Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege

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Bayerisches Staatsministerium für
                                                Gesundheit und Pflege
Task-Force Arzneimittelversorgung
Gemeinsame Erklärung

Task-Force Arzneimittelversorgung:
Arzneimittelstandort Deutschland stärken, Versorgung sichern

Vor dem Hintergrund aktuell zunehmender Liefer- und Versorgungsengpässe und einer dar-
aus resultierenden angespannten Situation in der Arzneimittelversorgung hat das Staats­
ministerium für Gesundheit und Pflege die Task-Force Arzneimittelversorgung ins Leben ge-
rufen. Ziele der Task-Force sind, Handlungsfelder und mögliche Maßnahmen zu identifizieren,
mit denen kurz- bzw. mittelfristig Liefer- und Versorgungsengpässen entgegengewirkt und
der Arzneimittelstandort Deutschland gestärkt werden kann. Dazu haben sich die Mitglieder
der Task-Force Arzneimittelversorgung mit Ausnahme der an den Beratungen beteiligten ge-
setzlichen Krankenkassen auf nachfolgende Punkte als Gemeinsame Erklärung der Task-Force
Arzneimittelversorgung geeinigt. Die Vertreterinnen und Vertreter der gesetzlichen Kranken-
kassen haben mitgeteilt, sich an einer Gemeinsamen Erklärung nicht beteiligen zu wollen,
vielmehr ihre Vorstellungen und Anliegen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln
und zu Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpass­
bekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz – ALBVVG) einbringen zu wollen. Die
diese Erklärung tragenden Mitglieder bedauern die Haltung der gesetzlichen Krankenkassen,
sich nicht einbringen zu wollen, und fordern diese auf, die in der Gemeinsamen Erklärung
enthaltenen Positionen aufzugreifen und auch auf Bundesebene einzubringen.

Die Task-Force Arzneimittelversorgung schlägt (mit Ausnahme der gesetzlichen Kranken­
kassen) zu den folgenden vier Punkten Maßnahmen vor und fordert den Bund und die EU
zur raschen Umsetzung auf:
1. Rahmenbedingungen für Arzneimittelversorgung verbessern
2. Versorgung durch Vorhaltemaßnahmen für wichtige Arzneimittel sichern
3. Liefer- und Versorgungsengpässe durch Transparenz und wirksame Frühwarnsysteme
  frühzeitig erkennen
4. Bei Liefer- und Versorgungsengpässen pragmatische Verfahren ermöglichen

Die diese Erklärung tragenden Mitglieder der Task-Force Arzneimittelversorgung anerkennen,
dass der Bund mit dem o. g. Entwurf eines ALBVVG die Problematik der Liefer- und Versor-
gungsengpässe erkannt hat und für mehr Versorgungssicherheit sorgen will. Soweit die da-
mit vorgesehenen Regelungen mit Forderungen dieser Erklärung übereinstimmen, halten sie
eine zeitnahe und unbürokratische Umsetzung für erforderlich. Zudem fordern sie den Bund
auf, weitergehende Maßnahmen und Überlegungen aus dieser Erklärung aufzugreifen und
ebenfalls, möglichst in o. g. Entwurf eines ALBVVG, umzusetzen.

