DIE STIMME deR SEniorEN - SSR Jubiläum 2021: Das Programm Autonomie ist zentral im Alter Pflegeinitiative: Versorgungssicherheit Demagogie mit der ...
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DIE STIMME deR SEniorEN J ul i Nr. 2/ 2021 In dieser Ausgabe... SSR Jubiläum 2021: Das Programm Autonomie ist zentral im Alter Pflegeinitiative: Versorgungssicherheit Demagogie mit der Demografie Plädoyer für eine lebendige Demokratie
Editorial Wie kann man ein Editorial be- zur ständig steigenden Lebenserwar- ginnen, ohne die Pandemie zu tung setzen, die immer mehr Achtzig-, erwähnen, die unser tägliches Neunzig- und sogar Hundertjährige Leben seit über einem Jahr be- hervorbringt, deren Sterberisiko expo- herrscht? Die Seniorinnen und nentiell steigt - Pandemie hin oder Senioren sassen in der ersten her? Reihe. Sie waren es, die in der ersten Phase mit der größten Die Pandemie hat auch die Grenzen Anzahl von Krankenhausaufent- der Solidarität aufgezeigt, die durch halten und Todesfällen den die Digitalisierung auferlegt werden, Roland Grunder, Copräsident SSR insbesondere die von Sitzungen, ob höchsten Preis zahlten. beruflich oder privat. Der SSR hat die Inhalt Natürlich sind viele ältere Menschen schwierige Erfahrung gemacht, ihre vulnerabel. Aber es war ein Schritt zu vielen Arbeitssitzungen über einen gross, sie unter Quarantäne zu stellen Bildschirm abzuwickeln. Es wurden 2 Editorial und zu isolieren. Und dieser intensive die Schwächen eines Systems aufge- Autonomie ist ein wesentli- Kampf gegen Diskriminierung und zeigt, das den visuellen und physi- cher Bestandteil eines gegen die Trennung von Generatio- schen menschlichen Kontakt außer 3 selbstbestimmten Lebens nen bildete eines der Hauptanliegen älterer Menschen Acht lässt. Administrative Bespre- des SSR. Wir waren regelmäßig in der chungen können durch- 20-Jahre SSR aus mit dem virtuellen 4-6 Jubiläum 2021 Der SSR muss eine neue und Modus befriedigt werden, 7 Stopp der Gewalt gegen repräsentativere nationale wohingegen strategische Entscheidungen, die auf ältere Menschen Dimension einnehmen physischer Präsenz, 8 Es braucht Humor, um das Überzeugung und Überre- Leben zu ertragen Presse und in den Medien präsent, dung basieren, durch die virtuelle Dis- um unseren Standpunkt bekannt zu tanz extrem beeinträchtigt werden. Pflegeinitiative: Der Gegen- machen. Das Schlüsselwort hiess: 9 vorschlag reicht nicht ! Solidarität. Die Pandemie markierte auch einen Wendepunkt für den SSR, der sich Hohe Todesfallrate wegen Der Mensch ist ein Lebewesen mit nach 20 Jahren Tätigkeit teilweise neu 10 Covid-19 bei Seniorinnen sozialen Beziehungen, die auf Solida- und Senioren ausrichtet: Eine nationale Dimension, rität basieren. Die Pandemie führte zu eine Strategie, die repräsentativer für Initiativen von solidarischen Nachbar- Nach der Tat hält der alle Meinungsströmungen, für alle 11 schaften, um Isolierungen zu vermei- Schweizer Rat Tendenzen, für alle Regionen ist. Der den und zwischenmenschliche und SSR muss als Vertreter von mehr als Demagogie mit generationenübergreifende Kontakte 12 einem Viertel der Bevölkerung in allen der Demografie zu fördern, die weitergeführt werden Fragen, die das Altern in der Gesell- müssen. Der SSR ist ein Grundstein schaft betreffen, auftreten. 13 queerAltern: Stolz für die Initiierung einer solchen Philo- auf seine Wirkung Dies ist eines der Ziele, das er sich mit sophie, die überall in unserem Land der Organisation seines 20-Jahr Jubi- aufgebaut werden muss. Plädoyer für eine lebendige läums am 24. September gesetzt hat, 14 Demokratie Ja, die Zahl der Todesfälle ist auf- ein Höhepunkt für "Die Stimme der grund dieser Pandemie erheblich. Senioren" in diesem Jahr. Das Leben der Anderen Aber sollten wir sie nicht ins Verhältnis 15 mit Covid-19 IMPRESSUM Unterstüzt von/Soutenu par /Sostenuto da Herausgeber: Redaktion: Schweizerischer Seniorenrat (SSR): SSR: Reinhard Hänggi Copräsidium: SVS Margareta Annen Bea Heim & Roland Grunder VASOS: Inge Schädler Schweizerischer Verband für Senioren- fragen (SVS): Administration: Karl Vögeli, Präsident Sekretariat SSR Kirchstrasse 24 Vereinigung aktiver Senioren– und Selbst- CH-3097 Liebefeld /BE Sprachen DE/FR/IT hilfeorganisationen der Schweiz (VASOS): La Voix des Seniors Bea Heim, Päsidentin info@ssr-csa.ch Die Stimme der Senioren www.ssr-csa.ch Layout & Druck: La Voce degli Anziani Comarg GmbH, Aigle ©ssr-csa 2
