Anforderungen der IG Metall - an eine europäische Regulierung der CO2 Grenzwerte im PKW-Bereich für die Zeit nach 2020
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Anforderungen der IG Metall an eine europäische Regulierung der CO2 Grenzwerte im PKW-Bereich für die Zeit nach 2020
„Die anstehende Neufestlegung der CO2 Grenzwerte für PKW in Europa muss sichere Arbeitsplätze, effizienten Klimaschutz und ökonomische Interessen berücksichtigen. Die IG Metall sieht hier keinen Widerspruch – im Gegenteil. 25 % der europäischen Forschungs- und Entwicklungs- aufwendungen entfallen auf die Automobilindustrie. Damit ist Europas Autoindustrie weltweit die Nr. 1. Diese Innova- tionsfähigkeit und -dynamik ist der Beschäftigungsmotor der Branche und Garant für nachhaltige Technologien. Sie gilt es zu erhalten und auszubauen. Das ist der Anspruch, den die IG Metall und ihre 2,3 Millionen Mitglieder an eine Neuregulierung der CO2 Grenzwerte in Europa haben.“ Detlef Wetzel 1. Vorsitzender der IG Metall
Inhalt Zentrale Positionen und Forderungen 6 Vorbemerkung 8 Beschäftigung und Innovationsdynamik in der europäischen Automobilindustrie 9 Energie und Klima 11 Klima- und CO 2 Reduktionsziele der EU-Kommission 12 Europäische CO 2 Regulierung beim PKW 15 E-Mobilität als Beitrag zur Versorgungssicherheit mit Energie 16 Verkehr und Mobilität 17 Straßenverkehr und Auswirkungen auf die Klimaziele 19 PKW-Produktion und Strukturwandel 20 CO 2 Reduzierung und Elektromobilität 20 Strukturwandel 23 Fahrzeugentwicklung und technologische Grenzen der Reduktion von CO 2 Emissionen 28 Nachhaltigkeit und Recycling 34 Schlussbemerkung 36 Anhang 37
6 Zentrale Positionen und Forderungen Die IG Metall unterstützt eine ambitio- Für das Jahr 2020 steht in Europa mit 95 Gramm nierte Klimapolitik der EU. Alle Sektoren tragen das weltweit strengste Emissionsziel schon fest. Verantwortung für die Erreichung der Klimaziele: Für die Regelung nach 2020 muss berücksichtigt Die Energie- und Mineralölwirtschaft ebenso wie werden, dass dem Verbrennungsmotor physi- Industrie, Dienstleistungen, Verkehr, Haushalte kalische Grenzen für die Reduzierung des CO2 und Landwirtschaft. Ausstoßes gesetzt sind. Bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten post 2020 kann deshalb Der Automobilsektor ist mit 2,2 Millionen der jetzt bestehende jährliche Minderungsfaktor direkten und 10,7 Millionen indirekten Arbeits- nicht einfach linear fortgeschrieben werden. plätzen einer der Kernbereiche der europäischen Industrie. Beschäftigungsmotor der Branche ist Hohe Einsparpotentiale für CO2 liegen in ihre hohe Innovationsdynamik. Die Innovations- einer funktionierenden Verkehrssteuerung, in fähigkeit zu erhalten und auszubauen muss auch wirksamen Anreizsystemen für die Verbraucher, ein Ziel der europäischen Klimapolitik sein. bei CO2 armen Kraftstoffen und einer nachhaltig ausgerichteten Rohstoffpolitik/Recycling. Die IG Innovationen sichern Beschäftigung. Die- Metall fordert die EU-Politik auf, diese Instru- sem Zusammenhang hat auch eine Neuregulie- mente zur CO2 Reduktion auf ihre Wirksamkeit rung der CO2 Grenzwerte im PKW-Bereich in zu überprüfen und im Rahmen eines integrierten Europa Rechnung zu tragen. Das ist der Anspruch Gesamtpakets zu berücksichtigen. der IG Metall und ihrer 2,3 Millionen Mitglieder an die europäische und deutsche Politik. Die IG Metall plädiert dafür, im Rahmen der Neufestlegung ambitionierte Zielgrößen zu Innovationspotentiale können durch unter- definieren. Ambitionierte Zielgrößen sollen dazu schiedliche Technologien realisiert werden. Die beitragen, die Innovationsdynamik zu erhalten, IG Metall hält es für den richtigen Weg, es den zusätzliche Investitionen in Forschung und Ent- Unternehmen zu überlassen, welche Antriebs- wicklung auszulösen und damit positive beschäf- und Effizienztechnologien sie zur Erreichung der tigungspolitische Wirkungen zu generieren. Einer Klima- und Emissionsziele einsetzen. einseitigen Veränderung des Regulierungssystems Die IG Metall spricht sich grundsätzlich steht die IG Metall kritisch gegenüber, da die Ge- für die Regulierung des Emissionsgrenzwerts bei fahr besteht, dass schon heute getätigte Investiti- PKW aus. Durch Innovationen beim konventio- onen in Effizienztechnologien abgewertet werden nellen Antriebsstrang sanken die CO2 Werte im und die Innovationsdynamik abnimmt. europäischen Durchschnitt von 172 Gramm pro Kilometer im Jahr 2000 auf aktuell 127 Gramm.
7 Ein zu hoher Anspannungsgrad bei den Die IG Metall sieht allerdings auch den Emissionsstandards führt zu erheblichen Mehr- durch Elektromobilität ausgelösten Strukturwan- kosten pro Fahrzeug und gefährdet dadurch del und wird ihn mit gestalten, um Verwerfungen Beschäftigung. Die IG Metall hält eine Folgen- auf dem Arbeitsmarkt in diesem Industriezweig abschätzung im Vorfeld der Neufestlegung des vorzubeugen. Diesen Gestaltungsauftrag sieht sie Grenzwertes für dringend geboten. ebenso für die Politik. Die Wertschöpfung im Zu- sammenhang mit der Elektromobilität muss auch Für den Regulierungszeitraum nach 2020 in Europa aufgebaut werden. werden die Elektrofahrzeuge bei der Berechnung der Grenzwerte eine wesentliche Rolle spielen. Die IG Metall erwartet, dass im Unterschied Ohne Kenntnis des Markthochlaufs der E-Fahr- zur bisherigen Regulierungspraxis die Neufestle- zeuge heute schon eine Grenzwertgröße festzule- gung der Grenzwerte für die Zeit nach 2020 dis- gen, birgt hohe Risiken. Hinzu kommt, dass der kursiv erfolgt. Gewerkschaften und Arbeitgeber neue zugrundeliegende Fahrzyklus wahrschein- müssen in diese Debatte auf europäischer Ebene lich im Jahr 2017 eingeführt wird. Die IG Metall einbezogen werden. Bei einer Neufestlegung der fordert die EU-Kommission deshalb auf, eine Grenzwerte sind die quantitativen und qualitati- Festlegung der Grenzwerte frühestens ab dem ven Auswirkungen auf die Industrie und die Ar- Jahr 2017 vorzunehmen. beitsplätze einzubeziehen. Dies hat in den vorhe- rigen Verfahren nicht stattgefunden. Die IG Metall sieht in der Elektromobilität einen Weg, die Emissionen im Verkehrsbereich deutlich zu reduzieren. Elektromobilität ist aber nur dann eine CO2 sparende Alternative, wenn die Autos mit grünem Strom betrieben werden. Dabei muss die Technologieentwicklung in unterschied- lichen Branchen ineinander greifen. Nur mit ei- nem konsequenten Ausbau erneuerbarer Energie ist es möglich, die Klimaziele zu erreichen. Die IG Metall fordert wirksame Anreize zu Gunsten der Elektromobilität im Rahmen der Regulierung. Elektrisches Fahren muss wie bisher mit einem CO2 Ausstoß von Null Gramm in die Berechnung der Flottendurchschnitte eingehen. Die Emissionen aus der stationären Stromerzeu- gung sind nicht von der Automobilindustrie zu verantworten und bereits im Emissionshandel reguliert.
