Klimapolitik nach Kattowitz - Position Stand: Februar 2019 - vbw
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Position|Februar 2019 Klimapolitik nach Kattowitz Vorwort Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe Auf der 24. UN-Klimakonferenz in Kattowitz wurde ein umfangreiches Regelwerk verab- schiedet, das Standards für das Messen und Berichten von Klimaschutzmaßnahmen definiert, die für alle UNFCCC-Staaten gelten. Dadurch wurde die Grundlage für eine trans- parente Klimaberichterstattung geschaffen, die ein zentrales Fundament der globalen Klimaschutzpolitik ist. Ein globales Level Playing Field kann aber nur dann entstehen, wenn alle Staaten einen fairen und angemessenen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dies gilt auch für aufstrebende Schwellenländer mit einem hohen Emissionsaufkommen. Europäische und nationale Kli- maziele müssen realistisch sein und mit Augenmaß gesetzt werden. Klimapolitische Allein- gänge gilt es zu vermeiden. Sie schaden der europäischen und deutschen Wirtschaft. Ferner führen sie dazu, dass Arbeitsplätze und Fachwissen in Staaten mit geringeren Klimaschutzauflagen verlagert werden. Deutsche und bayerische Unternehmen leisten durch innovative Technologien, Produkte und Prozesse einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Sie benötigen Planungs- und Investitionssicherheit, um effizient wirtschaften zu können. Bestehende Entlastungen, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen sicherstellen, wie die Besondere Ausgleichsregelung oder die Strompreiskompensation, müssen aufrechterhalten bleiben. Bertram Brossardt 15. Februar 2019
Position|Februar 2019 Klimapolitik nach Kattowitz Inhalt Position auf einen Blick 1 1 Einleitung 2 1.1 Status Quo der Zielerreichung 3 2 Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz 5 2.1 Regelwerk für die Umsetzung des Weltklimavertrags 5 2.1.1 Nationale Klimaschutzbeiträge 5 2.1.2 Transparenz-Richtlinien 5 2.1.3 Berichterstattung über Klimafinanzierung 6 2.1.4 Globale Bestandsaufnahme 7 2.1.5 Kontrollausschuss 9 2.1.6 Marktmechanismen 9 2.2 Klimafinanzierung 9 2.3 Zielhorizont: Ambitionssteigerung 2020 10 2.4 Position der vbw 11 3 Konsequenzen für die EU-Klimapolitik 13 3.1 Zielhorizont 2030: Zentrale Klimaschutzinstrumente der EU 14 3.1.1 EU-Emissionshandel 14 3.1.2 Lastenteilung 15 3.1.3 Governance-Verordnung 15 3.2 Einfluss des Weltklimavertrags auf den EU-Rechtsrahmen 16 3.3 Position der vbw 18 4 Konsequenzen für die nationale Klimapolitik 19 4.1 Zielhorizont 2030: Zentrale Klimaschutzinstrumente Deutschlands 19 4.2 Einfluss des Weltklimavertrags auf die nationale Klimapolitik 21 4.3 Position der vbw 23 Literaturverzeichnis 26 Abbildungsverzeichnis 29 Tabellenverzeichnis 30
Position|Februar 2019 1 Klimapolitik nach Kattowitz Position auf einen Blick Position auf einen Blick Keine europäischen und nationalen Alleingänge beim Klimaschutz Das in Kattowitz verabschiedete Regelwerk bildet das Fundament für eine faire Lastenver- teilung beim Klimaschutz. Ein globales Level Playing Field kann nur entstehen, wenn glei- che Rahmenbedingungen für alle Staaten gelten. Bei der Messung und Überprüfung der Klimaschutzfortschritte müssen weltweit einheitliche Maßstäbe angesetzt werden, damit der Ausstoß einer Tonne CO2 in der EU dem Ausstoß einer Tonne CO2 in China, Indien oder Russland entspricht. Das Klima wirkt international und kann auch nur international geschützt werden. Wenn die Staaten Anfang 2020 ihre nationalen Klimabeiträge vorlegen, ist entscheidend, dass sich alle großen Treibhausgasemittenten zu ambitionierten und aufeinander abgestimm- ten Klimazielen bekennen. Auch aufstrebende Schwellenländer mit hohen Emissionen dürfen sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Die Fortschritte bei den internationalen Marktmechanismen sind unzureichend. Diese müssen vorangetrieben werden, da sie eine kosteneffiziente Erschließung von Treibhaus- gasminderungspotenzialen ermöglichen und den Transfer von Klimaschutztechnologien fördern. Die europäische und nationale Klimapolitik ist maßgeblich von den Prozessen auf internati- onaler Ebene geprägt. Bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben dürfen keine Ziele und Maßnahmen verabschiedet werden, die das internationale Ambitionsniveau oder das Level anderer großer Treibhausgasemittenten überschreiten. So sieht der Weltklimaver- trag eine weitgehende Treibhausgasneutralität bis Ende des Jahrhunderts vor. Gemäß dem Klimaschutzplan 2050 und dem Entwurf für die langfristige europäische Klimastrate- gie sollen Deutschland und Europa allerdings bereits bis 2050 weitgehend klimaneutral sein. Diese überambitionierten Ziele sind abzulehnen. Sie schwächen die Wettbewerbsfä- higkeit Deutschlands und der EU. Ferner besteht die Gefahr, dass Unternehmen, Arbeits- plätze und Fachwissen in Staaten mit geringeren Klimaschutzauflagen abwandern. Deutschland leistet bereits einen erheblichen Beitrag für die Klimafinanzierung und zählt zu den größten Geberländern. Das Ziel der Staatengemeinschaft, ab 2020 jährlich 100 Mil- liarden US-Dollar für Klimaschutz und Klimaanpassung bereitzustellen, kann nur erreicht werden, wenn alle Staaten in angemessener Form Finanzmittel bereitstellen. Auch aufstre- bende Schwellenländer sind in die Klimafinanzierung einzubinden. Zudem leistet der Privatsektor einen wichtigen Beitrag für die Klimafinanzierung. Um diesen weiter auszu- bauen, sollten Staaten verstärkt Anreize für Investitionen in Klimaschutztechnologien set- zen.
