Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion

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Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
JOURNAL FÜR KULTURPFLANZEN, 61 (7). S. 225–246, 2009, ISSN 0027-7479   VERLAG EUGEN ULMER KG, STUTTGART

                                                                                                                                                          Übersichtsarbeit
                                                               Wilfried H.O. Ernst1, Friedhart Knolle2, Sylvia Kratz3, Ewald Schnug3

                                       Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der
                                                       Harzregion – eine geführte Exkursion
                                                 Aspects of ecotoxicology of heavy metals in the Harz region – a guided excursion
                                                                                                                                                            225

Zusammenfassung                                                        Mangan, Schwermetallkontamination, Schwermetall-
                                                                       pflanzengesellschaften, Vegetation, Zink
Der Harz ist reich an Metallerzen und weist zahlreiche
Spuren ehemaliger Bergbauaktivitäten auf. Der Erzberg-
bau hat sowohl im Gebirge selbst als auch in den Fluss-                Abstract
tälern, deren Gewässer aus dem Harz gespeist werden, zu
örtlich extremer Schwermetallkontamination geführt. Die                The Harz Mountains are rich in metallic ores and show
heutige Vegetation des Gebietes spiegelt dies wider. Dieser            many remnants of former mining activities. Mining has
Exkursionsführer beschreibt eine Route durch die Harzre-               caused extreme heavy metal pollution in the mountain
gion, entlang derer Spuren des Bergbaus sowie die da-                  area as well as in the valleys of rivers discharging from it.
durch geprägte Vegetation studiert werden können. Im                   This is mirrored in the vegetation found here today. This ex-
Gebiet um Langelsheim haben sich typische Schwerme-                    cursion guide describes a route through the Harz mountain
tallpflanzengesellschaften (Armerietum halleri) auf Schla-             area along which remnants of mining activities and related
ckehalden entwickelt, bei Wildemann auf Abraumhalden                   vegetation can be studied. Near Bredelem, a Bronze Age
des Metallerzbergbaus. Der Einfluss von Emissionen aus                 smelting site is visited. On slag heaps, a poly-metallic soil
der ehemaligen Silber- und Bleihütte "Frankenscharrnhüt-               has developed, which only allows for the growth of some
te" ist noch immer an der Vegetation zu erkennen. In St.               specialised plant species. The area around Wildemann
Andreasberg kann im Silbererzbergwerk Samson die letz-                 shows a typical heavy metal plant community (Armerietum
te funktionstüchtige "Fahrkunst" der Welt besichtigt wer-              halleri) on mine tailings, and gives insight into the impact
den. In der Umgebung finden sich anschauliche Beispiele                of aerial emissions from the former lead smelter at Fran-
einer an arsenreiche Böden angepassten Vegetation. Ein                 kenscharrnhütte on the surrounding vegetation. At St. An-
Stop an den Flussufern der Oker gibt die Möglichkeit, eine             dreasberg, the Samson silver mine displays the last origi-
gut entwickelte und sehr diverse Variante des Armerietum               nal and fully functional “Fahrkunst” of the world. Around
halleri auf schwermetallangereicherten Fluss-Sedimenten                this area, there are fine examples of typical vegetation on
zu studieren. Westlich von Oker legen ehemalige Absitzbe-              arsenate-enriched soils. A stop at the river banks of the riv-
cken ein dauerhaftes Zeugnis der Erzverarbeitung von ho-               er Oker allows to study a well developed and quite diversi-
her ökotoxikologischer Relevanz ab.                                    fied version of the Armerietum halleri on metal-enriched
                                                                       river sediments. West of Oker City, flotation waste ponds
Stichwörter: Armerietum halleri, Arsen, Blei, Cadmium,                 bear a permanent witness of high ecotoxicological rele-
Eisen, Erzbergbau, Harz, Hyperakkumulator, Kupfer,                     vance to the mining and ore processing activities.

  Institut
  Vrije Universiteit, Amsterdam1
  Nationalpark Harz, Wernigerrode2
  Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde,
  Braunschweig3
  Kontaktanschriften
  Prof. Dr. W.H.O. Ernst, Vrije Universiteit Amsterdam, E-Mail: wilfred.ernst@falw.vu.nl; Dr. Friedhart Knolle, Nationalpark Harz,
  Presse, Marketing & Regionalentwicklung, Lindenallee 35, 38855 Wernigerode, E-Mail: info@nationalpark-harz.de; Dr. Sylvia
  Kratz und Prof. Dr. mult. Ewald Schnug, Julius Kühn-Institut, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Bundesallee 50, 38116
  Braunschweig, E-Mail: sylvia.kratz@jki.bund.de; ewald.schnug@jki.bund.de
  Zur Veröffentlichung angenommen
  April 2009
Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

                    Key words: Harz, mining, heavy metal contamination,                ben oft einen größeren Einfluss auf die Vegetation als der
                    vegetation, plant communities                                      Überschuss an Schwefel. Nach dem Ende der letzten Eis-
 Übersichtsarbeit

                                                                                       zeit (vor ca. 12000 Jahren) hat ein starker Klimawechsel
                                                                                       stattgefunden, der auf fast allen Böden Mitteleuropas in-
                    Einleitung                                                         klusive der Harzregion die Entwicklung von Wäldern
                                                                                       und waldnaher Vegetation ermöglichte, bevor der
                    Die marin-paläozoischen Ablagerungen des Harzes wur-               Mensch eingegriffen hat (BEUG et al., 1999). Böden mit
                    den bei der variskischen Gebirgsbildung gefaltet und als           einem hohen Schwermetallgehalt dahingegen waren für
                    Pultscholle seit der Jura-/Kreideperiode aus der Umge-             die sich ausbreitenden Populationen von Nadelbäumen
                    bung herausgehoben. Der höchste Teil mit dem Brocken               und Laubbäumen zu toxisch, so dass sich hier örtlich eine
                    (1141 m über dem Meeresspiegel) ist durch magmatische              baumlose Vegetation mit schwermetallresistenten Grä-
                    und metamorphe Gesteine (Granit, Gabbro, Hornfels,                 sern und Kräutern entwickeln und überleben konnte. Das
                    Gneis) gekennzeichnet. Der Westharz, der in dieser Ex-             Fehlen von Schatten spendenden Bäumen hat es einigen
                    kursion besucht wird, besteht vor allem aus devonischen            periglazialen, schattenempfindlichen Pflanzenarten er-
                    und unterkarbonischen Schiefern und Grauwacken mit                 möglicht, auf diesen schwermetallreichen Böden bis zur
                    einer intensiven Gangerzmineralisation und zeigt viele             heutigen Zeit zu überleben, soweit sie in ihrem Genom
                    Reste des ehemaligen Metallerzbergbaus sowie die damit             Gene für Schwermetallresistenz besaßen. Eine dieser als
                    verbundenen Umweltprobleme (Abb. 1). Im südwestli-                 Glazialrelikt ausgewiesenen Arten ist die Frühlingsmiere
226                 chen und südlichen Teil des Harzes streichen Schichten             (Minuartia verna), die im mitteleuropäischen Flachland
                    des Perms an der Oberfläche aus, so dass Gips, Anhydrit            und Bergland auf Dolomit-, Serpentin- und Schwerme-
                    und Dolomit sichtbar werden. Metallerzbergbau hat nicht            tallböden beschränkt ist (VERKLEIJ et al., 1989). Die Wur-
                    nur im Harz selbst erhebliche Umweltbelastungen verur-             zeln dieses Nelkengewächses (Caryophyllaceae) haben
                    sacht, sondern auch die in den Bergbaugebieten strömen-            keine Assoziation mit einer arbuskulären Mykorrhiza
                    den Flüsse und ihre Täler mit Metallen befrachtet. Der             und werden damit direkt mit dem pflanzenverfügbaren
                    Oberboden in den Tälern von Oker, Innerste, Leine und Al-          Teil der Schwermetalle im Boden konfrontiert. Die spezi-
                    ler ist stark mit As, Cd, Cu, Pb, Tl und Zn kontaminiert.          fische Beziehung dieser Pflanzenart zu Schwermetallbö-
                    Menschen und Tiere waren und sind über Jahrhunderte                den wurde bereits im Mittelalter durch THALIUS (1588)
                    einem Übermaß an Metallen ausgesetzt und haben Schä-               erkannt und als Indikator für Erzböden im Harz beschrie-
                    den erlitten (KNOLLE und KNOLLE, 1983; KNOLLE, 1989).              ben. Allerdings hat dieses mehrjährige, niederwüchsige
                                                                                       Kraut keine hohe Konkurrenzkraft und kann sich in einer
                                                                                       geschlossenen Vegetation nicht gegen höherwüchsige,
                    1 Die Vegetation auf Böden mit einer natürlichen                   schwermetallresistente Pflanzenarten durchsetzen; dar-
                    und/oder anthropogenen Anreicherung von Schwerme-                  um bieten nur offene Bodenbereiche der Frühlingsmiere
                    tallen in der Harzregion                                           eine Überlebensmöglichkeit (Abb. 2 und 3).
                                                                                          Möglicherweise ist die Galmei-Grasnelke (Armeria hal-
                    Die chemischen Komponenten der vor allem sulfidischen              leri) auch ein Glazialrelikt, allerdings schließt die derzeit
                    Erze des Harzes sind u. a. Arsen, Blei, Cadmium, Eisen,            noch stets umstrittene Taxonomie (LEFÈBVRE, 1974; VEKE-
                    Gold, Kobalt, Kupfer, Mangan, Quecksilber, Thallium                MANS et al., 1996) nicht aus, dass die als selbstständige
                    und Zink in verschiedenen Kombinationen und sehr un-               Arten beschriebenen Grasnelken nur schwermetallresis-
                    terschiedlichen Konzentrationen. Die Schwermetalle ha-             tenten Ökotypen des Grasnelken-Komplexes (Armeria

