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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Auf einen Blick: Zerebrale durale Homepage: arteriovenöse Fisteln www.kup.at/ Gruber A JNeurolNeurochirPsychiatr Journal für Neurologie Online-Datenbank mit Autoren- Neurochirurgie und Psychiatrie und Stichwortsuche 2012; 13 (2), 98-100 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
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Auf einen Blick Zerebrale durale arteriovenöse Fisteln A. Gruber Aus der Universitätsklinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Wien Einleitung Typ IIb: retrograde venöse Drainage in piale zerebrale Venen (blutungsbereite Gefäßerkrankung!) Durale arteriovenöse Fisteln (dAVF) stellen eine heterogene Typ IIc: Kombination von Typ IIa und Typ IIb Gruppe seltener zerebraler Gefäßerkrankungen dar. Im Ge- – Typ III: dAVF mit direkter venöser Drainage in piale zere- gensatz zu arteriovenösen Malformationen (AVM) des Ge- brale Venen (blutungsbereite Gefäßerkrankung!). Der Un- hirns, welche durch einen Gendefekt angeborene Fehlbildun- terschied zu Typ IIb besteht darin, dass nun die Drainage gen mit dysfunktionellen Endoglinrezeptoren darstellen, ist primär über das venöse System des Gehirns erfolgt und bei dAVFs zumeist von erworbenen Läsionen unterschiedli- nicht sekundär durch Reflux und retrograde Drainage aus cher Ätiologie (Trauma, Sinusthrombose, vorangegangene einem duralen Sinus. neurochirurgische Operation, Infekt) auszugehen, deren ur- – Typ IV: dAVF mit direkter venöser Drainage in ektatische, sächlicher Pathomechanismus in der Öffnung präexistenter, piale zerebrale Venen (entweder > 5 mm Venendurchmes- arteriovenöser duraler Shunts als Reaktion auf eine der o. a. ser oder drainierende Vene im Vergleich zu anderen pialen auslösenden Noxen besteht. Das pathomorphologische Subst- Venen angiographisch > 3-fach dilatiert; blutungsbereite rat einer dAVF ist nicht ein räumlicher malformativer Nidus Gefäßerkrankung!). wie bei einer pialen AVM, sondern ein flächiges, arteriovenös – Typ V: Intrakranielle dAVF mit venöser Drainage in das shuntendes Duraareal („duraler Nidus“), dessen arterielle Zu- spinale perimedulläre Venensystem. flüsse („feeder“) aus nicht-hirnversorgenden Gefäßen (A. ca- rotis externa, intrakavernöse Äste der A. carotis interna, eth- Eine Kombination der beschriebenen Drainagemuster ist häu- moidale Äste der A. ophthalmica, durale Äste der Vertebral- fig. Zusätzlich zum venösen Drainagetyp beeinflusst auch die arterien, „tiefe“ Halsgefäße) stammen. anatomische Lokalisation des duralen Nidus die Blutungsnei- gung. Fisteln im Bereich der Frontobasis (ethmoidale dAVF) und Klassifikation am freien Rand des Tentoriums (tentorielle dAVF) werden we- gen ihrer höheren Blutungsraten „aggressive“ Fisteln genannt. Die heute gebräuchlichste Einteilung der dAVFs geht auf die Klassifikation von Christophe Cognard (Abb. 1) zurück [1], Ähnlich der Gefäßanatomie ist auch die klinische Symptoma- welcher seinerseits unter Anleitung von Jean-Jaques Merland tik der dAVFs heterogen [3]. Klassisch ist die Manifestation die ursprüngliche Klassifikation von Djindjian [2] adaptiert von dAVFs an Sinus transversus und sigmoideus mit puls- hat. Der wichtigste, dieser Einteilung zugrunde liegende Para- synchronem Ohrgeräusch, hervorgerufen durch die über Kno- meter ist das angiographische venöse Drainagemuster der chenleitung ausgebreiteten Strömungsgeräusche der arteriel- dAVF, d. h. ob und in welcher Weise piale zerebrale Venen für len Feeders des A.