Anforderungen der IG Metall - an eine europäische Regulierung der CO2 Grenzwerte im PKW-Bereich für die Zeit nach 2020

Die Seite wird erstellt Britta Schneider
 
WEITER LESEN
Anforderungen
der IG Metall
an eine europäische Regulierung
der CO2 Grenzwerte im PKW-Bereich
für die Zeit nach 2020
„Die anstehende Neufestlegung der CO2 Grenzwerte für PKW
in Europa muss sichere Arbeitsplätze, effizienten Klimaschutz
und ökonomische Interessen berücksichtigen.

Die IG Metall sieht hier keinen Widerspruch – im Gegenteil.

25 % der europäischen Forschungs- und Entwicklungs-
aufwendungen entfallen auf die Automobilindustrie. Damit
ist Europas Autoindustrie weltweit die Nr. 1. Diese Innova-
tionsfähigkeit und -dynamik ist der Beschäftigungsmotor
der Branche und Garant für nachhaltige Technologien. Sie
gilt es zu erhalten und auszubauen. Das ist der Anspruch,
den die IG Metall und ihre 2,3 Millionen Mitglieder an eine
Neuregulierung der CO2 Grenzwerte in Europa haben.“

                                     Detlef Wetzel
                                     1. Vorsitzender der IG Metall
Inhalt

Zentrale Positionen und Forderungen                   6

Vorbemerkung                                          8

Beschäftigung und Innovationsdynamik
in der europäischen Automobilindustrie                9

Energie und Klima                                    11
Klima- und CO 2 Reduktionsziele der EU-Kommission    12
Europäische CO 2 Regulierung beim PKW                15
E-Mobilität als Beitrag zur Versorgungssicherheit
mit Energie                                          16

Verkehr und Mobilität                                17
Straßenverkehr und Auswirkungen auf die Klimaziele   19

PKW-Produktion und Strukturwandel                    20
CO 2 Reduzierung und Elektromobilität                20
Strukturwandel                                       23
Fahrzeugentwicklung und technologische Grenzen
der Reduktion von CO 2 Emissionen                    28

Nachhaltigkeit und Recycling                         34

Schlussbemerkung                                     36

Anhang                                               37
6

Zentrale Positionen
und Forderungen

      Die IG Metall unterstützt eine ambitio-          Für das Jahr 2020 steht in Europa mit 95 Gramm
nierte Klimapolitik der EU. Alle Sektoren tragen       das weltweit strengste Emissionsziel schon fest.
Verantwortung für die Erreichung der Klimaziele:       Für die Regelung nach 2020 muss berücksichtigt
Die Energie- und Mineralölwirtschaft ebenso wie        werden, dass dem Verbrennungsmotor physi-
Industrie, Dienstleistungen, Verkehr, Haushalte        kalische Grenzen für die Reduzierung des CO2
und Landwirtschaft.                                    Ausstoßes gesetzt sind. Bei der Festlegung von
                                                       Emissionsgrenzwerten post 2020 kann deshalb
      Der Automobilsektor ist mit 2,2 Millionen
                                                       der jetzt bestehende jährliche Minderungsfaktor
direkten und 10,7 Millionen indirekten Arbeits-
                                                       nicht einfach linear fortgeschrieben werden.
plätzen einer der Kernbereiche der europäischen
Industrie. Beschäftigungsmotor der Branche ist               Hohe Einsparpotentiale für CO2 liegen in
ihre hohe Innovationsdynamik. Die Innovations-         einer funktionierenden Verkehrssteuerung, in
fähigkeit zu erhalten und auszubauen muss auch         wirksamen Anreizsystemen für die Verbraucher,
ein Ziel der europäischen Klimapolitik sein.           bei CO2 armen Kraftstoffen und einer nachhaltig
                                                       ausgerichteten Rohstoffpolitik/Recycling. Die IG
      Innovationen sichern Beschäftigung. Die-
                                                       Metall fordert die EU-Politik auf, diese Instru-
sem Zusammenhang hat auch eine Neuregulie-
                                                       mente zur CO2 Reduktion auf ihre Wirksamkeit
rung der CO2 Grenzwerte im PKW-Bereich in
                                                       zu überprüfen und im Rahmen eines integrierten
Europa Rechnung zu tragen. Das ist der Anspruch
                                                       Gesamtpakets zu berücksichtigen.
der IG Metall und ihrer 2,3 Millionen Mitglieder
an die europäische und deutsche Politik.                      Die IG Metall plädiert dafür, im Rahmen
                                                       der Neufestlegung ambitionierte Zielgrößen zu
      Innovationspotentiale können durch unter-
                                                       definieren. Ambitionierte Zielgrößen sollen dazu
schiedliche Technologien realisiert werden. Die
                                                       beitragen, die Innovationsdynamik zu erhalten,
IG Metall hält es für den richtigen Weg, es den
                                                       zusätzliche Investitionen in Forschung und Ent-
Unternehmen zu überlassen, welche Antriebs-
                                                       wicklung auszulösen und damit positive beschäf-
und Effizienztechnologien sie zur Erreichung der
                                                       tigungspolitische Wirkungen zu generieren. Einer
Klima- und Emissionsziele einsetzen.
                                                       einseitigen Veränderung des Regulierungssystems
      Die IG Metall spricht sich grundsätzlich         steht die IG Metall kritisch gegenüber, da die Ge-
für die Regulierung des Emissionsgrenzwerts bei        fahr besteht, dass schon heute getätigte Investiti-
PKW aus. Durch Innovationen beim konventio-            onen in Effizienztechnologien abgewertet werden
nellen Antriebsstrang sanken die CO2 Werte im          und die Innovationsdynamik abnimmt.
europäischen Durchschnitt von 172 Gramm pro
Kilometer im Jahr 2000 auf aktuell 127 Gramm.
7

      Ein zu hoher Anspannungsgrad bei den                     Die IG Metall sieht allerdings auch den
Emissionsstandards führt zu erheblichen Mehr-            durch Elektromobilität ausgelösten Strukturwan-
kosten pro Fahrzeug und gefährdet dadurch                del und wird ihn mit gestalten, um Verwerfungen
Beschäftigung. Die IG Metall hält eine Folgen-           auf dem Arbeitsmarkt in diesem Industriezweig
abschätzung im Vorfeld der Neufestlegung des             vorzubeugen. Diesen Gestaltungsauftrag sieht sie
Grenzwertes für dringend geboten.                        ebenso für die Politik. Die Wertschöpfung im Zu-
                                                         sammenhang mit der Elektromobilität muss auch
     Für den Regulierungszeitraum nach 2020
                                                         in Europa aufgebaut werden.
werden die Elektrofahrzeuge bei der Berechnung
der Grenzwerte eine wesentliche Rolle spielen.                 Die IG Metall erwartet, dass im Unterschied
Ohne Kenntnis des Markthochlaufs der E-Fahr-             zur bisherigen Regulierungspraxis die Neufestle-
zeuge heute schon eine Grenzwertgröße festzule-          gung der Grenzwerte für die Zeit nach 2020 dis-
gen, birgt hohe Risiken. Hinzu kommt, dass der           kursiv erfolgt. Gewerkschaften und Arbeitgeber
neue zugrundeliegende Fahrzyklus wahrschein-             müssen in diese Debatte auf europäischer Ebene
lich im Jahr 2017 eingeführt wird. Die IG Metall         einbezogen werden. Bei einer Neufestlegung der
fordert die EU-Kommission deshalb auf, eine              Grenzwerte sind die quantitativen und qualitati-
Festlegung der Grenzwerte frühestens ab dem              ven Auswirkungen auf die Industrie und die Ar-
Jahr 2017 vorzunehmen.                                   beitsplätze einzubeziehen. Dies hat in den vorhe-
                                                         rigen Verfahren nicht stattgefunden.
       Die IG Metall sieht in der Elektromobilität
einen Weg, die Emissionen im Verkehrsbereich
deutlich zu reduzieren. Elektromobilität ist aber
nur dann eine CO2 sparende Alternative, wenn die
Autos mit grünem Strom betrieben werden. Dabei
muss die Technologieentwicklung in unterschied-
lichen Branchen ineinander greifen. Nur mit ei-
nem konsequenten Ausbau erneuerbarer Energie
ist es möglich, die Klimaziele zu erreichen.

      Die IG Metall fordert wirksame Anreize
zu Gunsten der Elektromobilität im Rahmen der
Regulierung. Elektrisches Fahren muss wie bisher
mit einem CO2 Ausstoß von Null Gramm in die
Berechnung der Flottendurchschnitte eingehen.
Die Emissionen aus der stationären Stromerzeu-
gung sind nicht von der Automobilindustrie zu
verantworten und bereits im Emissionshandel
reguliert.
8

         Vorbemerkung
         Die EU-Kommission reguliert seit 1999 die                   CO2 pro Kilometer im Flottendurchschnitt vor-
         Grenzwerte der CO2 Emissionen für PKW. Erst im              schreibt. Das europäische CO2 Ziel ist damit das
         letzten Jahr wurde die Regelung festgeschrieben,            weltweit ambitionierteste.
         die ab dem Jahr 2020 in Kraft tritt und 95 Gramm

Abb. 1   Flottenziele im internationalen Vergleich

         Flottenziel für das Jahr 2020 in Gramm CO 2 /km

              Europa                     USA               Japan                China

              95                         121               105                  117

         Quelle: VDA (Wissmann) 2013.
                                                                                 Quelle: VDA (Wissmann) 2013

                                                                     Nun steht auf der Agenda der Kommission, schon
                                                                     im Jahr 2015 die Neufestlegung dieser Ziele für
                                                                     die Zeit nach 2020 vorzunehmen. Diese Neufest-
                                                                     legung wird erhebliche Auswirkungen auf die Au-
                                                                     tomobilindustrie und ihre Beschäftigten haben.