Autonomie ist ein wesentlicher Bestandteil eines selbstbestimmten Lebens älterer Menschen Felicitas Würth-Zoller, SSR-Delegierte An einer Fachtagung von Gerontologie.ch wurde Daraus können die folgenden Erkenntnisse abgeleitet aufgezeigt, dass es eine Ambivalenz zwischen werden: Autonomie und Betreuung gibt. Die Patienten- • In Heimen und Spitälern muss das Personal besser verfügung ist eine gute Grundlage, um mit Be- ausgebildet werden. treuten über ihre Wünsche und Haltungen ins Gespräch zu kommen. Allerdings sind 80 Prozent • Das Verhältnis zwischen Betreuenden und Betreuten muss vor allem in Heimen verbessert werden. der Patientenverfügungen unklar formuliert und lassen einen grossen Spielraum offen. • Schutzmasken und Schutzanzüge sowie Desinfekti- In der Realität ist das Heim das Auffangbecken, wenn onsmaterial müssen zur Verfügung stehen. Selbständigkeit nicht mehr möglich ist. Das Heim ist sel- • Der Slogan «Bleiben Sie zu Hause» war falsch. Er hat ten gewollt oder selber gewählt. Für diesen Entscheid ist den allgemeinen Gesundheitszustand verschlechtert. das gemeinsame Abstimmen aller Beteiligten nötig, um die beste Lösung für die Betroffenen zu finden. Die Idee der Quartiervernetzung scheint ein gutes Beispiel für die Die Pandemie hat die Stärken und Schwächen unseres Zukunft zu sein. Eine niederschwellige Ansprechstelle für Gesundheitswesens aufgezeigt. Betreffend neuen Tech- Seniorinnen und Senioren in der Gemeinde, wo Lösungs- nologien sind Schulungen und «üben, üben, üben» für wege und Anregungen für Ältere aufgezeigt werden, kann Seniorinnen und Senioren wichtig. Das Bewusstsein eine grosse Hilfe sein. Die Stelleninhaberin muss gut ver- wurde geschärft, dass man die Teilhabe der Älteren netzt sein, um wirksame Hilfe zu bieten. fördern muss, um ihre Autonomie möglichst lange zu erhalten. Zentral ist die Mobilität Zentral im Alter ist die eigene Mobilität, um autonom han- deln zu können. Doch der technologische Wandel fordert die Rentnergeneration heraus: Billettautomaten, verän- derte Darstellung der Bahninformationen, Billette auf dem iPhone lösen, Bestellungen auf dem Tablet aufgeben, Zahlungen im e-Banking erledigen, die Zeitung virtuell abonnieren und lesen, bezahlen mit Twint usw. Wer sich nicht dauernd mit den technologischen Neuerungen aus- einander setzt und sich den Umgang damit aneignet, wird gesellschaftlich abgehängt. Die Corona-Pandemie hat die Autonomie der Älteren ein- geschränkt. Zum Wohl und zum Nachteil ihrer Gesund- heit. Hier treffen gesellschaftliche und private Anliegen aufeinander. Initiativen von Jungen in verschiedenen Städten haben Hilfen für die Generation 65plus angebo- ten, z.B. beim Einkauf. Viele Detaillisten weiteten ihre An- gebote mit Heimlieferungen aus. Hoffentlich bleibt etwas davon auch in normalen Zeiten. Die Pandemie hat die Stärken und Schwächen unseres Gesundheitswesens aufgezeigt Folgerungen Gerade in der Pandemie-Zeit wurde die Bedeutung der Kontakte innerhalb der Familien und zwischen den Gene- rationen deutlich spürbar. Die Folgen des Mangels waren ungesund. Viele ältere Menschen reagierten mit Depres- sionen. 3
Der Schweizerische Seniorenrat ist die Stimme der Lebenserfahrung Vor 20 Jahren setzte der Bundesrat den Schweizerischen Seniorenrat als Bera- tungsorgan in Altersfragen für den Bundesrat selbst, das eidgenössische Parla- ment und die Bundesämter ein. Seither artikuliert und vertritt der SSR die sozialen, wirtschaftlichen und kulturel- len Interessen der älteren Menschen gegenüber dem Bund, den Medien und der Öffentlichkeit. Es gilt, ein positives Bild des Alters zu vermitteln. Die älteren Men- schen sind weiterhin ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft, sie gehören nicht auf das Abstellgleis. Rund ein Viertel der Bevölkerung in der Schweiz steht im AHV-Alter. Mit ihrem prozentualen Anteil gestalten die Seniorinnen und Senioren die gesellschaftliche und politische Entwicklung massgebend mit. Zunehmend wird es für einen Teil von ihnen schwieriger, trotz jahrzehntelanger Erwerbsarbeit und Sozialversiche- rungen für die Lebenskosten aufzukommen. Der SSR setzt sich für einen angemessenen Lebensstandard aller älte- ren Menschen ein, wie es die Bundesverfassung vorschreibt. Jubiläums-Kongress im Hotel National, Hirschengraben 24, 3011 Bern Wir heissen Sie herzlich willkommen. Das Programm kann unter www.ssr-csa.ch heruntergeladen oder per Post bestellt werden unter info@ssr-csa.ch. 4
Anmeldung zum Jubiläums-Kongress unter www.ssr-csa.ch Ehrengast Guy Parmelin, Bundespräsident Programm 24. September 2021 Ab 9.00 Uhr Registrierung, Kaffee und Gipfeli 09.50 Uhr Begrüssung und Einführung Roland Grunder, SSR-Copräsident 10.00 Uhr Ich habe den SSR mitgegründet Alt Bundesrätin Ruth Dreifuss 10.30 Uhr Weltraum über Generationen hinweg Prof. Dr. Claude Nicollier, Astronaut 11.00 Uhr Podiumgespräch: Möglichkeiten, Senioren im sozialen und generationen-übergreifenden Gefüge zu halten Alt Bundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf, Prof. Walter Schmid, Ständerätin Lisa Mazzone, Lukas Bäumle, SSR Vorstandsmitglied 11.50 Uhr Grusswort der Behörden von Kanton und Stadt Bern 12.00 Uhr Unterhaltung, Apero, Mittags-Buffet Quintetto Inflagranti 14.00 Uhr Müssen wir Angst um unsere Renten haben? Weniger Beitragszahler zur Finanzierung der Renten Dr. Stéphane Rossini, Direktor Bundesamt für Soziale Versischerungen 14.30 Uhr Das Alter von Morgen! Ist die Telemedizin die Zukunft für die Gesundheit von Seniorinnen und Senioren? Altern 2.0 und künstliche Intelligenz. Prof. Dr. Astrid Stükelberger 15.30 Uhr Experten-Kurzreferate: Altersdiskriminierung: eine Tatsache von heute und morgen Prof. Delfine Roulet-Schwab und Karl Vögeli, Präsident SVS 16.00 Uhr Grusswort EURAG: Prof. Dr. Dirk Jarré, Präsident EURAG 16.10 Uhr Kurzreferat Bundespräsident Guy Parmelin 2 16.40 Uhr Fazit und Danke, Beatrice Heim, SSR- Copräsidentin 16.50 Uhr Abschiedsapero Moderation: Stephan Klapproth Änderungen vorbehalten Detailprogramm zum Herunterladen auf www.ssr-csa.ch In einer Welt, die sich verändert, ist das Altwerden eine Zukunft 5
