Auswirkungen des Klimawandels auf regionale Energiesysteme ein räumlicher Optimierungsansatz

 
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  Auswirkungen des Klimawandels auf regionale
Energiesysteme − ein räumlicher Optimierungsansatz
                                             Stephan HAUSL
 Research Studios Austria Forschungsgesellschaft mbH, Salzburg · stephan.hausl@researchstudio.at

1      Hintergrund
Der prognostizierte Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Es
wird davon ausgegangen, dass bereits heute die Begrenzung des Anstiegs der globalen
Temperatur um 2 °C bis 2050 nur mehr mit enormen Anstrengungen erreicht werden kann.
Von besonderem Interesse ist dabei, wie sich der Klimawandel auf regionaler bzw. lokaler
Ebene hinsichtlich Temperatur, Niederschlag und solarer Einstrahlung auswirken wird.
Um dem vermehrten Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen und damit dem Kli-
mawandel entgegenzuwirken, sind weitreichende Anstrengungen notwendig. Im Energiebe-
reich werden hierzu insbesondere Maßnahmen wie die Verbesserung der Energieeffizienz
und die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energieträger am Energieverbrauch genannt.
Doch selbst bei sehr entschlossenen und raschen Klimaschutzmaßnahmen werden wir den
Klimawandel und dessen Auswirkungen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu spüren
bekommen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Klimawandel und dessen Auswir-
kungen zu analysieren und potenzielle Anpassungsstrategien zu erstellen.

2      Überblick
In Abb. 1 ist eine Übersicht über die Teilbereiche und Abläufe im vorgestellten Projekt
CLEOS zu sehen. Als wichtigste Eingangsdaten in den Modellverbund können die Klima-
modellergebnisse und ein Gebäuderaster der Statistik Austria genannt werden. Die Klima-
daten liegen in einer räumlichen Auflösung von 1 km vor und werden vom Wegener Center
bereitgestellt. Auch die Auswertung dieser räumlich detaillierten Informationen in den
Regionen ist von Interesse, um mögliche inter- als auch intraregionale Unterschiede zu
identifizieren und auch darzustellen. Der Gebäuderaster hat eine noch genauere Auflösung
von 250 m und gibt die räumliche Verteilung der Gebäude, differenziert nach Gebäudety-
pen und Bauperioden, in den Regionen an. Neben diesen beiden Datensatztypen sind noch
Prognosen zu den Haushaltsentwicklungen (ÖROK-Prognosen) und Preisentwicklungen für
Anlagen und Energieträger als Inputdaten zu sehen, die jedoch erst in den Optimierungs-
modellen zur Anwendung kommen.
Auf Basis der Klimadaten und des Gebäuderasters werden nun in den räumlichen Modellen
verschiedene Werte berechnet, die von Interesse sind. Darunter sind vor allem der zukünf-
tige Wärmebedarf und Kühlbedarf als auch die Potenziale erneuerbarer Energien.
Die gewonnenen Ergebnisse aus den räumlichen Modellen gehen dann in die beiden Ener-
giesystemmodelle ORES und RESRO ein, wo Optimierungen des Ausbaus und Betriebs

Strobl, J., Blaschke, T., Griesebner, G. & Zagel, B. (Hrsg.) (2013): Angewandte Geoinformatik 2013.
© Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-533-1.
Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der
Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).
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der Energiesysteme durchgeführt werden. Es ergeben sich sowohl räumlich aggregierte als
auch räumlich disaggregierte Lösungen zu den jeweiligen Szenarien in den Regionen, die
sinnvolle Möglichkeiten der zukünftigen Zusammensetzung des jeweiligen Energiesystems
aufzeigen.

                                                       Abb. 1:
                                                       Übersicht über die Teilbereiche und
                                                       Abläufe im Projekt

3     Klimamodellierung
Die Temperaturerhöhung ist eine der prägnantesten direkten Auswirkungen des Klimawan-
dels. Sie hat auch entscheidenden Einfluss auf unser Energiesystem. Mildere Winter führen
dabei zu geringerem Heizwärmebedarf, während heißere Sommer und häufiger auftretende
Hitzeperioden (IPCC 2012) einen höheren Kühlbedarf verursachen (u. a. AEBISCHER et al.
2007).
Im Rahmen des vorgestellten Projekts CLEOS werden drei regionale Klimamodellergeb-
nisse aus den Projekten ENSEMBLES (VAN DER LINDEN & MITCHELL 2009) und rec-
lip:century (LOIBL et al. 2011) räumlich verfeinert sowie fehlerkorrigiert, sodass sie in einer
räumlichen Auflösung von 1 km für drei Regionen in Österreich (Wels-Land, Tamsweg,
Feldbach) zur Verfügung stehen. Die Karten in Abbildung 2 zeigen die Temperaturerhö-
hung im Winter und Sommer der letzten Modellperiode 2041-2050 im Vergleich zur Perio-
de 1981-2010. Die Änderungen in den Sommermonaten sind dabei höher als in den Win-
termonaten und erreichen teils beachtlich hohe Werte von über 3 °C. Deutliche intraregio-
nale Differenzen sind nur in der alpinen Region Tamsweg zu beobachten.

