"Baukunst am Rand des Unbetretbaren" (Rudolf Schwarz)

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Achim Hahn (Berlin)

"Baukunst am Rand des
Unbetretbaren" (Rudolf Schwarz)
Gedanken zum Umgang mit dem Unverfügbaren

Der Architekt will bauen. Das entspricht seinem Selbstverständnis. Er ist
dem Bauen und seinen Möglichkeiten gegenüber grundsätzlich positiv und
optimistisch eingestellt. Was aber bedeutet "negative" Architekturlehre?
Diese Konzeption stellt eine Haltung zum Bauen fest, die sich dem Bauen
verweigert, das Bauen bewusst negiert. Der Architekt kann nämlich mit Bau-
aufgaben konfrontiert werden, die ihm unverfügbar sind. Das Unverfügbare
wird dann zu einem eigenständigen Planungsinhalt und wirft einen eigen-
willigen Blick auf das Ergreifen von Möglichkeiten des Bauens bzw. den Ver-
zicht darauf. Der Aufsatz beschäftigt sich aus dieser Perspektive mit der Ar-
chitekturlehre von Rudolf Schwarz (1897-1961), der in verschiedenen Einlas-
sungen zur Baukunst eine kritische Position gegenüber einer aufgeklärten
Moderne formuliert hat.1

http://www.archimaera.de
ISSN: 1865-7001
urn:nbn:de:0009-21-52102
März 2021
#9 "Rückseiten"
S. 11-26
1. Rudolf Schwarz und die Wahr-             gumentierende Philosophen wie Wil-
nehmung der "Rückseite" der                 helm Kamlah7, Friedrich Kambar-
Moderne                                     tel,8 Jürgen Mittelstraß9 sprachen und
                                            sprechen in konstruktiver Absicht von
Ihrem eigenen Selbstverständnis nach        "vernehmender Vernunft", führten den
kommt die Moderne an kein histo-            "Widerfahrnischarakter des Lebens"
risches Ende, sondern begreift sich in      in die Diskussion ein und stehen ei-
einer stetig-endlosen Zukunft.2 Was         ner durchgängig rationalisierten Welt
das eigene Machen und Herstellen            und ihrer "aufgeklärten", aber zum
angeht, kennt das moderne Selbst-           Teil unkritisch gewordenen Wissen-
verständnis keine Orientierungs- bzw.       schaft skeptisch gegenüber. Kamlah
Lösungsprobleme. Wenn nicht schon           z.B. hat die Situation der Wissenschaft
heute, dann zweifelfrei in absehbarer       dafür mitverantwortlich gemacht,
Zukunft wird es jeder auf positives Tat-    dass der Glaube für die neuzeitliche
sachenwissen eingeschworenen Gesell-        Moderne zwangsläufig wieder an Be-
schaft und ihrer Wissenschaft schon         deutung gewonnen hat: "Aber erst die
gelingen, auch über das Unverfügbare        moderne Wissenschaft führt eine Si-
schließlich zu verfügen. Das "Unver-        tuation herauf, in der nun gerade das
fügbare" – das, was sich einem wis-         Wissen skeptisch macht und mit der
senschaftlichen und technischen Zu-         Geborgenheit der Religion Geborgen-
griff entzieht – ist nach dieser Logik      heit überhaupt zerstört. Erst jetzt muß
nur auf Zeit unverfügbar. Die Welt          gegen das Wissen der Glaube aufge-
aber, so haben Kritiker dieser naiven       boten werden, wo das Leben-können
"Überzeugung" entgegnet, ist ja erst        noch gerettet werden soll."10 Den "Be-
dadurch für die Wissenschaften be-          griffen" Religion, Geborgenheit, Glau-
rechenbar geworden, dass diese das          be, Leben u.a., wie sie lebenspraktisch
Unverfügbare, z.B. die leibliche Ge-        von Bedeutung und in Gebrauch sind,
genwart des wissenschaftlichen Beo-         müsste von den Wissenschaften expli-
bachters als Einflussgröße bei Expe-        zit nachgeforscht werden, sollten nicht
rimenten, als bloßes Nebengeräusch          die Lebenswelten der Menschen ver-
ihrer Messungen und Planungen un-           passt werden. So werden auch aufge-
terschlugen.                                klärte Zeiten sich ihrer "Rückseiten",
                                            die sich nicht als Tatsachen in Tabel-
Was unter dem Etikett "Moderne" (in         len verbuchen lassen, bewusst, denn
Abgrenzung etwa zu einer "Postmo-           sie kamen von diesem "Schatten" ihres
derne") eigentlich zu verstehen ist, da-    Tuns und Handelns nicht mehr los,11
rüber ist bis vor nicht allzu langer Zeit   und benannten die Verluste an ganz-
gefragt und gestritten worden.3 Die phi-    heitlicher Betrachtung der mensch-
losophische Auseinandersetzung mit          lichen Welt. Die Aufklärungsskepti-
der Neuzeit, die mit der Durchsetzung       ker fragten zugespitzt: Ist dem wissen-
wissenschaftlicher Rationalität den         schaftlich-technischen Verwalten und
Maßstab von Wissenswertem über-             Betreiben der Welt wirklich alles ver-
haupt radikal verschob, setzte aller-       fügbar?
dings bereits nach dem Ersten Welt-
krieg (u.a. Ernst Bloch, Walter Ben-        Auch der Architekt Rudolf Schwarz,
jamin) und vermehrt während des             dem es primär nicht um wissenschaft-
Zweiten Weltkriegs ein, als z.B. von        liche Fragen ging, gehörte aus weltan-
einer Post- oder Nachmoderne noch           schaulichen Gründen zu den Vernei-
gar nicht die Rede war. Sie ging oft        nern dieser Frage. Er war Skeptiker
mit einer Kritik der Aufklärung ein-        nicht aufgrund einer wissenschaft-
her. Bemerkenswerterweise wurde da-         lichen Überzeugung. Seine Haltung er-
bei der Zusammenhang von "Mythos            gibt sich aus seiner Lebensgeschichte
und Moderne"4 angesprochen und un-          und den Orten, an denen er aufwuchs
tersucht. Prominente Schlagworte der        und die er erlebte.12 Ein zentrales Le-
Diskussion, die nach dem Zweiten            bensereignis betraf die in den 1920er
Weltkrieg sich fortsetzte, sind die von     Jahren erfolgte Bekanntschaft und
der "Dialektik der Aufklärung"5 oder        spätere Freundschaft mit dem katho-
der "Verschlingung von Mythos und           lischen Priester und Religionsphilo-
Aufklärung"6 geworden. Andere nicht         sophen Romano Guardini. Schwarz
von Marx und Hegel herkommende,             nahm durchaus Gedanken des "mo-
sondern wissenschaftstheoretisch ar-        dernen Bauens" (wie Reduktion auf das

                          12
Rudolf Schwarz: St. Fronleich-   Wesentliche) auf, lehnte jedoch jeden     würfe sind. Es beginnt mit einer Leh-
nam, Aachen. 1929-30.            "rationalistischen" oder "funktionalis-   re vom Menschen, dem menschlichen
Foto. M. Chapey/ K.R. Kegler     tischen" Baugedanken ab. In verschie-     Leib, dem Auge des Menschen. Mies
2011/ 2021.                      denen Publikationen, die in der katho-    van der Rohe, ein begeisterter Leser,
                                 lischen Zeitschrift Die Schildgenossen    schrieb aus Amerika: Das Buch, ob-
                                 bis zu deren Verbot 1941 erschienen,      wohl es sich dem Kirchenbau widme,
                                 entwickelte er seine "Baukunst". Nach     erhelle "die eigentlichen Fragen der
                                 Krieg und Gefangenschaft nahm er          Architektur überhaupt. […] Ich glau-
                                 seine Publikationstätigkeit wieder auf.   be, es sollte nicht nur von dem an Kir-
                                 In seinen Veröffentlichungen hat er       chenbau Interessierten gelesen wer-
                                 das Recht, Architektur zu verweigern,     den, sondern von jedem, dem die Ar-
                                 gewissermaßen zu einem Prinzip sei-       chitektur ein echtes Anliegen ist. Dies
                                 ner Baulehre herausgestellt.              ist mehr als nur ein wichtiges Buch
                                                                           über Architektur, es ist tatsächlich
                                 Schwarz soll in diesem Aufsatz als Bau-   eines der wirklich bedeutenden Bü-
                                 meister einer "negativen Architektur-     cher […]".13 Damit reiht sich Schwarz'
                                 lehre" vorgestellt werden. Für diesen     Buch in die Veröffentlichungen von
                                 bislang noch nicht unternommenen          Adorno/Horkheimer und Kamlah
                                 Versuch habe ich Schwarz' Werk ver-       ein, die nach den Erfahrungen eines
                                 gleichsweise selektiv gelesen. Dabei      auf höchstem technischem Niveau ge-
                                 möglicherweise auftretende Einseitig-     führten Krieges grundsätzliche Fra-
                                 keiten bitte ich mir nachzusehen. Es      gen an das moderne Leben stellen
                                 besteht nicht der Anspruch, dem Ge-       und zugleich Weltanschauungen bis
                                 samtschaffen von Schwarz auch nur         auf ihren Grund, den Mythos, hinter-
                                 ansatzweise gerecht geworden zu sein.     fragen und beurteilen.

