FILMKONTINENT AUSTRALIEN HENRI CARTIER-BRESSON TRIBUTE TO XHANFISE K EKO ES GIBT KEINE REGELN! NIEDERLÄNDISCHE AVANTGARDEFILME BÉLA TARR. FILM UND ...
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4. April bis 9. Juni 2019 Filmkontinent Australien Henri Cartier-Bresson Tribute to Xhanfise Keko Es gibt keine Regeln! Niederländische Avantgardefilme Béla Tarr. Film und Masterclass www.filmmuseum.at
editorial antipoden Australien: Das bedeutet für uns Europäer landläufig »The House, the Rock and the Reef«, also Jørn Utzons berühmtes Operngebäude, Uluru (vormals: Ayers Rock) und tropische Korallenriffe. Als Öster- reicher, der mehrere Jahre in Australien lebte (und im Kulturbereich arbeitete) hörte ich das oft: Es gäbe ja in dieser »jungen« Nation am anderen Ende der Welt »keine Kultur«. Dass das nicht stimmt, wollen wir mit unserer großen Frühjahrs- retrospektive zum australischen Kino zeigen. Nicht nur ist der Konti- nent das Zuhause der ältesten, kontinuierlich bestehenden Kulturen der Welt (der Aborigines-Völker). Auch wird in Australien seit dem späten 19. Jahrhundert Film gemacht und damit werden die gesell- schaftlichen Konflikte des Landes auf der Leinwand verhandelt: Kolonialismus, Mensch und ökologische Zerstörung, die Dialektik der Aufklärung und die Wiederkehr des Unheimlichen und der Geister. Das alles gibt es erstmals in Form einer umfassenden Filmschau zu sehen. Und natürlich auch popular favourites und australische Ikonen wie Priscilla, Muriel, Mick Dundee und Mad Max. Ohne die großartige Unterstützung unserer Freunde im National Film and Sound Archive (Canberra) und der Australischen Botschaft in Wien wäre eine Retrospektive wie diese nie möglich gewesen: Ihnen allen einen herzlichen Dank. Was gibt es noch? Ganz viel, von jüdischen Familienfilmen der 1940er Jahre bis zu den Wiener Festwochen der Gegenwart, von der kleinen Kurzfilmform bis zum internationalen Filmsymposium. Viel mehr, als in diesem Editorial Platz hat, auf den folgenden Seiten. Ich wünsche Ihnen einen spannenden Frühling im Filmmuseum. Michael Loebenstein
inhalt 3 Filmkontinent Australien 46 Henri Cartier-Bresson 47 In memoriam Jonas Mekas 48 Films You Cannot See Elsewhere. Amos-Vogel-Atlas Kapitel 2 49 Tribute to Xhanfise Keko 52 Treibgut. Ivan und seine Brüder 53 In person. Bjørn Melhus, Alex Gerbaulet & Anna Vasof 56 Es gibt keine Regeln! Restaurierte und wiederentdeckte niederländische Avantgardefilme 60 Béla Tarr. Film und Masterclass 61 Filmmuseum ist. Wien im Film 62 Radical(s). Orphan Film Symposium 63 Schule im Kino. Vermittlungsprogramme des Filmmuseums 67 Spielplan. Alle Filme von 4. April bis 9. Juni 2019 71 Allgemeine Informationen 72 Impressum Innerhalb eines Themas sind die Filme in der Reihenfolge ihrer Programmierung geordnet. Das Filmmuseum zeigt Werke aus der Geschichte des Films grundsätzlich in analoger Kinoprojektion und ist um Kopien im jeweiligen Originalformat bemüht (35mm- und 16mm-Film). Video- und digitale Arbeiten sowie Fernsehproduktionen werden in Videoformaten bzw. digital projiziert. Sonderfälle werden speziell ausgewiesen. abkürzungen r Regie b Drehbuch k Kamera M Musik d Darsteller oF Originalfassung omeu Originalfassung mit englischen Untertiteln omdu Originalfassung mit deutschen Untertiteln omd/f u Originalfassung mit deutschen und französischen Untertiteln zt Zwischentitel • Veranstaltungen mit Gästen oder Einführungen dank Martha Ansara; Wolfgang Bihlmeir (Werkstattkino); Donald Boyd; Emma Braun, Barbara Wünsch (Kunst Haus Wien); James Brennan, Leon O’Regan (Umbrella Entertainment); Anthony Buckley; Émilie Cauquy (Cinémathèque française); Rick Chauvel Carlsson; Mark Cousins; Tom Cowan; Christine Dollhofer, Katharina Riedler, Sabine Gebetsroither (Crossing Europe); Daniel Ebner, Doris Bauer (VIS Vienna Shorts); Antje Ehmann (Harun Farocki GbR); Iris Elezi und Thomas Logoreci; Albert Falzon; Jean-Baptiste Garnero (CNC); Maxime Grember (Ciné/Archives); Sandy Harbutt; Rolf de Heer; Yvonne Illich; Elisabeth Jaquemar, Brendon Hammer, Michael J. Dundee (Australische Botschaft in Wien); Peter Kubelka; Bryce Menzies; Simona Monizza, Marius Hrdy, Marleen Labijt (Eye Filmmuseum); Philippe Mora; Jan Müller, Meg Labrum, Tara Marynowsky, Steph Carter, Harry Ree, Michael Karris, Sean Bridgeman (National Film and Sound Archive of Australia); Tamara Nagy (Hungarian National Film Fund/Film Archive); Phillip Noyce; Daniel Ostroff; Volker Pantenburg; Hannah Prouse, George Watson (BFI); Eugene Quinn; Jed Rapfogel (Anthology Film Archive); Aude Raimbault (Fondacion Henri Cartier-Bresson); Andre Schäublin (Cinémathèque suisse); Christophe Slagmuylder (Wiener Festwochen); Dan Streible (The Orphan Film Symposium); Natalie Stuart; Béla Tarr; Brian Trenchard-Smith; Ingrid und Peter Weir; Jon Wengström, Johan Ericsson (Svenska Filminstitutet); John Weiley; Lindsay Zarwell (United States Holocaust Memorial Museum); Ingo Zechner (LBIDH)
4. april bis 4. Juni 2019 Filmkontinent australien NFSA Die große Frühjahrs-Retrospektive des Filmmuseums widmet sich Charlie’s einem ganzen Kontinent: dem Kino Australiens und zwar der Spiel- Country (2013, Rolf de Heer) filmproduktion down under. Wenngleich einzelne australische Spielfilme tief im kollektiven Gedächtnis verankert sind – denken Sie etwa an Crocodile Dundee, Muriel’s Wedding, Babe, The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert oder die Mad Max-Tetralogie – auf der Karte des Weltkinos ist Australien eher terra incognita denn erschlossenes Land. Unsere Retrospektive, die mehr als 50 Spielfilme umfasst, trägt diesem Um- stand Rechnung: Erstmals wird es in großem Umfang möglich sein, Schlüsselfilme wie auch Obskures und Randständiges aus 100 Jahren Filmproduktion zum Teil als Österreich-Premieren auf der Leinwand zu sehen. »Australisches Kino«: Was ist das überhaupt? Die Frage nach einem autochtonen Kino beschäftigte die lokale Filmproduktion und Film- kritik von Beginn an. Außerhalb des Commonwealth ist es kaum be- kannt, dass Australien zwischen 1900 und 1911 eine der umtriebigsten Filmindustrien weltweit hatte. So entstanden schon um 1906 vor ent- APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 3