Stopp der Gewalt gegen ältere Menschen Bea Heim, SSR-Copräsidentin Wie Recht sie hatte! Anja Bremi, Pflegefachfrau Negative Altersbilder - Nährboden für Alters- und Pionierin in Altersfragen, brach vor vielen diskriminierung, Entgleisungen und Gewalt Jahren ein Tabu, als sie die Gewalt gegen alte Abwertende Altersbilder leisten der Diskriminierung Menschen öffentlich anprangerte. Dank ihr fin- Vorschub. Mangelnder Respekt fördert Entgleisungen den Betroffene seit 1997 bei der „Unab- im Stress z.B. gegenüber Pflegebedürftigen im häusli- hängigen Beschwerdestelle für das Al- chen Umfeld und in Heimen. Zuverlässige Daten dazu ter“ (UBA) Unterstützung und Beratung. Sie gibt es kaum. Die Studie des Bundes spricht von Hun- war es auch, die mich aufforderte, mich für die derttausenden von Fällen und von einer grossen Dun- Rechte und die Würde im Alter einzusetzen. kelziffer. Das Thema Gewalt im Alter muss enttabuisiert werden. Dass es so schwierig sein werde, bei der Politik die nöti- Bund und Kantone sind gefordert zum Schutz des Al- ge Aufmerksamkeit dafür zu finden, ahnte ich als da- ters, der Angehörigen und des medizinischen Perso- mals frisch gewählte Nationalrätin nicht. Erst letzten nals. Die gängigen Massnahmen bei häuslicher Gewalt Herbst, nach mehreren parlamentarischen Interventio- wie Wegweisung fehlbarer Personen sind bei Gewalt im nen, veröffentlichte der Bund eine Studie zu diesem Alter nicht praktikabel. Pflegebedürftige sind kaum in Thema! Wer sie liest, erschrickt: Schätzungen zufolge der Lage, Hilfe zu holen. Es braucht andere Lösungen. sind jedes Jahr zwischen 300 000 und 500 000 Perso- Übergriffe gegenüber Älteren dürfen nicht länger uner- nen ab 60 Jahren von körperlicher und psychischer kannt bleiben. Gewalt oder von Vernachlässigung betroffen. Misshand- Das Schweigen aufbrechen lungen älterer Menschen treten sowohl zu Hause als • Mit einer breiten nationalen Sensibilisierungskampag- auch in Heimen auf. ne • Mit einem nationalen Aktionsplan für die Prävention Misshandlungen passieren vor Gewalt meist zu Hause • Mit „Unabhängigen Beschwerdestellen für Gewalt im Alter“, an die sich Betroffene und Angehörige wenden können und auch Pflegekräfte Rat finden Nun ruft die WHO zum Kampf gegen Altersdiskriminie- • Mit Entlastungsdiensten für pflegende Angehörige rung auf. Diese „heimtückische Geissel“ habe sich mit • Mit besseren Arbeitsbedingungen und weniger Stress der COVID-19-Pandemie verschlimmert, wohl auch in für die Pflegenden.. der Schweiz. Denn bei der Spitex und in Alters- und Pflegeheimen mangelt es an vielem, noch immer vor allem an Pflegepersonal. Über diese strukturelle Alters- Hinschauen, Altersdiskriminierung beim Namen nennen diskriminierung entbrannte eine peinliche Debatte über und handeln, das muss die Devise sein – für Bund wie das Rationieren notwendiger Gesundheitsleistungen bei für Kantone und Gemeinden. Betagten. 7
Es braucht Humor, um das Leben zu ertragen Reinhard Hänggi, SSR-Delegierter Seit über einem Jahr bestimmt die Coronapan- Er wirkt als Auslöser, um weitere heitere Situationen zu demie weitgehend unser Leben: Maskenpflicht, schaffen. Verschiedene Psychologen weisen darauf hin, Hygienevorschriften, eingeschränkte Sozial- dass ein gesunder Sinn für Humor ein Zeichen einer kontakte, wirre und unkoordinierte Lockdown- reifen und ausgeglichenen Persönlichkeit ist, die über Selbstbewusstsein, Einsicht und Toleranz verfügt. Massnahmen, bedingt funktionierende Schutz- konzepte, verzögerte Impf- und Testkampag- Überdies stellt man in der Arbeitswelt fest, dass Mitar- nen usw. Da kann einem der Humor vergehen. beiter, die Humor haben, sich nur schwer mobben las- sen. Im Zusammenhang mit Corona findet kein echter Dialog mit der Bevölkerung statt. Es werden Ängste geschürt, Auch in der Medizin ist der Humor zunehmend ein The- wenn man sich nicht an die verordneten Massnahmen ma. Die Auseinandersetzung mit dem Humor und dem hält. Dabei müsste die Kommunikation doch eigentlich Lachen wird nicht mehr lächerlich gemacht. Denn je Ängste abbauen, Zuversicht und Vertrauen verschaffen technisch perfektionierter die Medizin wird, desto mehr und Perspektiven aufzeigen. läuft sie Gefahr, zwischenmenschlich auszutrocknen. „Was man ernst meint, Humor ist, wenn man trotzdem lacht Eine direkte Folge von Humor ist vielfach das Lachen. sagt man am besten im „Lachen ist gesund“ und „Wer lacht, lebt länger“ sagt der Volksmund. Der Sinn für Humor verbindet und be- Spass.