriterien sind Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes sowie die pharmazeutische Qualität der Herstellung. Anders als bei Therapeutika kann ein Impfstoff nach seiner Zulassung jedoch nicht unmittelbar zu Lasten der gesetzlichen Krankenkas- sen eingesetzt werden, für die er geeignet ist. Zunächst muss die STIKO eine Empfehlung ausspre- chen. Die STIKO hat dafür einen Standardprozess entwickelt, in dem neben den Kriterien der Zulas- sungsbehörden weitere Aspekte eine Rolle spielen. Dazu gehören u.a. die Häufigkeit, mit der der Erreger auftritt, die Schwere der Erkrankung und ihrer möglicher Komplikationen, die Akzeptanz der Impfung bei Ärzten und in der Bevölkerung, ihre Integrierbarkeit in den Impfkalender sowie gesund- heitsökonomische Berechnungen. Auf die Veröffentlichung der STIKO-Empfehlung und ihrer Begrün- dung folgt der Beschluss zur Schutzimpfungsrichtlinie durch den G-BA innerhalb von drei Monaten. Sollte das Votum des G-BA positiv ausfallen, müssen nach Veröffentlichung des G-BA-Beschlusses, was erfahrungsgemäß mindestens weitere drei Monate dauert, die Impfvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Ärzteschaft angepasst werden (Abb.8) . Dafür steht eine Frist von nochmals drei, längstens sechs Monaten zur Verfügung. Insgesamt nimmt der Prozess von der STIKO-Empfehlung bis zu seiner Umsetzung mindestens neun Monate in Anspruch. Hinzu kommt die Zeitspanne zwischen Zulassung und der Bewertung durch die STIKO, die nicht definiert ist. Erst nach Beendigung des Erstattungsprozesses steht ein neuer Impfstoff den Versicherten der GKV zur Verfügung. Da der Impfstoffmarkt maßgeblich durch den GKV-Markt geprägt ist, haben die Ent- scheidungen der Kostenträger selbst und deren Dauer einen wesentlichen Einfluss auf die Ver- triebsmöglichkeiten und die Umsatzentwicklung der Hersteller. 22 Tragende Gründe zum Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses über eine Richtlinie über Schutzimpfungen nach § 20d Abs. 1 SGB V (Schutzimpfungs-Richtlinie/ SiR): Regelung des Anspruches der Versicherten auf Leistungen für Schutzimp- fungen gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 SGB V vom 21.Juni 2007 / 18. Oktober 2007 23 Elternbefragung zum Thema „Impfen im Kindesalter“ Ergebnisbericht, Mai 2011. Forsa – Gesellschaft für Sozialforschung und Statistische Analysen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Seite 13 von 26
Abb: GSK Abb.8: Zeitlicher Ablauf von der Zulassung eines Impfstoffes bis zu seiner Erstattung. Während die Fristen ab der Veröffentlichung der STIKO-Empfehlung gesetzlich geregelt sind, fehlt eine solche Definition für die Zeitspanne zwischen Zulassung und STIKO-Empfehlung. Nur wenn Krankenkassen bereit sind, Impfungen im Rahmen von Satzungsleistungen zu erstatten, kommt die Bevölkerung in den Genuß der Impfung. Im Schnitt dauert es sechs bis sieben Jahre bis zur Empfehlung, unter Berücksichtigung der Erstattungsfrist von mindestens neun Monaten dauert es also 8 Jahre bis zum Markteintritt in den GKV-Markt. Aus Sicht der Hersteller ist damit der Zeitraum für den Patentschutz praktisch aufgebraucht. Viel schwerwiegender wiegt jedoch, dass die Bevölkerung über einen sehr langen Zeitraum keinen Zugang zu neuen Impfungen hat und das vor dem Hintergrund, dass es keine Alternative zur Impfung gibt. Auch im Falle einer Ergänzung einer bereits bestehenden STIKO-Empfehlung läuft die Implementie- rung nach dem oben beschriebenen Verfahren mit den genannten Fristen ab. Ein weiterer Fall be- trifft die Weiterentwicklung von Impfstoffen, z.B. mit