Bericht zur Gendersensibilität der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2021
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Bericht zur Gendersensibilität der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2021 Women Engage for a Common Future e.V.
I. Gendersensibilität der SDGs im Einzelnen .................................................................. 1 1. Aufnahme einer Genderperspektive in Indikatoren, Zielen und/oder Maßnahmen ............ 1 a) Gesundheit – SDG 3 ............................................................................................................................. 1 b) Bildung – SDG 4 .................................................................................................................................... 1 c) Geschlechtergerechtigkeit – SDG 5 ...................................................................................................... 1 i. Indikatoren ...................................................................................................................................... 1 ii. Ziele ................................................................................................................................................. 2 d) Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern – SDG 8 ................................................... 2 i. Globale Lieferketten ........................................................................................................................ 2 ii. Erwerbsquote .................................................................................................................................. 3 e) Infrastruktur, Industrialisierung und Innovation – SDG 9 .................................................................... 3 f) Ungleichheiten in und zwischen Ländern verringern – SDG 10 ........................................................... 4 g) Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen – SDG 16 .................................................................................................................. 4 h) Umsetzungsmittel stärken und die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben füllen – SDG 17.................................................................................................................................... 5 2. Sonstige gendersensiblen Erwägungen ............................................................................. 5 3. Fehlende Genderperspektive ............................................................................................ 5 II. Anhang: Schnellübersicht .......................................................................................... 6
I. Gendersensibilität der SDGs im Einzelnen 1. Aufnahme einer Genderperspektive in Indikatoren, Zielen und/oder Maßnahmen a) Gesundheit – SDG 3 Die DNS 2021 greift im Themenfeld „Gesundheit“ lediglich ein zwischen den Geschlechtern differenzierenden Indikator auf: die „Vorzeitige Sterblichkeit“ (3.1.a). Der WECF schlug vor, eine konkretere Zielsetzung, Maßnahmen oder einen messbaren Indikator, mit dem sich die Beeinträchtigung von Chemikalien auf die Gesundheit genderdifferenzierend bemessen und bekämpfen ließe, zu integrieren. Diesem Vorschlag ist nicht nachgekommen worden. b) Bildung – SDG 4 In den Indikatoren „Frühe Schulabgängerinnen und Schulabgänger“ (4.1.a) und „Akademisch Qualifizierte und beruflich Höherqualifizierte“ (4.1.b) werden Daten nach Geschlecht erfasst. Die jeweiligen Ziele werden jedoch einheitlich für beide Geschlechter zusammen formuliert. Der Indikator „Kinderbetreuung“ (4.2.a/b) mit dem Ziel zur besseren Vereinbarkeit von Berufsleben und Familie wirkt zudem (mittelbar) auf eine Gleichstellung von Männern und Frauen hin. c) Geschlechtergerechtigkeit – SDG 5 i. Indikatoren Die überarbeitete Fassung vom März 2021 hat die neuen Indikatoren „Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes“ (5.1.c) und „Väterbeteiligung am Elterngeld“ (5.1.d) entsprechend der DNS-Dialogfassung 2020 aufgenommen. Darüber hinaus sind jedoch keine weiteren Indikatoren hinzugekommen. Insbesondere wurden die vom WECF vorgeschlagenen Indikatoren: 1