                                                                                       Abb. 2. Die geringe Wettbewerbsfähigkeit des schwermetallresis-
                    Abb. 1. Luftbild des ehemaligen Erzausstrichs und Erzabbaus am     tenten Ökotyps der Frühlingsmiere (Minuartia verna) lässt das Glazi-
                    Rammelsberg bei Goslar und der damit verbundenen schwermetall-     alrelikt allein auf Böden mit einer lockeren Schwermetallvegetation
                    belasteten Böden (historische Ansichtskarte).                      überleben (Foto: ERNST, 2003).

                                                                                                                        Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

                                                                                                                                            Übersichtsarbeit
                                                                    Abb. 4. Ein Aspekt der Schwermetallvegetation eines Armerietum
                                                                    halleri mit den Kräutern Armeria halleri, Minuartia verna und Silene
                                                                    vulgaris und den Gräsern Agrostis capillaris und Festuca ovina (Foto:
Abb. 3. Blühende Pflanzen der Frühlingsmiere (Minuartia verna) in
                                                                    ERNST, 2003)
einem Schwermetallrasen bei Langelsheim (Foto: ERNST, 2003).

                                                                                                                                              227
maritima s.l.) und daher evolutionär gesehen jünger sind
(BAUMBACH und HELLWIG, 2007). Eine andere Pflanzenart
mit einer möglich glazialen Vergangenheit ist der Tau-
benkropf (Silene vulgaris); dieses Nelkengewächs hat in
der kühlgemäßigten Zone Europas als Pionier viele hoch
spezialisierte Ökotypen mit Resistenzen gegen Blei,
Cadmium, Kobalt, Kupfer, Mangan und Zink entwickelt
(ERNST, 2003). Viele andere Pflanzenarten dürften die
Schwermetallböden in späteren Phasen des Postglazials
erobert haben. Auf durch menschliche Aktivitäten
schwermetallkontaminierten Böden können innerhalb
weniger Jahre schwermetallresistente Ökotypen aus
einer zuvor unbelasteten Vegetation selektiert werden,
wenn der Selektionsdruck auf die Vegetation hoch ist,
wie weit außerhalb des Verbreitungsgebietes von
Schwermetallpflanzen in England, Deutschland und
Polen festgestellt wurde (BRADSHAW, 1976; ERNST, 1976;
BREJ, 1998). Neben den bereits erwähnten Pflanzenarten
haben auch viele andere Arten mit einer großen öko-
logischen Amplitude schwermetallresistente Ökotypen
entwickelt (ERNST, 1974), unter ihnen sind die Kräuter
Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium), Kleiner
Sauerampfer (Rumex acetosella), Sand-Thymian (Thymus
serpyllum), Scharfer Hahnenfuß (Ranunclus acris), Spitz-
wegerich (Plantago lanceolata), Wiesen-Glockenblume
(Campanula rotundifolia), Wiesen-Sauerampfer (Rumex
acetosa) und Wiesen-Schaumkresse (Arabidopsis
halleri = Cardaminopsis halleri) sowie die Gräser Blaues            Abb. 5. Armerietum halleri mit Armeria halleri, Festuca ovina und
Pfeifengras (Molinia caerulea), Geschlängelte Schmiele              Plantago lanceolata (Foto: ERNST, 2003).
(Deschampsia flexuosa = Avenella flexuosa), Hunds-
Straussgras (Agrostis canina), Roter Schwingel (Festuca
rubra), Rotes Straussgras (Agrostis capillaris),
Schaf-Schwingel (Festuca ovina s.l.) und Weißes                        Die meisten Wuchsorte mit ungestörtem Schwerme-
Straussgras (Agrosits stolonifera). Alle schwermetallresis-         tallrasen über ausbeißenden Erzadern sind durch den
tenten Ökotypen dieser Pflanzenarten haben sich im                  Erzbergbau seit der späten Bronzezeit – ca. 1000 Jahre
Harz zum Schwermetallrasen "Armerietum halleri" zu-                 vor Christus – zerstört worden (SEGERS-GLOCKE, 2000).
sammengefunden, der zum ersten Mal durch LIBBERT                    Die übriggebliebene Schwermetallvegetation ist als Folge
(1930, 1939) von den Steinfeldern der Oker beschrieben              menschlicher Aktivitäten stark überformt. Die Erzgewin-
wurde (Abb. 4 und 5).                                               nung und Erzverarbeitung im Harz erforderte große

Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

                    Holzmengen und hat die erste Zerstörung der Harzwäl-               a: Schlacken und andere Reste des Schmelzprozesses
                    der verursacht. Im Mittelalter ist dieser Eingriff in die             wurden in der Nähe der Schmelzen an vielen Stellen im
 Übersichtsarbeit

                    Wälder mit der Modernisierung des Erzbergbaus, insbe-                 Harz zu Halden aufgehäuft (GUNDLACH und STEINKAMP,
                    sondere im Gebiet des Rammelsberges, intensiviert wor-                1973). Diese Standorte sind durch ein gut ent-
                    den. Das Rösten von sulfidischen Erzen erforderte 1,3 t               wickeltes Armerietum halleri gekennzeichnet (ERNST,
                    Holz und das Schmelzen der Erze nochmals 0,7 t Holz je                1965, 1974). Die Weiterverwendung dieses Halden-
                    t (Tonne) Blei- und Kupfererz. Bereits im Mittelalter war             materials für den Straßenbau hat viele dieser Schwer-
                    es billiger, Erze zu bewaldeten Flächen zu transportieren,            metallrasen seit der Mitte der 1960er Jahre vernichtet.
                    als sie an Ort und Stelle zu verarbeiten. Hierdurch ent-           b: Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ge-
                    standen neue schwermetallreiche Standorte fernab der                  wonnenen Erze zerkleinert (sog. Pochen) und die
                    Erzlagerstätten.                                                      Schwermetalle vom tauben Material durch Waschen
                       Drei verschiedene Typen anthropogener Schwerme-                    geschieden. Diese Erzwäsche hat Flüsse in der Harzre-
                    tallböden können in der Harzregion ausgewiesen wer-                   gion mit Schwermetallen angereichert, da der Wir-
                    den:                                                                  kungsgrad der (vor)mittelalterlichen Aufbereitungs-

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                                                                                                                     Abb. 6. Bleikonzentrationen
                                                                                                                     auf den Uferterrassen entlang
                                                                                                                     der mit der Harzregion verbunde-
                                                                                                                     nen Flusstäler in Niedersachsen.
                                                                                                                     Der Einfluss der Erzgewinnung
                                                                                                                     und Erzverarbeitung im Harz ist
                                                                                                                     bis zu 200 km talabwärts noch in
                                                                                                                     den Böden der Flussauen nachzu-
                                                                                                                     weisen. In der Karte sind drei
                                                                                                                     Bleikonzentrationsbereiche an-
                                                                                                                     gezeigt: Eine Erhöhung des Blei-
                                                                                                                     gehaltes im Boden (breite Strei-
                                                                                                                     fensignatur), eine Belastung bis
                                                                                                                     zu 500 mg Pb/kg Boden (enge
                                                                                                                     Streifensignatur) und eine Belas-
                                                                                                                     tung mit mehr als 500 mg Pb/kg
                                                                                                                     Boden (ausgefüllte Flächensigna-
                                                                                                                     tur). Aus KÖSTER und MERKEL (1985).