8 Vorbemerkung Die EU-Kommission reguliert seit 1999 die CO2 pro Kilometer im Flottendurchschnitt vor- Grenzwerte der CO2 Emissionen für PKW. Erst im schreibt. Das europäische CO2 Ziel ist damit das letzten Jahr wurde die Regelung festgeschrieben, weltweit ambitionierteste. die ab dem Jahr 2020 in Kraft tritt und 95 Gramm Abb. 1 Flottenziele im internationalen Vergleich Flottenziel für das Jahr 2020 in Gramm CO 2 /km Europa USA Japan China 95 121 105 117 Quelle: VDA (Wissmann) 2013. Quelle: VDA (Wissmann) 2013 Nun steht auf der Agenda der Kommission, schon im Jahr 2015 die Neufestlegung dieser Ziele für die Zeit nach 2020 vorzunehmen. Diese Neufest- legung wird erhebliche Auswirkungen auf die Au- tomobilindustrie und ihre Beschäftigten haben. sozial Dieses Positionspapier ist das Ergebnis einer in- Fahrzeug tensiven Diskussion innerhalb der IG Metall un- ökologisch ter Beteiligung von Betriebsräten aus der Auto- mobil- und Automobilzulieferindustrie. Es stellt Energie die Sichtweise sowie die Anforderungen der IG Verkehr Metall zur Regulierung der zu beschließenden CO2 Grenzwerte für die Zeit nach 2020 im euro- ökonomisch päischen PKW-Bereich bei den Neuzulassungen dar. Die anstehende Neufestlegung wird in ei- ner systemischen Perspektive betrachtet, indem sowohl die ökonomischen, die ökologischen wie auch sozialen Folgen thematisiert werden.
9 Beschäftigung und Innovations- dynamik in der europäischen Automobilindustrie Für die IG Metall steht die Sicherung der Beschäf- Aufwendungen in Forschung und Entwicklung tigung im europäischen Automobilsektor im Zen- (F&E) mit mehr als 32 Milliarden Euro im Jahr trum der Betrachtung. Der Automobilsektor ist 2012, 9.500 Patente, die Zentralen der unterneh- mit 2,2 Millionen direkten und 10,7 Millionen mensbezogenen F&E-Aktivitäten sowie die hohe indirekten Arbeitsplätzen einer der Kernbereiche Zahl der Beschäftigten in der Forschung und Ent- der europäischen Industrie (ACEA 2013).1 wicklung kennzeichnen diesen Industriezweig.2 Aufgrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung Die europäische Automobilindustrie zählt zu den hat die Automobilindustrie in Europa den Cha- innovativsten und wettbewerbsstärksten Vertre- rakter einer systemrelevanten Branche. tern dieser weltweiten Branche. Anhaltend hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklung nach Sektoren Abb. 2 F+E Aufwendungen nach Sektoren 2011 in Prozent 25 EU USA 20 Japan 15 10 5 0 a y il e k ie u e ac ar m og ni ba ob em ar t ro ftw sp ol en m Ch Ph hn to ro ek in So Au Ae ch c El Te as M Quelle: ACEA Pocket Guide 2013, Seite 24 Quelle: ACEA Pocket Guide 2013, Seite 24. 1 ACEA (2013): Pocket Guide 2013 (Stand der Angaben 2012), Seite 29. 2 ACEA (2014): Factsheet Research and Innovation, Seite 1.
10 Insbesondere beim traditionellen, verbrennungs- motorischen Antriebsstrang besteht ein Innova- tions- und Wettbewerbsvorsprung von zwei bis drei Jahren. Die europäische Automobilindustrie Bernd Osterloh hat zudem eine Sonderstellung im Premiumseg- Gesamtbetriebsrats- ment, aus dem eine Vielzahl von innovativen vorsitzender Volkswagen AG Lösungen für die Gesamtbranche kommt. Dies betrifft neben Sicherheits-, Komfort- und Leicht- bauaspekten die leistungsfähigen und gleichzeitig „Bei der Einführung der Elektromobilität und verbrauchsarmen Verbrennungsmotoren. den begleitenden Gesetzgebungen zur CO2 Flottenwertreduzierung ist besondere Sorgfalt Die Emissionsziele der EU-Kommission richten geboten, da sich ein tiefgreifender Struktur- sich vor allem auf die Reduzierung des Kraftstoff- wandel mit massiven Auswirkungen auf die verbrauchs von Verbrennungsmotoren. Von daher ist es entscheidend für die Automobilindustrie, Arbeitsplätze, auf Wertschöpfungsstrukturen dass die Grenzwertfestlegung so gewählt wird, und -ketten sowie auf die Arbeitsteilung zwi- dass die europäische Automobilindustrie weiter- schen Automobilherstellern und Autozuliefe- hin Innovationen entwickelt und umsetzt, ihren rern einstellen kann. Wettbewerbsvorsprung zumindest halten und die Die IG Metall will diesen Strukturwandel Arbeitsplätze in diesem industriellen Kernbereich mitgestalten und sieht sich in der Verantwor- sichern kann. Dazu bedarf es einer umsichtigen tung, die Beschäftigung in Deutschland und Festlegung der zukünftigen Grenzwerte der CO2 Europa zu sichern und den sich andeutenden Reduktion. Strukturwandel zu begleiten. Dazu gehört nach Auffassung der IG Metall eine Folgen- Die hochkomplexen Strukturen und Zusam- abschätzung, die den Erhalt der Arbeitsplätze menhänge der Automobilentwicklung und beinhalten muss.“ -produktion sind bei der Grenzwertfestle- gung in angemessenem Umfang zu berück- sichtigen. Eine Festlegung „am grünen Tisch“ läuft Gefahr, den zu erreichenden Grenzwert zu schnell und unrealistisch festzuschreiben. Daher fordert die IG Metall im Vorfeld der Grenzwertfestlegung eine Folgenabschät- zung. Es ist unabdingbar, eine Balance zwi- schen Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit für Verbraucher und Unternehmen zu erreichen, um negative Beschäftigungseffekte auszu- schließen.
11 Energie und Klima Eine Energiegewinnung aus Atomkraft und aus zulegen und zurückzubauen. Die Förderung von fossilen Brennstoffen hat zur Folge, dass für die grünem oder Ökostrom steht als Ersatz für Atom Produktion von Strom und Wärme entweder eine und langfristig auch Kohle. Der Anteil von Erneu- Hochrisikotechnologie oder endlich vorhandene erbaren Energien an der Stromerzeugung beträgt und CO2 intensive Rohstoffe eingesetzt werden. heute bereits über 28 % und soll auf 40 bis 45 % bis 2025 und auf 55 bis 60 % bis 2035 ansteigen. Angesichts des Klimawandels steht die zunehmen- de Energiegewinnung aus Erneuerbaren Energien Die von der Bundesregierung beschlossene Ener- im Fokus der Debatte. Sie ist ein wichtiges Teilziel giewende ist bislang allerdings nur in Teilen er- der deutschen und europäischen Energiepolitik. folgreich umgesetzt. Das terminierte Auslaufen Der Anteil der Erneuerbaren Energien am gesam- der Erzeugung von Atomstrom in Deutschland ten Endenergieverbrauch soll erhöht werden, um und der Ausbau der Erneuerbaren Energien wer- unabhängiger von fossilen Rohstoffen zu werden. den partiell konterkariert durch die anhaltend hohen CO2 Emissionen aus der Stromerzeugung Mit der Energiewende wurde in Deutschland be- mit fossilen Brennstoffen (Kohle). schlossen, die noch bestehenden Atomkraftwerke bis Anfang der 2020er Jahre abzuschalten, still- „Elektromobilität kann erst dann einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn sie durch öffentliche Infrastrukturin- vestitionen und die Förderung von grünem Strom gestärkt wird. Andernfalls kann das bloße Festlegen starrer CO2 Grenzwerte nicht mehr als Schaufensterpolitik sein. Wolfgang Schäfer-Klug Aus klima- und beschäftigungspolitischer Gesamtbetriebsratsvorsitzender Sicht müssen EU-Grenzwerte deshalb mit Adam Opel AG Augenmaß festgelegt und durch weitere Maß- nahmen flankiert werden.“
12 Probleme sind im Rahmen der Infrastruktur auf- Die IG Metall erwartet von der Bundesregie- getreten, bei der Abstimmung der verschiedenen rung einen verbindlichen Fahrplan zur wei- Ebenen beim Ausbau von Stromtrassen und der teren Umsetzung der Energiewende. Dabei Anbindung von Offshore Windkraftanlagen an muss die Technologieentwicklung in unter- das Stromnetz. Hierfür sind bislang keine ausrei- schiedlichen Branchen ineinander greifen. chenden Lösungen erkennbar. So wird etwa Elektromobilität nur dann eine CO2 sparende Alternative, wenn die Autos mit grünem Strom betrieben werden. Nur mit einem konsequenten Ausbau der Erneuerba- ren Energie wird es möglich sein, die Klima- ziele tatsächlich zu erreichen. Klima- und CO 2 Reduktionsziele der EU-Kommission Die Senkung des CO2 Ausstoßes ist eingebunden Die EU ihrerseits hat die Klimaziele und die Re- in die internationale Klimapolitik, auf die sich duzierung des CO2 Ausstoßes als Staatengemein- die Welt mit der Klimarahmenkonvention der schaft insgesamt festgelegt. Das EU Klima- und Vereinten Nationen 1992 verständigt hat. Der Energiepaket bis 2020 sieht vor, 20 % Reduzierung wissenschaftliche Beirat der Vereinten Nationen CO2 , 20 % Anteil erneuerbare Energie am End- (IPCC) hat in seinem Bericht festgelegt, dass eine energieverbrauch, 20 % Verbesserung der Ener- Absenkung der Treibhausgase in den entwickelten gieeffizienz. Industrienationen um mindestens 80 % bis 2050 gegenüber 1990 notwendig ist, um die Erderwär- mung auf +2°C zu begrenzen. Die EU und weitere Industriestaaten haben im Kyoto-Protokoll erst- mals konkrete Minderungsziele für ihre Treibh- ausgasemissionen bis 2020 vereinbart.