Position|Februar 2019 2 Klimapolitik nach Kattowitz Einleitung 1 Einleitung Transparente und einheitliche Regeln bilden das Fundament für globalen Klimaschutz Der Weltklimavertrag sieht eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei, wenn möglich sogar auf unter 1,5 Grad Celsius vor. Bis 2100 wird eine weitgehende Treibhausgasneutralität angestrebt. Dies heißt, dass nur so viele Treibhausgase ausgesto- ßen werden, wie durch Treibhausgassenken aufgenommen werden können. In 2017 lagen die globalen Treibhausgasemissionen bei 50,9 Gigatonnen CO2-Äquivalenten (Gt CO2e). Dies entspricht gegenüber dem Vorjahr einem Anstieg um 1,3 Prozent. Auch bei den CO2-Emissionen ist in 2017 ein Anstieg um 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 37,1 Gt CO2 zu verzeichnen. Der Anstieg der CO2-Emissionen ist mitunter auf den erhöhten Kohleverbrauch in Indien (+4,5 Prozent), Türkei (+16 Prozent), Südkorea (+5,4 Prozent), Indonesien (+7,1 Prozent) sowie China (+0,2 Prozent) zurückzuführen. Abbildung 1 Entwicklung der globalen Emissionen zwischen 1990 und 2017 Emissionen in Gt CO2e 55 50 45 40 35 30 25 20 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Treibhausgasemissionen CO2-Emissionen Quelle: Eigene Darstellung gemäß Daten der PBL Netherlands Environmental Assessment Agency Zu den weltweit größten Treibhausgasemittenten zählen China, die USA, die EU, Indien, Russland und Japan (siehe Abbildung 2). Diese sind für mehr als 60 Prozent der globalen
Position|Februar 2019 3 Klimapolitik nach Kattowitz Einleitung Emissionen verantwortlich. Deutschland ist der größte Treibhausgasemittent der EU und belegt Rang sieben der weltweit größten Emittenten. Abbildung 2 Entwicklung der Emissionen der größten Treibhausgasemittenten Quelle: Eigene Darstellung gemäß Daten der PBL Netherlands Environmental Assessment Agency 1.1 Status Quo der Zielerreichung Zwischen Oktober und November 2018 wurde eine Reihe von Studien vorgelegt, die ver- deutlichen, dass die derzeitigen Klimaschutzbemühungen nicht ausreichen, um die Erder- wärmung auf 1,5 bzw. zwei Grad Celsius zu begrenzen. Der Sonderbericht des Weltklimarates skizziert die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad Celsius. Diese führe zu einer Verstärkung der Klimarisiken, wie z. B. der Zunahme von Extremwetterereignissen oder dem Meeresspiegelanstieg. Bei einer Erwärmung um zwei Grad Celsius würden sich die Klimafolgen weiter verschärfen, so der Weltklimarat. Laut dem Bericht ist bereits heute ein Temperaturanstieg um ein Grad Celsius zu verzeich- nen. Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad-Celsius zu begrenzen, müssten die globalen Netto-CO2-Emissionen bis 2030 um rund 45 Prozent gegenüber 2010 reduziert werden. Um das Jahr 2050 müssten die Netto-CO2-Emissionen bei null liegen. Der Emissions Gap Report 2018 der Vereinten Nationen beziffert die Lücke zu den Emissi- onsminderungen, die für eine Einhaltung der Ziele des Weltklimavertrags erforderlich sind. Die derzeitigen Klimaschutzbemühungen der Staaten führen bis 2030 zu einer
Position|Februar 2019 4 Klimapolitik nach Kattowitz Einleitung Emissionsminderung um sechs Gt CO2e. Um die globale Erwärmung auf zwei bzw. 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssen weitere 13 bis 32 Gt CO2e eingespart werden. Der World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt auf, dass die weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen 2017 um 1,6 Prozent gegenüber dem Vor- jahr angestiegen sind. Auch für 2018 wird eine Zunahme der Emissionen prognostiziert. Für eine Erreichung der Ziele des Weltklimavertrags sei eine weitreichende Transformation des globalen Energiesystems erforderlich, u. a. durch eine zügige Umstellung der Stromer- zeugung auf emissionsarme Technologien, so der Bericht. Am 20. November 2018 gab die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) bekannt, dass die weltweit durchschnittliche Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre 2017 einen neuen Höchststand erreicht hat: Die CO2-Konzentration lag bei 405,5 Teilen pro Million. Eine vergleichbare Konzentration wurde zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren erreicht. Auf die CO2-Konzentration vor so langer Zeit kann mithilfe von Eisbohrungen und Unter- suchungen molekularer Fossilien geschlossen werden. Ohne einen raschen Rückgang der CO2-Emissionen werden sich die Folgen des Klimawandels laut World Energy Outlook wei- ter intensivieren. Um überprüfen zu können, inwieweit die kollektiven Klimaschutzbemühungen zu den Zie- len des Weltklimavertrags beitragen, müssen die Staaten kontinuierlich und transparent über ihre Fortschritte beim Klimaschutz berichten. Ziel der 24. UN-Klimakonferenz war es daher, ein Regelwerk zu verabschieden, das eine entsprechende Transparenz sowie eine Vergleichbarkeit der Klimaschutzanstrengungen herstellt.
Position|Februar 2019 5 Klimapolitik nach Kattowitz Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz 2 Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz Das Regelwerk ist ein zentraler Stützpfeiler für die Klimapolitik Die 24. UN-Klimakonferenz fand vom 02. bis 14. Dezember 2018 in Kattowitz, Polen, statt. Die Stadt Kattowitz wurde ausgewählt, da sie demonstriert, wie der Strukturwandel in einer ehemaligen Bergbauregion gelingen kann. Das Thema des sozialverträglichen Struk- turwandels (Just Transition) war ein zentrales Anliegen des Gastgeberlandes. An der Kon- ferenz nahmen über 22.000 Teilnehmer aus 196 Staaten und der EU teil. 2.1 Regelwerk für die Umsetzung des Weltklimavertrags Die erfolgreiche Verabschiedung der Umsetzungsregeln des Weltklimavertrags ist das wichtigste Ergebnis des Weltklimagipfels. Das 133 Seiten starke Regelwerk besteht aus einer Reihe von Beschlüssen, die die Vorgaben des Weltklimavertrags konkretisieren. 2.1.1 Nationale Klimaschutzbeiträge Die Regeln legen fest, welche Inhalte und Struktur die von den Staaten vorzulegenden na- tionalen Klimaschutzbeiträge (Nationally determined contributions – NDCs) umfassen sol- len. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Beiträge miteinander vergleichbar sind. Die Klimaschutzbeiträge müssen erstmals Anfang 2020 vorgelegt werden. Von da an sollen die Klimaschutzbeiträge im Fünf-Jahres-Rhythmus fortgeschrieben werden. Das Ambitions- niveau der Beiträge muss mit jeder Fortschreibung steigen. Die Beiträge sollen in einem öffentlichen Register einsehbar sein. Da sich die derzeit anvisierten Klimaschutzbeiträge entweder auf 2025 oder auf 2030 be- ziehen, wurde in Kattowitz beschlossen, dass sich die Beiträge ab 2031 auf denselben Zeit- horizont beziehen sollen. Nicht definiert wurde, ob die Beiträge künftig eine Zeitspanne von fünf oder zehn Jahren umfassen sollen (z. B. Zielhorizont: 2035 oder 2040). 2.1.2 Transparenz-Richtlinien Den wichtigsten Teil des Regelwerks bilden die einheitlichen Standards für die transpa- rente Berichterstattung. Auf rund 40 Seiten wird definiert, in welcher Form die Staaten über ihre Fortschritte in puncto Klimaschutz, -anpassung und -finanzierung berichten müs- sen. Die Vorgaben gelten für alle Staaten. Nur für die ärmsten Entwicklungsländer sind ver- einfachte Regeln vorgesehen. Sanktionen sind nicht vorgesehen.