                                                                                                                   Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

   und Verhüttungsverfahren nicht sehr hoch war. Bei              sionen beschädigten die Vegetation im Umkreis von
   der Verarbeitung von Bleierzen ging 25% Blei verloren          einigen Kilometern und verursachten die sog. "Hütten-

                                                                                                                                  Übersichtsarbeit
   (KRAUME, 1948). Das schwermetallbelastete Wasser               rauchschäden", nicht nur im 19. Jahrhundert (VON
   und die schwermetallreichen Rückstände des Poch-               SCHROEDER und REUSS, 1983), sondern auch noch im
   prozesses (Pochsande) wurden durch die Flüsse bis zu           20. Jahrhundert, mindestens bis zum Jahr 1978, als die
   200 km talabwärts transportiert und bei Hochwasser             Frankenscharrnhütte geschlossen wurde. Die Zinkhütte
   auf den Uferterrassen abgesetzt (EMMERLING und KOLK-           in Oker wurde zwar technisch modernisiert, aber emit-
   WITZ, 1914; ERNST, 1965, 1974; BAUMANN, 1984). Hier            tiert weiterhin Schwermetalle von primären und sekun-
   entstanden dann anthropogene Schwermetallböden                 dären Verarbeitungsprozessen. Durch die Verpflichtung
   (Abb. 6). Mit den Flüssen wurden auch Samen der ur-            des Europäischen Registers der Emissionen schädlicher
   sprünglichen Schwermetallvegetation talabwärts                 Stoffe, EPER (http://www.eper.de), ist bekannt gewor-
   transportiert, so dass sich auf den schwermetall-kon-          den, dass die metallverarbeitende Industrie um Gos-
   taminierten Uferterrassen eine neue Schwermetallve-            lar-Oker im Jahr 2001 noch die folgenden Schwerme-
   getation entwickeln konnte. Heute tragen diese Flä-            tallmengen emittiert hat: 222 kg Cd, 11500 kg Pb
   chen die am besten konservierten, anthropogenen                (Harz-Metall GmbH) und 4640 kg Zn (Metalleurop
   Schwermetallrasen. Wo die Landwirtschaft die Auen-             GmbH Niederlassung Harzer Zinkoxide). Als Konse-
   böden der Uferterrassen genutzt hat, wurden die Kul-           quenz wurden die Böden in dieser Region mit Blei, Cad-
   turpflanzen mit Schwermetallen kontaminiert. Diese             mium und Zink erheblich belastet (ANONYMUS, 1979).
   Vergiftung wurde erstmals 1822 durch MEYER erkannt          Eine Anreicherung von Böden mit bestimmten Elementen                 229
   und dauert bis heute fort (EMMERLING und KOLKWITZ,          durch Lagerstätten, Mineralisationen und anthropogene
   1914; ERNST, 1974; VON HODENBERG und FINCK, 1975).          Überlagerungen kann auch durch Pflanzenanalysen festge-
   Mit der Vollendung der Innerste- und Oker-Talsperren        stellt werden, wie JOHANNES und KRAUSE (1985) im Nord-
   wurde die Hochwassergefahr für die Flussterrassen           westharz durch die Analyse der Asche von Fichtennadeln
   aber erheblich herabgesetzt und damit auch die Zufuhr       mit erhöhten Konzentrationen von Ba, Ca, Cd, Co, Cu, Fe,
   schwermetallbelasteter Sedimente aus dem Flussober-         Mn, Mo, Ni, Pb, Rb, Sr, V und Zn zeigen konnten. Weniger
   lauf eingeschränkt. Aufgrund natürlicher geohydroge-        bekannt ist, dass auch Tiere in der Harzregion, beispielswei-
   ner Prozesse wird an Stellen, an denen Quellen in Kon-      se Vögel und Säugetiere, eine solche Anreicherung mit
   takt mit Erzkörpern stehen, noch stets schwermetall-        Schwermetallen aufweisen (KNOLLE und KNOLLE, 1983). Die
   haltiges Quellwasser in die Bäche eingespeist (Tab. 1)      Schwermetallbelastung der Flüsse, u. a. der Oker nördlich
   und dann unter anderem in die Flüsse Innerste und           der Oker-Hütten, wird durch erhöhte Schwermetallgehalte
   Oker weitergeleitet (NOWAK und PREUL, 1971; KNOLLE,         in Fischen angezeigt (KOOP, 1989). HARTMANN (2000) fand
   1989). Die Wasserabfuhr ist z. T. verantwortlich für die    in Knochen, Leber und Nieren von Fledermäusen der
   starke Schwankung im Metallgehalt der Innerste.             Harzregion signifikant höhere Bleiwerte als in Individu-
c: Obwohl Holzmangel im 19. und 20. Jahrhundert nicht          en aus anderen Teilen Niedersachsens (Abb. 7).
   mehr der Hauptgrund für die Wahl von Standorten für
   Erzschmelzen und erzverarbeitenden Industrien war,
   wurden noch immer solche Betriebe am Rand des Har-          2 Metallkonzentrationen in Pflanzen und ihre Regulation
   zes bei Langelsheim, Oker und Harlingerode angesie-
   delt. Unzureichende Filterung der Prozessluft führte        Pflanzen von schwermetallreichen Böden sind durch ei-
   zu einer weiteren Emission von Metallen und luftver-        nen erhöhten Schwermetallgehalt in allen Pflanzenteilen
   unreinigenden Gasen (SO2, NOx, Dioxin). Diese Emis-         mit Ausnahme der Samen gekennzeichnet (ERNST, 1974).

Tab. 1. Mineralstoffe im Wasser einiger Harzflüsse im Vergleich zu Blei- und Zinkkonzentrationen von Quellen im erzführen-
den Teil des Harzes. Probenentnahme aus der Abzucht und Oker erfolgte im März 2003 durch die FAL Braunschweig. Daten von
SCHWÄGLER et al., (2003) sind mit einem Sternchen, diejenigen von Nowak und Preul (1971) mit zwei Sternchen gekennzeichnet.
--- = nicht bestimmt

Gewässer                                                       Elementgehalt in mg/L
                                       Ca   Mg        S           Cd          Mn                 Pb                 Zn

Abzucht                               34      7      13          0.002         0.040        0.060              1.0
Oker                                  19      6      13          0.004         0.202        0.005              1.0
Sieber bei Siebertal                  ---   ---      ---         0.00011*    ---
Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
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 Übersichtsarbeit

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                                                                                                                      Bleikonzentrationen im Hoch-
                                                                                                                      harz (aus NOWAK und PREUL, 1971).

                    Dabei ist die Verlagerung der Metalle von der Wurzel               2.1 Regulation des Schwermetallhaushaltes unter Be-
                    zum Spross spezifisch für jede Pflanzenart und jeden               trachtung der gesamten Pflanze und ihrer Organe
                    Ökotyp (ERNST, 1974; MACNAIR, 2002), so dass sehr unter-           Für das Verständnis der spezifischen Schwermetallresis-
                    schiedliche Schwermetallkonzentrationen in den einzel-             tenz werden zwei verschiedene Organisationsstufen ei-
                    nen Pflanzenorganen vorliegen (Tab. 2). Die höchsten               ner Pflanze, das organismische und das zelluläre Niveau,
                    Werte kommen häufig in den Wurzeln, die niedrigsten in             betrachtet, um solche Anpassungen der Pflanzen an
                    den Samen vor.                                                     schwermetallreiche Böden aufzuzeigen, die ein Überle-
                      In einem Gefäßversuch wurden drei Ökotypen unter                 ben und den Aufbau vitaler Populationen ermöglichen.
                    kontrollierten Bedingungen in einem Boden von der                  Einer der möglichen Resistenzmechanismen ist eine Ein-
                    Schlackenhalde zwischen Bredelem und Langelsheim                   schränkung der Schwermetallaufnahme durch die Wur-
                    von der Keimung bis zur Ernte angezogen. Der Ökotyp                zeln und eine Festlegung in den Wurzeln, so dass der
                    "Langelsheim", der auf seinem eigenen Boden wuchs, ist             Schwermetalltransport von der Wurzel zum Spross ein-
                    gegen viele Schwermetalle resistent; der Ökotyp "Plom-             geschränkt ist. Diese Anpassung wird durch den Ökotyp
                    bières" ist zwar gegen Cd, Pb und Zn resistent, aber seine         "Langelsheim" von Silene vulgaris realisiert (Tab. 2). Eini-
                    Resistenz ist nicht hoch genug, um auf dem Boden der               ge Pflanzenarten jedoch verfahren in entgegengesetzter
                    Schlackenhalde bis zur Samenreife zu überleben; der                Richtung: Sie vermindern weder die Aufnahme noch den
                    Ökotyp "Amsterdam" ist empfindlich gegen hohe Schwer-              pflanzeninternen Transport; vielmehr reichern sie die
                    metallgehalte und starb bereits 14 Tage nach der Kei-              Schwermetalle in den Blättern zu extrem hohen Konzen-
                    mung. Der schwermetallresistenteste Ökotyp "Langels-               trationen an. Dieser Prozess wird mit dem Begriff "Hyper-
                    heim" kann die Aufnahme der Schwermetalle so stark                 akkumulation" bezeichnet (BROOKS et al., 1977). Das
                    einschränken, dass deren Konzentrationen in Wurzeln                Schwermetallniveau, das eine Pflanze als "Hyperakku-
                    und Blättern im Vergleich zu den beiden anderen Ökoty-             mulator" einordnet, ist für jedes Schwermetall spezifisch
                    pen relativ niedrig ist (Tab. 2).                                  definiert worden; doch wurde immer wieder die Unter-

