Genitaler Herpes simplex - Diagnose, Management und Beratung in der Praxis
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SCHWERPUNKT Genitaler Herpes simplex Diagnose, Management und Beratung in der Praxis Genitaler Herpes gehört zu den häufigsten sexuell übertragenen Infektionen im Genitalbereich. Diagnose und Management sind komplex. Das Swiss Herpes Management Forum hat kürzlich eine neue Empfehlung zu diesem Thema herausgegeben (1), welche hier mit den wichtigsten Aspekten resümiert ist – mit dem Ziel, die Patientinnenbetreuung und -information zu verbessern sowie die horizontale und vertikale Trans- mission zu verringern. Eine Checkliste für die Beratung soll helfen, die psychosoziale Belastung der Be- troffenen zu vermindern. Anhand klinischer Fallbeispiele wird die Vielfalt der Herpes-bedingten Probleme dargestellt. MARGARET HÜSLER UND URS LAUPER Meist ist der Herpes genitalis durch eine Infektion mit Übertragung Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2) verursacht. Zu- Eine Herpesübertragung auf den Partner (horizontal) nehmend wird aber eine HSV-1-Infektion diagnosti- oder auf das Kind (vertikal) kann trotz fehlender ziert, welche üblicherweise auch für den orolabialen Symptome stattfinden. Die meisten Übertragungen Infekt verantwortlich ist. Primärinfektionen können ereignen sich während einer asymptomatisch verlau- schwer verlaufen. Durch Rezidive können Patientin- fenden Virusausscheidung (4). Latexpräservative re- nen psychosozial stark belastet werden. duzieren das Infektionsrisiko von Mann zu Frau (5). Herpes genitalis ist in der Schwangerschaft und Die suppressive Behandlung mit Valaciclovir verrin- insbesondere bei der Geburt gefürchtet, da eine gert die HSV-2-Übertragung bei Partnern mit diskor- Übertragung auf des Kind möglich ist und zu einer dantem serologischem Status um 50 Prozent (6). Die schweren neonatalen Herpesinfektion führen steigende Verbreitung orogenitaler Sexualpraktiken kann. erklärt die Zunahme der HSV-1-Infekte beim primären Herpes genitalis. Ein vorgängiger Infekt mit Die Primärinfektion HSV-1 scheint nicht vor einer Infektion mit HSV-2 zu Die genitale Primärinfektion mit dem Herpes-sim- schützen, vermindert jedoch die Wahrscheinlichkeit plex-Virus ist eine sexuell übertragene Erkrankung. einer symptomatischen Erkrankung. Besteht noch keine Herpes-simplex-Virus-Immunität HSV-2-Seropositivität begünstigt eine HIV-Übertra- durch eine vorausgegangene orale Infektion, kann gung (7). Eine Kontaktübertragung beispielsweise sie schwer verlaufen mit starken Schmerzen, fiebriger durch Petting oder oralen Sex ohne Penetration, ist Vulvitis, Kolpitis und Zervizitis (siehe Fallbeispiel 1 im möglich (siehe Fallbeispiel 2 im Kasten). Kasten) bis zum Harnverhalten. 80 bis 90 Prozent der Schweizer Gesamtbevölkerung besitzen gemäss einer Studie mit Blutspendern Antikörper gegen Her- pes-simplex-Viren (zirka 70% gegen HSV-1, zirka 20% gegen HSV-2). Zwischen HSV-1 und HSV-2 besteht eine partielle Kreuzimmunität, deshalb läuft eine ge- nitale Primärinfektion oft auch asymptomatisch ab. Man schätzt, dass von 25 SchweizerInnen eineR an einem rezidivierenden Herpes genitalis leidet. Rezi- dive verlaufen milder, können aber durch ihre Fre- quenz psychosozial sehr lästig sein. Sowohl HSV-1 als auch HSV-2 können für die genitale Primärinfektion verantwortlich sein. Heute nimmt der Anteil an genitaler HSV-1-Infektion stark zu (2, 3). Im Genitalbereich führt eine HSV-2-Infektion häufiger zu Abbildung 1: Primärer Herpes genitalis der Portio mit erosiver Rezidiven. Zervizitis 4 GYNÄKOLOGIE 4/2005