sprechenden Entwicklungen in den USA oder Großbritannien in den gerade erst unabhängig gewordenen Kolonien die ersten narrativen Langfilme. Populäre Gattungen wie die des »Bushranger«-Films nah- men die Western-Welle Hollywoods und manche ihrer Topoi vorweg. Diesem ersten Boom folgte ab Mitte der 1910er Jahre ein ökonomi- scher Niedergang, der die Identität und das Selbstbild der »Film- nation Australien« langfristig bestimmen sollte. Das australische Kino ist zuallererst mit sich in der Krise: Konjunkturwellen künstlerisch aufsehenerregender Werke beziehungsweise internationaler Über- raschungserfolge wechseln immer wieder mit Dürreperioden. Der Marktdominanz des amerikanischen Kinos an der heimischen Kasse steht ein stetiger »brain drain« von Filmschaffenden in Richtung USA und nach England gegenüber. Die Frage, was denn nun genuin »australisch« an ihrem Kino sei, zielt tief ins konfliktbeladene Herz der Nation. Australien, das sind Widersprüche, Dichotomien: eine westlich-angelsächsisch geprägte Demokratie, die Asien und dem Südpazifik näher ist als dem Mutter- land; eine Nation, die sich stolz über die Emanzipation ihrer (Straf-) Kolonien vom Empire definiert und trotzdem bis weit in die Gegen- wart hinein das Unrecht an ihrer indigenen Bevölkerung verleugnete und perpetuierte; eine hochentwickelte und urbanisierte Industrie- nation, die ungebrochen den Mythos des Outback und des Bush, also einer ungezähmten und wilden Natur, beschwört. Diese Dichotomien – Freiheit und Knechtschaft; System und Out- laws; Stadt und Land; Zivilisation und Wildnis; Schwarz und Weiß; Eigenes und Fremdes – ziehen sich auch wie ein roter Faden durch unsere Filmauswahl. Beispielhaft seien jene Filme genannt, die in den 1960ern und 1970ern von Besuchern des roten Kontinents gemacht wurden: von den Engländern Michael Powell (They’re a Weird Mob) und Nicolas Roeg (Walkabout, den wir bereits im März zeigten) oder vom Kanadier Ted Kotcheff (Wake in Fright, vielleicht der ultimative Outback-Film). Filme, die gerade durch den unverstellten Blick von außen tief ins kollektive Unbewusste des Landes zu blicken vermö- gen. Dass sich diese Tradition bis in die Gegenwart fortsetzt, zeigen die Filme des gebürtigen Niederländers Rolf de Heer (The Tracker und Charlie’s Country). Die Mehrzahl der Filme in unserer Schau stammen aus den 1970ern und 1980ern, als in Folge einer ersten Neuen Welle von Autorenfilmer/innen (poetisch als »Australian Film Renaissance« be- APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 4
zeichnet) ein Filmförderungsgesetz verabschiedet wurde und eine The Devil’s Flut australischer Produktionen fürs Kino entstanden. Prominent sind Playground (1976, Fred hierbei natürlich die »großen Namen«, die auch alle mit Schlüssel- Schepisi) werken in der Schau vertreten sind: Peter Weir, Phillip Noyce, George Miller, Bruce Beresford, Gillian Armstrong und Jane Campion. Zu entdecken sind aber auch außerhalb Australiens weniger geläufige Autor/innen wie Tim Burstall, Fred Schepisi oder Paul Cox sowie Genre-Verweigerer und Anarchisten wie Albie Thoms und Philippe Mora, deren Filme zwischen dadaistischem Kunstanspruch, Pastiche und Trash oszillieren. Trash, beziehungsweise Ozploitation (ein Neologismus aus »Oz« für »Australia« und »Exploitation«) ist ein weiteres wichtiges Schlag- wort. Geister und das Übernatürliche, derber Humor, versteckte sowie explizite, rohe Gewalt sind wichtige Motive in der australischen Folklore. Wir zeigen, wie die Ozploitation-Welle ihrerseits Kern- themen der australischen Identität und Mentalität verhandelt. Sex- komödien wie Alvin Purple oder The Adventures of Barry McKenzie feierten und karikierten zugleich das männliche Mateship-Selbstbild. APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 5
Die den Aborigines entrissene »urwüchsige« australische Wildnis wird zum Schauplatz von Geister- und Horrorfilmen, zu denen Klassi- ker wie Peter Weirs Picnic at Hanging Rock ebenso wie die Ozploita- tion-Schlüsselwerke Long Weekend oder Wake in Fright gehören. Unsere Auswahl demonstriert, wie fließend im australischen Kino der 1970er die Grenzen zwischen Autor/innenfilm und Kommerzware sind: Manche Filme von Vorzeigeregisseur/innen wie Weir (darunter sein Meisterwerk The Plumber) oder Bruce Beresford werden der Ozploitation zugerechnet. Grenzfälle wie Tom Cowans wildes, femi- nistisches Historienstück Journey Among Women – eine Art radikales Pendant zu Picnic at Hanging Rock – wurden ihrerseits und mit Erfolg als Exploitationfilme vermarktet. Ebenfalls zu sehen sind Produktionen, die traditionelle Genre-For- meln mit einer spezifisch australischen Sensibilität versahen: Western (Mad Dog Morgan), Martial-Arts (The Man from Hong Kong), Biker- Movies (Stone) oder Horror in zahlreichen Spielarten (von Patrick bis Howling III). Und natürlich George Millers Mad Max-Serie, die so viele, ganz und gar australische Momente und Motive zusammenführt: den Mythos des Outlaws und Rebellen, die Liebe zum Trash, zur Ver- kleidung und zur Popkultur, kantige Männlichkeit, mateship und noch viel toughere Frauen, Techno-Fetisch und Do-It-Yourself Schrott- Ästhetik. Und das endlose, sonnenverbrannte Land (selbst wenn es wie in Fury Road in Namibia statt im australischen Outback gefilmt wurde). Ist damit das australische Kino in all seinen Facetten erschöpfend gewürdigt? Mitnichten. Wenngleich wir mit dieser Schau einen ver- gleichsweise großen Beitrag zur Sichtbarmachung des Filmschaffens des »Filmkontinents Australien« leisten, gibt es noch viel zu entdecken. Die jüngste, »Zweite Neue Welle« mit Aborigines-Autor/innenfilmen etwa, deren Entstehen in den 1990er Jahren wir mit Schlüsselwerken wie Tracey Moffatts beDevil oder dem Omnibus-Film Sand to Cellu- loid repräsentieren, und die reiche und enorm vielfältige Tradition des Dokumentarfilms, des Essayfilms und des ethnografischen Kinos, der wir in den kommenden Jahren einen eigenen Schwerpunkt wid- men werden. Die Retrospektive entstand mit Unterstützung des National Film and Sound Archive of Australia (NFSA) sowie der Australischen Botschaft in Wien. APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 6
NFSA Journey among Women 1977 R, K: Tom Cowan B: Cowan, John Weiley, Dorothy Hewett M: Roy Ritchie D: Jeune Pritchard, Martin Phelan, Nell Campbell, Lillian Crombie, Diana Fuller. 35mm, Farbe, 83 min Ein unbekanntes Meisterwerk des feministischen Kinos der 1970er. donnerstag In der Heimat ein kontroverser Kassenerfolg dank der Vermarktung 4.4. / 18.30 als Exploitation mit Szenen von Gewalt und weiblicher Nacktheit, engl. oF atmosphärisch dabei nahe am Dschungelfieber von Werner Herzogs Aguirre. Regisseur Tom Cowan, einer der Top-Kameramänner Austra- Freitag liens, ließ sich von historischen Begebenheiten inspirieren, um mit 3.5. / 19.00 den Darstellerinnen einen kühnen, modernen Film zu improvisieren, engl. oF von echten Konflikten beim Dreh befeuert. In der Kolonialzeit werden • Einführung weibliche Strafgefangene von den Aufsehern regelmäßig miss- von Christoph Huber braucht. Als die Frau des Oberbefehlshabers den Wachtposten er- schießt und mit den anderen Frauen in den Busch flieht, entsteht eine anarchische Amazonen-Kommune. Das »zivilisierte« Patriarchat bläst Courtesy of zum Rachefeldzug … Als Film über die Entfesselung im australischen the NFSA Busch eine wilde Antithese zum verträumten Viktorianismus von Picnic at Hanging Rock. (C. H.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 7