1. Einkommenslücke (Gender Pay Gap), 2. Rentenlücke (Gender Pension Gap), 3. Lebenseinkommenslücke (Gender Lifetime Earnings Gap) und 4. Sorgearbeitslücke (Gender Care Gap) nicht in die DNS 2021 aufgenommen. ii. Ziele Die zuvor in der DNS-Dialogfassung Oktober 2020 fehlenden Ziele wurden für die DNS 2021 nun bestimmt. So sieht der Indikator „Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft“ (5.1.b) eine 30-prozentige Beteiligung von Frauen in Aufsichtsräten der börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen bis 2030 vor. Damit wurde das Ziel 5.1.b der DNS 2016 unverändert übernommen. Zielsetzung des neuen Indikators „Frauen in Führungsposition im öffentlichen Dienst des Bundes (5.1.c) ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes bis 2025. Zudem wurde das Ziel des neuen Indikators „Väterbeteiligung am Elterngeld“ (5.1.d) gegenüber der DNS-Dialogfassung Oktober 2020 noch einmal zeitlich konkretisiert. Die 65% Beteiligung soll bis 2030 erfolgen. d) Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern – SDG 8 i. Globale Lieferketten Der WECF wies in Bezug auf das Textilbündnis auf den Bedarf der Reduktion von gesundheitsschädlichen Chemikalien bei der Textilproduktion hin. Vor allem Frauen sind den Gesundheitsrisiken in dieser Branche ausgesetzt. Diese Empfehlung wurde in der DNS 2021 nicht aufgenommen. Davon abgesehen wurden auch keine weiteren Ziele, Indikatoren oder Maßnahmen anvisiert, die die gefährdenden Faktoren für die menschenwürdige Arbeit der Frauen entlang der Lieferketten genauer analysieren und das Recht der Frauen auf menschenwürdige Arbeit geschlechterspezifisch fördern würden. 2
Auch das in der DNS 2021 angesprochene geplante deutsche Lieferkettengesetz adressiert nur punktuell Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit in seinem derzeitigen Entwurf1: Die Lohngleichheit2 und das Diskriminierungsverbot auf Grundlage des Geschlechts3. So bestehen weiterhin große Lücken zum Schutze der Frauenrechte entlang globaler Lieferketten – etwa in den Bereichen sexuelle Gewalt, sexuelle und reproduktive Gesundheit, geschlechterspezifische Hindernisse beim Zugang zu Recht und Beschwerdemechanismen sowie ungleiche Verteilung der Sorgearbeiten.4 Seiner extraterritorialen Verpflichtung aus dem CEDAW Abkommen wird Deutschland daher mit dem derzeitigen Entwurf nicht gerecht. Die fehlende deliktische Haftung sowie die Beschränkung der Reichweite der Sorgfaltspflicht und des persönlichen Anwendungsbereichs entspricht außerdem nicht dem internationalen Standard der VN-Leitprinzipien und sorgt für weitere Einbuße bei der Effektivität des Gesetzes. ii. Erwerbsquote Der Indikatoren für die Erwerbsquote (8.5.a/b) differenzieren zunächst zwischen den Altersgruppen 20-60 Jahren und 60-64 Jahren. Obgleich innerhalb dieser Altersgruppen geschlechterspezifische Daten erhoben werden und die Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen als eine Bestrebung formuliert wird, werden nach wie vor jedenfalls keine konkreteren Maßnahmen vorgestellt, die geeignet wären, vorhandene Hindernisse für Frauen abzubauen und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. e) Infrastruktur, Industrialisierung und Innovation – SDG 9 Ein gendersensibler Indikator ist in SDG 9 nicht vorgesehen. Im Zusammenhang mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Ausland wird jedoch die Förderung von Bildungs- und Trainingsprogrammen für Frauen und Mädchen im Bereich der Digitalisierung angeführt. 1 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, PDF: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg- sorgfaltspflichtengesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1 2 Im LKG geschützt durch: Übereinkommen Nr. 100 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 29. Juni 1951 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit 3 Im LKG geschützt durch: Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1958 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf; Internationaler Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 4 Hierzu ausführlich das vom WECF und 11 weiteren Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen gemeinsame Forderungspapier „Geschlechtergerechtigkeit in globalen Lieferketten“, abrufbar unter https://www.wecf.org/de/wp-content/uploads/2018/10/Lieferkettengesetz.pdf 3