SCHWERPUNKT Klinische Fallbeispiele: vielfältige Probleme bei Herpes genitalis Fallbeispiel 1 Eine 21-jährige Portugiesin meldet sich mit Unterbauchschmerzen. Das Abdomen ist im Unterbauchbereich dolent, weich, ohne peritonitische Zeichen. Inguinal zeigt sich eine dolente Lymphknotenschwellung beid- seits. Die Vulva ist unauffällig ohne Hautveränderungen. In der Spekulumeinstellung zeigt sich eine stark gerötete, erosive Portio (Abbildung 1). Im Abstrich dieser Läsion kann ein Herpes genitalis nachgewiesen werden. Beurteilung: Erstmanifestation einer genitalen Herpesinfektion mit dem klinischen Leitsymptom Un- terbauchschmerz ohne Vulvabefund. Fallbeispiel 2 a Eine 18-jährige Frau, anamnestisch Virgo, meldet sich wegen starker Schmerzen im Vulvabereich und Harn- verhalten. Die Patientin wird von der sehr besorgten Familie begleitet. Klinisch bestätigt sich die Virginität mit dem Nachweis eines intakten Hymens. Es zeigen sich eine schmerzhafte, massiv gerötete, ödematöse Vulva mit konfluierenden Ulzerationen und geschwollene, dolente inguinale Lymphknoten. Klinisch weist dies eindeutig auf eine Primärinfektion mit Herpes hin. Es kann eine HSV-1-Infektion nachgewiesen werden. Um einen Dauerkatheter zu legen, ist eine Kurznarkose nötig. Da der Urethraeingang relativ unaffektiert ist, wird ein urethraler Dauerkatheter gelegt. Dieser Fall zeigt, dass Petting oder Kissing für eine schwere HSV-Primärinfektion reicht und dass gegebe- nenfalls eine Kurznarkose für die Kathetereinlage notwendig ist. Es soll zwischen urethralem Dauerkatheter und suprapubischem Katheter abgewogen werden. Fallbeispiel 3 b Eine 33-jährige Zweitgebärende mit positiver Herpesanamnese und bisher 2 bis 3 Rezidiven: In dieser Abbildung 2: Schwangerschaft traten bis anhin keine Rezidive auf. Die Patientin wünscht sich eine Spontangeburt. Sie hat a) Multiple, teils verkrustete Vesikel mit geröte- ab der 34. SSW prodromale Symptome ohne Hautläsionen. Deshalb wird sie ab der 36. SSW mit Valaciclovir tem Grund auf Gesicht und oberer Extremität (2 x 250 mg/Tag) suppressiv behandelt. In der 39. SSW wird ein gesundes Kind durch eine vaginale Ge- b) Verkrustete Vesikel auf der Handfläche (Bilder freundlicherweise von Dr. U. Zimmermann zur burt geboren. Verfügung gestellt) Fallbeispiel 4 Junge Primipara mit Herpes-genitalis-Rezidiv im ersten Trimenon und bis anhin unauffälligem Schwanger- schaftsverlauf: In der Spontangeburt am Termin wird ein 3450 g schweres Mädchen geboren. Beim Kind fallen an den oberen Extremitäten und im Gesicht multiple, teils verkrustete Vesikel mit gerötetem Grund auf (Abbildung 2a und 2b). Das Kind ist sonst klinisch und neurologisch unauffällig. Mittels PCR kann ein 1. Zellkultur HSV-Typ 2 aus dem Bläscheninhalt nachgewiesen werden. Differenzialdiagnostisch kommt eine in der Spät- 2. Virusantigennachweis (Enzymimmuno- schwangerschaft erworbene, auf die Haut lokalisierte Infektion in Frage. assay oder Immunofluoreszenz) Dieses Kind zeigt im MRI ausgedehnte Hirnläsionen. Es kann aufgrund der Ausdehnung des Befundes auf 3. Polymerasen-Kettenreaktion (PCR) mit eine Infektion des Kindes am Ende des zweiten Trimenons geschlossen werden mit einem kutanen Rezidiv Nachweis von Teilen des Virusgenoms. bei der Geburt. Das Kind wird hospitalisiert und für drei Wochen mit Aciclovir, 30 mg/kg/Tag, behandelt. Es kann mit abgeheilten Hautläsionen, neurologisch unauffällig, entlassen werden. Aufgrund der Hirnläsio- Antikörpernachweis im Blut nen ist aber eine psychomotorische Entwicklungsstörung zu erwarten. Mit dem Nachweis von typenspezifi- schen IgG gegen das Glykoprotein von Diagnose Rezidivierenden Herpes-genitalis-Infek- HSV-1 (gG-1) oder das Glykoprotein von Klinik tionen geht oft ein Jucken oder Brennen HSV-2 (gG-2) kann die Diagnose einer In- Bei über der Hälfte der Infizierten bleibt an der Ausbruchsstelle und/oder neural- fektion mit HSV-1 oder HSV-2 in Abwe- der Primärinfekt asymptomatisch. Bei giforme Schmerzen voraus. Danach senheit von Läsionen gestellt werden. symptomatischen Patienten können drei folgen die klassischen Symptome mit Sofern sich im Abstrich Herpesviren Tage bis zwei Wochen nach Kontakt gruppierten, dolenten Bläschen, die nachweisen lassen, in der Serologie aber gruppierte, schmerzhafte Bläschen auf- in Ulzerationen übergehen. Die Symp- der Herpes-IgG-Wert negativ ist, besteht treten, die nach mehreren Tagen in Ulzera- tome sind milder als bei der Primär- in der Regel eine Primärinfektion. Es tionen übergehen. Zudem besteht eine infektion, und Allgemeinsymptome sind muss aber hinzugefügt werden, dass es schmerzhafte, inguinale Lymphknoten- seltener. Ein Rezidiv kann auch an atypi- nach einer HSV-Primärinfektion Wochen schwellung. Bis zu 20 Prozent der Betrof- schen Lokalisationen, wie im Gesäss-, im bis Monate dauern kann, bis die ty- fenen weisen eine Dysurie auf, die im Anal- oder im Oberschenkelbereich er- penspezifische Immunantwort ausgebil- schlimmsten Falle zu einem akuten folgen, vor allem, wenn eine Immun- det ist. Eine antivirale Medikation kann Harnverhalt führen kann (Fallbeispiel 2 schwäche besteht. Meistens bestehen zusätzlich die Serokonversion verzögern. im Kasten). Mehr als die Hälfte der Pa- Rezidive auf dem Grund einer HSV-2-In- Bei längerer rezidivfreier Zeit ohne zu- tienten leidet an Allgemeinsymptomen. fektion. sätzliche Exposition können die IgG all- Bis zu ein Drittel der Frauen weist eine mählich wieder verschwinden. aseptische Meningitis auf (8). Beide Virusnachweis im Abstrich In sehr seltenen Fällen ist die humorale HSV-Typen zeigen ein identisches klini- Es gibt drei Grundprinzipien des Virus- Immunantwort nicht gegen das in den sches Bild. nachweises (vgl. Tabelle 1): Tests verwendete gG-2 gerichtet. GYNÄKOLOGIE 4/2005 5
SCHWERPUNKT Tabelle 1: Virusnachweis Methode Entnahmeort Sensitivität Spezifität Vorteile Nachteile (17–19) Virusnachweis mittels Hautläsionen (Stadium) > 95% – Einfache Entnahme – Virustransportmedium notwendig Zellkultur – Bläscheninhalt > 90% – Typisierung möglich – Transport schnell, gekühlt, lichtgeschützt Preis: 80 Taxpunkte – Ulzera 80% – Resistenzphänotyp möglich – Resultat nach 2–7 Tagen verfügbar – Krusten 40% – Absprache mit Labor sinnvoll – ohne Läsionen < 40% Biopsien 40–80% Konjunktivalabstrich bei Neugeborenen Antigennachweis Abstriche von Läsionen, 41–80% 80% – Einfache Entnahme – Nur für frische Läsionen mittels ELISA Bläscheninhalt