2020 magazin(e) - herbst winter automne hiver - Epi Suisse

 
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                  Schweizerischer Verein für Epilepsie
                    Association suisse de l’Epilepsie
                  Associazione svizzera per l’Epilessia

2020
herbst · winter
automne · hiver
2020 magazin(e) - herbst winter automne hiver - Epi Suisse
E D I TO R IA L                                                                                                                INHALT / CONTENU

                                                                                                                               DEU TSC H

    Liebe Leserin, lieber Leser                                               Chère lectrice, cher lecteur,                      3 Kolumne – Simones Welt
                                                                                                                                       Als ich mit alten Schamanen in einer dunklen
    Eine verrückte Zeit liegt hinter uns.                                     Nous avons derrière nous une période
                                                                                                                                       Hütte sass
    Ich hoffe, Sie haben diese Monate gut                                     de folie. J’espère que vous avez bien
    und Corona-frei überstanden. Wie                                          surmonté ces mois et que le corona-
    alles im Leben hatte auch die Corona-                                     virus vous a épargné(e). Comme tout                4 Porträt – Christian Netzle
    Krise eine gute Seite: Ruhe und Stille,                                   dans la vie, la crise du coronavirus a
    mehr Zeit für die Familie und für                                         eu un bon côté: calme et tranquillité,                   Sie wollten ihren Sohn nie in Watte packen
    sich selber. Wie haben Sie diese Zeit                                     plus de temps pour la famille et
    erlebt? Haben Sie die Ruhe genossen                                       pour soi. Comment avez-vous vécu                   6 Fachartikel
    oder fühlten Sie sich einsam? Dies                                        cette période? Avez-vous apprécié le                     Medikamentenknappheit
    wollten wir auch von Betroffenen,                                         calme ou souffert de solitude? Nous
    Angehörigen und Epi-Suisse-Mit-                                           voulions également connaître l’avis
    arbeitenden wissen. Lesen Sie die                                         des personnes atteintes d’épilepsie, de
    Antworten in dieser Ausgabe.                                              leurs proches et des collaboratrices
                                                                              d’Epi-Suisse: lisez leurs réponses dans
    Christian Netzle ist ein Optimist                                         cette édition.
    durch und durch. Der junge Mann                                                                                              8 Corona
    leidet seit Geburt an Epilepsie. Doch                                     Christian Netzle est un optimiste pur
                                                                                                                                       Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt?
    das hat ihn nie gestoppt, zu träumen                                      et dur. Le jeune homme souffre d’épi-
    und Ziele zu haben. Ein grosser Traum                                     lepsie depuis sa naissance, mais cela
    von ihm wird bald erfüllt: Er wird aus                                    ne l’a jamais empêché de rêver et de se          10		Sozialberatung
    seinem Elternhaus ausziehen und in                                        fixer des objectifs. L’un de ses grands
    einer Wohngruppe wohnen und arbei-                                        rêves est sur le point de se réaliser: il                Zweitmeinung einholen kann helfen
    ten. Ein weiterer grosser Traum von                                       va quitter le domicile parental pour
    ihm ist, Trolleybusfahrer zu werden.                                      vivre et travailler dans une commu-
    Und er ist überzeugt, dass er dies,                                       nauté d’habitation. Il rêve par ailleurs
                                                                                                                               12		Agenda
    trotz seiner Krankheit, eines Tages                                       de devenir conducteur de trolleybus.                     2020 Update
    sein wird. Lassen Sie sich von seiner                                     Il est convaincu qu’il y parviendra un
    Geschichte und seinem Optimismus                                          jour, malgré sa maladie. Découvrez son
    anstecken.                                                                histoire et laissez-vous gagner par son
                                                                                                                               E N FR A N Ç A I S
                                                                              optimisme contagieux.
    Ich wünsche Ihnen viel Spass
    beim Lesen.                                                               Je vous souhaite une agréable lecture!           14 Portrait –
                                                                                                                                  Christian Netzle
                                                                                                                                       Ils n'ont jamais voulu
                                                                                                                                       surprotéger leur fils.
                                   Carole Bolliger
                                   Redakteurin / Rédactrice
                                                                                                                               16 Article spécialisé
                                                                                                                                       La rareté des médicaments

                                                                                                                               17 Le monde de Simone
                                                                                                                                       Entourée de vieux chamans
                                                                                                                                       dans une hutte obscure
    IM PR E SSU M

                                                   Mit freundlicher Unterstützung von
                                                                                                                               18 La pandémie
                                    Ces sociétés ont la gentillesse de soutenir les projets d’Epi-Suisse                               Comment avez-vous vécu la période
                                                                                                                                       de la pandémie de coronavirus?

                                                                                                                               19 Agenda 2020

       Herausgeber/Editeur                                        Redaktion/Rédaction             Layout/Concept/Réalisation
       Epi-Suisse                                                 Carole Bolliger                 holiframes.ch, Zürich
       Schweizerischer Verein für Epilepsie
       Seefeldstrasse 84,                                         Korrektorat/Correction          Produktion/Production
       CH-8008 Zürich                                             Helen Gysin, Anne Fournier      Stutz Medien AG, Wädenswil
                                                                                                  Auflage/Tirage 1800 Ex.

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    © 2020 Epi-Suisse, Schweizerischer Verein für Epilepsie, Zürich
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SIMON E S WE LT

Als ich mit
alten Schamanen
in einer dunklen
Hütte sass
Das Jahr nachdem ich einen Hirntumor hatte, war eine Achterbahnfahrt. Dass ich es nach
dem Hirntumor wieder schaffte, irgendwie den Weg in die Welt zu finden, war nicht
einfach. Und die Epilepsie half auch nicht unbedingt, wieder zurück ins normale Leben
zu finden.

Ich erwachte nach der Operation leider nur mit einem Auge. Genau genommen war das
Auge noch da, aber der Sehnerv war bei der Operation anscheinend abhandengekommen.

Diese komplizierte Sehstörung, die man selber nicht ganz verstand, nannte sich Hemianop-
sie. Da wusste natürlich keiner etwas damit anzufangen, doch ich bemerkte schnell, dass
dieser Sehnerv einst ganz bedeutend war.

Ich schielte nun und lief ziemlich zerstreut durch die Gänge, denn ich musste mein Haupt-
problem, das ich nach gründlicher Analyse meiner Gesamtsituation endlich meinte gefun-
den zu haben, auf die therapeutische Prioritätenliste bekommen.

Doch keiner der Rehabilitationsexperten stimmte mir zu, dass das Schminken mit diesem
Silberblick und einer fehlenden visuellen Gesichtshälfte ganz oben auf die Liste der Therapie-
ziele gehörte. Ich kam leider mit meiner neuen Sicht der Lage ergotherapeutisch nicht weiter
und so legte ich monatelang Nachtschichten ein, bis ich mein verzerrtes Gesicht wieder so
einigermassen, mithilfe allerlei wichtiger Produkte der Schönheitsindustrie, an die richtige Stelle
setzte und nach all den gescheiterten Versuchen nach dem Schminken nun nicht mehr aussah wie
ein betrunkener Clown.

Nachdem ich den Weg in die Welt so einigermassen wieder gefunden hatte und die Schmerzen und
die Epilepsie, entgegen allen Prognosen, sich trotz der ganzen Palette der Pharmaindustrie nicht so
einfach bekämpfen liessen, war ich der Meinung, ich sollte es doch mal mit der altbewährten, tradi-
tionellen, spirituellen Welt versuchen. So landete ich im Dschungel des Amazonas und sass mit alten,
weisen südamerikanischen Schamanen weit weg von jeglicher Zivilisation in einer dunklen Hütte und
dachte mir, es hätte schlimmer sein können, denn schliesslich waren es keine Piraten.

Die Epilepsie und auch die Schmerzen sollten mithilfe der Geister und Zaubermeister, mit
bitteren Zaubertränken und unverständlichen Gesängen in den Tiefen des Amazonas ver-
schwinden. Ich verbrachte die Nächte nicht wie erwartet mit dunklen Dämonen, sondern
mit Mogli und Balu. Selbst Pocahontas gesellte sich auf meiner wunderbar weichen, floh-
zerzausten Decke dazu.

Es waren tatsächlich die schmerzfreiesten Zeiten, die ich seit meinem Tumor je hatte. Doch
mit Worten kann ich dieses Erlebnis gar nicht in seiner Gesamtheit erfassen.