einer breiteren Abdeckung der unterschiedli- chen Serotypen. Der Standardprozess der STIKO sieht diesen Fall bisher nicht vor. Deshalb bleiben innovative Weiterentwicklungen von Impfstoffen aktuell nur den Versicherten der privaten Kranken- versicherungen vorbehalten, es sei denn, einzelne Krankenkassen erstatten die neuen Impfungen als Satzungsleistung. Ausgaben für Impfungen Etwa 90% der verordneten Impfstoffe werden von den gesetzlichen Krankenversicherungen erstat- tet. Die Höhe der Ausgaben wird vom Preis der Impfstoffe, den Distributionsspannen, dem Impfho- norar für Ärzte und dem Umfang der in der Schutzimpfungsrichtlinie enthaltenden Impfungen be- stimmt. Letzteres trägt wesentlich zu Veränderungen der Impfstoffausgaben der GKV bei: So ist der sprunghafte Anstieg im Jahr 2007 maßgeblich auf die Ergänzung der STIKO-Empfehlung um die Imp- fung gegen Humane Papillomviren und die Ausweitung der Impfempfehlung gegen Frühsommer- Seite 14 von 26
Meningo-Enzephalitis (FSME) auf die Bevölkerung im gesamten süddeutschen Raum zurückzuführen (Abb.9) 24. Abb: GSK Abb. 9: Umsatzentwicklung im Impfstoffmarkt (Angaben inklusive Mehrwertsteuer und ohne Berücksichtigung 25 von Abschlägen und Rabatten zugunsten der Krankenkassen) . Die Ausgaben der GKV für Impfungen betragen im Mittel etwa 0,5% der Gesamtausgaben der GKV. Insbesondere die erstmalige Empfehlung der Impfung ge- gen Humane Papillomviren und die Ausweitung der FSME-Impfung auf die gesamte Bevölkerung in den süd- deutschen Bundesländern seit 2007 hat kurzfristig zu einem Sprung bei den Impfumsätzen geführt. Dabei ist zu beachten, dass es bei der Erstattung neuer Empfehlungen erwartungsgemäß zu einem Ausgabenanstieg kom- men muss. Dies liegt daran, dass alle Personen mehrerer Jahrgänge, die nun von der neuen Erstattung einge- schlossen werden, innerhalb eines kurzen Zeitraums die Impfung in Anspruch nehmen. Anschließend sinken die Ausgaben für diese neuen Impfempfehlungen wieder, weil nur noch die nachwachsenden Kohorten geimpft werden. Daneben konnten die Impfquoten gegen Influenza zwischenzeitlich gesteigert werden, was sich in hö- heren Ausgaben bemerkbar gemacht hat. Inzwischen sind die Ausgaben für Influenzaimpfstoffe jedoch sogar 26 unter das Niveau von 2006 gesunken, was sich auch in den zu geringen Impfquoten widerspiegelt . Hinzu kommen Ausgabensteigerungen infolge der erwünschten Erhöhung der Impfquoten. Bei vielen Indikationen liegen diese Quoten unter den empfohlenen Werten (Tab.3). Beispielhaft kann dieser Aspekt an der Influenza-Impfung nachvollzogen werden. Die Europäische Kommission empfiehlt eine Impfquote gegen Influenza von mindestens 75% 27. In der Saison 2007/ 2008 betrug die Quote bei Senioren in Deutschland 56,6% 28 und konnte in der Folgesaison (2008/2009) auf 59,2% gesteigert 24 Neuerungen in den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI vom Juli 2007, Epidemiologi- sches Bulletin 31/2007 25 Impfstoffumsätze der Apotheken 2012 http://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2012/ZDF_2012_15.pdf 26 Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems: Grippeschutzimpfung in der Wintersaison 2008/ 2009. GEDA 2010, Faktenblätter. https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/Geda2010/Gripp eschutzimpfung.pdf?__blob=publicationFile 27 Commission Staff Working Document, State of play on implementation of the Council Recommendation of 22 December 2009 on seasonal influenza vaccination (2009/1019/EU). 28 Grippeschutzimpfung in Deutschland – Ergebnisse der Studie „ Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA 2009); GBE kompakt: Ausgabe 01/2011. Seite 15 von 26
