Über Zweck, Nutzen und Grenzen der Schutzgebiete in den Bayerischen Alpen - Deutscher Alpenverein München-Oberland
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SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE Schutzgebiete Über Zweck, Nutzen und Grenzen der Schutzgebiete in den Bayerischen Alpen Sie kreisen wieder. Die Auswilderung zweier Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden, 100 Jahre nach der Ausrottung hierzulande, hat ein großes Echo gefunden, wie nicht nur die vielen Tausend Kommentare auf der Internetseite der Nest-Webcam beweisen. Andere Bewohner der Bayerischen Alpen, tierische und pflanzliche, haben eine weni- ger starke Lobby. Nach wie vor sind Schutz- gebiete nötig, um ihren Lebensraum zumin- dest zu erhalten. Diesen Schutzgebieten ist der Schwerpunkt dieser alpinwelt-Ausgabe gewidmet. Welche gibt es, wer kontrolliert sie, wie sind sie gekennzeichnet, und wer oder was steht dort unter Schutz? Wir haben mit einem Ranger des Naturparks Ammer- gauer Alpen gesprochen – und lange mit Ro- man Ossner (Sektion München) und Chris- tian Stolz (Sektion Oberland) diskutiert, die beim Alpenverein München & Oberland für den Naturschutz zuständig sind. Als sich der erste Schneefall im Karwendel ankündigt, nutzt Bernd Römmelt die Ge- legenheit. Für die perfekte Aufnahme wartet alpinwelt 4/2021 der Fotograf, bis der Schnee von den golde- nen Ahornblättern abtaut. Doch plötzlich ist das ideale Motiv direkt vor ihm: ein Stein- Foto: Bernd Römmelt adler inmitten der verschneiten Bergwelt. 15
111 Jahre alpine SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE Schutzgebiete Das geplante Kriegerdenkmal an der Falken- steiner Wand führte zu heftigen Protesten. Mit Erfolg: 1921 entstand das „Naturschutz- gebiet Königssee“. Alles begann 1910 mit einem Pflanzen- 1910 erklärte das Königliche Bezirksamt schonbezirk. Bis sich aber große Natur- Berchtesgaden dann rund 8300 Hektar südlich schutzgebiete und ein Nationalpark des Königssees zum „Pflanzenschonbezirk in den Bayerischen Alpen durchsetzten, Berchtesgadener Alpen“, dem ersten Schutzgebiet dauerte es weitere Jahrzehnte. Die im Alpenraum. Geschichte der alpinen Schutzgebiete. Früher waren Berge Feinde des Menschen. gegründet. Schmolz favorisierte eigentlich des bayerischen Alpenraums garantieren Das Lieblingsgebirge Text: Christian Rauch Für die Bauern gab es wenig zu holen, Händ- einen Nationalpark nach Yellowstone- sollte. So wurden drei Zonen definiert: des bayerischen ler ächzten auf steilen Alpenpässen, Jäger Vorbild, bezweifelte aber dessen Durch- Neue Verkehrserschließungen sollten nur mussten sich alpinen Gefahren ausset- setzbarkeit. 1910 erklärte das Königliche mehr in der „Zone A“ erlaubt sein, in der Märchenkönigs zen. Dann entdeckten Künstler die alpinen Bezirksamt Berchtesgaden rund 8300 Hek- „Zone B“ nur unter strengen Auflagen, und Das größte Naturschutzgebiet in Schönheiten: Goethe erblickte 1786 im Kar- tar südlich des Königssees zum „Pflanzen- in der „Zone C“ gar nicht. Das 1970 neu ge- Bayerns Bergen liegt in den Ammergauer wendel „köstliche Bilder“ – grüne Wälder, schonbezirk Berchtesgadener Alpen“, dem schaffene Bayerische Umweltministerium Alpen. Um dieses im 19. Jahrhundert von graue Felsen und „höchste weiße Gipfel“. ersten Schutzgebiet im Alpenraum. Ein setzte einen solchen Plan 1972 in Kraft. Die den bayerischen Königen geliebte und Um 1800 würdigte Alexander von Hum- Jahr später wurden auch die Steilgrasflan- Watzmannbahn war vom Tisch. Auch die gehegte Gebiet kümmerte sich nach dem boldt die Schönheit der Berchtesgadener ken um die Allgäuer Höfats, ein beliebtes Nationalparkidee war nun nicht mehr zu Ersten Weltkrieg der Alpenverein, vor al- Alpen. Und der Schriftsteller Heinrich Noë Revier für Edelweißsucher, zum Pflanzen- stoppen. Am 8. Juli 1978 unterzeichnete lem die Sektion Bergland. Sie machte die schrieb: „Berchtesgaden ist der Yellowstone- schongebiet. Ministerpräsident Goppel die „Verordnung königlichen Häuser am Pürschling und Park der deutschen Alpen.“ über den Alpen- und den Nationalpark am Brunnenkopf zu Unterkunftshütten. Widerstand Berchtesgaden“. Größe: 20.808 Hektar, was Anträge des Alpenvereins führten 1926 zur Das erste Schutzgebiet etwa zwei Dritteln der Fläche Münchens Festsetzung des Naturschutzgebiets Am- und Umbruch entspricht. mergebirge. Doch im Reichsnaturschutz- im Alpenraum Bald aber drohten „Verschandelun- Der Nationalpark Berchtesgaden ist gesetz von 1935, das erstmals in Deutsch- Zu dieser Zeit hatte man in den USA gen“ am Königssee: In der Falkensteiner bis heute der einzige im bayerischen Al- land die Belange des Naturschutzes regelte mit dem Naturschutz begonnen: 1872 er- Wand sollte ein assyrischer Löwe als Krie- penraum. Doch parallel entstanden zahlrei- und somit auch Schutzzonen definierte, klärte die Regierung in Washington fast gerdenkmal eingemeißelt, auf der Halb- che Naturschutzgebiete. Sie verbieten den verpasste man die Eintragung ins Landes- 900.000 Hektar um den Yellowstone River insel St. Bartholomä ein Hotel errichtet Eingriff des Menschen nicht so rigoros wie naturschutzbuch. Der mühsam erkämpfte zum Nationalpark – der älteste der Welt. werden. Dagegen ging der 1913 gegründe- in der Kernzone eines Nationalparks, da Schutz entfiel wieder – und das für Jahr- Auch in den Bayerischen Alpen wurden te Bund Naturschutz in Bayern vor. Mit die Flächen oft privaten Eigentümern wie zehnte! So wäre beinahe eine Fernstraße die Menschen und Reisenden mehr. Bä- Erfolg: Im März 1921 wurde der Pflanzen- Landwirten gehören. Dennoch ist genauso mitten durch das Ammergebirge, über den ren, Luchse, Adler und Geier waren schon schonbezirk zum 20.000 Hektar großen in einem Naturschutzgebiet alles verboten, Bäckenalmsattel, gebaut worden. Gleich- Foto: Dr. Georg Meister damals zum Schutz des Viehs weitgehend „Naturschutzgebiet Königssee“ erweitert. was die Pflanzen- und Tierwelt beeinträch- zeitig standen Pläne für alpine militäri- ausgerottet. Den Pflanzen ging es ebenso Naturschützer liebäugelten jedoch weiter tigt. 1954 wurde in den Bayerischen Alpen sche Übungsplätze und Kraftwerksbauten an den Kragen: Begehrt waren Edelweiß als mit einem Nationalpark. Doch gegen die eines der damals größten Naturschutzge- im Raum. Naturschützer kämpften weiter. Hutschmuck und gelber Enzian als Heil- Interessen von Touristikern und Jägern war biete in den östlichen Chiemgauer Alpen 1962 forderte der Deutsche Alpenverein in kraut und Schnapslieferant. Alpenrosen zunächst kein Kraut gewachsen. Als dann mit fast 10.000 Hektar ausgewiesen. 