Mit einem Gehirn, das täglich macht, was es will, ist man entweder gezwungen, sich seinem
Schicksal zu ergeben oder einfach das Leben wieder in seine eigenen Hände zu nehmen.
                                                                                                       Simone Seydler erkrankte vor ein paar
Es gibt so einiges, das wird nicht mehr zu erreichen sein, aber mit einem Kopf, dessen                 Jahren an einem Hirntumor. Dieser wurde
Synapsen täglich absurde Dinge mit einem machen, hatte ich noch einmal den Mut ge-                     ihr operativ entfernt. Kurz darauf hatte sie
funden, gegen den Berg von Diagnosen, an dem die besten Ärzte und die buntesten Pillen                 ihren ersten Epianfall. In diesem Maga-
scheiterten, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, auch wenn es im tiefsten Dschungel                zin schreibt Simone Seydler ihre eigene
am anderen Ende der Welt auf mich wartete.                                                             Kolumne „Simones Welt“ und berichtet aus
                                                                                                       ihrem Leben mit Epilepsie.

                                                                                                                                                  3
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PO R T R ÄT

    Sie wollten ihren Sohn
    nie in Watte packen
    Christian Netzle steht vor einer grossen
    Veränderung in seinem Leben. Der
    22-Jährige wird in diesem Herbst
    wahrscheinlich aus seinem Elternhaus
    ausziehen und in einer Wohngruppe
    einer sozialen Institution leben und
    arbeiten. Dass der junge Mann
    eines Tages in einem betreuten
    Wohnheim leben kann, war für ihn
    bis vor Kurzem noch undenkbar.
    Text: Carole Bolliger
    Foto: Reto Schlatter

          „ICH KONNTE SCHON                         überzeugt: „Risikofrei wäre es für ihn nur,      seit drei Jahren ein Mitglied der Familie. Als
         EINIGE MALE MIT DER                        wenn er die ganze Zeit im Bett liegen würde.     Assistenzhund hilft sie Christian auf ver-
                                                    Doch wir wollten ihm ein möglichst norma-        schiedene Weise: Die beiden haben ein ganz
        REGA FLIEGEN“, ERZÄHLT                      les Leben ermöglichen. Immer der Gefahr          besonderes Verhältnis zueinander und Chri-
           CHRISTIAN NETZLE.                        bewusst, dass ein Anfall kommen und er sich      stian fühlt sich sicher mit ihr. Sie hat Chri-
                                                    dabei verletzen könnte.“                         stian auch schon mehrfach geholfen, als er
                                                                                                     einen Anfall erlitt, indem sie ihn mit Lecken

    W
               as für viele ein Bubentraum sein     BALD WOHNT ER                                    aus dem Anfall herausgeholt hat. Seine Mut-
               dürfte, hatte bei dem 22-Jährigen    OHNE ELTERN                                      ter erinnert sich: „Als Shakira nur ein paar
               leider nie etwas mit einem Traum                                                      Monate alt war, hatte Christian einen Anfall,
    zu tun. Die Rega kam bei ihm zum Einsatz,       Dass die Eltern ihren Sohn zu möglichst          sie hat ihm übers Gesicht geleckt, daraufhin
    nachdem er sich bei einem epileptischen         viel Selbstständigkeit und Eigenständigkeit      hat sich Christian beruhigt und beide sind
    Anfall stark verletzte oder eine Anfallsserie   erzogen haben, kommt dem jungen Mann             zusammen eingeschlafen.“ Auch heute noch
    nicht mehr gestoppt werden konnte. Viele        nun zugute. Mit 22 Jahren wird er wahr-          kommen ihr fast die Tränen bei der Erinne-
    Knochen brach er sich schon bei Sturzan-        scheinlich bald in einer Wohngruppe im           rung an diese Szene.
    fällen, die Schulter, den Kiefer und sogar      Epi-Wohnwerk leben und arbeiten. Auf die-
    mal den Schädel. Aber aufgehalten hat ihn       sen Schritt freut sich Christian sehr. „End-     Der junge Mann ist seit mehr als einem hal-
    das nicht. Er ist ein unverbesserlicher Opti-   lich kann ich ohne meine Eltern leben“, sagt     ben Jahr anfallsfrei, und Shakira kommt
    mist. „Christian hat sein Schicksal stets mit   er, um gleich zu ergänzen „was natürlich         deshalb weniger zum Einsatz. Sie sind aber
    bewundernswerter Zuversicht akzeptiert,         nicht heisst, dass ich sie nicht gern habe.“     nach wie vor dicke Freunde. Christian nimmt
    was auch uns Eltern geholfen hat“, sagt sei-    Er freut sich, alleine zu leben, neue Freunde    derzeit an einer deutschen Studie mit einem
    ne Mutter Berit Netzle-Sveine. Sie und ihr      kennen zu lernen und mit ihnen zusammen          neuen Medikament teil und spricht darauf
    Mann Stephan sind die wichtigsten Men-          zu kochen und etwas zu unternehmen. Auch         sehr gut an. „Seit Christian keine Anfälle
    schen in Christians Leben und tun alles, um     die Eltern freuen sich für ihren Sohn, dass er   mehr hat, kann er sich viel freier bewegen, er
    ihren Sohn zu unterstützen. „Wir haben ihn      diesen Schritt wagt, und sind stolz auf ihn.     kann sogar Velo fahren und mit Shakira und
    aber nie in Watte packen wollen, das wäre       „Die ganze Familie ist parat, es ist der rich-   uns im See schwimmen gehen“, freut sich
    kein Leben“, so der Vater. Das heisst, Chri-    tige Zeitpunkt, Christian wird das bestimmt      der Vater. Die ganze Familie hofft natürlich,
    stian durfte und darf trotz seiner Krankheit    gut machen“, sagt die Mutter.                    dass das so bleiben wird. Denn es war nicht
    vieles machen: Langlaufen, Wandern, Golf                                                         immer einfach, eine gute Betreuung zu fin-
    spielen und sogar Skifahren. Immer in Be-       Shakira, Christians Assistenzhündin wird         den, die sich um Christian kümmern konnte,
    gleitung seiner Eltern. Stephan Netzle ist      vorerst bei den Eltern bleiben. Shakira ist      um die Eltern zu entlasten.

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Mein grosser Traum
                     Trolleybusfahrer

ER WILL UNBEDINGT                               Trolleybusfahrer zu werden, ging leider bis       „FÜR UNS SIND DIESE
BUSFAHRER WERDEN                                jetzt aufgrund seiner Krankheit noch nicht        WOCHEN EINE GROSSE
                                                in Erfüllung. Aber Christian ist fest davon
Epilepsie begleitet Christian schon sein        überzeugt, dass er eines Tages einen solchen
                                                                                                  ENTLASTUNG UND WIR
ganzes Leben lang. Hinzu kommt ein aty-         Trolleybus fahren wird. Bis dahin beschäf-     WISSEN, DASS UNSER SOHN
pischer Autismus. Bereits mit vier Monaten      tigt er sich intensiv mit den ÖV-Fahrplänen.     IN GUTEN HÄNDEN IST“,
hatte er seinen ersten Anfall, eine Absenz.     Seit einigen Jahren besucht er regelmässig     SAGT BERIT NETZLE-SVEINE.
Dann folgte die erste Serie mit generalisier-   die Lager von Epi Suisse. So auch in diesem
ten Anfällen, worauf man mit einer medika-      Sommer, worauf er sich schon sehr freut.
mentösen Therapie anfing. Bis er 17 Jahre       Ebenso die Eltern. „Für uns sind diese Wo-
alt war, hatte er keinen epileptischen Status   chen eine grosse Entlastung und wir wissen,
mehr. Aber während der ganzen Schulzeit         dass unser Sohn in guten Händen ist“, sagt
ereigneten sich immer wieder Sturzanfälle,      Berit Netzle-Sveine.
meistens während des Turnunterrichts, im
Durchschnitt einmal im Monat. Verschie-
dene Medikamente wurden ausprobiert und
wieder abgesetzt. Kurz bevor er das Erwach-
senenalter erreichte, häuften sich die Sturz-
anfälle. Zu Spitzenzeiten waren es zwei bis
drei pro Woche.