werden, fiel jedoch anschließend wieder auf Werte um 50% zurück 29. Diese Entwicklung kann an Hand der Ausgabenveränderung für Influenzaimpfstoffe unmittelbar nachvollzogen werden. Die Impfstoffausgaben der Krankenkassen sind also – gemessen an den Impfzielen – zu gering! Abb: GSK c tatsächliche Indikation Impfziel Quote Diphtherie (24 Monate, 4. Dosis) 85% 80% a Hepatitis B (24 Monate) 95% 73% a Influenza bei Senioren 75% 57% b Influenza bei Risikogruppen 75% 44% b Masern, Mumps, Röteln (24 Monate, 1. Impfung) 95% 92% a Masern, Mumps, Röteln (24 Monate 2. Impfung) 95% 69% a Angaben nach Pertussis (24 Monate, 4. Dosis) 95% 80% a Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio a Rieck et.al., Auffrischimpfung Jugendliche 90% b GEDA-Daten, Polio (24 Monate, 4. Dosis) 95% 80% a c Nationaler Impfplan Varizellen (24 Monate, 2. Dosis) 95% 64% a Tab.3: In Deutschland sind die Impfquoten zu niedrig, und oftmals wird später als von der STIKO empfohlen geimpft. Beispielsweise empfiehlt die STIKO Kleinkindern die zweite Masernimpfung vor dem 23. Lebensmonat zu verabreichen. Tatsächlich gelingt dies jedoch nur bei 69% der Kinder. Erst ein Jahr später wird die für die Eradikation der Masern erforderliche Impfquote von mehr als 95% erreicht. Auch die Impfquoten gegen In- fluenza lagen in der Saison 2007/2008 mit 57% bei Senioren und 44% bei chronisch Kranken unter der von der 30,31,32 WHO empfohlenen Zielmarke von 75% . 29 European Centre for Disease Prevention and Control. Implementation of the Council Recommendation on seasonal influenza vaccination (2009/1049/EU). Stockholm: ECDC; 2014 30 Nationaler Impfplan. Impfwesen in Deutschland – Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf; Stand 1. Januar 2012 Seite 16 von 26
Den Ausgaben für Impfungen sind die Einsparungen durch vermiedene Behandlungskosten und Er- halt der Produktivität gegenüber zu stellen. Allerdings fehlen entsprechende Statistiken in Deutsch- land. Unabhängige gesundheitsökonomische Studien und Modellberechnungen bestätigen jedoch die Kosteneffektivität und Wirtschaftlichkeit verschiedener Impfungen 33. Sparmaßnahmen im Impfstoffbereich Mit dem AMNOG wurden für Impfstoffe, die zum Pflichtleistungskatalog der Krankenkassen zählen, Abschläge eingeführt (§ 130a Abs.2 SGB V). Durch diese Abschläge sollen etwaige positive Differen- zen zwischen den Preisen in Deutschland und Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mit ver- gleichbarer Wirtschaftskraft ausgeglichen werden. Diese Abschläge betragen je nach Produkt zwi- schen 0% und über 60% des Listenpreises in Deutschland (Abb. 10). Die GKV profitiert also von den Kostendämpfungsmaßnahmen anderer Länder, jedoch ohne die Verpflichtungen, die in anderen EU- Ländern etablierten Impfziele zum Schutz der Bevölkerung ebenfalls zu übernehmen. Mit dem AMNOG wurde zusätzlich die gesetzliche Regelung zur Ausschreibung von Impfstoffen ge- schaffen, die es den Krankenkassen ermöglicht, Exklusivverträge mit einzelnen Impfstoffanbietern zu schließen. Bei der Umsetzung der Ausschreibungen haben die Krankenkassenverbände allerdings nicht die Be- sonderheiten der Impfstoffe berücksichtigt wie die langfristig erforderliche Mengenplanung, Risiken im Produktionsprozess, die geringe Zahl von Anbietern, die nicht gegebene Vergleichbarkeit der Impfstoffe auf Wirkstoffebene oder die fehlende Möglichkeit für Versicherte, von Innovationen zu profitieren (Tab. 4). Dies lässt vermuten, dass das bei den