                                 Schwarz' Buch Vom Bau der Kir-            Schwarz nennt den Architektenberuf
                                 che ist 1938 entstanden. Er hatte da-     einen echten und wirklichen, weil er
                                 mals schon Kirchenbauten und auch         " für eine letzte, auf nichts mehr rück-
                                 Privathäuser sowie eine Schule ge-        führbare Haltung zur Welt" steht.
                                 baut. Das Buch ist aber keine Bau-        Auch andere Berufe stehen in dieser
                                 oder Entwurfslehre. Es enthält "Plä-      Reihe und haben "zwar noch immer
                                 ne", die zugleich philosophische Ent-     in ihrer Art ganze Welt, aber ihre Ord-

                                                         13
nung klafft und die Welt wird 'einsei-      Selbstverständnis und der "naiven"
tig'. Gerade das aber ist heute der Fall.   Weltanschauung des Menschen folgen.
Das Erkennen nämlich, und zudem             Das Bauen dürfe nicht bloß als ein Ma-
noch meistens das nach den Regeln           chen, sondern müsse als das Erschaf-
der Wissenschaft, hat die andern Be-        fen einer Welt verstanden werden. Es
rufe verdrängt. Es nimmt zuviel Platz       ist eine schöpferische Tätigkeit, die
ein." (vBdK, S. 142) In solchen Einlas-     sich am "Bau" des Menschen zu ori-
sungen zeigt sich Schwarz' kritische        entieren habe. In einer Notiz aus dem
Haltung gegenüber einer aufgeklär-          Jahr 1920 macht der Dreiundzwanzig-
ten Wissenschaft und ihren regelgelei-      jährige auf Lebensgewohnheiten auf-
teten Erkenntnisformen, die das Gan-        merksam, die ihre Bedeutsamkeit ein-
ze der menschlichen Existenz aus ih-        büßen und aus der Welt verschwin-
rem Horizont eliminiert haben. Auf          den, weil aufgeklärte Wissenschaft-
der dem einseitigen Autonomiebe-            ler sie nicht mehr verstehen, mit ih-
wusstsein unsichtbaren "Rückseite"          nen nichts mehr anfangen können, da
zeigen sich Wirklichkeiten, die den         sie nicht in ihre Modelle passen. Da-
für alle Widerfahrnisse des Daseins         bei geht insbesondere das lebenswelt-
offenen uralten Kulturdokumenten            lich Selbstverständliche und Fraglose,
und vormodernen Großerzählungen             alles nicht in wissenschaftliche Ka-
(Mythos, Religionen, Welt- und Kul-         tegorien Aufzulösende verloren. Das
turentstehungsgeschichten) als be-          aufgeklärte Denken akzeptierte nur,
deutsame Leere erschienen, als Sinn-        für was es eigene Begriffe und Defi-
dimensionen des Nichtkönnens und            nitionen bereithielt. Insbesondere die
des Loslassenkönnens, des Seinlas-          "Welt der natürlichen Einstellung", die
sens. Der Mythos, so wird er heute          von sich aus keine Veranlassung sieht,
verstanden, ist der Inbegriff sehr alter    ihren Horizont "intellektuell" zu über-
Weisheitslehren, die selbst dem von         schreiten, wird zu einer wesentlichen
sich überzeugten modernen Men-              Quelle, um vormoderne Lebens- und
schen etwas Entscheidendes zur ver-         Verhaltensweisen zu verstehen:
meintlich endlosen Reichweite seiner
Weltbemächtigung zu sagen haben:         "Den vorchristlichen Völkern wurde
Es gibt Grenzen und Bedingtheiten,       das Haus zum Weltmythos; das ist eine
die jeder menschlichen Praxis unver-     Selbstverständlichkeit, über die man
fügbar sind, auch der technisch-wis-     nicht viel nachdachte, das Leben selbst
senschaftlichen. Auch die "biblische     war Grund genug, das richtige Verhal-
Aufklärung", in deren Horizont           ten einzunehmen. Es gehörte die gan-
Schwarz sich bewegt, leistet nach        ze intellektuelle Grobheit mit ihrer Pö-
Thomas Rentsch hier Orientierung:14      belhaftigkeit dazu, die Ehrfurcht vor
                                         dem Gro[ß]en zu ersticken; was ihr üb-
"Zu der erwähnten Dimension tiefer rigens nur teilweise, in der Aufklärung
Aufklärung gehört neben der sinnkon- gelang."16
stitutiven Fehlbarkeit, der Unbedingt-
heit und Endgültigkeit auch die Per- Im Besinnen auf archaische Lehren
spektive fundamentaler menschlicher schreibt Schwarz: "Die natürliche Ge-
Bedürftigkeit, der Angewiesenheit auf stalt des Weltalls war Träger eines ewi-
die Mitmenschen, der Abhängigkeit gen Sinns. […] Gott hat sie nach dem
von den Anderen und ihrer Mithil- Plan der Ewigkeit errichtet und selbst
fe, ihrem Wohlwollen. Diese Dimensi- in dem uralten Kult an die heilige Son-
on wird in der Bibel vortheoretisch, le- ne liegt Wahrheit." (vBdK, S. 128 f.)
bensweltlich-praktisch in ihrer ganzen
Komplexität narrativ vergegenwär- 2. Über das "Nichts" und die
tigt." 15                                Potentiale des Mythos

Man hat Rudolf Schwarz' Denken ein          Sein Leben lang konfrontierte Schwarz
"baumeisterliches" genannt (Wolfgang        sich und seine Zeitgenossen mit Existenz-
Pehnt). Sicher verfehlten wir seinen        fragen, deren Bedeutsamkeit für das
Denkstil, unterstellten wir seiner Leh-     Entwerfen und Planen er an vielen, vor
re einen architekturtheoretischen An-       allem eigenen Beispielen anschaulich
spruch. Es geht ihm, dem Wahrheits-         machte. Ein Verständnis von Unver-
sucher, um etwas anderes. Das Werk-         fügbarkeit ist fest in seiner Weltan-
verständnis des Architekten sollte dem      schauung verankert und wird in sei-