Nach der obligatorischen Schulzeit, die er
in der Montessori-Schule verbrachte, konn-
te er auf einem Bauernhof für Jugendliche
mit Beeinträchtigung eine Ausbildung zum
Hofmitarbeiter machen. Seit einiger Zeit
arbeitet er vier Tage in der Woche in
einem geschützten Atelier, was ihm viel
Spass macht. Er spielt Klavier und er-
hält regelmässig Mathematikunterricht.
Sein grosser Berufswunsch,

                                                                                                                           5
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FAC HA R T I KE L

    Medikamenten-
    Knappheit
    Lieferengpässe von Medikamenten können zu grossen
    Problemen führen. In der Schweiz geht man davon aus,
    dass zu jedem Zeitpunkt etwa 600 Arzneimittel nicht
    oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Welche
    Medikamente besonders betroffen sind, was das
    Problem für Epilepsie-Betroffene ist, wenn sie
    ein Ersatzmedikament einnehmen, sagt Barbara
    Tettenborn, Chefärztin.
    Interview: Carole Bolliger

                                                                Prof. Dr. med. Barbara Tettenborn
                                           Chefärztin Klinik für Neurologie, Kantonsspital St. Gallen
                                                          Präsidentin Schweizerische Epilepsie-Liga

    BARBARA TETTENBORN, MEDIKAMEN-                          oder durch einen erhöhten Bedarf. Die Hälf-     Problem der Versorgungsengpässe punk-
    TEN-LIEFERENGPÄSSE SIND EIN GROSSES                     te der gemeldeten Lieferengpässe betrifft in    tuell verschärft, da einerseits für beatmete
    THEMA. BETROFFEN SIND AUCH MEDI-                        der Regel Arzneimittel für die parenterale      Covid-19-Patienten in den Spitälern grosse
    KAMENTE FÜR EPILEPSIE-BETROFFENE.                       Anwendung (Injektion, Infusion), weitere 40     Arzneimittelvorräte angelegt wurden, an-
    IST DAS EIN NEUES PROBLEM?  Arznei-                    Prozent betreffen Arzneimittel für die orale    dererseits verschiedene Staaten zahlreiche
    mittel-Lieferengpässe gibt es schon lange.              Einnahme (Tabletten, Kapseln).                  Wirkstoffe, Zwischenprodukte und Arznei-
    Durch den Kostendruck im Gesundheitswe-                                                                 mittel vorübergehend mit einem Exportver-
    sen und die Globalisierung in der Herstel-              WELCHE MEDIKAMENTE SIND VON LIE-                bot belegt hatten. Die Transportketten wurden
    lung von Arzneimitteln hat sich die Thema-              FERENGPÄSSEN BESONDERS BETROFFEN?               Corona-bedingt nachhaltig gestört. Zusätz-
    tik in den letzten 10 bis 15 Jahren allerdings           Betrachtet man die Anwendungsgebie-           lich erhöhte sich aufgrund der erhöhten An-
    akzentuiert. In der Schweiz geht man davon              te, fallen insbesondere Arzneimittel für das    zahl an langzeitbeatmeten Patienten plötzlich
    aus, dass zu jedem Zeitpunkt etwa 600 Arz-              „Nervensystem“, zu denen auch die Antikon-      der Bedarf an bestimmten Medikamenten wie
    neimittel nicht oder nur eingeschränkt zur              vulsiva gehören, Arzneimittel für das kardio-   Midazolam, Propofol oder Muskelrelaxantien.
    Verfügung stehen.                                       vaskuläre System („Herzmedikamente“),
                                                            und Arzneimittel gegen Infektionen (bspw.       WAS WÄRE IN DEN AUGEN DER LIGA DIE LÖ-
    WIESO KOMMT ES ÜBERHAUPT ZU MEDIKA-                     Antibiotika) auf. Weiterhin sind vor allem      SUNG, UM KÜNFTIG MEDIKAMENTEN-ENG-
    MENTEN-ENGPÄSSEN? WAS IST DAS PROB-                     Arzneimittel betroffen, deren Patentschutz      PÄSSE IN DER SCHWEIZ ZU VERMEIDEN? 
    LEM?  Die Gründe für Lieferengpässe sind               bereits abgelaufen ist und Nachahmerpro-        Die Schweiz allein kann das Problem der
    vielfältig. Das Arzneimittel ist eine besondere         dukte (Generika, Biosimilars) verfügbar sind.   Versorgungsengpässe nicht lösen, da der hie-
    Ware, da die Entwicklung, Zulassung, Her-               Die langfristige Verbrauchsplanung ist für      sige Arzneimittelmarkt – global gesehen –
    stellung, der Vertrieb und die Marktüberwa-             die Arzneimittelhersteller zunehmend kom-       viel zu klein ist. Es braucht hier eine eu-
    chung spezielle Qualitätsstandards erfüllen             plexer und von Konkurrenzfirmen abhängig.       ropäische Initiative, wobei die Herstellung
    müssen. In über 90 Prozent der Meldungen                Einen wesentlichen Anteil an den Versor-        wichtiger, versorgungsrelevanter Wirkstoffe
    werden „Produktionsprobleme“ als Grund                  gungsproblemen hat sicherlich die Zentrali-     wieder innerhalb von Europa im Vorder-
    für ein Versorgungsproblem angegeben. Ein               sierung der Grundstoffherstellung in Billig-    grund stehen soll. Die Abhängigkeit von
    Produktionsproblem kann unter anderem                   ländern wie Indien oder China mit Auftreten     Wirkstoffherstellern in China und Indien
    verursacht sein durch die Änderung eines                von Reinheitsproblemen oder mangelnden          muss reduziert werden. Die Epilepsie-Liga
    Herstellungsverfahrens, durch von der Be-               Sicherheits- und Qualitätsstandards.            setzt sich dafür ein, dass das Bundesamt für
    hörde festgestellte Mängel, eine unzurei-                                                               wirtschaftliche Landesversorgung sämtliche
    chende Produktionskapazität (Wirkstoff,                 HAT CORONA DAS PROBLEM NOCH VER-                Antikonvulsiva in seine Liste meldepflichti-
    Zwischenprodukt oder fertiges Arzneimittel)             SCHÄRFT?  Die Corona-Pandemie hat das          ger Wirkstoffe aufnimmt und ein Pflichtla-

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ger anlegt. Gleichzeitig sollten aber auch die   schlechterer Einnahmetreue führen und
Hersteller, Grossisten und Apotheker in die      dadurch vermehrt Anfälle auftreten kön-
Verantwortung genommen werden, derar-            nen. Bei Arzneimitteln gegen Epilepsie ist
tig wichtige Medikamente in ausreichenden        deshalb ein Wechsel von einem auf ein
Mengen am Lager zu halten.                       anderes gleiches Präparat nicht zu emp-
                                                 fehlen. Wenn er dennoch nicht vermeidbar
ES GIBT DOCH PRAKTISCH FÜR ALLE ME-              ist, muss dies sorgfältig mit einer epilepto-
DIKAMENTE ERSATZPRODUKTE MIT DEN                 logisch geschulten Neurologin oder einem
GLEICHEN WIRKSTOFFEN. WAS IST DAS                Neurologen abgesprochen werden.
PROBLEM FÜR EPILEPSIE-BETROFFENE,
WENN SIE EIN ERSATZMEDIKAMENT EIN-               WELCHES PRODUKT / WELCHE PRODUK-
NEHMEN?  Für Arzneimittel, deren Patent         TE FÜR EPILEPSIEN SIND BESONDERS VOM
abgelaufen ist, existieren oft Nachahmer-        ENGPASS BETROFFEN?  Valproat (z.B. De-
produkte, sogenannte Generika. Diese ent-        pakine®, Orfiril®), Clobazam (Urbanyl®), La-
halten den gleichen Wirkstoff in gleicher        motrigin (z.B. Lamictal®) und teilweise auch
Dosierung, können jedoch geringfügig be-         Topiramat (z.B. Topamax®).
züglich Wirkweise bzw. Wirkintensität vom
Original abweichen. Neuere Studien bele-         WAS RATEN SIE PATIENTEN ALLGEMEIN?
gen, dass ein Präparatewechsel – von ei-         SOLL MAN EINEN VORRAT AN MEDIKAMEN-
nem Originalpräparat zu einem Generikum          TEN HABEN?  Bei stabiler und bewährter         Worauf muss man bei der
oder umgekehrt oder zwischen verschiede-
nen Generika – das Risiko eines epilepti-
                                                 Therapie ist eine Vorratshaltung von drei
                                                 bis sechs Monaten durchaus sinnvoll. Dabei
                                                                                                 Lagerung/Aufbewahrung der
schen Anfalls erhöht, auch wenn die neue         sollte immer die älteste Packung zuerst ver-    Medikamente achten?
Tablette den gleichen Wirkstoff in gleicher      braucht und dann durch eine neue ersetzt
Menge enthält. Medikamente verschiedener         werden. Ein noch stärkeres „Anhäufen“ ei-       Arzneimittel sind generell für Kinder
Hersteller können unterschiedliche Binde-        nes Arzneimittelvorrates zu Hause ist nicht     nicht erreichbar, trocken und zumeist bei
mittel, Farbstoffe, Überzüge etc. enthalten,     ratsam, da dies einen Versorgungsengpass        Raumtemperatur zu lagern und sollten
auf die Epilepsiepatienten unterschiedlich       verschärfen kann. Falls sich die Therapie       vor direkter Sonneneinstrahlung und vor
reagieren. Eine grössere Studie hat ge-          ändert, können die Arzneimittel nicht mehr      Feuchtigkeit geschützt sein. Das Badezimmer
zeigt, dass bereits Änderungen von Form          verwendet werden und müssen über die            eignet sich daher meist nicht für die
und Farbe eines Epilepsiemedikaments zu          Apotheke fachgerecht entsorgt werden.           Aufbewahrung von Arzneimitteln.