Generika-Ausschreibungen übliche Verfah- ren unverändert auf Impfstoffe angewendet wurde. Außerdem fehlt bei den Ausschreibungen in Deutschland die sonst im Ausland übliche Preis- Volumen-Kopplung. Diese ist auf Deutschland auch nicht übertragbar, weil das Gesundheitswesen in Deutschland nicht staatlich organisiert ist, sondern von den Krankenkassen als selbstverwaltete Kör- perschaften getragen wird. Die Krankenkassen sind daher nicht selbst für den Impfstoffbedarf ver- antwortlich. Aus diesem Grund sind Ausschreibungen von Impfstoffen in Deutschland systemwidrig. So verwundert es nicht, dass die Impfquoten gegen Influenza in der Saison 2012/ 2013 in den betrof- fenen Regionen deutlich zurückgingen, als ein Anbieter die von ihm gewonnenen Ausschreibungen nicht bedienen konnte (Abb.11) 34. Gänzlich aus dem Blickfeld bei den Ausschreibungen ist die notwendige Verbesserung der Impfquo- ten geraten. So hat der Gesetzgeber den Krankenkassen mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungs- gesetz (GKV-WSG) den Sicherstellungsauftrag übertragen (§132e SGB V). Die Wirtschaftlichkeit der 31 Rieck et al. al.Vaccination coverage among Children in Germany estimated by analysis of health insurance claims data. Human Vaccines & Immunotherapeutic 2014; 10/2: 1-9 32 Grippeschutzimpfung in Deutschland – Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) 2009. RKI GBE kompakt 1/ 2011 2. Jahrgang 33 Boot HJ et al. Accessing the introduction of universal human papillomavirus vaccination for preadolescent girls in the Nether- lands. Vaccine 25 (2007) 6245-6256, und Chesson HW et al. Cost effectiveness of human papillomavirus vaccination in the United States. Emerging infectious diseases 2008; 14(2): 244-252. 34 Impfstoffverordnungen in Bayern, KVB Forum 10/13: 14-15 Seite 17 von 26
Versorgung ist nur ein Aspekt dieses Paragrafen. Das eigentliche Ziel dieser Regelung ist eine kon- stant gute medizinische Versorgung, die sich am Bedarf des Versicherten unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts orientiert (§2 SGB V). Diese Chance wurde jedoch von den Krankenkassen bisher vertan. vom Impfstoff abgedeckte Zugelassen ab einem Alter Hersteller/ Art des Impfstoffes Virus-Stämme von Zulassungsinhaber 24 Monate bis 17 Jahre MedImmune LLC Lebend-attenuiert -nasal 3 (einschl.) (Vertrieb: Astra Zeneca) 3 6 Monate GSK 3 5 Jahre CSL Biotherapies 3 6 - 36 Monate SPMSD Spaltimpfstoff 3 6 Monate SPMSD 3 6 Monate SPMSD 3 18 Jahre Novartis 4 3 Jahre GSK Spaltimpfstoff intradermal 3 60 Jahre SPMSD 3 6 Monate Novartis 3 6 Monate Abbott 3 6 Monate Abbott Subunitimpfstoff Abbott 3 6 Monate (Vertrieb: STADA) Abbott 3 6 Monate (Vertrieb: Ratiopharm) Subunitimpfstoff mit 3 65 Jahre Novartis Adjuvans MF59C.1 Crucell Subunitimpfstoff virosomal 3 6 Monate (Vertrieb: Janssen-Cilag) Stand Saison 2012/2013 35 Tab.4: Vergleich der Influenzaimpfstoffe . Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Anzahl der Virusstämme, ge- gen die der Impfstoff gerichtet ist, des Zulassungsalters und der wirksamen Zusatzstoffe. Auch die Applikations- form ist unterschiedlich: zur nasalen Inhalation, zur Injektion in den Muskel oder intradermal. Die Ausschrei- bungskriterien erfordern in der Regel eine Zulassung ab 6 Monaten ohne Altersbeschränkung. Dieses Kriterium erfüllen nur die in den Muskel zu injizierenden trivalenten Spalt- bzw. Subunitimpfstoffe der Hersteller Abbott, GSK, Novartis und SPMSD. (Der Hersteller Crucell beabsichtigt, seine Produktion zur Saison 2014/2015 einzustel- len). Alternativ handeln Krankenkassenverbände mit Apothekerverbänden auf regionaler Ebene einen definierten Erstattungspreis für Impfstoffe aus. Dieser beinhaltet den Impfstoffpreis zuzüglich der Apothekenvergütung. Gesetzliche Abschläge wie der Herstellerrabatt nach § 130a Abs.1 und 130a Abs.2 SGB V sollten theoretisch nicht zusätzlich anfallen. Der Fixpreis ist also immer gleich hoch, un- abhängig vom Einkaufspreis des Impfstoffes und seiner gesetzlichen Abschläge. 35 Fachinformationen der in der Saison 2012/2013 verfügbaren Influenzaimpfstoffe Seite 18 von 26