                                                 sozial              Dieses Positionspapier ist das Ergebnis einer in-
                              Fahrzeug                               tensiven Diskussion innerhalb der IG Metall un-
           ökologisch                                                ter Beteiligung von Betriebsräten aus der Auto-
                                                                     mobil- und Automobilzulieferindustrie. Es stellt
                                               Energie
                                                                     die Sichtweise sowie die Anforderungen der IG
                       Verkehr                                       Metall zur Regulierung der zu beschließenden
                                                                     CO2 Grenzwerte für die Zeit nach 2020 im euro-
                                        ökonomisch                   päischen PKW-Bereich bei den Neuzulassungen
                                                                     dar. Die anstehende Neufestlegung wird in ei-
                                                                     ner systemischen Perspektive betrachtet, indem
                                                                     sowohl die ökonomischen, die ökologischen wie
                                                                     auch sozialen Folgen thematisiert werden.
9

Beschäftigung und Innovations-
dynamik in der europäischen
Automobilindustrie
Für die IG Metall steht die Sicherung der Beschäf-                         Aufwendungen in Forschung und Entwicklung
tigung im europäischen Automobilsektor im Zen-                             (F&E) mit mehr als 32 Milliarden Euro im Jahr
trum der Betrachtung. Der Automobilsektor ist                              2012, 9.500 Patente, die Zentralen der unterneh-
mit 2,2 Millionen direkten und 10,7 Millionen                              mensbezogenen F&E-Aktivitäten sowie die hohe
indirekten Arbeitsplätzen einer der Kernbereiche                           Zahl der Beschäftigten in der Forschung und Ent-
der europäischen Industrie (ACEA 2013).1                                   wicklung kennzeichnen diesen Industriezweig.2
                                                                           Aufgrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung
Die europäische Automobilindustrie zählt zu den
                                                                           hat die Automobilindustrie in Europa den Cha-
innovativsten und wettbewerbsstärksten Vertre-
                                                                           rakter einer systemrelevanten Branche.
tern dieser weltweiten Branche. Anhaltend hohe

Aufwendungen für Forschung und Entwicklung nach Sektoren                                                                                Abb. 2

     F+E Aufwendungen nach Sektoren
     2011 in Prozent

25                                                                                              EU

                                                                                                USA

20                                                                                              Japan

15

10

 5

 0
             a

                           y

                                            il

                                                       e

                                                                       k

                                                                                 ie

                                                                                                 u

                                                                                                                  e
                                                                                                                ac
                                                      ar
            m

                         og

                                                                   ni

                                                                                               ba
                                       ob

                                                                              em
          ar

                                                                t ro
                                                  ftw

                                                                                                             sp
                       ol

                                                                                            en
                                     m

                                                                            Ch
        Ph

                     hn

                                   to

                                                                                                           ro
                                                              ek

                                                                                          in
                                                 So
                                 Au

                                                                                                         Ae
                                                                                        ch
                     c

                                                             El
                  Te

                                                                                      as
                                                                                    M

                                                                                      Quelle: ACEA Pocket Guide 2013, Seite 24
Quelle: ACEA Pocket Guide 2013, Seite 24.

1 ACEA (2013): Pocket Guide 2013 (Stand der Angaben 2012), Seite 29.       2 ACEA (2014): Factsheet Research and Innovation, Seite 1.
10

                                                     Insbesondere beim traditionellen, verbrennungs-
                                                     motorischen Antriebsstrang besteht ein Innova-
                                                     tions- und Wettbewerbsvorsprung von zwei bis
                                                     drei Jahren. Die europäische Automobilindustrie
                  Bernd Osterloh                     hat zudem eine Sonderstellung im Premiumseg-
                  Gesamtbetriebsrats-                ment, aus dem eine Vielzahl von innovativen
                  vorsitzender Volkswagen AG         Lösungen für die Gesamtbranche kommt. Dies
                                                     betrifft neben Sicherheits-, Komfort- und Leicht-
                                                     bauaspekten die leistungsfähigen und gleichzeitig
„Bei der Einführung der Elektromobilität und
                                                     verbrauchsarmen Verbrennungsmotoren.
den begleitenden Gesetzgebungen zur CO2
Flottenwertreduzierung ist besondere Sorgfalt        Die Emissionsziele der EU-Kommission richten
geboten, da sich ein tiefgreifender Struktur-        sich vor allem auf die Reduzierung des Kraftstoff-
wandel mit massiven Auswirkungen auf die             verbrauchs von Verbrennungsmotoren. Von daher
                                                     ist es entscheidend für die Automobilindustrie,
Arbeitsplätze, auf Wertschöpfungsstrukturen
                                                     dass die Grenzwertfestlegung so gewählt wird,
und -ketten sowie auf die Arbeitsteilung zwi-
                                                     dass die europäische Automobilindustrie weiter-
schen Automobilherstellern und Autozuliefe-
                                                     hin Innovationen entwickelt und umsetzt, ihren
rern einstellen kann.
                                                     Wettbewerbsvorsprung zumindest halten und die
Die IG Metall will diesen Strukturwandel             Arbeitsplätze in diesem industriellen Kernbereich
mitgestalten und sieht sich in der Verantwor-        sichern kann. Dazu bedarf es einer umsichtigen
tung, die Beschäftigung in Deutschland und           Festlegung der zukünftigen Grenzwerte der CO2
Europa zu sichern und den sich andeutenden           Reduktion.
Strukturwandel zu begleiten. Dazu gehört
nach Auffassung der IG Metall eine Folgen-
                                                         Die hochkomplexen Strukturen und Zusam-
abschätzung, die den Erhalt der Arbeitsplätze
                                                         menhänge der Automobilentwicklung und
beinhalten muss.“
                                                         -produktion sind bei der Grenzwertfestle-
                                                         gung in angemessenem Umfang zu berück-
                                                         sichtigen. Eine Festlegung „am grünen Tisch“
                                                         läuft Gefahr, den zu erreichenden Grenzwert
                                                         zu schnell und unrealistisch festzuschreiben.
                                                         Daher fordert die IG Metall im Vorfeld der
                                                         Grenzwertfestlegung eine Folgenabschät-
                                                         zung. Es ist unabdingbar, eine Balance zwi-
                                                         schen Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit für
                                                         Verbraucher und Unternehmen zu erreichen,
                                                         um negative Beschäftigungseffekte auszu-
                                                         schließen.
11

Energie und Klima
Eine Energiegewinnung aus Atomkraft und aus                 zulegen und zurückzubauen. Die Förderung von
fossilen Brennstoffen hat zur Folge, dass für die           grünem oder Ökostrom steht als Ersatz für Atom
Produktion von Strom und Wärme entweder eine                und langfristig auch Kohle. Der Anteil von Erneu-
Hochrisikotechnologie oder endlich vorhandene               erbaren Energien an der Stromerzeugung beträgt
und CO2 intensive Rohstoffe eingesetzt werden.              heute bereits über 28 % und soll auf 40 bis 45 % bis
                                                            2025 und auf 55 bis 60 % bis 2035 ansteigen.
Angesichts des Klimawandels steht die zunehmen-
de Energiegewinnung aus Erneuerbaren Energien               Die von der Bundesregierung beschlossene Ener-
im Fokus der Debatte. Sie ist ein wichtiges Teilziel        giewende ist bislang allerdings nur in Teilen er-
der deutschen und europäischen Energiepolitik.              folgreich umgesetzt. Das terminierte Auslaufen
Der Anteil der Erneuerbaren Energien am gesam-              der Erzeugung von Atomstrom in Deutschland
ten Endenergieverbrauch soll erhöht werden, um              und der Ausbau der Erneuerbaren Energien wer-
unabhängiger von fossilen Rohstoffen zu werden.             den partiell konterkariert durch die anhaltend
                                                            hohen CO2 Emissionen aus der Stromerzeugung
Mit der Energiewende wurde in Deutschland be-
                                                            mit fossilen Brennstoffen (Kohle).
schlossen, die noch bestehenden Atomkraftwerke
bis Anfang der 2020er Jahre abzuschalten, still-

                                                                            „Elektromobilität kann erst dann einen
                                                                            wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten,
                                                                            wenn sie durch öffentliche Infrastrukturin-
                                                                            vestitionen und die Förderung von grünem
                                                                            Strom gestärkt wird. Andernfalls kann das
                                                                            bloße Festlegen starrer CO2 Grenzwerte nicht
                                                                            mehr als Schaufensterpolitik sein.