1970 seiner Hauptversammlung, „die endgültige wurden als Unkraut ausgerissen. Der Apo- in den Sechzigerjahren eine Seilbahn auf folgte ein Naturschutzgebiet im östlichen Eintragung des Ammergebirges in das Bay- theker Carl Schmolz forderte daher einen Bären, Luchse, Adler und Geier waren schon den Watzmann entstehen sollte, formierte Wetterstein, 1982 im Karwendel, 1991 am erische Naturschutzbuch als Naturschutz- „Pflanzenhort“ in den Berchtesgadener Al- damals zum Schutz des Viehs weitgehend sich breiter Widerstand. Die Alpenvereins- Geigelstein und 1992 in den Allgäuer Hoch- gebiet so rasch wie möglich“ vorzunehmen. pen. Mit anderen Mitstreitern hatte er 1900 ausgerottet. Den Pflanzen ging es ebenso an sektion München und der Deutsche Natur- alpen. Letzteres ist mit rund 20.800 Hektar Im folgenden Jahr war es endlich so weit: Es alpinwelt 4/2021 alpinwelt 4/2021 den „Verein zum Schutze und zur Pflege der schutzring sprachen sich strikt dagegen aus ähnlich groß wie der Nationalpark Berch- folgte eine Landesverordnung zum Natur- den Kragen: Begehrt waren Edelweiß als Alpenpflanzen“ (heute „Verein zum Schutz und forderten einen bayerischen Alpen- tesgaden. schutzgebiet „Ammergauer Berge“ in den der Bergwelt“) aus dem Deutschen und Hutschmuck und gelber Enzian als Heilkraut plan, welcher den Schutz der Natur gewähr- Landkreisen Garmisch-Partenkirchen und dem Österreichischen Alpenverein heraus und Schnapslieferant. leisten und eine nachhaltige Entwicklung Füssen, die fast 29.000 Hektar umfasste. 16 17
Über 30 Jahre Naturschutz: Am 1. Juni 1991 wurde das Gebiet rund um den Geigelstein in den Chiemgauer Alpen als SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE Foto: Touristik-Information Schleching, Stefan Kattari Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der Alpenplan erklärte 1972 das zentrale Rotwandgebiet zur „Ruhezone C“. Ein Skizirkus war abgewendet, ebenso wurde im Folgenden ein Projekt zum Bau breiter Almstraßen ab- gespeckt, doch echter Natur- Die Ammergauer Alpen als dritter Nationalpark? Seit Jahren wird über die Idee, einen Nationalpark schutz blieb aus. im Ammergebirge zu gründen, gestritten. Foto: Dr. Georg Meister Die damals noch einfache Wimbach- grieshütte 1928 am Fuß des Watzmanns Im Landkreis Miesbach hingegen gibt dagegen Maßnahmen getroffen werden. im Nationalpark Berchtesgaden. Heute Auflagen. Wildschutzgebiete werden im bietet die Hütte rund 70 Personen einen es bis heute kein Naturschutzgebiet, ob- Und wenn eine neue Maßnahme, etwa ein Winterhalbjahr von Jagdbehörden mit Be- Schlafplatz. gleich Naturschützer lange für den Schutz Straßenbau, einen natürlichen Lebensraum tretungsverbot ausgewiesen. Und Natur- der Rotwand kämpften. Nachdem 1968 die erheblich beeinträchtigen würde, wäre dies parks, seit 2008 in der Nagelfluhkette und Taubensteinbahn am Spitzingsee geneh- – wie in einem Naturschutzgebiet – auch seit 2017 in den Ammergauer Alpen, bieten migt worden war, wollte Bayrischzell das nach der FFH-Richtlinie nicht genehmi- keinen zusätzlichen Naturschutz wie Na- Rotwandgebiet mit zehn Liften erschlie- gungsfähig. Aktuell ist jedoch, wie in vie- tionalparks oder Naturschutzgebiete. Doch Foto: René Schlaefer ßen. Einer Bürgerinitiative mit Unterstüt- len Gebirgen, der stark zunehmende An- Fördergelder, Managementstrukturen und zung der DAV-Sektion Leitzachtal und dem drang von Wanderern und Mountainbikern die Anstellung von Rangern ermöglichen Bund Naturschutz gelang es, das Vorhaben eines der größten Probleme für bedrohte es, im Naturpark den Artenschutz, die tou- zu verhindern. 1972 erklärte der Alpenplan Arten und Lebensräume um die Rotwand. ristische Nutzung und den Erhalt der durch schließlich das zentrale Rotwandgebiet zur Maßnahmen zur Besucherlenkung mittels Landwirtschaft, Forst und Jagd geprägten „Ruhezone C“. Ein Skizirkus war abgewen- Schildern, Kontrollen und Rangern wird Kulturlandschaft zu vereinen. det, ebenso wurde im Folgenden ein Projekt man, unabhängig vom Schutzgebietsstatus, Jetzt, im Jahr 2021, liegen beträchtli- zum Bau breiter Almstraßen abgespeckt, weiter umsetzen müssen. che Teile der Bayerischen Alpen in Schutz- doch echter Naturschutz blieb aus. Da kam Mit „Natura 2000“ entstanden außer- gebieten. Und der Nationalpark Berchtes- in den Neunzigerjahren aus Brüssel der dem Vogelschutzgebiete. Hier gelten eben- gaden, den man vor 111 Jahren noch für un- Vorstoß europaweiter Schutzgebiete: „Na- falls eine Monitoringpflicht sowie das Ver- möglich gehalten hatte, weitet gerade seine Der stark zunehmende Andrang von tura 2000“. 1992 verabschiedeten alle Mit- schlechterungsverbot. Vogelschutzmaß- Kernzone von 66 auf 75 Prozent der Fläche Wanderern und Mountainbikern ist eines gliedstaaten der EU dazu die Fauna-Flora- nahmen können zu Änderungen bei der aus. Gut 15.000 Hektar um den Watzmann wer- Habitat-Richtlinie (FFH). Vier Jahre später forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung füh- den dann natürliche Wildnis sein – und der der größten Probleme für bedrohte ZUR PERSON erklärte man in Deutschland viele schon ren, wie zum Erhalt von Höhlenbäumen Mensch nur mehr ein respektvoller Gast. Arten und Lebensräume um die Rotwand. vorhandene Naturschutzgebiete, wie im für Spechte oder von Altholzbeständen für Ammergebirge, zum FFH-Gebiet. Doch das Auer- und Haselhuhn. Für Steinadler und reichte vielen Naturschützern nicht: Nach Uhu können Kletterverbote beschlossen einer Klage der EU folgten Nachmeldungen. und Hubschrauberflüge reguliert werden So wurde schließlich auch das Mangfallge- – auch solche, die Alpenvereinshütten ver- birge von den Blaubergen bis zur Rotwand sorgen. Vogelschutzgebiete bestehen zu- zum FFH-Schutzgebiet. dem meist dort, wo es schon Naturschutz- gebiete gibt. 2006 wurde das Estergebirge Christian Rauch Bis heute gibt es im Rahmen von „Natura 2000“ zum Vogel- Christian Rauch, Jahrgang 1975, im Landkreis Miesbach Der Mensch als schutzgebiet, um die Bestände von Stein- hat Ingenieurwissenschaften studiert kein Naturschutz- größte Gefahr adler, Wanderfalke und Uhu, von Raufuß- und arbeitet seit über zehn Jahren gebiet. 1972 erklärte der als freier Journalist und Buchautor für Alpenplan jedoch In einem FFH-Gebiet muss ein Mo- hühnern, Käuzen und Spechten zu sichern. Bergwandern, Kultur und Wissen- alpinwelt 4/2021 alpinwelt 4/2021 das zentrale Rotwandge- nitoring von Lebensraumtypen und Arten Und dann gibt es noch Land- schaft. Von seinem Heimatort Murnau biet zur „Ruhezone C“. erfolgen. Wichtig ist das Verschlechterungs- schaftsschutzgebiete, Wildschutzgebiete blickt er auf das Wettersteingebirge, verbot: Gehen Pflanzen- oder Tierbestände und Naturparks. Erstere verbieten die Neu- wo sich das schöne Naturschutzgebiet Foto: Thomas Gesell zurück, müssen die Ursachen gefunden und bebauung, ansonsten gibt es nur geringe Schachen und Reintal befindet. 18 19