                                                                                                                                               7
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CORONA

    Wie haben Sie die
    Corona-Zeit erlebt?
    Dieses Jahr ist und war für die ganze Welt eine grosse Herausforderung. Die Corona-
    Krise hat vieles verändert. Auch Epi-Suisse war betroffen. Beratungsgespräche muss-
    ten wenn möglich telefonisch, per Videotelefon oder E-Mail geführt werden, unzählige
    Veranstaltungen wurden abgesagt oder verschoben. Was waren die Herausforderungen?
    Gab es auch positive Erlebnisse und was nehmen die Menschen aus dieser Zeit mit? Wir
    wollten es wissen und fragten Betroffene, Angehörige und Mitarbeitende von Epi-Suisse.

    Text: Carole Bolliger

                                                                                                        „Die Corona-Zeit
                                                                                                        war eine Achter-
                                     „Von mir aus                                                       bahnfahrt“
                                     könnte es im-                                                      B.A. aus Bern, 54 Jahre,
                                     mer so bleiben“                                                    Mutter eines 18-jährigen Betroffenen

                                     M.K. aus Zürich, 44 Jahre,
                                     Betroffener                             „Nach einem Skiunfall im vergangenen Dezember erlitt unser 18-jäh-
                                                                             riger Sohn ein Schädel-Hirn-Trauma mit Epi-Anfall. Die Diagnose:
                                                                             Epilepsie. Unser Sohn konnte seine Lehre als Zimmermann wegen
    „Die Zeit während der Corona-Krise war für mich sehr angenehm.           der Krankheit nicht beenden. Auch Töfflifahren, Schwimmen und
    Ich konnte sehr oft im Homeoffice arbeiten und war dadurch viel          Klettern sind zunächst gestrichen. Der Boden unter seinen Füssen ge-
    weniger gestresst und weniger exponiert. Zum Glück kann ich das          riet ins Wanken. Dazu kam dann noch das Coronavirus. Die Berufs-
    auch weiterhin noch öfter tun, was mir sehr entgegenkommt. Am            beratung fand aus der Ferne statt, zudem wollte niemand während
    Anfang der Krise habe ich mit einigen Leuten geschrieben und te-         des Lockdowns einen Schnupperlehrling im Betrieb haben. Eine gute
    lefoniert und hin und wieder auch jemanden getroffen. Aber leider        Anschlusslösung zu finden, schien unerreichbar. Nach mehreren An-
    wurde das immer weniger. Ich bin alleinstehend und sonst schon oft       läufen hat er aber nun doch noch eine Lehrstelle für diesen Sommer
    alleine. Während Corona war das noch öfter der Fall und ich konnte       als Fachmann Betriebsunterhalt/Hausdienst gefunden und darüber
    ja auch nirgendwo hingehen, was eine grosse Belastung für mich           sind wir alle unglaublich froh.
    war. Auf längere Zeit wäre das schwierig für mich.
                                                                             Die Corona-Zeit war für unsere Familie eine richtige Achterbahn-
    Alles in allem war die Zeit für mich schön und ruhig. Mir hat es gut     fahrt. Die Balance zwischen Abwarten und Vorwärtsgehen zu finden,
    gefallen, dass es so ruhig war, die Strassen leer, fast keine Menschen   war oft nicht einfach. Diese besondere Situation hat uns aber auch
    unterwegs. Unter Menschen zu gehen, ist für mich immer ein Stress.       näher zusammengebracht. Denn wir haben – fast schon gezwunge-
    Ich konnte soziale Kontakte pflegen, musste aber nicht, ich hatte        nermassen – sehr viel miteinander gesprochen. Das hat unsere Be-
    eine Entschuldigung, wenn ich nicht mochte, das fand ich gut. Von        ziehung vertieft.
    mir aus könnte es immer so ruhig bleiben.“
                                                                             Die Sozialberatung von Epi-Suisse hat uns in dieser Zeit und kurz
                                                                             nach der Schockdiagnose sehr viel Mut gemacht und Tipps gegeben.
                                                                             Kurz, Cornelia Bösiger hat bei uns Licht in den Nebel gebracht.“

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Epi-Suisse erhält viele Anfragen rund
                                                                                                           um das Thema „Corona“ von Betrof-
                                                                                                           fenen und Eltern epilepsiebetroffener
                                                                                                           Kinder. Wir haben eine Sammlung
                                                                                                           wichtiger Fragen zusammengestellt,
                                                                                                           die wir laufend aktualisieren. Diese und
                                                                                                           viele andere Infos finden Sie unter:
                                                                                                           epi-suisse.ch/aktuelles/covid-19/

 „Das Interesse an der                                                    Einstieg im Homeoffice
 Beratung blieb bestehen“                                                 Maya Wohlgemuth, Epi-Suisse Geschäftsstelle,
                                                                          Veranstaltungen und Beratung
 Cornelia Bösiger, Epi-Suisse Geschäftsstelle, Sozialarbeiterin
                                                                          „Ich bin bei Epi-Suisse eingestiegen, als gerade die gesamte Ge-
 „Die Corona-Krise hat die Beratungssituationen neu definiert und         schäftsstelle im Homeoffice war. So habe ich das Team die ersten
 verlangte von den Betroffenen und den Fachpersonen viel Flexi-           Wochen nur per Zoom und E-Mail kennenlernen können. Seit Juni
 bilität und vor allem technisches Umdenken. Plötzlich fanden die         arbeiten wir wieder mehrheitlich im Büro und ich bin froh, dass wir
 persönlichen Gespräche per Videotelefonie oder per Telefon statt.        uns endlich persönlich und direkt austauschen können. Schwierig
 Das Interesse an einer Beratung blieb glücklicherweise bestehen.         für meine Arbeit war die Unsicherheit, ob und in welcher Form wir
 So war ich, trotz Lockdown und Homeoffice, stets in Kontakt mit          Veranstaltungen durchführen dürfen – dieses Thema wird uns sicher
 Betroffenen. Ich blicke zurück auf eine sehr intensive Zeit, welche      noch eine Weile begleiten. Trotz allem war es für mich auch eine Zeit
 zwar viel Flexibilität und Kreativität abverlangte, aber auch viele      der Entschleunigung und Ruhe, die ich nicht missen möchte.“
 positive Erlebnisse mit sich brachte.“

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                                                                                 24 Stunden bei einer Ladedauer von nur 75 Minuten.

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                                                                                 Für größtmögliche Bewegungs- und Reisefreiheit können mehrere
                                                                                 örtliche Bereiche mit jeweils eigenen Empfangsadressen angelegt
                                                                                 werden. Epi-Care mobile wird im Fall der Fälle die nächstverfügbare
                                                                                 Bezugsperson kontaktieren und so schnellstmöglich für Hilfe sorgen.

