Mehr soziale Teilhabe durch geförderte Beschäftigung?

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Mehr soziale Teilhabe durch geförderte Beschäftigung?
IAB Kurzbericht
Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
                                                                                                                3/2015

  In aller Kürze                        Ein-Euro-Jobs und Beschäftigungszuschuss
„„ Rund die Hälfte der im Juni 2014
als arbeitslos erfassten Grundsiche­
rungsempfänger war bereits ein Jahr
                                        Mehr soziale Teilhabe durch
oder länger ohne Beschäftigung.
Lang dauernde Erwerbslosigkeit          geförderte Beschäftigung?
und Leistungsbezug beeinträchti­
gen nicht nur die materiellen Le­       von Bernhard Christoph, Stefanie Gundert, Andreas Hirseland,
bensbedingungen, sondern auch die       Christian Hohendanner, Katrin Hohmeyer und Philipp Ramos Lobato
soziale Einbindung der Betroffenen.
„„ Im Kontext der Debatte zu einem
sogenannten sozialen Arbeitsmarkt       Im Juni 2014 waren knapp zwei Millio-           von Arbeitslosen Beschäftigungsperspekti-
steht die soziale Teilhabe von ar­      nen Leistungsberechtigte in der Grund-          ven eröffnen möchte. Dabei soll zwar eine
beitsmarktfernen Langzeitarbeits­       sicherung für Arbeitsuchende als ar-            mögliche spätere Integration in den ersten
losen momentan im besonderen            beitslos registriert. Rund die Hälfte von       Arbeitsmarkt nicht aus dem Blick geraten,
Fokus politischer Bemühungen.           ihnen (47,4 %) war langzeitarbeitslos.          im Vordergrund steht jedoch – angesichts
„„ Hier wird am Beispiel der Ein-       Schätzungen des IAB zufolge haben rund          des Fokus auf Langzeitarbeitslose mit sehr
Euro-­Jobs und des Beschäftigungs­      100.000 bis 200.000 der Langzeitarbeits-        geringen Arbeitsmarktchancen – die Milde-
zuschusses untersucht, ob geför­        losen im SGB II kaum mehr realistische          rung von Teilhabedefiziten, die durch den
derte Beschäftigung dazu beitragen
                                        Chancen am ersten Arbeitsmarkt. Eine            langfristigen Wegfall von Erwerbsarbeit
kann, die soziale Teilhabe von Lang­
zeitarbeitslosen zu verbessern.
                                        solche Verfestigung von Arbeitslosigkeit        entstehen können (Kupka/Wolff 2013: 71).
                                        birgt ein hohes Risiko sozialer Teilhabe-          Vor diesem Hintergrund geht der Kurzbe-
„„ Öffentlich geförderte Beschäfti­
                                        defizite.                                       richt der Frage nach, wie durch geförderte
gung unterscheidet sich teilweise
deutlich von regulärer Erwerbsarbeit.
                                                                                        Beschäftigung die soziale Teilhabe von Lang-
Dennoch kann sie zur Verbesse­rung      Mit Blick auf besonders arbeitsmarktfer-        zeitarbeitslosen verbessert werden kann. Zu
sozialer Teilhabe beitragen. Das gilt   ne Langzeitarbeitslose wird im politischen      diesem Zweck werden zwei Beschäftigungs-
vor allem dann, wenn die Maßnah­        Raum seit einiger Zeit intensiv und kontro-     maßnahmen des SGB II untersucht, die sich
me freiwillig aufgenommen wird,         vers über die Einrichtung eines sogenann-       in Zielsetzung wie Ausgestaltung deutlich
einen vergleichsweise hohen Stun­       ten sozialen Arbeitsmarkts (vgl. Infokasten     voneinander unterscheiden und folglich
denumfang aufweist und insgesamt
                                        auf Seite 2) diskutiert. Dabei stehen die be-   auch jeweils spezifische Voraussetzungen
einer regulären Erwerbstätigkeit
möglichst ähnlich ist.                  troffenen Langzeitarbeitslosen momentan         für die Verbesserung sozialer Teilhabe auf-
                                        besonders im Fokus der politischen Bemü-        weisen dürften. Mit dem Beschäftigungs-
„„ Nicht zuletzt deshalb schätzen
                                        hungen (BMAS 2014). Hinter dem Begriff          zuschuss, der auch als „JobPerspektive“ be-
die durch den Beschäftigungszu­
schuss geförderten Personen ihre        des sozialen Arbeitsmarkts verbirgt sich ein    zeichnet wird und in seiner bisherigen Form
Teilhabe höher ein als Teilnehmer an    arbeitsmarktpolitischer Ansatz, der mithilfe    mittlerweile abgeschafft wurde, findet eine
Ein-Euro-Jobs.                          des längerfristigen Einsatzes öffentlich ge-    Fördermaßnahme Berücksichtigung, die der
                                        förderter Beschäftigung auch dieser Gruppe      Idee eines sozialen Arbeitsmarkts recht nahe
Mehr soziale Teilhabe durch geförderte Beschäftigung?
kam. Diesem werden die als „Ein-Euro-Jobs“ bekann-       „„ Langzeiterwerbslosigkeit
                              ten Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvari-           als Teilhaberisiko
                              ante gegenübergestellt. Hierbei handelt es sich um
                              ein Instrument, das zumindest in der Vergangenheit       Die Chancen bestimmter Gruppen von Leistungs-
                              auch der Verbesserung sozialer Teilhabe dienen soll-     empfängern, eine dauerhafte und bedarfsdeckende
                              te (Bundesagentur für Arbeit 2009), obwohl es auch       Beschäftigung zu finden, sind trotz der zuletzt po-
                              andere Ziele verfolgt und sich an eine im Vergleich      sitiven Arbeitsmarktentwicklung weiterhin als eher
                              deutlich größere Zielgruppe richtet.                     gering einzustufen. Das hat vielfältige Gründe. Ne-
                                Der Kurzbericht soll erstens Auskunft darüber ge-      ben einer begrenzten Aufnahmefähigkeit der regio-
                              ben, ob geförderte Beschäftigung – angesichts der        nalen Arbeitsmärkte spielen auch individuelle Ver-
                              Rahmenbedingungen, die von regulärer Erwerbsar-          mittlungshemmnisse eine Rolle. Darunter versteht
                              beit mitunter deutlich abweichen – überhaupt dazu        man persönliche Merkmale der Arbeitslosen, die ihr