13 „Mit Blick auf den Weltklimagipfel Ende 2015 in Paris hat die Debatte über ein internatio- nales Klimaabkommen wieder an Stellenwert gewonnen. Nach Jahren des realen Stillstands bei den Klimaverhandlungen, scheint nun die Bereitschaft in vielen Staaten gewachsen zu sein, einem weltweiten Klimaabkommen beizutreten. Grund zu allzu großem Optimismus besteht aber nicht. Dennoch, wenn wir in der Klima- politik etwas erreichen wollen, brauchen wir alle Akteure – in Europa und weltweit. Die IG Metall unterstützt anspruchsvolle Ziele bei Wolfgang Lemb der CO2 Reduzierung. Wir wollen eine nach- geschäftsführendes Vorstandsmitglied haltige und damit zukunftsfähige industrielle IG Metall Entwicklung voranbringen.“ Mittlerweile wird der Energie- und Klimapakt der Der (PKW-) Verkehr kann und muss weiterhin EU diskutiert, der die Ziele für 2030 festlegen soll. seinen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausga- Vorschläge der Kommission wurden im Januar se leisten. Bislang wurde schon überproportional 2014 für die Reduzierung der Treibhausgase um viel erreicht, wenn andere Verkehrsträger und 40 % im Vergleich zu 1990 und für den Anteil der ihre Beiträge betrachtet werden. Erneuerbaren Energien in Höhe von 27 % gemacht außerdem im August 2014 für die Steigerung der Energieeffizienz von 30 %. Entschieden wird vom Rat der Staats- und Regierungschefs auf dem Gip- fel im Oktober 2014.
14 Mit der Hinwendung zur E-Mobilität ist ein wei- Die IG Metall unterstützt eine ambitionier- terer Schritt getan. Strom als Antrieb für PKW’s te Klimapolitik der EU und hält eine Wei- muss unter Klimaschutzgesichtspunkten aus er- terentwicklung des internationalen und des neuerbarer Energie kommen. europäischen Rahmens in der Klimapolitik für dringend geboten. Dabei kommt es da- Wird der deutsche Strommix zugrunde gelegt, rauf an, die Verantwortung aller Sektoren – leistet E-Mobilität keinen echten Beitrag zur Sen- Energie- und Mineralölwirtschaft, Industrie, kung der Treibhausgasemissionen, da zwar bei der Dienstleistungen, Verkehr, Haushalte, Land- Nutzung keine Emissionen anfallen, dafür aber wirtschaft – bei der Erreichung der Klimazie- die Vorkette durch Förderung, Produktion und le einzubringen. Transport des Stroms stark belastet ist. Abb. 3 Treibhausgasemissionen verschiedener Kraftstoffe und Antriebsarten Elektromobilität verspricht Klimaschutz im Verkehr, wenn der Strom aus Erneuerbaren Energien stammt. Gramm C0 2 Äquivalent pro Kilometer Elektromobilität 200 Betrieb: direkte Emissionen am Fahrzeug Vorkette: Emissionen durch Förderung, Produktion und Transport 150 139 100 119 105 85 50 Saldo: 64 Saldo: Saldo: 45 9 37 0 Benzin Diesel Strom aus deutscher Strom aus Steinkohle Strommix Erneuerbaren Biodiesel Energien -50 (B100) Biomethan aus Raps* Bioethanol aus Mais (E85) aus * Negative Vorkettenwerte durch optimale Nutzung der Nebenprodukte aus der Produktion (Glycerin, Stroh, Schlempe) Getreide* Energieverbrauch: 3,3 l/100 km Diesel, 4,2 l/100 km Benzin, 15,1 kWh/100 km Strom. Quelle: Hohenberger/Mühlenhoff 2014 Quelle: Hohenberger / Mühlenhoff 2014.
