Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
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Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege Task-Force Arzneimittelversorgung Gemeinsame Erklärung Task-Force Arzneimittelversorgung: Arzneimittelstandort Deutschland stärken, Versorgung sichern Vor dem Hintergrund aktuell zunehmender Liefer- und Versorgungsengpässe und einer dar- aus resultierenden angespannten Situation in der Arzneimittelversorgung hat das Staats ministerium für Gesundheit und Pflege die Task-Force Arzneimittelversorgung ins Leben ge- rufen. Ziele der Task-Force sind, Handlungsfelder und mögliche Maßnahmen zu identifizieren, mit denen kurz- bzw. mittelfristig Liefer- und Versorgungsengpässen entgegengewirkt und der Arzneimittelstandort Deutschland gestärkt werden kann. Dazu haben sich die Mitglieder der Task-Force Arzneimittelversorgung mit Ausnahme der an den Beratungen beteiligten ge- setzlichen Krankenkassen auf nachfolgende Punkte als Gemeinsame Erklärung der Task-Force Arzneimittelversorgung geeinigt. Die Vertreterinnen und Vertreter der gesetzlichen Kranken- kassen haben mitgeteilt, sich an einer Gemeinsamen Erklärung nicht beteiligen zu wollen, vielmehr ihre Vorstellungen und Anliegen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zu Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpass bekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz – ALBVVG) einbringen zu wollen. Die diese Erklärung tragenden Mitglieder bedauern die Haltung der gesetzlichen Krankenkassen, sich nicht einbringen zu wollen, und fordern diese auf, die in der Gemeinsamen Erklärung enthaltenen Positionen aufzugreifen und auch auf Bundesebene einzubringen. Die Task-Force Arzneimittelversorgung schlägt (mit Ausnahme der gesetzlichen Kranken kassen) zu den folgenden vier Punkten Maßnahmen vor und fordert den Bund und die EU zur raschen Umsetzung auf: 1. Rahmenbedingungen für Arzneimittelversorgung verbessern 2. Versorgung durch Vorhaltemaßnahmen für wichtige Arzneimittel sichern 3. Liefer- und Versorgungsengpässe durch Transparenz und wirksame Frühwarnsysteme frühzeitig erkennen 4. Bei Liefer- und Versorgungsengpässen pragmatische Verfahren ermöglichen Die diese Erklärung tragenden Mitglieder der Task-Force Arzneimittelversorgung anerkennen, dass der Bund mit dem o. g. Entwurf eines ALBVVG die Problematik der Liefer- und Versor- gungsengpässe erkannt hat und für mehr Versorgungssicherheit sorgen will. Soweit die da- mit vorgesehenen Regelungen mit Forderungen dieser Erklärung übereinstimmen, halten sie eine zeitnahe und unbürokratische Umsetzung für erforderlich. Zudem fordern sie den Bund auf, weitergehende Maßnahmen und Überlegungen aus dieser Erklärung aufzugreifen und ebenfalls, möglichst in o. g. Entwurf eines ALBVVG, umzusetzen. Daneben ist es notwendig, den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland wieder zu stärken und die Rahmenbedingungen insbesondere auch für die klinische Forschung zu verbessern. Weitergehende Vorschläge hierzu werden aktuell im Rahmen des Bayerischen Pharmagipfels erarbeitet.