                              geeignet ist, Teilhabedefizite zu reduzieren. Zweitens   Risiko erhöhen, keine neue Beschäftigung zu finden.
                              soll er zeigen, unter welchen Voraussetzungen ge-        Dazu zählen beispielsweise fehlende Bildungs- bzw.
                              förderte Beschäftigung die soziale Teilhabe der Ge-      Ausbildungsabschlüsse, gesundheitliche Einschrän-
                              förderten verbessern kann. Dazu bündelt der Bericht      kungen, ein Alter von über 50 Jahren oder ein bereits
                              die Kernbefunde mehrerer Studien (vgl. Infokasten        sehr lange bestehender Leistungsbezug.
                              auf Seite 6).                                               Analysen auf Basis der IAB-Studie Panel „Arbeits-
                                                                                       markt und soziale Sicherung“ (PASS) zeigen, dass
                                                                                       die Arbeitsmarktchancen deutlich sinken, wenn
                                                                                       Personen mehrere solcher Vermittlungshemmnisse
                                                                                       aufweisen (Achatz/Trappmann 2011). Dies stellt ein
                                                                                       nicht unerhebliches Problem dar: In der ersten Erhe-
                                                                                       bungswelle des PASS, die zwischen Ende 2006 und
      i    Sozialer Arbeitsmarkt                                                       Mitte 2007 durchgeführt wurde, wiesen z. B. mehr
    Mit dem Begriff des sozialen Arbeitsmarkts wird ein arbeitsmarktpolitischer        als zwei Drittel aller erwerbsfähigen Leistungsbe-
    Ansatz bezeichnet, der mithilfe des langfristigen Einsatzes öffentlich geför-      rechtigten mehrere Vermittlungshemmnisse auf.
    derter Beschäftigung auch jenen Leistungsempfängern der Grundsicherung                Mit einer solchen Verfestigung von Arbeitslosig-
    eine Beschäftigungsperspektive eröffnen möchte, die kaum mehr realistische
                                                                                       keit und Leistungsbezug ist ein hohes Risiko mate-
    Arbeitsmarktchancen aufweisen (Cremer 2007). Während mit dem Beschäfti-
    gungszuschuss bis 2012 ein Instrument im SGB II existierte, das der Idee eines     rieller, sozialer und kultureller Teilhabedefizite ver-
    sozialen Arbeitsmarkts denkbar nahe kam, gilt dies für die derzeit vorhandenen     bunden, da Erwerbsarbeit in Arbeitsgesellschaften
    Instrumente nach § 16d und § 16e SGB II nur bedingt. Im November 2014 hat          eine herausgehobene Bedeutung bei der Vermitt-
    das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter dem Titel „Soziale Teilhabe    lung gesellschaftlicher Teilhabe hat. Dabei spielt vor
    am Arbeitsmarkt“ ein Programm ins Leben gerufen, das im Sommer 2015 star-
                                                                                       allem das so erzielte Erwerbseinkommen eine Rolle,
    ten und geförderte Arbeitsplätze für bis zu 10.000 „besonders arbeitsmarktferne
    Langzeitarbeitslose“ schaffen soll (BMAS 2014).
                                                                                       weil gesellschaftlicher Status und Anerkennung, die
                                                                                       Teilnahme am sozialen Leben sowie materielle Teil-
    Der Idee nach richtet sich der soziale Arbeitsmarkt ausdrücklich an einen Kreis
    von arbeitslosen Hilfeempfängern im SGB II, die wegen gesundheitlichen Ein-
                                                                                       habe eng mit diesem verknüpft sind.
    schränkungen, fehlenden Berufsabschlüssen oder sonstigen Einschränkungen              Studien zeigen, dass auch das Gefühl gesell-
    ihrer Arbeits- und Leistungsfähigkeit auch zukünftig kein ungefördertes Be-        schaftlicher Zugehörigkeit mit dem Erwerbsstatus
    schäftigungsverhältnis finden dürften. Schätzungen des IAB zufolge trifft dies     zusammenhängt: Erwerbstätige – insbesondere in
    auf zwischen 100.000 und 200.000 Leistungsberechtigte der Grundsicherung zu        „regulären“, unbefristeten Beschäftigungsverhält-
    (Koch/Kupka 2012: 30). Konsequenterweise gehört die Wiedereingliederung der
                                                                                       nissen – fühlen sich besser in die Gesellschaft inte-
    Geförderten in den ersten Arbeitsmarkt daher nicht zur primären Zielsetzung
    des sozialen Arbeitsmarkts, wenngleich der Übergang in reguläre Beschäftigung      griert als Arbeitslose (Gundert/Hohendanner 2014a).
    weiterhin möglich bleiben soll. Im Vordergrund steht vielmehr die Verbesserung     Hingegen kann Langzeitarbeitslosigkeit das Gefühl
    sozialer Teilhabe, die gerade durch langandauernde Arbeitslosigkeit beeinträch-    sozialer Zugehörigkeit beeinträchtigen, wozu auch
    tigt werden kann (Kupka/Wolff 2013: 71). Bei der Ausgestaltung eines sozia-        Stigmatisierungserfahrungen der Betroffenen bei-
    len Arbeitsmarkts sollte Wert auf die strenge Einhaltung der Zielgruppe gelegt
                                                                                       tragen können (Hirseland/Ramos Lobato 2014).
    werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass auch solche Personen gefördert
    werden, die noch Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Dies versperrt            Der Blick auf die Situation in der Grundsicherung
    den Betroffenen nicht nur den Übergang in reguläre Beschäftigung, sondern ist      unterstreicht zudem, dass die Leistungsempfänger
    zugleich mit hohen gesamtgesellschaftlichen Kosten verbunden.                      mitunter von erheblichen Versorgungsdefiziten be-
                                                                                       troffen sind, die bei längeren Bezugsdauern tenden-