                          14
Rudolf Schwarz: St. Fronleich-   nen Bauten konkret. Er adressierte         'aus nichts'. Nicht in Bildern und Bau-
nam, Aachen. 1929-30.            dieses Wissen insbesondere auch an         ten, sondern zuerst in lebendigen Men-
Foto. M. Chapey/ K.R. Kegler     den "modernen" Architekten, dem an-        schen soll diese Erschaffung geschehen,
2011/ 2021.                      gesichts des ungeheuren wissenschaft-      der Bau soll zuerst nur ihr Mittel sein
                                 lich-technischen Fortschritts eigent-      und nachher ihre Wirkung." (vBdK, S.
                                 lich alles möglich geworden war. In        134). Wie der biblische Gott den Men-
                                 dem obigen Zitat des jungen Schwarz        schen aus dem "Nichts" geschaffen hat,
                                 ist von der Fundierung des Bauens und      so waren auch der Mensch und sein Bau-
                                 Wohnens in einer sehr alten Großer-        en ursprünglich vor ein "Nichts" gestellt,
                                 zählung die Rede und zugleich von          um darauf zu antworten. Die Rede vom
                                 dem zum Scheitern verurteilten Ver-        "Nichts" taucht bei Schwarz verschie-
                                 such des modernen Denkens, die ori-        dentlich auf. Augustinus, dessen Be-
                                 entierende Bedeutsamkeit z.B. der bi-      deutung für die katholische Theologie
                                 blischen Erzählungen zu ignorieren.        und die Philosophie des Mittelalters
                                 Die Rede von der Un-Verfügbarkeit          Schwarz bekannt war, hat den neu-
                                 stellt etwas in Abrede, nämlich: alles     platonischen Begriff des Nichts, der
                                 sei dem Menschen verfügbar. Sie ne-        es mit dem "Bösen" gleichsetzte, epo-
                                 giert bewusst dieses Verständnis von       chemachend umgedeutet. Wir dürfen
                                 den unbegrenzten Möglichkeiten des         davon ausgehen, dass sich Schwarz
                                 Menschen. – Was ist mit der These von      auf diese augustinische Neuinterpre-
                                 der Negativität gemeint, wo taucht sie     tation bezieht. Danach hat Gott den
                                 zum ersten Mal deutlich auf? Das Wis-      Menschen aus dem Nichts erschaffen.
                                 sen der Verneinung und des "Nichts"        Das erst gibt die Chance zu einer Ge-
                                 ist Bestandteil einer mythischen Welt-     stalt bzw. die Möglichkeit, maßvoll zu
                                 auffassung. Um Schwarz an dieser           gestalten. Leo Kobusch erläutert die-
                                 Stelle zu verstehen, müssen wir nach       se augustinische Lehre mit folgender
                                 Aufgabe und Funktion des Mythos als        Überlegung: "Da all jenes, das die 'Spur'
                                 Speicher von "Weisheitswissen" fragen,     von 'Maß, Form und Ordnung' erken-
                                 die schon für eine Deutung des Wel-        nen läßt, auf irgendeine Weise ist, kann
                                 tanfangs und der Verknüpfung der           auch die Materie nicht nichts sein, denn
                                 Architektur mit diesem Anfang rele-        sie ist zwar selbst formlos, aber doch
                                 vant sind: "Die Welt soll gleichsam hin-   durch Gottes Güte formbar."17 Diese
                                 ter den ersten Schöpfungstag zurückge-     augustinische Interpretation der Ma-
                                 führt und dann neu erschaffen werden       terie macht dem Baumeister Schwarz

                                                          15
die Größe seiner Aufgabe und Ver-           her betrachtet werden. Axel Horst-
antwortung für Maß, Form und Ord-           mann spricht 1986 in einem philoso-
nung bewusst. Er schreibt: "Hüben ist       phischen Überblickartikel vom "My-
die Welt und drüben unsägliche Ewig-        thos als eines unvergangenen lebens-
keit, für die auch die Mystiker nur noch    wichtigen Elements".19 Es gibt dem-
das Wort von dem 'Nichts' fanden, weil      zufolge eine "mythische Vernunft"
dort nicht mehr gilt, was im Welten-        (Franz Koppe),20 sie interessiert sich
raum gilt, oder vielmehr überaus al-        nicht für das "Wie" (Verfügen über
les, so wie es in Gott ist, aller Worte     Ursache-Folgen-Kausalitäten), son-
Urwort und aller Gestalten Urgestalt        dern für das "Warum" (lebenswelt-
[…]." (vBdK, S. 27f.) "Die Gestalt wur-     liche Orientierung). Franz Koppe hat
de mir zum Schlüssel der Baukunst",         1978 in einem Artikel zum Begriff des
schreibt Schwarz 1960 (K, S. 9). Noch       "Mythos"21 festgestellt, dass der grie-
auf eine andere Weise wird der "An-         chische Ausdruck Mythos im Deut-
fang" als Antwort auf eine "ursprüng-       schen mit Wort, Rede, Erzählung, Fa-
liche Leere" für Schwarz bedeutsam. In      bel übersetzt werden kann. Diese li-
Vom Bau der Kirche, macht Schwarz           terarischen oder poetischen Weisen,
klar, dass er die Baukunstlehre aus         etwas auszudrücken, haben die In-
der christlichen Großerzählung he-          tention und auch die Kraft, "den Wi-
raus entwickeln will. Denn wenn die         derfahrnissen des Lebens, insbes. dem
gesuchte Lehre weder Wissenschaft           Leben als solchem und ganzem, ei-
noch Theorie (und auch keine Theo-          nen Sinn zu geben".22 Vielfach geht es
logie) sein soll, dann ist sie Erzählung,   in diesen Geschichten darum, den
Benennung, Geschichte des mensch-           "Weltursprung" und auch den wei-
lichen Schicksals. Der Mythos gibt          teren "Weltverlauf" zu beschreiben.
uns, so Schwarz, ein Bild davon, wie        Diese Erzählungen geben Antworten
die Welt "im Anfang" war: "archaisch".      auf Fragen, denen niemand auswei-
Archaisch meint einen Gegensatz zur         chen kann. Koppe weist auf den Un-
theoretischen Weltursprungsidee rati-       terschied in der Art und Weise der
onaler Naturlehren und moderner Na-         Beschreibung hin, die "Welt zu erklä-
turwissenschaften: "Bauen heißt doch        ren". So wurde Koppe zufolge das Er-
nicht, einen theoretischen Standpunkt       zählen von Geschichten von den Wis-
beziehen […], sondern eine mensch-          senschaften abqualifiziert und sollte
liche Lage klären und formen." (vBdK        dem Erklären durch Tatsachen wei-
S. 32) Schwarz bekräftigt die Bindung       chen. Die Naturwissenschaft tritt von
des Architekten an die dem Menschen         Anfang an "im Namen überlegener, ra-
unverfügbare Ausgangssituation und          tionaler Erklärungsmodelle" auf und
Ursprungslage, dass alles "Bauen" –         propagiert eine Kritik, die den My-
Mensch, Natur, Architektur – aus dem        thos "als naive, vorwissenschaftliche
"Nichts" erschaffen wurde, und setzt        Weise der Naturerklärung darstellt".
diesen Anfang baumeisterlich um.            Koppe hält diese Kritik für zum Teil
Schon zu Beginn der menschlichen            verfehlt, da mythische Erklärungen
Welt ging es um ein "Bauen" in eine         den Deutungsangeboten der Wissen-
ursprüngliche "Leere" hinein. Aus die-      schaft nicht grundsätzlich widerspre-
ser Erkenntnis zieht er seine Kraft zum     chen. Zwar müsse man gegenüber Le-
Formen und Gestalten. Der auf die-          gitimationsmythen kritisch eingestellt
sem "Wissen"18 ruhende "baukünst-           sein, wenn sie versuchen, Ideologien
lerische" Umgang mit der "Leere" be-        zu rechtfertigen. Die Grundfrage sei
trifft Schwarz' gesamtes Schaffen.          jedoch eine andere; im Mythos gehe
                                            es um eine "positive Antwort auf das
Auch wenn Schwarz behauptet, der            Sinndefizit gegenüber dem prinzipi-
Kirchenbau sei keine "kosmische My-         ell Unverfügbaren, dem der Mensch,
thologie" und: "wer eine Kirche bau-        insb. angesichts der Unaufhebbarkeit
en will, setzt keinen Mythos voraus"        des existenziellen Zufalls, selbst in der
(vBdE, S. 151), so liegt doch der Grund     vollkommensten Gesellschaft ausgelie-
seiner Überzeugung im Glauben an            fert bleibt".23
eine heilige Erzählung. Wir haben
dazu schon zu Beginn unserer Aus-           Um was geht es nun bei Schwarz? Wie
führungen das wissenschaftskritische        geht er mit dem Sinndefizit moder-
Potential sowie die Sinnstiftung des        ner Architektur um? Die poetische
Mythos angedeutet. Das soll nun nä-         Einbildungskraft und Rede rekrutiert