“ sitzt die Fähigkeit, Menschen zum Lachen zu bringen oder problematischen Situationen noch irgend einen Wilhelm Busch, Humorist lustigen Aspekt abzugewinnen. Dadurch kann Humor helfen, Konflikte zu lösen. Humor ist die Kunst, sich selbst und seine Probleme nicht so wichtig zu nehmen. Humor ist ein Schutz vor der Realität Der amerikanische Unternehmer und Gründer der Stan- In solchen Fällen spielt der Humor eine wichtige Rolle. ford University Leland Stanford sagte einmal: „Humor Er übernimmt vielfältige soziale Funktionen und erfüllt ist eine Glücksdroge, die nichts kostet, nicht verboten dabei oft widersprüchliche Zwecke. Er ermöglicht und ist, nicht dick macht und ausser Bauchschmerzen sowie fördert die Zusammenarbeit und kann Zustimmung und feuchten Augen und Luftnot keine ernsthaften Neben- Geselligkeit zum Ausdruck bringen, aber auch Wider- wirkungen hat.“ Der unerreichte Humorist Wilhelm spruch. Humor ist die Begabung, der Unzulänglichkeit Busch schrieb: „Was man ernst meint, sagt man am der Welt sowie den alltäglichen Schwierigkeiten und besten im Spass.“ Und der Schriftsteller Bert Brecht Mussgeschicken mit einer gewissen heiteren Gelassen- meinte: „In einem Land zu leben, wo es keinen Humor heit zu begegnen. gibt, ist unerträglich. Aber noch unerträglicher ist es in Humor wirkt, wenn Perspektiven fehlen einem Land, wo man Humor braucht.“ Humor hat etwas Spielerisches an sich. Er signalisiert, dass das Gesagte und Geschriebene nicht immer hun- dertprozentig ernst zu nehmen ist. Zwischen den Betei- ligten stellt sich ein angenehmer Gefühlszustand ein. 8
Pflegeinitiative: Der Gegenvorschlag reicht nicht ! Rudolf Joder, alt Nationalrat, Präsident der Pflegeinitiative Ja In der Schweiz herrscht Pflegenotstand. Wir Eidgenössische Volksinitiative „Für eine starke haben viel zu wenig Pflegende. Wegen der ho- Pflege“ hen beruflichen Belastung und den schlechten Dies alles interessiert weder den Bundesrat noch die Arbeitsbedingungen sind aktuell 25 000 Pflege- Bundesversammlung. Für Regierung und Parlament stellen nicht besetzt. Pro Jahr werden 3000 besteht die einzige Aufgabe der Pflege offenbar darin, diplomierte Pflegende zu wenig ausgebildet. Kosten zu sparen. Bereits nach wenigen Jahren verlassen ein Drittel der Ausgebildeten den Beruf. Insgesamt beträgt die berufliche Ausstiegsquote rund 50 Die Versorgungssicherheit, Leben zu retten und zu er- Prozent. Wegen der zunehmenden Überalte- halten sowie die Pflegequalität sind für die Politik Fremdwörter. Seit dem Jahr 2000 sind vom Bundesrat rung der Bevölkerung werden bis 2030 zusätz- sowie National- und Ständerat rund 30 parlamentari- lich 65 000 Pflegende benötigt. sche Vorstösse abgelehnt worden, die den Pflegenot- stand bekämpfen und einer Lösung zuführen wollten. Die Auswirkungen des Pflegenotstandes zeigen sich immer deutlicher. Die Patientensicherheit und die Pfle- Deshalb ist 2017 die eidgenössische Volksinitiative gequalität sind in Gefahr. Die Spitalzentren in den «Für eine starke Pflege» mit grosser Unterstützung der Grenzregionen Basel, Genf und Lugano könnten ohne Bevölkerung lanciert worden. Innert kurzer Zeit konnten ausländische Pflegekräfte nicht betrieben werden. We- 114 000 Unterschriften gesammelt werden. gen dem akuten Mangel an diplomierten Pflegefachper- sonen besteht die grosse Gefahr, dass gesundheitliche Komplikationen und Rehospitalisierungen zum Nachteil Das Volksbegehren will: der Patienten zunehmen. Während der Corona- • den Einstieg und Wiedereinstieg in den Pflegebe- Pandemie sind in den Altersheimen des Kantons Waadt ruf fördern, die Hälfte der Bewohner gestorben, weil sie von Pfle- genden mit ungenügender Ausbildung betreut worden • den Status der Pflege als blossen Hilfsberuf ab- sind. schaffen, • die eigenständige Pflege ohne ärztliche Anord- nung erweitern, damit Kosten gespart und der administrative Aufwand reduziert werden können, • die Stellenschlüssel anpassen, um zu verhindern, dass eine diplomierte Pflegefachperson für mehr als 30 Patienten allein verantwortlich ist, • die Gesundheit des Pflegepersonals schützen, • mehr Erholungszeit sowie bessere Schichtsyste- me und Dienstpläne für das Pflegepersonal, • Löhne einführen, die den hohen Anforderungen im Pflegeberuf gerecht werden, • einen besseren Schutz für die Pensionskassenan- sprüche der Pflegenden, • generell die Attraktivität der Pflegeberufe stärken. Weil der vom Parlament ausgearbeitete sogenannte indi- rekte Gegenvorschlag völlig ungenügend ist, wird die Pflegeinitiative demnächst Volk und Ständen zum Ent- scheid vorgelegt. Wer als Patient, Krankenkassenprämienzahler, Steuer- zahler und Staatsbürger für sich, seine Familie, seine Angehörigen, Freunde und Bekannte in Zukunft in unse- rem Land eine gute Pflege will, unterstützt die Pflegeiniti- ative und stimmt JA! 9
