BAMBI EINE LEBENSGESCHICHTE AUS DEM WALDE - Dschungel ...
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Begleitmaterial zur Vorstellung BAMBI EINE LEBENSGESCHICHTE AUS DEM WALDE © Franzi Kreis Dschungel Wien Schauspiel | 80 Min. | 6 – 10 Jahre Begleitinformationen erstellt von: Marianne Huber, Lisa Alina Murauer Kartenreservierungen für pädagogische Institutionen: +43 1 522 07 20 18 | paedagogik@dschungelwien.at
KULTURVERMITTLUNG Vorbereitender Workshop Auf Anfrage kommen wir gerne vor Ihrem Theaterbesuch an Ihre Schule, stimmen die Klasse auf das Thema ein und bereiten Sie und Ihre Schüler*innen auf das Medium „zeitgenössisches Theater“ vor – mit Gesprächen und kreativen Übungen aus dem Tanz-, Performance- und Schauspielbereich. Dauer: 2 Schulstunden Kosten: € 130,00 pro Klasse Ort: Fest- oder Turnsaal an Ihrer Schule, ev. auch in einem größeren Klassenzimmer möglich. Publikumsgespräch Gerne nehmen wir uns direkt nach der Vorstellung Zeit für einen moderierten Austausch. Es gibt passend zu Inhalt und Zielgruppe verschiedene Gesprächs-Formate, teilweise mit interaktiven Elementen. Die Kinder und Jugendlichen haben die Möglichkeit, relevante Themen des Stückes zu besprechen, Fragen zu stellen und ihren ersten Eindrücken Ausdruck zu verleihen. Bitte geben Sie bei der Reservierung bekannt, ob Sie ein kostenloses Publikumsgespräch wünschen. Nachbereitender Workshop Vor allem bei theatererfahrenen Klassen kann es sinnvoll sein, statt des vorbereitenden Workshops eine Nachbereitung zu buchen. Hier verarbeiten die Schüler*innen das gesehene Stück in Gesprächen und durch eigenes kreatives Schaffen. Dauer: 2 Schulstunden Kosten: € 130,00 pro Klasse Ort: Fest- oder Turnsaal an ihrer Schule, ev. auch in einem größeren Klassenzimmer möglich. Ansprechperson für weitere Information und Beratung: Judit Abegg | +43 1 522 07 20-24 j.abegg@dschungelwien.at II
Inhaltsverzeichnis 1. ZUR PRODUKTION 1 1.1 Inhalt 2 1.2 Idee/Konzept 5 1.3 Zum Entstehungs- und Probenprozess 6 1.4 Textauszüge 8 1.5 Das Team 12 1.6 Im Gespräch mit Cornelius Edlefsen 16 2. HINTERGRUNDINFORMATIONEN UND WEITERFÜHRENDE EMPFEHLUNGEN 18 3. IDEEN FÜR DIE VOR- UND/ODER NACHBEREITUNG 20 III
1. Zur Produktion BAMBI Dschungel Wien–Theaterhaus für junges Publikum Uraufführung Schauspiel | 80 Min. | Ab 6 Jahren Vorstellungstermine* im Dschungel Wien: * abgesagt aufgrund der Covid-19-Maßnahmen DI 08.12.20 16.00 SO 27.12.20 16.00 MI 09.12.20 10.00 + 14.30 MO 28.12.20 16.00 DO 10.12.20 10.00 + 15.00 DI 29.12.20 16.00 FR 11.12.20 10.00 + 14.30 MI 30.12.20 16.00 SA 12.12.20 15.00 DO 31.12.20 16.00 SO 13.12.20 16.00 MO 14.12.20 10.00 SA 02.01.21 16.00 SO 03.01.21 16.00 SO 20.12.20 16.00 MO 04.01.21 16.00 MO 21.12.20 10.30 DI 05.01.21 16.00 DI 22.12.20 10.30 MI 06.01.21 16.00 MI 23.12.20 10.30 DO 24.12.20 11.00 + 14.30 Team: Nach dem Roman von Felix Salten in einer Fassung von Cornelius Edlefsen Regie: Cornelius Edlefsen Bühne, Licht: Hannes Röbisch Ausstattung: Caroline Wiltschek Kostüm: Almasa Jerlagić Musik: Annemarie Schagerl Video: Wolfgang Pielmeier Regieassistenz: Marianne Huber Regiehospitanz: Lisa Alina Murauer Kostümbildassistenz: Nina Gadermaier Es spielen: Clara Diemling, Christoph Radakovits, Richard Schmetterer, Maren Streich 1
1.1 Inhalt In der ersten Szene liegt Bambi, ein gerade auf die Welt gekommenes Rehkitz, auf dem Waldboden, um es herum rascheln die Blätter, und die Tiere des Waldes gehen ihren Tagesabläufen nach. Es ist Frühling, jedes Lebewesen, jedes Blatt atmet die Luft des Neubeginns, die ersten Sonnenstrahlen wärmen den Boden, in den noch die Kälte des Winters eingeschrieben ist. Lange hatte der Schnee alles unter sich begraben, nun sprießen die ersten Wildblumen, das Grün des Grases nimmt eine immer dunklere Tönung an. Auf zwei Ästen über Bambi sitzen die Krähe und die Drossel in ihren Nestern und blicken argwöhnisch auf das gerade geborene Kitz hinab. Bambi versucht mühsam zum Stehen zu kommen, während die zwei Vögel amüsiert die hilflosen Versuche des jungen Rehs kommentieren. Nach einiger Zeit gelingt es dem jungen Reh, sich stolz aufzurichten, doch das laute Gezeter der Vögel erschrickt es und bringt es erneut zu Fall. Krähe und Drossel verschwinden und aus dem Dunkel des Waldes tritt eine alte Eule hervor, die sich Bambi lautlos nähert. Die Eule stellt Bambi zwei Rätsel auf und verschwindet nach kurzer Zeit wieder. Sie wird im Laufe des Stückes eine Art Mentor-Rolle in Bambis Leben einnehmen. © Rainer Berson In der zweiten Szene tritt anschließend Bambis Mutter auf und Bambi geht mit ihr in Richtung der Wiese auf der Lichtung. Am Weg dorthin lernt das kleine Reh so einiges, indem es seine Mutter über das Leben im Wald und die Tierwelt ausfragt. Ein Iltis, der eine Maus getötet hat und zwei zankende Häher, die sich wegen des Essens streiten, begegnen ihnen inmitten des Waldes, der doch nicht nur idyllisch und friedlich zu sein scheint. 2