Unabhängig davon zeigen die aktuellen Liefer- und Ausgangslage Versorgungsengpässe die Notwendigkeit eines strukturierten Dialogs der Beteiligten auf Bundes- • Angesichts der aktuellen Liefer- und Versorgungs- ebene, um sowohl die aktuellen Fragen der Arznei- engpässe (z. B. Tamoxifen, Kinder-Fiebersäfte, mittelversorgung, als auch die langfristige Sicherung Antibiotika) muss die Versorgung mit Arzneimit- und den Ausbau des Arzneimittelstandorts Deutsch- teln in Deutschland spürbar gestärkt werden. Die land gemeinsam zu erörtern. Ziel muss es sein, mit derzeitige Situation ist auch ein Ergebnis der Pro- diesem Dialog die Arzneimittelforschung, -entwick- duktions- und Marktentwicklung in Deutschland, lung und -produktion für Deutschland zukunftsfähig Europa und weltweit. zu machen und Strategien zur Sicherung der Arznei- • Es gibt verschiedene Ursachen für Lieferengpäs- mittelversorgung zu entwickeln. se. Dazu gehören: • Ein in weiten Teilen niedriges Preisniveau bzw. Die Task-Force Arzneimittelversorgung fordert daher niedrige Erstattungspreise im deutschen den Bund auf, den ressortübergreifenden Pharma Markt, dialog der Bundesregierung mit den relevanten Ak- • Konzentrationsprozesse bei Wirkstoffen und teuren, z. B. mit pharmazeutischen Unternehmen, Materialien auf wenige Betriebe im asiatischen gesetzlichen Krankenversicherungen, Apotheken Raum, und vollversorgendem pharmazeutischem Großhan- • Verlagerung der Produktion in Länder mit del unter Beteiligung von Forschung und Wissen- günstigeren Rahmenbedingungen für eine schaft und der Länder wieder aufzunehmen. Arzneimittelherstellung, z. B. bei den Lohnkos- ten, Die Gemeinsame Erklärung der Task-Force Arznei • stark gestiegene Kosten für Produktion (u. a. mittelversorgung tragen: Energiekosten) und Logistik von Arzneimitteln, – Bayerischer Apothekerverband e.V. (BAV) • kostendämpfende Maßnahmen im Gesund- – Bayerischer Hausärzteverband e.V. (BHAEV) heitswesen, wie z. B. Rabattverträge und Fest- – Bayerische Krankenhausgesellschaft e.V. (BKG) beträge, – Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) • pandemie-adaptierte Produktionsanpassungen – Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. für Arzneimittel zur Behandlung insbesondere (BVKJ) saisonal auftretender Infektionserkrankungen – Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. und weltweit erhöhte Nachfrage aufgrund ei- (BAH) nes stark erhöhten Auftretens von Atemwegs – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie erkrankungen (gerade bei Kindern), COVID-19- e.V. (BPI) – Landesverband Bayern Pandemie (derzeit in China) sowie die positive – Bundesverband des pharmazeutischen Groß Entwicklung, dass weltweit mehr Menschen handels e.V. (PHAGRO) Zugang zu Arzneimitteln erhalten, – Bundesverband Deutscher Krankenhausapothe- • Produktionsausfälle und Unterbrechung der ker e.V. (ADKA) Lieferketten oder Marktrücknahmen aus ande- – Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) ren Gründen, z. B. der Ukraine-Krieg, Havarie – Pro Generika e.V. im Suezkanal, – Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. • administrative Verfahren, welche Produkt (vfa) anpassungen bzw. im Zusammenhang mit Än- derungen in der Packungsbeilage/bei der Kennzeichnung oder bei einem notwendigen Austausch von Hilfsstoffen bzw. Packmateriali- en erheblich erschweren oder unmöglich ma- chen. 2