                                                          Der bewährte Armbandsensor – bereits etabliert beim Epi-Care free – ist für die typisch
                                                          diskrete und zuverlässige Erkennung zuständig. Das dreidimensionale Detektionssystem
                                                          erfasst sämtliche Körperbewegungen und sendet diese – für den Nutzer unmerklich – als
             HOME CARE - Medical                          permanenten Datenstrom an die mobile Einheit. Dort werden epilepsiebedingte Bewegun-
                   Südstrasse 3 3110 Münsingen            gen erkannt und alltägliche Körperbewegungen (Gestikulieren, Laufen, Husten, Tastaturbe-
             Tel. 031 722 40 40 Fax 031 722 40 49         dienung etc.) aussortiert. Sobald das System ein Anfallsereignis registriert, wird sofort die
                     E-Mail: office@hcmed.ch              zuständige Bezugsperson per Anruf informiert. Zusätzlich wird per SMS der aktuelle Standort
                   Internet: www.hcmed.ch                 übermittelt.
2020 magazin(e) - herbst winter automne hiver - Epi Suisse
SO Z I A L B E R AT U N G

     Zweitmeinung
     einholen kann
     helfen
     Epi-Suisse bietet Epilepsiebetroffenen und deren Angehörigen So-
     zialberatung. Die Nachfrage ist gross. Beraterinnen von Epi-Suisse                              Cornelia Bösiger
     beantworten für unser Magazin Fragen aus ihrem Arbeitsalltag, die
                                                                                                     verlässt Epi-Suisse
     auch viele Patientinnen und Patienten interessieren können.
     Text: Mélanie Volluz                                                                            Unsere Sozialberaterin Cornelia Bösiger hat Epi-
                                                                                                     Suisse Ende September nach sechs Jahren er-
                                                                                                     folgreicher Tätigkeit verlassen, um bei der Stadt
     „Mein 10-jähriger Sohn leidet an Epilepsie. Die Diagnose erhielt er vor Kurzem                  Zürich eine neue Herausforderung anzunehmen.
     aufgrund eines EEGs. Er hatte in den letzten zwei Jahren fünf nächtliche generalisierte         Epi-Suisse dankt Cornelia Bösiger für ihr grosses
     nichtmotorische Anfälle (Absencen). Der Kinderneurologe sagte uns, es gebe in diesem            Engagement für Betroffene und Angehörige.
     Stadium aus therapeutischer Sicht zwei Möglichkeiten: die medikamentöse Behandlung
     (die bisweilen mit Nebenwirkungen einhergeht) oder das beobachtende Abwarten, wie               Nina Wiederkehr hat im Oktober ihre Nachfolge
     sich seine Epilepsie entwickelt. Wir wissen nicht, was wir tun sollen, und würden gerne         in der Sozialberatung übernommen. Sie bringt
     eine ärztliche Zweitmeinung einholen. Wie sollen wir vorgehen?”                                 breite Erfahrung in der Beratung und im Kontakt
                                                                                                     mit chronisch kranken Menschen mit.
     Die Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung ist jedermanns Recht und kann Patienten und
     Eltern helfen, in Ruhe eine fundierte Entscheidung über die Behandlung zu treffen. Aus Angst
     vor der Reaktion des Arztes zögern Eltern oft. Doch seien Sie versichert: Die meisten Ärzte
     verstehen, dass Eltern gerne noch eine zweite Meinung hören möchten. Für Sie als Eltern
     bedeutet eine Neudiagnose eine erhebliche Belastung, und Sie möchten nur das Beste für
     Ihr Kind. Der Arzt ist in jedem Fall verpflichtet, das Patientendossier Ihres Kindes an einen
     anderen Arzt Ihrer Wahl weiterzuleiten. Letzterer ist neutral und wird seine Meinung auf
     Grundlage der bereits durchgeführten Untersuchungen abgeben, ohne jedoch eine Behandlung
     durchzuführen; diese fällt weiterhin in die Zuständigkeit des ersten Arztes. Wir helfen Ihnen   ANMELDUNG SOZIALBERATUNG
     gerne bei der Vorbereitung der Fragen an den Arzt, bei dem Sie eine Zweitmeinung einholen.
                                                                                                     Sie suchen Rat und benötigen Unterstützung in
                                                                                                     Sachen Epilepsie? Wir sind gerne für Sie da! Melden
     Die ärztliche Zweitmeinung ist keine im KVG definierte Pflichtleistung. Daher ist es
                                                                                                     Sie sich direkt bei unserem Beratungsteam oder
     wichtig, dass Sie sich vorher bei der Krankenkasse Ihres Kindes erkundigen, ob und unter
                                                                                                     kontaktieren Sie uns über unser Beratungsformular
     welchen Bedingungen diese Leistung übernommen wird. Wenn Sie schlussendlich vom
                                                                                                     auf unserer Website.
     Versicherungsträger Ihres Kindes keinen zufriedenstellenden Bescheid erhalten, zögern
     Sie nicht, die Sozialberatung von Epi-Suisse zu kontaktieren. Dort kann man Sie an              www.epi-suisse.ch/sozialberatung
     Organisationen weitervermitteln, welche die Interessen der Versicherten verteidigen.

SAMM E L S U R IU M

     Schoggi als Geschenk                                                                            Neue Broschüren
     Die Firma Choba Choba hat                                                                       Epi-Suisse arbeitet an den zwei
     Epi-Suisse rund 300 Tafeln                                                                      neuen Broschüren „Erwachsene
     Schokolade geschenkt, die sie                                                                   und Epilepsie“ und „Epilepsien
     wegen der Corona-Krise nicht                                                                    im Schulalltag“.
                                                                                                                                                                       Für Mensc
                                                                                                                                                                                hen mit Epilep
                                                                                                                                                                                              sie

     verkaufen konnte und statt                                                                                                         3
     sie in den Biomüll zu werfen                                                                                                            ERWACHSE
     lieber verschenken wollte.                                                                      Sie können bereits jetzt                UND EPILE
                                                                                                                                                        NE
                                                                                                                                                       PSIE

     Epi-Suisse sagt:                                                                                vorbestellt werden unter               Epilepsie verst
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                                                                                                                                                          heit leben

                                  Dank!
                                                                                                     info@epi-suisse.ch

            chen
                                                                                                     www.epi-suisse.ch oder
     Herzli                                                                                          Telefon 043 488 68 80.

10
EPI- SUISSE A G E ND A

2020
         EV E N T S                                                 FERIENWOCHE 2020
OKT      Abendveranstaltung: Diagnose Epilepsie, Olten              Bauernhofwoche (8-14 Jahre), Hallau, SH
         Mittwoch, 21. Oktober 2020                                 3. bis 10. Oktober 2020
         Abendveranstaltung: Epilepsie, St. Gallen
         Mittwoch, 28. Oktober 2020
         Workshop Selbst-Handeln, Olten
         Samstag und Sonntag, 31. Oktober + 1. November 2020        INFOS & ANMEL DUNG              AUS FLÜG E
                                                                                                                         202 0

                                                                                                                                 Elefanten, Pingu

NOV
                                                                                                                                                         ine, Trampeltiere

         Selbsthilfe-Tag: Betroffene beraten Betroffene, Zürich
                                                                                                                                22. August                                          – Familienaus
                                                                                                                                             · 10 bis 14 Uhr
                                                                                                                                                                · Zürich                                 flug Zoo Zürich
                                                                                                                                An diesem Tag
                                                                                                                                                soll
                                                                                                                               Familien besamm die ganze Familie auf ihre

                                                                    Zu allen Veranstaltungen finden Sie detail-
                                                                                                                                                                                 Kosten kommen
                                                                                                                               durch den Tierparkeln sich am Eingang des
                                                                                                                                                   . Danach geniesse         Zoos und erleben . Die teilnehmenden
                                                                                                                               Nachmittag                             n wir zusamm             gemeins
                                                                                                                                           besuchen die
                                                                                                                                                           Teilnehmenden             en ein Mittage am eine Führung

         Samstag, 7. November 2020
                                                                                                                                                                            individuell den          ssen und am
                                                                                                                                   Kinder, Eltern                                           Zoo.
                                                                                                                                                   und Geschwisterkind
                                                                                                                                   Mitglieder: CHF                       er

                                                                    lierte Informationen über die Referenten,
                                                                                                                                                     25.- | Kinder:
                                                                                                                                                                    CHF 20.- | Nichtmi
                                                                                                                                                                                        tglieder: Zuschlag
                                                                                                                                                                                                           CHF 25.-
                                                                                                                            Adventsplau
                                                                                                                                              sch am Weihn
                                                                                                                             28. Novemb                               achtsmarkt
                                                                                                                                          er · 10.30 bis                              Einsiedeln

                                                                    das Programm, die Anreise und allfällige
                                                                                                                                                          17 Uhr · Einsiede
                                                                                                                            Lassen Sie sich                                   ln
                                                                                                                                            in Vorweihnachtsst
                                                                                                                           den einsiedle

         Kommunikation mit einem behinderten Kind, Zürich
                                                                                                                                         r Weihnachtsmark immung versetzen. Zusamm
                                                                                                                           besorgen. Nach                    t. Gelegenheit                  en schlendern
                                                                                                                                            dem Mittage
                                                                                                                                                          ssen folgt eine also, um erste Weihnachtsgeschwir über
                                                                                                                                                                           Führung durch
                                                                                                                                Erwachsene                                               das Kloster Einsiedeenke zu
                                                                                                                                                                                                              ln.