Position|Februar 2019 6 Klimapolitik nach Kattowitz Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz Die Staaten sind angehalten alle zwei Jahre sog. Transparenzberichte vorzulegen. Diese müssen folgende Informationen beinhalten: – Inventarbericht über die nationalen Treibhausgasemissionen – Fortschritte bei der Erreichung des nationalen Klimaschutzbeitrags bzw. der NDC – nationale Folgen des Klimawandels – Maßnahmen zur Klimaanpassung – geleistete bzw. erhaltene Mittel für die Klimafinanzierung Die konkreten Inhalte sowie die einzuhaltenden Standards bei den einzelnen Berichtsteilen werden in den Regeln festgesetzt. Beispielsweise gelten für die Emissionsberichterstattung u. a. folgende Vorgaben: – Berichterstattung gemäß der 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories – Bezugsjahr für die bis dato erzielte Emissionsminderung: 1990 – Einbezug der folgenden Treibhausgase: CO2, CH4, N2O, HFCs, PFCs, SF6 und NF3 – Berichterstattung über die Emissionen in den Sektoren Energie, Industrie, Landwirt- schaft und Abfall sowie aus der Landnutzung, Landnutzungsänderungen und der Forst- wirtschaft – Separate Berichterstattung über die Emissionen des Luftverkehrs und der Schifffahrt Um die Fortschritte bei der Erreichung der NDCs darzulegen müssen die Staaten u. a. Pro- jektionen für ihre Emissionsentwicklung vorlegen, die verschiedene Szenarien abbilden: – Emissionsentwicklung mit Maßnahmen – Emissionsentwicklung ohne Maßnahmen – Emissionsentwicklung, wenn neben den bereits initiierten Maßnahmen weitere Maß- nahmen umgesetzt werden Die Transparenzberichte müssen erstmals bis zum 31. Dezember 2024 und im Anschluss alle zwei Jahre vorgelegt werden. Das UN-Klimasekretariat wird Syntheseberichte zu den zweijährlichen Reports der Staaten erstellen. 2.1.3 Berichterstattung über Klimafinanzierung Die internationale Staatengemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, zwischen 2020 und 2025 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Unterstützung von Maßnahmen für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen bereitzustellen. In Kattowitz wurde beschlossen, dass noch vor 2025 ein höheres Ziel für die Klimafinanzierung für die Zeit ab 2025 verabschie- det werden soll.
Position|Februar 2019 7 Klimapolitik nach Kattowitz Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz Um die Fortschritte bei der Bereitstellung der Finanzmittel überprüfen zu können, sieht das Regelwerk eine separate Berichterstattungspflicht über die geplanten und umgesetz- ten Unterstützungsleistungen im Bereich der Klimafinanzierung vor. Industriestaaten müssen erstmals 2020 und von da an alle zwei Jahre einen Finanzbericht vorlegen. Für alle anderen Staaten ist die Übermittlung entsprechender Berichte freiwillig. Die Berichte müssen unter anderem folgende Informationen beinhalten: – das Jahr, die exakte Höhe und den Status (ausgezahlt oder zugesagt) der Unterstützung – den Empfänger und den Zweck der Finanzierung – den Sektor und die Region, in die die Mittel fließen – die Finanzierungsquelle und die Art der Mittelbereitstellung Das UN-Klimasekretariat wird auch zu den eingereichten Finanzberichten ab 2021 Synthe- seberichte erstellen. 2.1.4 Globale Bestandsaufnahme Nicht zuletzt setzt das Regelwerk das Prozedere für die sog. globale Bestandsaufnahme fest (siehe Abbildung 3). In deren Rahmen wird bewertet, inwieweit die weltweiten Maß- nahmen in puncto Klimaschutz, -anpassung und -finanzierung zu den Zielen des Weltklima- vertrags beitragen. In Kattowitz wurde beschlossen, dass hierbei auch die Verluste und Schäden durch den Klimawandel berücksichtigt werden sollen.
Position|Februar 2019 8 Klimapolitik nach Kattowitz Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz Abbildung 3 Globale Bestandsaufnahme: Mechanismus zur Ambitionssteigerung Quelle: Eigene Darstellung Im Detail werden für die globale Bestandsaufnahme jeweils folgende Informationen zu- sammengetragen: – Status Quo der Treibhausgasemissionen und Minderungsfortschritte der Staaten – Gesamtwirkung der NDCs und Fortschritte der Staaten bei der Erreichung der NDCs – Status Quo der Fortschritte bei der Klimaanpassung – Status Quo der Klimafinanzierungsflüsse – Fortschritte bei der Erfassung und beim Umgang mit Verlusten und Schäden durch den Klimawandel Als Informationsbasis fungieren im Wesentlichen die Transparenz- und die Finanzberichte der Staaten sowie die entsprechenden Syntheseberichte des UN-Klimasekretariats. Ferner werden die jeweils jüngsten Berichte des Weltklimarates sowie klimarelevante Berichte der Vereinten Nationen oder Beiträge von NGOs in die globale Bestandsaufnahme einflie- ßen. Die globale Bestandsaufnahme wird erstmals 2023 und in Folge alle fünf Jahre durchge- führt. Da die Transparenzberichte erstmalig bis Ende 2024 erstellt werden, können diese nicht für die erste globale Bestandsaufnahme verwendet werden.
Position|Februar 2019 9 Klimapolitik nach Kattowitz Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz 2.1.5 Kontrollausschuss Der Weltklimavertrag sieht die Einrichtung eines Kontrollausschusses vor, der sicherstellt, dass die Vorgaben des Weltklimavertrags eingehalten werden. Der Ausschuss greift ein, wenn Staaten die aktualisierten NDCs nicht fristgerecht kommunizieren oder ihren Be- richtspflichten nicht nachkommen. In diesem Fall soll der Ausschuss den Austausch mit dem entsprechenden Staat suchen und diesen bei der Erfüllung der jeweiligen Pflicht unterstützen – beispielsweise mit Hand- lungsempfehlungen oder der gemeinsamen Entwicklung eines Aktionsplans. 2.1.6 Marktmechanismen Artikel 6 des Weltklimavertrags sieht vor, dass die Staaten bei der Umsetzung ihrer Klima- ziele mit anderen Staaten zusammenarbeiten können. Hierfür ist unter anderem die Etab- lierung eines Marktmechanismus geplant. Dieser soll ermöglichen, dass ein Staat auch Emissionsminderungen, die in einem anderen Land realisiert werden, in seinem eigenen Klimaziel berücksichtigen darf. Das Land, in dem die Minderung erfolgt ist, darf die erzielte Einsparung jedoch nicht auf sein Ziel anrechnen, um eine doppelte Anrechnung zu vermei- den. Zu der konkreten Ausgestaltung der Marktmechanismen konnte in Kattowitz keine Eini- gung erzielt werden. Letztlich scheiterten die Verhandlungen an der Frage, wie eine ent- sprechende Doppelzählung ausgeschlossen werden kann. Die Regelungen zu den interna- tionalen Kooperationsmechanismen sollen nun auf der kommenden UN-Klimakonferenz Ende 2019 verabschiedet und in das Regelbuch aufgenommen werden. 2.2 Klimafinanzierung In Kattowitz wurde beschlossen, dass der Anpassungsfonds künftig unter dem Weltklima- vertrag fortgeführt wird. Mit dem Fonds werden Projekte in Entwicklungsländern finan- ziert, die besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Seit 2010 stellte der Fonds 532 Millionen US-Dollar bereit. In Kattowitz wurden zusätzliche Mittel in Höhe von 129 Millionen US-Dollar für den Fonds zugesagt. Deutschland hat sich bereit erklärt, den Fonds mit weiteren 70 Millionen Euro zu unterstützen. Zudem hatten Deutschland und Norwegen eine Verdoppelung ihrer Beiträge zum interna- tionalen Klimafonds (Green Climate Fund) angekündigt. Damit wird Deutschland in den nächsten zwei Jahren 1,5 Milliarden Euro bereitstellen. Bis dato hat Deutschland 750 Milli- onen Euro in den Fonds einbezahlt. Hierdurch zählt Deutschland zu den fünf größten Ge- berländern des Fonds (siehe Tabelle 1). Der Fonds ist aktuell mit 7,4 Milliarden US-Dollar befüllt. Bis dato wurden aus dem Green Climate Fund 93 Projekte mit einem Volumen von 4,6 Mrd. US-Dollar finanziert. Die erste Wiederauffüllung des Fonds steht für 2019 an.