                          16
Rudolf Schwarz: St. Fronleich-   auf Möglichkeiten einer Welterfah-         "Urhebung lebendiger Form" (vBdK, S.
nam, Aachen. 1929-30.            rung, die die Wissenschaft offensicht-     141). Sie bewährt sich in der mensch-
Foto. M. David/ K.R. Kegler      lich sich nicht leisten darf und kann.     lichen Aneignung, indem Menschen
2011/ 2021.                      Das echt Dichterische und überhaupt        das Kirchengebäude in Gebrauch neh-
                                 Künstlerische steht für einen Zugang       men. Architektur verwirklicht Welt
                                 zur Welt, der nicht per se allen Wissen-   als das Ganze des Seienden. "[…] Kir-
                                 schaften verschlossen bleiben. Schwarz     che […] ist nicht nur gemauertes Ge-
                                 interpretiert sein architektonisches       häuse, sondern alles zusammen, Ge-
                                 Entwerfen deshalb auch als ein dich-       bäude und Volk, Leib und Seele, die
                                 terisches.24 Er begreift das architekto-   Menschen und Christus, ein gan-
                                 nische Gestalten und Bilden als Dich-      zes geistliches Weltall; ein Weltall zu-
                                 ten im Gleichklang mit der Natur, in-      mal, das immer aufs neue verwirk-
                                 sofern deren Bau Vorbild ist. Das Ziel     licht werden muß. Diese bauende Ur-
                                 seines dichterisch-architektonischen       tat meinten wir, den Vorgang, in dem
                                 Schaffens sind "bewohnbare Bilder".25      Kirche lebendige Gestalt wird" (ebd.).
                                 Sicher geht es Schwarz mit seiner Er-      So steht der Architektenberuf, bes-
                                 innerung an Urverhältnisse nicht um        ser: das Schaffen des Baumeisters, " für
                                 einen Legitimationsmythos, der sei-        eine letzte, auf n i c h t s [Hvhg. A.H.]
                                 ne Werklehre wie seine Werke in eine       mehr rückführbare Haltung zur Welt"
                                 Position versetzen, in der sie kritiklos   (ebd.). Diesen hohen Anspruch muss
                                 zu akzeptieren sind. Vielmehr gilt         man zur Kenntnis nehmen, will man
                                 es, über Wesen und Aufgabe der Ar-         Schwarz' Baulehre gerecht werden.
                                 chitektur und das Selbstverständnis
                                 des Architekten in kritischer Distanz      3. Die Kunst, die Welt der
                                 zur Moderne neu "aufzuklären". Die-        Tatsachen zu überschreiten
                                 ser kritischen Aufklärung geht es, wie
                                 jeder anderen auch, um Erkenntnis.         In einem Vortrag, den Schwarz 1951
                                 Aber die Erkenntnis, von der Schwarz       auf einer Tagung in Darmstadt gehal-
                                 spricht, ist kein intellektueller Besitz   ten hat, hat er das Schweigen des Archi-
                                 von rational-technischen Hypothe-          tekten als ein Versagen vor dem "Hö-
                                 sen, sondern sie bewährt sich allein im    heren" begründet und die Notwen-
                                 Tun, in der entwerfenden und bauen-        digkeit festgestellt, das positive Tatsa-
                                 den Praxis. Sie ist insoweit praktische    chenwissen zu überschreiten. Denn es
                                 Erkenntnis. Baukunst, so Schwarz, ist      geht um das Einlassen auf einen Er-

                                                          17
fahrungs- und Denkhorizont, an den         terungen des Philosophen Hans Blu-
alle technischen Antworten und Vor-        menberg mit Schwarzschen Aussagen
schläge zur Bewältigung der Welt nicht     auszuschmücken. Vielmehr will ich
heranreichen: "Haben wir das Über-         sie als Hinweis nutzen, um Schwarz'
schießende heute? Sie sehen, wie un-       Aussagen zum Handeln und Denken
ser Fragen, das eigentlich ein Fragen      des Architekten in eine größere Debat-
nach architektonischen Dingen ist,         te um das Unverfügbare einzuordnen.
diese architektonischen Dinge als Fra-     Es geht um die Herausstellung und
gen transzendiert und dann in Gebiete      Anerkennung von Seins- und Sinnbe-
stößt, wo der Architekt eigentlich nicht   reichen, die dem menschlichen Planen,
mehr antworten kann."26 Auch an an-        Machen und Herstellen verschlossen
derer Stelle wird den technischen Re-      und entzogen sind. Der bauende Ver-
geln der Baukunst ein dringliches Tran-    stand steht hier vor den Grenzen sei-
szendieren des überkommenen Regel-         nes Wissens und Könnens. Um das be-
werks entgegengesetzt: "Der Städtebau-     wusst zu machen, müssen in der Mo-
er muß sich gleichsam selbst überschrei-   derne eingeschliffene Denk- und Ver-
ten und auf einen Standpunkt erheben,      haltensgrenzen in Frage gestellt wer-
von dem aus er einsieht, was er tun        den. Der Überstieg bietet dann, so der
soll." Transzendenz bedeutet den Weg       Philosoph Thomas Rentsch, sensibi-
zu einer normativen und orientie-          lisierende und orientierende Kompe-
renden Einsicht in das gebotene Ziel       tenzen für die Identifizierung des Un-
des eigenen Tuns: "was er eigentlich       verfügbaren.
planen soll".27 Transzendieren heißt
z.B. ganz konkret, "einen Plan zeich-      "Zu den unverfügbaren, transpragma-
nen, in den [der Planer, A.H.] selber      tischen Sinnbedingungen all unserer
eingeplant ist" (BdE, 13). Unsere These    Vernunft und Praxis gehört zunächst
einer "negativen" Architekturlehre ist     fundamental das, was die Bibel Ge-
hier Ausdruck von Schwarz' Kritik an       schöpflichkeit, Kreatürlichkeit nennt.
den Untiefen der Aufklärung und der        Die grundlegende praktische Einsicht,
Missachtung der Grenzen des Mach-          die sich hier philosophisch reformulie-
und Verfügbaren, die nur in einem          ren lässt, ist die Einsicht, dass wir uns
das menschliche Tun normierenden           nicht selbst geschaffen, gemacht, herge-
Verständnis von Raum und Zeit ent-         stellt haben, sondern dass wir – bei al-
kräftigt und aufgehoben werden kann.       len wissenschaftlichen Erklärungsmög-
Auch seine Rede vom Unplanbaren            lichkeiten – auf letztlich unerklärliche
gehört dazu. So sind Raum und Zeit         Weise da sind."30
in transzendierender Perspektive auf
bestimmte Weise als verbunden zu se-       Das Schaffen, Machen und Herstel-
hen. Hans Blumenberg beschreibt die-       len kann so vom Kopf wieder auf die
sen Gedanken mit folgenden Worten:         Füße gestellt werden. Negativ gesagt
                                           geht es um das Verneinen der uneinge-
"Der Begriff T[ranszendenz] geht von       schränkten Verfügbarkeit und Mach-
der Vorstellung einer Grenze des Ge-       barkeit, um das Einziehen von Gren-
gebenen und Verfügbaren aus; jen-          zen auf dem Gebiet planerisch-kon-
seits dieser Grenze wird eine hetero-      struktiver Zweckrationalität – und
gene, unbedingte, nicht objektivierbare    zwar Grenzen räumlicher und zeit-
Wirklichkeit angenommen, die deshalb       licher Art. Oben sind wir schon auf
nicht als gleichgültig übergangen wer-     das Phänomen der "Grenze" gesto-
den kann, weil alles diesseits der Gren-   ßen. Schwarz interpretiert diese Gren-
ze Existierende in seinem Grunde von       ze auch als "Schwelle" zum Unbetret-
ihr anhängig ist. […] Der Ausdruck         baren. Auch seine Rede von einer
T[ranszendenz] bezeichnet sowohl die       "absoluten Baukunst" gehört dazu.
absolute Differenz zwischen dem Be-        (vBdK, S. 57-59)
dingten (Welt) und seinem Seinsgrund
als auch diesen Grund selbst, insofern
                                     Für den Lehrer und Redner Schwarz
er sich jeder theoretischen Befragungentspricht das Unplanbare dem Unsag-
und praktischen Verfügbarkeit ent-   baren. Auch das Aussagenkönnen des
zieht".28                            Architekten kommt an seine Grenzen.
                                     Schwarz spricht davon, es gehe ihm in
Es geht mir im Rahmen meines Textes seinen Schriften um "lebendige Wei-
nicht darum, die vorstehenden Erläu- sung" (vBdK, S. 150). Doch jede Leh-