15 Europäische CO 2 Regulierung beim PKW Die IG Metall spricht sich unter Klimagesichts- Anders formuliert: je höher der Marktanteil der punkten grundsätzlich für die Regulierung des E-Fahrzeuge ist, desto geringer ist der Reduzie- Emissionsgrenzwerts bei PKW für die Zeit nach rungsdruck bei den sonstigen Fahrzeugen. Inso- 2020 aus. fern ist es problematisch, sich unabhängig von der Kenntnis des Markthochlaufs der E-Fahrzeuge Durch Innovationen beim konventionellen An- heute oder im Jahr 2017 schon auf eine Grenz- triebsstrang, die maßgeblich auf die CO2 Gesetz- wertgröße festzulegen. Je zeitnäher das Jahr 2020 gebung zurückzuführen waren, sanken die CO2 kommt, umso besser kann dieser Markthochlauf Werte im europäischen Durchschnitt von 172 beobachtet werden und desto besser sind die Ein- Gramm pro Kilometer im Jahr 2000 auf aktuell schätzungen der nächsten Jahre. 127 Gramm. Für das Jahr 2020 steht in Europa mit 95 Gramm das weltweit strengste Emissionsziel schon fest. Die IG Metall spricht sich grundsätzlich für Welches Ziel für die Zeit nach 2020 festgelegt die Regulierung des Emissionsgrenzwerts wird, hängt vor allem von der Entwicklung des bei PKW aus. Der Grenzwert wird zukünftig Markthochlaufs der Elektromobilität ab. Wenn stark durch den Anteil der Elektrofahrzeuge das Segment der E-Fahrzeuge ein hohes Volumen am Absatz geprägt werden. Der Markthoch- erreicht, sinkt der durchschnittliche Flottenver- lauf für Elektrofahrzeuge lässt sich heute brauch merklich. Bleibt es beim bislang schlep- schwer abschätzen. Die IG Metall fordert penden Markthochlauf, sinkt er nur marginal. die EU-Kommission auf, eine Festlegung der Grenzwerte für die Zeit nach 2020 frühestens ab dem Zeitpunkt 2017 vorzunehmen. Emp- fohlen wird eine möglichst prozesshafte Ge- staltung in Zwischenschritten. „Die aktuelle Entwicklung beim Markanteil der E-Fahrzeuge bleibt – auch wegen der fehlenden Infrastrukturinvestitionen der öffentlichen Hand – deutlich hinter den Er- wartungen zurück. Auch für die Zukunft bleibt unklar, wie schnell die Kunden diesen Technologiewechsel annehmen. Für die Flottenverbräuche ist der Anteil an E-Fahrzeugen aber maßgeblich. Auch wegen dieser Unsicherheit sollte ein Martin Hennig CO2 Grenzwert für 2030 nicht jetzt kurzfristig Gesamtbetriebsratsvorsitzender festgelegt werden.“ Ford-Werke GmbH
16 E-Mobilität als Beitrag zur Versorgungssicherheit mit Energie Das bekannte Problem der Erneuerbaren Energi- Eine Integration der Fahrzeuge setzt zudem ein en ist die Volatilität, da sie zumeist wetterabhän- Abrechnungssystem voraus, das erst entwickelt gig sind. Der Strom aus Erneuerbaren Energien und implementiert werden muss. Letztlich müsste wird in schwankender Intensität ins Stromnetz auch die technische Frage beantwortet werden, ob eingespeist, das auf unmittelbaren Verbrauch aus- ein häufiges bis beständiges Be- und Entladen ei- gerichtet ist und weitestgehend ohne Speicherka- ner Fahrzeugbatterie von Elektrofahrzeugen nicht pazität gebaut wurde. Das deutsche Stromnetz ist zu Lasten der Lebensdauer geht. Hier käme aller- damit in höchstem Maße unflexibel und bedarf dings die absehbare zweite Lebensphase dieser eines intelligenten Managements, das fluktuieren- Batterien zum Tragen. Denn sobald die Fahrzeug- de Stromproduktion, Stromnachfragesteuerung batterien nur auf 80 % ihrer ursprünglichen Ka- und Speicherkapazitäten aufeinander abstimmt. pazität aufladbar sind, werden sie ausgetauscht – und dieses Speicherpotenzial stände dann als E-Mobilität könnte hier einen Beitrag zur Versor- stationärer Stromspeicher zur Verfügung. gungssicherheit leisten. Hinter diesem Gedanken steht, dass mit den Batteriekapazitäten der E- Fahrzeuge ein Speichervolumen vorhanden ist. Die IG Metall fordert die Bundesregierung Dieses Volumen könnte dazu genutzt werden, die auf, im Rahmen der Energiewende und der schwankenden Einspeisevolumen der Erneuerba- E-Mobilität smart grids, moderne Stromnet- ren Energien auszugleichen. ze sowie Abrechnungssysteme zu entwickeln Da jedoch das Stromnetz heute nur in eine Rich- und umzusetzen. tung ausgerichtet ist (von der Stromerzeugung zum Verbrauch), ist bislang eine Integration der Elektrofahrzeuge nicht möglich. Eine Zweiglei- sigkeit des (bidirektionalen) Stromnetzes bedarf hoher Investitionen in die Infrastruktur (inkl. Software). Die Deutsche Energieagentur schätzt, dass hierzu bis 2030 bis zu 52 Milliarden Euro auf- gewendet werden müssten.
17 Verkehr und Mobilität Mobilität ist in heutigen industrialisierten Ge- Die weltweit feststellbare Tendenz zur Heraus- sellschaften ein Grundrecht. Auch wenn es in bildung von Megastädten, die 10 Millionen Ein- Städten und insbesondere Großstädten über- wohner und mehr haben, ist insbesondere in den wiegend einen gut ausgebauten und funk- Schwellenländern unverkennbar. In absehbarer tionierenden „Öffentlichen Personen Nah Zeit wird etwa 60 % der Weltbevölkerung in Städ- Verkehr“ (ÖPNV) gibt, fehlt dieser im dün- ten leben. Schon heute kennen wir den städtischen ner besiedelten ländlichen Raum weitgehend. Verkehrskollaps mit Auswirkungen auf Emissio- Ungünstige Verbindungen, zeitliche Abhängig- nen und Klima und in den bereits bestehenden keiten und zum Teil auch verkehrsungünstig Megastädten ist der motorisierte Individualver- gelegene Arbeitsstätten zwingen zur Nutzung kehr kaum noch zu bewältigen. des PKW, um die Wege zur Arbeit und zurück bewältigen zu können. CO 2 Emissionen nach Verkehrsmitteln in Deutschland Abb. 4 (Millionen Tonnen CO 2 Emissionen 2010); Stand 11 / 2013 Öffentlicher Straßenpersonenverkehr Binnenschifffahrt 2,1 (0,9 %) (Straßenbahn, Busse) 3,6 (1,9 %) Motorisierter Schienenverkehr 8,7 (3,9 %) Individualverkehr Luftverkehr 30,2 (13,5 %) (Pkw, Zweirad) 128 (57,3 %) GESAMT: 223 MIO. t CO2 Emissionen Straßengüterverkehr (Lkw) 50,7 (22,7 %) Quelle: Hohenberger / Mühlenhoff 2014.3 Quelle: Hohenberger / Mühlenhoff 2014 3 H ohenberger, Tilman / Jörg Mühlenhoff (2014): Renews Spezial, Aus- gabe 71 / März 2014 – Hintergrundinformation der Agentur für Erneu- erbare Energien; Energiewende im Verkehr, Potenziale für erneuerbare Mobilität, Berlin.
18 Angesichts des zunehmenden Auseinanderfallens Deutlich anders sieht es im Güterverkehr aus, des- der Orte von Wohnen und Arbeiten, wechselnden sen Volumen im Sinne von Fahrleistungen deut- Arbeitsplätzen oder systematisch notweniger Nut- licher als der individuelle Verkehr zugenommen zung von Autos, wird das Verkehrsvolumen auf hat – nicht zuletzt bedingt durch die Osterweite- der Straße weiterhin zunehmen. rung Europas, durch Verlagerung von Güterver- kehr von der Schiene auf die Straße (anstatt wie Das IFEU Heidelberg hat für das Umweltbun- politisch und ökologisch gewollt umgekehrt) und desamt den Energieverbrauch für den Straßen- auch durch eine zunehmende internationale Ar- verkehr sowie die direkten Emissionen bis 2030 beitsteilung bei der Herstellung von Gütern (lo- abgeschätzt. Demnach werden in Deutschland die gistischer Verkehr, der selten die Schiene nutzt). CO2 Emissionen bis 2030 gegenüber 2011 um 11 % zurückgehen. Die starke Zunahme des Straßengü- Im Sinne des Klimaschutzes muss es das poli- terverkehrs kompensiert zum Teil die Abnahme tische Ziel sein, Verkehr so weit wie möglich zu im PKW-Verkehr, der im gleichen Zeitraum mit vermeiden, eine sinnvolle Aufteilung von moto- -30 % beziffert wird.4 risiertem Individualverkehr, öffentlichem und Schienenverkehr im Sinne eines „modal splits“ In der EU haben die gesamte Verkehrsleistung in zu erreichen sowie die Verlagerung von Verkehr den 2000er Jahren um 10,5 %, der öffentliche Per- auf emissionsarme Verkehrsträger. Ansätze einer sonenverkehr um 19,2 % und der PKW-Verkehr Verbesserung des modal splits entstehen zurzeit um 10,3 % zugenommen. Vor allem der Flugver- über Carsharingflotten, die in verschiedenen kehr hat im gleichen Zeitraum um 25,9 % deutlich Großstädten punktuell aufgebaut und angeboten zugenommen. Im Gegensatz zu den genannten werden. Es sind vor allem Automobilhersteller, Verkehrsträgern verzeichneten Busse und Schiffe die diese Angebote aufbauen und damit begin- negative Entwicklungen der Personenjahreskilo- nen, sich vom Auto-Hersteller zum integrierten meter. Mobilitätsdienstleister zu entwickeln. In Deutschland entfällt der größte Teil der Emis- Insgesamt geht es um den Umbau des bestehen- sionen auf den motorisierten Individualverkehr den Verkehrssystems in Richtung eines integ- (57,3 %). Daher ist es auch nicht verwunderlich, rierten Mobilitätskonzeptes – dieser Umbau ist dass diese Verkehrsart in den Blick genommen überfällig. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass wird, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Mobilität für die Bevölkerung bezahlbar bleibt. Dennoch dürfen bei der Zielerreichung alle an- deren Verkehrsmittel nicht außer Acht gelassen werden, wie die starke Zunahme beim Flugver- Die IG Metall fordert eine ausbalancierte kehrt zeigt. Beteiligung aller Verkehrssektoren an der Reduzierung von CO2 und damit an der Er- reichung der politisch vorgegebenen Ziele. 4 I FEU Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (2012) TREMOD Version 5.3, Endbericht für die Emissionsberichter- stattung 2013 für das Umweltbundesamt, Heidelberg.