mit – Schnell (< 4 h möglich) Preis: 35 Taxpunkte Bläschengrund – Typisierung möglich Immunfluoreszenz Ausstriche, Gewebeschnitte 41–70% > 95% – Anspruchsvoll – Nur für frische Läsionen (Nachweis von Abstriche von Bläschengrund – Schnell (< 4 h möglich) infizierten Zellen) – Typisierung möglich Preis: 25 Taxpunkte «Polymerase chain Liquor 98% > 95% – Empfindlichste Methode – Nur in spezialisierten Labors reaction» (PCR) Kammerwasser – Typisierung möglich – Nicht standardisiert Preis: 170 Taxpunkte (Hautläsionen und Bläscheninhalt * > 99% – Resistenz Genotyp möglich – Kontaminationsrisiko möglich, aber nicht empfohlen) – Liquor als Probe validiert! – Nicht für alle Proben validiert *etwa 20% sensitiver als Zellkultur mehäufigkeit im Vergleich zu Aciclovir re- Tabelle 2: duziert werden kann (9). Die Wahl des Behandlung immunkompetenter Patienten mit Herpes genitalis Medikamentes richtet sich nach Aspek- Gilt für Registrierungen in der Schweiz ten der Verträglichkeit, der Compliance Erstepisode Rezidiv und der Kosten. Episodische Therapie Aciclovir oral 5 x 200mg/d x 5–10d Aciclovir oral 5 x 200mg/d x 5d Topische antivirale Therapeutika zeigen Valaciclovir 2 x 500mg/d x 5–10d p.o. Valaciclovir 2 x 500mg/d x 3–5d in Studien keinen klinischen Nutzen und Famciclovir 3 x 250mg/d x 5–10d p.o. Famciclovir 2 x 125mg/d x 5d werden nicht empfohlen (10). Aciclovir iv. 3 x 5mg/kg/d x 5d Suppressive Terapie Aciclovir oral 2 x 400mg/d (bei >6 x/Jahr od. Valaciclovir 2 x 250mg/d (>10 Rezidive/Jahr) Therapie der Erstperiode starker Auswirkung auf Valaciclovir 1 x 500mg/d (
SCHWERPUNKT gesetzt werden. Lokalanästhetika sollen aufgrund einer Sensibilisierungsgefahr Tabelle 3: nur mit Zurückhaltung benützt werden. Checkliste für die Beratung betroffener Patientinnen Empfohlen wird eine lokale antiseptische (revidiert nach Swiss Herpes Management Forum) und antiphlogistische Behandlung mit ● Verursachende Viren HPV 1 und 2 iodhaltigen oder adstringierenden Lö- HPV 2 mit Rezidivpotenzial, wird häufiger asymptomatisch sungen (Gerbstoffe) mittels Sitzbädern ausgeschieden oder Kompressen. ● Übertragung – Durch sexuellen Kontakt – Kontaktübertragung z.B. durch Petting, ohne Penetration, ist möglich Rezidivtherapie – Orogenital Je nach Ausprägung der Rezidive wird zu- – Meistens erfolgt die Übertragung bei asymptomatischer sammen mit der Patientin/dem Patienten Virusausscheidung entschieden, ob eine episodische oder – Häufiger bei Immunsupprimierten eine suppressive Therapie erfolgen soll. – Häufiger bei Patienten mit > 12 Rezidiven/Jahr Eine episodische Behandlung soll inner- ● Vermeidung einer Übertragung – Kondome verringern die Übertragung einer Infektion vom halb von 24 Stunden nach Eintreten der Mann auf die Frau – Bei Prodromen oder Läsionen soll auf Sex mit Nicht- Symptome begonnen werden. Sie dau- infizierten verzichtet werden (deshalb serologische ert drei bis fünf Tage. Die Dauer einer Abklärung des Partners hilfreich) Episode kann so um ein bis zwei Tage ● Verlauf und Formen der Erkrankung – Rezidivpotenzial (HPV 2) verkürzt werden. Damit die Therapie von – Asymptomatische Virusausscheidung, 80 Prozent der der Patientin selber sobald als möglich Infektionen asymptomatisch, eine von 6 Personen eingeleitet werden kann, benötigt sie ein weltweit infiziert Rezept oder eine