2    IAB-Kurzbericht 3/2015
Mehr soziale Teilhabe durch geförderte Beschäftigung?
ziell höher ausfallen (Christoph/Lietzmann 2013). Die
                                                          Tabelle 1
durch den Wegfall der Erwerbsarbeit ausgelösten ma-
                                                           Rahmenbedingungen von Ein-Euro-Jobs und Beschäftigungszuschuss
teriellen Probleme können eng mit Einschränkungen
der sozialen Teilhabe verbunden sein. Diese schlagen                                      Ein-Euro-Jobs                Beschäftigungszuschuss
sich im Rückgang sozialer Aktivitäten bzw. Kontakte,       Rechtliche            Sozialrechtsverhältnis            Arbeitsverhältnis
etwa zu Kollegen, nieder (Marquardsen 2012). Zu-           Grundlage             (§ 16d SGB II, in der Fassung     (§ 16a SGB II, in der Fassung
                                                                                 vom Januar 2009)                  vom Oktober 2007)*
dem trägt Arbeitslosigkeit zur Destrukturierung des
                                                           Form und Höhe         Mehraufwandsentschädigung;        Arbeitsentgelt; Höhe orientiert
Alltags bei und begünstigt die Entstehung bzw. Ver-        der Vergütung         Höhe orientiert sich am           sich an tariflicher oder
stärkung gesundheitlicher Probleme (Eggs 2013).                                  anfallenden Aufwand, kann         ortsüblicher Entlohnung; bis zu
                                                                                 pauschaliert erbracht werden      75 % öffentlich bezuschusst

                                                           Laufzeit              Gesetzlich nicht geregelt,        Zunächst auf bis zu zwei Jahre
„„ Rahmenbedingungen von Ein-Euro-                                               i.d.R. bis sechs Monate           befristet, anschließend auch
   Jobs und Beschäftigungszuschuss                                                                                 unbefristet

                                                           Soziale Sicherung     Im Rahmen der Grundsicherung      Sozialversicherungspflichtig
Dass geförderte Beschäftigung den genannten Teil-                                                                  (ohne Beitrag zur
habedefiziten entgegenwirken kann, ist keineswegs                                                                  Arbeitslosenversicherung)

selbstverständlich. Schließlich unterscheiden sich         Arbeitgeber/          Beschränkt auf zusätzliche, im    Gemeinnützige, ab April 2008
                                                           Einsatzfelder         öffentlichen Interesse liegende   auch privatwirtschaftliche
die verschiedenen Varianten geförderter Beschäfti-                               und wettbewerbsneutrale           Arbeitgeber
gung in ihren Rahmenbedingungen nicht nur von re-                                Arbeiten
gulären Arbeitsplätzen, sondern auch untereinander        Die Übersicht gibt die Rahmenbedingungen wieder, die im Untersuchungszeitraum galten.
recht deutlich. Dies zeigt die Gegenüberstellung der      * Ab 2010 fanden sich die Regelungen zum Beschäftigungszuschuss in § 16e SGB II.
                                                          Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2007, 2009).                                        © IAB
Rahmenbedingungen von Ein-Euro-Jobs (Arbeitsge-
legenheiten in der Mehraufwandsvariante) und Be-
schäftigungszuschuss (vgl. Tabelle 1).                  zesänderungen wurden die Zielsetzungen gestrafft,
   Bei den Ein-Euro-Jobs handelt es sich um eine        sodass nur das erste der genannten Ziele weiterhin
sozialrechtliche Fördermaßnahme, die in den ersten      besteht.
Jahren nach Einführung des SGB II in großem Um-            Demgegenüber verfolgte der 2007 eingeführte
fang zum Einsatz kam. So waren zwischen 2006 und        und im Frühjahr 2012 in die „Förderung von Arbeits-
2010 noch deutlich über eine halbe Million Zugänge      verhältnissen“ überführte Beschäftigungszuschuss
jährlich zu verzeichnen. Bis zum Jahr 2013 ist diese    ein anderes Ziel. Konzipiert für langzeitarbeitslose
Zahl auf rund 280.000 gesunken (StatBA 2014). Die       Leistungsberechtigte ohne realistische Chancen
Teilnehmer erhalten neben den ALG-II-Leistungen         auf dem ersten Arbeitsmarkt, sollte er „dauerhafte,
eine Aufwandsentschädigung, die in der Regel ei-        sinnvolle und gesellschaftlich anerkannte Beschäf-
nen bis zwei Euro pro Stunde beträgt. Berücksichtigt    tigungsmöglichkeiten“ (Brandner 2007) eröffnen.
man den Stundenumfang von üblicherweise bis zu          Dazu wurden die Rahmenbedingungen des Be-
30 Stunden pro Woche, ergibt sich eine monatliche       schäftigungszuschusses am Modell des „Normal­
Mehraufwandsentschädigung von durchschnittlich          arbeitsverhältnisses“ ausgerichtet: Gefördert wur-
150 Euro (StatBA 2014). Auch wenn diesen Mehrein-       den Arbeitsverhältnisse bei gemeinnützigen wie
nahmen erhöhte Ausgaben gegenüberstehen (z. B.          privatwirtschaftlichen Arbeitgebern, die – mit Aus­
Fahrtkosten oder Ausgaben für Arbeitskleidung), ist     nahme des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung –
davon auszugehen, dass sie die finanzielle Situation    sozialversicherungspflichtig waren, häufig in Voll-
der Maßnahmeteilnehmer insgesamt verbessern. Die        zeit ausgeübt und tariflich bzw. ortsüblich entlohnt
im Rahmen der Ein-Euro-Jobs verrichteten Arbeiten       werden sollten. Zumindest Alleinstehenden sollte
sollen zusätzlich und wettbewerbsneutral sein sowie     dies für den Zeitraum der Förderung ein Leben
im öffentlichen Interesse liegen. Auch in dieser Hin-   ohne Bezug von SGB-II-Leistungen ermöglichen
sicht weichen die Ein-Euro-Jobs deutlich von regu-      (ebd.). Nach einer zunächst zweijährigen Befristung
lärer Beschäftigung ab. Die arbeitsmarktpolitischen     konnte die Förderung unbefristet fortgesetzt wer-
Zielsetzungen dieses Instruments umfassten anfäng-      den, sofern die Aufnahme regulärer Beschäftigung
lich sowohl die Erhöhung der Arbeitsmarktchancen        weiterhin ausgeschlossen war – ein Novum in der
als auch die Überprüfung der Arbeitsbereitschaft der    deutschen Arbeitsmarktpolitik. In den beiden Jahren
Leistungsempfänger sowie die Verbesserung ihrer         2008 und 2009 waren jährlich über 25.000 Zugänge
sozialen Teilhabe. Mit den 2012 erfolgten Geset-        in so geförderte Arbeitsverhältnisse zu verzeichnen