picnic at hanging rock 1975 R: Peter Weir B: Cliff Green nach einem Roman von Joan Lindsay K: John Seale, Russell Boyd M: Gheorghe Zamfir, Bruce Smeaton D: Rachel Roberts, Dominic Guard, Helen Morse. DCP (von 35mm), Farbe, 107 min Valentinstag, 1900: Die Schulmädchen eines australischen Privatinter- donnerstag nats brechen zum jährlichen Picknick auf den nahe liegenden Hang- 4.4. / 21.00 ing Rock auf, am Abend fehlen eine Lehrerin und drei Mädchen. engl. oF Eiligst werden Untersuchungen eingeleitet, ein Mädchen wird nach • Einführung gut einer Woche wiedergefunden, kann sich aber an nichts erinnern. von Jan Müller, CEO des National Eine befriedigende Erklärung wird nie gefunden. Ein Mystery-Traum, Film and Sound ebenso nahe an moderner Antonioni-Gesellschaftsmalerei wie am Archive Australia Genrekino: Auch wenn die Kamera das bewaldete Felsmassiv intensiv und atmosphärisch abtastet (manchmal scheinen Steingesichter Freitag herauszublicken), gibt das uralte Land sein Geheimnis nicht preis. 3.5. / 21.00 Zusammen mit der viktorianischen Haltung zu Sex (die parallele engl. oF Unterströmung des Films) führt dies zu einem Ereignis, das dem auf- geklärten Geist ein Rätsel bleiben muss. (C. H.) Courtesy of Auf Wunsch von Peter Weir zeigen wir den Director’s Cut, der nur in digitaler the NFSA Form existiert. newsfront 1978 R: Phillip Noyce B: Noyce, Bob Ellis K: Vince Monton M: William Motzing D: Bill Hunter, Wendy Hughes, Chris Haywood, John Ewart, Angela Punch McGregor. DCP (von 35mm), Farbe und sw, 110 min Australien 1948–1956. Für zwei eingefleischte Bildreporter spielt sich Freitag das im Leben Relevante ausschließlich vor ihrer Newsreel-Kamera ab. 5.4. / 18.30 Was immer dort passiert, wird eingefangen, egal ob Naturkatastro- engl. oF phe, politische oder soziale Veränderung. Eine davon, genannt Fern- sehen, bedroht schließlich ihren Arbeitsplatz. Das in die Spielfilm- saMstag handlung eingebettete Dokumentarmaterial ist authentisch und ent- 11.5. / 21.00 faltet sich wie die Exponate von Zeitkapseln, durch die australische engl. oF Zeitgeschichte wieder lebendig wird. Newsfront erzählt über den Paradigmenwandel in einem sich ständig weiterentwickelnden Medium und sei ein Film, der es Australiern erlaubte, positiv zu ihrem Land zu stehen, meinte Regisseur Phillip Noyce. »Our picture, when we made it, was made just for Australians, so it’s funny that it’s struck a nerve in other countries as well.« (G. K.) Presented by the National Film and Sound Archive’s digital restoration program – NFSA Restores – reviving Australian cinema icons APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 8
NFSA Newsfront the sentimental bloke 1919 R: Raymond Longford B: Longford, Lottie Lyell nach der Erzählung von C. J. Dennis K: Arthur Higgins D: Arthur Tauchert, Lottie Lyell, Gilbert Emery, Stanley Robinson, Harry Young. 35mm, sw, ca. 100 min Mit diesem beliebten australischen Klassiker schrieben Raymond saMstag Longford und Lottie Lyell Filmgeschichte mit Bescheidenheit und 6.4. / 18.30 Demut in Bezug auf lokale Eigenheiten. Hier adaptierten sie eine engl. zt Verserzählung von C. J. Dennis im Arbeiterslang Sydneys und ver- wandelten den Text in ein gefühlvolles, ungeschöntes Werk voll Montag müheloser Einfachheit. Der Spitzbub Bill (Tauchert) verbringt seine 6.5. / 19.00 Tage mit Glücksspielen und ausgelassenem Trinken in Sydneys engl. zt Arbeiterviertel Woolloomooloo. Sein Leben nimmt eine unerwartete aM klavier: Wendung als er Doreen (Lyell, die in sämtlichen Departments am Film gerhard mitwirkte) kennenlernt. Ihr Gesicht erscheint ihm in frisch geschnitte- gruber nen Kürbissen oder während der Arbeit, die er annimmt, um Doreens würdig zu werden. Warm und offen widmet sich der Film Bill und Courtesy of Doreen mit fast dokumentarischen Blicken, bis er auf der Veranda the NFSA ihres kleinen Hauses zu dem Entschluss kommt: »Livin’ an’ lovin’ – so life mooches on.« (I. M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 9
a town like alice 1956 R: Jack Lee B: W. P. Lipscomb, Richard Mason nach Nevil Shutes Roman K: Geoffrey Unsworth M: Matyas Seiber D: Virginia McKenna, Peter Finch, Kenji Takaki, Tran Van Khe, Jean Anderson. 35mm, sw, 116 min Humanismus und Überlebenskampf inmitten der japanischen Inva- saMstag sion in der britischen Kolonie Malaysia. Eine Gruppe gefangener 6.4. / 21.00 Frauen wird mit ihren Kindern zu einem brutalen Marsch in tropischer engl. oF Hitze quer über die Malaiische Halbinsel gezwungen. Trotz der Klas- senunterschiede müssen die Frauen zusammenhalten, um zu über- Montag leben. Ihre Männer sind in Gefangenenlagern, ihre Schuhe müssen 6.5. / 21.15 sie verkaufen. Selbstsucht und Etikette werden zum Störfaktor im engl. oF Schatten der tiefhängenden Palmenblätter. Schlangenbisse und brutale Invasoren – was aus Angst vor einer Beleidigung des japani- Courtesy of schen Volks eine Premiere des Films in Cannes verhinderte – bedro- the BFI hen das Leben der Heldinnen. Sie kämpfen um Medizin, Ruhepausen und ihre Würde. Diese bewahrt sich im stolzen, wärmenden Blick von Virginia McKenna als Jean Paget den Hoffnungsschimmer, der dem Film eine Rahmung und seinen Herzschlag gibt. (P. H.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 10
Crocodile dundee 1986 R: Peter Faiman B: Paul Hogan, Ken Shadie, John Cornell K: Russell Boyd M: Peter Best D: Paul Hogan, Linda Kozlowski, John Meillon, David Gulpilil, Maggie Blinco. 35mm, Farbe, 98 min »A nice little comedy film for Australia« schwebte dem Autor und sonntag Hauptdarsteller Paul Hogan vor, das Resultat war ein weltweiter Er- 7.4. / 19.00 folg, der sich schließlich mit 49 anderen Titeln auf der vom National engl. oF Film and Sound Archive zusammengestellten Liste bewahrenswerter Filme wiederfand. Das Erfolgsgeheimnis liegt in dem konsequenten dienstag Bemühen, nie mehr sein zu wollen als eine »nette kleine Komödie«, 7.5. / 19.00 deren Dramaturgie den exotischen Zauber Australiens ebenso zele- engl. oF briert wie hinterfragt. Im Gegenzug decouvriert ein »Aussie« New York aus dem Blickwinkel eines Aliens mit britischem Akzent. Abseits Courtesy of von Screwball-Dialogen darf der Krokodilbändiger auch Sätze sagen the BFI wie: »Aborigines don’t own the land. They belong to it. See these rocks? Been standing there for 600 million years. Still be there when you and I are gone. So arguing over who owns them is like two fleas arguing over who owns the dog they live on.« (G. K.) the adventures of barry Mckenzie 1972 R: Bruce Beresford B: Beresford, Barry Humphries K: Donald McAlpine M: Peter Best D: Barry Crocker, Barry Humphries, Spike Milligan, Peter Cook, Julie Covington. 