Sind die meisten für Gespräche offen, wenn ihr sie „er- SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE wischt“? Ich würde sagen, mindestens drei Viertel aller Skitourengeher, Schneeschuhgänger und Winterwan- derer sind offen und freundlich. Viele sind sich ein- fach nicht bewusst, wo sie da gehen. Dann erklären wir immer, worum es geht: Das Rotwild und die Rehe suchen im Winter die Futterstellen auf. Stört man sie, laufen sie weg. Manchmal kommen sie tagelang nicht zur Fütterung zurück. Stattdessen reißen sie Rinde von den Bäumen ab, andere Nahrung finden sie im Schnee nicht. Das Ganze zieht eine Kette nach sich: Die Wald- besitzer ärgern sich und wollen, dass die Jagdpächter mehr Tiere schießen. Dabei wäre das gar nicht nötig. Foto: Simon Bauer Weiter oben am Berg fahren die Raufußhühner ihre Energie im Winter massiv runter. Auer- und Birk- hühner suchen sich im Wald ruhige Plätze, das Schnee- huhn gräbt sich in der Nähe von Gipfeln und Graten in „Wir lassen uns nicht aussperren aus der Natur.“ Wie oft den Schnee ein. Schreckt man sie auf, müssen sie von hast du diesen Spruch schon hören müssen? null auf hundert lossprinten. Ihr Energieaufwand kann Schon einige Male. Im letzten März war ich am sich verzehnfachen. Müssen sie das ein paar Mal ma- Rosengarten bei Unterammergau unterwegs. Dort be- chen, überleben sie den Winter nicht. Und besonders steht ein Wald-Wild-Schongebiet. Da kamen mir eini- das Auerhuhn ist in unserer Region schon sehr selten ge Skitourengeher entgegen. Auf meine Frage, woher geworden. Selbst die Gämsen, die immer so lauffreudig sie kämen, sagten sie, sie hätten die Runde vom Pür- und kräftig erscheinen, sparen im Winter viel Energie. schling her gemacht. Ob sie die Schilder nicht gesehen Ein schneereicher und windarmer Winter, in dem die hätten und dass das Schongebiet im Winter Rückzugs- Tiere wenig Gras und Knospen aus dem Schnee heraus- Foto: mauritius images / ImageBROKER raum für die Wildtiere ist, erwiderte ich daraufhin. Da scharren können, kann Gämsen das Leben kosten. Und rief der eine nur: „Das ist mir wurscht. Mia lassen uns wenn dann noch menschliche Störung dazukommt … ned aussperren!“ Und sie fuhren einfach weiter. „Viele sind sich „Wenn es frisch geschneit hat, muss man! Bist du hinterhergefahren? einfach nicht lege ich, sobald es hell ist, eine Nein, ich such‘ ja nicht den Streit, sondern das bewusst, wo sie Gespräch. Und Wald-Wild-Schongebiete sind Gebiete, Spur auf beliebte Tourenberge. da gehen.“ die der Deutsche Alpenverein ausgewiesen hat, mit der Denn wenn schon eine Spur da Bitte, sie nicht zu betreten. Rechtlich bindend ist das Unverwechselbar, aber leider sehr selten ist, folgen ihr die meisten.“ nicht. Bei den Wildschutzgebieten der Jagdbehörden zu sehen: ein balzender Birkhahn. Ihn zu schützen, gehört zu den Aufgaben der hingegen können hohe Bußgelder verhängt werden, Wie sieht ein typischer Tagesablauf von dir im Winter aus? Ammergauer Ranger. wenn jemand das Betretungsverbot bricht. Jäger und Wenn ich nicht gerade Büroarbeit machen muss, Förster sind befugt, Personalien aufzunehmen und die bin ich, wie im Sommer, eigentlich jeden Tag im Gelän- Polizei zu informieren. Wildschutzgebiete, wie nörd- de unterwegs. Wenn es frisch geschneit hat, schnalle lich des Schartenköpfel, nordöstlich unterm Hörnle, ich, sobald es hell ist, meine Tourenski an und lege Reden bei den drei Marken und westlich unterm Aufacker, eine Spur auf beliebte Tourenberge, wie die Schein- Sein Arbeitsplatz ist die Natur. Seine Aufgabe: Menschen sind allerdings seltener als Wald-Wild-Schongebiete. bergspitze. Denn wenn schon eine Spur da ist, folgen informieren und sensibilisieren. Thomas Weber ist Aber im Grunde ist das auch egal. Beide Gebiete schüt- ihr die meisten. Und damit bleibt ein Großteil im ge- Ranger im Naturpark Ammergauer Alpen, kümmert sich zen die Natur und das Leben von Tieren. Im Winter eigneten Terrain, außerhalb von Schutzgebieten. An bzw. zu den angegeben Zeiten, meist von November anderen Tagen, wenn schon überall Spuren da sind, im Winter vor allem um Wald-Wild-Schongebiete und bis April, sollte man sie in Ruhe lassen. Und darauf das Wetter passt und ein großer Andrang ansteht, ste- Wildschutzgebiete. Wenn er Menschen trifft, sucht er das achten wir Ranger. hen wir Ranger vormittags meist an den Parkplätzen. Gespräch. Nicht immer mit Erfolg. Interview: Christian Rauch alpinwelt 4/2021 alpinwelt 4/2021 Thomas Weber (links), Deniz Göcen und Dominik Landerer sind die Ranger im Naturpark Ammergauer Alpen. Zu ihren Hauptaufgaben zählen die Besucherlenkung und -aufklärung. 20 21
Wie stressig ist es, wenn man als Ranger immer drauf ge- SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE fasst sein muss, zu belehren, zu informieren, zu helfen? Aufklärung, Teil 2: Die Büroarbeit Wir mögen unseren Job. Auch wenn es gelegent- nimmt zu, aber natürlich müssen lich mal grenzwertig wird. Ins Gipfelbuch des Rosen- die Ranger auch in der Natur nach gartens hat mal jemand geschrieben, dass die „Ärsche“, dem Rechten sehen. damit waren wir Ranger und die Jäger gemeint, wieder Foto: Simon Bauer mal verstärkt kontrollieren. Aber o.k. Und wenn von den Leuten was zurückkommt – und sehr viele bedanken sich auch für unsere Hinweise –, macht die Arbeit wirk- lich Spaß. Ich bin mal am Teufelstättkopf mit Skiern ab- gefahren und habe zwei Ehepaare in fortgeschrittenem Alter auf Schneeschuhen aufsteigen sehen. Ich habe ihnen empfohlen umzudrehen, denn vor Tagesende Aufklärung, Teil 1: Das klingt nicht so nach der Lieblingsbeschäftigung … wären sie nicht mehr bis zum Gipfel und wieder hi- „Wenn von den Leuten Ist aber sehr sinnvoll. Erstens können wir die nunter gekommen. Erst waren sie, vor allem die Männer, was zurückkommt, Menschen gleich von Beginn an sensibilisieren, sie nicht so begeistert, aber dann brachen sie die Tour ab. macht die Arbeit wirk- auf die Tafeln und ihre Bedeutung hinweisen. Und Weiter unten habe ich dann eine Pause gemacht, um lich Spaß.