• Die Ursachen für die Liefer- und Versorgungseng- sierung auf den Preis und damit zu einer pässe werden sich nicht kurzfristig beseitigen las- Verdrängung insbesondere europäischer Anbieter sen. Notwendig sind aber jetzt Weichenstellun- und Wirkstoffhersteller geführt. Gefordert wird gen, mit denen mittel- bis langfristig die daher eine Überprüfung und wirkungseffiziente erforderlichen Rahmenbedingungen für eine Reform des Preisregulierungssystems mit folgen- nachhaltig gesicherte Versorgung mit Arzneimit- den Eckpunkten: teln gesetzt werden. Insbesondere ist eine Redu- → Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen zierung der Abhängigkeiten von Drittstaaten bei zu bestimmten Ausschreibungsmodellen im der Arzneimittel- bzw. Wirkstoffherstellung und SGB V, eine Stärkung der vorhandenen pharmazeuti- → Dabei: Verbindliche Berücksichtigung von Sozi- schen Produktion notwendig, auch mit wirt- al- und Umweltstandards als Zuschlagskriteri- schaftspolitischen Maßnahmen. en bei der Vergabe; Implementierung auch auf europäischer Ebene erforderlich, → Verbindliche Zuschlagserteilung an mindes- Vier Handlungsfelder tens drei Anbieter sowie Verbot der Umge- hung durch Preisabstandsregelungen und Handlungsfeld 1: äquivalente Konstrukte, Rahmenbedingungen für Arzneimittelversorgung → Festlegung, dass bei Ausschreibung eines verbessern Rabattvertrags bei der Zuschlagserteilung an einen der Anbieter das Kriterium Umfang der Ziele sind eine Diversifizierung der Wirkstoff- und (Wirkstoff-) Produktion in Europa zu berück- Arzneimittelherstellung sowie Anreize für Hersteller sichtigen ist, zu schaffen, wieder mehr versorgungskritische und → Durchsetzbare Regelungen zur Absicherung wichtige Arzneimittel zu produzieren, vorzugsweise bei Produktionsausfällen, z. B. Absicherungs- in Europa und Deutschland. Dazu müssen insbeson- klauseln mit entsprechendem durchsetzbaren dere die Rahmenbedingungen für die Herstellung finanziellem Ausgleich, und Lieferung insbesondere generischer Arzneimit- → Berücksichtigung von kinderspezifischen Dar- tel verbessert werden. Es ist Aufgabe des Gesetzge- reichungsformen bei der Festbetragsgruppen- bers die passenden wirtschaftspolitischen Rahmen- bildung. bedingungen zu schaffen, z. B. durch Subventionen, Vergütung der Bereitstellung von Produktionskapazi- 2. Überprüfung der Regelungen zum Inflations täten oder steuerliche Anreize. Dabei ist darauf zu ausgleich achten, es insbesondere auch mittelständischen Un- Steigende Kosten infolge hoher Inflation können ternehmen zu ermöglichen, in Europa zu produzie- aufgrund von Festbeträgen und Rabattverträgen ren und so den Arzneimittelmarkt zu erweitern. nicht zeitnah kompensiert werden. Die aktuellen Regelungen im SGB V zur Überprüfung der Fest- Die Task-Force Arzneimittelversorgung hält dafür fol- beträge (einmal jährlich oder Anpassung an ver- gende Maßnahmen und Regelungen für erforderlich: änderte Marktlage in geeigneten Zeitabständen) erscheinen vor dem Hintergrund der aktuellen In- 1. Reform der Preisregulierungsmechanismen flation nicht ausreichend. Gefordert wird daher: Rabattverträge und Festbeträge sind als Mittel → Regelung, dass unterjährige Überprüfung insbesondere zur Sicherung der Finanzierbarkeit dann notwendig ist, wenn andernfalls eine der Arzneimittelversorgung etabliert. Allerdings ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche hat das Zusammenspiel der verschiedenen Preis- und in der Qualität gesicherte Versorgung regulierungsinstrumente und der zugrundelie- nicht mehr gewährleistet ist (Umsetzung der genden rechtlichen Vorgaben auch zu einer Fokus- Rechtsprechung des BSG); 3