Daneben ist es notwendig, den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland wieder
zu stärken und die Rahmenbedingungen insbesondere auch für die klinische Forschung zu
verbessern. Weitergehende Vorschläge hierzu werden aktuell im Rahmen des Bayerischen
Pharmagipfels erarbeitet.
Unabhängig davon zeigen die aktuellen Liefer- und           Ausgangslage
Versorgungsengpässe die Notwendigkeit eines
strukturierten Dialogs der Beteiligten auf Bundes-          •   Angesichts der aktuellen Liefer- und Versorgungs-
ebene, um sowohl die aktuellen Fragen der Arznei-               engpässe (z. B. Tamoxifen, Kinder-Fiebersäfte,
mittelversorgung, als auch die langfristige Sicherung           ­Antibiotika) muss die Versorgung mit Arzneimit-
und den Ausbau des Arzneimittelstandorts Deutsch-               teln in Deutschland spürbar gestärkt werden. Die
land gemeinsam zu erörtern. Ziel muss es sein, mit              derzeitige Situation ist auch ein Ergebnis der Pro-
diesem Dialog die Arzneimittelforschung, -entwick-              duktions- und Marktentwicklung in Deutschland,
lung und -produktion für Deutschland zukunftsfähig              Europa und weltweit.
zu machen und Strategien zur Sicherung der Arznei-          •   Es gibt verschiedene Ursachen für Lieferengpäs-
mittelversorgung zu entwickeln.                                 se. Dazu gehören:
                                                                •   Ein in weiten Teilen niedriges Preisniveau bzw.
Die Task-Force Arzneimittelversorgung fordert daher                 niedrige Erstattungspreise im deutschen
den Bund auf, den ressortübergreifenden Pharma­                     Markt,
dialog der Bundesregierung mit den relevanten Ak-               •   Konzentrationsprozesse bei Wirkstoffen und
teuren, z. B. mit pharmazeutischen Unternehmen,                     Materialien auf wenige Betriebe im asiatischen
gesetzlichen Krankenversicherungen, Apotheken                       Raum,
und vollversorgendem pharmazeutischem Großhan-                  •   Verlagerung der Produktion in Länder mit
del unter Beteiligung von Forschung und Wissen-                     günstigeren Rahmenbedingungen für eine
schaft und der Länder wieder aufzunehmen.                           Arzneimittelherstellung, z. B. bei den Lohnkos-
                                                                    ten,
Die Gemeinsame Erklärung der Task-Force Arznei­                 •   stark gestiegene Kosten für Produktion (u. a.
mittelversorgung tragen:                                            Energiekosten) und Logistik von Arzneimitteln,
– Bayerischer Apothekerverband e.V. (BAV)                       •   kostendämpfende Maßnahmen im Gesund-
– Bayerischer Hausärzteverband e.V. (BHAEV)                         heitswesen, wie z. B. Rabattverträge und Fest-
– Bayerische Krankenhausgesellschaft e.V. (BKG)                     beträge,
– Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK)                       •   pandemie-adaptierte Produktionsanpassungen
– Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.                    für Arzneimittel zur Behandlung insbesondere
   (BVKJ)                                                           saisonal auftretender Infektionserkrankungen
– Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V.                    und weltweit erhöhte Nachfrage aufgrund ei-
   (BAH)                                                            nes stark erhöhten Auftretens von Atemwegs­
– Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie                      erkrankungen (gerade bei Kindern), COVID-19-
   e.V. (BPI) – Landesverband Bayern                                Pandemie (derzeit in China) sowie die positive
– Bundesverband des pharmazeutischen Groß­                          Entwicklung, dass weltweit mehr Menschen
   handels e.V. (PHAGRO)                                            Zugang zu Arzneimitteln erhalten,
– Bundesverband Deutscher Krankenhausapothe-                    •   Produktionsausfälle und Unterbrechung der
   ker e.V. (ADKA)                                                  Lieferketten oder Marktrücknahmen aus ande-
– Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB)                         ren Gründen, z. B. der Ukraine-Krieg, Havarie
– Pro Generika e.V.                                                 im Suezkanal,
– Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.               •   administrative Verfahren, welche Produkt­
   (vfa)                                                            anpassungen bzw. im Zusammenhang mit Än-
                                                                    derungen in der Packungsbeilage/bei der
                                                                    Kennzeichnung oder bei einem notwendigen
                                                                    Austausch von Hilfsstoffen bzw. Packmateriali-
                                                                    en erheblich erschweren oder unmöglich ma-
                                                                    chen.