35mm, Farbe, 114 min Die Großbritannienreise des jungen Australiers Barry McKenzie mit sonntag seiner Tante Edna gestaltet sich zwar nicht als idyllische »sentimental 7.4. / 21.00 journey«, wohl aber als erfolgreiche Leinwandpremiere der in den engl. oF 1980er Jahren zu TV-Ehren gekommenen »Dame Edna Everage«, per- sonifiziert von Barry Humphries. Der Film verkaufte als erste australi- dienstag sche Produktion über eine Million Tickets, seine Titelfigur ist eine von 7.5. / 21.00 Humphries erdachte Comicfigur, die im britischen »Pommyland« alle engl. oF Vorbehalte gegenüber dem Kolonialismus bestätigt findet. Bruce Beresfords politisch völlig unkorrekte Satire funktioniert jedoch Courtesy of wechselseitig, persifliert sowohl die australischen Besucher als auch the NFSA deren Gastgeber. Diese lernen zum Beispiel, dass »as dry as a dead dingo’s donger« bedeutet, dass ohne ein baldiges Glas Bier akute Dehydrierung droht. (G. K.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 11
NFSA bedevil 1993 R, B: Tracey Moffatt K: Geoff Burton M: Carl Vine D: Lex Marinos, Riccardo Natoli, Tracey Moffatt, Dina Panozzo, Mawuyul Yanthalawuy, Les Foxcroft. 35mm, Farbe, 90 min Der erste australische Spielfilm The Story of the Kelly Gang entstand Montag 1906 (wir haben letzten Dezember im Rahmen unserer »Forever 8.4. / 19.00 Film«-Retrospektive die davon erhaltenen Fragmente gezeigt). Erst engl. oF 87 Jahre später ermöglichte die australische Filmindustrie einer Aborigines-Frau, ihren ersten Langfilm zu drehen. Als sie beDevil MittWoCh schrieb und inszenierte, war Tracey Moffatt bereits eine etablierte 8.5. / 21.00 Künstlerin, die vor allem durch ihre fotografischen Arbeiten bekannt engl. oF wurde, was sich auch in ihrer originellen und hochstilisierten Art visuellen Geschichtenerzählens widerspiegelt. beDevil, ein semi- Courtesy of autobiografisches Konvolut aus drei Geschichten, die sowohl surreal the NFSA als auch hyperreal sind, untersucht am Scheideweg zwischen kon- zeptuellem Kunststück und effektvoller Geistergeschichte in beispiel- loser und notwendiger Weise Australiens rassistische Vergangenheit und verdrängte Traumata. (J.M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 12
Charlie’s Country 2013 R: Rolf de Heer B: De Heer, David Gulpilil K: Ian Jones M: Graham Tardif D: David Gulpilil, Peter Djigirr, Luke Ford, Jennifer Budukpuduk Gaykamangu, Peter Minygululu. DCP, Farbe, 108 min Aus der freundschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Regisseur Rolf Montag de Heer und Schauspieler David Gulpilil bei The Tracker und Ten 8.4. / 21.00 Canoes entstand ein autobiografisch inspirierter Film, der sich mit engl. oF Gulpilils Leben und der Geschichte seines Landes auseinandersetzt. Gulpilil, der als Jugendlicher durch seine Rolle in Nicolas Roegs Walk- MittWoCh about berühmt wurde, ist im fortgeschrittenen Alter in eine gesell- 8.5. / 19.00 schaftlich bedingte Abwärtsspirale geraten, genau wie sein filmisches engl. oF Alter Ego Charlie. Auf Charlies Gesicht, das Gulpilils Falten trägt, sieht man die Narben eines Landes, das nicht mehr zu erkennen ist. Die Courtesy of Ureinwohner/innen Australiens sind längst verdrängt: Für sie gibt the NFSA es keinen Platz. Dennoch ist ihr Dasein das einzige, was das Wesen des Landes ausmacht. Als Charlie unangestrengt durch den Busch wandelt, in einem vergeblichen Versuch, zu den »alten Wegen« zu- rückzukehren, wird klar, dass die Wurzeln seines Volkes auch die Wur- zeln des Landes sind. (I. M.) the overlanders 1946 R, B: Harry Watt K: Osmond Borradaile M: John Ireland D: Chips Rafferty, John Nugent Hayward, Daphne Campbell, Jean Blue, John Fernside. 35mm, sw, 91 min Eine Propagandaidee der australischen Regierung wurde zu einem MittWoCh der wundersamsten Filme über Landschaft, Menschen und Gemein- 10.4. / 19.00 schaft überhaupt. Harry Watt, bekannt für seine Dokumentarfilme engl. oF für die GPO Film Unit, wurde von den britischen Ealing Studios beauf- tragt, einen Film zu drehen, der die heldenhaften Taten der Australier donnerstag im Zweiten Weltkrieg offenbart. Eine in ihrer Vielfalt und Gleich- 9.5. / 19.00 berechtigung beinahe utopisch anmutende Gruppe, in der Frauen, engl. oF Aborigines und Schotten die gleiche Verantwortung tragen, unter- nimmt eine durch den drohenden Krieg notwendig gewordene Reise Courtesy of mit einem riesigen Rinderkonvoi um den halben Kontinent, von the BFI Wyndham nach Queensland. Watt lässt die Landschaft mit ihren riesigen Felsen und leuchtend weißen Bäumen, deren hängende Zweige sich mit dem Kamerablick verweben, sprechen. Die Größe der Natur wäre überwältigend, gäbe es nicht die Solidarität. (I. M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 13
eureka stockade 1949 R: Harry Watt B: Watt, Walter Greenwood K: George Heath M: John Greenwood D: Chips Rafferty, Jane Barrett, Jack Lambert, Peter Illing, Gordon Jackson. 35mm, sw, 103 min Die präzise Nachempfindung eines geschichtlichen Aufstands, eines MittWoCh Weges in den bewaffneten Widerstand, dessen brutales Scheitern 10.4. / 21.00 und ein Aufsteigen aus der Asche der Ungerechtigkeit: Der Schotte engl. oF Harry Watt ließ auf seinen Australien-Erfolg The Overlanders den Gründungsmythos einer nationalen Souveränität auf dem Schlacht- donnerstag feld eines Goldminenfelds folgen. Die Quelle einer australischen 9.5. / 21.00 Identität: Der gebürtige Ire Peter Lalor führt die Goldsucher in die engl. oF Eureka-Rebellion gegen zu strenge Verwaltungsregeln. Dieser lange Zeit unterschätzte Schrei nach Freiheit und Unabhängigkeit muss Courtesy of sich keineswegs hinter den großen Geschichtsstunden eines John the BFI Ford oder Jean Renoir verstecken. Das Symbol der Eureka Stockade ist eine Flagge, blutgetränkt, notdürftig zusammengeflickt, aber wür- devoll den Weg in die Zukunft weisend. (P. H.) lonely hearts 1982 R: Paul Cox B: Cox, John Clarke K: Yuri Sokol M: Norman Kaye D: Wendy Hughes, Norman Kaye, Jon Finlayson, Julia Blake, Jonathan Hardy. 35mm, Farbe, 95 min Anders als sein Titel suggeriert, ist Paul Cox’ Film kein billiger Trick. donnerstag Die Atmosphäre ist so unprätentiös, dass sich in ihr viele Facetten 11.4. / 19.00 eines Lebens offenbaren und verändern, sogar die schwierigsten – engl. oF die aufgegebenen Träume. Eine Partnervermittlungsagentur bringt einen fast 50jährigen, Toupet tragenden Klavierstimmer und eine Montag etwas jüngere Bankangestellte mit unterdrückter Sexualität zusam- 13.5. / 19.00 men. Wenn diese zwei Menschen ihre Herzen nicht gerade auf der engl. oF Zunge tragen, dann weil sie ihre Gefühle zu lang zu gut versteckt hielten. Sie sind unsicher, ob sie das Richtige sagen oder tun oder was Courtesy of überhaupt richtig wäre. Trotz einer zu lauten Schwester, schwer kon- the NFSA trollierbaren Eltern und zahlreichen Missgeschicken finden diese zwei herzensguten Menschen den mäandernden Weg zueinander und das auf eine Art und Weise, die dem belasteten Genre der »ro- mantischen Komödie« ihren Glanz zurückgibt. (I. M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 14