                                                                                                                        IAB-Kurzbericht 3/2015          3
Mehr soziale Teilhabe durch geförderte Beschäftigung?
(StatBA 2013). Insgesamt belief sich die Zahl der                                 Empfinden, eine sinnvolle Aufgabe zu haben sowie
                                  Förderfälle auf etwa 64.000 (StatBA 2013).                                        die infolge der Aufwandsentschädigungen verbes-
                                                                                                                    serte materielle Versorgungslage. Hingegen sind die
                                                                                                                    Erwartungen der Befragten bezüglich der Beschäf-
                                  „„ Teilhabe durch geförderte
                                                                                                                    tigungschancen im ersten Arbeitsmarkt eher gering.
                                     Beschäftigung
                                                                                                                    Da Ein-Euro-Jobs im Untersuchungszeitraum auch
                                  Im Folgenden werden Kernbefunde mehrerer Stu-                                     zur sanktionsbewehrten Überprüfung der Arbeitsbe-
                                  dien vorgestellt, die sich am Beispiel von Ein-Euro-                              reitschaft eingesetzt werden konnten, werden sie in
                                  Jobs und Beschäftigungszuschuss mit dem Beitrag                                   der Fachöffentlichkeit durchaus kontrovers disku-
                                  geförderter Beschäftigung zur Verbesserung sozialer                               tiert. Bei der durchschnittlichen Bewertung durch
                                  Teilhabe befasst haben (vgl. Infokasten auf Seite 6).                             die Teilnehmenden selbst spielt dies jedoch nur eine
                                  Methodisch unterscheiden sich diese Studien da-                                   untergeordnete Rolle. Die Teilnahme wurde nur in
                                  durch, dass sie teils auf quantitativen Befragungs-                               geringem Maße als „entwürdigend“ empfunden und
                                  daten, teils auf qualitativen Interviews basieren.                                die Vermeidung von Sanktionen eher selten als Aus-
                                  Während erstere statistisch repräsentativ sind, er-                               schlag gebendes Teilnahmemotiv genannt.
                                  möglichen letztere einen vertieften Einblick in die                                  Dennoch zeigt sich, dass der Zugangsweg in die
                                  Lebenswirklichkeiten der Geförderten.                                             Maßnahme eine große Bedeutung hat. Erwartungs-
                                                                                                                    gemäß sehen Teilnehmende, die nach eigenen An-
                                  Ein-Euro-Jobs                                                                     gaben lediglich aufgrund einer expliziten Anordnung
                                  Auf Basis des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Si-                                des Jobcenters die Maßnahme aufgenommen haben,
                                  cherheit“ (PASS) aus den Jahren 2006 bis 2009                                     diese insgesamt negativer als Befragte, die auf ei-
                                  haben Christoph/Hohmeyer (2012) untersucht, wie                                   genen Wunsch oder im gegenseitigen Einvernehmen
                                  Personen, die in einem Ein-Euro-Job beschäftigt                                   daran teilnehmen. Dies trifft in gleicher Weise auf
                                  sind, diesen bewerten. Abbildung 1 zeigt, dass die                                ihre Bewertung der sozialintegrativen Wirkungen der
                                  Teilnehmenden im Durchschnitt vor allem die teil-                                 Maßnahme zu. Ist die Teilnahme nicht freiwillig, be-
                                  habeförderlichen Aspekte der Ein-Euro-Jobs beto-                                  trachten die Geförderten selbst die objektiv mit der
                                  nen – z. B. gestiegene Kontaktmöglichkeiten, das                                  Maßnahme einhergehende Verbesserung der finanzi-
                                                                                                                    ellen Situation in einem deutlich ungünstigeren Licht.
                                                                                                                       Ein zweiter wichtiger Aspekt für die Bewertung
    Abbildung 1
                                                                                                                    der Maßnahme ist die Art der ausgeübten Tätigkeit.
    Wie die Teilnehmenden einzelne Aspekte der Ein-Euro-Jobs                                                        So werden Ein-Euro-Jobs deutlich positiver beurteilt,
    im Zeitraum 2006 bis 2009 bewertet haben
                                                                                                                    wenn diese aus Sicht der befragten Teilnehmer einen
                                              trifft                                                      trifft
                                           überhaupt          trifft eher          trifft eher           voll und   qualifizierten Berufsabschluss erfordern.
                                            nicht zu           nicht zu                 zu               ganz zu
                                                                                                                       Dass einzelne Aspekte der Ein-Euro-Jobs von den
                                              1,0      1,5       2,0        2,5       3,0          3,5     4,0
    Positive Aspekte                                                                                                Teilnehmenden positiv beurteilt werden, sagt aller-
    Das Programm ist gut, um wieder unter
                                                                                            3,49                    dings noch nichts darüber aus, ob sie ihre gesell-
    Menschen zu kommen.
                                                                                                                    schaftliche Teilhabe im Zuge der Teilnahme auch
    Das Programm gibt mir das Gefühl, etwas
                                                                                    3,24                            insgesamt besser einschätzen. Gundert/Hohendan-
    Sinnvolles zu tun.
    Das Programm trägt zur Verbesserung
                                                                                                                    ner (2014b) haben mithilfe des PASS untersucht, ob
                                                                                  3,05
    meiner finanziellen Situation bei.                                                                              es Indizien für eine positive Wirkung der Ein-Euro-
    Das Programm entspricht meinen                                                                                  Job-Teilnahme auf die wahrgenommene gesell-
                                                                             2,91
    persönlichen Fähigkeiten.                                                                                       schaftliche Integration der Teilnehmenden gibt.
    Das Programm verbessert meine Chancen,                                                                             Betrachtet man alle Teilnehmer an Ein-Euro-Jobs,
                                                               2,21
    eine richtige Beschäftigung zu finden.
                                                                                                                    lässt sich im Durchschnitt kein verbessertes Gefühl
    Negative Aspekte
                                                                                                                    gesellschaftlicher Zugehörigkeit durch die Teilnah-
    Das Programm mache ich nur, weil mir
                                                             2,05
    sonst das Geld gekürzt wird.                                                                                    me feststellen. Eine Steigerung des sozialen Integra-
    Das Programm empfinde ich als                                                                                   tionsempfindens kann jedoch bei Teilnehmern beob-
                                                       1,80
    entwürdigend.                                                                                                   achtet werden, die angeben, die Arbeitsgelegenheit
                                                                                                                    freiwillig, das heißt nicht bloß aus Angst vor finan-
    Quelle: Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit“ (PASS) 2006 bis 2009. Gepoolte Daten,
    arithmetisches Mittel, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse; N=720-726.                                   ziellen Sanktionen, aufgenommen zu haben. Dieser
                                                                                            © IAB
                                                                                                                    Befund bestätigt die bereits oben betonte Relevanz