                                   Wolfgang Schäfer-Klug                    Aus klima- und beschäftigungspolitischer
                              Gesamtbetriebsratsvorsitzender                Sicht müssen EU-Grenzwerte deshalb mit
                                             Adam Opel AG                   Augenmaß festgelegt und durch weitere Maß-
                                                                            nahmen flankiert werden.“
12

Probleme sind im Rahmen der Infrastruktur auf-                Die IG Metall erwartet von der Bundesregie-
getreten, bei der Abstimmung der verschiedenen                rung einen verbindlichen Fahrplan zur wei-
Ebenen beim Ausbau von Stromtrassen und der                   teren Umsetzung der Energiewende. Dabei
Anbindung von Offshore Windkraftanlagen an                    muss die Technologieentwicklung in unter-
das Stromnetz. Hierfür sind bislang keine ausrei-             schiedlichen Branchen ineinander greifen.
chenden Lösungen erkennbar.                                   So wird etwa Elektromobilität nur dann eine
                                                              CO2 sparende Alternative, wenn die Autos
                                                              mit grünem Strom betrieben werden. Nur mit
                                                              einem konsequenten Ausbau der Erneuerba-
                                                              ren Energie wird es möglich sein, die Klima-
                                                              ziele tatsächlich zu erreichen.

Klima- und CO 2 Reduktionsziele der EU-Kommission

Die Senkung des CO2 Ausstoßes ist eingebunden             Die EU ihrerseits hat die Klimaziele und die Re-
in die internationale Klimapolitik, auf die sich          duzierung des CO2 Ausstoßes als Staatengemein-
die Welt mit der Klimarahmenkonvention der                schaft insgesamt festgelegt. Das EU Klima- und
Vereinten Nationen 1992 verständigt hat. Der              Energiepaket bis 2020 sieht vor, 20 % Reduzierung
wissenschaftliche Beirat der Vereinten Nationen           CO2 , 20 % Anteil erneuerbare Energie am End-
(IPCC) hat in seinem Bericht festgelegt, dass eine        energieverbrauch, 20 % Verbesserung der Ener-
Absenkung der Treibhausgase in den entwickelten           gieeffizienz.
Industrienationen um mindestens 80 % bis 2050
gegenüber 1990 notwendig ist, um die Erderwär-
mung auf +2°C zu begrenzen. Die EU und weitere
Industriestaaten haben im Kyoto-Protokoll erst-
mals konkrete Minderungsziele für ihre Treibh-
ausgasemissionen bis 2020 vereinbart.
13

                                                                            „Mit Blick auf den Weltklimagipfel Ende 2015
                                                                            in Paris hat die Debatte über ein internatio-
                                                                            nales Klimaabkommen wieder an Stellenwert
                                                                            gewonnen. Nach Jahren des realen Stillstands
                                                                            bei den Klimaverhandlungen, scheint nun
                                                                            die Bereitschaft in vielen Staaten gewachsen
                                                                            zu sein, einem weltweiten Klimaabkommen
                                                                            beizutreten.

                                                                            Grund zu allzu großem Optimismus besteht
                                                                            aber nicht. Dennoch, wenn wir in der Klima-
                                                                            politik etwas erreichen wollen, brauchen wir
                                                                            alle Akteure – in Europa und weltweit. Die
                                                                            IG Metall unterstützt anspruchsvolle Ziele bei
                                            Wolfgang Lemb                   der CO2 Reduzierung. Wir wollen eine nach-
                        geschäftsführendes Vorstandsmitglied                haltige und damit zukunftsfähige industrielle
                                                   IG Metall                Entwicklung voranbringen.“

Mittlerweile wird der Energie- und Klimapakt der             Der (PKW-) Verkehr kann und muss weiterhin
EU diskutiert, der die Ziele für 2030 festlegen soll.        seinen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausga-
Vorschläge der Kommission wurden im Januar                   se leisten. Bislang wurde schon überproportional
2014 für die Reduzierung der Treibhausgase um                viel erreicht, wenn andere Verkehrsträger und
40 % im Vergleich zu 1990 und für den Anteil der             ihre Beiträge betrachtet werden.
Erneuerbaren Energien in Höhe von 27 % gemacht
außerdem im August 2014 für die Steigerung der
Energieeffizienz von 30 %. Entschieden wird vom
Rat der Staats- und Regierungschefs auf dem Gip-
fel im Oktober 2014.
14

         Mit der Hinwendung zur E-Mobilität ist ein wei-                                              Die IG Metall unterstützt eine ambitionier-
         terer Schritt getan. Strom als Antrieb für PKW’s                                             te Klimapolitik der EU und hält eine Wei-
         muss unter Klimaschutzgesichtspunkten aus er-                                                terentwicklung des internationalen und des
         neuerbarer Energie kommen.                                                                   europäischen Rahmens in der Klimapolitik
                                                                                                      für dringend geboten. Dabei kommt es da-
         Wird der deutsche Strommix zugrunde gelegt,
                                                                                                      rauf an, die Verantwortung aller Sektoren –
         leistet E-Mobilität keinen echten Beitrag zur Sen-
                                                                                                      Energie- und Mineralölwirtschaft, Industrie,
         kung der Treibhausgasemissionen, da zwar bei der
                                                                                                      Dienstleistungen, Verkehr, Haushalte, Land-
         Nutzung keine Emissionen anfallen, dafür aber
                                                                                                      wirtschaft – bei der Erreichung der Klimazie-
         die Vorkette durch Förderung, Produktion und
                                                                                                      le einzubringen.
         Transport des Stroms stark belastet ist.

Abb. 3   Treibhausgasemissionen verschiedener Kraftstoffe
         und Antriebsarten

               Elektromobilität verspricht Klimaschutz im Verkehr, wenn der Strom aus Erneuerbaren Energien stammt.
               Gramm C0 2 Äquivalent pro Kilometer
                                                                                                       Elektromobilität

         200                        Betrieb: direkte Emissionen am Fahrzeug

                                    Vorkette: Emissionen durch Förderung,
                                    Produktion und Transport
         150
                                                                                                         139
         100                       119
                                                     105
                                                                                                                     85
          50                                                        Saldo:
                                                                     64       Saldo:
                                                                                       Saldo:
                                                                               45                                                   9
                                                                                        37
           0
                                 Benzin            Diesel                                              Strom aus deutscher Strom aus
                                                                                                       Steinkohle Strommix Erneuerbaren
                                                                     Biodiesel                                             Energien
         -50                                                         (B100)               Biomethan
                                                                     aus Raps* Bioethanol aus Mais
                                                                               (E85) aus
               * Negative Vorkettenwerte durch optimale Nutzung der
                 Nebenprodukte aus der Produktion (Glycerin, Stroh, Schlempe)  Getreide*
                Energieverbrauch: 3,3 l/100 km Diesel, 4,2 l/100 km Benzin,
                15,1 kWh/100 km Strom.                                                                         Quelle: Hohenberger/Mühlenhoff 2014

         Quelle: Hohenberger / Mühlenhoff 2014.
15

Europäische CO 2 Regulierung beim PKW

Die IG Metall spricht sich unter Klimagesichts-          Anders formuliert: je höher der Marktanteil der
punkten grundsätzlich für die Regulierung des            E-Fahrzeuge ist, desto geringer ist der Reduzie-
Emissionsgrenzwerts bei PKW für die Zeit nach            rungsdruck bei den sonstigen Fahrzeugen. Inso-
2020 aus.                                                fern ist es problematisch, sich unabhängig von der
                                                         Kenntnis des Markthochlaufs der E-Fahrzeuge
Durch Innovationen beim konventionellen An-
                                                         heute oder im Jahr 2017 schon auf eine Grenz-
triebsstrang, die maßgeblich auf die CO2 Gesetz-
                                                         wertgröße festzulegen. Je zeitnäher das Jahr 2020
gebung zurückzuführen waren, sanken die CO2
                                                         kommt, umso besser kann dieser Markthochlauf
Werte im europäischen Durchschnitt von 172
                                                         beobachtet werden und desto besser sind die Ein-
Gramm pro Kilometer im Jahr 2000 auf aktuell
                                                         schätzungen der nächsten Jahre.
127 Gramm.

Für das Jahr 2020 steht in Europa mit 95 Gramm
das weltweit strengste Emissionsziel schon fest.             Die IG Metall spricht sich grundsätzlich für
Welches Ziel für die Zeit nach 2020 festgelegt               die Regulierung des Emissionsgrenzwerts
wird, hängt vor allem von der Entwicklung des                bei PKW aus. Der Grenzwert wird zukünftig
Markthochlaufs der Elektromobilität ab. Wenn                 stark durch den Anteil der Elektrofahrzeuge
das Segment der E-Fahrzeuge ein hohes Volumen                am Absatz geprägt werden. Der Markthoch-
erreicht, sinkt der durchschnittliche Flottenver-            lauf für Elektrofahrzeuge lässt sich heute
brauch merklich. Bleibt es beim bislang schlep-              schwer abschätzen. Die IG Metall fordert
penden Markthochlauf, sinkt er nur marginal.                 die EU-Kommission auf, eine Festlegung der
                                                             Grenzwerte für die Zeit nach 2020 frühestens
                                                             ab dem Zeitpunkt 2017 vorzunehmen. Emp-
                                                             fohlen wird eine möglichst prozesshafte Ge-
                                                             staltung in Zwischenschritten.

„Die aktuelle Entwicklung beim Markanteil
der E-Fahrzeuge bleibt – auch wegen der
fehlenden Infrastrukturinvestitionen der
öffentlichen Hand – deutlich hinter den Er-
wartungen zurück.