                         18
bare vom Unverfügbaren scheidet. Die
                                                                         Schwelle ist integraler Bestandteil von
                                                                         Rudolf Schwarz' "Lehre von den drei
                                                                         Räumen". Der erste Raum beschreibt
                                                                         die menschliche Alltagslandschaft, die
                                                                         Welt, in der wir wohnen, arbeiten, un-
                                                                         ser Leben führen. Ein zweiter Raum
                                                                         wird als Gegend vor der Schwelle be-
                                                                         zeichnet. Dieser Raum ist Grenze und
                                                                         Öffnung zugleich. Der dritte Raum
                                                                         oder die dritte Gegend, wie Schwarz
                                                                         auch sagt, ist das "schlechthin Offene,
                                                                         und da ist der Himmel", der Raum
                                                                         der "Ewigkeit" (K, S. 24). Dieser drit-
                                                                         te Raum ist unbetretbar. Doch auch
                                                                         dieser Raum muss vom Baumeister
                                                                         in seine Planung pragmatisch aufge-
                                                                         nommen und praktisch gestaltet wer-
                                                                         den, obwohl er absolut "unzugänglich"
                                                                         ist. Das klingt für einen Entwerfer pa-
                                                                         radox. In den Ausführungen zu sei-
                                                                         nem ersten Kirchenbau beschreibt er
                                                                         die Aufgabe, die drei Räume zu staf-
                                                                         feln, so:

                                                                         "Man könnte nun sagen, dieses Drit-
                                                                         te sei in Fronleichnam [gemeint ist
                                                                         die gleichnamige Kirche in Aachen,
                                                                         A.H.] nicht da, dem Raum fehle jede
                                                                         Durchlässigkeit, und also sei auch die
                                                                         ewige Bewegung nicht in ihm vorgese-
                                                                         hen. Aber man vergäße dabei die große
                                                                         schneeweiße Stirnwand, die ohne Bild
                                                                         und Teilung hinter dem Altar steht,
Rudolf Schwarz: St. Fronleich-   re "endet am Rande, wo alle Dinge en-   und vernähme nicht ihr bildloses
nam, Aachen. 1929-30.            den, vor dem ewigen Abgrund" (S. 152).  Schweigen, das doch in hohem Maße
Foto. R. Joss/ K.R. Kegler       Die Lehrrede, so heißt es weiter, "ver- Bild ist. Sie setzt sich als Langwände
2011/ 2021.                      stummt in der großen Stille" (S. 153).  und Rückwand fort, legt sich um die
                                 Im Buch Kirchenbau heißt es: "Was       Versammlung der Erde herum und ist
                                 der Baumeister hinter der Schwelle un-  ewiger Ort. Die Gemeinde ist rundum
                                 ternimmt, muß jedes Mal eine Aussa-     ausgesetzt in Ewigkeit und wird von ihr
                                 ge sein, die den eigenen Widerruf in    von allen Seiten durchwirkt, die Erde
                                 sich enthält, menschliches Sagen und    aber ist auf dem begehbaren Innen-
                                 menschliches Versagen zugleich, denn    raum zurückgehalten, die Wände des
                                 hier versagen die irdischen Aussagen,   Raums gehören nicht mehr zu ihr." (K,
                                 hier verstummen die Worte." (K, S. 24). S. 29)
                                 Dennoch muss der Bau rein praktisch
                                 geschlossen werden. Er kann nicht auf Es geht Schwarz nicht um die intel-
                                 robuste Außenmauern verzichten.         lektuelle Bewältigung einer theore-
                                                                         tisch zu lösenden Aufgabe. Es geht al-
                                 Schwarz "negative" Architekturlehre lein um eine Besinnung der Möglich-
                                 (wie ich seinen Umgang mit der Un- keiten und der Grenze des architek-
                                 verfügbarkeit nenne) spricht also vom tonischen Vermögens. Das Ziel liegt
                                 Unbetretbaren, vom Unzugänglichen, in einer gelingenden Praxis, näm-
                                 vom Entzogenen, vom Unbewohn- lich die Menschen gut "zur Schwel-
                                 baren, vom Unplanbaren. Im Zen- le" zu geleiten. Die jenseitige Gegend
                                 trum des baumeisterlichen Tuns, d.h. ist "Geheimnis". Wir wissen irgend-
                                 seiner Kunst, liegt das bewusste Ver- wie davon, das "Geheimnis" ist Teil
                                 legen einer Schwelle. Nicht von einer unserer Wirklichkeit, und der Ar-
                                 beliebigen Schwelle ist die Rede, son- chitekt soll seiner Ahnung vertrau-
                                 dern von derjenigen, die das Verfüg- en, er kann es bloß in Demut hin-

                                                         19
nehmen, niemals darüber verfügen.          chitekt hier sein Tun demütig ganz in
"Was aber jenseits liegt, ist dem Künst-   sich zurück und handelt situativ kom-
ler entzogen. Wie soll er zeigen, was      petent.
noch keines Menschen Auge gesehen?"
(K, S. 24) Das "Geheimnis" tritt bei       4. Die Grenzen von Raum und
Schwarz als das dem Menschen Ent-          Zeit: Das Unplanbare
zogene und darum auch architekto-
nisch Nicht-Zeigbare in Erscheinung.       Zum Unplanbaren hat Rudolf Schwarz
Nähert sich der Weltmensch der             einen eigenen Text verfasst, der zuerst
Schwelle, dann erwartet ihn das Of-        1947 in der Zeitschrift Baukunst und
fene. Weiter ist zu dieser Stelle nichts   Werkform veröffentlicht wurde. Der-
zu sagen. Angesichts des Unfassbaren       selbe Aufsatz beschloss auch das 1949
kann der Architekt weiter keine Aus-       erschienene Buch Von der Bebauung
sage treffen. Sein Schweigen bezeugt       der Erde: "Dieses Buch entstand unter
sein Versagen. "Die Welt bleibt auf        mühsamen Umständen während des
der Schwelle und tut sich auf. Mit ar-     Krieges drüben in Lothringen" (BdE,
chitektonischen Mitteln läßt sich noch     S. 14), wo Schwarz als Landesplaner
dartun, daß der bewohnbare Raum            tätig war.29 Der Architekturhistori-
im Schwellenort offen wird, etwas, in-     ker Wolfgang Pehnt schreibt über das
dem man den Ring der Gemeinde dort         Werk: Es "ist ein wahrhaft erstaun-
aufbricht, daß Gott ihn ergänze. Rein      liches Buch, ein sonderbarer und groß-
baulich muß man den Bau ja schlie-         artiger Text."31 Dieses Buch ist von
ßen, daß der Schutz vor dem Unwet-         zwei planungstheoretischen Kapiteln
ter bietet, geistig aber muß er offenge-   eingerahmt: dem Kapitel "Raumpla-
halten werden." (K, S. 24) Jenseits der    nung" und dem mit der Überschrift
Schwelle liegt die Gegend des Unver-       "Das Unplanbare". Es beginnt folgen-
fügbaren. Dennoch soll der Bau die         dermaßen: "Es gibt ein neues Wort,
Transzendenz spürbar und erlebbar          das heißt Raumplanung, und meint ei-
machen. Schwarz führt den gotischen        nen neuen Zustand der Erde, den ge-
Dom an und erinnert an seine Erfah-        planten, und eine neue Kunst, die die
rungen mit dem Straßburger Mün-            Erde plant und bestellt, und meint
ster, das zur Heimatgemeinde seiner        die Landschaft als Raum." (BdE, S. 7)
Kindheit gehörte. Der Kirchenbauer         Schwarz stellt in diesem Buch die Fra-
sieht sich nicht technischen, sondern      ge, ob denn die Erde überhaupt "die
normativen Entwurfsentscheidungen          Art des Raums hat", ob "sie geplant
gegenübergestellt, mit denen er rech-      werden kann […], einen Plan verträgt"?
nen muss und die er nicht zu igno-         (ebd.). Der Ausblick darauf, dass die
rieren vermag, weil die Situation ihn      ganze Erde zu einem Planungsge-
existentiell trifft. Zum Kirchenbau        genstand werden könnte, ist Schwarz
sagt Schwarz: "Die Baukunst kommt,         nicht geheuer: "Es hat auch eine Gren-
wie man so sagt, in ihre existentielle     ze." (ebd.). Schwarz erinnert daran,
Situation." (K, S. 325).                   dass gerade das Sprengen von Gren-
                                           zen zu jener Situation geführt hat, die
Auf die Herausforderung, das Ge-           jetzt auf Planung dringt. Er spricht
heimnis der Schwellen- und Grenz-          sich, angesichts der Erfahrungen mit
situation architektonisch auszudrü-        den Folgen von ungesteuerter Indus-
cken, kommt er auch anlässlich eines       trialisierung und planlosem Städte-
Vortrags während des Katholikentags        wachstum, für Zurückhaltung und
in Köln (1956) zu sprechen, wo er für      Mäßigung aus: "Der Behälter der Ge-
die Gestaltung der Festwiese verant-       schichte, das ist der ihr karg zugemes-
wortlich war. Schwarz spricht diesen       sene Raum, muß für wertvolle Inhalt
Raum an als die für den Menschen           freigehalten bleiben, das andere, das
unbewohnbare und "unbetretbare Ge-         noch nicht schlecht zu sein braucht,
gend hinter der Schwelle. Hier aber, wo    aber Zeit und Raum fräße, muß ein-
der Bau ins Jenseits durchsichtig wird,    geschränkt werden […]. Man muß die
ist er als nur noch bedeutendes Sinn-      Geschichte vereinfachen, mit ihren
bild gefordert, denn hier beginnt ja das   Mitteln haushalten, damit das Weni-
Unbewohnbare, der Bau überschreitet        ge, das nottut, getan wird" (BdE, S. 9).
sich selbst und wird eine Aussage und      Schon zu Beginn seiner Planungsleh-
reines Zeichen." (K, 252) Angesichts       re taucht ein negatives Motiv auf. Die
des Unverfügbaren nimmt der Ar-            bewusste Verneinung ungehemmter