“ zweitens herrscht an schönen Tagen besonders an den Spechte zu identifizieren. Da haben die beiden Paare Parkplätzen unterhalb der Scheinbergspitze, Sägertal von oben kommend aufgeschlossen und wir haben und Stock, schnell ein ziemliches Chaos. Ich beobach- uns noch sehr nett unterhalten. Sie wollten alles wis- te, wie als Erstes, so nach acht, die aus dem Landsberger sen, über die Tierwelt, über die Fütterung des Rotwilds, und Augsburger Raum kommen. Später dann die aus der die Raufußhühner. Starnberger Gegend. Und wenn nach zehn die Münch- ner kommen, sind die Parkplätze schon fast voll. Du bist jeden Winter geschätzt hundert Mal in der Natur und auf den Gipfeln. Kann man da noch was genießen? Und dann? Aber natürlich, denn jeder Tag ist anders. Wenn Versuchen wir zum Beispiel, auf Ausweichpark- es dick schneit, ist alles gedämpft und still. Ich hör plätze hinzuweisen. Für die Scheinbergspitze kann man nur mein eigenes Schnaufen und meine Ski. Wenn die auch am großen Parkplatz von Schloss Linderhof parken, Sonne überm Neuschnee glitzert, bietet sich ein ganz und dann auf einer Forststraße anderthalb Kilometer anderes Bild. Dann bewegt sich was in der Natur. Ein westwärts spuren. Wenn alles voll ist, bitten wir auch Eichhörnchen schaut hinterm Felsen hervor. Spechte „Wir mögen die Polizei um Hilfe. Denn viele parken dann einfach an trommeln. Einfach schön. unseren Job, der Straße. Besonders im Winter kann das zu Problemen führen. Die Straßen sind wegen des Schnees noch enger, ZUR PERSON DEIN WEG ZUR auch wenn es gelegentlich Rettungswege können nicht mehr gewährleistet werden. Wobei es auch hier sehr unverständige Zeitgenossen Thomas Weber PASSENDEN HOSE! Thomas Weber (61) ist seit drei gibt. Ich habe mal mitbekommen, wie die Polizei einem mal grenz- Fahrer sagte, er dürfe hier nicht am Straßenrand parken. Jahren Ranger im Naturpark DAS NEUE GANZJAHRES - HOSEN- Ammergauer Alpen, zusammen wertig wird.“ Daraufhin verwies der auf die anderen, die schon an der mit Deniz Göcen und Dominik PROGRAMM VON TATONKA Straße parkten. Der Polizist meinte, die haben alle schon Landerer. Er wohnt in Graswang, einen Strafzettel bekommen. 15 Euro. Daraufhin sagte ist verheiratet und hat zwei Ob zum Wandern oder für die Reise, der Neuankömmling: „Hängen Sie bei mir auch gleich Kinder. Weber ist gelernter Zim- dein nächstes Trekking-Abenteuer oder einen hin“, stellte sein Auto ab, nahm seine Ski und ging. mermann und war langjähri- deine anspruchsvolle Bergtour – im ger Waldarbeiter. Hosenprogramm von Tatonka findest Der Naturpark Ammergauer Alpen wurde 2017 als 19. Baye- Im letzten Winter sind viele wegen der geschlossenen Ski- du deine passende Hose! Verschie- rischer Naturpark gegründet und umfasst die Gemeinde- gebiete auf Tourenski umgestiegen. Erwartest du für den flächen von Ober- und Unterammergau, Ettal, Saulgrub, Bad dene Hosenmodelle mit durchdach- nächsten Winter auch so viele Tourengeher? Kohlgrub und Bad Bayersoien. Naturschutzrechtlich fußt ter Ausstattung ermöglichen dir die Ja, ich denke schon, dass viele den Sport nun auch der Naturpark in Teilen auf dem Naturschutzgebiet Ammer- optimale Wahl. Und für deine perfekte lieben gelernt haben. Freilich steigt damit auch die Zahl gebirge, das es seit 1963 gibt. Projekte des Naturparks be- treffen insbesondere den Erhalt der Kulturlandschaft und die Passform gibt es alle Hosen auch in derjenigen, die sich überfordern. Im letzten Januar, nach sehr viel Neuschnee, habe ich oben am Schein- Besucherlenkung. Lang- und Kurzgrößen. berg eine Frau gesehen, die kaum weiterkam. Ich habe alpinwelt 4/2021 Foto: Simon Bauer ihr dann bis ins Tal geholfen: Spitzkehren, Schwünge Informationen und Karten fahren usw. Denn sonst hätte sie es vor Einbruch der zu Schutzgebieten in den Dunkelheit nicht mehr geschafft. In akuteren Fällen Ammergauer Alpen: holen wir auch die Bergwacht. TRAVEL TREK CLIMB 22 23
Freies Betretungsrecht Nockberge- SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE in Bayerns Bergen? Trail Fast überall – mit einer Pflicht zur Pflege. Die Wildnis & Wellness Skidurchquerung je nach Bundesland unterschiedliche Re- Erholung abseits der Städte möglichst un- gelungen gültig. In Tirol zum Beispiel ist berührte Natur, sogar Wildnis, und wollen Foto: mauritius images / Norbert Eisele-Hein / imageBROKER das Hochgebirge nach dem Gewohnheits- diese auch mittels unserer Bergaktivitä- recht frei begehbar. In der Schweiz ist das ten intensiv erleben. Anderseits üben wir freie Betretungsrecht im Zivilgesetzbuch selbst einen negativen Einfluss aus – wir und im Waldgesetz für jedermann fest- stören Wildtiere, zertreten die Vegetation, geschrieben – darunter auch „kulturunfä- hinterlassen Abfall und Lärm. Wer sich also higes Land“ wie Felsen und Geröllhalden. auf freien Naturzugang auf die Bayerische Je nach Alpenstaat besteht also ein enger Verfassung beruft, sollte nicht nur Artikel oder weiter gefasstes Betretungsrecht im 141, Absatz 3, Satz 1, sondern auch Satz 2 Gebirge, das in der Schweiz sogar dem in lesen. Dort heißt es: 4 Tagesetappen / Skandinavien verbreiteten Jedermanns- 5 Skigebiete: recht ähnelt, inklusive der Erlaubnis zum Dabei ist jedermann verpflichtet, mit Natur Katschberg – Zelten und Feuermachen. und Landschaft pfleglich umzugehen. Innerkrems – Turracher Höhe – Falkertsee – Bad Recht auf Genuss, Kleinkirchheim Der „Schwammerlparagraf“ – Pflicht zur Pflege Das grundsätzliche Betretungsrecht sollte jedenfalls für verantwortungsvolle ein Freibrief für die Berge? Genießen wir Bergsportlerinnen und Bergsportlerinnen und Bergsportler kein Freibrief sein, sich überall hinzubewegen, Bergsportler also die große Freiheit in den so schwer es ihnen auch manchmal fallen Bergen? Ganz so ist es nicht. Denn dem Be- mag. Der freie Zugang zur Bergwelt darf tretungsrecht stehen örtlich, manchmal weder die Freiheit der zahlreichen Lebe- auch nur zeitlich, diverse Einschränkun- wesen noch die ursprüngliche Natur selbst Das per Verfassung garantierte Auf den Bergen ist Freiheit, heißt es bei das heißt auf Flächen, die sich im Natur- gen gegenüber: etwa wenn Wege während beeinträchtigen – wir haben das Recht, sie Schiller. Wer dieses Zitat untermauern will, zustand befinden. Die Idee zu diesem Arti- des Jagd- und Forstbetriebs gesperrt sind, zu genießen, aber auch die Pflicht, sie zu freie Betretungsrecht der Natur kann sich in Bayern sogar auf die Verfas- kel 141 stammt vom früheren bayerischen wegen militärischer Aktivitäten und auch schützen. kennt in Bayern jedes Kind. sung berufen. In Artikel 141, Absatz 3, Satz Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner, im Zuge von Naturschutz oder Landschafts- Aber ist der berühmte Artikel 141 1 (bzw. in Artikel 26 des Bayerischen Natur- mit dem er der Bevölkerung den Zugang zu pflege. Zuletzt machte etwa die fünfjährige ZUR PERSON tatsächlich ein Freibrief? schutzgesetzes) beschreibt sie das Recht Naturschätzen, wie etwa Pilzen, erlauben Sperre der Königsbachfälle im National- auf Genuss der Naturschönheiten