Auch für die Zukunft bleibt unklar, wie
schnell die Kunden diesen Technologiewechsel
annehmen. Für die Flottenverbräuche ist
der Anteil an E-Fahrzeugen aber maßgeblich.
Auch wegen dieser Unsicherheit sollte ein                    Martin Hennig
CO2 Grenzwert für 2030 nicht jetzt kurzfristig               Gesamtbetriebsratsvorsitzender
festgelegt werden.“                                          Ford-Werke GmbH
16

E-Mobilität als Beitrag zur Versorgungssicherheit mit Energie

Das bekannte Problem der Erneuerbaren Energi-              Eine Integration der Fahrzeuge setzt zudem ein
en ist die Volatilität, da sie zumeist wetterabhän-        Abrechnungssystem voraus, das erst entwickelt
gig sind. Der Strom aus Erneuerbaren Energien              und implementiert werden muss. Letztlich müsste
wird in schwankender Intensität ins Stromnetz              auch die technische Frage beantwortet werden, ob
eingespeist, das auf unmittelbaren Verbrauch aus-          ein häufiges bis beständiges Be- und Entladen ei-
gerichtet ist und weitestgehend ohne Speicherka-           ner Fahrzeugbatterie von Elektrofahrzeugen nicht
pazität gebaut wurde. Das deutsche Stromnetz ist           zu Lasten der Lebensdauer geht. Hier käme aller-
damit in höchstem Maße unflexibel und bedarf               dings die absehbare zweite Lebensphase dieser
eines intelligenten Managements, das fluktuieren-          Batterien zum Tragen. Denn sobald die Fahrzeug-
de Stromproduktion, Stromnachfragesteuerung                batterien nur auf 80 % ihrer ursprünglichen Ka-
und Speicherkapazitäten aufeinander abstimmt.              pazität aufladbar sind, werden sie ausgetauscht  –
                                                           und dieses Speicherpotenzial stände dann als
E-Mobilität könnte hier einen Beitrag zur Versor-
                                                           stationärer Stromspeicher zur Verfügung.
gungssicherheit leisten. Hinter diesem Gedanken
steht, dass mit den Batteriekapazitäten der E-
Fahrzeuge ein Speichervolumen vorhanden ist.
                                                               Die IG Metall fordert die Bundesregierung
Dieses Volumen könnte dazu genutzt werden, die
                                                               auf, im Rahmen der Energiewende und der
schwankenden Einspeisevolumen der Erneuerba-
                                                               E-Mobilität smart grids, moderne Stromnet-
ren Energien auszugleichen.
                                                               ze sowie Abrechnungssysteme zu entwickeln
Da jedoch das Stromnetz heute nur in eine Rich-                und umzusetzen.
tung ausgerichtet ist (von der Stromerzeugung
zum Verbrauch), ist bislang eine Integration der
Elektrofahrzeuge nicht möglich. Eine Zweiglei-
sigkeit des (bidirektionalen) Stromnetzes bedarf
hoher Investitionen in die Infrastruktur (inkl.
Software). Die Deutsche Energieagentur schätzt,
dass hierzu bis 2030 bis zu 52 Milliarden Euro auf-
gewendet werden müssten.
17

Verkehr und Mobilität
Mobilität ist in heutigen industrialisierten Ge-                              Die weltweit feststellbare Tendenz zur Heraus-
sellschaften ein Grundrecht. Auch wenn es in                                  bildung von Megastädten, die 10 Millionen Ein-
Städten und insbesondere Großstädten über-                                    wohner und mehr haben, ist insbesondere in den
wiegend einen gut ausgebauten und funk-                                       Schwellenländern unverkennbar. In absehbarer
tionierenden „Öffentlichen Personen Nah                                       Zeit wird etwa 60 % der Weltbevölkerung in Städ-
Verkehr“ (ÖPNV) gibt, fehlt dieser im dün-                                    ten leben. Schon heute kennen wir den städtischen
ner besiedelten ländlichen Raum weitgehend.                                   Verkehrskollaps mit Auswirkungen auf Emissio-
Ungünstige Verbindungen, zeitliche Abhängig-                                  nen und Klima und in den bereits bestehenden
keiten und zum Teil auch verkehrsungünstig                                    Megastädten ist der motorisierte Individualver-
gelegene Arbeitsstätten zwingen zur Nutzung                                   kehr kaum noch zu bewältigen.
des PKW, um die Wege zur Arbeit und zurück
bewältigen zu können.

CO 2 Emissionen nach Verkehrsmitteln in Deutschland                                                                               Abb. 4
(Millionen Tonnen CO 2 Emissionen 2010); Stand 11 / 2013

                                                               Öffentlicher Straßenpersonenverkehr
               Binnenschifffahrt 2,1 (0,9 %)                    (Straßenbahn, Busse) 3,6 (1,9 %)

Motorisierter                                                      Schienenverkehr 8,7 (3,9 %)
Individualverkehr                                                             Luftverkehr 30,2 (13,5 %)
(Pkw, Zweirad)
128 (57,3 %)

                                          GESAMT: 223 MIO. t
                                          CO2 Emissionen

                                                                              Straßengüterverkehr (Lkw)
                                                                              50,7 (22,7 %)

Quelle: Hohenberger / Mühlenhoff 2014.3

                                                                                Quelle: Hohenberger / Mühlenhoff 2014

3 H
   ohenberger, Tilman / Jörg Mühlenhoff (2014): Renews Spezial, Aus-
  gabe 71 / März 2014 – Hintergrundinformation der Agentur für Erneu-
  erbare Energien; Energiewende im Verkehr, Potenziale für erneuerbare
  Mobilität, Berlin.
18

Angesichts des zunehmenden Auseinanderfallens                               Deutlich anders sieht es im Güterverkehr aus, des-
der Orte von Wohnen und Arbeiten, wechselnden                               sen Volumen im Sinne von Fahrleistungen deut-
Arbeitsplätzen oder systematisch notweniger Nut-                            licher als der individuelle Verkehr zugenommen
zung von Autos, wird das Verkehrsvolumen auf                                hat – nicht zuletzt bedingt durch die Osterweite-
der Straße weiterhin zunehmen.                                              rung Europas, durch Verlagerung von Güterver-
                                                                            kehr von der Schiene auf die Straße (anstatt wie
Das IFEU Heidelberg hat für das Umweltbun-
                                                                            politisch und ökologisch gewollt umgekehrt) und
desamt den Energieverbrauch für den Straßen-
                                                                            auch durch eine zunehmende internationale Ar-
verkehr sowie die direkten Emissionen bis 2030
                                                                            beitsteilung bei der Herstellung von Gütern (lo-
abgeschätzt. Demnach werden in Deutschland die
                                                                            gistischer Verkehr, der selten die Schiene nutzt).
CO2 Emissionen bis 2030 gegenüber 2011 um 11 %
zurückgehen. Die starke Zunahme des Straßengü-                              Im Sinne des Klimaschutzes muss es das poli-
terverkehrs kompensiert zum Teil die Abnahme                                tische Ziel sein, Verkehr so weit wie möglich zu
im PKW-Verkehr, der im gleichen Zeitraum mit                                vermeiden, eine sinnvolle Aufteilung von moto-
-30 % beziffert wird.4                                                      risiertem Individualverkehr, öffentlichem und
                                                                            Schienenverkehr im Sinne eines „modal splits“
In der EU haben die gesamte Verkehrsleistung in
                                                                            zu erreichen sowie die Verlagerung von Verkehr
den 2000er Jahren um 10,5 %, der öffentliche Per-
                                                                            auf emissionsarme Verkehrsträger. Ansätze einer
sonenverkehr um 19,2 % und der PKW-Verkehr
                                                                            Verbesserung des modal splits entstehen zurzeit
um 10,3 % zugenommen. Vor allem der Flugver-
                                                                            über Carsharingflotten, die in verschiedenen
kehr hat im gleichen Zeitraum um 25,9 % deutlich
                                                                            Großstädten punktuell aufgebaut und angeboten
zugenommen. Im Gegensatz zu den genannten
                                                                            werden. Es sind vor allem Automobilhersteller,
Verkehrsträgern verzeichneten Busse und Schiffe
                                                                            die diese Angebote aufbauen und damit begin-
negative Entwicklungen der Personenjahreskilo-
                                                                            nen, sich vom Auto-Hersteller zum integrierten
meter.
                                                                            Mobilitätsdienstleister zu entwickeln.
In Deutschland entfällt der größte Teil der Emis-
                                                                            Insgesamt geht es um den Umbau des bestehen-
sionen auf den motorisierten Individualverkehr
                                                                            den Verkehrssystems in Richtung eines integ-
(57,3 %). Daher ist es auch nicht verwunderlich,
                                                                            rierten Mobilitätskonzeptes – dieser Umbau ist
dass diese Verkehrsart in den Blick genommen
                                                                            überfällig. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass
wird, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen.
                                                                            Mobilität für die Bevölkerung bezahlbar bleibt.
Dennoch dürfen bei der Zielerreichung alle an-
deren Verkehrsmittel nicht außer Acht gelassen
werden, wie die starke Zunahme beim Flugver-
                                                                                Die IG Metall fordert eine ausbalancierte
kehrt zeigt.
                                                                                Beteiligung aller Verkehrssektoren an der
                                                                                Reduzierung von CO2 und damit an der Er-
                                                                                reichung der politisch vorgegebenen Ziele.