NFSA Lonely Hearts breaker Morant 1980 R: Bruce Beresford B: Beresford, Jonathan Hardy und David Stevens nach dem Stück von Kenneth Ross K: Don McAlpine M: Tanunda Brass Band D: Edward Woodward, Jack Thompson, John Waters, Bryan Brown, Charles Tingwell. 35mm, Farbe, 107 min Die Führbarkeit von Kriegen basiert auf dem lückenlosen Netz von donnerstag Zwängen, dem Soldaten ausgeliefert sind und dem die Sprache des 11.4. / 21.00 Militärs den ehrenwerten Namen Gehorsam verliehen hat. Kubrick, engl. oF Losey und Rosi haben dieses Zwangsmittel in Militärprozessen gegen Kampfverweigerer dargestellt. Bruce Beresford wählt eine andere Art Montag von Gericht, den Prozess gegen Kriegsverbrecher, um die Absurdität 13.5. / 21.00 des Rechts im Krieg zu demonstrieren. Im Feldzug des britischen engl. oF Empire gegen die Buren in Südafrika werden drei australische Sol- daten angeklagt, den Tod eines Offiziers mit einem Massaker an Ge- Courtesy of fangenen gerächt zu haben. Ihr Verteidiger muss erkennen, dass im the NFSA Prozess die Würfel bereits gefallen sind und das verurteilende System um nicht viel besser ist als die Täter. In Beresfords Fähigkeit, eine his- torische Epoche zu rekonstruieren, zeigt sich zugleich eine andere Qualität (die das australische Kino ganz allgemein auszeichnet): das Aufspüren aktueller Probleme im Durchforschen der eigenen Ge- schichte. (H.T.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 15
Forty thousand horsemen 1940 R: Charles Chauvel B: Elsa Chauvel K: George Heath M: Lindley Evans, Alfred Hill, Willy Redstone D: Grant Taylor, Betty Bryant, Chips Rafferty, Pat Twohill, Harvey Adams. 35mm, sw, 100 min Äußerst erfolgreich zur propagandistischen Ermunterung patrioti- Freitag scher Gefühle in den Jahren des Zweiten Weltkriegs an die australi- 12.4. / 19.00 sche Öffentlichkeit gerichtet, erzählt diese Hommage an die Light engl. oF Horse Brigade von den Kämpfen in den Wüsten des Nahen Ostens während des Ersten Weltkriegs. Jenseits der mitreißend gefilmten sonntag Kampfszenen inmitten aufwirbelnden Staubs, mit im Sand versinken- 12.5. / 19.00 den Pferdebeinen, unzähligen Statisten und glorifizierender Musik, engl. oF erzeugt Charles Chauvel, dessen Onkel selbst Soldat der Kavallerie im Kampf gegen die preußische Armee war, das Bild einer lakonischen Courtesy of Einstellung zum Krieg. Die lausbubenhaften Soldaten scheinen mehr the NFSA im Urlaub als im Kampf zu sein. Ihr Herz schlägt australisch und wie sie zynisch feststellen, wird ihr Heldentum vielleicht einmal als Anhang in den Geschichtsbüchern landen, wenn hinter all den britischen Errungenschaften noch Platz ist. (P. H.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 16
gallipoli 1981 R: Peter Weir B: David Williamson K: Russel Boyd M: Brian May D: Mark Lee, Mel Gibson, Bill Hunter, Robert Grubb, Tim McKenzie. 35mm, Farbe, 110 min Große Sportereignisse, die erste kontinentale Durchquerung durch Freitag Burke und Wills und die katastrophale Schlacht von Gallipoli 1915 ge- 12.4. / 21.00 hören zum festen Bestand der nationalen Mythologie Australiens. engl. oF Peter Weirs Film bezieht sich auf diese drei Ereignisse. Eingangs trai- niert ein Junge für einen Laufwettbewerb, die finale Einstellung zeigt sonntag ihn Jahre später bei einem anderen »Sport«: dem tödlichen Amoklauf 12.5. / 21.00 gegen die türkischen MG-Stellungen von Gallipoli. Im Zentrum steht engl. oF die Wüstendurchquerung von zwei jungen Männern, die sich patrio- tisch für einen Krieg gemeldet haben, den andere Staaten in einem anderen Teil der Welt führen. Weirs Film ist ein Kriegsfilm nur auf zweiter Ebene, vorrangig bleibt die subtile Beschreibung des Gefühls, Australier zu sein, Bürger eines isolierten Staats-Kontinents. Ohne Hast, mit scharfem Auge für Details und jener für den australischen Film so charakteristischen Miteinbeziehung der Landschaft in die Dramaturgie, erzählt Weir einen filmischen Entwicklungsroman. (H.T.) abba the Movie 1977 R: Lasse Hallström B: Robert Caswell K: Jack Churchill, Paul Onorato M: Benny Andersson, Stig Andersson, Björn Ulvaeus D: Anni-Frid Lyngstad, Agnetha Faltskög, Benny Andersson, Björn Ulvaeus, Robert Hughes. 35mm, Farbe, 97 min Ursprünglich plante man eine TV-Dokumentation über die ABBA-Aus- saMstag tralien-Tour 1977, doch rasch entschloss man sich zu einem 35mm- 13.4. / 19.00 Kinofilm, dessen dokumentarischer Charakter mit dezenter Rahmen- sChWed./ handlung (ein Reporter verfolgt die Gruppe vergebens bei ihren Auf- engl. oMeu tritten) zum »Spielfilm« umfunktioniert wurde. ABBA The Movie doku- mentiert die Live-Präsentation der Songs für das fünfte Studioalbum Freitag der Gruppe, das konsequenterweise »ABBA The Album« hieß. Etliche 10.5. / 19.00 Jahre vor MTV und ohne jede Ambition, Richard Lesters Beatles- sChWed./ Satiren nachzueifern, gab der Film Millionen von ABBA-Fans die Mög- engl. oMeu lichkeit, einen unkritischen Einblick in Show und Backstage-Bereich bei einer großen Tour zu tun. Lasse Hallström, der fast alle Videos der Courtesy of the Band drehte, gelang ein Zeitdokument eines geschickt gestalteten, Swedish Film Institute ganzheitlichen Produkt-Merchandisings. (G. K.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 17
NFSA Muriel’s Wedding 1994 R, B: P. J. Hogan K: Martin McGrath M: Peter Best D: Toni Collette, Bill Hunter, Rachel Griffith, Sophie Lee. 35mm, Farbe, 101 min Viereinhalb Minuten währt der eskapistische Zauber eines ABBA- saMstag Songs, doch selbst wenn man alle Tonträger der Schweden kompi- 13.4. / 21.00 lierte, bliebe noch genügend Zeit im Alltag von Muriel Heslop, dessen engl. oF Soundtrack sich weniger faserschmeichlerisch anhört. Übergewich- tig, arbeitslos, Spottobjekt von Familie und Freundinnen, flüchtet Freitag sie sich in Tagträume, erhofft Erlösung durch eine Traumhochzeit in 10.5. / 21.00 Sydney. Erst nachdem ihre Freundin Rhonda an Krebs erkrankt, engl. oF beginnt sich Muriel langsam von ihren (industriell vorgefertigten) Fantasien zu lösen. Regisseur P.J. Hogan gelang mit seiner Komödie, die der Vorder- und Hintergründigkeit des Geschehens gleichviel Aufmerksamkeit widmet, ein international prämierter Erfolg. Die im Film ausgiebig zitierte schwedische Band erhielt dafür veritable Tantiemen und wagte sich, der erwiesenen kinematografischen Ver- wertbarkeit wegen, an eigene Projekte wie Mamma Mia. (G. K.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 18