                                               Abb. 2:
                                               Temperaturänderung im Winter und Sommer
                                               der Modellperiode 2041-2050. Referenzpe-
                                               riode 1981-2010. Klimamodell SMHI-RCA-
                                               HadCM3Q3 (Emissionsszenario A1B).
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Kühlgradtage sind ein geeignetes Maß, um den spezifischen Bedarf der Raumkühlung ab-
zuschätzen. Diese steigen in allen Modellregionen an, jedoch mit einer starken Differenzie-
rung zwischen den Regionen.

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                    CDD, Wels‐Land, SMHI                                      CDD, Tamsweg, SMHI                                        CDD, Feldbach, SMHI
300                                                       300                                                       300
250                                                       250                                                       250
200                                                       200                                                       200
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100                                                       100                                                       100
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  0                                                        0                                                         0
      1980‐2010 2011‐2020 2021‐2030 2031‐2040 2041‐2050         1980‐2010 2011‐2020 2021‐2030 2031‐2040 2041‐2050         1980‐2010 2011‐2020 2021‐2030 2031‐2040 2041‐2050

Abb. 3:              Kühlgradtage mit Klimadaten aus dem Modell SMHI-RCA-HadCM3Q3 (Emis-
                     sionsszenario A1B). Minimale (unterer Punkt), mittlere (Linie) and maximale
                     (oberer Punkt) Werte in besiedelten Zellen. Kühlgrenztemperatur 18,3 °C.

 4          Wärmebedarf
Der Klimawandel beeinflusst hauptsächlich den Heizwärmebedarf (Raumwärme), welcher
den Hauptanteil am Wärmebedarf darstellt. Der Warmwasserwärmebedarf wird als klima-
unabhängig angenommen. Die Anpassung des Heizwärmebedarfs für Gebäude an die Tem-
peratur- und Strahlungswerte aus den Klimamodellen erfolgt nach einem empirischen An-
satz aus HOFER et al. (2008). Betrachtet werden eine moderate Sanierung, der Einfluss des
Klimawandels sowie der Einfluss von neuen Haushalten (nach ÖROK-Haushaltsprognose)
auf den Wärmebedarf der Regionen. Abbildung 4 gibt Ergebnisse bezüglich der klimabe-
dingten Änderung des Heizwärmebedarfs in der letzten Modellperiode wieder. Für eine
umfangreiche Ergebnispräsentation wird auf den CLEOS-Endbericht verwiesen.

Abb. 4:              Klima-bedingte Änderung des Heizwärmebedarfs. Referenzperiode 1981-2010.

 5          Kühlbedarf
Der Klimawandel verursacht neben den ansteigenden mittleren Temperaturwerten auch ein
häufigeres Auftreten von Hitzeperioden, welche die Innenraumtemperaturen teils über das
verträgliche Maß hinaus ansteigen lassen wird. Diese Entwicklung führt zu einem Anstieg
des Kühlbedarfs im Sommer. Neben den Nicht-Wohngebäuden (NWG, z. B. Bürogebäu-
Auswirkungen des Klimawandels auf regionale Energiesysteme           503

den), wird aber auch davon ausgegangen, dass sich mehr private Haushalte (Wohngebäude,
WG) mit einer Klimaanlage ausrüsten werden. Extremereignisse, wie die Hitzewelle 2003,
tragen vermutlich zu dieser Entwicklung bei, da dadurch mehr Privathaushalte eine Not-
wendigkeit zur Klimatisierung ihrer Wohnräume sehen.
Um den Kühlbedarf zu berechnen, wird eine Methodik verfolgt, die folgende Parameter
berücksichtigt:
   flächenspezifischer Kühlbedarf in Abhängigkeit der Kühlgradtage.
    Angenommene Werte für NWG nach AEBISCHER et al. (2007), für WG nach HOFER
    (2006).
   Anteil der gekühlten Gebäude.
   Anteil der gekühlten Flächen in Gebäuden.
   Effizienz der Kühlgeräte (Klimaanlagen).
Dies impliziert auch die Annahme, dass konventionelle, bereits heute eingesetzte Klimaan-
lagen verwendet werden, die ausschließlich mit Strom betrieben werden und somit den
Strombedarf erhöhen. Dies erscheint für die nahe Zukunft als wahrscheinlichste Variante.
Die Methodik ist für WG und NWG prinzipiell die gleiche, es werden lediglich unter-
schiedliche Parameter verwendet.