Position|Februar 2019 10 Klimapolitik nach Kattowitz Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz Tabelle 1 Die größten Geberländer des Green Climate Fund Staat Angekündigte Mittel Bereits gezahlte Mittel in Mio. US-Dollar in Mio. US-Dollar USA 3.000 1.000 Japan 1.500 1.500 Vereinigtes Königreich 1.211 934 Frankreich 1.035 953 Deutschland 1.003 1.003 2017 hat Deutschland insgesamt 3,65 Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln in internatio- nale Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekte investiert. Weitere 3,08 Milliarden Euro wurden seitens des Kapitalmarkts durch Entwicklungs- und Förderkredite, Beteiligungen und andere Finanzierungen geleistet. Kurz vor der 24. UN-Klimakonferenz wurde von Deutschland eine Allianz für Entwicklung und Klima lanciert. An der Allianz beteiligen sich 70 Akteure aus Wirtschaft, Politik und Ge- sellschaft. Die Mitglieder der Allianz verfolgen das Ziel, klimaneutral zu werden, indem sie Emissionen vermeiden, weiter reduzieren und verbleibende Emissionen kompensieren. Zur Kompensation ihrer Emissionen investieren die Mitglieder in Klimaschutzprojekte. Die Allianz zielt ferner darauf ab, private Investitionen in Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern zu generieren. Die Projekte sollen eine Treibhausgasminderung er- reichen und zugleich die wirtschaftliche und technologische Entwicklung in den jeweiligen Ländern unterstützen. Die EU, ihre Mitgliedsstaaten und die Europäische Investitionsbank hatten 2017 gemein- sam 20,4 Milliarden Euro in Klimaschutz investiert. Ab 2021 soll ein Viertel des EU-Haus- halts in die Klimapolitik fließen. Neben öffentlichen Geldern sollen private Investitionen angeregt werden. Hierfür wurden bereits im Mai 2018 erste Gesetzesvorschläge vorgelegt. Diese sehen unter anderem ein EU-weites Klassifikationssystem vor, welches Anleger da- bei unterstützen soll, klimafreundliche Projekte zu identifizieren und in diese zu investie- ren. 2.3 Zielhorizont: Ambitionssteigerung 2020 Intensiv diskutiert wurde, in welcher Form die Ergebnisse des Berichts des Weltklimarates in das Abschlussdokument der Konferenz einfließen sollen. Der Bericht legt dar, wie viele Treibhausgasemissionen bis 2030 eingespart werden müssen, damit das 1,5-Grad-Ziel
Position|Februar 2019 11 Klimapolitik nach Kattowitz Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz eingehalten wird. Vor allem die USA wollten vermeiden, dass diese Information in den Ab- schlussbericht integriert wird. Letztlich einigte man sich darauf, dass der Bericht zur Kennt- nis genommen wird. Ferner werden im Beschlussdokument der Konferenz alle Staaten aufgefordert, ihre Klima- ziele bis Anfang 2020 zu verschärfen. Eine Gruppe von Staaten, die sog. Koalition der Ambi- tionierten, kündigte an, bis 2020 ihre 2030-Klimaziele zu erhöhen, weitere kurzfristige Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen sowie eine langfristige Klimastrategie vorzulegen. Der Koalition gehören unter anderem die EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Portugal, Italien, Argentinien und Kanada sowie kleine Inselstaaten wie die Fiji- Inseln, die Marschall-Inseln und Grenada an. Im September 2019 wird in New York ein Sondergipfel zum Klimaschutz abgehalten. Von diesem werden Impulse für eine Steigerung des Ambitionsniveaus erwartet. Die 25. UN- Klimakonferenz wird Ende 2019, voraussichtlich vom 11. bis 22. November 2019, in Chile stattfinden. 2.4 Position der vbw Das in Kattowitz verabschiedete Regelwerk bildet das Fundament für eine faire Lastenver- teilung beim Klimaschutz. Ein globales Level Playing Field kann nur dann entstehen, wenn gleiche Rahmenbedingungen für alle Staaten gelten. Bei der Messung und Überprüfung der Klimaschutzfortschritte müssen weltweit einheitliche Maßstäbe angesetzt werden, damit der Ausstoß einer Tonne CO2 in der EU dem Ausstoß einer Tonne CO2 in China, Indien oder Russland entspricht. Das Klima wirkt international und kann auch nur international geschützt werden. Wenn die Staaten Anfang 2020 ihre nationalen Klimabeiträge vorlegen, ist entscheidend, dass sich alle großen Treibhausgasemittenten zu ambitionierten und aufeinander abgestimmten Kli- mazielen bekennen. Auch aufstrebende Schwellenländer mit hohem Emissionsaufkommen dürfen sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Deutschland beteiligt sich an der Koalition der Ambitionierten, verfolgt jedoch bereits ein ambitioniertes Klimaziel. Von einer weite- ren Verschärfung des deutschen Klimaziels in 2020 muss daher zwingend abgesehen wer- den. Internationale Marktmechanismen und eine globale CO2-Bepreisung ermöglichen eine kos- teneffiziente Erfüllung der Ziele des Weltklimavertrags. Sie bieten die Möglichkeit, dass Emissionen dort eingespart werden, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Zugleich sind sie ein geeignetes Instrument, um international vergleichbare Wettbewerbsbedingun- gen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund gilt es bei der UN-Klimakonferenz 2019 verbindli- che Regeln für die Marktmechanismen zu verabschieden. Eine doppelte Anrechnung, wie sie Brasilien befürwortet, ist abzulehnen, da bei der Durchführung einer Klimaschutzmaß- nahme nur einmalig eine Klimaschutzwirkung erzielt wird.
Position|Februar 2019 12 Klimapolitik nach Kattowitz Ergebnisse der 24. UN-Klimakonferenz Deutschland leistet bereits einen erheblichen Beitrag für die Klimafinanzierung und zählt zu den größten Geberländern. Deutsche Transferleistungen sollten künftig nur dann weiter erhöht werden, wenn auch andere Industriestaaten ihre Beiträge anheben. Das Ziel der Staatengemeinschaft, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klima- schutz und Klimaanpassung bereitzustellen, kann nur erreicht werden, wenn alle Staaten in angemessener Form Finanzmittel bereitstellen. Auch Schwellenländer sind in die Klima- finanzierung einzubinden. Zudem leistet der Privatsektor einen wichtigen Beitrag für die Klimafinanzierung. Um diesen weiter auszubauen, sollten Staaten verstärkt Anreize für In- vestitionen in Klimaschutztechnologien setzen. Klimatechnologien haben ein hohes Wachstumspotential. Studien zufolge wird sich das globale Marktvolumen für Klimatechnologien von rund 500 Milliarden Euro in 2015 auf eins bis zwei Billionen Euro in 2030 erhöhen. Deutsche und bayerische Unternehmen kön- nen entsprechende Investitionen in Klimaschutztechnologien nutzen, um ihre Position im globalen Markt zu stärken.