als ein wollte. Daher heißt der im Volksmund auch park Berchtesgaden Schlagzeilen. Solche Gotlind Blechschmidt hat es allen zustehendes Grundrecht: „Schwammerlparagraf“. Nicht um Schwam- Beschränkungen müssen in Bayern mittels sich angesehen. merl, sondern um Skipisten ging es im Schildern angezeigt und schriftlich begrün- • Für genussorientierte Skitourengeher ARTIKEL 141 Jahr 2013, als der Bayerische Verwaltungs- det sein – auch deshalb, um die Akzeptanz • Im Kärntner Biosphärenpark (3) Der Genuß der Naturschönheiten und gerichtshof bestätigte, dass Skipisten als des Verbots oder des Schutzgebiets seitens Nockberge die Erholung in der freien Natur, insbeson- „freie Natur“ auch für Skitourengeher nicht der Besucher zu verstärken. • Max. 6 h Gehzeit dere das Betreten von Wald und Bergweide, ohne Weiteres gesperrt werden dürfen. Egal, ob Betretungsverbot oder Wege- und 1.000 Hm pro Etappe das Befahren der Gewässer und die Aneig- Dr. Gotlind Blechschmidt nung wildwachsender Waldfrüchte in orts- gebot: Solche Zutrittsbeschränkungen sind, üblichem Umfang ist jedermann gestattet. Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass bezogen auf die Fläche Bayerns, relativ sel- Dr. Gotlind Blechschmidt, Diplom-Geografin immer mit der Seilbahn und begeisterte Alpinistin von Kindheit Bayern damit ein echtes Pfund vorzuwei- ten und kleinräumig. Etwas anders verhält • Übernachtung in komfortablen Hotels an, ist als freie Publizistin und Lektorin tätig. alpinwelt 4/2021 sen hat. In Österreich gibt es nur für den es sich aber mit der Frage, wie man sich im Als Mitbegründerin und Vorständin von Das Betretungsrecht beschränkt sich Wald ein freies und einheitlich im Forst- großen Rest von Bayerns Fläche verhalten Mountain Wilderness Deutschland liebt die Gepäcktransfer dabei nicht auf Wege, sondern bezieht gesetz geregeltes Betretungsrecht, für das darf. Das Dilemma: Einerseits wünschen 62-Jährige besonders die ursprünglichen sich grundsätzlich auf die „freie Natur“, Hochgebirge oder das alpine Ödland sind wir für unsere physische und seelische Berggebiete. 24 25 www.nockberge-trail.com
So werden Bayerns SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE Was darf ich, was darf ich nicht? Der beste Ratgeber dafür ist immer noch der gesunde Menschenverstand: Müll wieder mitnehmen, Berge geschützt auf den markierten Wegen bleiben, keine Pflanzen beschädigen, Tiere nicht mutwillig stören und, wenn möglich, umweltschonend an- und abreisen. Naturschutz gilt nämlich laut Verfassung immer – nicht nur in Schutzgebieten! LSG, WSG, WWS: Es ist gar nicht so leicht, all die verschiedenen Schutzgebietskategorien und ihre Bestimmungen in den Bayerischen Alpen zu (er-)kennen. Wir haben die wichtigsten (vom Sonderfall „Nationalpark Berchtesgaden“ mal ab- gesehen) unter die Lupe genommen. Recherche: Nadine Regel und Thomas Ebert Bad Tölz Bad Reichenhall Murnau am Staffelsee Lenggries Lindau Berchtesgaden am Bodensee Immenstadt Füssen Sonthofen Garmisch-Partenkirchen Oberstdorf Mittenwald Jägerkamp Aiplspitz Spitzingsee Flora-Fauna-Habitat-Gebiete Landschaftsschutzgebiete Rauhkopf Naturschutzgebiete Taubenstein Vogelschutzgebiete Albert-Link- Hütte Gamswand Rotwand Soinsee Wald-Wild-Schongebiete Wildschutzgebiete Auerberg Schutzgebiete finden – aber wie? In Alpenvereinskarten sind Wald-Wild-Schongebiete (gelb gestrichelt), Wildschutzgebiete (gelb durch- gezogen), Nationalparks und Naturschutzgebiete (grün umrandet) verzeichnet, also die wichtigsten Schutz- Exemplarisch für die vielen Wildschutzgebiete in den Bayerischen Alpen, für die gebiete für Bergsportler. Außerdem sind Routen für Skitouren- und Schneeschuhgeher blau verzeichnet. eine Überblicksdarstellung zwischen Lindau und Berchtesgaden zu kleinteilig wäre, haben wir hier das Rotwandgebiet beispielhaft unter die Lupe genommen. Hier Auf alpenvereinaktiv, der Tourenplanungssoftware in Web und App, ist auf der Kartenansicht seit März 2021 die Kartengrundlage „Hinweise & Sperrungen“ bereits voreingestellt, sie lässt sich aber auch sollen bestehende Wald-Wild-Schongebiete zu Wildschutzgebieten umgewandelt manuell auswählen. Hier sind Wildschutzgebiete rot gekennzeichnet (samt Sperrzeiten), Wald-Wild- werden. Der Kartenausschnitt zeigt die neu hinzugekommenen Wildschutzge- Schongebiete dagegen gelb. biete aus der Entwurfsfassung Stand Oktober 2021, die aller Voraussicht nach alpinwelt 4/2021 alpinwelt 4/2021 Der amtliche BayernAtlas (bayernatlas.de) wird als App nicht mehr gepflegt, ist aber im Browser erreich- so vom Landratsamt Miesbach ratifiziert werden wird. bar. Über die Themenauswahl „Umwelt“ und „Natur“ lassen sich über ein Dutzend Schutzgebiets- kategorien auf der Karte einblenden, vom FFH-Gebiet bis zum Biosphärenreservat. (Noch) nicht aufge- nommen sind jedoch Wildschutzgebiete sowie Wald-Wild-Schongebiete. 26 27
SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE Naturschutzgebiete Landschaftsschutzgebiete Wildschutzgebiete Natura-2000-Gebiete Wald-Wild-Schongebiete Wer ist verantwortlich? Naturschutzgebiete (NSG) sind neben Natio- Im Unterschied zu Naturschutzgebieten Die eher kleinen Wildschutzgebiete (WSG) Natura 2000 ist ein EU-weites Netz von Die Wald-Wild-Schongebiete (WWS) gehen nalparks die strengste Form von Schutzgebie- sind Landschaftsschutzgebiete (LSG) meist dienen dem Schutz und der Erhaltung von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter auf eine Initiative des DAV aus dem Jahr ten im deutschen Alpenraum. Gemäß Bun- großflächiger und gehen mit geringeren Wildarten. WSG sind laut Bayerischem oder typischer Lebensräume und Arten. 1995 zurück. Ziel dieser WWS ist es, das desnaturschutzgesetz ist in einem NSG „ein Nutzungseinschränkungen einher. LSG Jagdgesetz „Flächen, die zum Schutz und Das Natura-2000-Netzwerk setzt sich aus winterliche Tourengehen – ob mit Schnee- besonderer Schutz von Natur und Landschaft werden meist dort ausgewiesen, wo die zur Erhaltung von Wildarten, zur Wild- Schutzgebieten nach der Fauna-Flora-Habi- schuhen, Ski oder zu Fuß – tierschonender in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen Anforderungen an ein NSG nicht genügen. schadensverhütung oder für die Wildfor- tat-Richtlinie (FFH) und der Vogelschutz- zu gestalten. Zur Bestimmung der Konflikt- [...] erforderlich“. Das trifft zum Beispiel auf LSG sollen die kultivierte, von Menschen schung von besonderer Bedeutung sind“. Richtlinie zusammen. Die Vernetzung auf gebiete berät sich der DAV mit betroffenen Gebiete zu, die eine besondere Funktion als genutzte Natur schützen und verfolgen das Insbesondere gilt das für Setz-, Brut-, Fut- EU-Ebene