In der Praxis bedeutet dies, dass von den Krankenkassen ein Fixpreis angestrebt wird, der sich zwi- schen den Nettopreisen für Impfstoffe mit Abschlägen und solchen ohne Abschläge befindet. Jedoch kommen nicht alle Hersteller zum Zuge, sondern die Apotheken holen über Servicegesellschaften bzw. ihre Verbände von den einzelnen Herstellern Lieferangebote ein. Je niedriger ein solches Ange- bot ausfällt, desto größer die Marge der Apotheke und desto größer die Absatzmenge. Nach den derzeitigen Erfahrungen werden die Fixpreise jährlich neu festgelegt, dabei ist ein Trend zu beständig geringeren Erstattungsbeträgen festzustellen. Das Fixpreismodell wird derzeit in einigen KVen für Grippeimpfstoffe angewendet, nämlich im Verbund Mecklenburg-Vorpommern/ Brandenburg/ Ber- lin, in Hessen sowie in Rheinland-Pfalz/Saarland (Abb. 12). Abb: GSK Abb.10: Auswirkungen der Impfstoffabschläge am Beispiel von 10er Packungen. (1) und (3): Durch Abschläge von bis zu 65% des Listenpreises werden substantielle Einsparungen zugunsten der GKV erzielt. So reduziert sich z.B. der Preis des Masern, Mumps, Röteln-Impfstoffes von GSK (Priorix®) um 60% auf etwa 11€ pro Dosis (4). Der Nettopreis, also der Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) reduziert um den Impfstoff- abschlag, hängt dabei entscheidend von den Kostendämpfungsmaßnahmen in den EU-Referenzländern ab, ohne jedoch die dort gleichzeitig eingesetzten Maßnahmen zur Verbesserung der Impfquoten zu übernehmen (2). Bei den Grippeimpfstoffen haben Preissenkungen, die notwendig wurden, um Verzerrungen durch das Ne- beneinander von Herstellern mit Impfstoffabschlägen und solchen, die ihren Grippeimpfstoff nur in Deutschland vertreiben, dazu geführt, dass der gelistete Dosispreis für den trivalenten GSK-Impfstoff nur noch 5,11€ 36 (Influsplit SSW®) beträgt . (4). Gemessen an ihrem medizinischen und ökonomischen Nutzen sind Impfstoffe sehr kostengünstig. 36 Lauertaxe vom 1.1.2014 Seite 19 von 26
Um auch im Bereich der Satzungsleistungen von Abschlägen der Hersteller zu profitieren, steht den Krankenkassen die Möglichkeit offen, Rabattverträge nach § 130a Abs.8 SGB V mit den Herstellern abzuschließen. Quelle: KV Bayern 37 Abb.11: Rückgang der Impfquoten gegen Influenza in Bayern seit 2008 . Zwar ist der Rückgang ein multikau- sales Geschehen, doch sind sich die Experten einig, dass die Ausschreibungen von Impfstoffen den Trend eher noch verstärken. Der Anbieter hatte in der Saison 2012/2013 nicht nur in Bayern den Zuschlag erhalten, sondern auch in weiteren KV-Gebieten. Er konnte jedoch die von ihm gewonnenen Ausschreibungen nicht bedienen. Da die übrigen Hersteller, die den Zuschlag nicht erhalten hatten, ihre Produktion für die Belieferung anderer Län- der allokiert hatten, konnten sie nicht einspringen. Die angespannte Versorgungssituation wurde auf ganz Deutschland ausgedehnt, weil sich die Apotheken in den betroffenen Gebieten mit Influenzaimpfstoffen anderer Hersteller bevorratet hatten. Die entstehenden Versorgungsengpässe in den übrigen