→ Mögliches Aufgreifkriterium: Zahl der lieferfä- → Die Task-Force Arzneimittelversorgung hält es higen Anbieter innerhalb einer Festbetrags- daher für erforderlich, dass für Arzneimittel, gruppe. die von Liefer- und Versorgungsengpässen be- → Prüfung durch GKV-SV. troffen sind, entsprechende Verfahrenserleich- alternativer Vorschlag: terungen bis hin zu einem punktuellen Abse- → Halbjährliche Überprüfung des Festbetrags/ hen von Retaxationen vereinbart werden und von Rabattverträgen durch den GKV-SV sowie fordert den GKV-SV und den DAV auf, den ak- Anhebung des Festbetrags bei Überschreiten tuellen Rahmenvertrag entsprechend zu prü- der aktuellen Preissteigerungen eines festge- fen und ggfs. zu ändern. legten Bezugspunkts (z. B. vorvergangenes Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal Unabhängig davon sieht die Task-Force Arzneimit- oder zum Durchschnitt von zwei Vorjahres- telversorgung aber auch den Bundesgesetzgeber quartalen). in der Pflicht, das Thema „Retaxation“ aufzugrei- fen und die zugrundeliegende Regelung des 3. Überprüfung der Retaxationsregelungen für von § 129 Abs. 4 SGB V zu prüfen. Liefer- und Versorgungsengpässen betroffene Arzneimittel Gefordert wird daher: Retaxationen stellen per se keine Ursache von → Prüfung einer Änderung des aktuellen Verbots Liefer- und Versorgungsengpässen dar, sie kön- der sog. Vollabsetzung im Rahmen von Reta- nen aber gerade in diesen Situationen zusätzli- xationen für Arzneimittel, für die Liefer- und chen Aufwand für die Apotheken verursachen. Zu Versorgungsengpässe bestehen, um damit beachten ist, dass in der GKV Leistungserbringer einhergehende Belastungen von Apotheken zu nur dann einen Vergütungsanspruch haben, wenn verhindern, alle Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. So- → Prüfung der Vorgaben zum Retaxationsverbot fern dies nicht der Fall ist, verlangt auch der bei Formfehlern bei von Liefer- und Versor- Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gungsengpässen betroffenen Arzneimittel eine Rückforderung der in diesem Fall erlangten verordnungen, Leistungen. So hat sich gezeigt, dass die Gefahr → Prüfung möglicher Verfahrenserleichterungen von Retaxationen die Bewältigung von Liefer- und für Ärzte und Apotheken. Versorgungsengpässen in der täglichen Praxis er- schwert. Handlungsfeld 2: Versorgung durch Vorhaltemaßnahmen für Gemäß § 129 Abs. 4 S. 2 SGB V ist im Rahmen- wichtige Arzneimittel sichern vertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V zu regeln, in welchen Fällen Nach den aktuellen Vorgaben des Arzneimittelrechts einer Beanstandung der Abrechnung durch Kran- (§ 52b Abs. 1, 2 und 3 AMG) sind pharmazeutische kenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Unternehmen und der pharmazeutische Großhandel Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt. verpflichtet, eine angemessene und kontinuierliche D. h. die Frage, in welchem Umfang und für wel- Bereitstellung und Belieferung sicherzustellen, der che Fallgestaltungen eine Retaxation unterbleibt, vollversorgende pharmazeutische Großhandel muss können die Vertragspartner auf Bundesebene, der einen Bedarf für zwei Wochen vorhalten. Angesichts GKV-SV und der Deutsche Apothekerverband e.V. zunehmender Lieferengpässe ist allerdings zu prü- (DAV), bzw. die entsprechenden Vertragspartner fen, ob eine weitergehende, zentrale Bevorratungs- auf Landesebene in Bayern in der Ergänzungsver- strategie sinnvoll, möglich und finanzierbar ist. einbarung zum Rahmenvertrag über die Arznei- mittelversorgung gemäß § 129 Absatz 5 SGB V Die Mitglieder der Task-Force Arzneimittelversorgung (AV-Bay) grundsätzlich regeln. fordern den Bund auf, 4