Starterpackung. – Atypische Symptome (serologisch HSV nachgewiesen) ● Information der Sexualpartner – Motivation der Patientin, gegenwärtige und zukünftige Die suppressive Behandlung unterdrückt Sexualpartner über ihren Infektionsstatus zu informieren rund 80 Prozent der Rezidive und ist be- – Sexualpartner sollen aufgeklärt werden, dass sie infiziert sonders geeignet für Patientinnen mit sein können, ohne je Symptome gehabt zu haben mehr als sechs Rezidiven pro Jahr. Da mit – Die typspezifische Serologie beim Partner ist wichtig für der Zeit die Rezidivrate spontan ab- notwendige Vorsichtsmassnahmen nimmt, kann die suppressive Behand- ● Schwangerschaft – Information des betreuenden Arztes, Geburtshelfers und lung nach sechs bis zwölf Monaten Pädiaters bei HSV-2 probeweise abgesetzt werden. Treten – Nichtinfizierte Schwangere sollen keinen ungeschützten Sexualkontakt (oral, genital) mit infizierten Partnern haben weiterhin häufige Rezidive auf, kann die ● Neonataler Herpes – Schwer wiegende Komplikation suppressive Therapie wieder aufgenom- – Selten men werden. ● Therapieoptionen – Episodische antivirale Therapie – Suppressionstherapie Sonderfall: immunsuppri- – Unspezifische Lokaltherapie mierte Patienten ● Suppressionstherapie – Vereinzelt trotzdem Rezidive (kürzer, weniger schwer) Insbesondere bei fortgeschrittener HIV- Medikamentendosis kann vorübergehend erhöht werden – Keine Änderung des Krankheitsverlaufs nach Absetzen Infektion beobachtet man chronische der Therapie oder schwere Herpes-genitalis-Verläufe. – Mit der Zeit weniger Rezidive, Absetzversuche Es empfiehlt sich eine episodische oder – Signifikante Wirkung auf die Virusausscheidung, suppressive HSV-Therapie. Schwere Fälle Übertragungsrisiko reduziert können eine intravenöse Verabreichung – Nebenwirkungen selten notwendig machen. Die Wahrscheinlich- – Keine Resistenzprobleme bei Immunkompetenten keit der Selektion resistenter Stämme steigt mit dem Grad der Immunsuppres- sion und der Anzahl der antiviralen Be- Primärinfekte ein höheres Risiko als Rezi- Zudem gilt: Die klinische Unterschei- handlungen. Ein Spezialist muss frühzei- dive und HSV-1- ein grösseres als HSV-2- dung zwischen Primärinfektion und Re- tig hinzugezogen werden. Infektionen. Bei einem positiven Virus- aktivierung in der Schwangerschaft ist nachweis zum Zeitpunkt der Geburt liegt nicht möglich. Die meisten Primärinfek- Sonderfall: Herpes genita- das Risiko einer Primärinfektion des Neu- tionen sind asymptomatisch. lis in der Schwangerschaft geborenen um 30 Prozent; besteht bei Weder ein serologisches noch ein virolo- HSV-1 oder HSV-2 werden sehr selten der Mutter ein Rezidiv, liegt das Infek- gisches Screening vor der Geburt erlau- von der Mutter auf das Neugeborene tionsrisiko des Neugeborenen unter ben eine zuverlässige Erfassung der von übertragen; sofern aber geschehen, 1 Prozent. Die primäre Sectio caesarea einer Herpesinfektion bedrohten Neu- kann die Infektion das Kind schwer schä- reduziert das Übertragungsrisiko signifi- geborenen. digen (11). Dabei bergen mütterliche kant (12a und 12b). 8 GYNÄKOLOGIE 4/2005