soll ökologische Wechselbeziehun- Verbänden, Behörden und Interessengrup- Lebensraum seltener oder gefährdeter Tier- Ziel, die Eigentümlichkeit des Schutzgebie- ter- und Rastplätze von Tieren. Die WSG gen grenzüberschreitend möglich machen. pen. Inzwischen gibt es rund 500 Routen- und Pflanzenarten haben oder sich durch tes zu erhalten. Die Gebiete sind grundsätz- werden nach umfassender Prüfung von Grundlage für das Netzwerk sind die von empfehlungen im bayerischen Alpenraum eine besondere Eigenart, Seltenheit oder lich zugänglich. Die Ausweisungen von LSG Jagdbehörden in Rücksprache mit ande- den EU-Mitgliedstaaten 1992 eingegange- sowie im Bayerischen Wald. Die Routen Schönheit auszeichnen. Für die Einhaltung können auch einem weiteren Flächenver- ren Akteuren ausgewiesen. Für Bergsport- nen Verpflichtungen zum Schutz der biolo- sind speziell ausgeschildert und meiden der Bestimmungen ist die örtliche Natur- brauch durch Siedlungen, Industrie und ler sind diese Gebiete vor allem im Winter gischen Vielfalt im Rahmen der Biodiversi- besonders sensible Lebensräume, etwa von schutzbehörde zuständig sowie die Natur- Infrastrukturmaßnahmen vorbeugen. LSG von Belang, wenn Tiere durch Wildschutz- tätskonvention. Raufußhühnern, aber auch von Rotwild. schutzwacht, zu der in Bayern etwa tausend werden üblicherweise durch die Natur- gebiete Rückzugsräume erhalten. ehrenamtliche Mitglieder zählen. schutzbehörden ausgewiesen. Was darf man – und Grundsätzlich darf man sich in einem NSG Bei einem LSG geht es vor allem darum, den Zu bestimmten Zeiten im Jahr dürfen WSG Im Grunde besagt die alleinige Aufnahme Das Meiden der WWS in den Wintermo- was nicht? aufhalten, aber das Gesetz untersagt jedes Gesamtcharakter des Gebietes zu erhalten. überhaupt nicht betreten werden, meistens eines Gebietes in das Natura-2000-Netz- naten ist eine Empfehlung, aber nicht ver- Verhalten, das Schäden und Störungen Einschränkungen für den Menschen sind im Winter oder zur Brutzeit geschützter werk noch nichts über seinen Schutzsta- pflichtend. Allgemeine Tipps, an denen im betreffenden Gebiet auslösen könnte. daher in der Regel gering. Je nach Verord- Arten. Für den übrigen Zeitraum gilt ein tus aus – die Mitgliedstaaten können den sich Wintersportler orientieren können, Bestimmungen können je Gebiet variie- nung kann das Schutzniveau aber auch Wegegebot. Bei Missachtung werden Geld- Schutz auch nach ihren nationalen Krite- hat der DAV in seiner Kampagne „Natür- ren. Insbesondere verboten sind etwa das an das eines Naturschutzgebietes heran- bußen von bis zu 5000 Euro fällig. Über die rien ausweisen. Für die ausgewiesenen Na- lich auf Tour“ zusammengestellt. Im Hoch- Pflücken von Pflanzen und Pilzen, das Stö- reichen. Einschränkungen betreffen in Einhaltung der Verbote wachen amtliche tura-2000-Gebiete gibt es verbindliche Ma- winter sollten Gipfel, Rücken und Grate vor ren, Fangen oder Töten von wild lebenden der Regel die Bebauung, die Jagd oder die Vertreter wie Revierjäger oder die Natur- nagementpläne, die öffentlich eingesehen 10 Uhr und nach 16 Uhr gemieden werden, Tieren, das Baden in den Gewässern, das Forst- und Landwirtschaft. Der Mensch darf schutzwacht, die hierbei auch hoheitliche werden können und in denen die örtlichen denn die Dämmerungszeit ist für Wildtiere Hinterlassen von Müll, das Entfachen von demzufolge keine markanten Landschafts- Befugnisse haben, also Personalien auf- Maßnahmen festgeschrieben sind. Auch die Zeit zum Fressen. Touren abends und Lagerfeuern und das Zelten. Zudem sind elemente verändern oder entfernen. Teil- nehmen und Anzeige erstatten können. Privateigentümer, Bewirtschafter sowie nachts sollten auf die für „Tourenabende“ Hunde entweder verboten oder an der weise ist eine Bewirtschaftung aber sogar Gerade im Winter brauchen Rehe, Rotwild Land- und Forstwirte sind auf freiwilliger freigegebenen Pisten der Skigebiete be- kurzen Leine zu führen. Das Fliegen von notwendig, um den Kulturlandschaftscha- und Gämsen Ruhezonen. Werden sie durch Basis in die Umsetzung der Erhaltungsmaß- schränkt bleiben. Außerdem sollte Lärm Drohnen ist grundsätzlich untersagt. Ein rakter zu erhalten. Wie in einem NSG ist es unachtsame Wintersportler aufgeschreckt, nahmen einbezogen. Eine typische Klausel generell vermieden und Hunde zumindest Verstoß kann teuer werden: Wer z. B. wild auch in den meisten LSG verboten, wilde flüchten sie und verbrauchen bis zu fünf- in einem Natura-2000-Gebiet besagt, dass bis zur Waldgrenze an der Leine geführt wachsende Pflanzen beschädigt, muss mit Tiere und Pflanzen zu beschädigen, illegal mal mehr Energie als bei milderen Tempe- sich der ökologische Zustand des Gebiets werden. Zudem sollte man nicht querfeld- einer Strafe von bis zu 5000 Euro rechnen. zu zelten, Feuer zu entfachen, Hunde ohne raturen. verbessern muss und nicht verschlechtern ein touren, sondern sich an die Wegführung Leine laufen zu lassen oder ausgeschriebe- darf. und Routenempfehlungen halten – und die- ne Wege zu verlassen. ses Wissen auch teilen. Wo und wie findet Im bayerischen Alpenraum gibt es insge- In Bayern gibt es mehr als 700 Landschafts- Wildschutzgebiete sind relativ kleinräumig Der Freistaat Bayern speist insgesamt 745 Ebenso wie bei den WSG kann man die Tou- man sie? samt 30 NSG, wobei einige auch sehr klein schutzgebiete, was in etwa 30 Prozent der und zudem oft zeitlich beschränkt. Ein Bei- Natura-2000-Gebiete mit einer Fläche von ren-App alpenvereinaktiv.com konsultieren. sind – etwa die Insel Sassau im Walchensee Fläche des Freistaates entspricht. Ein mit spiel: Am beliebten Skitourenberg Hörnle etwa 800.000 Hektar in das europäische An vielen Ausgangspunkten informieren zu- mit weniger als 0,08 km2. Größere Natur- knapp 20.000 ha besonders großes Gebiet bei Bad Kohlgrub wurde der Tourenverlauf Netz ein – das sind mehr als 11 % der Flä- dem Übersichtstafeln der Kampagne „Natür- schutzgebiete sind das Ammergebirge, die umfasst Teile der Allgäuer Hochalpenkette geändert, um die Tiere im WSG „Stieralm che Bayerns. Dazu gehören Moore, aber lich auf Tour“ mit Panorama-Ansichten über Berchtesgadener Alpen, das Karwendelge- mit Einschluss der Oberstdorfer Täler und Ost“ zwischen dem 15.12. und dem 30.4. zu auch typische Kulturlandschaften. Häufig die naturverträglichen Routen und die Wald- birge, die Nagelfluhkette, die Allgäuer Hoch- des Hintersteiner Tales. Im Landkreis Bad schonen. Wildschutzgebiete sind in den ergeben sich auch Überschneidungen: Der Wild-Schongebiete. In den gedruckten AV- alpen und die Östlichen Chiemgauer Alpen. Tölz-Wolfratshausen gelten zum Beispiel AV-Karten