4     IAB-Kurzbericht 3/2015
Mehr soziale Teilhabe durch geförderte Beschäftigung?
des Zugangswegs in die Maßnahme. Darüber hinaus
                                                             Tabelle 2
verweist er auf die Bedeutung, die der Qualität des
                                                             Auswirkungen des Beschäftigungszuschusses auf die gesellschaftliche
Betreuungsverhältnisses zwischen Fachkräften und
                                                             Teilhabe der Teilnehmer
Arbeitsuchenden zukommt.
   Wenn sich die Teilnehmenden vom Jobcenter nicht            Frageformulierung: „Man kann das Gefühl haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und
unterstützt fühlen, geht die Teilnahme an Ein-Euro-           dazuzugehören oder sich eher ausgeschlossen fühlen. Inwieweit fühlen Sie sich eher dazugehörig
                                                              oder ausgeschlossen?“ Kodierung der Variablen von „0 = ausgeschlossen“ bis „10 = dazugehörig“.
Jobs nicht mit einem höheren gesellschaftlichen
Integrationsempfinden einher. Bei Teilnehmern hin-            Variable                                                          Effekt          Mittelwert
gegen, die den Eindruck haben, dass die Fachkräfte            Wirkung auf das Gefühl der gesellschaftlichen
                                                                                                                               1,166 ***           6,79
                                                              Zugehörigkeit
ihnen „wirklich helfen wollen”, zeigt sich ein Anstieg
des Zugehörigkeitsgefühls. Auch das Empfinden,               Signifikanzniveau: *** = p< 0,01.
durch den Ein-Euro-Job „wieder unter Menschen zu              Lesehinweis: Die durchschnittliche gesellschaftliche Zugehörigkeit der Teilnehmer am Beschäfti-
                                                              gungszuschuss in der Teilnehmergruppe 2008 hat einen Wert von 6,79 auf der 11-stufigen
kommen“ und „etwas Sinnvolles zu tun“ sowie die               Antwortskala und liegt 1,166 höher als die gesellschaftliche Zugehörigkeit von vergleichbaren
subjektive Einschätzung, dass sich durch den Ein-             Personen, die in dem Zeitraum keine Teilnahme am Beschäftigungszuschuss begonnen haben.

Euro-Job die finanzielle Situation und die Beschäf-          Quelle: Entnommen aus ISG/IAB/RWI 2011; Ergebnisse eines statistischen Matching-Verfahrens
                                                             für Personen, die im zweiten Halbjahr 2008 die Teilnahme an einem Beschäftigungszuschuss
tigungschancen verbessert haben, geht mit einer              begonnen haben.                                                                          © IAB
höheren wahrgenommenen gesellschaftlichen Inte-
gration einher.
   Über die genannten Aspekte hinaus können die           le Teilhabe im Verlauf der Förderung etwas abnimmt
formellen Rahmenbedingungen der Arbeitsgelegen-           (ISG/IAB/RWI 2011: 214).
heit einen Einfluss auf das Integrationsempfinden            Weitergehende Analysen der Studie weisen darauf
haben. So fällt dieses bei einer wöchentlichen Ar-        hin, dass sich eine Verbesserung der sozialen Teilha-
beitszeit von mehr als 20 Stunden höher aus. Au-          be auch im Vergleich zu Teilnehmern an Ein-Euro-
ßerdem spielt die Gesamtdauer der Beschäftigung           Jobs ergibt. Die Autoren der Studie sprechen daher
in einer Arbeitsgelegenheit eine wesentliche Rolle        von einem „spezifischen Effekt“ (ebd.: 225) des Be-
für das Teilhabegefühl: Eine Verbesserung zeigt sich      schäftigungszuschusses, der in der konkreten Aus-
eher bei Personen, deren aktuelle Maßnahme bereits        gestaltung dieser Maßnahme begründet sein dürfte.
länger als ein halbes Jahr andauert. Die subjektiv           Eine qualitative Fallanalyse, die im Rahmen der
empfundene gesellschaftliche Teilhabe verbessert          genannten Evaluationsstudie durchgeführt wurde,
sich also erst, wenn die Maßnahme in dieser Hin-          hat sich näher mit der Frage der sozialen Teilha-
sicht mit regulärer Teilzeit- oder Vollzeitbeschäfti-     be beschäftigt (Hirseland et al. 2012). Über einen
gung vergleichbar ist.                                    Zeitraum von 18 Monaten hinweg wurden die Ge-
                                                          förderten mehrfach zu ihrer Lebenssituation, ihrem
Beschäftigungszuschuss                                    geförderten Arbeitsverhältnis sowie dessen Folgen
Die teilhabefördernden Effekte des Beschäftigungs-        für die materielle und soziale Teilhabe befragt. Dabei
zuschusses wurden im Rahmen einer vom Bundes-             handelt es sich bei den Befragten um Personen, die
ministerium für Arbeit und Soziales finanzierten          aufgrund unterschiedlicher Vermittlungshemmnis-
Evaluationsstudie untersucht (ISG/IAB/RWI 2011).          se teils über Jahre hinweg arbeitslos und daher auf
Verglichen mit den Ein-Euro-Jobs wiesen die mit           staatliche Unterstützung angewiesen waren. Ihre
dem Beschäftigungszuschuss geförderten Arbeits-           lang andauernde Arbeitslosigkeit und den Grundsi-
verhältnisse eine höhere Ähnlichkeit zu regulärer         cherungsbezug erlebten sie als eine mit vielfältigen
Erwerbsarbeit auf – auch weil sie nicht dazu dien-        Schwierigkeiten verbundene Zeit. Diese war z. B.
ten, die Arbeitsbereitschaft der Leistungsempfänger       durch teils massive Einschränkungen der materiellen
zu überprüfen. Diese Studie zeigt auf Basis einer         Versorgung sowie durch einen Rückgang oder gar
repräsentativen Panelerhebung, dass Personen, die         den Verlust persönlicher Kontakte und Beziehun-
mit dem Beschäftigungszuschuss gefördert werden,          gen gekennzeichnet. Hinzu kam, dass die Zeit im
ihre gesellschaftliche Teilhabe deutlich besser be-       Grundsicherungsbezug als fremdbestimmt wahrge-
werten als eine Kontrollgruppe erwerbsfähiger Grund-      nommen wurde – nicht zuletzt wegen der von den
sicherungsbezieher, die keine derartige Förderung         Betroffenen als unberechenbar empfundenen Zu-
erhalten (vgl. Tabelle 2). Allerdings zeigt die Längs-    weisung in Maßnahmen durch die Jobcenter und der
schnittanalyse, dass der positive Effekt auf die sozia-   relativ kurzen Dauer dieser Maßnahmen.