NFSA long Weekend 1978 R: Colin Eggleston B: Everett De Roche K: Vincent Monton M: Michael Carlos D: John Hargreaves, Briony Behets, Roy Day, Mike McEwen, Michael Aitkens. 35mm, Farbe, 96 min Im Zuge der Australischen Filmrenaissance der 1970er entstand parallel sonntag zu den artistischen Erfolgen von Regisseur/innen wie Peter Weir eine 14.4. / 19.00 bestechende B-Film-Produktion. Die originellsten Beiträge zur soge- engl. oF nannten Ozploitation lieferte Drehbuchautor Everett De Roche, der mit Long Weekend das letzte Wort zu einem damals populären Sub- MittWoCh genre sprach: Er dachte die Horror-Revision des Abenteuerfilms – 29.5. / 21.00 üblicherweise mit Kannibalen oder Alligatoren als Angreifern – kon- engl. oF sequent als mysteriöse, nahezu wortlose und umso bildgewaltigere ökologische Fabel zu Ende. Konventionelle Schocks sind kaum noch nötig. Ein Ehepaar aus besseren Kreisen will bei einem Camping-Wo- chenende die Beziehung kitten: Ihrem rücksichtslosen Umgang mit Flora und Fauna folgt die gerechte Rache der Natur, umgesetzt als eine Art Tarkovskij-Alptraum aus zunehmend bedrohlichen Breit- wandaufnahmen und unheimlichen Klängen der Wildnis. (C. H.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 19
razorback 1984 R: Russell Mulcahy B: Everett De Roche K: Dean Semler M: Iva Davies D: Gregory Harrison, Arkie Whiteley, Bill Kerr. 35mm, Farbe, 95 min Geschrieben vom legendären Everett De Roche, Australiens intelli- sonntag gentestem Genreautor (Patrick, Long Weekend, Roadgames, Fort- 14.4. / 21.00 ress) und inszeniert von Russell Mulcahy, Australiens schrillstem engl. oF Kunsthandwerker (damals Duran Durans Lieblingsvideoregisseur), ist Razorback ein deformierter Mutanten-Nachwuchs dreier überlap- sonntag pender filmischer Tendenzen: dem exzessiv schillernden visuellen 2.6. / 21.00 und klanglichen Expressionismus der 1980er, der grausam überbor- engl. oF denden Ozploitation und der guten alten Monsterfilm-Tradition. Die blutige Geschichte um ein gigantisches Berserker-Wildschwein auf Courtesy of der Jagd nach menschlichem Fleisch im ländlichen Australien über- the BFI schreitet schnell die Grenzen natürlichen Horrors und verwandelt sich in einen hypnotischen Albtraum (die New York Times nannte ihn »dalíesk«), der näher an William Friedkins Sorcerer ist als an Steven Spielbergs Jaws. (J.M.) sweetie 1989 R: Jane Campion B: Gerard Lee, Campion K: Sally Bongers M: Martin Armiger D: Geneviève Lemon, Karen Colston, Tom Lycos, Jon Darling, Dorothy Barry. 35mm, Farbe, 97 min Welch ein Glück für die junge Sweetie: Da sagt ihr ein teeblattlesendes Montag Orakel, dass die große Liebe auf sie wartet, mit einem Mann, der ein 15.4. / 19.00 Fragezeichen im Gesicht trägt. Kurz darauf trifft sie jemanden mit einer engl. oF satzzeichenförmigen Kombination aus Schmalzlocke und Leberfleck. Die wundervoll verwobene Neurosenpoesie, in der die fabelhafte Welt donnerstag der Sweetie mit virtuosen Schrägperspektiven-Verrenkungen und 16.5. / 21.00 Weitwinkel-Looks (Kamera: Sally Bongers) zum Leben erweckt wird, engl. oF markiert das Spielfilmdebüt von Campion. Und was für eines! Als die gelinde gesagt schwierige, um die Gunst der Eltern konkurrierende Schwester das neue und äußerst wackelige Glück stört, kippt der Film endgültig in eine zauberhafte Mystik, in der alles ein kleines bisschen verschroben erscheint und dadurch umso tiefer und empathischer in die psychosexuellen Welten der Protagonistin abtaucht. (P. H.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 20
NFSA Celia 1989 R, B: Ann Turner K: Geoffrey Simpson M: Chris Neal D: Rebecca Smart, Nicholas Eadie, Victoria Longley, Mary-Anne Fahey, Margaret Ricketts. DCP (von 35mm), Farbe, 103 min In ihrem faszinierenden Debütfilm lieferte Ann Turner das bemer- Montag kenswerte Psychogramm eines verunsicherten neunjährigen Mäd- 15.4. / 21.00 chens, dessen Einbildungskraft von familiären und anderen Krisen engl. oF angestachelt wird. Die kleine Celia lebt mit ihren Eltern in den späten 1950ern in einem Vorort von Melbourne: Die Stimmung im Haus donnerstag ist geprägt von der Angst vor Kommunisten (wie Celias eben ver- 16.5. / 19.00 storbener Großmutter) und paranoiden Maßnahmen, mit denen eine engl. oF Bevölkerungsexplosion bei Kaninchen eingedämmt werden soll. Celia schließt Blutsbrüderschaft mit den Kindern der kommunisti- Presented by schen Nachbarn und vermischt ihre Fantasiewelt mit der Realität, the National Film and Sound wobei sie auf eigenwillige Weise rebelliert – zunächst mit Voodoo- Archive’s digital Ritualen … Turners Inszenierung zeigt ein rares Einfühlungsvermögen restoration in kindliche Wahrnehmung und Ängste und bewahrt eine delikate program – NFSA Restores – Balance aus Verzauberung und Besorgnis, eingebettet in australische reviving Landschaften, die gleichermaßen banal und geheimnisvoll sind. (C. H.) Australian cinema icons APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 21
NFSA the Man from kangaroo 1919 R: Wilfred Lucas B: Bess Meredyth K: Robert V. Doerrer D: Rex »Snowy« Baker, Agnes Vernon, Charles Villiers, Wilfred Lucas. DCP (von 35mm), Farbe und sw, 72 min Entgegen der eigenen Bemerkung, dass das einzige nationale dienstag Thema, worüber Australier einen Film drehen könnten, Pferderennen 16.4. / 19.00 wären, schrieb die gemeinsam mit ihrem regieführenden Mann aus engl. oF den USA importierte Drehbuchautorin Bess Meredyth diese spekta- aM klavier: kulär gefilmte Outback-Romanze. Der Held im pastoralen Idyll des elaine Kangaroo Valley ist ein zum Priester gewordener Boxer, der von der loebenstein australischen Sportikone Snowy Baker im wahrsten Sinne des Wortes verkörpert wird – Boxeinlagen und Wassersprünge inklusive. Durch donnerstag ihn wird ein Liebesdrama mit detailverliebten Zwischentiteln zum 23.5. / 19.00 atemberaubenden Attraktionskino rund um den ausgestoßenen engl. oF Priester. Der Olympiamedaillengewinner war es auch, der Meredyth aM klavier: und ihren Gatten Wilfred Lucas aus Hollywood nach Australien lockte. elaine Ein faszinierendes Aufeinandertreffen von australischen Landschaf- loebenstein ten und amerikanischen Erzählweisen. (P. H.) Courtesy of the NFSA APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 22