Hohe Todesfallrate wegen Covid-19 bei Seniorinnen und Senioren Lukas Bäumle, Vorstandsmitglied SVS und SSR-Delegierter In der Schweiz ist die Todesfallrate bei Seniorin- nen und Senioren in Alters- und Pflegeheimen wegen Covid-19 im Vergleich zu andern Ländern sehr hoch. Deshalb fordern über 100 Medizin- ethikerinnen und -ethiker eine wissenschaftliche Untersuchung dieser hohen Sterblichkeitsrate in den Langzeitinstitutionen. Die Corona-Pandemie hat die hohe Verletzlichkeit von Menschen in Pflegeeinrichtungen gezeigt. Die einschnei- denden Einschränkungen hätten für viele Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen, von Hei- men für psychisch Erkrankte oder Behinderte und von Alterssiedlungen zu grossen Einbussen an Lebensqualität und gesundheitlichen Verschlechterungen geführt. Demenzkranke besonders von Corona-Krise betroffen Vor allem für Demenzbetroffene hat die räumliche und soziale Isolation von der Familie und wichtigen Bezugs- personen zu einem raschen kognitiven Abbau und kör- Ziele der Covid-19-Impfung: Schwere perlichem Zerfall geführt – nicht selten mit Folgeerkran- Krankheitsverläufe und Todesfälle reduzieren kungen, die tödlich endeten. Die Abschottung hat aber nicht verhindern können, dass sich über die Hälfte der Mehr als die Hälfte der Menschen, die bisher an Covid- Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 in Alters- und 19 gestorben sind, lebte in Alters- und Pflegeheimen. Pflegeheimen ereigneten. Die Gründe dafür sind nur zum Sie litten stark unter der Pandemie, waren sozial isoliert Teil bekannt: etwa die erhöhte Infektionsgefahr für Men- und das Pflege- und Betreuungspersonal arbeitete am schen in grossen Haushalten und zum Teil fehlende oder Limit. zu spät bereit gestellte Schutzausrüstung für das Pflege- personal. Laut Umfragen wollen sich jedoch nur rund 40 Prozent des Pflege- und Betreuungspersonals in Alters- und Deshalb müssten Mittel für eine unabhängige, wissen- Pflegeheimen gegen Covid-19 impfen. Bei den Bewoh- schaftliche Untersuchung gesprochen werde, damit die nerinnen und Bewohnern sind es rund 60 Prozent. Dies Zusammenhänge der hohen Sterblichkeit in Alters- und ist äusserst erschreckend. Das Pflege- und Betreuungs- Pflegeheimen erklärt werden könnten. Auch die Auswir- personal, das im direkten Kontakt zu den Bewohnerin- kungen der Pandemie auf Heimbewohner, ihre Angehöri- nen und Bewohnern steht, braucht zum Selbst- und gen und die Fachpersonen müssten erforscht werden. Fremdschutz unbedingt diese Impfung. Aber auch Se- Weiter fordern die Medizinethikerinnen und –ethiker, dass niorinnen und Senioren müssen sich zu ihrem Schutz die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte von Menschen in impfen. Nur so kann die Pandemie besiegt werden, da- Langzeitpflege auch während einer Pandemie gewähr- mit in den Alters- und Pflegeheimen für das Personal leistet sein müssten und die Kriterien für eine Hospitali- wie für die Bewohnerinnen und Bewohner wieder ein sierung für Heimbewohner den gleichen Kriterien folgten normales Leben einkehrt. wie für den Rest der Bevölkerung. 50 Jahre Schweizerischer Seniorenverband SVS Sie sind herzlich eingeladen, mit uns am SVS Kongress vom 6. Mai 2022 in Bern unser 50-Jahr-Jubiläum zu feiern. Mit Persönlichkeiten aus Politik und Organisationen werden wir ab 10 Uhr im Hotel Bellevue unseren Kongress und die Jubiläumsfeier durchführen. Nach einem Referat über die langfristige Sicherung der Renten und über die ethischen Pfeiler des Älterwerdens werden wir die Thematik mit zwei Parlamentarier- Generationen in einer Podiumsdiskussion vertiefen. Das detaillierte Programm und das Anmeldeformular wird auf unserer Homepage www.seniorenfragen.ch in Kürze aufgeschaltet. Wir freuen uns auf Sie! Fabienne Bachmann, Vizepräsidentin SVS 10
Nach der Tat hält der Schweizer Rat Karl Vögeli, SVS Präsident Sie erinnern sich: Im letzten Herbst beschloss Deshalb haben die beiden Organisationen Pro Velo der Bundesrat aus heiterem Himmel, dass die Schweiz und Fussverkehr Schweiz eine gemeinsame Trottoirs – das ist ein französisches Wort für Informationskampagne gestartet im Auftrag des Fonds für Gehweg – ab Neujahr auch für Velofahrer bis 12 Verkehrssicherheit. Die Kampagne ist primär an die Schülerinnen und Schüler gerichtet und fordert sie zur Jahre offen sind. Rücksichtnahme auf die Fussgänger auf, welche in jedem Eigentlich eine nachträgliche Anerkennung des Istzustan- Fall Vortritt haben (www.walknrollforkids.ch). Präsentiert des! Allerdings haben sich viele erwachsene Velofahrer wird auch ein Flyer mit den Trottoir-Regeln. Auf eine ans Trottoir so sehr gewöhnt, dass sie es ebenfalls regel- Auswertung allerdings wird verzichtet. Und die Ge- mässig nutzen. Der SVS hatte protestiert gegen die er- schäftsleiterin von Fussverkehr Schweiz, Monika Litscher, neute Einschränkung der Fussgänger – vergeblich. Denn fühlt sich nicht richtig wohl dabei. Im Gespräch fallen viele Fussgänger können nicht schnell ausweichen: wer Worte wie «schwierige Lage» oder «die Suppe auslöf- mit Kinderwagen oder Rollator unterwegs ist, kann oft feln». nicht schnell genug reagieren. Die Behörde, die die neue Wahrscheinlich wird man als Fussgänger bald einmal Regelung «erfunden» hat, scheint immerhin nachträglich einen