                                                                                                                               IAB-Kurzbericht 3/2015           5
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen erlebten          terung materieller Teilhabespielräume ein weiterer
                               die Befragten die Aufnahme der geförderten Be-           Aspekt in den Vordergrund: Weil sie ihr Geld in Form
                               schäftigung als grundlegende Verbesserung ihrer          einer Lohnzahlung direkt von ihrem Arbeitgeber er-
                               materiellen wie sozialen Teilhabemöglichkeiten. Die      hielten, sahen sich die Befragten – trotz der hohen
                               Verbesserung hängt den Interviews zufolge wesent­        staatlichen Subvention – nicht länger als „Almosen­
                               lich davon ab, ob und in welchem Ausmaß die Ge-          empfänger”. Sie empfanden sich nunmehr – wie es
                               förderten ihre Lebenssituation als vergleichbar mit      eine der Befragten formulierte – als eigenständige
                               der des „Normalbürgers” wahrnehmen konnten. Im           „Verdiener“. Dieser Umstand wurde als Statusauf-
                               Rahmen der Analysen wurden im Wesentlichen               wertung erlebt und war mit einem Zugewinn an
                               drei Bedingungen identifiziert, die einer solchen        Selbstbewusstsein verbunden. Auf dieser Grundlage
                               wahrgenom­   menen „Normalisierung” der persönli-        konnten auch Kontakte und Aktivitäten mit Nicht-
                               chen Lebensumstände entgegenkommen können:               Leistungsbeziehern intensiviert werden, die zuvor
                               die Überwindung des Leistungsbezugs, das Gefühl,         teils aus Scham eingestellt wurden. Entsprechend
                               über selbstverdientes Geld zu verfügen sowie die         ließ sich eine stärkere Teilhabe am gesellschaftlichen
                               vergleichsweise lange Förderdauer (zur Bedeutung         Leben und an sozialen Aktivitäten – z. B. gemeinsa-
                               der Arbeitstätigkeit für gefördert Beschäftigte vgl.     mes Ausgehen – beobachten, als dies während der
                               Bauer et al. 2013).                                      Arbeitslosigkeit der Fall war.
                                  Teil der positiv wahrgenommenen Normalisierung           Daneben war der zeitliche Rahmen der Förderung
                               war, dass der Lebensunterhalt nunmehr mit selbst         wichtig für die wahrgenommene Normalisierung. Da
                               verdientem Geld bestritten werden kann statt mit         dieser in den untersuchten Fällen meist zwei Jahre
                               Transferleistungen. Damit rückt neben der Erwei-         betrug, nahm die neue Lebenssituation für die Teil-
                                                                                        nehmer in der Mitte der Förderphase den Charakter
      i    Datenbasis                                                                   des Alltäglichen an. Dazu dürfte auch beigetragen
                                                                                        haben, dass die Befragten in der Beschäftigungspha-
    „„ Die Befunde zu den Ein-Euro-Jobs von Christoph/Hohmeyer (2012) und
    Gundert/Hohendanner (2014b) stützen sich auf Daten der seit 2006 jährlich           se kaum Kontakt zu den Jobcentern haben müssen.
    durchgeführten IAB-Studie Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS).           Gegen Ende der Vertragsdauer wurde in den Inter-
    Zum Themenspektrum der kombinierten Haushalts- und Personenbefragung                views entsprechend verstärkt die Sorge vor erneuter
    zählen unter anderem die materielle und soziale Lage der Haushalte und Personen,    Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Abhän-
    Informationen zum Bezug von SGB-II-Leistungen sowie subjektive Einstellungen.
                                                                                        gigkeit von Grundsicherungsleistungen geäußert.
    Die Analysen von Christoph/Hohmeyer basieren auf den ersten drei Wellen
    dieser Studie, die zwischen 2006 und 2009 erhoben wurden. Die Analysen von          Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich bei
    Gundert/Hohendanner beziehen sich auf arbeitslose ALG-II-Empfänger, die             den Geförderten, die während der Beschäftigung auf
    an den ersten sieben Wellen (2006-2013) der PASS-Befragung teilgenommen             ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen waren,
    haben. Gegenstand der Untersuchung ist deren subjektiv wahrgenommene                kein vergleichbar stark ausgeprägtes Gefühl verbes-
    Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Dabei werden ALG-II-Empfänger, die zum jewei­
                                                                                        serter Teilhabe einstellte. Die Notwendigkeit, ergän-
    ligen Befragungszeitpunkt an einer Arbeitsgelegenheit teilgenommen haben,
    mit Nicht-Teilnehmern verglichen, und zwar im Hinblick auf das Ausmaß ihrer         zend zum geförderten Lohn weiterhin Leistungen
    subjektiven Integration.                                                            des Jobcenters beziehen zu müssen, wird von Teilen
    „„ Die quantitativen und qualitativen Untersuchungsergebnisse zum Beschäfti­        der Betroffenen als ungerecht empfunden.
    gungszuschuss beruhen auf der vom Bundesministerium für Arbeit und
    Soziales (BMAS) in Auftrag gegebenen bundesweiten Evaluation der Beschäfti­
    gungsförderung nach § 16a SGB II bzw. ab 2010 § 16e SGB II (ISG/IAB/RWI             „„ Fazit
    2011). Eine repräsentative Wiederholungsbefragung (zwei Wellen) von Personen,
    die mit dem Beschäfti­   gungszuschuss gefördert wurden, und von einer aus          Die präsentierten Befunde zeigen, dass die beiden
    vergleichbaren Leistungsberechtigten der Grundsicherung zusammengesetzten           hier betrachteten Formen geförderter Beschäftigung
    Kontrollgruppe liefern die quantitativen Ergebnisse. Die qualitativen Fallstudien   – trotz aller Unterschiede zu einer regulären Er-
    zur Beschäftigungsförderung wurden im Rahmen der dritten und vierten Welle
                                                                                        werbstätigkeit – unter bestimmten Umständen ei-
    des qualitativen IAB-Panels „Armutsdynamik und Arbeitsmarkt“ erhoben. Das
    Aufstockungssample umfasst 20 geförderte Personen. Zum Einsatz kamen                nen Beitrag zur Verbesserung der sozialen Teilhabe
    zunächst biografische Interviews, die Folgebefragung in Welle 4 war stärker an      der Maßnahmeteilnehmer leisten können. In Hin-
    problemzentrierten Erhebungsverfahren orientiert. In 14 der 20 Fälle wurden         blick auf eine solche Verbesserung können die Ergeb-
    zusätzlich alle sechs bis acht Wochen telefonische Kurzinterviews durchgeführt,     nisse unseres Erachtens Hinweise für eine möglichst
    um Ent­  wicklungen und Ereignisse im Arbeitsumfeld der Befragten sowie
                                                                                        zielführende Ausgestaltung derartiger Maßnahmen
    deren aktuelle persönliche Situation erfassen zu können. Die Erhebungen zum
    qualitativen Teil der Untersuchung erfolgten unter Beteiligung des Instituts für    geben. Es wird deutlich, dass eine geförderte Be-
    sozial­wissenschaftliche Forschung München e.V.                                     schäftigung die soziale Integration der Teilnehmer