In der dritten Szene kommen Bambi und seine Mutter auf der Wiese an. Bambis Mutter warnt Bambi eindringlich vor den Gefahren, die da draußen lauern, denn auf der Wiese muss man sich besonders vor den Jäger*innen in Acht nehmen. Doch sobald das junge Reh auf die Wiese hüpft, hat es mit einem Mal alle Sorgen und Ängste vergessen. Die Wiese erwacht zum Leben. Ein Schmetterling fliegt umher und verschwindet. Eine Taube stolziert am Rande der Wiese und gurrt. Auf einmal schaut ein Hase aus dem Dickicht hervor, sobald Bambi aber bei ihm ist, ist er auch wieder verschwunden. Die Wiese wird von Bambi erobert, jeder Winkel wird untersucht, jedes Tier genau unter die Lupe genommen. Wieder guckt der Hase hervor – oh es sind zwei – und es entspinnt sich ein Spiel zwischen den Tieren. Die Hasenkinder Emil und Emilia werden Bambis erste Freund*innen. © Rainer Berson In der sechsten Szene des Stückes wird es Sommer und Bambi lernt die Rehgeschwister Faline und Gobo kennen. Besonders Faline und ihr selbstbewusstes Auftreten wecken Bambis Interesse... Gemeinsam mit Emil und Emilia verbringt die Freundesgruppe Zeit auf der Wiese. Die Kinder spielen, plaudern und diskutieren über „Ihn“ – der Mensch –, ein gefährliches, mysteriöses Wesen, das außerhalb des Waldes wohnt. Ist „Er“ von Grund auf böse oder wird eines Tages Versöhnung möglich sein? Die Zeit vergeht, der Herbst und der Winter rücken näher. Bambi lernt wittern, erkundet, wächst. Bambi und Faline nähern sich an und lernen sich besser kennen. Mit Faline sieht Bambi „Ihn“ zum ersten Mal aus der Ferne. Bambi bemerkt, dass „Er“ bunter und vielseitiger ist als gedacht. Durch die Weise Jade/die alte Eule lernt Bambi, dass nicht alle Tiere inmitten des Waldes leben, dass es auch andere, alternative Wege einzuschlagen gibt. Bambi erfährt, dass es einen Vater hat, der im Wald lebt, aber nur zu bestimmten Zeiten auf Besuch kommt, wie es 3
das Regelwerk des Waldes besagt. Bambi lernt in Gesprächen mit der Eule, seiner Mutter und Faline, eben diese uralten Regeln des Waldes zu hinterfragen, lernt, dass „seit jeher“ manchmal auch einfach geändert gehört. Bambi lernt seine eigenen Straßen zu gehen, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Und schließlich lernt Bambi den kalten, grausamen Winter und seine Gefahren kennen… Mit der dreizehnten Szene kommt der Winter, und mit dem Winter kommt das Elend, die Furcht, der Verlust. In einer Treibjagd verliert Bambi seine Mutter, und auch die Drossel kommt durch einen Schuss zu Tode. Bambi streift niedergeschlagen, doch aufmerksam, scharfsinnig durch die Wälder, immer noch auf der Suche nach seinem Platz in der Welt. Bambi ist ein Stück weit erwachsen geworden. Es hat gelernt, dass es fühlen, denken, sagen möchte, was es möchte, dass es springen will, weil und wann es möchte. Zum Schluss des Stückes kommt der Frühling wieder und mit dem Frühling die Leichtigkeit und Frühlingsgefühle. Gobo, Faline, Emil, Emilia und Bambi sind älter geworden, mutiger, weiser - und vielleicht ein bisschen verliebt. Sie leben gerne in ihrem schönen Wald, wenngleich dieser neben Abenteuern und Spaß auch so manche Gefahren in sich birgt… © Rainer Berson 4
1.2 Idee/Konzept Bambi – Sind wir nicht alle ein bisschen Bambi? Bambi, das ist vor allem eine Geschichte über das Erwachsenwerden. Ein Kind kommt auf die Welt und mithilfe seiner Eltern und Freund*innen erlebt es diesen unglaublichen, komplizierten, verwirrenden, sehnsüchtigen, abenteuerlichen und fröhlichen Kosmos Welt. Es wächst heran, es lernt, es beginnt Zusammenhänge zu verstehen, es fragt nach, wenn etwas unklar ist. Traurige und glückliche Momente begleiten es, es trifft eigene Entscheidungen und wird schließlich selbst erwachsen, vielleicht selbst ein Elternteil, das seinen Kindern beim Heranwachsen zusieht. Doch Bambi ist viel mehr als das. Bambi ist auch ernst, streckenweise düster, es zeigt die Rohheit der Natur weitaus realistischer als z.B. der Disney-Film das schafft (obwohl dieser auch zu den düstersten und traurigsten Zeichentrickfilmen des Studios zählt und vermutlich viele Erwachsene heute noch eine Träne verdrücken müssen, wenn sie an die erschossene Mutter Bambis denken). Die im Dschungel Wien gezeigte Fassung versucht den Spagat zwischen diesen beiden Polen: Ohne die Ernsthaftigkeit zu verlieren, wird Bambi hier etwas anarchischer, wilder auftreten als man dies vielleicht erwarten würde. Bambi und seine Freund*innen sind mutige Entdecker*innen, der Wald ist ihr Spielplatz, ihre Welt, die sie mitgestalten wollen! Auch philosophische Fragen werden formuliert und sollen zum Nachdenken und Nachbesprechen anregen. Die Rohheit der Vorlage wird für ein Publikum ab 6 Jahren abgeschwächt, dabei wird der Wald trotzdem als Ort mit eigenen, animalischen Gesetzen dargestellt. Das Bambi des Dschungel Wiens hinterfragt die Regeln und Gesetze, das „Seit Jeher“ des Waldes. Es soll die Kinder mitnehmen auf seine Reise, sie teilhaben lassen an seinen Entdeckungen, an seinen Gefühlen und an seinem Heranwachsen. Die Geschichte Bambis wird sanft in unsere Gegenwart und in den Wiener Prater transportiert, die Kernthemen der Geschichte bleiben dabei aber bestehen. Die Bedrohung der Tiere durch den Menschen ist heute vielleicht sogar noch stärker als zu Zeiten Saltens. In seinem Roman geht die Gefahr vom Jäger aus. Heute wird der Lebensraum Wald und die dort beheimatete Tierwelt nicht nur durch Jagd, sondern vor allem durch Bebauung, Umweltverschmutzung und allgemeine Missachtung der Natur gefährdet. Auch diese Aspekte werden in unserem Stück angerissen, um eine Idee zu formulieren, wie ein Verständnis für die natürlichen Lebensräume der Tiere gefördert und Achtsamkeit auf Seiten der Menschen generiert werden kann. 5