4 I FEU Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH
   (2012) TREMOD Version 5.3, Endbericht für die Emissionsberichter-
   stattung 2013 für das Umweltbundesamt, Heidelberg.
19

Straßenverkehr und Auswirkungen auf die Klimaziele

Seit Anfang der 1990er Jahre löste eine Privati-                                vestitionen in Strom-Ladesäulen im öffentlichen
sierungs- und Liberalisierungswelle die Ausdün-                                 Raum zur Unterstützung der E-Mobilität gehö-
nung des öffentlichen Verkehrsangebotes aus. Die                                ren. Bislang haben sich die Energieerzeuger in
staatlichen Investitionen, vor allem für den Erhalt                             Deutschland gesträubt, Ladestationen in größe-
und Ausbau der Infrastruktur, wurden zurück-                                    ren Stückzahlen aufzubauen, da sie hierzu kein
gefahren. Andererseits wurde zeitgleich einiges                                 Geschäftsmodell sehen. Über den abgegebenen
auf den Weg gebracht: die Einführung von Um-                                    Strom lassen sich die Investitionen in den Aufbau
weltzonen in Städten, der Ausbau von Schienen-                                  nicht refinanzieren.
Hochgeschwindigkeitsnetzen, der Aufbau von
                                                                                Ein großer Beitrag zur Reduzierung der Emissi-
Verkehrsleitsystemen zur Stauvermeidung und
                                                                                onen könnte geleistet werden, wenn es gelänge,
damit zur Reduktion des CO2 Ausstoßes, die Um-
                                                                                Staus in Städten und auf Autobahnen zu minimie-
stellung auf eine CO2 basierte Kraftfahrzeugsteuer
                                                                                ren oder ganz zu vermeiden. Verkehrsleitsysteme
bis hin zu Jobtickets für den Nahverkehr.5
                                                                                sind daraufhin ausgerichtet. Mit der Integration
Trotz dieser Maßnahmen bleibt für die Verkehrs-                                 der digitalen Informationstechnik ins Fahrzeug
infrastruktur zu konstatieren, dass ein immenser                                erwarten Verkehrsplaner zusätzliche Informati-
Investitionsstau besteht, um insbesondere Brü-                                  onen, die helfen, Stausituationen zu vermeiden.
cken zu sanieren bzw. instand zu setzen. K. Rietz-
ler hat die Situation als „Anhaltender Verfall der
Infrastruktur“ beschrieben.6                                                        Infrastrukturinvestitionen staatlicher Ebenen
                                                                                    haben ein großes Potenzial zur Vermeidung
Staus, Umwege wegen maroder Brücken oder
                                                                                    von CO2 . Durch gut ausgebaute Verkehrs-
schadhafter Infrastruktur verursachen eine Erhö-
                                                                                    wege und funktionierende Leitsysteme kann
hung der Emissionen. Der aktuelle Zustand der
                                                                                    ein wesentlicher Beitrag zur Reduzierung der
Infrastruktur ist kontraproduktiv.
                                                                                    CO2 Emissionen in Europa geleistet werden.
Der jährliche Investitionsbedarf in Deutschland                                     In diesem Zusammenhang ist auch der Aus-
für die Straßeninfrastruktur wird bei zeitlicher                                    bau der Ladeinfrastruktur von hoher Bedeu-
Streckung bis zum Jahr 2030 auf 6,1 Milliarden                                      tung.
Euro und auf 7,6 Milliarden Euro bei beschleu-
                                                                                    Die IG Metall fordert daher die Politik auf
nigter Realisierung der Bedarfspläne (bis 2020)
                                                                                    allen Ebenen auf, die dringend notwendigen
quantifiziert7.
                                                                                    Investitionen zügig und kontinuierlich um-
Zur Infrastruktur werden zukünftig auch In-                                         zusetzen.

5 v gl. Ziegler, Astrid (2011): Mobilität und Arbeit – Anforderungen an
   den Industriestandort Deutschland, Frankfurt / M.
6 R ietzler, Katja (2014): Anhaltender Verfall der Infrastruktur – die
   Lösung muss bei den Kommunen ansetzen, IMK Report Nr. 94,
   Düsseldorf.
7 F ES [Friedrich-Ebert-Stiftung] (2012): Abschätzung des Investitions-
   bedarfs für die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland; Studie von
   INTRAPLAN Consult GmbH für die Friedrich-Ebert-Stiftung.
20

         PKW-Produktion und Strukturwandel
         CO 2 Reduzierung und Elektromobilität

         Die europäische Automobilindustrie investiert                                          Sie hat damit ihre weltweite Innovationsführer-
         in hohem Maße in die Optimierung der Ver-                                              schaft bei konventionellen Antriebssträngen wei-
         brennungsmotoren, um die jeweils vorgegebe-                                            ter ausgebaut. Mit diesen Anstrengungen ist es ge-
         nen Durchschnittswerte des herstellerbezogenen                                         lungen, die CO2 Werte im Zeitraum 2000 bis 2013
         Flottenverbrauchs neu zugelassener Fahrzeuge zu                                        von 172,2 auf 127,0 Gramm CO2 pro Kilometer
         erreichen und dem steigenden Bedarf der Kun-                                           im Durchschnitt aller europäischen Hersteller zu
         den nach sparsamen Fahrzeugen in Zeiten hoher                                          reduzieren (minus 24,2 %).8
         Kraftstoffpreise und CO2 basierter Besteuerung
         gerecht zu werden.

Abb. 5   CO 2 Reduzierung bei Neuzulassungen PKW
         2000 bis 2013 in der EU

         180

                                                                                                    Gramm
                       172,2

                                169,7

                                                                                                    CO2 /km
                                        167,2

                                                 165,5

         160
                                                         163,4

                                                                  162,4

                                                                          161,3

                                                                                   158,7

                                                                                            153,6

                                                                                                     145,7

         140
                                                                                                             140,3

                                                                                                                      135,7

                                                                                                                              132,2

                                                                                                                                      127,0

         120

         100
                               2001             2003             2005             2007              2009             2011             2013

         Quelle: nach VDA (V. Diemer) 2014 (Angaben der Europäischen
                                                               Quelle:Energie
                                                                       nach VDAAgentur   [EEA]).
                                                                                (V. Diemer) 2014 (Angaben der Europäischen Energie Agentur [EEA])

                                                                                                8 Q
                                                                                                   uelle: VDA, V. Diemer (2014): CO 2 Regulierung PKW, Präsentation
                                                                                                  Frankfurt /Main (Folie 7).
21

                                                                                „Wir haben nur diese eine Erde, nicht
                                                                                mehrere, das muss jedem klar sein. Es gibt
                                                                                keinen Widerspruch zwischen CO2 Redu-
                                                                                zierung und sicheren Arbeitsplätzen. Das
                                                                                passt zusammen.

                                                                                Investitionen in neue Technologien und
                                                                                Antriebstechniken sind notwendig, um
                                                                                effizienter zu werden. Wer jetzt nicht in-
                                                                                vestiert, wird in Zukunft keine Rolle mehr
                                                                                spielen.

                                                 Uwe Hück                       Nicht Geiz ist angesagt, sondern Investi-
                            Gesamtbetriebsratsvorsitzender                      tionen. Porsche muss mit seiner hohen
                                Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
                                                                                Rendite Vorbild sein.“

Für das Jahr 2020 steht als Emissionsziel 95              Elektromobilität im Jahr 2009 als politisches Ziel
Gramm CO2/km im Flottendurchschnitt fest.                 formuliert. 2010 wurde die Nationale Plattform
Schon heute ist klar, dass dieses Ziel für großdi-        Elektromobilität (NPE) eingerichtet, die unter
mensionierte Verbrennungsmotoren nur mit er-              breiter Beteiligung gesellschaftlicher Akteure die
heblichen Investitionen in Effizienztechnologien          Bundesregierung bei ihrem Ziel unterstützt, bis
und durch eine Elektrifizierung der konventionel-         2020 eine Million E-Fahrzeuge9 auf deutschen
len Antriebe zu erreichen sein wird.                      Straßen zu haben. Verbunden damit soll Deutsch-
                                                          land zum Leitmarkt und Leitanbieter der Elektro-
Eine Elektrifizierung des verbrennungsmotori-
                                                          mobilität werden.
schen Antriebsstrangs wurde seitens der deut-
schen Bundesregierung mit dem Nationalen Plan

                                                          9 A ls E-Fahrzeuge werden rein elektrisch betriebene Fahrzeuge
                                                             (batterie-elektrische Fahrzeuge = BEV), Fahrzeuge mit Reichweiten-
                                                             verlängerer (range extender vehicles = REEX) sowie Plug-in-Hybride
                                                             (PHEV – Fahrzeuge mit verbrennungs- und elektrischem Antriebsteil,
                                                             deren Batterie an der Stromsteckdose aufgeladen werden können) ge-
                                                             zählt. Allen gemeinsam ist, dass sie zumindest 30 km rein elektrisch
                                                             fahren können (Stand der Diskussion).
22

Abb. 6   Markthochlauf E-Fahrzeuge nach Typen bis 2020 (kumuliert)
         Einheiten
         in Tausend