6     IAB-Kurzbericht 3/2015
insbesondere dann begünstigt, wenn sie sich – wie               schuss als relevant erachtet. Als weitere teilhabe-
beim früheren Beschäftigungszuschuss der Fall – an              fördernde Aspekte kommen hier Form und Höhe der
regulärer Erwerbsarbeit orientiert und eine flankie-            Vergütung sowie die zumindest temporäre Über-
rende Unterstützung durch die Jobcenter aufweist.               windung des ALG-II-Bezugs hinzu. So geht aus den
  Ein zentraler Aspekt ist in diesem Zusammenhang               Interviews mit den Geförderten hervor, dass sie ihre
die Freiwilligkeit der Teilnahme. Am Beispiel der Ein-          eigene Lebenssituation als zumindest annährend mit
Euro-Jobs konnte gezeigt werden, dass der Zugangs-              der des „Normalbürgers“ vergleichbar erleben. Sie
weg zur Förderung nicht nur in Zusammenhang mit                 gehen einer regelmäßigen Arbeit nach und erhalten
der subjektiven Bewertung der Maßnahme steht,                   dafür einen vom Arbeitgeber ausbezahlten Lohn, den
sondern auch mit dem Erleben gesellschaftlicher                 sie – und das ist besonders bedeutsam – trotz der
Teilhabe insgesamt: Ein-Euro-Jobs gehen vor allem               hohen staatlichen Subvention als „selbstverdient“
dann mit einem höheren Teilhabeempfinden einher,                begreifen können.
wenn die Geförderten freiwillig, also nicht bloß zur               Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ge-
Vermeidung von Sanktionen des Jobcenters, an der                förderte Beschäftigung das Potenzial besitzt, Teilha-
Maßnahme teilnehmen und wenn sie sich von den                   bedefizite gerade jener Leistungsempfänger zu mil-
Mitarbeitern der Jobcenter unterstützt fühlen. Daher            dern, die kaum realistische Beschäftigungschancen
kann es im Sinne der sozialen Teilhabe problematisch            auf dem ersten Arbeitsmarkt aufweisen. Allerdings
sein, wenn eine Maßnahme wie die Ein-Euro-Jobs                  ist zu betonen, dass es sich hierbei um eine sehr spe-
gleichzeitig zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft            zifische und zahlenmäßig eng begrenzte Teilgruppe
eingesetzt wird.                                                der SGB-II-Leistungsempfänger handelt. Betrachtet
  Darüber hinaus spielt die formale Ausgestaltung               man die Leistungsempfänger insgesamt, sollte wei-
der Maßnahme eine zentrale Rolle. Bei den Ein-                  terhin der Übergang in ein existenzsicherndes Ar-
Euro-Jobs wurde auch deutlich, dass eine Erhöhung               beitsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt im Vor-
des Teilhabeerlebens insbesondere dann festgestellt             dergrund der Bemühungen stehen. Dies sollte auch
werden kann, wenn die Maßnahme länger dauert                    bei Personen mit geringen Beschäftigungschancen
oder eine höhere Wochenarbeitszeit aufweist.                    nicht aus dem Blick verloren werden, da ungeför-
  Die längere Förderdauer wird im Hinblick auf die              derter Erwerbsarbeit eine hohe Bedeutung für eine
soziale Integration auch beim Beschäftigungszu-                 gelungene soziale Integration zukommt.