-occipitalis-externa-Stromgebietes und des die Drainage dieser duralen Gefäßerkrankung herangezogen arterialisierten Sinus. Unspezifische Symptome wie Kopf- werden. Die nachfolgend dargestellte Klassifikation ist daher schmerz und Müdigkeit können Ausdruck eines kompensiert für dAVFs mit beliebiger Lage des duralen Nidus und beliebi- erhöhten Hirndrucks sein, wie er bei „High-flow“-Fisteln mit ger arterieller, nicht-pialer Versorgung anwendbar, sie stellt Arterialisierung der Sinus und Verschiebung der Resorptions- nur auf das Muster der venösen Drainage und damit auf das equilibrien des Liquorsystems möglich ist. Durch Arteriali- Kriterium „Blutungsbereitschaft“ ab. sierung der Sinus und Kongestion der pialen zerebralen Venen – Typ I: dAVF mit venöser Drainage in einen duralen Sinus. sind fokal-neurologische Defizite und hämorrhagische Infar- Im Sinus herrscht ein anterograder regulärer Fluss, es be- zierungen möglich, welche abhängig vom venösen Drainage- stehen keine Drainagehindernisse und kein Reflux in piale muster in deutlichem Abstand vom duralen Nidus auftreten zerebrale Venen. Es handelt sich quasi um eine extra- können („remote hemorrhage“). Wenn die venöse Drainage zerebrale Erkrankung ohne relevante Blutungsneigung, da der dAVF über piale zerebrale Venen erfolgt (Typen IIb, IIc, arterieller Feeder, duraler Nidus und duraler Sinus mit dem III und IV), besteht die Gefahr der Ruptur und Blutung aus zerebralen Drainagesystem nur mittelbar verbunden sind. den arterialisierten Hirnvenen. – Typ II: dAVF mit venöser Drainage in einen duralen Sinus mit beeinträchtigtem anterogradem Fluss. Das venöse Therapie Drainageproblem kann entweder in einer Sinusstenose bzw. einem thrombotischen Sinusverschluss („outflow In Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik, der Aus- restriction“) oder einem die venöse Drainagekapazität dehnung und Lage des duralen Nidus sowie der erwarteten übersteigenden arteriovenösen Shuntvolumen der dAVF Blutungsneigung stehen verschiedene Therapieoptionen zur („high-flow fistula“) bestehen. In beiden Fällen kommt es Verfügung. Das Ziel jeder Behandlung ist der Verschluss des zu venösem Reflux, welcher ebenfalls klassifiziert wird: duralen Nidus und im Falle blutungsbereiter dAVFs die so Typ IIa: retrograde venöse Drainage in andere durale genannte „Diskonnektion“ des Nidus von den pialen Venen, Sinus d. h. die Unterbindung der pialen venösen Drainage und somit 98 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2012; 13 (2) For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Auf einen Blick Abbildung 1: Cognard-Klassifikation zerebraler, duraler arteriovenöser Fisteln. Graphiken: Nachdruck aus [Cognard C, Gobin YP, Pierot L, et al. Cerebral dural arterio- venous fistulas: clinical and angiographic correlation with a revised classification of venous drainage. Radiology 1995; 194: 671–80. Figure 1] mit Genehmigung der Radiological Society of North America. (a) dAVF Typ I: Angiographie der A. carotis externa in seitlichem Strahlengang. Arterielle Zuflüsse aus dem A.-occipitalis-externa-Gebiet, duraler Nidus ent- lang des Sinus transversus, venöse Drainage über arterialisierten Sinus trans- a versus/sigmoideus. Keine piale zerebrale Drainage, keine blutungsbereite Ge- fäßerkrankung. (b) dAVF Typ II: Angiographie der rechten A. vertebralis in anteroposteriorem Strahlengang. Arterielle Zuflüsse über die A. meningea posterior zum duralen b Nidus entlang des Sinus transversus. Wegen Drainagebehinderung Reflux in supratentorielle, piale zerebrale Venen, blutungsbereite Gefäßerkrankung. (c) dAVF Typ III: Selektive Angiographie der A. occipitalis externa in seitlichem Strahlengang. Füllung eines im Bereich des Sinus transversus gelegenen c duralen Nidus, welcher jedoch den Sinus nicht als venösen Abflussweg be- nutzt, sondern primär über piale zerebrale Venen drainiert. (d) dAVF Typ IV: Angiographie der A. vertebralis in seitlichem Strahlengang. d Füllung eines duralen Nidus mittelliniennahe im Bereich der Falx cerebelli, primäre venöse Drainage über ektatische, piale zerebelläre Venen. (e) dAVF Typ V: Selektive Angiographie der A. pharyngea ascendens im seitli- chen Strahlengang. Die durch „High-flow“-Angiopathie deutlich dilatierte Ar- terie versorgt einen duralen Nidus am kraniozervikalen Übergang, die venöse e Drainage erfolgt zusätzlich zu ektatisch pialen zerebralen Venen über das peri- medulläre spinale Venensystem. J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2012; 13 (2) 99