1.3 Zum Entstehungs- und Probenprozess Wie nun aber Bambi und seine tierischen Freund*innen auf die Bühne bringen? Die erste und wichtigste Aufgabe im Probenprozess war es, ein körperliches Vokabular tierischen Ursprungs mit den Schauspieler*innen zu erarbeiten. In Improvisationen versuchten wir spielerisch herauszufinden, wie sich bestimmte Tiere verhalten – so zum Beispiel Rehe, aber auch die Krähe, die Drossel, die Eule, der Hase und all die anderen Waldbewohner*innen. Zur Ideenfindung und um das natürliche (Bewegungs-)verhalten der Tiere kennenzulernen, haben wir uns verschiedenste Tier-Dokumentationen angeschaut. In unserer Fassung geht es aber nicht vordergründig um eine möglichst realistische Tierverkörperung. Vielmehr steht das Wechselspiel zwischen Tier und menschlichem/menschlicher Schauspieler*in im Vordergrund. Gemeinsam stellten wir uns die Frage, wie die Bewegungen der Tiere natürlich, aber eben nicht (nur) realistisch umzusetzen sind. Dazu kommt, dass die Tiere sowohl im Roman als auch in unserer Adaption eindeutig menschliche Verhaltenszüge aufweisen. Diese sollen sich nicht nur über den Text, sondern auch über Bewegungen und kleine Spielereien vermitteln. Gerade also das Springen zwischen der Körperlichkeit eines Tieres und der individuellen Persönlichkeit einer Rolle, wie z.B. der des grantigen, wienerischen Hähers, haben uns bei den Proben beschäftigt. Da das Theaterstück eigens für den Dschungel Wien auf Basis des Romans von Felix Salten geschrieben wurde, floss viel Zeit in Gespräche, Diskussionen und das Ausprobieren von Ideen, um die Fassung für die vier Schauspieler*innen persönlich werden zu lassen. Wo finden sie Anknüpfungspunkte, wo gibt es Möglichkeiten und Wege, um die Figuren zu erzählen und wie schafft man es, die Figuren möglichst hautnah an das junge Publikum heran zu bringen? Wie wird der Lebensraum Wald dem Publikum so erfahrbar wie möglich gemacht? Musik Wie bereits erwähnt, wurde die Fassung eigens für den Dschungel angefertigt, die Grundlage bildet der Roman. Felix Salten, selbst Jäger mit eigenem Jagdgebiet außerhalb Wiens, bringt in Bambi sein enormes Wissen über den Wald und seine Bewohner*innen zum Ausdruck. Die Beschreibungen der Geräusche, des Vogelgesangs, der Jahreszeiten und dem Verhalten der Tiere sind sehr genau wiedergegeben. Die Musik des Theaterstückes orientiert sich an diesen Beschreibungen und wurde auf Grundlage dieser entwickelt. Es ist unklar, wo in Wien Felix Saltens Bambi angesiedelt ist, vermutet wird Wienerwald, Prater oder Türkenschanzpark. Unsere Fassung spielt in der Gegenwart im Wiener Prater - ehemaliges kaiserliches Jagdgebiet - an der Grenze zwischen tiefen Wäldern und turbulentem Rummelplatz. Deshalb werden auch Titel des sogenannten Wiener Lieds Anklang finden, wie z.B. Im Prater blüh’n wieder die Bäume von Peter Alexander. 6
Bühnenbild Die Bühne ist ein Spielplatz, ein Ort, der entdeckt werden möchte. Verschiebbare Podeste, Baumstämme, die aus dem Schnürboden herabgelassen werden können, eine fahrbare ‚Insel‘ mit Wasserloch – irgendwo zwischen Wald und Stadt, zwischen Natur und Technik angesiedelt, hat der Bühnenbildner Hannes Röbisch einen Platz geschaffen, der zum Toben, zum Verstecken, zum Herumtollen einlädt. Von Beginn an war klar, dass kein naturalistischer Wald auf die Bühne 1 des Dschungels gebaut werden sollte, vielmehr ein wandelbarer Raum, der dann durch das (Schau-)Spiel, die Musik und vor allem die Kostüme mit Leben gefüllt wird. Kostümbild Die Kostüme sind, im Gegensatz zu dem recht dunkel gehaltenen Bühnenraum, farbenfrohe, fantasievolle Kreationen, die es den Schauspieler*innen ermöglichen, schnell von einer Rolle in die andere zu schlüpfen. Über 25 Tiere lässt Felix Salten in seinem Buch auftauchen, in der Theaterfassung sind es nicht sehr viele weniger. Dies erfordert ein klug konzipiertes, Spieler*innen-freundliches Kostümbild, um schnelle Wechsel zu ermöglichen und zugleich größtmögliche Freiheit, auch in den Körperbewegungen, zu behalten. Teilweise werden die Schauspieler*innen in mehr als vier Rollen schlüpfen und dabei verschiedene Bewegungsmuster haben. Ähnlich wie die Bühne werden die Kostüme nicht naturalistisch sein, sondern die jeweiligen Tiere eher als Ausgangspunkt nehmen, um dann eine eigene kreative Umsetzung zu finden, wie mit einfachen Mitteln ein Tier erkennbar gemacht wird. © Rainer Berson 7
1.4 Textauszüge 5. Szene Bambi und seine Mutter liegen gemeinsam in ihrem sicheren, nach außen hin durch Dickicht geschützten Plätzchen. Es ist mitten am Tag. Bambi Warum können wir jetzt nicht auf die Wiese gehen? Bambis Mutter Nein, das ist jetzt unmöglich. Bambi Hast du es schon einmal probiert? Bambis Mutter Nein. Bambi Woher weißt du dann, dass es unmöglich ist? Vielleicht ist es sehr wohl sehr möglich. Bambis Mutter Seit jeher gehen wir Rehe frühmorgens oder am späten Nachmittag auf die Wiese, am helllichten Tag ist es zu gefährlich. Hier sind wir sicher. Die Sträucher bewachen uns, die Zweige an den Büschen knistern, das dürre Reisig am Boden knackt und warnt, das welke Laub vom vorigen Jahr liegt auf der Erde und raschelt, um uns ein Zeichen zu geben... Bambi Das haben meine Hasen-Freunde auch gesagt. Aber... warum? Bambis Mutter Weißt du, jetzt ist es schön und warm, die Sonne gibt uns und den Pflanzen Kraft, lässt sie erblühen und sie in den wunderbarsten Farben erstrahlen. Aber das bleibt nicht immer so, die Wärme verschwindet, ihre Schwester die Kälte kommt und nimmt den Wald ein. Die Blätter an den Bäumen werden dann gelb vor Frost, braun und rot, und sie fallen langsam. Die Äste und Sträucher sehen dann aus wie dünne Ärmchen, die sich in den Himmel strecken. Die welken Blätter aber liegen am Boden und wenn ein Fuß sie berührt, dann/ Bambi /rufen sie. Bambis Mutter lacht. Bambis Mutter Ja, ich wollte rascheln sagen, aber ja, sie rufen. Sie rufen uns zu, dass wir uns in Acht nehmen müssen. Bambi Das ist sehr nett von den Blättern. Pause. Bambi Habe ich einen Papa, Mama? 8