  Bernhard Christoph                                   Dr. Stefanie Gundert                                  Dr. Andreas Hirseland
  ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungs­-   ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungs­-   ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungs­-
  bereich „Bildungs- und Erwerbsverläufe“ im IAB.      bereich „Panel ‚Arbeitsmarkt und soziale Siche-       bereich „Ewerbslosigkeit und Teilhabe“ im IAB.
  bernhard.christoph@iab.de                            rung‘“ im IAB.                                        andreas.hirseland@iab.de
                                                       stefanie.gundert@iab.de

  Dr. Christian Hohendanner                            Dr. Katrin Hohmeyer                                   Philipp Ramos Lobato
  ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungs­    ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungs­    ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Stabsstelle
  bereich „Betriebe und Beschäftigung“ im IAB.         bereich „Grund­sicherung und Aktivierung“ im IAB.     „Forschungskoordination“ im IAB.
  christian.hohendanner@iab.de                         katrin.hohmeyer@iab.de                                philipp.ramos-lobato@iab.de.

                                                                                                                                IAB-Kurzbericht 3/2015               7
Literatur

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                                   vermittelte Abgänge aus der Grundsicherung. Der Ein-                wollen ja ein bestimmtes Bild vermitteln”. Zur Neu­
                                   fluss von personen- und haushaltsgebundenen Barrie-                 positionierung von Hilfeempfängern im aktivierenden
                                   ren. IAB-Discussion Paper Nr. 2, Nürnberg.                          So­zial­staat. SWS-Rundschau, Jg. 54, H. 2, S. 181-200.
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                                   tigungs- und Aneignungsmuster staatlich geförderter                 (2012): Soziale Teilhabe durch geförderte Beschäfti-
                                   Beschäftigung bei ehemaligen Langzeitarbeitslosen.                  gung? Das Beispiel des Beschäftigungszuschusses. WSI-
                                   Österreichische Zeitschrift für Soziologie, Jg. 38, H. 3,           Mitteilungen, Jg. 65, H. 2, S. 94-102.
                                   S. 277-294.                                                       Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik;
                                 Brandner, Klaus (2007): Job Perspektive – Arbeit für Lang-             Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; Rhei-
                                   zeitarbeitslose ohne Chancen auf dem regulären Ar-                   nisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
                                   beitsmarkt.                                                          [ISG/IAB/RWI] (2011): Evaluation der Leistungen zur
                                 Bundesagentur für Arbeit (2009): SGB II – Arbeitshilfe Ar-             Beschäftigungsförderung nach § 16e Abs. 10 SGB II.
                                   beitsgelegenheiten (AGH) nach §16 SGB II. Stand Juli                 Endbericht. Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
                                   2009, Nürnberg.                                                      Forschungsbericht Arbeitsmarkt, Berlin.

                                 Bundesagentur für Arbeit (2007): SGB II – Arbeitshilfe:             Koch, Susanne; Kupka, Peter (2012): Öffentlich geförderte
                                   Leistungen zur Beschäftigungsförderung nach § 16a                   Beschäftigung. Integration und Teilhabe für Langzeitar-
                                   SGB II - JobPerspektive. Stand: 01.10.2007, Nürnberg.               beitslose. WISO Diskurs, Bonn, 39 S.

                                 Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS] (2014):            Kupka, Peter; Wolff, Joachim (2013): Sozialer Arbeits-
                                   Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern. Konzept                markt: Ein Gerüst, das gesellschaftliche Teilhabe ermög-
                                   zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit. Download von:               licht? IAB-Forum, Nr. 2, S. 70-75.
                                   http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-                   Marquardsen, Kai (2012): Aktivierung und soziale Netz-
                                   Meldungen/konzeptpapier-chancen-oeffnen-teilhabe-                  werke. Die Dynamik sozialer Beziehungen unter dem
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                                   Jobs aus Sicht der Betroffenen. Zur Binnenwahrneh-                  Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Leistungen zur
                                   mung eines kontroversen Instruments. Sozialer Fort-                 Eingliederung an erwerbsfähige Hilfebedürftige: Einsatz
                                   schritt, Bd. 61, H. 6, S. 118-126.                                  von Arbeitsgelegenheiten 2013, Nürnberg.
                                 Christoph, Bernhard; Lietzmann, Torsten (2013): Je länger,          Statistik der Bundesagentur für Arbeit [StatBA] (2013):
                                   je weniger? Zum Zusammenhang zwischen der Dauer                     Beschäftigungszuschuss (BEZ) und Förderung von Ar-
                                   des ALG-II-Leistungsbezugs und den materiellen Le-                  beitsverhältnissen (FAV) nach § 16e SGB II. Berichtsjahr
                                   bensbedingungen der Betroffenen. Zeitschrift für So­                2013.
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                                   fixed-term and temporary agency workers feel so-
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                                   many: Does participation in the ‘One-Euro-Job’ work-
                                   fare program improve unemployed individuals’ sense of
                                   social affiliation? mimeo.

    Impressum  IAB-Kurzbericht Nr. 3, Februar 2015  Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, 90327 Nürn­berg
     Redaktion: Elfriede Sonntag, Martina Dorsch  Graphik & Gestaltung: Monika Pickel  Fotos: Jutta Palm-Nowak  Druck: Vormals Manzsche Buch­druckerei und
    Verlag, Regensburg  Rechte: Nach­druck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des IAB  Bezug: IAB-Bestellservice, c/o W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG,
    Auf dem Esch 4, 33619 Biele­feld; Tel. 0911-179-9229 (es gelten die regulären Festnetzpreise, Mobilfunkpreise können abweichen); Fax: 0911-179-9227; E-Mail:
    iab-bestellservice@wbv.de  IAB im Internet: www.iab.de. Dort finden Sie u. a. diesen Kurzbericht zum kostenlosen Download  Anfragen: iab.anfragen@iab.de oder
    Tel. 0911-179-5942  ISSN 0942-167X

8     IAB-Kurzbericht 3/2015
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