                         20
technischer Möglichkeiten des Ma-          das um alles Denken herumliegt und es
chens und Bauens wird gefordert. Es        im Maß s e i n e r E n d l i c h k e i t ein-
ist die Absage an ein modernes Den-        hegt, die Erde und all ihre Dinge und
ken von Landschaft als Raum, das aus       unter anderm sich selbst in ihre End-
Prinzip das Herstellen vor ein War-        lichkeit einweisen." (BdE, S. 13; Hvhg.
ten und Unterlassen stellt. Schwarz        A.H.) Der Planer muss in allem sei-
fasst sein Verständnis von Zukunft         ne "Schöpferkraft" sich "mäßigen". Die
mit Hilfe eines Bildes, indem er vom       Erde ist begrenzter Raum. Der Planer,
"Behälter der Geschichte" schreibt. Es     der mit seinem Plan in die Zukunft
ist eine gegen den Zeitgeist gerichtete    greift, muss wissen, dass es keine "ewi-
Perspektive, die die Gegenwartsstim-       ge" Zukunft gibt, sondern dass die
mung bewusst überschreitet. Dieser         Welt an ein Ende kommen wird. Was
"Behälter" ist eine Schöpfung, mit der     nach diesem Ende geschieht, ist unge-
der Schöpfer "Zeit und Raum" zugelas-      wiss. Er "soll die Welt und das Ende der
sen hat und beides ein Geschenk. Dem       Welt planen […]. Dieser neue Künstler,
Menschen ist aufgegeben, mit "Zeit         den wir meinen, steht an dem Grenz-
und Raum" pfleglich umzugehen. "Der        saum der Erde – auch an diesem – und
Geschichtsbehälter füllt sich mit Kram     tut, indem er tut, auch sein Untun, sein
und Wust und auch mit Dingen, neben        Lassen und Scheiden." (BdE, S. 13)
denen, sind sie einmal eingelassen, an-
dere nicht aufkommen können" (ebd.).       Wieder werden Architekt und Planer
Das ist die Erfahrung mit den Hinter-      mit den Bedingtheiten ihrer Möglich-
lassenschaften des 19. und der ersten      keiten konfrontiert. Schwarz macht
Hälfte des 20. Jahrhunderts. Voraus-       klar, dass es sich dabei nicht um eine
setzung einer guten Raumplanung ist        zufällige und momentane Grenze
aber ein Bewusstsein von Endlichkeit:      knapper Mittel und Ressourcen han-
"Enttäuscht kehrten die Menschen aus       delt, die die wissenschaftlich-technischen
ihrer vermeinten Unendlichkeit heim        Progressivkräfte demnächst mit Sicher-
ins Begrenzte. Alles war endlich, sie      heit hinter sich gelassen haben werden.
selbst waren endlich, eingesetzt in eine   Die Grenze, von der er spricht, liegt jen-
endliche Welt, um Endliches an ihr zu      seits eines ungehemmten Fortschritts-
wirken." Der "Geschichtsbehälter" ent-     denkens. Das muss einer Zeit, die an ein
hält nur eine endliche und begrenzte       unaufhaltsames technologisches und
Welt. Die (Lebens-)Zeit des Menschen       technisches Problemlösen glaubt, als
ist endlich, sein (Lebens-)Raum be-        pure Provokation erscheinen.
grenzt. Aber auch die Dinge, mit de-
nen der Mensch sich umgibt, unterste-      5. Fazit und ein Vorschlag
hen der Begrenztheit und Endlichkeit.
"[D]ie Grenze gab auch jedem Ding          Was hat es mit dem Unverfügbaren
wieder sein Maß" (BdE, S. 9).              bzw. Unplanbarem auf sich? Das Ori-
                                           entierungswissen, dem es auch um das
Das Maß, ein Zentralbegriff des Ent-       Unverfügbare geht, lässt es vernünftig
werfens und Planens, muss also am          und klug erscheinen, sich auf Gren-
unbedingten Wissen32 der Grenze ge-        ze, Maß und Unplanbares zu besin-
nommen werden. Existentielle wie na-       nen und die Haltung des Architekten
türliche Begrenzungen, ebenso die          zu seinen Möglichkeiten auf eine "an-
Endlichkeit von Mensch, Zeit und           dere" Weise zu denken. Dafür hat uns
Raum sind dem bauenden Verstand            Rudolf Schwarz mit seiner "negativen"
unverfügbar. Er muss sie hinnehmen,        Baulehre unmissverständlich sensibi-
da der "Weltenerbauer" die "Menschen       lisiert und ein Beispiel gegeben. Wir
endlich ersann" (BdE., S. 15). So wer-     werden Zeugen einer religiösen Le-
den in diesem Buch zur Raumordnung         bensform und ihrer Orientierungs-
die "Endlichkeit" und ihr Pendant          verhältnisse. Ein daran kritisch an-
das "Maß" zu weiteren Zentralwor-          knüpfender normativer Umgang mit
ten der "negativen" Architekturleh-        den Grundlagen der Architektur ver-
re. Es geht um die Planung der Erde,       spricht aber nur dann erfolgreich zu
der Schöpfung. Der Planer "soll die Ge-    sein, insofern das Unterscheidungs-
schöpfe großziehen und auch um seine       wissen zwischen dem Verfügbaren
Kunst rundum eine andere umfäng-           und dem Unverfügbaren als eigen-
liche K u n s t des Beendens legen und     ständiges Entwurfskönnen anerkannt
all sein Denken in ein Bedenken betten,    wird. Was ist das für ein Wissen, das