Bambis Mutter Natürlich hast du einen Vater. Er lebt hier im Wald, wie du und ich. Bambi Warum...? Bambis Mutter Was willst du sagen, Bambi? Bambi Warum ist er nicht hier bei uns? Bambis Mutter Er... und die anderen Väter, sie bleiben nicht bei uns. Nur zuzeiten... Man muss warten, bis sie kommen und man muss warten, bis sie zu uns reden... wie es ihnen gefällt. Bambi Das verstehe ich nicht. Warum? Warum kommt er nicht vorbei, warum kommt er nicht mit auf die Wiese? Warum will er nichts mit uns zu tun haben? Bambis Mutter Weil... das ist eben so. So sind die Regeln hier im Wald und unter uns Tieren. Seit jeher/ Bambi Regeln... Seit jeher... Dieses „seit jeher“ kann mir mal gestohlen bleiben.... Warum sehe ich ihn nicht, wenn er hier im Wald lebt? Wird er überhaupt mal mit mir sprechen? Bambis Mutter Gewiss, wenn du erwachsen bist, wird er mit dir sprechen und du wirst manchmal bei ihm sein dürfen. Bambi schweigt nachdenklich...Nach einer Weile: Bambi Ich bin mir nicht sicher, ob die Kälte mir gefällt. Bambis Mutter Sie gehört zu dieser Welt, wie die Sonne, wie das Wasser im See, wie das Moos an den Baumstämmen, wie auch der Fuchs und der Dachs. Alles hat seinen Sinn und manches gefällt besser, manches weniger, aber alles hat seinen Platz hier. Und mach dir keine Sorgen, jetzt kommt erst einmal der Sommer, der Winter ist noch fern. 9
12. Szene Zwei Blätter, sie schaukeln langsam im Wind. Es ist Herbst geworden. Blatt Es ist nicht mehr wie früher. Blatt Nein. Heute Nacht sind wieder so viele von uns... wir sind beinahe schon die einzigen hier auf unserem Ast. Blatt Man weiß nicht, wen es trifft. Blatt Jetzt scheint die Sonne nur noch selten und wenn sie scheint, gibt sie keine Kraft. Man müsste neue Kräfte haben. Blatt Ob es wahr ist, dass an unserer Stelle andere kommen, wenn wir fort sind, und dann wieder andere und immer wieder... Blatt Man kann es gar nicht ausdenken, das geht über unsere Begriffe. Blatt Und man wird auch zu traurig davon. Blatt Warum wir weg müssen...? Blatt Was geschieht mit uns, wenn wir herabfallen...? Blatt Wir sinken hinunter. Blatt Was ist da unten? Blatt Schokotorte? Blatt Was ist Schokotorte? Blatt Etwas Gutes. Hab ich gehört... Blatt Aha. Vielleicht weiches Moos, auf dem es sich gut schlafen lässt? Blatt Vielleicht frisches Tau, dass sich dort versteckt hält/ Blatt und uns umhüllen will, uns erfrischen wird und uns Kraft gibt? Blatt Vielleicht, ja. Blatt Vielleicht. Pause. Blatt Ich bin wohl sehr verändert? 10
Blatt Keine Spur. Du glaubst wohl, weil ich so alt und hässlich geworden bin? Blatt Ach geh. Blatt Glaub mir, du bist so schön wie am ersten Tage. Hier und da vielleicht ein kleiner gelber Streifen, kaum zu merken, und er macht dich nur noch schöner. Blatt Ich danke dir. Ich glaube dir nicht... nicht ganz... aber ich danke dir, weil du so gut bist...du bist immer so gut zu mir gewesen... ich begreife es erst jetzt ganz, wie gut du warst... Blatt Ach... danke dir. Blatt Ach jetzt, da... Das Blatt bricht und schwebt stumm zu Boden. Blatt Ja. Jetzt ist Winter. Das zweite Blatt löst sich vom Stamm und fällt herab. © Rainer Berson 11
1.5 Das Team Cornelius Edlefsen | Regie und Textfassung geboren 1985 in Villingen-Schwenningen, studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien. Während seines Studiums wirkte er in mehreren Produktionen der Gruppe TheaterFOXFIRE als Assistent, Schauspieler, Produktionsleiter und Dramaturg mit. Von 2012-2014 war er als Regieassistent fest am Theater Münster engagiert, wo er den Monolog NIPPLEJESUS von Nick Hornby inszenierte. 2015/2016 arbeitete er als Assistent am Badischen Staatstheater Karlsruhe, wo er mehrere szenische Lesungen einrichtete und mit namhaften Regisseuren arbeitete. Von 2016 bis 2019 war Cornelius Edlefsen Regieassistent am Burgtheater Wien. In dieser Zeit präsentierte er gemeinsam mit Anna Stiepani den Film DER LETZTE VORHANG, im November 2018 hatte seine Inszenierung TROPFEN AUF HEISSE STEINE von Rainer Werner Fassbinder im Vestibül des Burgtheaters Premiere. Im Februar 2020 inszenierte er FRÜHLINGS ERWACHEN am Dschungel Wien. Cornelius Edlefsen ist als freier Regisseur und Dramaturg sowie am Lehrstuhl für Regie am Max Reinhardt Seminar in Wien tätig. (Photo: Cornelius Edlefsen) Hannes Röbisch | Bühnenbild und Lichttechnik Geboren 1965, begann vor fast 40 Jahren am Staatstheater Dresden mit einer Lehre als Theatertischler, wurde vor 30 Jahren als dreifacher Vater Bühnenmeister, technischer Leiter und endlich Weltbürger. Vor circa 20 Jahren begann Hannes Röbisch mit Bühnenbild und Lichtdesign. Er genießt schon im 14. Jahr das Privileg im Dschungel WIEN zu wirken und zu lieben. (Photo: Franzi Kreis) Caroline Wiltschek | Ausstattung Caroline Wiltschek, geboren 1980 in Wien. Sie war verantwortlich für Bühne und Ausstattung u.a. im Schauspielhaus Wien, im Dschungel Wien, Kammerspiele Wiesbaden, für Theater FoXXfire! und das Theater zum Mitnehmen. Für die Bühne in "Glaube, Liebe, Glück" (Theater FoXXfire!) wurde sie für den Stella 2018 in der Kategorie "Herausragende Ausstattung" nominiert. (Photo: Caroline Wiltschek) 12