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•   Die Ursachen für die Liefer- und Versorgungseng-            sierung auf den Preis und damit zu einer
    pässe werden sich nicht kurzfristig beseitigen las-         Verdrängung insbesondere europäischer Anbieter
    sen. Notwendig sind aber jetzt Weichenstellun-              und Wirkstoffhersteller geführt. Gefordert wird
    gen, mit denen mittel- bis langfristig die                  daher eine Überprüfung und wirkungseffiziente
    erforderlichen Rahmenbedingungen für eine                   Reform des Preisregulierungssystems mit folgen-
    nachhaltig gesicherte Versorgung mit Arzneimit-             den Eckpunkten:
    teln gesetzt werden. Insbesondere ist eine Redu-            → Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen
    zierung der Abhängigkeiten von Drittstaaten bei                zu bestimmten Ausschreibungsmodellen im
    der Arzneimittel- bzw. Wirkstoffherstellung und                SGB V,
    eine Stärkung der vorhandenen pharmazeuti-                  → Dabei: Verbindliche Berücksichtigung von Sozi-
    schen Produktion notwendig, auch mit wirt-                     al- und Umweltstandards als Zuschlagskriteri-
    schaftspolitischen Maßnahmen.                                  en bei der Vergabe; Implementierung auch auf
                                                                   europäischer Ebene erforderlich,
                                                                → Verbindliche Zuschlagserteilung an mindes-
Vier Handlungsfelder                                               tens drei Anbieter sowie Verbot der Umge-
                                                                   hung durch Preisabstandsregelungen und
Handlungsfeld 1:                                                   äquivalente Konstrukte,
Rahmenbedingungen für Arzneimittelversorgung                    → Festlegung, dass bei Ausschreibung eines
verbessern                                                         ­Rabattvertrags bei der Zuschlagserteilung an
                                                                   einen der Anbieter das Kriterium Umfang der
Ziele sind eine Diversifizierung der Wirkstoff- und                (Wirkstoff-) Produktion in Europa zu berück-
Arzneimittelherstellung sowie Anreize für Hersteller               sichtigen ist,
zu schaffen, wieder mehr versorgungskritische und               → Durchsetzbare Regelungen zur Absicherung
wichtige Arzneimittel zu produzieren, vorzugsweise                 bei Produktionsausfällen, z. B. Absicherungs-
in Europa und Deutschland. Dazu müssen insbeson-                   klauseln mit entsprechendem durchsetzbaren
dere die Rahmenbedingungen für die Herstellung                     finanziellem Ausgleich,
und Lieferung insbesondere generischer Arzneimit-               → Berücksichtigung von kinderspezifischen Dar-
tel verbessert werden. Es ist Aufgabe des Gesetzge-                reichungsformen bei der Festbetragsgruppen-
bers die passenden wirtschaftspolitischen Rahmen-                  bildung.
bedingungen zu schaffen, z. B. durch Subventionen,
Vergütung der Bereitstellung von Produktionskapazi-           2. Überprüfung der Regelungen zum Inflations­
täten oder steuerliche Anreize. Dabei ist darauf zu             ausgleich
achten, es insbesondere auch mittelständischen Un-              Steigende Kosten infolge hoher Inflation können
ternehmen zu ermöglichen, in Europa zu produzie-                aufgrund von Festbeträgen und Rabattverträgen
ren und so den Arzneimittelmarkt zu erweitern.                  nicht zeitnah kompensiert werden. Die aktuellen
                                                                Regelungen im SGB V zur Überprüfung der Fest-
Die Task-Force Arzneimittelversorgung hält dafür fol-           beträge (einmal jährlich oder Anpassung an ver-
gende Maßnahmen und Regelungen für erforderlich:                änderte Marktlage in geeigneten Zeitabständen)
                                                                erscheinen vor dem Hintergrund der aktuellen In-
1. Reform der Preisregulierungsmechanismen                      flation nicht ausreichend. Gefordert wird daher:
    Rabattverträge und Festbeträge sind als Mittel              → Regelung, dass unterjährige Überprüfung
    insbesondere zur Sicherung der Finanzierbarkeit                dann notwendig ist, wenn andernfalls eine
    der Arzneimittelversorgung etabliert. Allerdings               ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche
    hat das Zusammenspiel der verschiedenen Preis-                 und in der Qualität gesicherte Versorgung
    regulierungsinstrumente und der zugrundelie-                   nicht mehr gewährleistet ist (Umsetzung der
    genden rechtlichen Vorgaben auch zu einer Fokus-               Rechtsprechung des BSG);