         1000                      Nutzfahrzeuge

                                   BEV= Battery Electric Vehicle

          800                      PHEV= Plug-in Hybrid Electric Vehicle

                            aufgrund der schleppenden Umsetzung
                            der Regierungsaufgaben wird seitens
          600               der NPE davon ausgegangen, dass
                            2020 nur 600 TEinh auf den Straßen
                            sein werden (Kagermann, Mai 2012)
                            entscheidend ist für den Markt-
          400               hochlauf das Flottengeschäft
                            (carsharing, Logistik-Dienstleister …)

          200

             0
                                  2012                        2014                       2016               2018                2020

         Quelle: NPE (2011): Zweiter Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität, Berlin.
                                                                                                                           Quelle: NPE 2012

         Zum Stand Mitte 2014 gehen die Prognosen und                                         Es gibt aber keine Zweifel daran, dass sich E-
         Szenarien, in welchem Umfang und zu welchem                                          Mobilität durchsetzen wird, da Klima- und
         Zeitpunkt sich der Markt für E-Fahrzeuge entwi-                                      Energieeinsparziele und die Ziele der CO2
         ckeln wird, weit auseinander. Zum ersten Januar                                      Reduktion nur durch E-Mobilität erreichbar
         2014 lag ihr Anteil am deutschen Fahrzeugbe-                                         sein werden. Der Verbrennungsmotor wird
         stand bei 0,2 %10.                                                                   bis 2030 weiterhin eine Säule des Antriebs-
                                                                                              strangs sein, aber zum überwiegenden Teil
         Angesichts ausbleibenden staatlichen Handelns
                                                                                              und in unterschiedlichen Formen elektrifi-
         geht die NPE für die Markthochlaufphase davon
                                                                                              ziert.
         aus, dass bis 2020 das quantitative Ziel der Bun-
         desregierung deutlich unterschritten und damit                                       Die IG Metall fordert, dass im Rahmen der
         der „Massenmarkt“ ab 2020 nicht erreicht wird.                                       Regulierung auch in Zukunft Anreize pro
                                                                                              Elektromobilität gesetzt werden. Wichtig ist
                                                                                              vor allem, dass elektrisches Fahren wie bis-
                                                                                              her mit einem CO2 Ausstoß von Null Gramm
                                                                                              in die Berechnung der Flottendurchschnitte
         10 Q
             uelle:    KBA                                                                   eingeht.
23

Strukturwandel

Während die Marktperspektiven für E-Fahrzeuge            und Qualifikation der Beschäftigten im Zentrum
von der Stückzahl und vom Zeitpunkt her noch             wissenschaftlicher Untersuchungen. Angesichts
unsicher sind, ist allen Akteuren in der Auto-           der vielfältigen und nicht mehr überschauba-
mobilindustrie klar, dass mit der E-Mobilität ein        ren Zusammenhänge blieb das Ergebnis bei den
tiefgreifender Strukturwandel einher geht, mit           quantitativen Auswirkungen bei einer groben
massiven Auswirkungen auf Arbeitsplätze, auf             Schätzung.
Wertschöpfungsstrukturen und -ketten sowie
                                                         Im Hinblick auf die qualitativen Auswirkungen
die Arbeitsteilung zwischen Automobilherstellern
                                                         wurde jedoch darauf hingewiesen, dass mit der
und Automobilzulieferern.
                                                         anhaltenden Innovationsdynamik, dem massiven
Mitte der 2000er Jahre standen die Auswirkungen          Einsatz von F&E, neuen Produkten und Kompo-
der Elektronisierung der Fahrzeuge, des Einsatzes        nenten die Beschäftigung nicht nur stabilisiert,
neuer Materialien (Leichtbau) und der Optimie-           sondern auch ausgebaut werden kann (Jürgens /
rung der Verbrennungsmotoren auf Arbeitsplätze           Meißner 2005).11

                                                                                „Die Beschäftigten in der Automobilindustrie
                                                                                setzen darauf, dass der technologische und
                                                                                gesellschaftliche Wandel in Richtung nach-
                                                                                haltiger Mobilität für sie neue Zukunftschan-
                                                                                cen eröffnet.

                                                                                Sie müssen darauf vertrauen können, dass
                                                                                der damit verbundene Strukturwandel für
                                         Michael Brecht,                        sie nicht zum Risiko wird. Es ist deshalb ent-
                            Gesamtbetriebsratsvorsitzender                      scheidend, dass ökologische, ökonomische
                                              Daimler AG
                                                                                und soziale Anliegen auf diesem Weg in eine
                                                                                gute Balance gebracht werden.“

                                                         11 J ürgens, Ulrich / Heinz-Rudolf Meißner (2005): Arbeiten am Auto der
                                                             Zukunft – Produktinnovationen und Perspektiven der Beschäftigten,
                                                             Berlin.
24

Die IG Metall geht grundsätzlich davon aus, dass                              im dritten Szenario (Mobilitätskonzepte) wird
die Elektromobilität das Potenzial hat, industri-                             eine Steigerung auf 105 Millionen Einheiten pro-
elle Arbeitsplätze zu generieren. Voraussetzung                               gnostiziert. Insgesamt kommt der Bericht zu dem
hierfür ist, dass konventionelle Antriebe auch                                Ergebnis, dass die deutschen Automobilherstel-
mittelfristig (Plug-in Hybrid) eine wesentliche                               ler zukünftig auch weiter Premiumfahrzeuge13 in
Rolle für die individuelle Mobilität spielen und                              Deutschland herstellen werden.
die Absatzziele für Elektroautos im Jahr 2020 er-
                                                                              Unter Wertschöpfungsgesichtspunkten wird da-
reicht werden. Voraussetzung ist auch, dass die
                                                                              rauf hingewiesen, dass auf den konventionellen
Produktion und damit die Wertschöpfung der
                                                                              Antriebsstrang etwa ein Viertel der Wertschöp-
neuen Technologien und Dienstleistungen in Eu-
                                                                              fung entfällt. Hier besitzt die deutsche Automo-
ropa angesiedelt werden.
                                                                              bilindustrie einen deutlichen Technologievor-
Für den Bundestagsausschuss Technikfolgenab-                                  sprung. Bei alternativen Antrieben wird der Anteil
schätzung wurde die Zukunft der Automobilin-                                  des Verbrennungsmotors an der Wertschöpfung
dustrie vor dem Hintergrund des Wandels der                                   verringert (Hybridfahrzeuge) oder entfällt sogar
globalen Automobilmärkte und der Einführung                                   vollständig (BEV). Ein Teil der entfallenden Wert-
neuer Mobilitätskonzepte in systemischer Pers-                                schöpfung kann durch die Entwicklung und Pro-
pektive untersucht.12 Die Studie geht für zwei Sze-                           duktion der Komponenten alternativer Antriebe
narien von weltweit wachsenden Absatzzahlen                                   kompensiert werden.
von heute 70 auf 125 Millionen im Jahr 2030 aus,

12 D
    eutscher Bundestag (2013): Bericht des Ausschusses für Bildung,
   Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß
   § 56a der Geschäftsordnung – Technikfolgenabschätzung (TA)  –              13 D eutsche Automobilhersteller dominieren den Markt für Premium-
   Zukunft der Automobilindustrie, Drucksache 17/13672 sowie                      fahrzeuge zu etwa 80 %. Das Premiumsegment zeichnet sich durch
   Konzepte der Elektromobilität und deren Bedeutung für Wirtschaft,              technologische und exklusive Ausstattung aus und ist nicht nur auf
   Gesellschaft und Umwelt, Drucksache 17/13625, Berlin                           die Oberklasse begrenzt. Auch Kleinwagen wie beispielsweise BMW
   siehe auch Schade, Wolfgang / Christoph Zanker (2012): Zukunft der             Mini und Audi A1 gehören zum Premiumsegment. Hier lassen sich aus
   Automobilindustrie – Innovationsreport, Büro für Technikfolgen-Ab-             Herstellersicht die größten Gewinnmargen erzielen. Dieses Markt-
   schätzung beim deutschen Bundestag, Arbeitsbericht Nr. 152, Berlin.            segment wird stabiler wachsen als andere Marktsegmente.
25

Die Bandbreiten der Auswirkungen auf Arbeits-
plätze verdeutlichen die großen Unsicherheiten
derartiger Prognosen, denen ein Bündel von An-
nahmen und Einflussfaktoren zugrunde liegen:

Spannbreite von Beschäftigungseffekten                                                                                          Abb. 7
in drei Szenarien in Arbeitsplätzen

                           300.000

                                                           140.000
           120.000

                 konservativ                     Technologiebruch               Mobilitätskonzepte

                                              – 70.000                         –56.000

                von

                bis

                                                                                                 – 400.000

Quelle: eigene Darstellung auf Basis von BT TAB 2013.
                                                                         Quelle: eigene Darstellung auf Basis von BT TAB 2013
26

                                                       „Klimaziele können nur mit sicheren Arbeits-
                                                       plätzen in Europa erreicht werden: denn nur
                                                       durch die Kaufkraft von Beschäftigten kön-
                                                       nen sich Innovationen den Weg zum Kunden
                                                       bahnen.