Almasa Jerlagić | Kostümbildnerin Geboren in Sarajevo und aufgewachsen in Wien. Nach dem Abschluss des Wirtschaftsstudiums, folgte ein direkter Einstieg in den künstlerischen Bereich, mit Arbeiten in den Feldern Ausstattung und Styling in Werbung und Film, danach vermehrt Kostümassistenzen im Theater, unter anderem Volkstheater, Burgtheater, Volksoper und Theater an der Wien. Eigene Arbeiten als Kostümbildnerin am Volkstheater, Burgtheater und zum ersten Mal am Dschungel Wien. (Photo: Almasa Jerlagić) Annemarie Schagerl| Musik Annemarie Schagerl, geboren 1986, ist Tonmeisterin und Musikerin. Sie studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, wo sie 2018 ihren Abschluss machte. Seither machte sie verschiedenste Projekte und Arbeiten im Bereich klassischer Musikaufnahme und arbeitete bei Opern und Radioproduktionen mit. Derzeit liegt ihr Schwerpunkt auf Theatersound. 2011–2018 war Annemarie Schagerl Tontechnikerin bei den Salzburger Festspielen. Seit 2018 ist sie in der Tonregie des Burgtheaters zu finden. (Photo: Annamarie Schagerl) Marianne Huber | Regieassistenz Marianne Sophie Huber (*1996, Österreich) studiert Theater-, Film- und Medienwissenschaften im Master und Romanistik im Bachelor an der Universität Wien. Im Jahr 2017 war sie im WUK in Wien als Abenddienst bei Veranstaltungen und als Mitarbeiterin im WUK-Kindertheater angestellt. Von Herbst 2017 bis Sommer 2018 absolvierte sie zwei Studiensemester an der Université Jean Moulin in Lyon. Von Juni bis Oktober 2018 war sie Regiehospitantin für Play! der Choreographin Karolien Verlinden im Dschungel Wien und Hetp aleis Antwerpen. Anschließend war sie bis inklusive Jänner 2019 Regie- und Produktionsassistentin in Steffi Jöris‘ Verein KÖRPERVERSTAND TANZTHEATER WIEN (Stück: NoExcuse!). Neben dem Studium arbeitet Marianne als Tutorin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft und betreut zwei Lehrveranstaltungen im Bachelor. (Photo: Marianne Huber) 13
Lisa Alina Murauer | Regiehospitanz 1997 in Wien geboren. Sie studiert Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Skandinavistik an der Universität Wien mit Auslandsaufenthalten in London und Kopenhagen. Neben dem Studium arbeitet sie als freischaffende Journalistin bei dem Musicalmagazin “musicalcocktail” sowie der Animeplattform “PattoTV”. Im Theaterbereich war sie bereits im Sommer 2020 als Hospitantin bei “WaViD-20” von TWOF2 + dascollectiv an Bord. (Photo: Lisa Alina Murauer) Nina Gadermaier | Kostümbildassistenz Geboren 1995 in Oberösterreich. Nina Gadermaier hat ihre Matura in der Modeschule Hallein abgeschlossen. Nach Abschluss ihres Bachelors, ist sie derzeit im Masterstudium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Neben dem Studium hat Nina Gadermaier mehrere Praktika und Hospitanzen als Kostümbildnerin an verschiedenen Theaterhäusern gemacht. 2013 arbeitete sie bei den Salzburger Festspielen in der Kostümproduktion in Sommernachtstraum und 2019 hospitierte sie im Burgtheater in Die Ratten im Kostümbereich. (Photo: Nina Gadermaier) Christoph Radakovits | Schauspieler Christoph Radakovits, geboren 1988 in Wien, ist freier Schauspieler. Er studierte an der Kunstuniversität Graz und war währenddessen in zwei Produktionen am Schauspielhaus Graz zu sehen. Sein letztes Studienjahr verbrachte er am Theater Chemnitz als Studiomitglied. Von 2015 bis 2019 gehörte er dem Ensemble des Wiener Burgtheaters an, wo er u.a mit den Regisseur*innen Michael Thalheimer, Miloš Lolić, Robert Borgmann, Christina Tscharyiski, Christian Stückl, Tina Lanik und Johan Simons arbeitete. Dort kam es auch zu einer ersten Zusammenarbeit mit Cornelius Edlefsen, „Tropfen auf heiße Steine“ von R.W. Fassbinder. (Photo: Franzi Kreis) 14
Clara Diemling | Schauspielerin 1991 in Kärnten als Landei geschlüpft und seitdem auch in viele Rollen. Clara liebt regen Austausch, Regenduft und Unregelmäßigkeiten. Ihre bunte Reise als Schauspielerin hat offiziell 2015 hier in Wien begonnen. Als freischaffende Künstlerin arbeitet sie auf der Bühne, vor der Kamera oder ins Mikrofon und ab und an hält sie auch theaterpädagogische Workshops. Bisherige Engagements u.a. Dschungel Wien, Theater in der Josefstadt, Volkstheater Wien, Theater Akzent, Kabarett Niedermair, Brick 5, Theater Spielraum, Komödienspiele Porcia. Mehr unter www.claradiemling.com! (Photo: Klemens Dellacher) Richard Schmetterer | Schauspieler Richard Schmetterer studierte Musiktheaterregie, Modern Theater Dance und musikalisches Unterhaltungstheater in Wien und Amsterdam. Seitdem ist er interessiert an allem, wo Musik, Theater und Bewegung aufeinandertreffen. Seit 2016 ist er künstlerischer Leiter von Theater foXXfire!, wo er als Regisseur und Produzent Theaterstücke für junges Publikum entwickelt. Als Dramaturg berät er den mit dem Deutschen Tanzpreis ausgezeichneten Choreographen Andrey Kaydanovskiy zB. an der Wiener Volksoper, Bayerischen Staatsoper, Sadler’s Wells London, Teatr na Taganka Moskau und Nationaltheater Prag. Weiters inszeniert er Musicals und Operetten u.A. beim Schlossfestival Wilfersdorf („Die Frühjahrsparade“, „Die Großherzogin von Gerolstein“), auf der Burgarena Reinsberg („Ritter Rüdiger“) im Klangraum Krems („Dido und Aeneas“) und im Wiener Musikverein („Trouble in Tahiti“). Als Darsteller arbeitete er bereits im Dschungel Wien, im Theater Regensburg, dem Rabenhof Theater Wien, dem Kabarett Simpl und der Bühne Baden. (Photo: Andrea Peller) Maren Streich | Schauspielerin Maren Streich, geboren 1993 in Berlin. Erste Theatererfahrungen sammelte sie als Jugendliche im GRIPS Theater Berlin. Sie ist Absolventin am Max Reinhardt Seminar (2015- 19), studierte zuvor „Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation“ an der Universität der Künste Berlin und „Allgemeine Literaturwissenschaft“ und „Kunst- und Bildgeschichte“ an der Humboldt Universität zu Berlin. 