Rückspiegel brauchen, denn Velos müssen ja keine darüber nachzudenken. Warnglocke mehr haben. IN MEMORIAM Kaspar Zimmermann zum Gedenken (1932–2021) Ulrich Brügger, SVS-Geschäftsführer Völlig unerwartet erreichte uns anfangs Januar die Nachricht vom plötzlichen Tod des langjährigen Präsidenten des Vereins der Glarner Senioren. Kaspar Zimmermann, der ehemalige Glarner Landammann, hat nicht nur den Glarner Kantonalverband erfolgreich aufgebaut, sondern sich mit der Neuausrichtung des Schweizerischen Verbandes für Seniorenfragen wertvolle Verdienste erworben. Er war es, der das Verbandsschiff ab 2006 wieder in ruhigere Gewässer führte. Die Delegiertenversammlung des SVS vom 25. März 2010 verlieh Kaspar Zimmermann die Ehrenmitgliedschaft. Als Präsident war er an der Arbeit in den Kantonalverbänden interessiert und nahm nach Möglichkeit an deren Hauptversammlung teil. Er war auch regelmässiger und gern gesehener Gast an der DV des Verbands für Seniorenfragen. Kaspar Zimmermann lebt weiter in unseren Erinnerungen. Den Angehörigen sprechen wir unser Mitgefühl aus. 11
Demagogie mit der Demografie Marco Medici, SSR Delegierter der VASOS In den letzten Jahren ist immer und immer wie- der ein Argument wiederholt worden, das auf den ersten Blick hieb- und stichfest erscheint. Es lautet: Die Altersvorsorge sei gefährdet, weil das Verhältnis der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung zur Zahl der Altersrentner*innen (Altersquotient) sich immer mehr zu Lasten der Erwerbstätigen verschiebe. Während heu- te auf einen Rentner/eine Rentnerin 3.45 Per- sonen im Erwerbsalter kommen, sollen es in 27 Jahren nur noch 2,2 Erwerbspersonen sein. Die ›Last‹ einer Pension, die sich heute auf die Schul- tern von vier Erwerbspersonen verteilt, müsste dem- nach in drei Jahrzehnten von gut zwei Erwerbstätigen getragen werden. Diese Angaben stammen aus einem Bericht des Bundesamtes für Statistik (BfS) aus dem Jahr 2006. In diesem Bericht werden Szenarien für die Bevölkerungsentwicklung der Schweiz bis ins Jahr 2050 entwickelt. Die genannten Zahlen stammen aus dem mittleren – und vom BfS als wahrscheinlich be- zeichneten – Szenario. Jugend- wie Altersquotient werden in dieser Grafik des Das tönt dramatisch. Das Argument ist jedoch grundle- Bundesamtes für Statistik über längere Zeiträume dar- gend falsch. Massgebend für die Tragfähigkeit der so- gestellt. zialen Sicherungssysteme ist nämlich nicht der Alters- Um einen Eindruck des Verlaufs des Gesamtlastquotien- quotient, sondern der so genannte Gesamtlastquotient. ten zu erhalten, müssen die beiden Kurven zusammen- Dieser Quotient drückt das Verhältnis der Summe aller gezählt werden. Die Summe von Alters- und Jugendquo- Nichterwerbstätigen gegenüber den Erwerbstätigen tient lag zu Beginn des letzten Jahrhunderts bei rund 85 aus, unter Einbezug von Kindern, RentnerInnen und Prozent, betrug 1970 75 Prozent und sank dann kontinu- Erwerbslosen. Die Erwerbstätigen müssen ja nicht nur ierlich auf heute 60 Prozent ab. In dieser Darstellung feh- die BezügerInnen von Altersrenten ›schultern‹, son- len die Personen im Erwerbsalter, die kein Einkommen dern auch alle anderen Personen, die kein eigenes erzielen können (Behinderte und Arbeitslose); diese Erwerbseinkommen erzielen. In einer stagnierenden Gruppe macht in der Schweiz gegenwärtig rund acht Bevölkerung kann zum Beispiel eine abnehmende Kin- Prozent der Bevölkerung aus. Der Gesamtlastquotient derzahl den steigenden Anteil von Rentnerinnen und liegt gegenwärtig also bei 68 Prozent. Das ist im histori- Rentnern ausgleichen, was die Belastung der erwebs- schen Vergleich ein ausserordentlich tiefer Wert. Mit der tätigen Bevölkerung betrifft. Demografie-Keule bei der AHV Abbauschritte zu recht- fertigen, ist schlicht und einfach falsch und demagogisch! 12
queerAltern: Stolz auf seine Wirkung Barbara Bosshard, Präsidentin queerAltern Dem Vorstand ist es wichtig, dass unsere Le- Auf dem freien Markt erhielten wir nur Absagen u.a. ser und Leserinnen Mitgliederorganisationen auch mit dem Argument, dass solch eine Gruppe den der VASOS kennen lernen. Nachfolgend stellt Mitbewohnenden nicht zugemutet werden kann sich «queerAltern» vor. (Originalton!). Viel Spass bei der Lektüre. Eine eigene Überbauung ist im Entstehen Aus diesem Grund ging unser Verein vor zwei Jahren auf die Stadt Zürich zu. Erstmals wurde unserem Anlie- gen ernsthaft zugehört. Das Umwelt- und Gesundheits- departement bot Hand zu mehr Diversität, die als Le- bensqualität neu auch im Bericht «Altersstrategie 2035» verankert ist. Übrigens hat sich unser Verein bei der Ausarbeitung in mehreren Workshops erfolgreich einge- bracht. Und für die Umsetzung wurde queerAltern wie- derum angefragt, unsere Stimme einzubringen. 