KV-Gebieten wurden durch Hamsterkäufe zusätzlich verschärft. In beiden Modellen, dem Ausschreibungsmodell wie dem Fixpreismodell, gibt es – wie o.b. – keiner- lei Preis-Volumen-Kopplung mit der Folge, dass Vertriebsrisiken einseitig auf die Anbieter übertragen werden. Solche Risiken sind jedoch bei Impfstoffen deutlich höher als bei klassischen Arzneimitteln, zum einen weil die Produktion an sich einem höherem Risiko von Schwankungen unterliegt, aber auch weil die Nachfrage nach Impfstoffen durch Ärzte und Patienten nicht durch den Leidensdruck infolge einer Erkrankung einigermaßen verlässlich geplant werden kann. Vielmehr ist die Nachfrage starken externen Einflüssen in der Wahrnehmung von Nutzen und Risiken der Impfung ausgesetzt (Abb. 13). Daneben kann es zu einem kurzzeitig geänderten Bedarf nach bestimmten Impfungen bei Änderungen der STIKO-Empfehlung/ Schutzimpfungsrichtlinie kommen. 37 Impfstoffverordnungen in Bayern, KVB Forum 10/13: 14-15 Seite 20 von 26
Abb: GSK Abb.12: Der Influenzamarkt änderte sich im Laufe von nur zwei Saisons von einem freien Markt zu einem weit- gehend von Ausschreibungen geprägten Markt. Abb: GSK Abb.13: Das Impfverhalten in der Bevölkerung hängt stark von externen Einflüssen ab. So sank die Bereitschaft der Bevölkerung sich gegen den pandemischen Influenzaerreger H1N1 impfen zu lassen deutlich, nachdem sich in den Medien kritische Stimmen über den Nutzen der Impfung geäußert hatten. Selbst die Spitzenreiter, die Bundesländer Brandenburg und Saarland, blieben weit hinter der in der Saison 2007/ 2008 erzielten durch- schnittlichen Impfquote in Deutschland von 31% zurück. Derartige Schwankungen beeinflussen den Bedarf an 38,39 Impfstoffen erheblich . 38 Impfquoten bei der Impfung gegen Influenza H1N1 für Personen über 14 Jahre in 2009 nach Bundesländern. Stastita; http://de.statista.com/statistik/daten/studie/159868/umfrage/influenza-h1n1---impfquote-nach-bundeslaendern-in-2009/ Seite 21 von 26
Position GSK Der Umgang mit den Ausschreibungen von Influenzaimpfstoffen in der Saison 2012/ 2013 und feh- lende verlässliche Maßnahmen der Krankenkassen zur Verbesserung der Impfquoten zeigen, dass Versorgungsziele momentan nicht im Fokus der Krankenkassen stehen. Das nachvollziehbare Bestreben der Krankenkassen zur Konsolidierung der Ausgaben der GKV wird bereits durch die Impfstoffabschläge (EU-Preisreferenzierung) realisiert. Die Addition weiterer Spar- maßnahmen wie Ausschreibungen und Fixpreismodelle ist ordnungspolitisch fragwürdig und sie ste- hen dem Sicherstellungsauftrag der Krankenkassen entgegen. Im Sinne einer guten, zuverlässigen und dem medizinischen Fortschritt angepassten Versorgung der Versicherten ist es notwendig, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen und ungeeignete Struktu- ren zu beseitigen. Den Besonderheiten des biologischen Produktes Impfstoff und der Tatsache, dass es aus diesem Grunde nur wenige Hersteller gibt, muss dabei Rechnung getragen werden. Nur so kann auch in Zukunft sichergestellt werden, dass der Zugang der Versicherten zu innovativen Impf- stoffentwicklungen und die Versorgungssicherheit mit Impfstoffen in Deutschland nicht gefährdet werden. Wir fordern daher, §132e SGB V eindeutig auf qualitative Kriterien zur Verbesserung der Impfraten auszurichten und von Ausschreibungen im Impfstoffbereich Abstand zu nehmen. 39 Grippeschutzimpfung in Deutschland – Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) 2009. RKI GBE kompakt 1/ 2011 2. Jahrgang Seite 22 von 26
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