19 Straßenverkehr und Auswirkungen auf die Klimaziele Seit Anfang der 1990er Jahre löste eine Privati- vestitionen in Strom-Ladesäulen im öffentlichen sierungs- und Liberalisierungswelle die Ausdün- Raum zur Unterstützung der E-Mobilität gehö- nung des öffentlichen Verkehrsangebotes aus. Die ren. Bislang haben sich die Energieerzeuger in staatlichen Investitionen, vor allem für den Erhalt Deutschland gesträubt, Ladestationen in größe- und Ausbau der Infrastruktur, wurden zurück- ren Stückzahlen aufzubauen, da sie hierzu kein gefahren. Andererseits wurde zeitgleich einiges Geschäftsmodell sehen. Über den abgegebenen auf den Weg gebracht: die Einführung von Um- Strom lassen sich die Investitionen in den Aufbau weltzonen in Städten, der Ausbau von Schienen- nicht refinanzieren. Hochgeschwindigkeitsnetzen, der Aufbau von Ein großer Beitrag zur Reduzierung der Emissi- Verkehrsleitsystemen zur Stauvermeidung und onen könnte geleistet werden, wenn es gelänge, damit zur Reduktion des CO2 Ausstoßes, die Um- Staus in Städten und auf Autobahnen zu minimie- stellung auf eine CO2 basierte Kraftfahrzeugsteuer ren oder ganz zu vermeiden. Verkehrsleitsysteme bis hin zu Jobtickets für den Nahverkehr.5 sind daraufhin ausgerichtet. Mit der Integration Trotz dieser Maßnahmen bleibt für die Verkehrs- der digitalen Informationstechnik ins Fahrzeug infrastruktur zu konstatieren, dass ein immenser erwarten Verkehrsplaner zusätzliche Informati- Investitionsstau besteht, um insbesondere Brü- onen, die helfen, Stausituationen zu vermeiden. cken zu sanieren bzw. instand zu setzen. K. Rietz- ler hat die Situation als „Anhaltender Verfall der Infrastruktur“ beschrieben.6 Infrastrukturinvestitionen staatlicher Ebenen haben ein großes Potenzial zur Vermeidung Staus, Umwege wegen maroder Brücken oder von CO2 . Durch gut ausgebaute Verkehrs- schadhafter Infrastruktur verursachen eine Erhö- wege und funktionierende Leitsysteme kann hung der Emissionen. Der aktuelle Zustand der ein wesentlicher Beitrag zur Reduzierung der Infrastruktur ist kontraproduktiv. CO2 Emissionen in Europa geleistet werden. Der jährliche Investitionsbedarf in Deutschland In diesem Zusammenhang ist auch der Aus- für die Straßeninfrastruktur wird bei zeitlicher bau der Ladeinfrastruktur von hoher Bedeu- Streckung bis zum Jahr 2030 auf 6,1 Milliarden tung. Euro und auf 7,6 Milliarden Euro bei beschleu- Die IG Metall fordert daher die Politik auf nigter Realisierung der Bedarfspläne (bis 2020) allen Ebenen auf, die dringend notwendigen quantifiziert7. Investitionen zügig und kontinuierlich um- Zur Infrastruktur werden zukünftig auch In- zusetzen. 5 v gl. Ziegler, Astrid (2011): Mobilität und Arbeit – Anforderungen an den Industriestandort Deutschland, Frankfurt / M. 6 R ietzler, Katja (2014): Anhaltender Verfall der Infrastruktur – die Lösung muss bei den Kommunen ansetzen, IMK Report Nr. 94, Düsseldorf. 7 F ES [Friedrich-Ebert-Stiftung] (2012): Abschätzung des Investitions- bedarfs für die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland; Studie von INTRAPLAN Consult GmbH für die Friedrich-Ebert-Stiftung.
20 PKW-Produktion und Strukturwandel CO 2 Reduzierung und Elektromobilität Die europäische Automobilindustrie investiert Sie hat damit ihre weltweite Innovationsführer- in hohem Maße in die Optimierung der Ver- schaft bei konventionellen Antriebssträngen wei- brennungsmotoren, um die jeweils vorgegebe- ter ausgebaut. Mit diesen Anstrengungen ist es ge- nen Durchschnittswerte des herstellerbezogenen lungen, die CO2 Werte im Zeitraum 2000 bis 2013 Flottenverbrauchs neu zugelassener Fahrzeuge zu von 172,2 auf 127,0 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen und dem steigenden Bedarf der Kun- im Durchschnitt aller europäischen Hersteller zu den nach sparsamen Fahrzeugen in Zeiten hoher reduzieren (minus 24,2 %).8 Kraftstoffpreise und CO2 basierter Besteuerung gerecht zu werden. Abb. 5 CO 2 Reduzierung bei Neuzulassungen PKW 2000 bis 2013 in der EU 180 Gramm 172,2 169,7 CO2 /km 167,2 165,5 160 163,4 162,4 161,3 158,7 153,6 145,7 140 140,3 135,7 132,2 127,0 120 100 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 Quelle: nach VDA (V. Diemer) 2014 (Angaben der Europäischen Quelle:Energie nach VDAAgentur [EEA]). (V. Diemer) 2014 (Angaben der Europäischen Energie Agentur [EEA]) 8 Q uelle: VDA, V. Diemer (2014): CO 2 Regulierung PKW, Präsentation Frankfurt /Main (Folie 7).
21 „Wir haben nur diese eine Erde, nicht mehrere, das muss jedem klar sein. Es gibt keinen Widerspruch zwischen CO2 Redu- zierung und sicheren Arbeitsplätzen. Das passt zusammen. Investitionen in neue Technologien und Antriebstechniken sind notwendig, um effizienter zu werden. Wer jetzt nicht in- vestiert, wird in Zukunft keine Rolle mehr spielen. Uwe Hück Nicht Geiz ist angesagt, sondern Investi- Gesamtbetriebsratsvorsitzender tionen. Porsche muss mit seiner hohen Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG Rendite Vorbild sein.“ Für das Jahr 2020 steht als Emissionsziel 95 Elektromobilität im Jahr 2009 als politisches Ziel Gramm CO2/km im Flottendurchschnitt fest. formuliert. 2010 wurde die Nationale Plattform Schon heute ist klar, dass dieses Ziel für großdi- Elektromobilität (NPE) eingerichtet, die unter mensionierte Verbrennungsmotoren nur mit er- breiter Beteiligung gesellschaftlicher Akteure die heblichen Investitionen in Effizienztechnologien Bundesregierung bei ihrem Ziel unterstützt, bis und durch eine Elektrifizierung der konventionel- 2020 eine Million E-Fahrzeuge9 auf deutschen len Antriebe zu erreichen sein wird. Straßen zu haben. Verbunden damit soll Deutsch- land zum Leitmarkt und Leitanbieter der Elektro- Eine Elektrifizierung des verbrennungsmotori- mobilität werden. schen Antriebsstrangs wurde seitens der deut- schen Bundesregierung mit dem Nationalen Plan 9 A ls E-Fahrzeuge werden rein elektrisch betriebene Fahrzeuge (batterie-elektrische Fahrzeuge = BEV), Fahrzeuge mit Reichweiten- verlängerer (range extender vehicles = REEX) sowie Plug-in-Hybride (PHEV – Fahrzeuge mit verbrennungs- und elektrischem Antriebsteil, deren Batterie an der Stromsteckdose aufgeladen werden können) ge- zählt. Allen gemeinsam ist, dass sie zumindest 30 km rein elektrisch fahren können (Stand der Diskussion).