                                                                                                                    Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
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Tab. 2. Schwermetallkonzentrationen (Mittelwert ± Standardfehler [S.E.]) in verschiedenen Pflanzenteilen von drei Ökotypen
von Silene vulgaris, die sich in der Schwermetallresistenz unterscheiden. Daten von ERNST et al., (2000) und ERNST (unveröffent-

                                                                                                                                        Übersichtsarbeit
licht)

Ökotyp               Pflanzenteil                 Schwermetallkonzentration in mg kg-1 Trockenmasse
                                               Cu                   Fe                     Mn                           Zn

Langelsheim/D        Samen              10.8   ± 1.9             64.2   ±   4.5          32.4   ± 8.8              56   ± 14
                     Blätter            80.7   ± 17.8           191.0   ± 30.2          917.0   ± 84.6           3360   ± 97
                     Stengel            38.1   ± 9.5             88.2   ± 10.6           73.6   ± 15.9           5760   ± 340
                     Wurzel            374.0   ± 43.2          2966     ± 977           287.0   ± 53.8           3440   ± 879

Plombières/B         Blätter           259.0 ± 75.6             994     ± 324           898     ± 168            9985 ± 3073
                     Wurzel           1640 ± 613               8530     ± 2044          961     ± 269           26810 ± 5300

Amsterdam/NL         Blätter           941     ± 257           6367     ± 2670         1300     ± 210            4030 ± 1115
                     Wurzel           2490     ± 324          10050     ± 2190          923     ± 228            6030 ± 987

                                                                                                                                          231

grenze ohne jegliche physiologische Begründung erhöht                 der Schwermetalle vom Boden über den Mykorrhizapilz
(BROOKS, 1988). Im Fall des Zink weist ein Hyperakkumu-               in die Pflanzenwurzeln so stark beeinträchtigt, dass der
lator mehr als 10 g Zn/kg Trockenmasse auf, was in der                Schwermetallgehalt dieser Pflanzen im Vergleich zu
Harzregion für Arabidopsis halleri zutrifft. Die ökologi-             Pflanzen mit nicht-mykorrhizierten Wurzeln, u. a. Arabi-
sche Bedeutung dieser Hyperakkumulation ist noch um-                  dopsis halleri, Minuartia verna und Silene vulgaris, recht
stritten, aber wird gegenwärtig bevorzugt als Verteidi-               niedrig ist (IETSWAART et al., 1992).
gung gegen blattfressende Insekten und pathogene Pilze                   Eine weitere Möglichkeit der organismischen Schwer-
diskutiert (COLEMAN et al., 2005). Doch ist bei der Defini-           metallresistenz besteht darin, aufgenommene Schwer-
tion des Hyperakkumulators unzureichend umschrieben,                  metalle so schnell als möglich wieder auszuscheiden.
dass der entsprechende Grenzwert des Schwermetalles                   Diese Lösung ist bei Menschen und Tieren über Exkretion
allein für die Pflanze am natürlichen Standort zutrifft               in Fäzes und Urin weit verbreitet. Ein solches Ausschei-
und bei der Analyse die Blätter von aufgewehten und auf-              dungsverfahren für Schwermetalle ist in der Evolution
gespritzten Bodenteilen zu säubern sind. Auf der Suche                von Pflanzen kaum zustande gekommen. Bei Pflanzen ist
nach Pflanzen für Phytoremediation (= Einsatz von                     eine Schwermetallexkretion allein über Salzdrüsen und
Pflanzen zur Dekontamination von Böden), werden                       Hydathoden möglich, wenn man den Abwurf alter,
Pflanzen in kurzfristigen physiologischen Experimenten                schwermetallbelasteter Blätter nicht als Exkretion be-
hohen Schwermetallkonzentrationen ausgesetzt, um sie                  trachtet. Auf schwermetallreichen Böden besitzen nur
schließlich als Hyperakkumulator einzustufen. Durch                   Armeria-Arten Salzdrüsen, z. B. Armeria halleri, doch ist
eine unzureichende Begriffsabgrenzung des Hyperakku-                  die Effizienz der Schwermetallausscheidung sehr gering
mulators versagen solche unzureichend schwermetallre-                 (ERNST, 1974). Hydathoden sind im Pflanzenreich relativ
sistenten Ökotypen, wenn sie dann auf schwermetallrei-                weit verbreitet; ihre Rolle in der Regulation des Schwer-
chen Böden angepflanzt werden. Wie das Beispiel vom                   metallhaushaltes ist bisher allein bei Minuartia verna un-
Ökotyp "Plombières" von Silene vulgaris zeigt (Tab. 2),               tersucht, wo die an Blattspitzen liegenden Hydathoden
müsste dieser Ökotyp als Zn-Hyperakkumulator einge-                   durch Ausscheidung von metallbeladenem Xylemsaft die
stuft werden, obwohl er keineswegs bis zur Samenreife                 interne Schwermetallbelastung geringfügig vermindern
überleben kann. Pflanzen, die unter dem Grenzwert ei-                 können (NEUMANN et al., 1997). Trotzdem bleibt der
nes Schwermetalles für einen Hyperakkumulator blei-                   Schwermetallgehalt der Blätter dieser Caryophyllaceae
ben, werden als "Akkumulator" definiert; viele Pflanzen-              hoch (ERNST, 1974; Tab. 2). All diese Anpassungen auf or-
arten in Tab. 3 können als solche Schwermetall-Akku-                  ganismischen Niveau können jedoch nicht verhindern,
mulatoren eingestuft werden.                                          dass Pflanzen auf Schwermetallböden einen Schwerme-
   Eine andere Möglichkeit der Anpassung an hohe                      tallgehalt aufweisen, der weit über demjenigen von
Schwermetallkonzentrationen des Bodens kann in der                    Pflanzen bei durchschnittlicher Schwermetallversorgung
Einschränkung der Schwermetallaufnahme durch eine                     der Böden liegt. In diesen schwermetallresistenten Pflan-
Assoziation der Wurzeln mit arbuskulären Mykorrhiza-                  zen sind die Schwermetallkonzentrationen sehr metall-
pilzen realisiert werden. Eine solche Mykorrhisierung ist             und pflanzenarten-spezifisch (Tab. 2). Eine hohe lokale
effektiv in den Kräutern Plantago lanceolata und Viola ca-            Variation des Schwermetallgehaltes des Bodens (Tab. 3)
laminaria und in allen schwermetallresistenten Gräsern.               sorgt noch für eine weitere Modifikation der Schwerme-
Durch noch nicht erforschte Prozesse wird der Transport               tallgehalte.

Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

                    Tab. 3. Schwermetallgehalte (Mittelwert ± Standardfehler [S.E.]) in vollentwickelten Blättern von Pflanzenarten, die auf den
                    Schlackenhalden zwischen Bredelem und Langelsheim wachsen (ERNST, 1974; ERNST, unveröffentlicht). ng = nicht gemessen
 Übersichtsarbeit

                                                                     Schwermetallgehalt in mg/kg Trockenmasse
                    Pflanzenart                Cd                   Cu              Fe               Mn                    Pb                  Zn

                    Arabidopsis halleri   157.0 ± 4.50       6.99   ±    1.91    251   ± 20.7       1280   ±   60.4   253.0 ± 47.7     29230    ±   8110
                    Armeria halleri        14.6 ± 4.50     115.00   ±   14.60    144   ± 60.3        224   ±   27.5    49.7 ± 16.6      2021    ±    307
                    Minuartia verna        49.5 ± 3.37     574.00   ±   62.30   1123   ± 232.0       593   ±   67.6    99.5 ± 18.6      5427    ±   1164
                    Silene vulgaris        23.6 ± 4.50      80.70   ±   17.80    191   ± 30.2        917   ±   84.6   180.0 ± 45.6      3361    ±     98
                    Agrostis capillaris    12.4 ± 1.12       1.27   ±    0.64    183   ± 86.0         78   ±   13.7   137.0 ± 72.5       118    ±     39
                    Festuca ovina          11.2 ± 1.12       7.63   ±    3.81    119   ± 38.5         80   ±   18.7    82.9 ± 6.2       1144    ±    255
                    Molinia caerulea           ng           13.30   ±    3.18    329   ± 92.2         76   ±   14.8        ng            394    ±     87

                    2.2 Regulation des Schwermetallhaushaltes auf dem                   MER  et al., 1996). In Pflanzen, die an ein Übermaß an Ar-
232                 zellulären Niveau der Pflanzen                                      sen und Cadmium angepasst sind, findet eine erhöhte
                    Um bei einem hohen internen Schwermetallgehalt zu                   Synthese von Phytochelatinen im Cytosol statt, bevor der
                    überleben, muss in den Pflanzenorganen eine hohe                    Cd-Komplex über einen spezifischen Transporter in die
                    Schwermetallresistenz vorhanden sein, die physiologisch             Vakuole gebracht wird (DE KNECHT et al., 1995; HART-
                    auf zellulärem Niveau gelöst werden muss. Aufgrund der              LEY-WHITAKER et al., 2001; ERNST et al., 2008). Der Vorteil
                    vitalen Rolle vieler Schwermetalle in biologischen Syste-           von schwermetallresistenten Pflanzen besteht darin, dass
                    men und der Option für eine Evolution neuer Enzyme                  sie im Gegensatz zu schwermetallempfindlichen Pflan-
                    oder anderer Eiweiße kann eine Pflanze es sich nicht er-            zen überschüssige Schwermetallmengen schneller in die
                    lauben, Schwermetalle von der Aufnahme auszuschlie-                 Vakuole transportieren (CHARDONNENS et al., 1999a).
                    ßen. In der Wurzel wird die Aufnahme der Schwermetal-                  Sobald die zelluläre Regulation dem Schwermetallan-
                    le über Gene gesteuert, die die Synthese von spezifischen           gebot nicht mehr gewachsen ist, findet auch in schwer-
                    und unspezifischen Metalltransportern regeln. Bisher                metallresistenten Pflanzen eine Vergiftung statt, deren
                    sind nur wenige solcher Transporter identifiziert, wie z.           Symptome mit dem bloßen Auge bereits als Chlorosen
                    B. die Zinktransporter ZNT1 und ZNT2 in schwermetall-               (bleichgrüne Blätter) und erhöhte Anthocyangehalte
                    resistenten Ökotypen von Thlaspi caerulescens (ASSUNÇÃO             (blaugrüne Blätter) wahrgenommen werden können.
                    et al., 2001), der Zink-Vakuolen Transporter AhMTP1 in              Die Ursache der Toxizität liegt in einer metallspezifischen
                    zinkresistenten Pflanzen von Arabidopsis halleri (DRÄGER            Störung von Stoffwechselprozessen. Eine Chlorose kann
                    et al., 2004) und einige Schwermetalltransporter in                 ursächlich auf verschiedene Prozesse zurückgeführt wer-
                    nicht-schwermetallresistenten Pflanzen (CLEMENS, 2001).             den. Blei blockiert die Aktivität der delta-Aminolävulin-
                    Sobald die Schwermetalle ein Pflanzenorgan erreichen,               säure, so dass unzureichende Mengen an Protochloro-
                    tritt eine weitere Verfeinerung der Metallverteilung auf,           phyll synthetisiert werden. Ein Übermaß an Zink beein-
                    die gut in Blättern untersucht ist. Hierbei findet im Blatt         trächtigt den Transport von Magnesium in das Chloro-
                    eine bevorzugte Akkumulation von Cadmium, Nickel                    phyllmolekül und erhöht den Zinkgehalt im Chloroplas-
                    und Zink in den photosynthetisch inaktiven Zellen der               ten so stark, dass schließlich die Photosynthese mit 90%
                    unteren und oberen Epidermis statt (CHARDONNENS et al.,             vermindert wird (VAN ASSCHE und CLIJSTERS, 1986). Dane-
                    1999b). Einmal in der Zelle, werden die für den Stoff-              ben kann eine unzureichende Schwermetallresistenz zu
                    wechsel notwendigen Schwermetallmengen auf die                      morphologischen Veränderungen wie Zwergwuchs oder
                    schwermetall-bedürftigen Komponenten im Cytosol und                 Kleinblättrigkeit führen (ERNST, 1999).
                    in den Zellorganellen verteilt. Jeder Überschuss an
                    Schwermetallen und alle physiologisch funktionslosen
                    Schwermetalle (u. a. As, Cd, Hg, Pb) müssen so schnell              3 Besuch von Standorten mit einer Schwermetallvege-
                    wie möglich in der Zelle physiologisch inaktiviert und              tation
                    mit Hilfe von anderen Transportern in die physiologisch
                    weniger aktiven Zellkompartimente, d. h. Vakuole und                In Abb. 8 ist die Lage der besuchten Standorte angege-
                    Zellwand, verfrachtet werden. Für Zink und Nickel wird              ben.
                    für die Inaktivierung im Cytosol eine Komplexbindung
                    mit organischen Säuren diskutiert (MATHYS, 1977; KRÄ-               3.1 Schlackenhalden auf der Schmelze südlich von
                    MER et al., 2000; SARRET et al., 2002). Kupfer wird in kup-         Bredelem (51º58'N,10º21'E)
                    ferresistenten Pflanzen an Metalloproteine (MT) des                 Das Gebiet der Schlackenhalden steht unter Naturschutz.
                    MT-2b Typs gebunden (VAN HOOF et al., 2001) und Nickel              Die Schlackenhalden bei Bredelem stammen aus der frü-
                    in einigen Ni-resistenten Pflanzenarten an Histidin (KRÄ-           hen Neuzeit nach 1500 (mdl. Mitt. Dr. L. KLAPPAUF, Ar-

                                                                                                                        Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

                                                                                                                                 Übersichtsarbeit
                                                                                                                                   233

                                                                                               Abb. 8. Lage der besuchten
                                                                                               Standorte mit einer Schwerme-
                                                                                               tallvegetation.

beitsstelle Montanarchäologie des Niedersächsischen           gleichmäßig mosaikartig verteilt sind. Auf einigen Klein-
Landesamtes für Denkmalpflege). Seinerzeit waren die          flächen ist die Anreicherung so hoch geworden, dass sie
mit Holzkohle betriebenen Schmelzen nicht sehr effektiv       die Schwermetallresistenz der Arten des Armerietum hal-
und es fand eine relativ einseitige Metallselektion statt.    leri übertreffen und darum vegetationsfrei geblieben sind
Dadurch ist der Schwermetallgehalt der Schlackenhal-          (ERNST et al., 2000; ERNST und NELISSEN, 2000). Auf ande-
den extrem hoch, besonders reich sind sie an Blei, Eisen,     ren Flächen erlaubt der gemäßigte Schwermetallgehalt
Mangan und Zink (Tab. 4).                                     die Entwicklung einer geschlossenen Vegetationsdecke
   Spätestens seit dem Mittelalter findet durch die oben      des Armerietum halleri (Abb. 9), und bei sehr niedriger
beschriebene Belastung der Innerste mit Pochsanden, die       Belastung selbst das Überleben schwach schwermetallre-
bei Hochwasser auf der Uferterrasse abgelagert werden,        sistenter Birken und Kiefern (Abb. 10).
eine Zunahme der Schwermetallmengen statt. Als Resul-
tat dieser Jahrhunderte andauernden Kontamination             3.1.1 Schwermetalle in höheren Pflanzen. Als Konsequenz
sind polymetallische Böden in diesem Gebiet entstanden,       der hohen Schwermetallgehalte der Schmelzrückstände
wobei die Schwermetallkonzentrationen im Boden un-            und der späteren Anreicherung mit kontaminierten

Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen in der Harzregion - eine geführte Exkursion
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

                    Tab. 4. Mit Königswasser (HNO3/HCl, 3:1) extrahierbare Schwermetalle (Mittelwert ± Standardfehler [S.E.]) aus der Schla-
                    ckenhalde südlich von Bredelem. Die Bodenwerte der Pionierphase des Schwermetallrasens mit Armeria halleri und Silene vul-
 Übersichtsarbeit

                    garis sind übernommen aus ERNST und NELISSEN (2000), diejenige des zwergwüchsigen Betula pendula-Bestandes aus ERNST und
                    NELISSEN (2006)