2025 setzt die Stadt in Zusammenarbeit mit unserem Verein unser Konzept für einen queeren Lebensort für alte queere Menschen um. Im Ensemble einer Überbau- ung der Stiftung Alterswohnungen «Espenhof – wir le- ben Vielfalt!» entstehen 26 queere, altersgerechten Wohnungen, ein Gemeinschaftsraum und drei Pflege- Dieses Bild ist von der «Zurich Pride» – ich (rechts), die wohngruppen für insgesamt 23 Menschen. Präsidentin von queerAltern, mit meiner Partnerin. Für queere Menschen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Lebendiger Verein Intersexuelle) ist dies der wohl wichtigste Tag im Jahr. queerAltern ist ein lebendiger Verein, sowohl nach innen Mitte Juni erinnern sich queere Menschen an 1969, als wie nach aussen. Wir organisieren auch öffentliche Ver- sich erstmals in New York trans- und homosexuelle anstaltungen, die die queere Thematik sichtbar macht – Menschen sichtbar machten und sich öffentlich gegen unlängst zum Beispiel ein Podium zu «Ehe für alle – Tau- Ausgrenzung, Willkür und Übergriffe wehrten. wetter in Politik und Religion». Auch öffentliche Konzerte mit queeren Kunstschaffenden sowie Wortmeldungen zu Solche Ereignisse prägen die Biografien von uns quee- politischen Themen, die uns betreffen, gehören zu unse- ren Menschen. Erst recht die ältere Generation, die auch rem Wirken. in unserer Demokratie ihr eigentliches Leben über Jahr- zehnte versteckt lebten, weil sie als Homosexuelle Woh- Durch unser Engagement, das sowohl nach innen wie nungen oder Arbeitsstellen verloren. Queere Organisati- nach aussen wirkt, leisten wir unseren Beitrag für eine onen wie queerAltern sind genau aus diesem Grund ent- tolerante, offene und vielfältige Gesellschaft, so dass wir standen. Uns gibt es seit 2014. Wir sind ein Züricher an unserem wichtigsten Tag im Jahr, der Pride, auch als Verein mit über 350 Mitgliedern. Alte sichtbar stolz und unseren Vorfahr*innen gegen- über dankbar durch Zürichs Strassen gehen. Gegen Diskriminierung queerAltern wurde ursprünglich mit dem Anliegen ge- gründet, einen Lebensort für queere Menschen im noch vulnerableren, letzten Lebensabschnitt zu schaffen. Ei- nen Ort, an dem alte Menschen ihre sexuelle Orientie- rung und ihre Biografien nicht noch einmal verstecken müssen, sondern offen, vorurteilslos und ohne psychisch verletzt zu werden, leben können. Wo eine lesbische Frau ein Bild von sich und ihrer verstorbenen Lebens- partnerin aufstellen kann, ohne gefragt zu werden, «ist dies deine Schwester». Wo ein schwuler Mann als Transvestit in Stöckelschuhen durch die Gänge wandert, ohne schief angeschaut zu werden. Für solch einen vor- urteilslosen Ort setzt sich queerAltern seit seiner Grün- dung ein. 13
Plädoyer für eine lebendige Demokratie Bea Heim, Präsidentin VASOS Was bedeutet die steigende Zahl von Älteren Die Botschaft ist klar: Weg mit den Grufties, erwünscht für die Demokratie? Medien schreiben von ei- sind sie bestenfalls noch als Konsumenten, Bankkun- ner drohenden „Herrschaft der Alten über die den und Steuerzahlende. Welche „schöne“ Zukunft für Jungen“, von Stillstand und Gerontokratie das Alter der heute Jüngeren! oder gar vom „Krieg der Generationen“. Das florierende Altersbashing ist in seiner Wirkung Erwünscht sind sie als nicht zu unterschätzen. Selbst Vorschläge für Konsumenten, Bankkunden die politische Entmündigung des Alters sind und Steuerzahlende mittlerweile „salonfähig“. So propagiert der Glücksforscher Professor Bruno S. Dabei haben gerade die Erfahrungen der Pandemie Frey in der NZZ diesen März die Beschneidung der gezeigt, wie wichtig es ist, dass ältere Menschen ge- Stimmkraft der Alten. Im Gegenzug sollen dafür die hört werden und mitreden. Die Glaubwürdigkeit der Jungen ab 16 Jahren ein halbes Stimmrecht erhalten. Demokratie lebt davon, dass möglichst viele und dass Schon 2016 lancierte eine prominente Politikerin die alle Generationen sich einbringen. Das starke Engage- Idee, das Stimmrecht nach Alter zu gewichten. Als akti- ment der Jungen, der Frauenbewegung und der akti- ve Bürgerin, der bis 1971 die politische Mitbestimmung ven Seniorenorganisationen hat sie vielfältiger, lebendi- versagt war, empfinde ich dies doppelt diskriminierend. ger gemacht und die Gemeinsamkeiten der Generatio- Wer dem Alter die demokratischen Rechte schmälert, nen sichtbarer. Uns verbindet die Vision, uns für eine verwehrt ihm den Respekt als vollwertiges Mitglied der sozial sichere Zukunft und eine gesunde Umwelt einzu- Gesellschaft. setzen. Der SSR macht sich, gemeinsam mit seinen Grün- dungsverbänden VASOS und SVS, dafür stark. 14