f) Ungleichheiten in und zwischen Ländern verringern – SDG 10 Hier wird das Geschlecht ausdrücklich als ein Diskriminierungsfaktor benannt, insbesondere in Zusammenschau mit der Einkommensfrage. Die Einführung des Mindestlohns wird in diesem Zuge als besonders vorteilhaft für Frauen erwähnt. Ein Indikator hierfür fehlt gleichwohl. Der Indikator „Ausländische Schulabsolventinnen und Schulabsolventen“ (10.1) erfasst geschlechterdifferenzierende Daten. Das Ziel für diesen Indikator wird für beide Geschlechter zusammen formuliert. Außerdem wird das im März 2020 verabschiedete Gesetz zur Erweiterung der Stiefkindadoption in verfestigten Lebensgemeinschaften und die Ehe für Alle als weitere wichtige Errungenschaften zur Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren dargestellt. Hier könnte man aber kritisieren, dass die Gesetzesänderungen weiterreichende Diskriminierungen, vor allem für lesbische Paare, nicht ausgleicht: Bisher ist die Stiefkindadoption für eine Frau die einzige Möglichkeit, die Elternschaft für das Kind ihrer (Ehe-)Partnerin zu erhalten. Anders ist dies bei heterosexuellen Paaren: Empfängt eine Frau ein Kind mittels Samenspende, wird dem heterosexuellen Ehemann (der nicht der biologische Vater ist) über § 1592 BGB, also ohne Stiefkindadoptionsverfahren, die Vaterschaft anerkannt.5 g) Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen – SDG 16 Es wird die strukturell erschwerte Teilnahme von Frauen in Entscheidungsprozessen beleuchtet und in dem Zusammenhang auf die konsequente Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ verwiesen. In Hinsicht auf den Schutz vor sexueller Gewalt wird die Istanbul-Konvention referiert. Im Rahmen der Kleinwaffenkontrolle soll die Einbindung von Frauen für mehr Effektivität sorgen. Entsprechende Indikatoren fehlen in allen Punkten. 5 OLG Celle zweifelte in einem solch gelagerten Fall kürzlich die Verfassungsmäßigkeit von § 1592 BGB an. Das BVerfG soll nun eine Normenkontrolle durchführen: https://oberlandesgericht- celle.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/verfassungsrechtliche-zweifel-an-fehlender- regelung-der-elternstellung-gleichgeschlechtlicher-partner-198821.html 4
h) Umsetzungsmittel stärken und die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben füllen – SDG 17 Der Indikator „Anzahl der Studierenden und Forschenden aus Entwicklungsländern sowie aus LDCs pro Jahr“ (17.2) enthält differenzierende Ausführungen zum Geschlechteranteil. Geschlechterspezifische Ziele/Maßnahmen werden nicht formuliert. 2. Sonstige gendersensiblen Erwägungen Die DNS 2021 weist im Rahmen des SDG 1 „Armut“ darauf hin, dass Frauen regelmäßig stärker von Armut betroffen sind. Etwaige Indikatoren oder Gegenmaßnahmen, die diesen Umstand dokumentieren bzw. ihm entgegenwirken könnten, werden jedoch nicht ins Auge gefasst. In Bezug auf SDG 6 „Wasser“ identifiziert die DNS die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen zwar ausdrücklich als ein Unterziel, jedoch wird dieses weder durch Indikatoren noch durch geplante Maßnahmen weiter thematisiert oder aufgegriffen. 3. Fehlende Genderperspektive Gänzlich ohne gendersensible Erwägungen bleiben SDG 2, 7, 11, 12, 13, 14 und 15. 5
II. Anhang: Schnellübersicht SDG Genderdifferenzierender Geschlechtergerechtigkeit Sonstige Indikator in Ziel/Maßnahmen gendersensible Erwägungen 1 - - + 2 - - - 3 + - - 4 + - + 5 + + + 6 - - + 7 - - - 8 + +/- + 9 - + + 10 + + + 11 - - - 12 - - - 13 - - - 14 - - - 15 - - - 16 - + + 17 + - - Anzahl 6 5 8 gesamt: 6
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