                    Mikrohabitat                 Schwermetallkonzentration des mit Schlackendurchsetzten Bodens in mg/kg trockener Boden
                                                 Cd              Cu                Fe               Mn               Pb               Zn

                    Armeria-Stadium          18.0 ± 1.12        6927 ± 1017       126800 ± 48500        8020 ± 3626       18650 ± 2694       36360 ± 11180
                    Silene-Stadium           16.9 ± 1.12        5910 ± 1462        63950 ± 13910        5770 ± 1760       16370 ± 4144       28445 ± 4773
                    Betula-Bestand            7.4 ± 1.46        1093 ± 32          42610 ± 559          8571 ± 220         9324 ± 1658        5950 ± 327

                    Pochsanden ist der Schwermetallgehalt der Pflanzen be-                    Blättern stark erhöht sein, wobei die Zn-Konzentration
                    sonders hoch. Mit Ausnahme von Kupfer hat der Zn-Hy-                      im Birken-Blutungssaft bereits im Frühjahr eine guter In-
                    perakkumulator Arabidopsis halleri die höchsten Schwer-                   dikator für die im Spätsommer und Herbst zu erwarten-
                    metallgehalte in seinen Blättern (Tab. 3). Die Vitalität                  den Zinkbelastungen vollentwickelter Blätter ist
234                 von Armeria halleri, einer Pflanzenart mit hoher Resis-                   (Tab. 5).
                    tenz gegen Cd, Cu, Pb und Zn, ist ein guter Indikator für                   Die Besiedlung schwermetallreicher Flussterrassen
                    die pflanzenverfügbare Schwermetallkonzentration: je                      hängt nicht nur vom Schwermetallgehalt, sondern auch
                    höher die Zahl toter Blätter in einer Rosette ist, desto                  von anderen Umweltbedingungen ab. Ein grobkörniger
                    grösser ist die Ökotoxizität des Wuchsortes. Die Wuchs-                   Boden hält die Feuchtigkeit schlechter fest als ein fein-
                    form der mykorrhizierten Gräser Agrostis capillaris und                   körniges Substrat. Darum müssen Pflanzen auf schotter-
                    Avenella flexuosa lässt das geübte Auge ebenfalls die                     reichen Uferterrassen an sommerliche Trockenperioden
                    Pflanzenverfügarkeit der Schwermetalle eines Bodens                       angepasst sein oder durch ein tiefreichendes Wurzelsys-
                    erkennen. Sehr kleine und offene Polster zeigen einen                     tem die Trockenheit der oberen Bodenschichten vermei-
                    hohen Schwermetallgehalt des Bodens an, während eine                      den. Daher prägen Unterschiede im Wurzelsystem das
                    geschlossene Vegetationsdecke ein Indiz für eine gemä-                    Vegetationsmosaik solcher Standorte. Pflanzenarten mit
                    ßigte Bodenbelastung ist (Abb. 11).                                       bis zu 3 Metern tief reichenden Wurzeln, z. B. Armeria
                      Auf mäßig schwermetallbelasteten Böden haben eini-                      halleri und Silene vulgaris (Abb. 13), haben auch wäh-
                    ge Populationen von Hängebirken (Betula pendula) eine                     rend der Trockenperioden noch Zugang zum Grundwas-
                    bescheidene Schwermetallresistenz erworben, die durch                     ser. Darüber hinaus haben diese Pflanzenarten noch ei-
                    eine Symbiose mit dem Ektomykorrhizapilz (Paxillus in-                    nen konstitutiv hohen Prolingehalt, der einen zellulären
                    volutus) (OTT et al., 2002) verstärkt wird (Abb. 12). Auch                Schutz gegen Austrocknung bietet (SCHAT et al., 1997).
                    in Hängebirken kann der Schwermetallgehalt in den                         Oberflächlich wurzelnde Pflanzen wie Arabidopsis halleri

                    Abb. 9. Eine Übersicht über die Uferterrasse der Innerste mit Resten
                    der Schlackenhalden südlich von Bredelem. Das mehrjährige Kraut Ar-
                    meria halleri und die langlebigen Individuen der Gräser Agrostis capil-
                    laris und Festuca ovina besiedeln Flächen mit hohen Schwermetall-
                    konzentrationen. Die Wuchsmöglichkeiten von Molinia caerulea (die         Abb. 10. Im Vordergrund ein geschlossenes Armerietum halleri auf
                    Horste im Hintergrund) werden durch die hohen Ansprüche dieses            schwermetallreichen Pochsanden, in der Mitte ein offenes Armerie-
                    Grases an eine sehr gute Wasserversorgung auf die ufernahen Flächen       tum halleri auf Schmelzresten, im Hintergund ein Gebüsch mit mäs-
                    beschränkt. Auf etwas höher gelegenen und damit nicht überfluteten        sig schwermetallresistenten Hängebirken und halbrechts ein kleiner
                    Böden sind die Schwermetallkonzentrationen so niedrig, dass sich          Kiefernbestand auf schwermetallarmem Boden im Bereich der
                    Pappeln, Weiden und Kiefern angesiedelt haben (Foto: ERNST, 2003).        Schmelze südliche von Bredelem (Foto: ERNST, 2003).

                                                                                                                              Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

                                                                                                                                           Übersichtsarbeit
Abb. 11. Die Wuchsformen von Agrostis capillaris und Avenella flexu-   Abb. 12. Hängebirken können dank einer bescheidenen Zinkresis-
osa ermöglichen eine erste Beurteilung der Schwermetalltoxizität ei-   tenz auf Böden mit einer gemäßigten Schwermetallbelastung überle-
nes Bodens (Foto: ERNST, 2003).                                        ben (Foto: ERNST, 2003).
                                                                                                                                             235

sind dagegen an Mikrohabitate gebunden, deren Boden                       Auf den Schlackenstücken hat sich eine sehr spezifi-
eine hohe Wasserkapazität besitzt. Die nadelförmigen                   sche sog. epilithische (auf Steinen wachsende), erzlie-
Blätter von Minuartia verna bieten genügend Resistenz                  bende (orophile) Flechtengesellschaft entwickelt, die in
gegen eine längere Trockenperiode, aber diese Pflanze                  Deutschland erstmals durch SCHADE (1933) als Acaro-
erträgt keine Staunässe, so dass sie auf verdichteten Bö-              sporetum sinopicae von den sächsischen Bergwerkshal-
den fehlt.                                                             den beschrieben wurde. Diese Krustenflechten sind auch
                                                                       auf den Schlackenhalden im Harz weit verbreitet
3.1.2 Schwermetalle und Flechten. Auf offenen Böden                    (Abb. 14 und 15).
von Halden und Pochsandflächen hat sich eine artenrei-                    Eine Analyse von Lecidea fuscoatra (L.) Ach. von den
che, epigäische (auf dem Boden aufliegende) Flechten-                  Schlackenhalden südlich von Bredelem zeigt, dass deren
flora mit vielen Strauchflechten entwickeln können, u. a.              Schwermetallgehalt mit demjenigen von anderen orophi-
mit Cladonia alcicornis, Cladonia arbuscula, Cladonia                  len Flechtenarten vergleichbar ist (Tab. 6). Der enge
chlorophaea, Cladonia floerkeana, Cladonia furcata, Cla-               Kontakt dieser Krustenflechten mit den schwermetallhal-
donia mitis, Cladonia pyxidata, Cladonia rangiformis, Cla-             tigen Schlacken und Steinen resultiert in standort- und
donia verticillata, Cetraria aculeata, Stereocaulon dactylo-           artspezifischen Schwermetallkonzentrationen. Lecanora
phyllum und Stereocaulon vesuvianum (ERNST, 1965,                      fuscoatra enthält viel weniger Kupfer als Acarospora sino-
1974; DIERSCHKE, 1969). Durch den sehr geringen Boden-                 pica von den Schlackenhalden bei Bredelem und Lecano-
kontakt dieser Strauchflechten wird deren Schwermetall-                ra polytropa von einem kupferreichen Felsen in Grönland
gehalt fast ausschließlich durch die Schwermetalle im                  (ALTRUP und HANSEN, 1977). Der Bleigehalt von Lecanora
Niederschlag und im aufspritzenden Regenwasser be-                     fuscoatra muss als extrem hoch angemerkt werden. Der
stimmt. Darum ist das Schwermetallniveau dieser Flech-                 Eisengehalt dieser Flechte ist dagegen ebenso hoch wie
ten sehr niedrig (LANGE und ZIEGLER, 1963; ERNST, 1974).               derjenige anderer orophiler Flechten. Auch andere Arten
Die Regulation des Schwermetallhaushaltes dieser Flech-                des Acarosporetum sinopicae können reich an Kupfer und
ten ist noch unzureichend bekannt. In jedem Fall scheint               Eisen sein. Das Kupfer ist vor allem in den Pilzhyphen des
Cadmium durch Bindung an Phytochelatine detoxifiziert                  Flechtenthallus nachgewiesen, wo es an Oxalat (PURVIS,
zu werden (PAWLIK-SKOWRONSKA et al., 2002).                            1984) und/oder an Norstictinsäure, eine spezifische