→ den Ausbau und die Stärkung der Lagerhaltungs- Sie fordern den Bund, aber auch die EU je nach Zu- pflichten für versorgungsrelevante Arzneimittel ständigkeit auf, zu prüfen, → ein Frühwarnsystem zu Lieferengpässen beim → die Einrichtung von Arzneimitteldepots mit rotie- wissenschaftlichen Beirat des BfArM zu installie- rendem Verbrauch bzw. ergänzend zentrale Not- ren, falldepots zu prüfen, → die bisherigen gesetzlichen Regelungen (§ 52 b → hierfür sollten jeweils die finanziellen Rahmenbe- Abs. 3e, 3f AMG) dahingehend zu konkretisieren, dingungen geschaffen werden. dass die pharmazeutischen Unternehmen ohne → Zudem sollten die Rahmenbedingungen für eine Aufforderung durch das BfArM bei drohendem flexible Erhöhung von Produktionsmöglichkeiten oder bestehendem Lieferengpass Daten zu Pro- verbessert werden. duktion etc. mitzuteilen haben, → zur Aufklärung der Versorgungslage mit versor- Der Freistaat Bayern wird seinerseits Möglichkeiten gungsrelevanten Arzneimitteln die bisher bereits einer Bevorratungsstrategie prüfen. vorhandenen Informationen über deren Verfüg- barkeit beim vollversorgenden pharmazeutischen Handlungsfeld 3: Großhandel verstärkt proaktiv zu nutzen, Durch Transparenz und wirksame → das beim BfArM bereits bestehende Risikoma- Frühwarnsysteme Liefer- und nagementsystem (Beirat) in Abhängigkeit von Versorgungsengpässe frühzeitig erkennen den betroffenen Arzneimittelsegmenten (Akutver- sorgung, Arzneimittel ohne Wirkstoffalternativen, Die Übersicht des Bundesinstituts für Arzneimittel Arzneimittel zur Behandlung lebensbedrohlicher und Medizinprodukte (BfArM) zu aktuellen Liefer- Erkrankungen) weiter auszubauen, engpässen für Humanarzneimittel (ohne Impfstoffe) → Meldungen und Maßnahmen des BfArM zu Arz- in Deutschland basiert auf der Meldung von Liefer- neimittellieferengpässen rechtzeitig an die Apo- engpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel thekerverbände (DAV bzw. Landesverbände) zu und dem Fairen-Kassenwettbewerbs-Gesetz (GKV- übermitteln, FKG), nach dem bekannt gewordene Lieferengpässe → die europäische Vernetzung bzgl. Informationen bei Arzneimitteln zur stationären Versorgung umge- über die aktuelle Liefersituation versorgungsrele- hend durch pharmazeutische Unternehmen mitge- vanter Arzneimittel voranzutreiben, teilt werden müssen. Zudem übermitteln pharma- → Infektionszahlen in das Frühwarnsystem einzu- zeutische Unternehmen gemäß GKV-FKG Daten zu betten. Beständen, Produktion und Absatz für bestimmte Arzneimittel. Der Beirat im BfArM aktualisiert diese Handlungsfeld 4: Liste regelmäßig. Die pharmazeutischen Unterneh- Pragmatische Verfahren bei Liefer- und mer sind gebeten, einen vorhersehbaren Liefereng- Versorgungsengpässen ermöglichen pass spätestens sechs Monate im Voraus, unvorher- gesehene Engpässe unverzüglich zu melden. Nach Auffassung der Task-Force Arzneimittelversor- gung haben die Lieferengpässe gerade vor und über Wie die Lieferengpässe für Fiebersäfte für Kinder ge- die Weihnachtsfeiertage 2022 hohen Handlungsbe- zeigt haben, reicht dies nicht aus. Transparenz auf al- darf bzgl. aktueller Regelungen im Arzneimittelrecht, len Handelsstufen über Lagerbestände und Waren- aber auch im Rahmen des SGB V aufgezeigt. Viele ströme besteht nicht oder nur unzureichend. Die der bisherigen Regelungen sind kaum geeignet, die Mitglieder der Task-Force Arzneimittelversorgung notwendigen Vorgehensweisen zur – kurzfristigen – halten ein zuverlässiges Frühwarnsystem mit ausrei- Bewältigung von Liefer- und Versorgungsengpässen chender Transparenz für erforderlich. zu ermöglichen. Praxisnahe Verfahren müssen er- möglicht werden. 5