                                             Abb. 5:
                                             Strombedarf für Kühlung. Klimamodell
                                             SMHI-RCA-HadCM3Q3 (Emissions-
                                             szenario A1B).

6     Optimierung des Energiesystems
Energiesystemoptimierungen verschiedener Szenarien erlauben weitreichende Analysen
hinsichtlich der möglichen Ausgestaltung zukünftiger regionaler Energiesysteme (s. auch
HAUSL & BIBERACHER 2012). In der Optimierung erfolgt letztlich eine Minimierung der
Gesamtkosten des Systems für die gesamte betrachtete Region unter Einhaltung bestimmter
Nebenbedingungen, wie der Energiebedarfsdeckung (Wärme & Strom) oder der zeitlichen
und räumlichen Verfügbarkeit von Potenzialen. Hierbei kommen die beiden bei iSPACE
entwickelten Modelle ORES (SCHARDINGER 2008) und RESRO (HAUSL et al. 2012) zum
Einsatz.
Die Ergebnisse zur optimalen Wärmeerzeugung sind stark von den regionalen Gegebenhei-
ten abhängig und unterscheiden sich deutlich zwischen den Regionen. In Feldbach sind
keine großen Biomassemengen nutzbar, sodass auch Erdgas und Öl verwendet werden. In
Tamsweg hingegen wird der Wärmebedarf nahezu komplett aus regionalen Forstbeständen
gedeckt. Wels-Land verfügt über die Option der weiträumigen Erdgasversorgung und nur
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geringe Forstbestände, sodass sich in diesem Szenario Erdgas als Hauptenergieträger durch-
setzt.

Abb. 6:    Berechnete Wärmebedarfsdeckung der Modellregionen. Modell ORES.

          Öl           Scheitholz      Pellets     Wärmepumpe
          Gas          Hackschnitzel   Fernwärme   Solarthermie

Abb. 7:         Ausschnitt aus räumlich hochaufgelöster (250 m) Optimierung der Wärmebe-
                darfsdeckung inkl. optimierter Nahwärmeversorgung mit dem Modell RESRO.
                Region Feldbach.

Anhand der Optimierung kann gezeigt werden, zu welcher Zeit wie viel Strom regional
erzeugt wird und inwieweit dieser ausreicht, um die Stromlast zu decken. In diesem Szena-
rio deckt KWK-Strom regional einen kleinen Teil der Grundlast ab. Die umfangreiche
Nutzung von PV führt zu sehr hohen Stromeinspeisungen zur Mittagszeit und so zu einem
Export aus der Region. In den Szenarien mit Berücksichtigung des Klimawandels deckt
sich diese PV-Einspeisung zeitlich ideal mit den Stromlasten zur Gebäudekühlung, die
untertags für hohe Spitzenlasten sorgen.
Auswirkungen des Klimawandels auf regionale Energiesysteme          505

Abb. 8:   Berechnete Strombilanz in 2-stündiger Auflösung. Beispiel Feldbach 2021-2030.

7     Zusammenfassung
Der Rückgang des Wärmebedarfs durch den Klimawandel ist nicht zu vernachlässigen, er
sollte in der Planung berücksichtigt werden. Dennoch haben andere Aspekte, wie etwa
Gebäudesanierungen oder finanzielle Anreize zur Energieeffizienz oder dem Ausbau er-
neuerbarer Energien, weitaus größere Auswirkungen auf die zukünftige Energieversorgung.
Die ansteigenden Temperaturen und vor allem die häufigeren und stärkeren Hitzeperioden
werden laut den Ergebnissen zu einem signifikant höheren Kühlbedarf führen, der wiede-
rum den Strombedarf stark ansteigen lassen wird. Aufgrund der zeitlichen Übereinstim-
mung kann die Stromerzeugung aus Photovoltaik als sehr geeignet für die Deckung dieser
Kühllast betrachtet werden.
Bezüglich der Potenziale der betrachteten erneuerbaren Energien (Umgebungswärme, So-
lar, Biomasse) wird übrigens im Gegensatz zum Bereich Energiebedarf nicht von starken
klimabedingten Änderungen (z. B. kaum Globalstrahlungsveränderungen) ausgegangen.

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