Tab. 5. Schwermetallkonzentrationen (Mittelwert ± Standardfehler [S.E.]) im Blutungssaft vor dem Blattaustrieb im Frühjahr
und in reifen Blättern der Hängebirke im Spätsommer und Herbst im Bereich der Schmelze südlich von Bredelem (ERNST und NE-
LISSEN, 2007)

Pflanzenorgan                                                          Schwermetallkonzentration
                                          Cd              Cu               Fe            Mn                  Pb               Zn

Blutungssaft (mg/L)                   0.05 ± 0.01    0.27 ± 0.07 0.33 ± 0.16 7.97 ± 0.99 0.13 ± 0.03                     40.7 ± 8.04
Blätter (mg/kg Trockenmasse)          1.12 ± 0.12   12.7 ± 2.50 160 ± 29.0 357 ± 290     20.7 ± 2.67                   1975 ± 333

Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...
 Übersichtsarbeit

                                                                                          Abb. 14. Die epilithische Flechtengesellschaft des Acarosporetum
                                                                                          sinopicae mit Acarospora sinopica, Lecanora epanora und Lecidea fus-
                                                                                          coatra auf einem schwermetallreichen Schlackenstück (Foto: ERNST,
                                                                                          2003).

236

                    Abb. 13. Die mehr als tausendjährige Anschwemmung von Pochsan-
                    den aus den flussaufwärts gelegenen Bergbaugebieten hat die In-
                    nersteterrasse mit mehr als 2 Meter dicken schwermetallreichen Se-
                    dimentlagen bedeckt. Armeria halleri kann mit der starken Hauptwur-
                    zel durch diese Sedimente hindurchwachsen und so den                  Abb. 15. Lecidea-Arten in der epilithischen Flechtengemeinschaft
                    Wasserspiegel des Flussbettes erreichen, um längere Trockenperioden   des Acarosporetum sinopicae auf schwermetallreichen Steinen südlich
                    zu überleben (Foto: ERNST, 2003).                                     von Bredelem (Foto: ERNST, 2003).

                    Flechtensäure (PURVIS et al., 1987), gebunden ist. Die                funden. Heute kommt er in nahezu allen Schwermetall-
                    Bindung von anderen Schwermetallen an organische                      rasen vor, insofern sie Populationen von Silene vulgaris
                    Zellkomponenten ist noch nicht untersucht.                            besitzen. Ende April schabt das Käferweibchen die Epi-
                                                                                          dermis von Blättern an der Sprossspitze ab (Abb. 16). Of-
                    3.1.3 Die Relation schwermetallresistenter Pflanzen zu                fensichtlich kann ein "Geschmacksfühler" Informationen
                    pflanzenfressenden Tieren. Tiere sind selten in der Lage              über den Schwermetallgehalt der Blätter ermitteln, bevor
                    gewesen, eine Evolution von Schwermetallresistenzen zu                4 bis 8 Eier auf Blätter mit einem gemäßigten Zinkgehalt
                    realisieren (BOYD und MARTENS, 1994; MARTENS und BOYD,                von 1635 bis 3270 mg Zn pro kg Trockenmasse gelegt
                    2002). Sie ist im allgemeinen sehr niedrig, so dass pflan-            werden. Die sehr bewegliche Larve verzehrt einen Teil
                    zenfressende Tiere auf schwermetallarme Teile einer                   der Epidermis und des subepidermalen Gewebes von ju-
                    Pflanze, vor allem auf junge Pflanzenorgane und Samen,                venilen Blättern und von jungen Blütenknospen. Durch
                    und auf Pflanzenarten mit einem relativ geringen                      die Vernichtung der Epidermis vertrocknet ein Teil des
                    Schwermetallgehalt ausweichen. Eines der herbivoren                   Blattes, so dass beschädigte Pflanzen schon von weitem
                    Insekten in den Schwermetallrasen Mittel- und Westeu-                 an den braunen Spross-Spitzen zu erkennen sind. Durch
                    ropas ist ein Marienkäfer (Subcoccinella vigintiquattuor-             den Verzehr aller Blütenknospen kann die angefressene
                    punctata L.), der sich in Schwermetallrasen in allen Ent-             Pflanze im Frühsommer keine Blüten entwickeln und
                    wicklungsphasen auf junge Blätter und Blütenknospen                   folglich auch keine Samen ansetzen. Heuschrecken be-
                    von Silene vulgaris spezialisiert hat. Erstmals wurde die-            schränken sich in Schwermetallrasen auf den Verzehr
                    ser Käfer durch JACQUEMART (1958) auf Silene vulgaris auf             junger Grasblätter, die ebenfalls schwermetallarm sind;
                    den Schwermetallhalden im belgischen Plombières ge-                   die Ausscheidung von Schwermetallen im Fäzes ermög-

                                                                                                                           Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

Tab. 6. Schwermetallgehalte (Mittelwert ± Standardfehler [S.E.]) im Thallus der Flechte Lecidea fuscoatra von Schlacken-
stücken bei Bredelem im Vergleich zu Acaspora sinopica und Lecanora epanora, die LANGE und ZIEGLER (1963) an diesem Standort

                                                                                                                                             Übersichtsarbeit
vor 40 Jahren gesammelt und analysiert haben, und zu Lecanora polytropa, die auf kupferreichen Felsen in Grönland wächst
(ALTRUP und HANSEN, 1977). --= nicht gemessen

Flechtenart                                                  Schwermetallgehalt in mg/kg Trockenmasse
                                      Cd                Cu                Fe             Mn                   Pb               Zn

Lecidea fuscoatra                 16.9 ± 12.4       83                28150                 155            41850              186
Acarospora sinopica                   ---         1049 ± 70           44345 ± 12900          ---              ---              ---
Lecanora epanora                      ---          222                 5808                  ---              ---              ---
Lecanora polytropa                    ---         4900                26190                 300               41.4             60.2

licht es, dass diese Insekten ohne den Erwerb einer                     Nelkeneule bleibt durch die Ausscheidung der Schwer-
Schwermetallresistenz in einer solchen Umwelt überle-                   metalle im Fäzes der Schwermetallgehalt des Raupen-
ben können.                                                             körpers niedrig. Weniger schädlich für die Populations-                237
   Samen sind aufgrund des geringen Schwermetallge-                     entwicklung von Silene vulgaris ist der Nelkenrüssler Si-
haltes (ERNST, 1974) eine andere schwermetallarme Ni-                   binia viscaria (Curcurlionidae); die Entwicklung der klei-
sche in einem ansonsten schwermetallreichen Milieu.                     nen Käferlarve beschränkt sich jeweils auf eine Samen-
Darum sind Samen bei einigen Insektenarten als Nah-                     kapsel. Andere samenfressenden Insektenarten wurden
rung beliebt. Wiederum sind es Populationen von Silene                  in den Fruchtständen von Arabidopsis halleri und Armeria
vulgaris, die von Insekten belagert werden. Schmetterlin-               halleri gefunden. Blüten und Fruchtstände von Armeria
ge, die zu den Nelkeneulen (Hadena-Arten) gehören, be-                  halleri werden durch Larven und Käfer vom Grasnelken-
stäuben erst die Blüten des Taubenkropfes und legen da-                 rüssler (Sibinia sodalis) befallen, die bis zu 90% der Sa-
nach ein Ei in die Blüte eines Blütenstandes. Durch die-                men vernichten können (ERNST, 2006).
sen Bestäubungsakt wird garantiert, dass in der Samen-
kapsel 50 bis 70 Samen heranreifen können, die von der                  3.2 Schwermetallhalden bei Wildemann
heranwachsenden Raupe verzehrt werden. Nach Er-                         (51º50'N,10º17'E)
schöpfung des Samenreservoirs einer Kapsel wandert die                  Der Erzbergbau bei Wildemann begann wahrscheinlich
Raupe zur nächsten Kapsel, bis sie schließlich das Pup-                 im frühen Mittelalter. Die Schwermetallgehalte im Hal-
penstadium erreicht (ERNST, 1987). Bei starkem Raupen-                  denmaterial der Gruben sind vergleichbar mit denjeni-
befall kann der Taubenkropf in manchen Jahren keine                     gen der oben beschriebenen Schlackenhalden. Das kaum
Samen produzieren, so dass die Verjüngung der Pflan-                    bewachsene Haldenmaterial kann bis zu 2,3% Blei,
zenpopulation unterbrochen wird. Raupen von Hadena                      0,06% Cadmium 5,4%, Eisen, 1,4% Mangan, 0,1% Kup-
bicruris sind selbst in der Lage, sehr junge und damit re-              fer und 1% Zink enthalten (ERNST und NELISSEN, 2000).
lativ schwermetallarme Blätter aufzufressen. Bei dieser                 Durch die Beweglichkeit des Haldenmaterials kann sich