mit gelb durchgezogener Linie Nationalpark Berchtesgaden ist etwa zu- Karten sind die Wald-Wild-Schongebiete mit Naturschutzgebiete sind in Wanderkarten das Gebiet um den Sylvensteinsee und gekennzeichnet und auch auf alpenverein- sätzlich als Vogelschutzgebiet ausgewiesen. gelb gestrichelten Flächen hervorgehoben – verzeichnet und im Gelände mit Schildern das obere Isartal sowie der Walchensee als aktiv.com mit den amtlichen Sperrzeiten Die Größe der Gebiete variiert stark: Von über 280 solcher Wald-Wild-Schongebiete gibt ausgewiesen. Landschaftsschutzgebiete. vermerkt. Schilder am Rande der Gebiete der Mausohrkolonie im LK Rosenheim mit es inzwischen. geben Auskunft, speziell auch über die zeit- 400 m2 Fläche bis hin zum Ammergebirge alpinwelt 4/2021 alpinwelt 4/2021 liche Begrenzung des Betretungsverbotes. mit 301 km2 Fläche. Auch beide Isarufer zwischen München und Bad Tölz sind übri- gens ein FFH-Gebiet. Weitere Informationen über FFH- und Vogelschutzgebiete bietet das Bundesamt für Naturschutz (BfN). 28 29
Gut lachen haben Christian Stolz (li.) Roman, Christian, räumen wir erst mal SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE und Roman Ossner nach dem mit einem weit verbreiteten Irrtum auf. knapp zweistündigen Gespräch bei der Sektion München am Rinder- Was unterscheidet Schutzgebiete von markt. Weniger lustig ist die Situa- Schongebieten? verboten wäre!“ tion in so manchem Schutzgebiet Roman: Wald-Wild-Schongebiete sind freiwillige der Bayerischen Alpen. Schutzgebiete, die der DAV in Kooperation mit lokalen Akteuren – also etwa Untere Naturschutzbehörde, Jagd, Forst, Almbauern, Tourismus-Vertreter – versucht zu definieren. Wald-Wild-Schongebiete gelten prinzi- piell während des Winters, solange eine geschlossene Schneedecke liegt. Denn genau dann ist die Situation für die Wildtiere besonders angespannt: Sie finden „Wir müssen einerseits wenig Nahrung, und durch die Rückzugs- räume, die sie dann bräuchten, brettern Skifahrer. verstehen, Mit amtlichen Schutzgebieten, etwa einem warum es Naturschutzgebiet, hat der DAV dann dem- entsprechend gar nichts zu tun? Christian: Doch, aber in einem geringeren Um- fang, nämlich über Anhörungen. Die Ausweisung dieser Schutzgebiete ist eine hoheitliche Aufgabe, zu- ständig sind die Unteren Naturschutzbehörden, wie sie jeder Landkreis zwischen Lindau und Berchtesgaden hat. Wir sind da eigentlich froh, dass dieses Thema in Bayern so professionell gehandhabt wird. Gleichzeitig sind wir dankbar dafür, dass wir über diese Anhörun- gen eben auch unsere Stellungnahmen abgeben dürfen und dafür sorgen, dass wir den alpinen Raum weiter- hin angemessen nutzen können. Roman: Um da gleich anzuknüpfen: Der DAV kon- trolliert in den Schutzgebieten nicht, das machen die Alpine Einsatzgruppe der Bayerischen Polizei oder die Ranger. Unsere Aufgabe ist es, den Sinn und die Ziele der Schutzgebiete weiterzugeben – mit Kampagnen wie „Obacht geben!“, mit umweltverträglichen Tourentipps oder mit Aktionstagen im Gelände. Roman Ossner und Christian Stolz sind die Naturschutzmitarbeiter Im Spitzingseegebiet gibt es Planungen, das beim Alpenverein München & Ober- bestehende Wald-Wild-Schongebiet zu land – nicht ehrenamtlich, sondern einem Wildschutzgebiet umzuwandeln, sozu- fest angestellt. Auch das Thema Schutz- sagen eine Verschärfung der Schutzfunk- gebiete fällt in ihr Ressort. Ein Ge- tion. Welche Rolle spielt der DAV in dieser spräch über das Parken am Monopte- Diskussion? ros, die Empfangsbereitschaft von Roman: Wenn die Untere Naturschutzbehör- Raufußhühnern, Sonnenuntergänge am de den Bedarf für ein Schutzgebiet sieht und erste Gipfel und den „Worst Case“ für Arbeitsgruppen und Vorschläge entstehen, kann, ne- die Bayerischen Alpen: das Permit. ben einigen anderen Akteuren, auch der DAV als an- erkannter Naturschutzverein dazu einen Kommentar alpinwelt 4/2021 alpinwelt 4/2021 Interview: Thomas Ebert abgeben. Wir als sehr große Sektionen machen das teilweise auch, normalerweise macht es der Bundes- verband. In diesem Fall haben bereits der Gebietsbe- treuer Marco Müller sowie sein Nachfolger Florian Foto: Thomas Ebert 30 31
Bossert festgestellt, dass die Population der Raufuß- Christian: So wie man nicht alle Skitouren- oder „Nur mit Schildern erreichen wir nicht alle Leute.“ SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE SCHWERPUNKT SCHUTZGEBIETE hühner im Spitzing- und im Rotwandgebiet kontinu- Schneeschuhgeher über einen Kamm scheren kann, ha- Für das Erkennen und Respektieren der Schutz- ierlich abnimmt. ben die Leute eben ganz unterschiedliche Motivationen, gebiete, wie hier am Jägerkamp, werben die Natur- Christian: Ergänzend muss man noch sagen, dass sich an Schutzgebiete zu halten. Als Schüler und Student schutzmitarbeiter vom Alpenverein München & Oberland. das Wald-Wild-Schongebiet dort schon seit 25 bis 30 ging es mir auch primär darum, schöne Hänge zu finden. Jahren existiert, im Rahmen der „Skibergsteigen um- Heute, mit mehr Hintergrundwissen und Wertschätzung weltfreundlich“-Kampagne des DAV. Weil die Ziele aber für die Natur, geht es mir auf Skitour auch um den Raum, nicht erreicht wurden, steht jetzt die Ausweisung eines um ein ganzheitliches Erlebnis. Das Meiden von Schutz- Wildschutzgebiets im Raum, mit Betretungsverbot und gebieten gehört automatisch zur Tourenplanung dazu – Foto: Florian Bossert Strafen bei Zuwiderhandlung. die ich aus Sicherheitsgründen ja sowieso machen muss, Roman: Gleichzeitig ist Deutschland nach FFH-Richt- wenn ich Wintersport verantwortungsvoll betreibe. linie des Natura-2000-Abkommens auch verpflichtet, ein Roman: Ehrlicherweise muss man sagen, dass gewisses Kontingent seiner Fläche als Vogelschutzge- nicht alle Wald-Wild-Schongebiete im Gelände eindeu- biete auszuweisen. Deutschland kommt diesem Ver- tig zu erkennen sind. Mit einem Band absperren geht fahren bereits nicht hinterher. Es gibt also einerseits natürlich nicht, aus Sicherheitsgründen und wegen des politischen Druck, andererseits auch eine ganz prak- freien Betretungsrechts. Aber wir können auch nicht an sen ist, ist die Arbeit getan. Aber wir wissen alle, was Das Ziel wäre eine Tourenplanung, die tische Verschlechterung der Lage, und darauf reagiert jeden Baum ein Schild montieren „Bitte hier nicht rein- passiert, wenn sich jemand die ganze Woche auf seine dann die Untere Naturschutzbehörde. fahren!