SCHWERPUNKT Management bei Schwangeren Die neonatale Infektion mendations for the managemnent of genital her- Schwangere mit einer ersten klinischen mit Herpes simplex pes and herpes simplex virus infection of the neo- Episode oder einem Rezidiv können mit In der Hälfte der Fälle manifestiert sich die nate. Swiss Med Wkly 2004; 134: 205–214. Aciclovir oder Valaciclovir in den emp- kindliche Infektion lokalisiert auf Haut, 2. Lowhagen, G., Tunback, P., Bergstrom, T.: Pro- portion of herpes simplex virus (HSV) type 1 and fohlenen Dosen behandelt werden (vgl. Augen und/oder auf den Mundbereich type 2 among genital and extragenital HSV isola- Tabelle 2). Eine suppressive Therapie ab (siehe Fallbeispiel 4 im Kasten). In 33 Pro- tes. Acta Derm Venereol. 2002; 82(2): 118–20. der 36. Schwangerschaftswoche bis zur zent liegt vorwiegend ein ZNS-Befall vor 3. Roberts, CM., Pfister, JR., Spear, SJ.: Increasing Entbindung reduziert die Häufigkeit klini- mit einer neonatalen Herpesenzephalitis. proportion of herpes simplex virus type 1 as a cause scher Manifestationen sowie die Virusaus- Diese führt häufig zu bleibenden Schäden. of genital herpes infection in college students. Sex scheidung bei der Geburt, sodass gege- In 17 Prozent zeigt sich die disseminierte Transm Dis. 2003; 30(10): 797–800. benenfalls eine vaginale Geburt erlaubt Form, welche mit einer Hepatitis, Pneu- 4. Brown, Z.A. et. al.: The acquisition of herpes ist (siehe Fallbeispiel 3 im Kasten [13]). monie und einer disseminierten intravasa- simplex virus during pregnancy. N. Engl. J. Med. Eine positive Anamnese ohne klinische len Gerinnung und Schock einhergeht, 1997; 21, 337(8): 509–15. Symptome zum Geburtsbeginn ist keine was eine hohe Letalität zur Folge hat. 5. Wald, A. et al.: Effect of condoms on reducing Indikation für eine Sectio caesarea. Be- Da der grösste Teil der neonatalen Her- the transmission of herpes simplex virus type 2 from stehen bei Geburtsbeginn Symptome pesinfektionen nach negativer mütterli- men to women. JAMA 2001; 27, 285(24): 3100–3106. (Läsionen oder prodromale Schmerzen cher Anamnese auftritt, muss an eine 6. Corey, L. et al.: Valacyclovir HSV Transmission oder Brennen) und/oder ein positiver neonatale Herpesinfektion gedacht wer- Study Group. Once-daily valacyclovir to reduce the risk of transmission of genital herpes. N. Engl. J. Virusnachweis, ist ein Kaiserschnitt indi- den, wenn beim Neugeborenen fol- Med. 2004; 350(1): 11–20. ziert. gende Symptome auffallen: 7. Wald, A. et al.: Risk of human immunodefi- Bei Blasensprung und anzunehmender ■ Charakteristische Haut- oder Schleim- ciency virus infection in herpes simplex virus type 2- fötaler Lungenreife ist ein Kaiserschnitt hautläsionen seropositive persons: a meta-analysis. J Infect Dis. möglichst rasch durchzuführen, spätes- ■ Konjunktivitis (insbesondere bei Injek- 2002; 185(1): 45–52. (Epub 2001 Dec 14) tens innert vier bis sechs Stunden. Bei un- tion der Conjunctiva bulbi) bzw. Kera- 8. Corey, L. et al.: Genital herpes simplex virus in- reifer Lunge gibt es keine gesicherten titis fections: clinical manifestations, course, and com- Entscheidungsgrundlagen. Das Frühge- ■ Krämpfe und/oder Lethargie ohne an- plications. Ann Intern Med. 1983; 98(6): 958–972. burtsrisiko muss gegen ein geringes verti- dere Erklärung Review. kales Übertragungsrisiko trotz antiviraler ■ Fieber 9. Fife, K.H. et al.: Valaciclovir versus acyclovir in Therapie abgewogen werden. Das Risiko ■ Andere systemische Symptome ohne the treatment of first-episode genital herpes infec- eines expektativen