Position|Februar 2019 13 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die EU-Klimapolitik 3 Konsequenzen für die EU-Klimapolitik Überambitionierte europäische Zielvorgaben vermeiden Die EU sieht sich selbst als Vorreiter in puncto Klimaschutz und hat sich folgende Emissi- onsminderungsziele gesetzt: – bis 2020 - 20 Prozent gegenüber 1990 – bis 2030 - 40 Prozent gegenüber 1990 – bis 2050 - 80 bis -95 Prozent gegenüber 1990 Das 2030-Ziel ist zugleich der Klimaschutzbeitrag, welchen die EU Anfang 2020 dem UN- Klimasekretariat vorlegen wird. In 2017 lagen die europäischen Emissionen 21,9 Prozent unter dem Niveau des Jahres 1990. Das 2020-Ziel gilt somit bereits als erfüllt. Einer Analyse der Europäischen Energieagentur (EEA) zufolge müssten die Emissionen der EU ab 2020 um 79 Millionen t CO2e pro Jahr sinken, damit auch das 2030-Ziel erreicht wird. Gemäß Projektionen der EEA werden die Emissionen der EU ab 2020 jedoch nur um 23 bis 32 Millionen t CO2e pro Jahr zurückgehen. Hierdurch würde bis 2030 lediglich eine Emissionsminderung um 30 bis 32 Prozent gegenüber 1990 erreicht. Neben ihren Klimazielen verfolgt die EU ambitionierte energiebezogene Ziele und Maß- nahmen, die z. B. auf den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien oder die Steigerung der Energieeffizienz abzielen. In 2018 wurden die 2030-Ziele im Energiebereich nochmals deutlich verschärft: Tabelle 2 2030-Energieziele der EU Altes Ziel Neues Ziel Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch 27 Prozent 32 Prozent Entwicklung des Energieverbrauchs ggü. dem prognostizierten Niveau - 27 Prozent - 32,5 Prozent Die EU-Kommission erwartet, dass bei einer vollständigen Umsetzung der anvisierten Ziele und Maßnahmen im Klima- und Energiebereich bis 2030 eine Treibhausgasminderung von 45 Prozent und bis 2050 eine Treibhausgasminderung von 60 Prozent gegenüber 1990 er- reicht werden kann.
Position|Februar 2019 14 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die EU-Klimapolitik Kurz vor Beginn der 24. UN-Klimakonferenz hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine langfristige Klimastrategie der EU vorgelegt, die das bisherige Zielniveau deutlich übersteigt: Bis 2050 sollen die Nettoemissionen der EU bei null liegen. Hierdurch möchte die EU-Kommission einen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Weltklimavertrags leisten. Der Vorschlag der EU-Kommission soll in den nächsten Monaten diskutiert werden. Bis An- fang 2020 soll die langfristige Klimastrategie verabschiedet und gemeinsam mit dem natio- nalen Klimabeitrag der EU an das UN-Klimasekretariat übermittelt werden. 3.1 Zielhorizont 2030: Zentrale Klimaschutzinstrumente der EU Das 2030-Klimaziel soll durch zwei zentrale Klimaschutzinstrumente erfüllt werden: Das Europäische Emissionshandelssystem und die Lastenteilung. Entsprechend wurden Unter- ziele für die Instrumente definiert: – Innerhalb des EU-ETS ist eine Treibhausgasminderung bis 2030 um 43 Prozent gegen- über 2005 vorgesehen (Stand 2017: -26 Prozent). – Im Bereich der Lastenteilung soll eine Emissionsminderung von 30 Prozent gegenüber 2005 erzielt werden (Stand 2017: minus zehn Prozent). 3.1.1 EU-Emissionshandel Der EU-Emissionshandel reguliert die Emissionen der energieintensiven Industrie und des Stromsektors sowie die Emissionen des innereuropäischen Luftverkehrs. Für diese Sektoren wird eine EU-weite Obergrenze für Treibhausgasemissionen festgelegt, die konti- nuierlich reduziert wird. Damit die Emissionsminderungen dort erfolgen, wo sie am kos- tengünstigsten realisiert werden können, wird das Budget nicht auf die einzelnen Staaten aufgeteilt. In 2021 startet die vierte Handelsperiode des EU-Emissionshandels, die bis 2030 andauert. Im Vergleich zur aktuellen Handelsperiode (2013-2020) wird das EU-weite Gesamtbudget in der kommenden Periode deutlich gekürzt. Die Menge an CO2e, die maximal emittiert werden darf, wird jährlich um 2,2 statt wie bisher 1,74 Prozent reduziert. Zudem erhalten die emissionshandelspflichtigen Anlagen in der 4. Handelsperiode eine deutlich geringere kostenfreie Zuteilung von Emissionsberechtigungen als bisher. Die Benchmark-Werte, anhand derer die Höhe der kostenfreien Zuteilung berechnet wird, werden anhand realer Daten der effizientesten Anlagen neu berechnet und kontinuierlich reduziert. Anlagen in Sektoren, die als Carbon-Leakage-gefährdet gelten, erhalten weiter eine kos- tenfreie Zuteilung in Höhe von 100 Prozent. Alle anderen Anlagen erhalten zwischen 2021 und 2025 eine kostenfreie Zuteilung in Höhe von 30 Prozent. Zwischen 2026 und 2030 wird die kostenfreie Zuteilung auf 0 Prozent abgeschmolzen.
Position|Februar 2019 15 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die EU-Klimapolitik Ferner wurde Anfang 2019 mit der sog. Marktstabilitätsreserve ein Mechanismus einge- führt, mit dem der derzeitige Zertifikatsüberschuss deutlich reduziert wird. Dieser lag in 2017 bei 1,65 Milliarden Zertifikaten. Der Zertifikatsüberschuss resultiert aus der Überaus- stattung mit Emissionszertifikaten in der ersten und zweiten Handelsperiode. Zudem hatte die Wirtschaftskrise dazu geführt, dass mehr Zertifikate ausgegeben, als tatsächlich benö- tigt wurden. Durch den Abbau des Überschusses soll die Klimaschutzwirkung des Instru- ments gestärkt werden. Zugleich soll die resultierende Knappheit zu stärkeren Preissignalen führen. Im Laufe des Jahres 2018 sind die Zertifikatspreise deutlich angestiegen: Anfang Januar lag der Preis des Referenzkontraktes bei 7,80 Euro, Ende Dezember bei rund 24,50 Euro pro Tonne CO2. Als Treiber für den Preisanstieg gilt vor allem die Einführung der Marktstabili- tätsreserve. Auch gehen einige Analysten davon aus, dass Spekulanten Zertifikatskäufe in großen Mengen getätigt haben. 3.1.2 Lastenteilung Für die Emissionen, die nicht durch den Emissionshandel abgedeckt sind (z. B. Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie kleinere Industrie- und Energieanlagen) werden für jeden Mitgliedsstaat ein nationales Minderungsziel sowie jährliche Emissionsbudgets festgesetzt. Diese bemessen sich am jeweiligen BIP pro Kopf des Staates. In Folge müssen Mitglieds- staaten mit einem hohen BIP pro Kopf ihre Treibhausgasemissionen stärker senken, als Mitgliedstaaten mit einem niedrigeren BIP pro Kopf. Für den Zeitraum 2021 bis 2030 rei- chen die nationalen Minderungsziele von null Prozent (Bulgarien) bis minus 40 Prozent (Schweden, Luxemburg). Deutschlands Anteil beträgt minus 38 Prozent. Die Emissionen aus der Landnutzung, Landnutzungsänderungen und der Forstwirtschaft werden mit der LULUCF-Verordnung reguliert (Land use, land-use change, and forestry). Diese hält die EU-Mitgliedsstaaten dazu an, Emissionen, die z. B. bei der Entwaldung ent- stehen, beispielsweise durch Aufforstungsmaßnahmen zu kompensieren. 3.1.3 Governance-Verordnung Ende Dezember 2018 trat die Governance-Verordnung in Kraft. Diese verpflichtet die EU- Mitgliedsstaaten zur Erstellung nationaler Energie- und Klimapläne. Die Pläne müssen erst- mals bis zum 31. Dezember 2019 (Zeitraum 2021 bis 2030) und danach alle zehn Jahre vor- gelegt werden. Bis zum 01. Januar 2020 muss zudem eine langfristige Klimastrategie präsentiert werden. Die EU-KOM überprüft, inwieweit die eingereichten Pläne zur Errei- chung der Klima- und Energieziele der EU ausreichen. Zeichnet sich eine Zielverfehlung ab, so kann die EU-KOM weitere regulatorische Maßnahmen erlassen.