2018-19 entstand ihr Diplomabend über Kassandra „ausgesprochen::unerhört“, ein performatives Dreieck zwischen Publikum, Spielerin und Figur. Während des Studiums spielte sie unter anderem am Volkstheater Wien, Schauspielhaus Wien, Theater Spektakel und Off Theater Wien. Aktuell spielt sie am Burgtheater („Die Bakchen“, R: Ulrich Rasche) und am Dschungel Wien („Bambi“, R: Cornelius Edlefsen) und ist im Film tätig. Maren Streich lebt als freie Schauspielerin in Berlin und Wien und arbeitet außerdem im Kollektiv an eigenen Produktionen. (Photo: Robin Kater) 15
1.6 Im Gespräch mit Cornelius Edlefsen Was ist das Interessante an dem Roman Bambi? Was fasziniert dich daran? Bambi ist in erster Linie eine wunderbare Geschichte. In einem Wald kommt Bambi auf die Welt, wird von seiner Mutter großgezogen und in die Geschichte und die Regeln des Waldes, des Tierreichs eingeführt. Bambi lernt lauschen, wittern, sich im richtigen Moment zu verstecken, aber auch zu spielen und im Einklang mit der Natur zu leben. Natürlich kommt der traurige, seit dem Disney-Film weltbekannte Moment, in dem die Mutter stirbt und das Leben Bambis sich auf tragische Weise ändert. Bambi ist auch die Geschichte einer Kindheit und eine Erzählung über das Erwachsenwerden. Es ist in vielerlei Hinsicht zeitlos und, obwohl wir es bei Bambi mit einer tierischen Titelfigur zu tun haben, auch zutiefst menschlich. Das macht Saltens Lebensgeschichte aus dem Walde für mich so besonders und erzählenswert. Wir alle, ob große oder kleine Menschen, kennen die Probleme, die sich Bambi ausgesetzt sieht, auch wir kennen den Drang, die Welt in Gänze für uns einnehmen zu wollen und auch die Angst vor dem Unbekannten, vor der Gefahr. Bambi, das ist für mich richtig gute Literatur und ganz persönlich für mich eine Entdeckung, die ich sehr froh bin, gemacht zu haben. Welche Ideen und Möglichkeiten hast du für die ‚Übersetzung‘ des Romans in ein Theaterstück gefunden? Ich habe mich genau mit der Romanvorlage auseinandergesetzt und versucht mich bei der Theaterfassung so nah als möglich am Roman zu orientieren, gleichzeitig aber auch die größtmögliche Freiheit in der Erzählstruktur oder in den Figuren zu haben. Zuschauer*innen, die den Roman kennen, werden sicherlich einige Momente erkennen, die so auch im Roman stehen, andererseits aber auch (hoffentlich) überrascht sein von unserer Bambi-Version. Der Roman von Felix Salten beschreibt den Wald und einen Großteil seiner tierischen Bewohner*innen. Wir haben uns in unserer Fassung für einige der im Roman benannten Tiere entschieden, haben andere ausgelassen - der Fokus liegt ganz auf Bambi, seiner Entwicklung und seinem Zusammenleben mit seinen Freund*innen. Mir war es wichtig, die Suche Bambis nach einem Platz in der Welt in den Mittelpunkt zu rücken. Spielerisch und neugierig macht sich der junge Rehbock auf und mit jeder Begegnung kommt er „seinem Platz“ etwas näher. Nachdem die ganze Welt den Disney-Klassiker kennt, aber nur wenige wissen, dass es die Buchvorlage von Felix Salten gibt, mehr noch, dass man davon ausgehen kann, dass er Bambi in Wien geschrieben und auch hier angesiedelt hat, wollen wir ein „Wiener Bambi“ schaffen. Wir spielen mit Wiener Liedern, mit Dialekten und der wirklichen Verortung des Bambis im Wiener Prater, nicht weit also entfernt von den blinkenden, blitzenden Fahrgeschäften des Würstelpraters. 16
Warum hast du – anders als im Roman – die Figur der Eule hinzugefügt? Welche Rolle und Funktion nimmt sie ein? Im Roman gibt es einen Haufen Tiere, die Bambi die Welt erklären und ihm die Regeln des Waldes mit auf den Weg geben, nach denen sie alle leben. Das war mir zu wenig. Die Eule, gemeinhin als weise, klug und bedacht angesehen, schien mir als Figur interessant, da sie etwas Mystisches hat. In unserer Fassung erscheint sie als eine Art „guter Geist des Waldes“ und als eine Art Lehrer*in für Bambi. Sie stellt dem Rehkitz Rätsel und fordert ihn auf diese Weise heraus, selbst nachzudenken und im Verlauf auch aktiv zu werden und für sich einzustehen. Die Eule ist Teil des Waldes und steht doch etwas abseits, sie ist mittendrin und behält doch den Überblick. Welche sonstigen Unterschiede gibt es zwischen dem Roman von Felix Salten 1923 und der Bambi-Fassung von Cornelius Edlefsen 2020? In welcher Hinsicht ist deine Version dem Original ähnlich und in welchen Punkten weicht sie davon ab? Der größte Unterschied ist wohl der, dass wir, im Gegensatz zum Buch, die Geschichte nicht bis zu dem Punkt erzählen, an dem Bambi selbst erwachsen ist und die Rolle des Vaters einnimmt. Im Original gibt es die Figur des Vaters, auch „Fürst des Waldes“ genannt. Der alte Rehbock, Bambis Vater, tritt nur selten auf, spricht nur mit Bambi, ist streng und unnahbar. Obwohl er für unser heutiges Verständnis ganz klar die Rolle des Patriarchen übernimmt, die Erziehung des Kindes in die Hände dessen Mutter legt und nur stoisch wartet und die