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→ Mögliches Aufgreifkriterium: Zahl der lieferfä-           → Die Task-Force Arzneimittelversorgung hält es
     higen Anbieter innerhalb einer Festbetrags-                 daher für erforderlich, dass für Arzneimittel,
     gruppe.                                                     die von Liefer- und Versorgungsengpässen be-
  → Prüfung durch GKV-SV.                                        troffen sind, entsprechende Verfahrenserleich-
     alternativer Vorschlag:                                     terungen bis hin zu einem punktuellen Abse-
  → Halbjährliche Überprüfung des Festbetrags/                   hen von Retaxationen vereinbart werden und
     von Rabattverträgen durch den GKV-SV sowie                  fordert den GKV-SV und den DAV auf, den ak-
     Anhebung des Festbetrags bei Überschreiten                  tuellen Rahmenvertrag entsprechend zu prü-
     der aktuellen Preissteigerungen eines festge-               fen und ggfs. zu ändern.
     legten Bezugspunkts (z. B. vorvergangenes
     Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal                Unabhängig davon sieht die Task-Force Arzneimit-
     oder zum Durchschnitt von zwei Vorjahres-                telversorgung aber auch den Bundesgesetzgeber
     quartalen).                                              in der Pflicht, das Thema „Retaxation“ aufzugrei-
                                                              fen und die zugrundeliegende Regelung des
3. Überprüfung der Retaxationsregelungen für von              § 129 Abs. 4 SGB V zu prüfen.
  Liefer- und Versorgungsengpässen betroffene
  ­Arzneimittel                                               Gefordert wird daher:
  Retaxationen stellen per se keine Ursache von               → Prüfung einer Änderung des aktuellen Verbots
  Liefer- und Versorgungsengpässen dar, sie kön-                 der sog. Vollabsetzung im Rahmen von Reta-
  nen aber gerade in diesen Situationen zusätzli-                xationen für Arzneimittel, für die Liefer- und
  chen Aufwand für die Apotheken verursachen. Zu                 Versorgungsengpässe bestehen, um damit
  beachten ist, dass in der GKV Leistungserbringer               einhergehende Belastungen von Apotheken zu
  nur dann einen Vergütungsanspruch haben, wenn                  verhindern,
  alle Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. So-             → Prüfung der Vorgaben zum Retaxationsverbot
  fern dies nicht der Fall ist, verlangt auch der                bei Formfehlern bei von Liefer- und Versor-
  Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit               gungsengpässen betroffenen Arzneimittel­
  eine Rückforderung der in diesem Fall erlangten                verordnungen,
  Leistungen. So hat sich gezeigt, dass die Gefahr            → Prüfung möglicher Verfahrenserleichterungen
  von Retaxationen die Bewältigung von Liefer- und               für Ärzte und Apotheken.
  Versorgungsengpässen in der täglichen Praxis er-
  schwert.                                                 Handlungsfeld 2:
                                                           Versorgung durch Vorhaltemaßnahmen für
  Gemäß § 129 Abs. 4 S. 2 SGB V ist im Rahmen-             wichtige Arzneimittel sichern
  vertrag über die Arzneimittelversorgung nach
  § 129 Abs. 2 SGB V zu regeln, in welchen Fällen          Nach den aktuellen Vorgaben des Arzneimittelrechts
  einer Beanstandung der Abrechnung durch Kran-            (§ 52b Abs. 1, 2 und 3 AMG) sind pharmazeutische
  kenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine            Unternehmen und der pharmazeutische Großhandel
  Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt.       verpflichtet, eine angemessene und kontinuierliche
  D. h. die Frage, in welchem Umfang und für wel-          Bereitstellung und Belieferung sicherzustellen, der
  che Fallgestaltungen eine Retaxation unterbleibt,        vollversorgende pharmazeutische Großhandel muss
  können die Vertragspartner auf Bundesebene, der          einen Bedarf für zwei Wochen vorhalten. Angesichts
  GKV-SV und der Deutsche Apothekerverband e.V.            zunehmender Lieferengpässe ist allerdings zu prü-
  (DAV), bzw. die entsprechenden Vertragspartner           fen, ob eine weitergehende, zentrale Bevorratungs-
  auf Landesebene in Bayern in der Ergänzungsver-          strategie sinnvoll, möglich und finanzierbar ist.
  einbarung zum Rahmenvertrag über die Arznei-
  mittelversorgung gemäß § 129 Absatz 5 SGB V              Die Mitglieder der Task-Force Arzneimittelversorgung
  (AV-Bay) grundsätzlich regeln.                           fordern den Bund auf,