Die Task-Force Arzneimittelversorgung fordert daher: → Klarstellung, dass bei einem Lieferausfall der 1. Änderungen im Arzneimittelrecht zur bürokratie Bezug von entsprechenden Arzneimitteln armen und pragmatischen Bewältigung von Lie durch eine öffentliche Apotheke auch aus einer ferengpässen anderen öffentlichen Apotheke oder aus einer → Überführung der Austausch- Regelungen der Krankenhausapotheke erfolgen kann. SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverord- nung in das Arzneimittel- und Apothekenrecht 2. Änderungen im SGB V für Arzneimittel, soweit und solange sie von → Angepasste Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der versorgungsrelevanten Liefer- bzw. Versor- Verordnung von Wirkstoffen, die auf der Liste gungsengpässen betroffen sind, mit dem Ziel der versorgungskritischen Wirkstoffe gem. eines Managements aktueller Liefer- und Ver- § 52 b Abs. 3c AMG des BfArM stehen sowie sorgungsengpässe bzw. um den Apotheken für Antibiotika, die von Lieferengpässen be- mehr Handlungsspielraum bei der Abgabe von droht sind und bei Lieferengpässen von Arz- Arzneimitteln auf Rezept zu ermöglichen. Da- neimitteln für Kinder in akuten gesundheitli- bei kann in diesen Fällen und nach festgeleg- chen Notlagen, z. B. bei massivem Auftreten ten Kriterien auf eine Rücksprache mit dem von Infektionskrankheiten. verordnenden Arzt verzichtet werden. Damit → Ausschließen der Abrechnungsprüfung, vorbe- sollen auch zeitaufwändige und belastende haltlich der Prüfung der korrekten Preisbil- Kontakte vermieden werden. dung, bei Abgabe der o. g. Arzneimittel und → Die konkreten Regelungen und Festlegungen Übernahme der Kosten für evtl. Rezepturen zum Verfahren sollten im Rahmenvertrag über bei besonderen erheblichen Infektionslagen die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 sowie massiven Versorgungs- und Liefereng- SGB V sowie ergänzend in jeweiligen Verein- pässen. barungen auf Landesebene geregelt werden. → Keine Aufzahlung seitens der Versicherten, Es erscheint sinnvoll, im Rahmen der Verhand- sondern volle Kostenübernahme (außer der lungen auf Landesebene bei den die Ärzte- gesetzlichen Zuzahlung), wenn ein von Liefer- schaft betreffenden Regelungen die Stellung- bzw. Versorgungsengpässen betroffenes Arz- nahme z. B. der KVB einzuholen. neimittel, das einer Festbetragsgruppe zuge- → Änderung der relevanten Vorschriften des Arz- ordnet ist, nicht zum Festbetrag verfügbar ist. neimittelgesetzes sowie der Apothekenbe- Implementierung einer entsprechenden Erset- triebsordnung, um die Erstellung von Defektu- zungsbefugnis der Apotheke zugunsten eines ren zu erleichtern. Den Apothekern muss in anderen verfügbaren, der Festbetragsgruppe Fällen von Liefer- und Versorgungsengpässen zugeordneten Arzneimittels. pragmatisch ermöglicht werden, ohne Nach- → Dazu Feststellung des Lieferengpasses durch weis einer häufigen Verschreibung Defekturen den Beirat beim BfArM. zu erstellen und mehr als die bisher möglichen → Bezüglich der Ausnahmen vom SGB V (vgl. § 1 maximal 100 abgabefertigen Packungen täg- SARS-CoV-2-AMVV) bedarf es einer Erset- lich im Rahmen des üblichen Apothekenbe- zungsbefugnis für die Apotheken, die es er- triebs herzustellen. Insbesondere wäre ein risi- laubt, Defekturarzneimittel anstatt eines ver- kobasiertes Aussetzen der ausführlichen ordneten, nicht lieferbaren Fertigarzneimittels Qualitätsprüfung der Defekturarzneimittel im abzugeben. Fall von Lieferengpässen erforderlich. → Änderung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) mit dem Ziel, dass Apotheken bei Lieferengpässen das verordnete Arzneimittel durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel erset- zen können. 6
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