22 Abb. 6 Markthochlauf E-Fahrzeuge nach Typen bis 2020 (kumuliert) Einheiten in Tausend 1000 Nutzfahrzeuge BEV= Battery Electric Vehicle 800 PHEV= Plug-in Hybrid Electric Vehicle aufgrund der schleppenden Umsetzung der Regierungsaufgaben wird seitens 600 der NPE davon ausgegangen, dass 2020 nur 600 TEinh auf den Straßen sein werden (Kagermann, Mai 2012) entscheidend ist für den Markt- 400 hochlauf das Flottengeschäft (carsharing, Logistik-Dienstleister …) 200 0 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: NPE (2011): Zweiter Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität, Berlin. Quelle: NPE 2012 Zum Stand Mitte 2014 gehen die Prognosen und Es gibt aber keine Zweifel daran, dass sich E- Szenarien, in welchem Umfang und zu welchem Mobilität durchsetzen wird, da Klima- und Zeitpunkt sich der Markt für E-Fahrzeuge entwi- Energieeinsparziele und die Ziele der CO2 ckeln wird, weit auseinander. Zum ersten Januar Reduktion nur durch E-Mobilität erreichbar 2014 lag ihr Anteil am deutschen Fahrzeugbe- sein werden. Der Verbrennungsmotor wird stand bei 0,2 %10. bis 2030 weiterhin eine Säule des Antriebs- strangs sein, aber zum überwiegenden Teil Angesichts ausbleibenden staatlichen Handelns und in unterschiedlichen Formen elektrifi- geht die NPE für die Markthochlaufphase davon ziert. aus, dass bis 2020 das quantitative Ziel der Bun- desregierung deutlich unterschritten und damit Die IG Metall fordert, dass im Rahmen der der „Massenmarkt“ ab 2020 nicht erreicht wird. Regulierung auch in Zukunft Anreize pro Elektromobilität gesetzt werden. Wichtig ist vor allem, dass elektrisches Fahren wie bis- her mit einem CO2 Ausstoß von Null Gramm in die Berechnung der Flottendurchschnitte 10 Q uelle: KBA eingeht.
23 Strukturwandel Während die Marktperspektiven für E-Fahrzeuge und Qualifikation der Beschäftigten im Zentrum von der Stückzahl und vom Zeitpunkt her noch wissenschaftlicher Untersuchungen. Angesichts unsicher sind, ist allen Akteuren in der Auto- der vielfältigen und nicht mehr überschauba- mobilindustrie klar, dass mit der E-Mobilität ein ren Zusammenhänge blieb das Ergebnis bei den tiefgreifender Strukturwandel einher geht, mit quantitativen Auswirkungen bei einer groben massiven Auswirkungen auf Arbeitsplätze, auf Schätzung. Wertschöpfungsstrukturen und -ketten sowie Im Hinblick auf die qualitativen Auswirkungen die Arbeitsteilung zwischen Automobilherstellern wurde jedoch darauf hingewiesen, dass mit der und Automobilzulieferern. anhaltenden Innovationsdynamik, dem massiven Mitte der 2000er Jahre standen die Auswirkungen Einsatz von F&E, neuen Produkten und Kompo- der Elektronisierung der Fahrzeuge, des Einsatzes nenten die Beschäftigung nicht nur stabilisiert, neuer Materialien (Leichtbau) und der Optimie- sondern auch ausgebaut werden kann (Jürgens / rung der Verbrennungsmotoren auf Arbeitsplätze Meißner 2005).11 „Die Beschäftigten in der Automobilindustrie setzen darauf, dass der technologische und gesellschaftliche Wandel in Richtung nach- haltiger Mobilität für sie neue Zukunftschan- cen eröffnet. Sie müssen darauf vertrauen können, dass der damit verbundene Strukturwandel für Michael Brecht, sie nicht zum Risiko wird. Es ist deshalb ent- Gesamtbetriebsratsvorsitzender scheidend, dass ökologische, ökonomische Daimler AG und soziale Anliegen auf diesem Weg in eine gute Balance gebracht werden.“ 11 J ürgens, Ulrich / Heinz-Rudolf Meißner (2005): Arbeiten am Auto der Zukunft – Produktinnovationen und Perspektiven der Beschäftigten, Berlin.
24 Die IG Metall geht grundsätzlich davon aus, dass im dritten Szenario (Mobilitätskonzepte) wird die Elektromobilität das Potenzial hat, industri- eine Steigerung auf 105 Millionen Einheiten pro- elle Arbeitsplätze zu generieren. Voraussetzung gnostiziert. Insgesamt kommt der Bericht zu dem hierfür ist, dass konventionelle Antriebe auch Ergebnis, dass die deutschen Automobilherstel- mittelfristig (Plug-in Hybrid) eine wesentliche ler zukünftig auch weiter Premiumfahrzeuge13 in Rolle für die individuelle Mobilität spielen und Deutschland herstellen werden. die Absatzziele für Elektroautos im Jahr 2020 er- Unter Wertschöpfungsgesichtspunkten wird da- reicht werden. Voraussetzung ist auch, dass die rauf hingewiesen, dass auf den konventionellen Produktion und damit die Wertschöpfung der Antriebsstrang etwa ein Viertel der Wertschöp- neuen Technologien und Dienstleistungen in Eu- fung entfällt. Hier besitzt die deutsche Automo- ropa angesiedelt werden. bilindustrie einen deutlichen Technologievor- Für den Bundestagsausschuss Technikfolgenab- sprung. Bei alternativen Antrieben wird der Anteil schätzung wurde die Zukunft der Automobilin- des Verbrennungsmotors an der Wertschöpfung dustrie vor dem Hintergrund des Wandels der verringert (Hybridfahrzeuge) oder entfällt sogar globalen Automobilmärkte und der Einführung vollständig (BEV). Ein Teil der entfallenden Wert- neuer Mobilitätskonzepte in systemischer Pers- schöpfung kann durch die Entwicklung und Pro- pektive untersucht.12 Die Studie geht für zwei Sze- duktion der Komponenten alternativer Antriebe narien von weltweit wachsenden Absatzzahlen kompensiert werden. von heute 70 auf 125 Millionen im Jahr 2030 aus, 12 D eutscher Bundestag (2013): Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung – Technikfolgenabschätzung (TA) – 13 D eutsche Automobilhersteller dominieren den Markt für Premium- Zukunft der Automobilindustrie, Drucksache 17/13672 sowie fahrzeuge zu etwa 80 %. Das Premiumsegment zeichnet sich durch Konzepte der Elektromobilität und deren Bedeutung für Wirtschaft, technologische und exklusive Ausstattung aus und ist nicht nur auf Gesellschaft und Umwelt, Drucksache 17/13625, Berlin die Oberklasse begrenzt. Auch Kleinwagen wie beispielsweise BMW siehe auch Schade, Wolfgang / Christoph Zanker (2012): Zukunft der Mini und Audi A1 gehören zum Premiumsegment. Hier lassen sich aus Automobilindustrie – Innovationsreport, Büro für Technikfolgen-Ab- Herstellersicht die größten Gewinnmargen erzielen. Dieses Markt- schätzung beim deutschen Bundestag, Arbeitsbericht Nr. 152, Berlin. segment wird stabiler wachsen als andere Marktsegmente.