Position|Februar 2019 16 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die EU-Klimapolitik 3.2 Einfluss des Weltklimavertrags auf den EU-Rechtsrahmen Die klima- und energiepolitische Ausrichtung der EU orientiert sich maßgeblich an den Pro- zessen auf internationaler Ebene. So finden sich in einer Vielzahl von Richtlinien Verweise auf den Weltklimavertrag und die globale Bestandsaufnahme, in deren Rahmen die Fort- schritte der internationalen Staatengemeinschaft in puncto Klimaschutz überprüft werden. Tabelle 3 Bezugnahme auf den Weltklimavertrag in der EU-Rechtssetzung Rechtsdokument Artikel Text EU-Emissionshan- Erwägungsgrund 24 Die Kommission sollte […] im Zusammen- delsrichtlinie und Artikel 30 hang mit jeder im Übereinkommen von Paris vereinbarten globalen Bestandsauf- nahme, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Verschärfung der Strategien und Maßnahmen der Union, einschließlich des EU-EHS, über die erfor- derlichen Treibhausgasemissionsreduktio- nen durch die Union und die Mitgliedstaaten berichten. Verordnung zur Erwägungsgrund 28 Diese Verordnung sollte im Jahr 2024 und Lastenteilung danach alle fünf Jahre […] überprüft wer- den, insbesondere im Hinblick auf die Not- wendigkeit einer Verschärfung der Politiken und Maßnahmen der Union. Bei dieser Überprüfung sollen […] die Ergeb- nisse […] der weltweiten Bestandsauf- nahme des Übereinkommens von Paris aufgegriffen werden. Richtlinie über die Erwägungsgrund 7 Das Pariser Klimaschutzübereinkommen Gesamtenergieeffi- von 2015 […] fördert die Bemühungen der zienz von Gebäu- Union, den Gebäudebestand zu dekarbo- den nisieren. Revidierte Erneuer- Artikel 3 Absatz 1 Die Mitgliedstaaten stellen […] sicher, baren-Energien- dass der Anteil von Energie aus erneuer- Richtlinie baren Quellen […] im Jahr 2030 mindes- tens 32 % beträgt. Die Kommission beurteilt dieses Ziel, um bis 2023 einen Gesetzgebungsvorschlag zu unterbreiten, mit dem der Zielwert nach oben korrigiert wird, […] wenn dies notwendig ist, damit
Position|Februar 2019 17 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die EU-Klimapolitik die Union ihre internationalen Dekarboni- sierungsverpflichtungen erfüllen kann. Revidierte EU-Ener- Artikel 3 Absatz 6 Die […] übergeordneten Ziele der Union gieeffizienzrichtli- zur Energieeffizienz für 2030 werden von nie der Kommission bewertet, um bis 2023 ei- nen Gesetzgebungsvorschlag vorzulegen, mit dem Ziel, diese Zielvorgaben nach oben zu korrigieren, […] wenn es nötig ist, um die internationalen Verpflichtungen der Union in Bezug auf die Dekarbonisie- rung zu erfüllen Governance- Artikel 3 Absatz 5 Der Kommission wird die Befugnis über- Verordnung tragen […], Rechtsakte […] zu erlassen, um […] Änderungen des energie- und klimapo- litischen Rahmens der Union vorzuneh- men, die sich unmittelbar und konkret für die Beiträge der Union im Rahmen des UNFCCC und des Übereinkommens von Pa- ris ergeben. Ergibt die globale Bestandsaufnahme, dass die Klimaschutzambitionen der Vertragsstaaten des Weltklimavertrags nicht ausreichen, um die internationalen Klimaziele zu erreichen, so droht eine Verschärfung von klima- und energiepolitischen Zielen und Maßnahmen (siehe Abbildung 4). Abbildung 3 Folgewirkung einer sich abzeichnenden Zielverfehlung auf internationaler Ebene Quelle: Eigene Darstellung
Position|Februar 2019 18 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die EU-Klimapolitik 3.3 Position der vbw Die EU hat sich bereits ambitionierte Klimaziele gesetzt und eine Reihe von rechtlichen Maßnahmen erlassen, die zur Zielerfüllung beitragen sollen. Von einer Anhebung des Kli- maziels für 2030 muss abgesehen werden, insbesondere da sich bereits jetzt abzeichnet, dass das aktuelle 2030-Ziel verfehlt wird. Der Ende November 2018 vorgelegte Vorschlag für eine langfristige Klimastrategie der EU stellt eine deutliche Verschärfung gegenüber der bisherigen Zielsetzung dar. Das Ziel einer Treibhausgasneutralität bis 2050 ist überambitioniert, vor allem vor dem Hintergrund, dass selbst die EU erwartet, dass nach derzeitigem Stand bis 2050 lediglich eine Treibhausgas- minderung um 60 Prozent erzielt werden kann. Wird die Langfrist-Strategie in ihrer jetzigen Form verabschiedet, sind zahlreiche Legislativ- vorschläge mit verschärften Vorgaben zu erwarten, die mit steigenden Anforderungen für europäische Unternehmen verbunden sind. Gerade für die deutsche Wirtschaft mit ihrem hohen Industrieanteil würde dies zu erheblichen Belastungen führen. Unrealistische Ziele, die das Ambitionsniveau anderer großer Treibhausgasemittenten übersteigen, gilt es zu vermeiden. Diese gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der europäi- schen Unternehmen. Dies zeigt sich beispielweise bei den Ende 2018 verabschiedeten Grenzwerten für den CO2-Ausstoß von Pkw: Diese sollen bis 2030 um 37,5 Prozent gegen- über dem Grenzwert von 2021 reduziert werden. Diese Vorgabe wirkt wie eine Quote für Elektrofahrzeuge und schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilin- dustrie. Nicht zuletzt bestehen zwischen den verschiedenen Klimaschutzinstrumenten und den Energiezielen Wechselwirkungen. Beispielsweise führen eine Steigerung der Energieeffizi- enz und der Ausbau Erneuerbarer Energien zu einer Treibhausgasminderung in den emissi- onshandelspflichtigen Sektoren und konterkarieren hierdurch die Wirkweise des Emissionshandels. Der Emissionshandel muss weiterhin als zentrales Klimaschutzinstrument der EU fungie- ren. Von weiteren regulatorischen Eingriffen in das markt- und mengenbasierte System muss abgesehen werden.