                                                       Eine künftige Klimapolitik kann nur dann die
                                                       Arbeitsplätze sichern, wenn vor der Festle-
                           Manfred Schoch              gung von Zielen eine umfassende Analyse des
              Gesamtbetriebsratsvorsitzender           Verkehrssektors stattgefunden hat.
                                  BMW AG
                                                       Eine Verschärfung von Grenzwerten zum
                                                       jetzigen Zeitpunkt, ohne alle Instrumente zur
                                                       CO2 Reduktion im Verkehr auf ihre Wirk-
                                                       samkeit überprüft und in einem integrierten
                                                       Gesamtpaket zusammengefasst zu haben,
                                                       kann eine massive Gefährdung von Arbeits-
                                                       plätzen zur Folge haben.“

Die IG Metall sieht in der Elektromobilität ei-        Die IG Metall hat dabei sowohl die Zahl, als auch
nen Weg, die Emissionen im Verkehrsbereich             die Qualität der Arbeitsplätze in ihrem Fokus. Sie
deutlich zu reduzieren. Sie sieht allerdings           wird darauf achten, dass es weiterhin gute Ar-
auch den durch Elektromobilität ausgelösten            beits- und Entlohnungsbedingungen in den Un-
Strukturwandel in der Industrie und wird               ternehmen der europäischen Automobilindustrie
ihn mit gestalten, um Verwerfungen auf dem             geben wird.
Arbeitsmarkt in diesem Industriezweig vor-
                                                       Innovationsträger war und ist überwiegend das
zubeugen. Den Gestaltungsauftrag sieht die
                                                       Segment der Premiumfahrzeuge, für das die eu-
IG Metall ebenso für die Politik.
                                                       ropäischen Hersteller mit weltweit 80 bis 85 %
                                                       Anteil des Marktsegmentes stehen. Der Großteil
                                                       der Fahrzeuge wird in europäischen Werken pro-
                                                       duziert und sichert dort Beschäftigung. Innovati-
                                                       onen diffundieren im Zeitablauf vom Premium-
                                                       segment in das Volumensegment und erreichen
                                                       damit nach einigen Jahren den Charakter von
                                                       Standard- und Serienausstattungen (Bsp.: ABS,
                                                       ESP, elektrische Lenkung, Navigationssysteme).
27

Die Automobilindustrie ist die tragende Säule der                                       Die IG Metall hat die Erwartung an die Poli-
europäischen und deutschen Industrie bei der                                            tik, im Rahmen der Grenzwertfindung darauf
Forschung und Entwicklung. Knapp ein Drittel                                            zu achten, dass
aller F&E-Beschäftigten arbeitet hier und 25 %
                                                                                        > die Innovationsdynamik und Innovations-
der industriellen F&E-Aufwendungen entfallen
                                                                                           fähigkeit der Automobilindustrie erhalten
auf diese Branche. Berücksichtigt man darüber
                                                                                           und ausgebaut werden kann,
hinaus, dass diese F&E-Aktivitäten noch über
die Branche hinaus ausstrahlen auf z. B. den Ma-                                        > d
                                                                                           as hohe Niveau der Beschäftigung erhalten
schinenbau oder die Elektronikindustrie, wird                                             bleibt und
die zentrale Rolle der Automobilindustrie für das
                                                                                        > e s den Unternehmen überlassen bleibt, wel-
Innovationssystem deutlich.
                                                                                           che Effizienztechnologien, welche Leicht-
                                                                                           baukonzepte und welche Emissionsredu-
                                                                                           zierungstechnologien sie zur Erreichung
                                                                                           der vorgegebenen Ziele entwickeln und
                                                                                           einsetzen.

F&E-Beschäftigtenentwicklung in der deutschen Automobilindustrie                                                                                      Abb. 8
(1997 bis 2012) in Vollzeitäquivalenten (1997=100)

200
                        Verarbeitendes Gewerbe
                        Automobilindustrie / WZ29
                                                                                                                                  156,6
                                                                                147,7                    152,1
                                                         145,6
150
                                   123,3

              100,0
100
                                                                                                        102,5                    106,3
                                    97,3                                        97,6
                                                          94,1

 50
              1997                  2000                  2005                  2010                      2011                     2012

Quelle: Stifterverband, FuE-Info, verschiedene Jahrgänge, zuletzt Febr. 2014.

                                                                       Quelle: Stifterverband, FuE-Info, verschiedene Jahrgänge, zuletzt Febr. 2014
28

         Fahrzeugentwicklung und technologische Grenzen
         der Reduktion von CO 2 Emissionen

         Die oben beschriebene Innovationsdynamik ist                        schung investiert. Forschungsergebnisse werden
         schon seit längerer Zeit darauf gerichtet, die von                  in ausgewählten Fällen in die Vorentwicklung
         der EU vorgegebenen CO2 Ziele durch Optimie-                        übernommen, der Rest der Ergebnisse wird „ins
         rung der Verbrennungsmotoren, Leichtbau und                         Regal gestellt“. Die Vorentwicklung liefert Proto-
         zunehmend durch die Elektrifizierung des An-                        typen, die im Rahmen der Serienentwicklung auf
         triebsstrangs zu erreichen.                                         die zukünftige Massenproduktion einschließlich
                                                                             der Werkzeuge, Prozesse bis hin zu Qualitätssi-
         Die deutsche Wirtschaft hat in den letzten Jah-
                                                                             cherungssystemen und Testverfahren ausgerichtet
         ren 17 Milliarden Euro in die E-Mobilität inves-
                                                                             werden. Diese Entwicklungsprozesse sichern vor
         tiert  – der größte Teil kam von der Automobilin-
                                                                             allem die Beschäftigung von hochqualifizierten
         dustrie. Die Aufwendungen für F&E werden von
                                                                             Ingenieuren der verschiedenen Fachrichtungen.
         Herstellern wie Zulieferern zunächst in die For-

Abb. 9   F&E und Modellzyklen –
         der Weg der Innovationen in neue Fahrzeuge

                       Modellzyklus (MZ) 1                               MZ 2
                                                                                                        MZ 3
                           Modell A                               Modell A Nachfolger

                                                                 Serienentwicklung

                                       Vorentwicklung

                 Forschung

                                                        SCHEMATISCHE DARSTELLUNG

            2010                              2015                           2020                            2025

                                                                                            Quelle: eigene Darstellung

         Quelle: eigene Darstellung.
29

                                                          „Mit unserer hochqualifizierten Mannschaft
                                                          und gelebtem ‚Vorsprung durch Technik‘
                                                          unterstützen wir die ambitionierten Emissi-
                                                          onsziele der EU.

                                                          Die Festlegung von CO2 Grenzwerten über
                                                          das Jahr 2020 hinaus sollte jedoch nicht vor
                                                          dem Jahr 2017 erfolgen.
                               Peter Mosch
              Gesamtbetriebsratsvorsitzender              Um Risiken auszuschließen sollte die Einfüh-
                                  AUDI AG
                                                          rung des weltweit harmonisierten Fahrzyklus
                                                          sowie die Marktentwicklung bei Elektrofahr-
                                                          zeugen abgewartet werden.“

Bisherige Einschätzungen seitens der Automobil-           betrieben wird. Die Ergebnisse des Fahrzyklus
industrie gehen davon aus, dass das 95 Gramm              sind Teil der Herstellerangaben für Zulassung
CO2 Ziel im Jahr 2020 (entspricht einem Kraft-            und Vertrieb. Der zurzeit verwendete Fahrzyklus
stoffverbrauch von 3,8 Litern Benzin pro 100 km)          „New European Driving Cycle“ (NEDC) wird vo-
mit den eingeleiteten Maßnahmen erreichbar sein           raussichtlich 2017 durch den weltweit vereinheit-
wird. Weitergehende Reduzierungen (nach 2020)             lichten Fahrzyklus „Worldwide harmonized Light
werden verhalten diskutiert. Entscheidend seien           vehicles Test Cycle“ (WLTC) abgelöst werden.14
Investitionssicherheit, klare Fahrpläne und keine         Eine Regelung der CO2 Ziele nach 2020 muss
einfache lineare Fortschreibung des bestehenden           dem neuen Fahrzyklus genügen. Aktuell ist un-
jährlichen Minderungsfaktors.                             klar, wie sich der bis jetzt verwendete Zyklus und
                                                          der neue zueinander verhalten. Dies erschwert die
Die Unternehmen der Automobilindustrie for-
                                                          Festschreibung eines konkreten CO2 Zieles zum
dern Planungssicherheit für ihre Investitionen
                                                          aktuellen Zeitpunkt erheblich.
in Effizienztechnologien, elektrifizierte Antriebe
wie auch in F&E. Die IG Metall unterstützt diese          Die Automobilhersteller halten sich zurück, wenn
Forderung, da in der hochkomplexen Automo-                es darum geht, die physikalischen Grenzen der
bilproduktion Innovationen nicht von heute auf            weiteren Effizienzsteigerungen und der CO2 Re-
morgen entwickelt und umgesetzt werden kön-               duktion zu quantifizieren. Hersteller von Effizi-
nen, sondern zumeist einen Zeitraum von zehn              enztechnologien kommunizieren demgegenüber-
bis fünfzehn Jahren benötigen.                            die Möglichkeiten auf internationalen Symposien
                                                          und Tagungen. Die Entwicklungspfade vorhande-
Eine zusätzliche Unsicherheit besteht aus Sicht
                                                          ner Lösungen wurden z. B. auf dem Wiener Mo-
der Automobilhersteller in der Veränderung des
                                                          torensymposium im Jahr 2013 vorgestellt:15
zugrunde liegenden Fahrzyklus, den die EU-Ge-
setzgebung zur Emissionsbestimmung heranzie-
hen wird. Der Fahrzyklus legt fest, unter welchen         14 D
                                                              ie Einführung für den WLTC / WLTP wird zwischen 2017 und 2025
                                                             erwartet.
Bedingungen ein Fahrzeug bei der Ermittlung
                                                          15 D
                                                              enner, Volkmar (2013): Zukunft gestalten – Innovationen für effizi-
von Energieverbrauch bzw. Kraftstoffverbrauch                ente Mobilität, 34. Internationales Wiener Motorensymposium 2013.
30