Auf einen Blick die Verhinderung einer möglichen Blutung [4]. In Fällen aus- Die Behandlung ist vorrangig bei blutungsbereiten Subtypen gedehnter dAVFs, deren duraler Nidus in der Sinuswand liegt anzustreben, wobei Neurointervention, Neuroradiochirurgie und welche durch Arterialisierung des Sinus zu einem „funktio- und Neurochirurgie alleine oder Kombination zur Anwen- nellen Sinusverschluss“ geführt haben, ist die Resektion ganzer dung kommen können. Sinusabschnitte ohne Beeinträchtigung der zerebralen venö- sen Drainage möglich. In den meisten Fällen kommt der neuro- interventionellen Therapieoption der größte Stellenwert zu [5], neurochirurgische Eingriffe sind oft nur in Kombination mit vorangegangener Embolisation oder in Ausnahmefällen indi- Literatur: venous drainage. J Neurosurg 1994; 80: 617– 23. ziert [6]. Zusätzlich besteht die Möglichkeit zur neuroradiochi- 1. Cognard C, Gobin YP, Pierot L, et al. Cere- bral dural arteriovenous fistulas: clinical and 5. Van Dijk JMC, Ter Brugge KG, Willinsky rurgischen Obliteration problematischer Nidusabschnitte [7]. angiographic correlation with a revised clas- RA, et al. Selective disconnection of cortical sification of venous drainage. Radiology venous reflux as treatment for cranial dural 1995; 194: 671–80. arteriovenous fistulas. J Neurosurg 2004; Factbox 2. Djindjian R, Merland JJ, Theron J. Super- 101: 31–5. selective angiography of the external carotid 6. Liu JK, Dogan A, Ellegalia DB, et al. The – Zerebrale durale arteriovenöse Fisteln (dAVF) sind im artery. Springer, New York, 1977; 606–28. role of surgery for high-grade intracranial Gegensatz zu pialen arteriovenösen Malformationen 3. Lasjaunias P, Chiu M, Ter Brugge K, et al. dural arteriovenous fistulas: importance of Neurological manifestations of intracranial obliteration of venous outflow. J Neurosurg keine angeborenen Fehlbildungen, sondern in den dural arteriovenous malformations. J Neuro- 2009; 110: 913–20. meisten Fällen erworbene Läsionen. surg 1986; 64: 724–30. 7. Pan D, Chung W, Guo W, et al. Stereotactic – Die gebräuchlichen angiographischen Klassifikationen 4. Thompson BG, Doppman JL, Oldfield EH. radiosurgery for the treatment of dural arterio- Treatment of cranial dural arteriovenous fis- venous fistulas involving the transverse-sig- der dAVFs orientieren sich am Muster der venösen tulae by interruption of leptomeningeal moid sinus. J Neurosurg 2002; 96: 823–9. Drainage des duralen Nidus und identifizieren so po- tenziell blutungsbereite Erkrankungen. – dAVFs der Typen I und II drainieren in durale Sinus, gegebenenfalls ist ein Reflux in piale zerebrale Venen möglich. – dAVFs der Typen III und IV drainieren direkt in piale zerebrale Venen und stellen blutungsbereite Gefäß- erkrankungen dar. Korrespondenzadresse: – dAVFs vom Typ V drainieren über spinale perimedul- Ao. Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Gruber läre Venen. Universitätsklinik für Neurochirurgie – Die Lage des duralen Nidus beeinflusst zusätzlich die Medizinische Universität Wien Blutungsneigung, ethmoidale und tentorielle dAVFs A-1090 Wien werden als aggressive Fisteln bezeichnet. Währinger Gürtel 18–20 E-Mail: andreas.gruber@meduniwien.ac.at 100 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2012; 13 (2)
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