Vorgehens bei andere Erklärung. tion. Results of an international, multicenter, double-blind, randomized clinical trial. The Vala- Schwangeren mit rezidivierendem Herpes ciclovir International Herpes Simplex Virus Study genitalis und vorzeitigem Blasensprung Beratung der Patientin Group. Sex Transm Dis. 1997 24(8): 481–486. scheint gering zu sein. In diesen komple- und ihres Partners 10. Corey, L. et al.: A trial of topical acyclovir in ge- xen Fällen ist die sofortige Verlegung in Die psychosoziale Belastung insbeson- nital herpes simplex virus infections. N. Engl. J. ein Perinatalzentrum zu empfehlen (14). dere des rezidivierenden Herpes genita- Med. 1982; 306(22): 1313–1319. Nach einem klinischen Rezidiv während lis muss ernst genommen werden. Auch 11. Meylan, P.: Neonataler Herpes. In: SPSU-Jah- der Schwangerschaft ist eine vaginale der Sexualpartner soll einbezogen und resbericht 2002. BAG Bulletin 2003; 37: 643. Geburt möglich, solange keine klini- bei Symptomen behandelt werden. 12a. Brown, Z.A. et al.: Neonatal herpes simplex vi- schen Symptome mehr vorhanden sind. Als Informationsquelle für die Betroffe- rus infection in relation to asymptomatic maternal Für den Fall einer Primärinfektion oder nen können zusätzlich zu Drucksachen infection at the time of labor. N. Engl. J. Med. 1991; einer Initialinfektion mit dem anderen auch folgende Internetsites nützlich sein: 324(18): 1247–1252. HSV-Typ ist die optimale Vorgehens- ■ www.herpes-help.ch 12b.Brown, Z.A. et al.: Effect of serologic status and weise momentan noch nicht definiert. ■ www.herpesalliance.org. cesarean delivery on transmission rates of herpes simplex virus from mother to infant. JAMA 2003; Die meisten Guidelines empfehlen eine Auf welche Aspekte in der Beratung spe- 289(2): 203–209. Sectio caesarea bei allen Frauen, die vier ziell eingegangen werden soll, ist in Ta- 13. Sheffield, J.S. et al.: Acyclovir prophylaxis to bis sechs Wochen vor der Geburt eine belle 3 zusammengefasst. ■ prevent herpes simplex virus recurrence at delivery: klinische Erstmanifestation aufweisen a systematic review. Obstet Gynecol. 200; 102(6): Dr. med. Margaret Hüsler (15). Einige Experten denken jedoch, und Dr. med. Urs Lauper 1396–1403. dass der Fötus bei einer vaginalen Ge- Geburtshilfliche Klinik 14. Major, C.A. et al.: Expectant management of UniversitätsSpital Zürich burt bis zum Erscheinen von typspezifi- Frauenklinikstrasse 10 preterm premature rupture of membranes compli- schen Antikörpern einem Risiko ausge- 8091 Zürich cated by active recurrent genital herpes. Am J Ob- E-Mail: Margaret.Huesler@usz.ch setzt ist, das noch acht bis zwölf Wochen stet Gynecol. 2003; 188(6): 1551–1554. postpartal erhöht sein kann. Seronega- 15. Watts, D.H. et al.: A double-blind, randomized, tive Patientinnen mit einem seropositi- Quellen: placebo-controlled trial of acyclovir in late preg- ven Partner (HSV-1 oder HSV-2) sollen 1. Büchner, S., Garweg, S., Gerber, S.,. Hirsch, H.H., nancy for the reduction of herpes simplex virus Kempf, W., Lauper, U., Lautenschlager, S., Meylan, P., shedding and cesarean delivery. Am J Obstet Gyn- während der Schwangerschaft mit Kon- Nadal, D., Reusser, P., Wunderli, W.: Swiss recom- ecol. 2003; 188(3): 836–843. domen verhüten. 10 GYNÄKOLOGIE 4/2005
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