                                                                    Teilnahmebedingungen auf unserer Website
                                                                                                                                Mitglieder: CHF
                                                                                                                                                 35.- | Nichtmi
                                                                                                                                                                 tglieder: Zuschlag
                                                                                                                                                                                    CHF 15.-

         Samstag, 7. November 2020                                  unter www.epi-suisse.ch/veranstaltungen
                                                                                             FERI ENW OCH
                                                                                             IN DER DEU
                                                                                                          EN UND WEE
                                                                                                        TSCH SCH WEI KEN DS
                                                                                             Zirkuswoche            Z
                                                                                                         (10 bis 16 Jahre)

         Patiententag Zürich: Herausforderung Epilepsie, Zürich
                                                                                            Adventurewee
                                                                                                          k (14 bis 20                                            1.-8.8.
                                                                                            Bauernhofwoc               Jahre)                                                          Stalden, OW
                                                                                                          he (8 bis 14

                                                                    Anmeldungen online unter
                                                                                            Weekend für                Jahre)                                     8.-15.8.
                                                                                                        Jugendliche                                                                   Stalden, OW
                                                                                                                                                                 3.-10.10.
                                                                                                                                                                                      Hallau, SH
                                                                                                                                                                 18. - 20.9
                                                                                                                                                                                      Morschach, SZ

         Samstag, 21. November 2020                                 www.epi-suisse.ch, telefonisch unter
                                                                                               Detaillierte Infos
                                                                                                                  zu allen
                                                                                                     Auskünfte erteilen Veranstaltungen finden
                                                                                                                          wir unter 043           Sie auf
                                                                                                                                        488 68 80 oder www.epi-suisse.ch/vera
                                                                                                                                                                                                                                   UPDATE 20
                                                                                                                                                                                                                           VERANSTAL
                                                                                                                                                                                                                                            20
                                                                                                                                                                                                                                    TUNGEN
                                                                                                                                                        per Mail über             nstaltungen.
                                                                                                       Vous trouver                                                   info@epi-suisse
                                                                                                                                                                                     .ch.
                                                                                                www.epi-suisse ez des informations détaillé

                                                                    043 488 68 80 oder per Mail
                                                                                                                  .ch/manifestati               es sur tous les

                                                                                                                                                                                                                             MANIFESTA
                                                                                                         021 729 16 85            ons. Vous                     événements
                                                                                                                          ou en envoyan pouvez obtenir des informa         à l‘adresse

         Adventsplausch am Weihnachtsmarkt, Einsiedeln
                                                                                                                                        t un e-mail à
                                                                                                                                                      info@epi-suisse tions en appelant le

                                                                                                                                                                                                                                      TIONS
                                                                                                                                                                       romande.ch.

                                                                    über info@epi-suisse.ch
                                                                                                                 Epi-Suisse · Seefelds
                                                                                                                 Telefon 043           trasse 84 · 8008
                                                                                                                              488 68 80 · info@ep        Zürich

         Samstag, 28. November 2020
                                                                                                                                                    i-suisse.ch ·                                                                   Schweizerische
                                                                                                                                                                  www.epi-suisse.                                                                  r Verein für
                                                                                                                                                                                 ch                                                                             Epilepsie
                                                                                                                                                                                                                                      Association
                                                                                                                                                                                                                                                   suisse de l’Epilep
                                                                                                                                                                                                                                    Associazione                      sie
                                                                                                                                                                                                                                                 svizzera per
                                                                                                                                                                                                                                                              l’Epilessia

Patiententag Zürich                                                 Workshop
Herausforderung Epilepsie                                           Selbst-Handeln
21 . N O VE M B E R 2 02 0 · ZÜ R IC H                              31. OK T. + 1. NOV . 2020 · OLT EN

Epilepsie wirkt sich auf das ganze Leben aus und fordert Pati-      Erkennen, wenn ein Anfall kommt, und selber etwas dagegen
enten wie Angehörige immer aufs Neue heraus. Am traditio-           tun? Im Workshop erarbeiten Betroffene Strategien, um im
nellen Zürcher Patiententag beleuchten wir Epilepsie in all ihren   Alltag besser mit den Anfällen zurechtzukommen. Sie schulen
Facetten unter Mitwirkung von Fachpersonen und Betroffenen.         ihre Selbstbeobachtung und stärken so ihre Möglichkeiten, den
Erstmals wird die Tagung online übertragen.                         Anfällen zu begegnen.
Mehr Infos unter www.epi-suisse.ch

                                                                                                                                                                                                                                                                            11
PO R T R A I T

     Ils n'ont jamais voulu
     surprotéger leur fils
     La vie de Christian Netzle,                   protéger, ce ne serait pas une vie», précise     réjouit de vivre seul et de se faire de nou-
                                                   le père. Autrement dit, malgré sa maladie,       veaux amis avec lesquels cuisiner et organi-
     22 ans, va bientôt changer                    Christian avait et a toujours le droit de pra-   ser des activités. Les parents sont également
     radicalement. Cet automne,                    tiquer de nombreuses activités: ski de fond,     heureux et fiers que leur fils franchisse cette
                                                   randonnée, golf et même ski de piste. Tou-       étape. «Toute la famille est prête, c’est le bon
     il quittera sans doute la                     jours en compagnie de ses parents. Stephan       moment et Christian s’en sortira certaine-
     maison familiale pour aller                   Netzle en est convaincu: «Pour lui, le risque    ment très bien», explique sa mère.
                                                   zéro serait de passer tout son temps au lit.
     vivre et travailler dans la                   Mais nous avons toujours voulu qu’il mène        Shakira, la chienne d’assistance de Chris-
     communauté d’habitation                       une vie aussi normale que possible. Tout en      tian, restera chez les parents dans un pre-
                                                   étant conscients qu’une crise pourrait surve-    mier temps. Elle fait partie de la famille
     d’une institution sociale.                    nir et qu’il pourrait se blesser.»               depuis trois ans. En tant que chien d’as-
     Jusqu’à récemment, il                                                                          sistance, elle aide Christian de différentes
                                                   IL QUITTERA BIENTÔT LE NID                       façons: ils ont un lien très particulier et le
     n’aurait jamais cru pouvoir                   FAMILIAL                                         jeune homme se sent en sécurité avec elle.
     s’installer un jour dans un                   Le fait que ses parents l’aient encouragé
                                                                                                    Elle a aussi aidé plusieurs fois Christian à
                                                                                                    sortir d’une crise en le léchant. Berit se sou-
     logement protégé.                             à être aussi indépendant et autonome que         vient: «Quand Shakira n’avait que quelques
                                                   possible est aujourd’hui un atout pour le        mois, Christian a eu une crise, elle lui a lé-
     Texte: Carole Bolliger                        jeune homme. A 22 ans, il ira sans doute         ché le visage, il s’est apaisé et les deux se
     Photo: Reto Schlatter                         bientôt vivre et travailler dans une commu-      sont endormis ensemble.» Aujourd’hui en-
                                                   nauté d’habitation de l’EPI WohnWerk. Cette      core, elle a presque les larmes aux yeux en
                                                   perspective l’enthousiasme: «Je pourrai en-      évoquant ce souvenir.
                                                   fin vivre sans mes parents!», s’exclame-t-il,
                                                   tout en s’empressant d’ajou-
          «J’AI DÉJÀ EU L’OCCASION                 ter: «Ce qui ne veut bien
          DE VOLER PLUSIEURS FOIS                  sûr pas dire que je ne
          AVEC LA REGA», RACONTE                   les aime pas.» Il se
              CHRISTIAN NETZLE.