Position|Februar 2019 19 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die nationale Klimapolitik 4 Konsequenzen für die nationale Klimapolitik Realistische Zielvorgaben mit Augenmaß Deutschland strebt bis 2020 eine Treibhausgasminderung um mindestens 40 Prozent und bis 2030 eine Minderung um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 an. Für 2050 wird eine Emissionsreduktion um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 anvisiert. Der Ende 2016 verabschiedete Klimaschutzplan 2050 geht weiter und orientiert sich am Ziel einer weitge- henden Treibhausgasneutralität bis 2050. Im Jahr 2017 lagen die Treibhausgasemissionen Deutschlands 27,7 Prozent unter dem Niveau von 1990. Gemäß dem Klimaschutzbericht 2018 wird Deutschland sein 2020-Ziel um acht Prozentpunkte verfehlen. Die Studie Klimapfade für Deutschland, die vom Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) in Auftrag gegeben wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass mit den derzeitigen Klimaschutzanstrengungen bis 2050 lediglich eine Treibhausgasminderung von 61 Prozent erreicht werden kann. Laut der BDI-Studie sei eine 80-prozentige Minderung technisch und volkswirtschaftlich unter bestimmten Voraussetzungen erreichbar. Allerdings wären hohe Investitionen sowie wettbewerbserhaltende Maßnahmen zum Schutz der Industrie notwendig. Eine 95-pro- zentige Minderung läge an der Grenze technischer Machbarkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz. Diese wäre mit einem weitestgehenden Verzicht auf fossile Brennstoffe, Impor- ten erneuerbarer Kraftstoffe sowie dem Einsatz von Technologien wie der CO2-Abschei- dung und -Speicherung verbunden, so die Studie. Für die Erreichung des 80-Prozent-Ziels sind gemäß der BDI-Studie bis 2050 Mehrinvestiti- onen von 1,5 Billionen Euro und für eine Erreichung des 95-Prozent-Ziels Mehrinvestitio- nen in Höhen von 2,3 Billionen Euro erforderlich. 4.1 Zielhorizont 2030: Zentrale Klimaschutzinstrumente Deutschlands Mit dem Klimaschutzplan 2050 wurden erstmals sektorspezifische Minderungsziele und Maßnahmen skizziert, die auf das Zieljahr 2030 hinwirken. Tabelle 3 legt dar, welche Min- derung gegenüber 1990 in den einzelnen Sektoren bis 2030 erzielt werden soll. Ferner zeigt sie auf, welche Reduktion bis 2016 bereits erreicht wurde und welche zusätzlichen Minderungen bis 2030 für eine Zieleinhaltung erforderlich ist.
Position|Februar 2019 20 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die nationale Klimapolitik Tabelle 4 Sektorspezifische Minderungsziele Handlungsfeld Minderungsziel Erzielte Minderung Erforderliche Minde- 2030 (ggü. 1990) 1990 bis 2016 rung 2016 bis 2030 Energiewirtschaft -62-61 % -26,4 % mind. -46,6 % Gebäude -67-66 % -37,8 % mind. -44,6 % Verkehr -42-40 % +1,8 % mind. -41,0 % Industrie -51-49 % -33,6 % mind. -23,9 % Landwirtschaft -34-31 % -18,2 % mind. -15,3 % Abbildung 5 verdeutlicht in absoluten Zahlen, wie viele Treibhausgase in den einzelnen Sektoren in 1990 und 2016 ausgestoßen wurden und wie viele Treibhausgase in 2030 maximal emittiert werden dürfen. Abbildung 5 Sektorspezifische Treibhausgasemissionen in 1990 und 2016 vs. maximal zulässige Emissionen in 2030 Quelle: Eigene Darstellung Tabelle 3 sowie Abbildung 5 demonstrieren, dass vor allen in den Sektoren Energiewirt- schaft, Gebäude und Verkehr eine große Minderungslücke besteht. In diesen Sektoren
Position|Februar 2019 21 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die nationale Klimapolitik sollen die Emissionen zwischen 2016 und 2030 nahezu halbiert werden. In der Industrie sollen die Emissionen zwischen 2016 und 2030 um rund ein Viertel verringert werden. Anfang November 2018 wurde eine Folgenabschätzung zu den Sektorzielen veröffentlicht. Diese wurde im Auftrag des Bundesumweltministeriums durch das Öko-Institut e. V., die Prognos AG, die IREES GmbH, M-FIVE GmbH und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau erstellt. Gemäß der Analyse sind zusätzliche Investitionen zwischen 240 und 270 Milliarden Euro erforderlich, damit die Sektorziele erreicht werden. Um sicherzustellen, dass eine Zielerreichung erfolgt, soll im Frühjahr 2019 ein Maßnah- menprogramm beschlossen werden. Darüber hinaus ist die Verabschiedung eines Klima- schutzgesetzes in 2019 geplant, in dem die Klimaschutzziele rechtlich verankert werden sollen. Zudem wurde im Juni 2018 von der Bundesregierung die Kommission Wachstum, Struktur- wandel und Beschäftigung einberufen (sog. „Kohlekommission“). Diese sollte konkrete Maßnahmen für die Emissionsminderung im Energiesektor erarbeiten. Am 26. Januar 2019 hat die Kommission ihren Abschlussbericht vorgelegt. In diesem emp- fiehlt sie, bis 2038 aus der Kohle auszusteigen. Es besteht zudem die Option, das Ab- schlussdatum auf frühestens 2035 vorzuziehen. Die Überprüfung, ob dies möglich ist, erfolgt im Jahr 2032. Bis 2022 soll die Leistung der Braun- und Steinkohlekraftwerke auf jeweils rund 15 Gigawatt (GW) verringert werden. Dies entspricht einer Leistungsreduzie- rung um mindestens 12,5 GW gegenüber Ende 2017. Darin enthalten sind allerdings Kraft- werke, die ohnehin vom Netz genommen werden (voraussichtlich 5,3 GW). Zwischen 2023 und 2030 soll die Leistung der Braun- und Steinkohlekraftwerke kontinuierlich auf maximal neun bzw. acht GW reduziert werden. Im Vergleich zu 2022 entspricht dies einer weiteren Reduzierung von insgesamt 13 GW. In 2023, 2026 und 2029 sollen die bis dato umgesetz- ten Maßnahmen im Hinblick auf ihre Klimaschutzwirkung, die Strompreisentwicklung und die Versorgungssicherheit überprüft werden. Des Weiteren empfiehlt die Kommission, ab 2021 für die Kraftwerksstilllegungen eine ent- sprechende Menge an Emissionshandelszertifikaten zu löschen. Die Zertifikate sollen aus dem nationalen Versteigerungsbudget stammen. Die Anzahl der zu löschenden Zertifikate soll der Menge CO2 entsprechen, die durch die Stilllegungen eingespart wird. Hierdurch soll vermieden werden, dass die nationale Klimaschutzmaßnahme durch Mehremissionen in anderen EU-Mitgliedsstaaten neutralisiert wird. 4.2 Einfluss des Weltklimavertrags auf die nationale Klimapolitik Die Klimapolitik Deutschlands wird nicht nur maßgeblich von den Zielsetzungen und Maß- nahmen auf europäischer Ebene geprägt. Sie orientiert sich gleichermaßen an den Verein- barungen und Zielen auf internationaler Ebene.