vorgeschriebenen Regeln lebt und weitergibt, möchte Bambi so sein wie er und wird es am Ende gar. Diese Thematik schien mir für unseren Theaterabend unpassend. Der Vater wird eine Rolle spielen, mehr aber seine Abwesenheit. Bambi wird sich damit auseinandersetzen und daraus lernen, gleichzeitig aber auch die bestehenden Regeln hinterfragen und so zu einem eigenständigen, jungen Erwachsenen heranwachsen, der seinen eigenen Weg gehen möchte. Wie oben bereits angedeutet, haben wir versucht, uns über weite Strecken an der Romanvorlage zu orientieren, die Dramaturgie des Stückes richtet sich nach der Dramaturgie des Romans, lässt aber auch Aspekte aus bzw. nimmt sich für anderes mehr Zeit. Dasselbe gilt für die Figuren. Natürlich gibt es Bambis besten Freund, den Hasen (bei uns sogar gleich zwei), die Mutter und weitere Figuren, die auch im Roman auftreten, andere aber haben wir gestrichen bzw. werden diese nur angesprochen. Ein letzter Punkt ist die Art, wie wir die Geschichte erzählen. Der Roman setzt stark auf Atmosphäre. Salten beschreibt den Wald bis in das kleinste Detail, der Tagesablauf der Tiere wird genau wiedergegeben. Bei uns gibt es einen Chor, gesprochen von den vier Schauspieler*innen, die neben ihren Figuren auch als gemeinsame Erzähler*innen fungieren, den Wald, die Jahreszeiten und alles „Nicht-Darstellbare“ über den Text lebendig werden lassen. 17
2. Hintergrundinformationen und weiterführende Empfehlungen Bambi – ein Wiener Original erobert die Welt Fast ein*e jede*r kennt ihn, den Disney-Film Bambi aus dem Jahr 1942. Der junge Weißwedelhirsch Bambi erkundet den Wald und erlebt mit seinen Freund*innen, dem Hasen Klopfer und dem Stinktier Blume, so manche Abenteuer. Dann aber stirbt die Mutter durch den Schuss eines Jägers und fortan ist Bambi auf sich allein gestellt. Er verliebt sich in Faline und bekommt Hilfe von seinem Vater, dem Fürsten des Waldes, dem großen, schweigsamen Hirsch. © DISNEY © DISNEY Am Ende des Films sehen wir Faline, die selbst gerade zwei junge Hirsche auf die Welt gebracht hat, Bambi aber ist nun auf dem besten Wege selbst der Fürst des Waldes zu werden und beobachtet seine junge Familie nur mehr von Weitem... Bambi bei Felix Salten, das ist die Geschichte eines Rehs, genau richtig gelesen, eines Rehbocks, der mit kindlicher Naivität und unter dem Schutz und der Anleitung seiner Mutter den Lebensraum Wald und dessen Bewohner*innen kennenlernt. Mit großen Augen und viel Lust am Entdecken läuft und springt das kleine Reh von einer Besonderheit zur Nächsten, findet Freund*innen, lernt die Gefahren zu erkennen und einzuschätzen und trifft immer wieder auf den Alten, den Fürst des Waldes, der ihm zur Seite steht und hilft oder ihn mit klugen Worten belehrt. Da es in den USA keine Rehe gibt, wurde der junge Rehbock Bambi im Disney Film kurzerhand zu einem Weißwedelhirsch. So entstand der sogenannte „Bambi- Irrtum“: wegen des Disney-Hirschkalb-Bambis glauben viele Menschen, der Hirsch sei der Vater des Rehkitzes. Tatsächlich sind Hirsch und Reh aber verschiedene Tierarten und das Geweih des Rehbocks deutlich kleiner als das des Hirsches. In der Theaterfassung für den Dschungel, die sich auf den Roman und nicht auf die Verfilmung stützt, wird aus Bambi wieder der wilde, abenteuerlustige Rehbock, wie Salten ihn geschrieben hat. Bambi, das ist eine Geschichte für Kinder und Erwachsene, frech und liebevoll erzählt, teilweise düster und gruselig, mit einer starken Handlung und wunderbaren Figuren, die trotz ihrer tierischen Herkunft so tiefgehend menschlich sind. Bambi, das ist Poesie. 18
© DISNEY - Bambi und sein Vater am Ende des Films Ob sich Felix Salten, der Autor der Vorlage, auch nur in seinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können, welchen Erfolg er mit seinem kleinen Rehbock haben würde, bleibt zu bezweifeln. Das Werk des österreichisch-ungarischen Autors wurde 1923 veröffentlicht und machte Felix Salten spätestens mit der Verfilmung 1943 auch international bekannt. Empfehlung! Im Schatten von Bambi Von 15. Oktober 2020 bis 25. April 2021 ist im Wien Museum die Ausstellung „Im Schatten von Bambi. Felix Salten entdeckt die Wiener Moderne“ zu sehen. Das Wien Museum bietet ein spezielles Vermittlungsprogramm inklusive Führungen und Workshops für Schulklassen, Kinder und Jugendliche an. Mehr Informationen unter folgendem Link: https://www.wienmuseum.at/de/ausstellungen/aktuell/ansicht/im-schatten-von-bambi- felix-salten-entdeckt-die-wiener-moderne 19
3. Ideen für die Vor- und/oder Nachbereitung Mögliche Diskussionsthemen in der Klasse Was sind die ersten fünf Begriffe, die euch durch den Kopf schießen, wenn ihr den Begriff „Bambi“ hört? Kanntet ihr den Roman von Felix Salten bereits oder waren euch der junge Rehbock und seine Abenteuer vor allem durch den Disney-Film bekannt? Worin liegt eurer Meinung nach das Besondere in der Geschichte Bambis? Welche Erlebnisse, Erinnerungen und Erfahrungen verbindet ihr mit dem Lebensbereich Wald? Welche Tiere kennt ihr, die im Wald leben? Welchen Tieren seid ihr vielleicht im Wald sogar schon begegnet? Inwiefern könnte der Mensch eurer Meinung nach eine Gefahr für Natur und Tierwelt darstellen? Was bedeuten „Regeln“ für euch und was versteht ihr darunter? Fallen euch Regeln ein, die ihr von zuhause, aus der Schule oder von woanders kennt, die ihr gerne verändern würdet? Welche Rolle spielen Regeln im Stück Bambi im Dschungel Wien, das