NFSA the tracker 2002 R, B: Rolf de Heer K: Ian Jones M: Graham Tardif D: David Gulpilil, Gary Sweet, Damon Gameau. 35mm, Farbe, 98 min Der ehrwürdige David Gulpilil Ridjimiraril Dalaithngu vom Volk der dienstag Yolngu, ein ikonisches Gesicht des australischen Kinos, wurde in Rolf 16.4. / 21.00 de Heers Meisterwerk The Tracker als Fährtensucher mit fast über- engl. oF natürlichen Überlebens- und Späher-Fähigkeiten besetzt. Als er von einer Gruppe angeheuert wird, um den mutmaßlich indigenen donnerstag Mörder einer weißen Frau aufzuspüren, bewegt er sich meisterhaft 23.5. / 21.00 auf dem schmalen Grat zwischen dem Dienst an seinen brutalen engl. oF Herren und der Loyalität zu seinem eigenen Volk. Als Mischung aus klassischem Western, poetischem Experimentalfilm und Horror- Courtesy of Folk-Musical repräsentiert The Tracker mit seiner halluzinatorischen the NFSA Ästhetik und seiner kompromisslosen Wildheit einen einzigartigen Zugang zum australischen Kino und eine der härtesten Auseinander- setzungen mit der rassistischen Geschichte des Kontinents. (J.M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 23
NFSA stone 1974 R: Sandy Harbutt B: Harbutt, Michael Robinson K: Graham Lind M: Billy Green D: Ken Shorter, Sandy Harbutt, Deryck Barnes, Hugh Keays-Byrne. 35mm, Farbe, 103 min Der Grave Diggers Motorcycle Club hat ein ernstes Problem: Jemand MittWoCh ermordet seine Mitglieder der Reihe nach, auf ebenso varianten- 17.4. / 19.00 reiche wie grausame Art. Ein unorthodoxer Undercover-Cop gewinnt engl. oF das Vertrauen des Clubs, tritt ihm bei und gemeinsam lösen sie das Geheimnis hinter den Morden. Stone ist der ultimative Biker-Film: dienstag simpler als Easy Rider, wilder als The Wild Angels und elektrisierender 14.5. / 19.00 als Electra Glide in Blue. Fünf Jahre vor Mad Max gedreht, einer ähn- engl. oF lich nihilistisch-poetischen Ode an Benzindämpfe, avancierte Stone langsam zu einem Kultklassiker und bleibt eines der besten Beispiele für Ozploitation. Wir zeigen ausnahmsweise Regisseur Sandy Harbutts persönliche 35mm-Kopie, die einzige in noch neuwertigem Zustand mit perfekt erhaltenen Farben. (J.M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 24
the Man from hong kong 1975 R, B: Brian Trenchard-Smith K: Russell Boyd M: Noel Quinlan D: Jimmy Wang Yu, George Lazenby, Hugh Keays-Byrne, Frank Thring, Sammo Hung. 35mm, Farbe, 111 min Action-Spezialist Brian Trenchard-Smith gelang mit The Man from MittWoCh Hong Kong einer der wenigen Filme, in denen die damals populäre 17.4. / 21.15 Martial-Arts-Welle aus der Kronkolonie erfolgreich »exportiert« engl. oF wurde – effektiver als in den internationalen Koproduktionen um Bruce Lee. Hier spielt Kampfkunst-Superstar Jimmy Wang Yu einen In- dienstag spektor aus Hongkong, der zur Überführung eines Drogenschmugg- 14.5. / 21.15 lers (Sammo Hung) nach Sydney geschickt wird. Auf eigene Faust engl. oF versucht er, den Boss des Drogenrings zu enttarnen und gerät in eine • Einführung Serie von Attentaten und handgreiflichen Konfrontationen. Das von Christoph Huber Aufeinandertreffen traditioneller Martial Arts und moderner Waffen erzählt von einem Übergang im Action-Kino, während das sich Courtesy of wandelnde Verhältnis von Australien zu Asien unterschwellig mit- the NFSA schwingt. Als Geschichte eines Fremden down under ist Trenchard- Smiths Film auch eine Variation auf They’re a Weird Mob, aber nicht liebevoll und verspielt, sondern unnachgiebig und geradlinig. (C. H.) Caddie 1976 R: Donald Crombie B: Joan Long nach der Autobiografie von Caddie Marsh K: Peter James M: Patrick Flynn D: Helen Morse, Takis Emmanuel, Jack Thompson, Jacki Weaver, Melissa Jaffer. 35mm, Farbe, 100 min Obwohl sie ihren Namen von einem dandyhaften Bewunderer be- donnerstag kommt, ist Caddie keine rein männliche Erfindung. In einer ihrer 18.4. / 19.00 besten Rollen nimmt die australische Schauspielerin Helen Morse engl. oF (Picnic at Hanging Rock) ihre zwei Kinder und verlässt die glänzende Oberschichtswelt, nachdem sie herausgefunden hat, dass ihr Mann MittWoCh sie mit einer engen Freundin betrügt. Anfangs etwas unsicher und 15.5. / 21.00 schüchtern, versucht sie sich als Barmädchen und baut sich ihre Welt engl. oF abseits der schwierigen Vergangenheit auf. Nach der Autobiografie der wahren »Caddie« folgt der Film ihren existenziellen Erlebnissen in Courtesy of verschiedenen Klassenmilieus im Sydney der 1920er und 30er, unter the NFSA anderem in den mühevollen Zeiten der Großen Depression. Präch- tige Kostüme, die bisweilen die Hauptrolle zu spielen scheinen, be- wegen sich auf den nach Unabhängigkeit lechzenden Körpern, die an Goldfische im Aquarium erinnern: Sie schnappen nach Luft, die es einfach nicht gibt. (I. M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 25
My brilliant Career 1979 R: Gillian Armstrong B: Eleanor Witcombe nach dem Roman von Miles Franklin K: Don McAlpine M: Nathan Waks D: Judy Davis, Sam Neill, Wendy Hughes, Robert Grubb, Max Cullen. DCP (von 35mm), Farbe, 100 min Ein Film nach einer um die Jahrhundertwende entstandenen »femi- donnerstag nistischen« Erzählung von Miles Franklin, produziert von Margaret 18.4. / 21.00 Fink, adaptiert von Eleanor Witcombe und inszeniert von Gillian engl. oF Armstrong: der erste rundweg durch Frauen bestimmte Spielfilm des australischen Kinos. Armstrong widersteht in ihrem Langfilmdebüt MittWoCh der Gefahr, die ländliche Lebenswelt von 1890 mit moderner Ideolo- 15.5. / 19.00 gie zu überfallen, den Kostümfilm vorschnell in Didaktik umzumün- engl. oF zen. Ihre Personen entwickelt sie ganz aus dem Selbstbewusstsein der späten viktorianischen Epoche und eröffnet so den geschicht- Presented by lichen Blick auf ein keineswegs zeitfixiertes Problem: ein sensibles the National Film and Sound und leidenschaftliches Mädchen, das dem Leben auf der elterlichen Archive’s digital Farm entflieht und sich – vor die Wahl zweier Neigungen gestellt – für restoration die eigene Freiheit und gegen die durch Ehe quittierte Liebe ent- program – NFSA Restores – scheidet. (H.T.) reviving Australian howling iii: the Marsupials 1987 cinema icons R: Philippe Mora B: Gary Brandner, Mora K: Louis Irving M: Allan Zavod D: Barry Otto, Imogen Annesley, Leigh Biolos, Ralph Cotterill. DCP (von 35mm), Farbe, 94 min Philippe Mora, der in Paris geborene australische Horror-Meister Freitag (Mad Dog Morgan), baute Joe Dantes legendären Werwolf-Film 19.4. / 19.00 Howling (1981) zur Serie aus: Dem seltsamen und trashigen Trans- engl. oF sylvanien-Zwischenspiel Howling II: Your Sister Is a Werewolf (1985) folgte mit Howling III: The Marsupials ihr wahrer Höhepunkt. Die Ver- MittWoCh pflanzung des Lykanthropie-Mythos ins Outback ist unglaublich 22.5. / 19.00 aberwitzig und streckenweise surreal: Die Werwölfe haben sich engl. oF weiterentwickelt und offenbar erfolgreich mit Kängurus gepaart, da die Wölfinnen nun wunderschön gestaltete Beuteltaschen tragen. Sie Presented by werden zur internationalen Sicherheitsbedrohung, die (trotz der the National Film and Sound leichten Skepsis des US-Präsidenten) von der Regierung gejagt und Archive’s digital von einem bunten Haufen mutiger Anthropologen verteidigt wird, restoration die an ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Form- program – NFSA Restores – wandlern glauben. Ein hinreißendes creature feature und ein Oz- reviving ploitation-Glanzstück. (J.M.) Australian cinema icons APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 26