25 Die Bandbreiten der Auswirkungen auf Arbeits- plätze verdeutlichen die großen Unsicherheiten derartiger Prognosen, denen ein Bündel von An- nahmen und Einflussfaktoren zugrunde liegen: Spannbreite von Beschäftigungseffekten Abb. 7 in drei Szenarien in Arbeitsplätzen 300.000 140.000 120.000 konservativ Technologiebruch Mobilitätskonzepte – 70.000 –56.000 von bis – 400.000 Quelle: eigene Darstellung auf Basis von BT TAB 2013. Quelle: eigene Darstellung auf Basis von BT TAB 2013
26 „Klimaziele können nur mit sicheren Arbeits- plätzen in Europa erreicht werden: denn nur durch die Kaufkraft von Beschäftigten kön- nen sich Innovationen den Weg zum Kunden bahnen. Eine künftige Klimapolitik kann nur dann die Arbeitsplätze sichern, wenn vor der Festle- Manfred Schoch gung von Zielen eine umfassende Analyse des Gesamtbetriebsratsvorsitzender Verkehrssektors stattgefunden hat. BMW AG Eine Verschärfung von Grenzwerten zum jetzigen Zeitpunkt, ohne alle Instrumente zur CO2 Reduktion im Verkehr auf ihre Wirk- samkeit überprüft und in einem integrierten Gesamtpaket zusammengefasst zu haben, kann eine massive Gefährdung von Arbeits- plätzen zur Folge haben.“ Die IG Metall sieht in der Elektromobilität ei- Die IG Metall hat dabei sowohl die Zahl, als auch nen Weg, die Emissionen im Verkehrsbereich die Qualität der Arbeitsplätze in ihrem Fokus. Sie deutlich zu reduzieren. Sie sieht allerdings wird darauf achten, dass es weiterhin gute Ar- auch den durch Elektromobilität ausgelösten beits- und Entlohnungsbedingungen in den Un- Strukturwandel in der Industrie und wird ternehmen der europäischen Automobilindustrie ihn mit gestalten, um Verwerfungen auf dem geben wird. Arbeitsmarkt in diesem Industriezweig vor- Innovationsträger war und ist überwiegend das zubeugen. Den Gestaltungsauftrag sieht die Segment der Premiumfahrzeuge, für das die eu- IG Metall ebenso für die Politik. ropäischen Hersteller mit weltweit 80 bis 85 % Anteil des Marktsegmentes stehen. Der Großteil der Fahrzeuge wird in europäischen Werken pro- duziert und sichert dort Beschäftigung. Innovati- onen diffundieren im Zeitablauf vom Premium- segment in das Volumensegment und erreichen damit nach einigen Jahren den Charakter von Standard- und Serienausstattungen (Bsp.: ABS, ESP, elektrische Lenkung, Navigationssysteme).
27 Die Automobilindustrie ist die tragende Säule der Die IG Metall hat die Erwartung an die Poli- europäischen und deutschen Industrie bei der tik, im Rahmen der Grenzwertfindung darauf Forschung und Entwicklung. Knapp ein Drittel zu achten, dass aller F&E-Beschäftigten arbeitet hier und 25 % > die Innovationsdynamik und Innovations- der industriellen F&E-Aufwendungen entfallen fähigkeit der Automobilindustrie erhalten auf diese Branche. Berücksichtigt man darüber und ausgebaut werden kann, hinaus, dass diese F&E-Aktivitäten noch über die Branche hinaus ausstrahlen auf z. B. den Ma- > d as hohe Niveau der Beschäftigung erhalten schinenbau oder die Elektronikindustrie, wird bleibt und die zentrale Rolle der Automobilindustrie für das > e s den Unternehmen überlassen bleibt, wel- Innovationssystem deutlich. che Effizienztechnologien, welche Leicht- baukonzepte und welche Emissionsredu- zierungstechnologien sie zur Erreichung der vorgegebenen Ziele entwickeln und einsetzen. F&E-Beschäftigtenentwicklung in der deutschen Automobilindustrie Abb. 8 (1997 bis 2012) in Vollzeitäquivalenten (1997=100) 200 Verarbeitendes Gewerbe Automobilindustrie / WZ29 156,6 147,7 152,1 145,6 150 123,3 100,0 100 102,5 106,3 97,3 97,6 94,1 50 1997 2000 2005 2010 2011 2012 Quelle: Stifterverband, FuE-Info, verschiedene Jahrgänge, zuletzt Febr. 2014. Quelle: Stifterverband, FuE-Info, verschiedene Jahrgänge, zuletzt Febr. 2014
28 Fahrzeugentwicklung und technologische Grenzen der Reduktion von CO 2 Emissionen Die oben beschriebene Innovationsdynamik ist schung investiert. Forschungsergebnisse werden schon seit längerer Zeit darauf gerichtet, die von in ausgewählten Fällen in die Vorentwicklung der EU vorgegebenen CO2 Ziele durch Optimie- übernommen, der Rest der Ergebnisse wird „ins rung der Verbrennungsmotoren, Leichtbau und Regal gestellt“. Die Vorentwicklung liefert Proto- zunehmend durch die Elektrifizierung des An- typen, die im Rahmen der Serienentwicklung auf triebsstrangs zu erreichen. die zukünftige Massenproduktion einschließlich der Werkzeuge, Prozesse bis hin zu Qualitätssi- Die deutsche Wirtschaft hat in den letzten Jah- cherungssystemen und Testverfahren ausgerichtet ren 17 Milliarden Euro in die E-Mobilität inves- werden. Diese Entwicklungsprozesse sichern vor tiert – der größte Teil kam von der Automobilin- allem die Beschäftigung von hochqualifizierten dustrie. Die Aufwendungen für F&E werden von Ingenieuren der verschiedenen Fachrichtungen. Herstellern wie Zulieferern zunächst in die For- Abb. 9 F&E und Modellzyklen – der Weg der Innovationen in neue Fahrzeuge Modellzyklus (MZ) 1 MZ 2 MZ 3 Modell A Modell A Nachfolger Serienentwicklung Vorentwicklung Forschung SCHEMATISCHE DARSTELLUNG 2010 2015 2020 2025 Quelle: eigene Darstellung Quelle: eigene Darstellung.
29 „Mit unserer hochqualifizierten Mannschaft und gelebtem ‚Vorsprung durch Technik‘ unterstützen wir die ambitionierten Emissi- onsziele der EU. Die Festlegung von CO2 Grenzwerten über das Jahr 2020 hinaus sollte jedoch nicht vor dem Jahr 2017 erfolgen. Peter Mosch Gesamtbetriebsratsvorsitzender Um Risiken auszuschließen sollte die Einfüh- AUDI AG rung des weltweit harmonisierten Fahrzyklus sowie die Marktentwicklung bei Elektrofahr- zeugen abgewartet werden.“ Bisherige Einschätzungen seitens der Automobil- betrieben wird. Die Ergebnisse des Fahrzyklus industrie gehen davon aus, dass das 95 Gramm sind Teil der Herstellerangaben für Zulassung CO2 Ziel im Jahr 2020 (entspricht einem Kraft- und Vertrieb. Der zurzeit verwendete Fahrzyklus stoffverbrauch von 3,8 Litern Benzin pro 100 km) „New European Driving Cycle“ (NEDC) wird vo- mit den eingeleiteten Maßnahmen erreichbar sein raussichtlich 2017 durch den weltweit vereinheit- wird. Weitergehende Reduzierungen (nach 2020) lichten Fahrzyklus „Worldwide harmonized Light werden verhalten diskutiert. Entscheidend seien vehicles Test Cycle“ (WLTC) abgelöst werden.14 Investitionssicherheit, klare Fahrpläne und keine Eine Regelung der CO2 Ziele nach 2020 muss einfache lineare Fortschreibung des bestehenden dem neuen Fahrzyklus genügen. Aktuell ist un- jährlichen Minderungsfaktors. klar, wie sich der bis jetzt verwendete Zyklus und der neue zueinander verhalten. Dies erschwert die Die Unternehmen der Automobilindustrie for- Festschreibung eines konkreten CO2 Zieles zum dern Planungssicherheit für ihre Investitionen aktuellen Zeitpunkt erheblich. in Effizienztechnologien, elektrifizierte Antriebe wie auch in F&E. Die IG Metall unterstützt diese Die Automobilhersteller halten sich zurück, wenn Forderung, da in der hochkomplexen Automo- es darum geht, die physikalischen Grenzen der bilproduktion Innovationen nicht von heute auf weiteren Effizienzsteigerungen und der CO2 Re- morgen entwickelt und umgesetzt werden kön- duktion zu quantifizieren. Hersteller von Effizi- nen, sondern zumeist einen Zeitraum von zehn enztechnologien kommunizieren demgegenüber- bis fünfzehn Jahren benötigen. die Möglichkeiten auf internationalen Symposien und Tagungen. Die Entwicklungspfade vorhande- Eine zusätzliche Unsicherheit besteht aus Sicht ner Lösungen wurden z. B. auf dem Wiener Mo- der Automobilhersteller in der Veränderung des torensymposium im Jahr 2013 vorgestellt:15 zugrunde liegenden Fahrzyklus, den die EU-Ge- setzgebung zur Emissionsbestimmung heranzie- hen wird. Der Fahrzyklus legt fest, unter welchen 14 D ie Einführung für den WLTC / WLTP wird zwischen 2017 und 2025 erwartet. Bedingungen ein Fahrzeug bei der Ermittlung 15 D enner, Volkmar (2013): Zukunft gestalten – Innovationen für effizi- von Energieverbrauch bzw. Kraftstoffverbrauch ente Mobilität, 34. Internationales Wiener Motorensymposium 2013.