Abb. 10   CO 2 Reduktionspotenzial von Diesel- und Benzinmotoren
          der Kompaktklasse

                                                                        Diesel
                                                                                                                                                                                               D6
                                                      CO2 REDUCTION

                                                                                                                                                                                              12–15 %
                                                                                                                                                      3%                      3%

                                                                                                                                                                             Down-
                                                                                                                                  1–2 %               PFP                    sized
                                                                                                                                                                             cyl.-#
                                                                                                    1–2 %                          T/C
                                                                                          4–5 %                   D5
          Best-in-class diesel, 2012

                                                                                                                                                                              Option 2
                                                                                                                                                      Option 1
                                                                                                                                  frict.
                                                                                                                 8-12 %
                                                                                                     De-
                                                                                                   throttl.

                                                                                 2–3 %     FR
                                     4 cyl. 1.6l T/C, NSC EU6

                                                                       1–2 %
                                                                                 LP-EGR
                                                                       CRP
                                                                        HF
                                                                      adapt.

               D4                                                                                                D5                                                                           D6
                                                                               CURRENT POTENTIAL                                   FUTURE POTENTIAL
               103                                                                                               93
31

> in der Sub- und Kompaktklasse werden inner-           Durch neue Motorentechnologie wird perspekti-
  motorische Optimierungen bei Otto- und Die-            visch eine weitere Reduzierung des CO2 Ausstos-
  selmotoren in den Zielbereich führen – für eine        ses erreicht werden können, wenn beispielsweise
  weitere Reduzierung steht die Einstiegshybridi-        variable Ventilsteuerung, Direkteinspritzung,
  sierung16 bereits zur Verfügung;                       Turboladung und Erhöhung der Kompression
                                                         eingesetzt werden. Klar ist heute aber auch, dass
> d
   emgegenüber werden große Fahrzeuge das Ziel
                                                         dem Verbrennungsmotor physikalische Grenzen
  nicht durch alleinige Optimierungsmaßnahmen
                                                         für die Reduzierung des CO2 Ausstoßes gesetzt
  des Verbrennungsmotors erreichen können. Ne-
                                                         sind. Deshalb kann der jetzt bestehende jährliche
  ben Gewichtsreduzierung/Leichtbau, Aerody-
                                                         Minderungsfaktor nicht einfach linear fortge-
  namik und Reduzierung von Fahrwiderständen
                                                         schrieben werden.
  wird eine stärkere Elektrifizierung zwingend
  erforderlich werden (z. B. Plug-in-Hybrid), was        Neben den innermotorischen Lösungen kommen
  jedoch zu höheren Kosten führen wird.                  weitere Innovationen hinzu, die den CO2 Ausstoß
                                                         verringern – die sogenannten Öko-Innovationen.

Öko-Innovationen                                                                                             Abb. 11

   > Aerodynamik
   > Leichtbau
                                            > Fahrzeugvernetzung zur
   > Segelfunktionen
                                              Vermeidung von Staus
     (maximales Rollen)                     > Fahrerassistenzsysteme
                                            > Verbrauchsgünstige
                                              Routenführung
                                            > LED-Lichtsysteme
   > Wärmemanagement
   > Wärmepumpen
   > Vorkonditionierung
     von Antrieb und Innenraum

Quelle: eigene Zusammenstellung.

                                                                  Quelle: eigene Zusammenstellung

16 wie z. B. Boost Recuperation System.
32

          Alle diese Maßnahmen, ob beim Motor oder in                                                         Erkennbar ist auch, dass mit zunehmender Re-
          anderen Bereichen, sind nicht umsonst zu haben  –                                                   duktion des CO2 Ausstoßes die Herstellkosten
          und die Bereitschaft der Kunden bzw. Autokäu-                                                       überproportional steigen werden. Effizienztech-
          fer ist begrenzt, Geld für zusätzliche Funktionen                                                   nologien, Hybridvarianten oder rein elektrische
          auszugeben, die weder den Komfort noch die Si-                                                      Antriebe müssen eingesetzt werden, um die nied-
          cherheit des Fahrzeuges erhöhen. Allein die Ver-                                                    rigeren Grenzwerte überhaupt erreichen zu kön-
          brauchsreduzierung hat kaum Auswirkungen auf                                                        nen.
          die Zahlungsbereitschaft.17

Abb. 12   Zusätzliche Kosten der Herstellung

          Tougher emissions regulations will encourage OEMs to invest in e-mobility

          Additional manufacturing costs 1
          EUR

          2,000                                                                                     Electrification required
                                                                                                    to meet average fleet
                                                                                                    CO 2 target

          1,000

               0
                   CO 2 reduction 2          10 %                          20 %                          30 %                  40 %                   50 %

                   Corresponding fleet targets                                                                  95 (3.9)              80 (3.3)        70 (2.9)
                   g/km CO 2 (l/km)

                   1 Anticipated for 2020, average for gasoline and diesel internal combustion engines
                   2 Relative to 2010 baseline                                                                                            Quelle: ICCT; McKinsey

          Quelle: McKinsey 2013:12 – McKinsey (2013): The road to 2020 and beyond: What’s driving the global automotive industry.

          17 P orsche geht z. B. davon aus, dass die Mehrkosten zur CO 2 Reduktion
              pro Fahrzeug in Höhe von 2.000 Euro vom Kunden nicht bezahlt wer-
              den, sondern über Produktivitätssteigerungen von jährlich 6 % selbst
              getragen werden müssen (Handelsblatt, 07.08.2014:14 f.).
33

„Die klassischen Verbrennungsmotoren bie-
ten durchaus noch Potential zur CO2 Redu-
zierung, die auf jeden Fall genutzt werden
sollten.

Durch sinnvolle, aber anspruchsvolle Grenz-
wert-Ziele, in zeitlicher und physikalischer
Hinsicht, werden die entsprechenden Inno-
vationen und Investitionen auf den Weg                    Alfred Löckle
gebracht. Damit haben die Unternehmen                     Gesamtbetriebsratsvorsitzender
                                                          Robert Bosch GmbH
Planungssicherheit und über die Innovations-
führerschaft können Arbeitsplätze gesichert
werden.“

Welche Lösungen, Innovationen oder auch nur               Einer einseitigen Veränderungen des Regu-
Inventionen in den nächsten Jahren noch zu er-            lierungssystems steht die IG Metall kritisch
warten sind, kann aus heutiger Sicht nicht ein-           gegenüber, da die Gefahr besteht, dass schon
geschätzt werden. Erwartet werden kann jedoch,            heute getätigte Investitionen in Effizienztech-
dass angesichts der hohen Aufwendungen für                nologien abgewertet werden und die Innovati-
F&E in der Automobilindustrie sowohl bei den              onsdynamik abnimmt. Für die Regelung nach
Fahrzeugherstellern als auch bei den Automobil-           2020 muss berücksichtigt werden, dass dem
zulieferern in dieser halben Dekade eine Vielzahl         Verbrennungsmotor physikalische Grenzen
an Inventionen entwickelt wird.                           für die Reduzierung des CO2 Ausstoßes ge-
                                                          setzt sind. Bei der Festlegung von Emissions-
Heute wird schon an Konzepten des „autonomen
                                                          grenzwerten post 2020 kann deshalb der jetzt
Fahrens“ gearbeitet. Die Industrie ist dabei, die
                                                          bestehende jährliche Minderungsfaktor nicht
Vernetzung des Fahrzeugs in Richtung Kommu-
                                                          einfach linear fortgeschrieben werden.
nikation der Fahrzeuge untereinander und mit
der Verkehrsinfrastruktur vorzubereiten und sie           Ein zu hoher Anspannungsgrad bei den
hat die o.g. Effizienztechnologien bereits im An-         Emissionsstandards kann zu erheblichen
gebot. Hinzu kommt der Einsatz von ultraleichten          Mehrkosten pro Fahrzeug führen. Hierdurch
Stählen, von Karbon und Aluminium, um Fahr-               ist Beschäftigung potentiell gefährdet.
zeuggewicht einzusparen.
                                                          Die IG Metall hält eine Folgenabschätzung im
Alle hier nur ausschnitt- und beispielhaft genann-        Vorfeld der Neufestlegung des Grenzwertes
ten Neuerungen sind vor allem getrieben von der           für dringend geboten.
CO2 Regulierung. Obwohl in der Vergangenheit
diese Grenzwertdiskussion vehement geführt
wurde, haben sie Anstrengungen ausgelöst, Lö-
sungen zu suchen und zu finden.
Sie können auch lesen