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→ den Ausbau und die Stärkung der Lagerhaltungs-              Sie fordern den Bund, aber auch die EU je nach Zu-
   pflichten für versorgungsrelevante Arzneimittel            ständigkeit auf,
   zu prüfen,                                                 → ein Frühwarnsystem zu Lieferengpässen beim
→ die Einrichtung von Arzneimitteldepots mit rotie-              wissenschaftlichen Beirat des BfArM zu installie-
   rendem Verbrauch bzw. ergänzend zentrale Not-                 ren,
   falldepots zu prüfen,                                      → die bisherigen gesetzlichen Regelungen (§ 52 b
→ hierfür sollten jeweils die finanziellen Rahmenbe-             Abs. 3e, 3f AMG) dahingehend zu konkretisieren,
   dingungen geschaffen werden.                                  dass die pharmazeutischen Unternehmen ohne
→ Zudem sollten die Rahmenbedingungen für eine                   Aufforderung durch das BfArM bei drohendem
   flexible Erhöhung von Produktionsmöglichkeiten                oder bestehendem Lieferengpass Daten zu Pro-
   verbessert werden.                                            duktion etc. mitzuteilen haben,
                                                              → zur Aufklärung der Versorgungslage mit versor-
Der Freistaat Bayern wird seinerseits Möglichkeiten              gungsrelevanten Arzneimitteln die bisher bereits
einer Bevorratungsstrategie prüfen.                              vorhandenen Informationen über deren Verfüg-
                                                                 barkeit beim vollversorgenden pharmazeutischen
Handlungsfeld 3:                                                 Großhandel verstärkt proaktiv zu nutzen,
Durch Transparenz und wirksame                                → das beim BfArM bereits bestehende Risikoma-
Frühwarnsysteme Liefer- und                                      nagementsystem (Beirat) in Abhängigkeit von
Versorgungsengpässe frühzeitig erkennen                          den betroffenen Arzneimittelsegmenten (Akutver-
                                                                 sorgung, Arzneimittel ohne Wirkstoffalternativen,
Die Übersicht des Bundesinstituts für Arzneimittel               Arzneimittel zur Behandlung lebensbedrohlicher
und Medizinprodukte (BfArM) zu aktuellen Liefer-                 Erkrankungen) weiter auszubauen,
engpässen für Humanarzneimittel (ohne Impfstoffe)             → Meldungen und Maßnahmen des BfArM zu Arz-
in Deutschland basiert auf der Meldung von Liefer-               neimittellieferengpässen rechtzeitig an die Apo-
engpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel                  thekerverbände (DAV bzw. Landesverbände) zu
und dem Fairen-Kassenwettbewerbs-Gesetz (GKV-                    übermitteln,
FKG), nach dem bekannt gewordene Lieferengpässe               → die europäische Vernetzung bzgl. Informationen
bei Arzneimitteln zur stationären Versorgung umge-               über die aktuelle Liefersituation versorgungsrele-
hend durch pharmazeutische Unternehmen mitge-                    vanter Arzneimittel voranzutreiben,
teilt werden müssen. Zudem übermitteln pharma-                → Infektionszahlen in das Frühwarnsystem einzu-
zeutische Unternehmen gemäß GKV-FKG Daten zu                     betten.
Beständen, Produktion und Absatz für bestimmte
Arzneimittel. Der Beirat im BfArM aktualisiert diese          Handlungsfeld 4:
Liste regelmäßig. Die pharmazeutischen Unterneh-              Pragmatische Verfahren bei Liefer- und
mer sind gebeten, einen vorhersehbaren Liefereng-             Versorgungsengpässen ermöglichen
pass spätestens sechs Monate im Voraus, unvorher-
gesehene Engpässe unverzüglich zu melden.                     Nach Auffassung der Task-Force Arzneimittelversor-
                                                              gung haben die Lieferengpässe gerade vor und über
Wie die Lieferengpässe für Fiebersäfte für Kinder ge-         die Weihnachtsfeiertage 2022 hohen Handlungsbe-
zeigt haben, reicht dies nicht aus. Transparenz auf al-       darf bzgl. aktueller Regelungen im Arzneimittelrecht,
len Handelsstufen über Lagerbestände und Waren-               aber auch im Rahmen des SGB V aufgezeigt. Viele
ströme besteht nicht oder nur unzureichend. Die               der bisherigen Regelungen sind kaum geeignet, die
Mitglieder der Task-Force Arzneimittelversorgung              notwendigen Vorgehensweisen zur – kurzfristigen –
halten ein zuverlässiges Frühwarnsystem mit ausrei-           Bewältigung von Liefer- und Versorgungsengpässen
chender Transparenz für erforderlich.                         zu ermöglichen. Praxisnahe Verfahren müssen er-
                                                              möglicht werden.