                                                                        Abb. 17. Die Halden bei Wildemann sind nicht sehr stabil. Das rut-
                                                                        schenden Haldenmaterial behindert dadurch eine geschlossene Be-
Abb. 16. Schabespuren am Blatt von Silene vulgaris durch Käferweib-     siedlung mit schwermetallresistenten Pflanzen und durch die Aus-
chen des Marienkäfers (Subcoccinella viginti quattuorpunctata L.)       spülung von Schwermetallen wird auch die Haldenbasis stets mit
(Foto: ERNST, 2003)                                                     neuen Schwermetallmengen belastet.

Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
WILFRIED H.O. ERNST et al., Aspekte der Ökotoxikologie von Schwermetallen ...

                    nur auf den weniger rutschenden Haldenabschnitten ein                 1355 errichtet, um Silber, Blei und Kupfer zu schmelzen.
                    artenarmer Schwermetallrasen des Armerietum halleri                   Sie wurde bis Dezember 1967 betrieben (Abb. 18). Über
 Übersichtsarbeit

                    entwickeln (Abb. 17). Durch das Rutschen können die                   600 Jahre hat nicht nur die Emission von Schwermetal-
                    Sprosse der Pflanzen mit Haldenmaterial überschüttet                  len, vor allem von Blei, sondern auch von Schwefeldioxid
                    und dadurch von der Versorgung mit Sonnenlicht abge-                  die weitere Umgebung belastet. Der Boden ist noch im-
                    schnitten werden. Darum erfordern diese Standorte nicht               mer reich an Blei und übertrifft fast alle Bodenbleigehalte
                    nur eine Schwermetallresistenz der Pionierarten, sondern              der Erzgebiete des Harzes (Tab. 8). Dagegen sind die Bo-
                    auch noch eine Resistenz gegen einen zeitlichen Lichtent-             dengehalte an Cadmium, Kupfer und Zink nur mäßig er-
                    zug des Sprosses und gegen mechanische Schäden. Ledig-                höht. Nicht nur die Gesamtgehalte an Blei sind extrem
                    lich Silene vulgaris hat alle diese Resistenzeigenschaften            hoch, sondern auch die leicht pflanzenverfügbaren Frak-
                    entwickelt. Sie besitzt an der Wurzelkrone viele ruhende              tionen, die mit CaCl2 und Wasser extrahiert werden kön-
                    Sprossknospen, die nach einer Überschüttung und nach                  nen.
                    einer Beschädigung des Sprosses schnell wieder auflau-                   Die Langzeitwirkung der SO2-Emissionen hat zum Ab-
                    fen können. Außerdem verlangsamen unterirdische Aus-                  sterben aller Baumarten in der Nähe der Hütte geführt.
                    läufer die Beweglichkeit des Haldenmaterials und tragen               Allein eine Heide mit Calluna vulgaris, Avenella flexuosa,
                    so zu einer Haldenstabilisierung bei, die dann eine Kolo-             Festuca ovina und Silene vulgaris war fähig, der Luftver-
                    nisation mit anderen Pflanzenarten ermöglicht.                        unreinigung mit Schwefeldioxid und Blei zu widerstehen
                       Auf geringer schwermetallbelasteten ebenen Flächen                 (Abb. 18). Wie die Schwermetallgehalte der Pflanzen
238                 keimen regelmäßig Samen von Hängebirken und Fichten                   zeigen (Tab. 9), war nicht nur die Emission von Blei
                    (Picea abies), deren weitere Entwicklung trotz einer Sym-             hoch, sondern auch diejenige von Cadmium und Zink.
                    biose mit metallresistenten Mykorrhizapilzen nicht sehr               Die Bleikonzentration im Spross von Minuartia verna ist
                    erfolgreich ist. Sobald der Schwermetallgehalt in den                 so hoch, dass die Pflanze hier die Untergrenze für einen
                    Keimlingen und Jungpflanzen zu hoch wird, entstehen                   Blei-Hyperakkumulator überschreitet.
                    zwergwüchsige Individuen mit chlorotischen Blättern und                  HEIMHOLD (1987) hat 16 Jahre lang eine 150 m2 große
                    Nadeln. Die gelblich verfärbten Nadeln haben sehr hohe                Fläche in dieser Heide untersucht und auf den Steinen
                    Eisen- und Zinkgehalte, aber sehr geringe Magnesium-                  die folgenden Krustenflechten festgestellt: Huilia (Leci-
                    und Phosphatgehalte, die auf eine Störung des gesamten                dea) crustulata (Ach.) Hertel, Huilia macrocarpa (DC.)
                    Mineralstoffwechsels dieser ungenügend an Schwermetal-                Hertel fo. tuberculosa, Huilia macrocarpa (DC.) Hertel fo.
                    le angepassten Bäumchen hinweisen (Tab. 7).                           contigua, Huilia macrocarpa (DC.) Hertel fo. cineroatra,
                                                                                          Trapelia (Biatora) coarctata (Sm. & Sowerby) Choisy,
                    3.3 Einfluss der ehemaligen Frankenscharrnhütte auf                   und Acarospora cf. scabrida Hedl. ex H. Magn.
                    ihre Umgebung (51º46'N,10º17'E)                                          Nach Schließung der Bleihütte im Jahr 1967 blieb die
                    Die Erzschmelze Frankenscharrnhütte (südöstlich von                   Belastung des Bodens mit Blei und anderen Schwerme-
                    Wildemann nahe Clausthal-Zellerferfeld) wurde um                      tallen als Umweltproblem weiter bestehen, während die

                    Tab. 7. Mineralstoffkonzentrationen (Mittelwert ± Standardfehler [S.E.]) in Nadeln und jungen Zweigen von Fichten (Picea
                    abies), die auf einem Boden mit unterschiedlichen Schwermetallgehalten im Haldenbereich von Wildemann wuchsen. Das Ma-
                    terial wurde am 15.Mai 2003 gesammelt (ERNST, unveröffentlicht)

                    Pflanzenteile Farbe                                 Mineralstoffkonzentration in mg/ kg Trockenmasse
                                                           Cd                      Cu                       Fe                              Mn

                    Nadeln         Bleichgelb       1.35   ±     0.11        11.8    ±     1.97          263.0   ±    30.7          183     ±    25.3
                                   Hellgrün         1.57   ±     0.45         9.28   ±     2.99           79.9   ±     1.12         137     ±     4.94
                                   Grün             1.24   ±     0.11        10.1    ±     1.46           65.3   ±     3.35         248     ±    31.9
                    Zweige         Bleichgelb       1.46   ±     0.34        10.5    ±     2.67          165.0   ±    46.9          179     ±    40.7
                                   hellgrün         1.24   ±     0.34        13.7    ±     1.40          255.0   ±    35.7           70.3   ±    13.7
                                   Grün             1.24   ±     0.11        13.3    ±     1.33          141.0   ±    30.2          177     ±    13.7

                                                           Pb                        Zn                          P                      Mg
                    Nadeln         Bleichgelb      18.4    ±     2.28       592      ±    92.2          777      ±    68.1          425 ± 70.5
                                   Hellgrün        14.7    ±     6.84       318      ±     6.54         712      ±    49.6          260 ± 4.86
                                   Grün            12.4    ±     1.86       146      ±    28.8         1183      ±    46.5          545 ± 70.5
                    Zweige         Bleichgelb      74.8    ±     3.73       512      ±    88.9          622      ±    92.9          399 ± 38.9
                                   Hellgrün        88.5    ±    10.2        252      ±    24.2          938      ±   130.0          382 ± 43.8
                                   Grün            18.2    ±     1.04       208      ±    19.0          880      ±    18.6          712 ± 7.29

                                                                                                                         Journal für Kulturpflanzen 61. 2009
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