                         21
zwischen dem Verfügbaren und dem           verfügbare thematisiert wird. Unser
Unverfügbaren unterscheidet? Man           Alltagsverstand weiß sehr gut, dass es
kann wissenschaftlich nicht bewei-         Bedingtheiten gibt, die dem mensch-
sen, dass es das Unverfügbare tatsäch-     lichen Handeln entzogen sind. Jeder
lich gibt. Aber es ist für uns Menschen    Lebensentwurf, jede Lebensplanung
vernünftig, das Unverfügbare uns zur       orientieren sich an einer letztlich un-
Gewissheit zu bringen.                     gewissen Zukunft, für die sie gemeint
                                           sind. So stellt sich jedem Entwerfer,
Entwerfen ist eben nicht nur Tun,          auch dem professionellen, die Fra-
sondern die Kompetenz des Archi-           ge, wie er überhaupt vernünftig auf
tekten zeigt sich auch im Lassen, im       die Zukunft, deren Wirklichkeit un-
begründeten Verzicht und Einsicht in       zugänglich und nicht vorhersehbar
die Grenzen menschlicher Möglich-          ist, reagieren soll. Unsere Lebenser-
keiten. Damit sind nicht ein Scheitern     fahrung mahnt zu Gelassenheit und
aus Geldmangel, uneinsichtige Bau-         hofft aus Erfahrung auf ein gutes Ge-
herren oder handwerkliche Unfähig-         lingen. Indem man aber (wie eini-
keit gemeint. Es liegt immer eine aufs     ge Denker der Moderne) die Zukunft
Neue zu entscheidende Problemsi-           zur immerwährenden Gegenwart er-
tuation vor, da der Eingriff in Natur,     klärt, lässt sich das Kommende allen-
Landschaft und räumlicher Lebens-          falls rational-instrumentell, d.h. ins
welt eine Zäsur bedeutet, die nicht um     Heute übersetzt: modisch meistern.
irgendeines Fortschrittswillens unsere     Hier muss ein Umdenken einsetzen.
Aufmerksamkeit verdient. Was "Fort-        Der Eingriff in Natur- und Kultur-
schritt" eigentlich ist oder sein soll,    verhältnisse wird seit der Neuzeit als
welche Art von Fortkommen oder             technisches bzw. zweckrationales Ver-
Wandel gewünscht wird, diese Fra-          halten und Handeln aufgefasst und
gen müssen offen und intersubjektiv        durchgeführt.34 Dabei unterstellt die-
besprochen werden. Schwarz zeigt,          ses Agieren, dass Natur und Kultur un-
dass das Tun des Architekten sich          begrenzt verfügbar sind. Das entspre-
nicht gedanken- und hilflos vom tech-      chend eingestellte Entwerfen und Pla-
nischen und/oder ästhetischen Mach-        nen geht mit dieser Haltung die anste-
barkeitsoptimismus bestimmen las-          henden Bau- und Planungsprobleme
sen sollte.33 Der Planer darf sich nicht   an und bezieht sich allein in tech-
hinter der Technik, hinter einem Re-       nischer Weise auf die Welt. Denn der
gelwerk, Sachverhältnissen und deren       Homo faber ist gewohnt, aktivisch-au-
Zwänge oder unglaubwürdig gewor-           tonom die Welt in seinen Griff zu neh-
dene Traditionen verstecken und mei-       men. "Ein Akteur hat Zwecke, auf die
nen, so notwendigen Entscheidungen         er gleichsam schon vor allem Han-
auszuweichen. Schwarz bietet mit sei-      deln gerichtet ist und nun tritt er in die
ner "negativen" Architekturlehre nicht     Welt ein und findet […] geeignete Mit-
nur eine Orientierung, sondern for-        tel zur Realisierung dieser Zwecke."35
dert eine "dritte Raumordnung". Sie        Aber Zwecke und Mittel des architek-
sei dem Planer die schwerste, "denn        tonischen Tuns, die an dem besonde-
er kann die Welt ja nicht planen ohne      ren Handlungsziel, die Welt bewohn-
sich selbst zu entwerfen" (BdE, S. 12).    bar zu gestalten, je zu bemessen sind,
Auch wenn wir uns seine Glaubens-          lassen sich nicht deduktiv rational-lo-
vorstellungen und "mythischen" Her-        gisch bestimmen. Jede Entwurfssitu-
leitungen nicht zu eigen machen kön-       ation ist anders, neu und einzigartig.
nen, bleibt die Aufforderung rich-         Dem Entwerfer widerfahren situative
tig und wichtig, der eigenen Gewiss-       Einmaligkeiten: Menschen, Orte, Ge-
heiten sich bewusst zu werden und als      genden, Stimmungen, historischer
Architekten die Reichweite der eige-       Augenblick, sie alle müssen erst noch
nen Handlungskompetenz kritisch zu         entdeckt werden. Auch der Entwer-
überprüfen.                                fer mit seiner Lebensgeschichte muss
                                           der neuartigen Konstellation und ih-
Welche Bedeutung kann das Wissen           ren Gegebenheiten angepasst begeg-
des Unverfügbaren überhaupt für ein        nen. Ihm sind ja die Erfahrungen,
zeitgemäßes Selbst- und Entwurfsver-       die er während eines Planungspro-
ständnis haben? An dieser Stelle ist       zesses erst noch "machen" wird, voll-
festzuhalten, dass beileibe nicht allein   kommen ungewiss.36 Das Ganze der
in religiösen Lebensformen das Un-         Umstände unseres Handelns ist uns

                         22
Rudolf Schwarz: St. Fron-    nicht verfügbar. Ein situativ vernünf-    rich Kambartel führt methodische
leichnam, Aachen. 1929-30.   tiges Handeln kann hier nicht darin       Überlegungen an, wenn er etwa an-
Foto. K.R. Kegler 2011/      bestehen, die Anweisungen einer hi-       regt, "Einsichten durch Argumente
2021.                        storisch freischwebenden und ano-         'herbeizuführen'."38 Darin sieht er ei-
                             nymen Zweck-Mittel-Kausalität aus-        nen Weg, das Unverfügbare nicht als
                             zuführen. Vielmehr muss der Ent-          etwas objektiv Unfassbares abzuweh-
                             werfer auf Grund der Einsicht in das      ren, sondern es zuversichtlich-hin-
                             Unverfügbare selbständig entscheiden,     nehmend in unsere Lebenspraxis zu
                             was jeweils zu tun ist.37 Nur so bekom-   integrieren und folglich das Streben,
                             men wir überhaupt die Ziele unseres       darüber verfügen zu müssen, argu-
                             Handels wieder in die eigene Hand.        mentativ zu unterlassen. Mein Vor-
                             Das kann zum Beispiel heißen, dass        schlag: Wir sollten in der Entwurfs-
                             wir bereits bei der Formulierung un-      arbeit weder uns vom Unverfügbaren
                             seres Planungsziels Unsicherheiten        hilf- und begriffslos überwältigen las-
                             und Bedingtheiten seiner Umsetzbar-       sen noch versuchen, es zu "entmystifi-
                             keit und Erreichbarkeit kommunika-        zieren". Besser, so scheint mir, könnte
                             tiv berücksichtigen sollten. Werden       es damit gehen, wenn wir bei der an-
                             aber Architekten und Planer über-         stehenden Neufassung des Verständ-
                             haupt in Studium und Ausbildung           nisses von Handeln (Entwerfen, Pla-
                             damit konfrontiert, wie sie Wege der      nen) auch dem Unverfügbaren unter
                             Einsicht in das Unverfügbare fin-         Aufbietung guter Gründe seinen un-
                             den und beschreiten können? Fried-        bedingten Ort einräumten.