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Die Task-Force Arzneimittelversorgung fordert daher:          → Klarstellung, dass bei einem Lieferausfall der
1. Änderungen im Arzneimittelrecht zur bürokratie­               Bezug von entsprechenden Arzneimitteln
  armen und pragmatischen Bewältigung von Lie­                   durch eine öffentliche Apotheke auch aus einer
  ferengpässen                                                   anderen öffentlichen Apotheke oder aus einer
  → Überführung der Austausch- Regelungen der                    Krankenhausapotheke erfolgen kann.
     SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverord-
     nung in das Arzneimittel- und Apothekenrecht           2. Änderungen im SGB V
     für Arzneimittel, soweit und solange sie von             → Angepasste Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der
     versorgungsrelevanten Liefer- bzw. Versor-                  Verordnung von Wirkstoffen, die auf der Liste
     gungsengpässen betroffen sind, mit dem Ziel                 der versorgungskritischen Wirkstoffe gem.
     eines Managements aktueller Liefer- und Ver-                § 52 b Abs. 3c AMG des BfArM stehen sowie
     sorgungsengpässe bzw. um den Apotheken                      für Antibiotika, die von Lieferengpässen be-
     mehr Handlungsspielraum bei der Abgabe von                  droht sind und bei Lieferengpässen von Arz-
     Arzneimitteln auf Rezept zu ermöglichen. Da-                neimitteln für Kinder in akuten gesundheitli-
     bei kann in diesen Fällen und nach festgeleg-               chen Notlagen, z. B. bei massivem Auftreten
     ten Kriterien auf eine Rücksprache mit dem                  von Infektionskrankheiten.
     verordnenden Arzt verzichtet werden. Damit               → Ausschließen der Abrechnungsprüfung, vorbe-
     sollen auch zeitaufwändige und belastende                   haltlich der Prüfung der korrekten Preisbil-
     Kontakte vermieden werden.                                  dung, bei Abgabe der o. g. Arzneimittel und
  → Die konkreten Regelungen und Festlegungen                    Übernahme der Kosten für evtl. Rezepturen
     zum Verfahren sollten im Rahmenvertrag über                 bei besonderen erheblichen Infektionslagen
     die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2                sowie massiven Versorgungs- und Liefereng-
     SGB V sowie ergänzend in jeweiligen Verein-                 pässen.
     barungen auf Landesebene geregelt werden.                → Keine Aufzahlung seitens der Versicherten,
     Es erscheint sinnvoll, im Rahmen der Verhand-               sondern volle Kostenübernahme (außer der
     lungen auf Landesebene bei den die Ärzte-                   gesetzlichen Zuzahlung), wenn ein von Liefer-
     schaft betreffenden Regelungen die Stellung-                bzw. Versorgungsengpässen betroffenes Arz-
     nahme z. B. der KVB einzuholen.                             neimittel, das einer Festbetragsgruppe zuge-
  → Änderung der relevanten Vorschriften des Arz-                ordnet ist, nicht zum Festbetrag verfügbar ist.
     neimittelgesetzes sowie der Apothekenbe-                    Implementierung einer entsprechenden Erset-
     triebsordnung, um die Erstellung von Defektu-               zungsbefugnis der Apotheke zugunsten eines
     ren zu erleichtern. Den Apothekern muss in                  anderen verfügbaren, der Festbetragsgruppe
     Fällen von Liefer- und Versorgungsengpässen                 zugeordneten Arzneimittels.
     pragmatisch ermöglicht werden, ohne Nach-                → Dazu Feststellung des Lieferengpasses durch
     weis einer häufigen Verschreibung Defekturen                den Beirat beim BfArM.
     zu erstellen und mehr als die bisher möglichen           → Bezüglich der Ausnahmen vom SGB V (vgl. § 1
     maximal 100 abgabefertigen Packungen täg-                   SARS-CoV-2-AMVV) bedarf es einer Erset-
     lich im Rahmen des üblichen Apothekenbe-                    zungsbefugnis für die Apotheken, die es er-
     triebs herzustellen. Insbesondere wäre ein risi-            laubt, Defekturarzneimittel anstatt eines ver-
     kobasiertes Aussetzen der ausführlichen                     ordneten, nicht lieferbaren Fertigarzneimittels
     Qualitätsprüfung der Defekturarzneimittel im                abzugeben.
     Fall von Lieferengpässen erforderlich.
  → Änderung der Apothekenbetriebsordnung
     ­(ApBetrO) mit dem Ziel, dass Apotheken bei
     Lieferengpässen das verordnete Arzneimittel
     durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel erset-
     zen können.

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