  C
            ela ravirait sans doute bien des pe-
            tits garçons, mais dans son cas, ce
            n’était malheureusement jamais
     des circonstances de rêve. En ce qui
     concerne Christian, la Rega interve-
     nait parce qu’une crise épileptique
     avait provoqué de sévères blessures
     ou ne s’arrêtait plus. Il s’est déjà
     fracturé de nombreux os lors de
     chutes dues à des crises: l’épaule,
     la mâchoire et même le crâne.
     Mais cela ne l’a jamais arrêté.
     C’est un incorrigible optimiste.
     «Christian a toujours accepté
     son sort avec une confiance
     admirable, ce qui nous a aus-
     si aidés, en tant que parents»,
     explique sa mère Berit Netzle-
     Sveine. Son époux Stephan
     et elle sont les personnes les
     plus importantes dans l’exis-
     tence de Christian et font tout
     pour le soutenir. «Mais nous
     n’avons jamais voulu le sur-

12
Mon grand rêve est de devenir
                         chauffeur de trolleybus

Le jeune homme n’a pas eu de crise depuis         tian atteigne l’âge adulte, jusqu’à deux par
plus de six mois, et Shakira intervient donc      semaine aux pires moments.
moins souvent. Ce qui ne les empêche pas
d’être très proches. Christian participe ac-      Après sa scolarité obligatoire, qu’il a suivie à      «CES SEMAINES SONT UN
tuellement à une étude sur un nouveau mé-         l’école Montessori, il a pu trouver un appren-       GRAND SOULAGEMENT POUR
dicament en Allemagne et répond très bien         tissage d’employé de ferme dans une ferme
au traitement. «Depuis que Christian n’a plus     pour adolescents atteints d’un handicap. De-           NOUS ET NOUS SAVONS
de crises, il est beaucoup plus libre de ses      puis quelque temps, il travaille quatre jours       NOTRE FILS ENTRE DE BONNES
mouvements, il peut même faire du vélo et         par semaine dans un atelier protégé, ce qui            MAINS», EXPLIQUE BERIT
se baigner dans le lac avec Shakira et nous»,     lui plaît beaucoup. Il joue du piano et suit
                                                                                                            NETZLE-SVEINE.
s’enthousiasme son père. Toute la famille es-     régulièrement des cours de mathématiques.
père bien sûr qu’il en restera ainsi. Trouver     Il n’a malheureusement pas encore pu ré-
une personne compétente pour s’occuper de         aliser son grand rêve de devenir chauffeur
Christian et soulager les parents n’a en effet    de trolleybus, en raison de sa maladie. Mais
pas toujours été chose facile.                    Christian est fermement convaincu qu’un
                                                  jour, il en conduira un. En attendant, il étu-
IL VEUT ABSOLUMENT DEVENIR                        die scrupuleusement l’horaire des transports
CHAUFFEUR DE BUS                                  publics. Depuis quelques années, il participe
                                                  régulièrement aux camps d’Epi-Suisse. Ce
L’épilepsie a accompagné Christian tout au        sera également le cas cet été, et il s’en réjouit
long de sa vie. A cela s’ajoute un autisme        d’avance, tout comme ses parents.
atypique. Il a eu sa première crise, une ab-
sence, dès l’âge de quatre mois. Puis sa pre-
mière série de crises généralisées s’est pro-
duite, et un traitement médicamenteux a été
mis en place. L’état de mal épileptique ne
s’est pas reproduit jusqu’à ses 17 ans. Mais
tout au long de sa scolarité, il a été victime,
une fois par mois en moyenne, de crises
provoquant des chutes, notamment pendant
les cours de gym. Différents médicaments
ont été testés, puis arrêtés. Les crises avec
chutes ont augmenté peu avant que Chris-

                                                                                                                                   13
A R T I C LE S P É C I A L ISÉ

     La rareté
     des médicaments
     Les difficultés de livraison de médicaments peuvent être à
     l’origine de sérieux problèmes. En Suisse, on estime qu’à tout
     moment, quelque 600 médicaments ne sont pas disponibles, ou
     le sont seulement de manière restreinte. La professeure Barbara
     Tettenborn, présidente de la Ligue Suisse contre l’Epilepsie,
     explique quels sont les médicaments les plus touchés et quel
     problème la prise d’un médicament de substitution pose pour
     les personnes atteintes d’épilepsie.
     Interview: Carole Bolliger

     BARBARA TETTENBORN, LES DIFFICULTÉS              demande accrue. En général, la moitié des        portants stocks de médicaments ont été
     D’APPROVISIONNEMENT EN MÉDICAMENTS               goulets d’étranglement annoncés concernent       constitués dans les hôpitaux pour les pa-
     FONT BEAUCOUP PARLER D’ELLES. DES MÉ-            des médicaments administrés par voie pa-         tients COVID-19 sous respirateur et d’autre
     DICAMENTS DESTINÉS AUX PERSONNES                 rentérale (injection, perfusion), 40% supplé-    part, parce que différents Etats ont tempo-
     ATTEINTES D’ÉPILEPSIE SONT ÉGALEMENT             mentaires, ceux administrés par voie orale       rairement interdit l’exportation de nombreux
     CONCERNÉS. LE PROBLÈME EST-IL NOU-               (comprimés, gélules).                            principes actifs, produits intermédiaires et
     VEAU?  Les difficultés de livraison ne                                                           médicaments. La crise du coronavirus a du-
     datent pas d’hier. Mais la pression sur les      QUELS SONT LES MÉDICAMENTS LES PLUS              rablement perturbé les chaînes de transport.
     coûts dans le système de santé et la mon-        TOUCHÉS?  En termes d’indications, on           Le nombre accru de patients ventilés sur une
     dialisation de la production de produits         note surtout les médicaments pour le sys-        longue durée a en outre entraîné une brus-
     pharmaceutiques ont accentué le problème         tème nerveux (dont font partie les anti-         que augmentation de la demande pour cer-
     au cours des 10 à 15 dernières années. En        convulsifs), pour le système cardiovasculaire    tains médicaments tels que le midazolam, le
     Suisse, on estime qu’à tout moment, quelque      («médicaments pour le cœur») et contre les       propofol ou les myorelaxants.
     600 médicaments ne sont pas disponibles ou       infections (comme les antibiotiques). Par ail-
     le sont seulement de manière restreinte.         leurs, ce sont surtout les médicaments dont      QU’EST-CE QUI, D’APRÈS LA LIGUE, PERMET-
                                                      le brevet a expiré et pour lesquels il existe    TRAIT D’ÉVITER LES GOULETS D’ÉTRANGLE-
     D’OÙ VIENNENT LES GOULETS D’ÉTRANGLE-            des copies (génériques, biosimilaires) qui       MENT EN SUISSE À L’AVENIR?  La Suisse
     MENT? QUEL EST LE PROBLÈME?  Il tient à         sont concernés. La planification à long terme    ne peut pas résoudre le problème à elle seule,
     de multiples facteurs. Un médicament est un      de la consommation devient de plus en plus       parce que son marché pharmaceutique est
     produit particulier, dont le développement,      complexe pour les fabricants et dépendante       beaucoup trop petit à l’échelle mondiale. Il
     l’autorisation, la production, la distribution   d’entreprises concurrentes. La centralisation    faut pour cela une initiative européenne qui
     et la surveillance du marché doivent ré-         de la production de matières premières dans      mette l’accent sur la relocalisation en Europe
     pondre à des normes de qualité spécifiques.      des pays bon marché, comme l’Inde ou la          de la production de principes actifs impor-
     Dans plus de 90% des annonces, les diffi-        Chine, joue certainement un rôle important       tants pour l’approvisionnement, afin de ré-
     cultés d’approvisionnement sont justifiées       dans les difficultés d’approvisionnement, en     duire la dépendance vis-à-vis de fabricants
     par des «problèmes de production». Ceux-ci       raison de problèmes de pureté ou de normes       chinois et indiens. La Ligue contre l’Epilep-
     peuvent entre autres être liés à une modi-       de sécurité et de qualité insuffisantes.         sie met tout en œuvre pour que l’Office fé-
     fication du processus de fabrication, des                                                         déral pour l’approvisionnement économique
     défauts constatés par les autorités, une ca-     LA PANDÉMIE DE CORONAVIRUS A-T-ELLE              du pays inscrive tous les anticonvulsifs sur
     pacité de production insuffisante (principe      ACCENTUÉ LE PROBLÈME?  Oui, de ma-              sa Liste des principes actifs avec obligation
     actif, produit intermédiaire ou fini) ou une     nière ponctuelle, d’une part parce que d’im-     de notifier et de constituer des réserves stra-