                                                     23
Anmerkungen:                          6 Jürgen Habermas: "Die             16 Schwarz zitiert bei Hasler
                                      Verschlingung von Mythos und        (vgl. Anm. 1), S. 203, Anm. 392.
1 An Sekundärliteratur zu             Aufklärung. Bemerkungen zur
Schwarz habe ich drei Arbeiten        Dialektik der Aufklärung – nach     17 Theo Kobusch: [Artikel]
herangezogen: Wolfgang Pehnt:         einer erneuten Lektüre". In:        "Nichts, Nichtseiendes". In:
Rudolf Schwarz 1897-1961.             Bohrer 1983 (vgl. Anm. 4), S.       Historisches Wörterbuch der
Architekt einer anderen Moderne.      405-431.                            Philosophie, Band 6. Basel 1984.
Ostfildern-Ruit 1997; Thomas                                              Sp. 835.
Hasler: Architektur als Ausdruck      7 Wilhelm Kamlah: Der Mensch
– Rudolf Schwarz. Zürich, Berlin      in der Profanität. Versuch einer 18 Schwarz selbst hat sich,
2000; Alexander Henning Smolian:      Kritik der profanen durch ver-   soweit ich sehe, nicht mit der
Weltanschauung und Planung am         nehmende Vernunft. Stuttgart     Unterscheidung zwischen
Beispiel des Architekten und Stadt-   1949 und Wilhelm Kamlah:         Glauben und Wissen auseinan-
planers Rudolf Schwarz. Aachen        Philosophische Anthropologie.    dergesetzt. Es ist also fraglich,
2014. In diesen Publikationen         Sprachkritische Grundlegung und  welches der beiden Ausdrücke
finden sich ausführliche Angaben      Ethik. Zürich 1972.              an dieser und ähnlicher Stellen
zu Leben und Werk von Schwarz,                                         passend ist. Ich weise auf
so dass ich auf entsprechende         8 Friedrich Kambartel:           folgende Auslegung hin: "Die
Hinweise verzichten kann. Die         "Über die Gelassenheit. Zum      neueste protestantische und ka-
drei schriftstellerischen Haupt-      vernünftigen Umgang mit dem tholische Theologie sieht keinerlei
werke von Schwarz werde ich           Unverfügbaren." In: Philosophie Gegensatz zwischen G.[lauben]
folgendermaßen abkürzen: Vom          der humanen Welt. Frankfurt      und W.[issen]. Während einige
Bau der Kirche, 2. Aufl. Heidelberg   a.M.1989.                        jedoch die Grenze zwischen
1947, mit vBdK; Die Bebauung der                                       beiden beachtet wissen möchten,
Erde, Heidelberg 1949, mit BdE;       9 Jürgen Mittelstraß: "Das       bemühen sich andere energisch
Kirchenbau, Heidelberg 1960,          Verfügbare und das Unverfüg- und eine 'Restitution des Und
mit K. Anschließend gebe ich die      bare". Paderborn 2000. [https:// zwischen G. und W.' bzw. stellen
Seitenzahl des jeweiligen Buchs,      www.hnf.de/veranstaltungen/ fest, daß in jedem G. auch ein W.
dem das Zitat entnommen               events/paderborner-podium/       und eine Gewißheit, wenn auch
wurde, an.                            glaube-in-der-wissensge-         nicht im Sinne der Mathematik
                                      sellschaft/mittelstrass.html]    und der Naturwissenschaft liegt,
2 Vgl. Hans Robert Jauß:              Abgerufen am 18.2.2020.          oder empfehlen den G. sogar als
Literarische Tradition und                                             Korrektur an der Wissenschaft."
gegenwärtiges Bewußtsein der          10 Wilhelm Kamlah: "Sokrates Ulrich Dierse: [Artikel] "Glauben
Modernität. In: Hans Steffen          und die Paideia" (1949). In:     und Wissen". In: Historisches
(Hg.): Aspekte der Modernität.        Von der Sprache zur Vernunft.    Wörterbuch der Philosophie,
Göttingen1965, S. 150-197;            Philosophie und Wissenschaft     Band 3. Basel 1974, Sp. 653.
Hans Ulrich Gumbrecht:                in der neuzeitlichen Profanität. Unterstellen wir einmal, dass
[Artikel] "Modern, Modernität,        Zürich 1975. S. 45-85. S. 81.    Schwarz mit dieser Auslegung
Moderne". In: Otto Brunner u.a.                                        zufrieden gewesen wäre.
(Hg.): Geschichtliche Grundbe-        11 Vgl. Karl R. Kegler: "Zu den
griffe. Band 4. Stuttgart1993, S.     Rückseiten der Architektur".     19 Axel Horstmann, [Artikel]
93-131.                               Das gleichnamige Manuskript      "Mythos, Mythologie". In:
                                      wurde mir vom Autor freund-      Historisches Wörterbuch der
3 Vgl. Wolfgang Welsch:               licherweise zur Verfügung        Philosophie Band 6. Basel 1984,
Unsere postmoderne Moderne.           gestellt.                        Sp. 313.
Weinheim 1987; "Postmoderne.
Eine Bilanz". MERKUR. Deutsche        12 Vgl. dazu und zum                20 Vgl. Franz Koppe: "Mythi-
Zeitschrift für europäisches          Folgenden Smolian 2014 (vgl.        sche Vernunft?" In: Jürgen Mit-
Denken. Hg. v. Karl Heinz Bohrer      Anm. 1).                            telstraß/ Manfred Riedel (Hg.):
und Kurt Scheel. Heft 9/10. 52.                                           Vernünftiges Denken. Studien
Jg. Sept./Okt. 1998.                  13 Ebd., S. 131                     zur praktischen Philosophie und
                                                                          Wissenschaftstheorie. Berlin/
4 Karl Heinz Bohrer (Hg.):            14 Vgl. Thomas Rentsch: "Die        New York 1978, S. 301-326.
Mythos und Moderne. Frankfurt         Entdeckung der Unverfüg-
a.M. 1983.                            barkeit". In: Transzendenz und      21 Franz Koppe: [Artikel]
                                      Negativität. Religionsphilosophie   "Mythos". In: Enzyklopädie
5 Max Horkheimer, Theodor             und ästhetische Studien. Berlin,    Philosophie und Wissenschafts-
W. Adorno: Dialektik der Aufklä-      New York 2011. S. 6-13.             theorie. 5. Band. Stuttgart 2013.
rung. Philosophische Fragmente                                            S. 483-486.
(1947). Frankfurt a.M. 1969.          15 Ebd. S. 10

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22 Ebd., S. 483.                     und Raum. Das Darmstädter         und das Denken der Technik.
                                     Gespräch 1951. Braunschweig       Bielefeld 2008, S. 128.
23 Ebd., S. 484.                     1991. S. 86.
                                                                       36 "[D]er Mensch hat niemals
24 "Bau [des Menschen, A.H.]         27 Ebd., S. 187.                  alle Bedingungen seines Han-
lebt in vielerlei Räumen, er hat                                       delns in der Hand, nicht einmal
den Raum seiner Techne und           28 Hans Blumenberg: [Artikel]     die Faktizität, die sein Leben,
auch seiner reinen Bedeutung,        "Transzendenz". In: Religion in   seine Gegenwart – mit allen
er hat seinen Dienst, den man        Geschichte und Gegenwart Bd. 6,   seinen Vorstellungen, Wünschen
gerne als Zweck mißversteht, und     S. 990.                           und Hoffnungen – ausmacht."
er hat seinen lebendigen Inhalt,                                       Mittelstraß 2000 (vgl. Anm. 9).
die Menschen, die in dem Raum        29 Rentsch 2011 (vgl. Anm. 14),
allerlei unternehmen, und es ist     S. 7.                             37 Damit beziehe ich mich auf
nicht gesagt, daß sich alles in                                        Überlegungen zur Ethik, die
kongruenten Gestalten begibt.        30 Vgl. Smolian 2014 (vgl.        Wilhelm Kamlah vorgebracht
Große Dichtung ist da zu tun, daß    Anm. 1).                          hat. Vgl. Kamlah 1972 (vgl.
all diese vielerlei Räume zu einer                                     Anm. 7).
gemeinsamen Form übereinkom-         31 Pehnt 1997 (vgl. Anm. 1), S.
men." K, S. 8f.                      112.                              38 Kambartel 1989 (vgl. Anm.
                                                                       8), S. 94. Der Landschaftstheo-
25 So bestimmt er in einem           32 Vgl. Anm. 3.                   retiker und Philosoph Karsten
Vortrag, "daß es Wesen und                                             Berr macht in Anschluss an
Aufgabe der Baukunst ist,            33 Vgl. Martin Seel: Bestimmen    Kambartel den Vorschlag, "das
bewohnbare Bilder zu schaffen."      und Bestimmenlassen. Anfänge      Unverfügbare zu akzeptieren
K, S. 248. Vgl. Achim Hahn:          einer medialen Erkenntnistheo-    und sich auf das Verfügbare zu
"Dimensionen der Einbildungs-        rie. Frankfurt a.M. 2002.         konzentrieren", vgl. "Philoso-
kraft (für Karsten Harries)". In:                                      phische Praxis und die Idee des
Wolkenkuckucksheim. 12. Jg.,         34 Vgl. Hans Freyer: Theorie      guten Lebens". In: Hans Friesen,
Heft 1, August 2007.                 des gegenwärtigen Zeitalters.     Karsten Berr (Hg.): Dimensionen
                                     Stuttgart 1958.                   Praktizierender Philosophie.
26 Rudolf Schwarz: "Das Anlie-                                         Essen 2003, S. 83.
gen der Baukunst". In: Mensch        35 Andreas Luckner: Heidegger

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