Position|Februar 2019 22 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die nationale Klimapolitik Sowohl im Koalitionsvertrag 2018 als auch im Klimaschutzplan 2050 finden sich eine Reihe von Querbezügen zum Weltklimavertrag (siehe Tabelle 4). Beispielsweise wird bei der Fortschreibung des Klimaschutzplans der im Weltklimavertrag verankerte Mechanismus zur ständigen Steigerung des Ambitionsniveaus berücksichtigt. Die Fortschreibung des Kli- maschutzplans soll Anfang 2020 erfolgen, wenn auf UN-Ebene die internationalen Klima- schutzbeiträge vorgelegt wurden. Tabelle 5 Querbezüge zum Weltklimavertrag in Koalitionsvertrag und Klimaschutz- plan 2050 Dokument Text Koalitionsvertrag Wir bekennen uns zu den national, europäisch und im Rahmen des 2018, Seite 142 Pariser Klimaschutzabkommens vereinbarten Klimazielen 2020, 2030 und 2050 für alle Sektoren. Deutschland setzt sich gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen dafür ein, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhun- derts weltweit weitgehende Treibhausgasneutralität zu erreichen. Koalitionsvertrag Die Mobilitätspolitik ist dem Pariser Klimaschutzabkommen und 2018, Seite 75 dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung verpflichtet. Wir wollen die Klimaziele von Paris erreichen und dabei soziale Belange berücksichtigen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewähr- leisten und bezahlbare Mobilität sicherstellen. Klimaschutzplan, Leitbild und Maßstab für die Klimaschutzpolitik der Bundesregie- Seite 12 rung ist das im Dezember von den Vertragsstaaten der Klimarah- menkonvention der Vereinten Nationen (VN) verabschiedete Übereinkommen von Paris. Klimaschutzplan […] der Klimaschutzplan 2050 [wird] in Übereinstimmung mit dem 2050, Seite 9 Übereinkommen von Paris regelmäßig fortgeschrieben. Vor dem Hintergrund des im Pariser Übereinkommen verankerten Mechanis- mus zur regelmäßigen Steigerung der Ambition der nationalen Kli- maschutzpolitiken werden die Zwischenziele und Meilensteine, die eingeschlagenen Transformationspfade und die damit verknüpften Maßnahmen hinsichtlich der Konsistenz mit der Zielerreichung kon- tinuierlich überprüft. Sie werden anschließend bei Bedarf angepasst […] Koalitionsvertrag Wir bekennen uns zu den national, europäisch und im Rahmen des 2018, Seite 142 Pariser Klimaschutzabkommens vereinbarten Klimazielen 2020, 2030 und 2050 für alle Sektoren. Deutschland setzt sich gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen dafür ein, die Erderwärmung auf
Position|Februar 2019 23 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die nationale Klimapolitik deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhun- derts weltweit weitgehende Treibhausgasneutralität zu erreichen Deutschland ist verpflichtet, in regelmäßigen Abständen an die EU und die UN-Klimarah- menkonvention (UNFCCC) über seine Zielsetzungen, Maßnahmen und Fortschritte in puncto Klimaschutz und Klimafinanzierung zu berichten. Tabelle 4 gibt einen Überblick über die wichtigsten Berichtspflichten auf internationaler und europäischer Ebene. Anhand der Berichte wird überprüft, inwieweit Deutschland seine Minderungsverpflich- tungen erfüllt. Darüber hinaus kann mittels der Berichte das Ambitionsniveau Deutsch- lands im Vergleich zu den anderen Staaten bewertet werden. Tabelle 6 Berichtspflichten der EU Bericht Inhalt Turnus Nationale Inven- Treibhausgasemissionen; wichtigstes Instru- jährlich tarbericht an die ment zur Bewertung der Erfüllung der Minde- EU und die UN- rungsverpflichtung auf internationaler und EU- FCCC Ebene Projektionsbe- Verschiedene Szenarien für die Entwicklung alle zwei Jahre richt an die EU der Emissionen entsprechend ergriffener Maß- nahmen Nationalbericht Umfassende Berichterstattung, u. a. zu den ak- alle vier Jahre unter der UN- tuellen und projizierten Treibhausgasemissio- FCCC nen, Klimaschutzmaßnahmen, Anpassung an den Klimawandel Zweijährlicher Fortschritt im Hinblick auf die Erreichung der alle zwei Jahre Bericht an die Klimaziele und die Klimaschutzfinanzierung UNFCCC 4.3 Position der vbw Die deutsche Klimapolitik wird entscheidend durch die Ziele und Vorgaben auf europäi- scher und internationaler Ebene geprägt. Diese dürfen auf nationaler Ebene nur eins zu eins umgesetzt werden. Wird bei der nationalen Umsetzung das Ambitionsniveau der EU sowie anderer großer Treibhausgasemittenten überschritten, nimmt dies Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Gleiches gilt auf Länderebene. Auch hier dürfen keine überambitionierten Ziele formuliert werden.
Position|Februar 2019 24 Klimapolitik nach Kattowitz Konsequenzen für die nationale Klimapolitik Wie die BDI-Studie Klimapfade für Deutschland zeigt, würde die Realisierung einer Emissi- onsminderung um 95 Prozent gegenüber 1990 an die Grenzen von Technik und Akzeptanz stoßen. Dieses Ziel muss aufgegeben werden, wenn sich nicht eine Reihe anderer Staaten zu vergleichbaren Zielen bekennt. Der Klimaschutzplan 2050 mit seinen tonnenscharfen Sektorzielen stellt eine enorme Her- ausforderung für die Wirtschaft dar. Gleiches gilt für ein Klimaschutzgesetz, in dem sektor- spezifische Klimaziele verankert werden. Ein Gesetz in dieser Form ist abzulehnen. Verpflichtende Sektorziele und Technologieverbote verhindern, dass auf wirtschaftliche und technologische Entwicklungen flexibel reagiert werden kann. Stattdessen muss eine technologieoffene und kosteneffiziente Zielerreichung anvisiert werden. Bei der Ausgestaltung des Maßnahmenprogramms müssen die Konsequenzen für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland berücksichtigt werden. Die anvisierten Maßnahmen dürfen zu keinen unverhältnismäßig hohen Belastungen für die deutsche Wirtschaft führen. Sonst droht die Gefahr einer Verlagerung von Unternehmen, Arbeits- plätzen und Fachwissen in Staaten mit geringeren Klimaschutzvorgaben. Vor diesem Hin- tergrund ist eine zunehmende internationale Angleichung der Rahmenbedingungen erforderlich. Bei der Definition der Maßnahmen für die Sektoren Energiewirtschaft und Industrie muss berücksichtigt werden, dass diese bereits durch den Emissionshandel reguliert werden. Durch die Verschärfung des EU-Emissionshandelssystems in der 4. Handelsperiode und den starken Preisanstieg der CO2-Zertifikate in 2018 steigt die Belastung der emissionshan- delspflichtigen Unternehmen zunehmend. Zusätzliche Vorgaben führen zu einseitig höhe- ren Bürden im Vergleich zu Unternehmen in anderen EU-Staaten. Ein Ausstieg aus der Kohleverstromung, wie er Ende Januar 2019 von der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung empfohlen wurde, hätte gravierende Fol- gen für Versorgungssicherheit und Preise. Die erste Phase des Kohleausstiegs, bei der zu- sätzlich zu den bereits angemeldeten Stilllegungen noch rund sieben GW gesicherter Leistung vom Netz genommen werden sollen, findet gleichzeitig mit dem Ausstieg aus der Kernenergie statt. Dies stellt eine Überforderung für unser Energiesystem dar, zumal bis 2030 weitere 13 GW abgeschaltet werden sollen. Es fehlt noch an einem belastbaren Kon- zept, wie die Versorgungssicherheit bruchfrei gewährleistet werden kann. Erst wenn die- ses vorliegt, kann über den Ausstieg entschieden werden. Zur Sicherung der Stromversorgung müssen Investitionsanreize schon heute festgelegt werden, wenn neue Kapazitäten rechtzeitig zur Verfügung stehen sollen. Die Regierung muss wirksame Maßnahmen ergreifen, um die erhöhten Strompreise auszugleichen. Insbesondere für die energieintensive Industrie ist ein Frühwarnsystem erforderlich, das sofort anzeigt, wenn zusätzliche Belastungen entstehen. Alle Entschädigungen und Entlas- tungen müssen aus dem Haushalt finanziert werden. Ergeben die Überprüfungen 2023, 2026 und 2029, dass die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der Indust- rie gefährdet ist, muss der anvisierte Zielpfad angepasst werden.
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