30 Abb. 10 CO 2 Reduktionspotenzial von Diesel- und Benzinmotoren der Kompaktklasse Diesel D6 CO2 REDUCTION 12–15 % 3% 3% Down- 1–2 % PFP sized cyl.-# 1–2 % T/C 4–5 % D5 Best-in-class diesel, 2012 Option 2 Option 1 frict. 8-12 % De- throttl. 2–3 % FR 4 cyl. 1.6l T/C, NSC EU6 1–2 % LP-EGR CRP HF adapt. D4 D5 D6 CURRENT POTENTIAL FUTURE POTENTIAL 103 93
31 > in der Sub- und Kompaktklasse werden inner- Durch neue Motorentechnologie wird perspekti- motorische Optimierungen bei Otto- und Die- visch eine weitere Reduzierung des CO2 Ausstos- selmotoren in den Zielbereich führen – für eine ses erreicht werden können, wenn beispielsweise weitere Reduzierung steht die Einstiegshybridi- variable Ventilsteuerung, Direkteinspritzung, sierung16 bereits zur Verfügung; Turboladung und Erhöhung der Kompression eingesetzt werden. Klar ist heute aber auch, dass > d emgegenüber werden große Fahrzeuge das Ziel dem Verbrennungsmotor physikalische Grenzen nicht durch alleinige Optimierungsmaßnahmen für die Reduzierung des CO2 Ausstoßes gesetzt des Verbrennungsmotors erreichen können. Ne- sind. Deshalb kann der jetzt bestehende jährliche ben Gewichtsreduzierung/Leichtbau, Aerody- Minderungsfaktor nicht einfach linear fortge- namik und Reduzierung von Fahrwiderständen schrieben werden. wird eine stärkere Elektrifizierung zwingend erforderlich werden (z. B. Plug-in-Hybrid), was Neben den innermotorischen Lösungen kommen jedoch zu höheren Kosten führen wird. weitere Innovationen hinzu, die den CO2 Ausstoß verringern – die sogenannten Öko-Innovationen. Öko-Innovationen Abb. 11 > Aerodynamik > Leichtbau > Fahrzeugvernetzung zur > Segelfunktionen Vermeidung von Staus (maximales Rollen) > Fahrerassistenzsysteme > Verbrauchsgünstige Routenführung > LED-Lichtsysteme > Wärmemanagement > Wärmepumpen > Vorkonditionierung von Antrieb und Innenraum Quelle: eigene Zusammenstellung. Quelle: eigene Zusammenstellung 16 wie z. B. Boost Recuperation System.
32 Alle diese Maßnahmen, ob beim Motor oder in Erkennbar ist auch, dass mit zunehmender Re- anderen Bereichen, sind nicht umsonst zu haben – duktion des CO2 Ausstoßes die Herstellkosten und die Bereitschaft der Kunden bzw. Autokäu- überproportional steigen werden. Effizienztech- fer ist begrenzt, Geld für zusätzliche Funktionen nologien, Hybridvarianten oder rein elektrische auszugeben, die weder den Komfort noch die Si- Antriebe müssen eingesetzt werden, um die nied- cherheit des Fahrzeuges erhöhen. Allein die Ver- rigeren Grenzwerte überhaupt erreichen zu kön- brauchsreduzierung hat kaum Auswirkungen auf nen. die Zahlungsbereitschaft.17 Abb. 12 Zusätzliche Kosten der Herstellung Tougher emissions regulations will encourage OEMs to invest in e-mobility Additional manufacturing costs 1 EUR 2,000 Electrification required to meet average fleet CO 2 target 1,000 0 CO 2 reduction 2 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % Corresponding fleet targets 95 (3.9) 80 (3.3) 70 (2.9) g/km CO 2 (l/km) 1 Anticipated for 2020, average for gasoline and diesel internal combustion engines 2 Relative to 2010 baseline Quelle: ICCT; McKinsey Quelle: McKinsey 2013:12 – McKinsey (2013): The road to 2020 and beyond: What’s driving the global automotive industry. 17 P orsche geht z. B. davon aus, dass die Mehrkosten zur CO 2 Reduktion pro Fahrzeug in Höhe von 2.000 Euro vom Kunden nicht bezahlt wer- den, sondern über Produktivitätssteigerungen von jährlich 6 % selbst getragen werden müssen (Handelsblatt, 07.08.2014:14 f.).
33 „Die klassischen Verbrennungsmotoren bie- ten durchaus noch Potential zur CO2 Redu- zierung, die auf jeden Fall genutzt werden sollten. Durch sinnvolle, aber anspruchsvolle Grenz- wert-Ziele, in zeitlicher und physikalischer Hinsicht, werden die entsprechenden Inno- vationen und Investitionen auf den Weg Alfred Löckle gebracht. Damit haben die Unternehmen Gesamtbetriebsratsvorsitzender Robert Bosch GmbH Planungssicherheit und über die Innovations- führerschaft können Arbeitsplätze gesichert werden.“ Welche Lösungen, Innovationen oder auch nur Einer einseitigen Veränderungen des Regu- Inventionen in den nächsten Jahren noch zu er- lierungssystems steht die IG Metall kritisch warten sind, kann aus heutiger Sicht nicht ein- gegenüber, da die Gefahr besteht, dass schon geschätzt werden. Erwartet werden kann jedoch, heute getätigte Investitionen in Effizienztech- dass angesichts der hohen Aufwendungen für nologien abgewertet werden und die Innovati- F&E in der Automobilindustrie sowohl bei den onsdynamik abnimmt. Für die Regelung nach Fahrzeugherstellern als auch bei den Automobil- 2020 muss berücksichtigt werden, dass dem zulieferern in dieser halben Dekade eine Vielzahl Verbrennungsmotor physikalische Grenzen an Inventionen entwickelt wird. für die Reduzierung des CO2 Ausstoßes ge- setzt sind. Bei der Festlegung von Emissions- Heute wird schon an Konzepten des „autonomen grenzwerten post 2020 kann deshalb der jetzt Fahrens“ gearbeitet. Die Industrie ist dabei, die bestehende jährliche Minderungsfaktor nicht Vernetzung des Fahrzeugs in Richtung Kommu- einfach linear fortgeschrieben werden. nikation der Fahrzeuge untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur vorzubereiten und sie Ein zu hoher Anspannungsgrad bei den hat die o.g. Effizienztechnologien bereits im An- Emissionsstandards kann zu erheblichen gebot. Hinzu kommt der Einsatz von ultraleichten Mehrkosten pro Fahrzeug führen. Hierdurch Stählen, von Karbon und Aluminium, um Fahr- ist Beschäftigung potentiell gefährdet. zeuggewicht einzusparen. Die IG Metall hält eine Folgenabschätzung im Alle hier nur ausschnitt- und beispielhaft genann- Vorfeld der Neufestlegung des Grenzwertes ten Neuerungen sind vor allem getrieben von der für dringend geboten. CO2 Regulierung. Obwohl in der Vergangenheit diese Grenzwertdiskussion vehement geführt wurde, haben sie Anstrengungen ausgelöst, Lö- sungen zu suchen und zu finden.
Sie können auch lesen