NFSA Wake in Fright 1971 R: Ted Kotcheff D: Evan Jones, Kotcheff (ungenannt) nach dem Roman von Kenneth Cook K: Brian West M: John Scott D: Donald Pleasence, Gary Bond, Chips Rafferty, Sylvia Kay, Jack Thompson. 35mm, Farbe, 109 min Martin Scorsese: »Ein Film, der mich sprachlos zurückließ.« Ted Freitag Kotcheffs legendärer Psychothriller zählt neben Nicolas Roegs 19.4. / 21.00 Walkabout zu den Meisterstücken der australischen Kino-Neugeburt engl. oF Anfang der 1970er, die von Ausländern inszeniert wurden. Kotcheffs scharfer Blick für Charakterzeichnung und sein Talent fürs Schaffen MittWoCh einer Atmosphäre latenter Bedrohung ergeben einen Weihnachts- 22.5. / 21.00 film der anderen Art: Über die Feiertage strandet der unzufriedene engl. oF Lehrer John in einer ehemaligen Minenstadt mit dem Spitznamen »The Yabba«, wo das Leben im Wesentlichen nur mehr aus Dauersuff, Kängurujagd und Glücksspiel besteht. Als John sein letztes Geld ver- spielt, verspielt er auch bald seine Seele: Unter Beihilfe des örtlichen Doktors (genial: Donald Pleasence) lässt er sich in eine atavistische Welt einsaugen, die ihm eigentlich zutiefst zuwider ist. Auch eine Art Horrorfilm, in dem das Grauen rein menschlich ist. Und umso schrecklicher. (C. H.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 27
the sundowners 1960 R: Fred Zinnemann B: Isobel Lennart nach dem Roman von Jon Cleary K: Jack Hildyard M: Dimitri Tiomkin D: Deborah Kerr, Robert Mitchum, Peter Ustinov, Glynis Johns, Dina Merrill. 35mm, Farbe, 133 min Es ist ein großes Glück, dass Jack Warners Vorschlag, diese komödi- saMstag antische Infragestellung patriarchaler Ehestrukturen doch in Arizona 20.4. / 18.30 mit einigen importierten Kängurus zu drehen, nicht durchgesetzt engl. oF wurde. Fred Zinnemann durfte für sein starbesetztes Outback- Freiluftspiel an zahlreichen Drehorten in Australien arbeiten. Ida sonntag (Deborah Kerr) kämpft mit ihrem sich selbst und die eigene Freiheit 19.5. / 18.30 liebenden Cowboymann Paddy (Robert Mitchum mit kultverdächti- engl. oF gem australischen Akzent) um ein geordnetes Leben und ihre eigene Selbstverwirklichung. Schafe werden geschoren, es wird gesungen, getrunken und geprügelt. Mit dabei als englischer Gentleman auch Peter Ustinov. Zinnemann untermalt die spitzen Dialoge und seine unberechenbare zwischen Action, Drama, Komödie und Pferde- rennen wechselnde Inszenierung mit der weiten Pracht der Land- schaften und einer überwältigenden Vielfalt lokaler Fauna. (P. H.) roadgames 1981 R: Richard Franklin B: Everett De Roche K: Vincent Monton M: Brian May D: Stacy Keach, Jamie Lee Curtis, Marion Edward, Grant Page und Killer, der Dingo. 35mm, Farbe, 101 min Hitchocks Rear Window auf Rädern, von Ausnahmeautor Everett De saMstag Roche in die Weiten des Outback verlegt, das Regisseur Richard Fran- 20.4. / 21.00 klin für atemberaubende Panavision-Kontraste nutzt. Der Amerikaner engl. oF Pat (Stacy Keach) vertreibt sich die Monotonie seiner Fleischtrans- • Einführung porter-Lieferfahrt mit seinem Dingo, Literaturzitaten (Brontë, Pope) von Christoph Huber und Mundharmonikadarbietungen von Mozarts Kleiner Nachtmusik. In einem lästigen Fahrer glaubt er den Frauenmörder zu erkennen, sonntag der parallel seine Spur über den Highway zieht. Nachdem eine Auto- 19.5. / 21.00 stopperin (Jamie Lee Curtis) zusteigt, steigert sich die Obsession mit engl. oF dem Serienkiller, wodurch sich Pat selbst verdächtig macht … Eine geschmeidige Thriller-Revision voller ironischer Glanzpunkte und Courtesy of superb orchestrierten Suspense-Szenen, zugleich ein vielschichtiges the NFSA Spiel mit der Imagination. International ein Hit, nur in Australien un- geliebt, weil man wie in den Zeiten vor der Kinorenaissance der 1970er auf – brillant aufspielende – US-Stars setzte. (C. H.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 28
dead Calm 1989 R: Phillip Noyce B: Terry Hayes nach dem Buch von Charles Williams K: Dean Semler M: Graeme Revell D: Nicole Kidman, Sam Neill, Billy Zane. 35mm, Farbe, 96 min Isolation kann destruktiv sein: Nach Newsfront und Heatwave bringt sonntag uns Phillip Noyce, eine der führenden Stimmen der australischen 21.4. / 21.00 Neuen Welle, an das offene Meer, wo dieses Diktum besonders klar engl. oF wird. Ein Ehepaar versucht den Tod ihres Kindes zu verarbeiten und unternimmt eine Segelreise auf dem Pazifik. Der Film fokussiert sich saMstag auf die zwei Hauptfiguren, gespielt von Sam Neill und einer erstaun- 11.5. / 19.00 lich natürlichen Nicole Kidman in ihrer Durchbruchsrolle, bis am engl. oF Horizont ein Schoner erscheint. Eine ausgestreckte Hand auf dem offenen Meer: Zuerst bringt sie Terror, erst viel später Hoffnung und sogar Erlösung. Den spannungsreichen Thrillerstoff wollte bereits Orson Welles verfilmen, aber sein Projekt blieb unvollendet. Die Buchrechte wurden in den 1980ern von der Produktionsfirma Kennedy Miller gekauft, die hinter den Mad-Max-Filmen steht. In Noyces Händen bekommt Dead Calm eine Bestimmtheit, die nur das endlose Blau als todsicher beschreiben kann. (I. M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 29
NFSA rabbit-proof Fence 2002 R: Phillip Noyce B: Christine Olsen nach dem Buch Follow the Rabbit-Proof Fence von Doris Pilkington Garimara K: Christopher Doyle M: Peter Gabriel D: Everlyn Sampi, Kenneth Branagh, David Gulpilil. 35mm, Farbe, 93 min Das unaufgearbeitete Thema der »Gestohlenen Generationen« löst in Montag Australien immer wieder Kontroversen aus: Zwischen 1905 und Mitte 22.4. / 19.00 der 1970er wurden Zehntausende Aborigines-Kinder von der austra- engl. oF lischen Regierung zwangsweise ihren Familien entrissen, um sie in der »zivilisierten« weißen Gesellschaft zu assimilieren. Nach einer dienstag wahren Begebenheit folgt Phillip Noyces herzzerreißender Film 21.5. / 19.00 Rabbit-Proof Fence drei Aborigines-Mädchen, die beschließen, aus engl. oF ihrem Gefängnis zu fliehen und in ihre Heimatgemeinde Jigalong zurückzukehren, indem sie dem 2.400 Kilometer langen kaninchen- Courtesy of sicheren Zaun folgen, der den australischen Kontinent von Nord nach the NFSA Süd durchzieht. Nicht einmal ein findiger Fährtensucher (David Gulpilil) kann die indigenen Mädchen aufspüren. Rabbit-Proof Fence erlangte sofort den Status eines australischen Klassikers und demonstrierte, dass Noyce nach oberflächlichen Hollywood-Blockbustern immer noch politisch relevante und visuell anspruchsvolle Filme drehen kann. (J.M.) APRIL BIS JUNI 2019 Filmkontinent Australien 30
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