“ Bergtour freut und am Wochenende vor einem Schild nicht dem eigenen Können angepasst ist, Christian: Das ist vergleichbar mit den Isartrails: Christian: Das stimmt. Aber z. B. zeigt mir alpen- steht, wo draufsteht: Nö, heute nicht! Wir müssen da sondern auch der Natur. Auch das ist alles Natura-2000-Gebiet, auch hier gilt vereinaktiv.com problemlos alle Wildschutzgebiete und einfach mehr in die Lebenswelt der Leute kommen, Christian: Genau. Das ist der größte Knackpunkt. ein Verbesserungsgebot. In beiden Fällen, Spitzingsee Wald-Wild-Schongebiete für die Tourenplanung an. Da und die erreichen wir nicht mit Schildern am Parkplatz, Meiner Meinung nach haben wir uns zu sehr auf den und Isar, ist es natürlich besonders schwer, unmittel- kann ich mir in Ruhe zu Hause eine Alternative überle- da nehme ich mich selbst nicht aus. bergsportlichen Aspekt konzentriert. Das merkt man bar vor der Stadt die Leute komplett auszusperren – und gen. Aber es war ja schon ein weiter Weg, die Lawinen- Roman: Zumal die Schilder ja kein Hintergrund- auch, wenn man sich abends auf einer Hütte mal mit trotzdem muss man diesen Natura-2000-Ansprüchen lageberichte fest in der Tourenplanung zu verankern, wissen vermitteln. Da steht drauf: Wildschutzgebiet Leuten unterhält. Da hört man nie: „In der vierten Seil- gerecht werden. und den gleichen Weg müssen wir jetzt nochmal mit nach Paragraf XY, Amtsblatt so und so, bis zu 5000 länge hab‘ ich einen seltenen Vogel oder eine Pflan- Roman: Im Falle der Isartrails wären sich Natur- den Schutzgebieten gehen. Wir haben diese Themen Euro Strafe. Aber dass es diese Regel braucht, weil z. B. ze gesehen“, sondern nur, wie krass der Foothook am schutzvereine und MTB-Vertreter ja grundsätzlich ei- im Ausbildungs- und Tourenwesen, sprechen sie an, Birkhühner nur an einem Tag im Jahr empfangsbereit Überhang war. Ich fände es schön, wenn der Berg nicht nig. Sie haben bereits 2017 ein gemeinsames Konzept wenn sich jemand Ausrüstung oder Karten ausleiht oder zur Fortpflanzung sind, steht nicht drauf. Klar, dass die nur als Sportgerät, sondern auch als Lebensraum für unterzeichnet. Allerdings scheitert es bei der Umset- sonst wie mit uns in Kontakt kommt. Aber die 180.000 Tiere besonders geschützt werden müssen. Die können Tiere und Pflanzen wahrgenommen wird. zung seitens des Landratsamtes München. Mitglieder, die wir erreichen können, sind auch nur ein nicht den ganzen Tag schnackseln. Bruchteil der Leute, die in den Bergen unterwegs sind. Gab es früher mehr Rücksicht auf die Warum werden manche Schutzgebiete „Wir sollten als Bergsportler ein alpine Umwelt? respektiert und andere nicht? Genau das ist ja auch Aufgabe des DAV – ureigenes Interesse daran Roman: Die Menge der Leute, die sich für Berg- Roman: Das Angebot an Alternativen ist ein ganz dass er seine Mitglieder zu selbstständigen haben, den Raum, in dem wir sport interessiert, hat in den vergangenen zehn bis 15 ausschlaggebender Punkt. Wenn ich die attraktivsten Bergsportlern erzieht, die ein Schutzgebiet unterwegs sind, zu schützen.“ Jahren erheblich zugenommen, und damit ist auch der Gebiete ausschließe, wird die Akzeptanz herabgesetzt. erkennen und verantwortungsvoll handeln. Anteil an Menschen gewachsen, denen Naturschutz – Christian Stolz Christian: Wenn wir das angesprochene Gebiet Wo steht ihr da eurer Meinung nach? und Umweltbelange egal sind. Dieser Anteil ist jetzt am Spitzingsee nehmen, ist meine eigene Erfahrung, so groß, dass es problematisch wird. dass die Akzeptanz auch deshalb leidet, weil am Tau- Christian: Ganz am Anfang! Der DAV ist einerseits Naturschutzverband, Christian: Und die Biografien ändern sich. Frü- benstein früher ein Skigebiet war. Da wird sich der Roman: Nicht ganz am Anfang, aber da ist wirk- her ist man langsam in das Thema Berg reingewach- ein oder andere Skitouren- oder Schneeschuhgänger lich noch viel Luft nach oben. Ein Beispiel: Wildschutz- der Wald-Wild-Schongebiete ausweist, an- sen, heute haben wir sehr, sehr viele Leute, die aus der denken: Mei, früher wars offenbar auch o.k. für die gebiete sind eher klein und müssen eigentlich nur auf dererseits ein Bergsportverein. Was macht Kletterhalle in die Natur wechseln, aber eigentlich im Schneehühner, und drüben am Sutten ist ja noch viel Landkreisebene veröffentlicht werden. Es gab lange euch als Naturschutzmitarbeiter an diesem urbanen Umfeld sozialisiert sind. mehr Trubel, da ist alles erlaubt. Das mag eine logische überhaupt keine zentrale Karte dieser Wildschutzge- Roman: Der Naturraum ist mehr zur Kulisse ge- berühmten Spagat am meisten zu schaffen? Herleitung sein – aber wenn nun mal dieser Berg der- biete für die Bayerischen Alpen. Dass jetzt auf alpenver- worden, oder zum Trainingsgebiet. Da gibt es Skiberg- jenige ist, den sich die Raufußhühner als Futter- und einaktiv.com alle Wildschutzgebiete aller Landkreise zu Christian: Ich mag diese Gegenüberstellung „ei- steiger, die rennen morgens mit der Stirnlampe auf den Balzplatz herausgesucht haben, dann ist es eben so. Da sehen sind, ist schon mal ein riesiger Zugewinn für die nerseits-andererseits“ nicht. Wir sollten als Bergsport- Berg, sind dann zum Sonnenaufgang am Gipfel – der ist es einfach ganz wichtig, das entsprechende Wissen Tourenplanung. Aber was in den Gebieten erlaubt ist, ler ein ureigenes Interesse daran haben, den Raum, in Zeitpunkt, wo die Wildtiere einmal kurz die Möglichkeit überhaupt erst mal zu vermitteln. wie lange sie gelten – da liegt noch viel Arbeit vor uns, dem wir unterwegs sind, zu schützen. In einer der Ge- hätten, innezuhalten, zu fressen, sich wieder aufzuwär- Roman: Und natürlich ist auch Ignoranz dabei, das transparent und anschaulich zu kommunizieren. sprächsrunden mit der Unteren Naturschutzbehörde men –, und dann kommen bereits die ersten Leute mit wenn Menschen bewusst ein Schutzgebiet ignorieren, Wir bemühen uns, aber ich würde da den Ball auch mal hat jemand, ich glaube von der Bergrettung, gesagt, dass Vollgas hoch, rauschen an ihnen vorbei und fahren di- alpinwelt 4/2021 alpinwelt 4/2021 nur weil es auf Freiwilligkeit basiert. ein bisschen Richtung Behörden spielen. Ein unbüro- man Schutzgebiete weniger als Verbot oder Einschrän- rekt wieder runter. Denen ist das Tier völlig egal. Die Ku- kratisches System wird da nicht gerade gefördert. kung ansieht, sondern dass man stolz darauf ist, dass lisse ist toll, ansonsten geht es nur um ihre persönliche Was überwiegt eurer Meinung nach – Un- Christian: Die Behörden machen aus ihrer Sicht wir so schützenswerte und so einzigartige Räume bei Zeit. Diese Leute könnten sich auch einfach eine Drei- einen super Job: Sobald das Gebiet sauber ausgewie- uns haben, die weitestgehend noch frei zugänglich sind. viertelstunde im Fitnessstudio aufs Laufband stellen. wissenheit oder Ignoranz? 32 33
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