Das Leben der Anderen mit Covid-19 Elisabeth Leo-Dupont, SSR Delegierte Unabhängig von der Generation muss jeder mit und Ausrüstung konfrontiert, so haben die widersprüch- seinen eigenen Ressourcen, Erfahrungen und lichen Informationen über das Virus, die ständige Gefahr seiner Lebensgeschichte mit der Coronapande- der persönlichen Ansteckung und der Übertragung in mie leben. Psychische und soziale Schwierig- die Familie, der tägliche Arbeitsstress und vor allem die ungewöhnliche Zahl von Todesfällen, begleitet von wie- keiten betreffen uns alle in unterschiedlichem derholten Anfragen von Angehörigen, ihren Vater oder Maße, egal ob wir jung, in der Lebensmitte oder ihre Mutter zum letzten Mal zu sehen, sie nicht losgelas- im Ruhestand sind. Die Widerstandsfähigkeit ist sen. in Zeiten der Angst jedoch nicht gleich entwi- Regelmäßig, je nach Anzahl der stationären Fälle und der ckelt. Personalknappheit, muss sie ihre Arbeit umorganisieren oder in einer anderen Abteilung aushelfen. Es gibt psychosoziale Faktoren wie Emotionen, Optimis- Flexibilität, neue Kollegen, andere Arbeitsgewohnheiten, mus, zwischenmenschliche Fähigkeiten oder Unterstüt- all diese Anforderungen kommen zu den täglichen Aufga- zung durch das Umfeld, die eine wichtige Rolle spielen. ben hinzu. Wie überwindet man die Müdigkeit und küm- Außerdem ändert die Tatsache, ob man im Berufsleben mert sich trotzdem um einen Haushalt mit zwei Teena- steht oder nicht, die Perspektive. gern, die unter der sozialen Distanz zu Gleichaltrigen und Unser Seniorenstatus hat uns im Gegensatz zu den Jün- zu den Großeltern leiden, ganz zu schweigen von der geren von beruflichen Sorgen ferngehalten. Wir haben schwindenden Motivation, zur Schule zu gehen? einen Schritt zurück gemacht und unsere Freiheit von gestern genutzt, die es uns oft erlaubt hat, unseren Hori- Alberto, 36 Jahre alt zont zu öffnen, indem wir uns für unsere Enkelkinder, für Als Koch mit einer C-Bewilligung muss er seine Arbeit in ehrenamtliche Arbeiten oder sogar für Reisen engagiert einem großen Restaurant aufgrund der Entscheidung des haben. Wir tragen diese reiche Erfahrung in uns, die uns Bundesrates aussetzen. Alle möglichen Fragen quälen erlaubt, die Dinge zu relativieren und Geduld zu zeigen, ihn: Wird er weiterhin dort arbeiten können? Wird er wei- aber auch aufmerksam zu bleiben für die komplizierte ter bezahlt werden? Wird er die Mittel haben, um seinen berufliche Realität, die andere erleben. vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen? Wird er in der Lage sein, seiner Familie in Portugal Geld zu überwei- sen? Was wird er mit seinen arbeitsfreien Ta- „Flexibilität, neue Kollegen, gen anfangen, er, der immer arbeitete? Wie soll er leben, allein, in einer kleinen Dachkam- andere Arbeitsgewohnheiten, mer, ohne Küche und ohne Komfort? Diese wenigen Lebenssituationen sind Beispie- all diese Anforderungen kommen le für psychisches Leiden. Manche sind einsam oder untätig, andere sind überlastet, mit unter- zu den täglichen Aufgaben hinzu“ schiedlichen Risiken. Die Einen sind depressiv, verbringen ihre Zeit mit Online-Spielen (mit möglicher Sucht) oder in sozialen Netzwerken Ich nenne einige Beispiele, die mir aufgefallen sind: mit ihrem Stapel an Fake-News. Die Anderen sind dem Monique, 75 Jahre alt Burnout nahe, weil sie sich nicht trauen, sich zu äussern, Sie begleitete ihren Mann während seiner langen Krank- aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Sie alle heit, die durch das Coronavirus zum Tod führte. Allein werden mit dem Unerwarteten und den Veränderungen in einem Bergdorf, konfrontiert mit ihrer Trauer und all konfrontiert und haben Schwierigkeiten, sich eine positive den administrativen Abläufen bei einem Todesfall, muss- Zukunft vorzustellen. te sie darum kämpfen, nicht aufzugeben und ihrer Exis- tenz wieder einen Sinn zu geben. Sie akzeptierte die Es stellen sich Fragen zum Zeitbegriff und zum Tages- Bitte ihres einzigen Sohnes, Vater von drei kleinen Kin- rhythmus. Das führt zu Unsicherheit und Angst. Das Klima dern, zu ihm zu kommen, weil die Kinderkrippe ge- ist schwer, jeder ist mit seinen eigenen Emotionen kon- schlossen wurde. Also fährt die engagierte Siebzigjähri- frontiert (Wut, Angst, Traurigkeit, Resignation). Es gibt nur ge 150 Kilometer weit, um die anstrengende und for- wenige Auswege, denn die Zwänge sind allgegenwärtig. dern de Kinderhütenaufgabe an vier Tagen in der Wo- che zu übernehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass Wie können wir unter diesen Umständen ein Gleichge- Ruhe erforderlich ist, weil das Ehepaar von zu Hause wicht in unserem Leben finden? Abstand nehmen, sich aus arbeitet und oft Videokonferenzen hat. Zwänge für an kleinen Dingen freuen, einen neuen Weg einschlagen, alle... Monique ist komplett erschöpft, so stark ist ihr sich mit der Natur und ihren Werten verbinden, sich auf Pflicht- und Verantwortungsgefühl. seine Erfolge oder auf Momente der Selbstverwirklichung Wo sind die Grenzen der intergenerationellen Solidari- verlassen, um wieder Vertrauen zum eigenen Leben zu tät? Auf wen soll sie hören... Ihr Gewissen? Ihre Ge- gewinnen und vor allem Kraft zeigen, das zu ertragen, sundheit? Ihren geliebten Sohn oder auf die Forderun- was man nicht ändern kann und Mut zur Veränderung, gen ihrer Schwiegertochter? was man ändern kann, wobei man die Weisheit hat, das eine vom anderen zu unterscheiden. Sophie, 48 Jahre alt Als Krankenschwester in einem Kantonsspital muss sie Das lehrte uns der stoische Philosoph Marc Aurelius 150 seit Monaten hart arbeiten. War sie bei den ersten bei- Jahre nach Christus. den Wellen noch mit einem Mangel an Wissen, Personal 15
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