14
Prof. Dr. med. Barbara Tettenborn
            Médecin en chef, hôpital cantonal Saint-Gall, Clinique de neurologie
                                 Présidente de la Ligue Suisse contre l’Epilepsie

tégiques. Mais dans le même temps, les fa-                               tiépileptiques, il n’est donc pas recommandé
bricants, grossistes et pharmaciens devraient                            de passer d’un médicament à son équiva-
prendre leurs responsabilités et conserver des                           lent. Lorsqu’il n’est pas possible de l’éviter,
stocks suffisants pour de tels médicaments.                              ce changement doit être discuté de manière
                                                                         approfondie avec un ou une neurologue for-
IL EXISTE POURTANT POUR PRESQUE                                          mé(e) à l’épileptologie.
TOUS LES MÉDICAMENTS DES PRODUITS
DE SUBSTITUTION AUX PRINCIPES ACTIFS                                     QUEL(S) ANTIÉPILEPTIQUE(S) LES DIFFICUL-
IDENTIQUES. QUEL PROBLÈME LA PRISE DE                                    TÉS DE LIVRAISON CONCERNENT-ELLES PLUS
CEUX-CI POSE-T-ELLE AUX PERSONNES AT-                                    PARTICULIÈREMENT?  Le valproate (Depa-
TEINTES D’ÉPILEPSIE?  Il existe souvent des                             kine®, Orfiril®, p. ex.), le clobazam (Urbanyl®),
copies des médicaments dont le brevet a ex-                              la lamotrigine (Lamictal®, p. ex.) et en partie
piré: les fameux génériques. Ils contiennent                             aussi le topiramate (Topamax®, p. ex.).
le même principe actif dans le même do-
sage, mais peuvent différer légèrement de                                QUE CONSEILLEZ-VOUS GLOBALEMENT
l’original en termes de mode ou d’intensité                              AUX PATIENTS? DOIVENT-ILS AVOIR UNE
d’action. De récentes études ont montré que                              RÉSERVE DE MÉDICAMENTS?  Si le traite-
le changement de médication – que ce soit                                ment est stable et a fait ses preuves, un stock     A quoi faut-il faire atten-
le passage d’un original à un générique ou                               pour 3 à 6 mois est tout à fait judicieux. Il
l’inverse – accroît le risque de crise épilep-                           faut alors toujours prendre la boîte la plus        tion lors du stockage/de la
tique, même si le principe actif et le dosage                            ancienne en premier, et la remplacer par            conservation de médica-
du nouveau comprimé sont identiques. En                                  une nouvelle. Stocker davantage de médica-
fonction des fabricants, les médicaments                                 ments chez soi n’est pas conseillé, parce que       ments?
peuvent en effet contenir d’autres liants, co-                           cela risque d’aggraver les difficultés d’appro-
lorants, enrobages, etc. auxquels les patients                           visionnement. Si le traitement change, les
                                                                                                                             D’une manière générale, ils doivent être
atteints d’épilepsie réagissent différemment.                            médicaments ne peuvent plus être utilisés et        conservés hors de portée des enfants,
Une étude de grande ampleur a établi que                                 doivent être éliminés dans les règles de l’art      dans un endroit sec, le plus souvent à
de simples changements de forme et de cou-                               par l’intermédiaire de la pharmacie.                température ambiante, et à l’abri de la
leur d’un antiépileptique peuvent affecter                                                                                   lumière directe du soleil et de l’humidité.
l’observance du traitement, entraînant une                                                                                   La salle de bains n’est donc généralement
augmentation des crises. Dans le cas des an-                                                                                 pas appropriée.

                                                                                                                                                                           15
C O NSE I L S O C IA L

     Obtenir un deuxième
     avis peut aider
     Epi-Suisse propose un conseil social aux personnes
     atteintes d’épilepsie et à leurs proches. La demande est
     grande. Pour notre magazine, Mélanie Volluz répond à des
     questions tirées de son travail quotidien et susceptibles
     d’intéresser un grand nombre de patientes et patients.
     Texte: Mélanie Volluz

     «Mon fils de 10 ans est atteint d’épilepsie, il a été diagnostiqué il y
     a peu à la suite d’un EEG. Il a fait 5 crises généralisées non motrices
     (absences) durant la nuit ces deux dernières années. Le neuropédiatre
     nous a dit qu’il y avait deux options thérapeutiques à ce stade: le traiter
     par médicaments (ce qui comporte parfois des effets secondaires) ou
     observer et voir comment son épilepsie évolue. Nous ne savons que faire
     et souhaitons un autre avis médical. Comment peut-on procéder?»

     Un deuxième avis médical est un droit et peut aider patients et parents
     à faire un choix thérapeutique en connaissance de cause et sereinement.              «Je suis au bénéfice d’une rente d’invalidité entière. Est-ce que j’ai le
     Souvent, les parents hésitent, par crainte de la réaction du médecin.                droit de travailler malgré mon invalidité?»

     Soyez rassurés, la plupart des médecins comprennent que les parents de-              L’invalidité n’est pas une incapacité de travail, mais une diminution de la
     mandent un second avis. Un nouveau diagnostic est un stress considérable             capacité de gain à la suite d’une atteinte à la santé. La rente entière est
     pour vous parents et vous souhaitez le meilleur pour votre enfant. Quoi qu’il        octroyée lorsque le degré d’invalidité est d’au moins 70%. En théorie, cela
     en soit, le médecin a l’obligation de transmettre le dossier médical de votre        vous laisse une capacité de gain de 30%. Ainsi, vous pouvez travailler dans
     enfant à un autre médecin de votre choix. Ce dernier, neutre, donnera son            une activité qui est compatible avec votre santé, en milieu protégé ou
     avis sur la base des examens déjà réalisés, sans effectuer le traitement qui         dans l’économie libre.
     reste du ressort du premier médecin.
                                                                                          Si vous obtenez un contrat de travail, il faut impérativement en informer
     Nous pouvons vous aider à préparer les questions à poser au médecin auprès           l’office AI.
     duquel vous sollicitez un deuxième avis.
                                                                                          Le montant d’une rente étant peu élevé pour vivre décemment, un emploi
     Le deuxième avis médical n’est pas une prestation obligatoire selon la LAMal.        adapté à votre santé peut se révéler non seulement économiquement
     Il est donc important de vérifier au préalable avec l’assureur maladie de votre      intéressant mais également source de satisfaction et de réalisation
     enfant si et dans quelles conditions cette prestation va être remboursée.            personnelle.

     Au final, si vous ne trouvez pas de réponse satisfaisante auprès de l’assureur       Si vous souhaitez calculer quelle est votre capacité de gain résiduelle en
     de votre enfant, n’hésitez pas à contacter le service de conseil social d’Epi        fonction de votre rente de l’assurance invalidité, vous pouvez prendre
     Suisse qui pourra vous orienter sur des organismes de défense des assurés.           contact avec notre service de conseil social.

     CONSEIL SOCIAL

     Dans le cadre du conseil social d’Epi-Suisse, nous soutenons et accompagnons les personnes atteintes d’épilepsie
     et leurs proches dans les questions et problèmes liés à la maladie (concernant l’environnement familial/social, le
     travail, l’école, les assurances sociales, le logement, les loisirs, les secours, les aides, etc.). Les consultations sont
     volontaires et gratuites.                                                                                                          Mélanie Volluz
                                                                                                                                        Conseil social
     021 729 16 86 · info@epi-suisseromande.ch · www.epi-suisse.ch/fr/conseil-social                                                    Romandie

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