ihr gerade gesehen habt? Was ist euch in Erinnerung geblieben? Lesen, besprechen und diskutieren Sie mit den Schüler*innen die Textauszüge aus Kapitel 1.4. Welche Figuren kommen darin vor? Welche Textpassagen gefallen den Schüler*innen besonders oder weniger gut? Welche Themen werden in den Textauszügen verhandelt? Lassen Sie dabei die Schüler*innen verschiedene Rollen lesen und verkörpern. Sie können das Text-Lesen nach einiger Zeit auch mit Bewegungsimprovisationen (siehe unterhalb) kombinieren. Bewegungsspiele und Improvisationsübungen View-Points: View Points ist eine Improvisationsübung, um Sinne und Fokus zu öffnen und ein aufmerksames Wahrnehmen der Umgebung zu ermöglichen. Alle Schüler*innen bewegen sich in variierenden Geschwindigkeiten durch den Raum. Sie sollen versuchen, ein Gespür zu entwickeln, wo sich ihre Mitschüler*innen im Raum bewegen und mit welcher Geschwindigkeit. Wer steht? Wer rennt? Wer bewegt sich rückwärts? 20
Nach einiger Zeit können Sie der Klasse verschiedenen Aufgaben stellen, wie z.B.: Bewegt euch alle im selben Tempo. Wenn ihr verlangsamt, verlangsamt gemeinsam. Wenn ihr stehenbleibt, bleibt gemeinsam stehen. Geht gemeinsam wieder los. Nehmt einander wahr, ohne miteinander zu sprechen. Formt einen Kreis in 12 Sekunden. Findet euch in Paaren zusammen in 5 Sekunden. Bleibt von Zeit zu Zeit stehen und stellt euch in einer Tier-Pose auf: seid ein Reh, seid eine Krähe, seid eine Eule, seid ein Hase, seid ein Schmetterling… Während ihr euch durch den Raum bewegt, spielt mit Körperhaltungen und Bewegungsformen, die ihr von verschiedenen Tieren kennt: hoppelt wie ein Hase, stolziert wie ein Reh, fliegt wie ein Schmetterling, beobachtet die Umgebung wie eine Eule… Tier-Pantomime: Ein*e Schüler*in nach dem*der anderen stellt ein Tier pantomimisch dar, die anderen müssen erraten, was er*sie ist. Als Variante kann eine Person sich hinter eine andere stellen und mit dem fremden Körper versuchen, ein Tier darzustellen, wie ein Marionettenspiel. Als weitere Spielform kann versucht werden, ein Tier mittels einem einzigen Geräusch erkennbar zu machen. Wie bewegen sich Bambi und seine Freund*innen? Sehen Sie sich mit den Schüler*innen verschiedene Videos oder Dokumen- tationen (einige Links: siehe unten) über das Leben der Rehe, der Vögel oder anderer Tierarten an. Fordern Sie die Schüler*innen vor dem Schauen auf, besonders auf die Bewegungsabläufe und Körperhal- © Marianne Huber tungen der Tiere zu achten und sich ggf. Notizen oder Skizzen zu machen! Im Anschluss an die Dokumentation sollen die Kinder versuchen, spezifische Tiere zu verkörpern bzw. zu spielen. Wie treten Rehe miteinander in Kontakt? Wie viel Grad kann die Eule ihren Kopf bewegen? Wie hüpft ein Hase über die Wiese? Wie bewegt eine Krähe die Flügel und die Füße? 21
© Maren Streich | Marianne Huber Beginnen Sie mit Körperarbeit, anschließend können Sie je nach Lust und Laune auch Geräusche hinzunehmen. Unterhalb finden Sie Links mit Film- und Video-Empfehlungen. https://www.youtube.com/watch?v=91eq5LEqCSU. Unser Wild: Reh und Hirsch Doku (2019) https://www.youtube.com/watch?v=50779CFCthY. Überlebenskünstler Eulen [Doku] https://www.youtube.com/watch?v=kpBBaQyAQLs. 3Sat Doku – Helden der Evolution (3/3): Vögel Nomaden der Lüfte. Das Geheimnis der Zugvögel (Jacques Perrin 2005); Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=3m99GVkm4o0 Unsere Wildnis. Entdecken Sie die Geschichte allen Lebens (Jacques Perrin 2016); Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=xW7VjsZ_fwQ © Marianne Huber © Marianne Huber 22
Wie klingt der Wald? Hören Sie verschiedene Tierstimmen des Waldes mit den Schüler*innen an und/oder machen Sie einen gemeinsamen Ausflug, z.B. in den Wienerwald oder in den Prater. Im Anschluss sollen die Schüler*innen mit ihren eigenen Stimmen, aber auch mit Instrumenten – diese können ebenso selbst gebastelt werden (z.B. Rasseln, Trommeln) – versuchen, die Geräuschkulisse des Waldes in Kleingruppen hörbar zu machen. Die Tiefen des Waldes: Mal- und Bastelwerkstatt Lassen Sie die Schüler*innen ein Bild des Waldes mit 5-10 Tieren malen, die ihnen aus Bambis Lebenswelt in Erinnerung geblieben sind. Alternativ können sie auch in Kleingruppen zusammenarbeiten und ein größeres Bild gestalten. Besprechen Sie mit den Schüler*innen die Charakteristika der verschiedenen Jahreszeiten und die daraus entstehenden Konsequenzen für die Tierwelt. Es können auch mehrere Bilder zu unterschiedlichen Jahreszeiten gemalt werden. Jede*r Schüler*in sucht sich ein Tier aus dem Stück Bambi aus und überlegt sich ein passendes Kostüm für dieses Tier: Papier zerschneiden, Kleidung von zuhause mitbringen, Nähen, Blätter sammeln, Schminken… der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt! Die Schüler*innen können auch in Kleingruppen zusammenarbeiten. Filmscreening Schauen Sie gemeinsam mit den Schüler*innen den Walt-Disney-Film Bambi (1942) an und diskutieren Sie im Anschluss Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem Film und der Theaterfassung des Dschungels. Welche Aspekte haben den Schüler*innen besser oder weniger gut gefallen? Welche Tiere sind ihnen in Erinnerung geblieben oder fanden sie besonders sympathisch? Welche Themen werden im Disney-Film bzw. in dem Theaterstück behandelt? Wie unterscheidet sich die Darstellung der Hauptfigur Bambi in den zwei Versionen? 23
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