Das Burn-Out-Syndrom aus psychiatrischer Sicht - ULMMED-Gesundheitsforum Mittwoch, 23.03.11 Dr. med. Andreas Wiborg
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Das Burn-Out-Syndrom aus psychiatrischer Sicht ULMMED-Gesundheitsforum Mittwoch, 23.03.11 Dr. med. Andreas Wiborg Praxis für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Wiborg – Dr. Kramer Augsburger Str. 4 – 89231 Neu-Ulm Tel. 0731-72 4002 Fax 0731-72 4506 www.neurologie-neu-ulm.de
Burnout – ein Beispiel Er war der starke Mann und der Hoffnungs- träger der SPD im Jahr 2006. Aber die Last wurde zu schwer. Es sei die "schwierigste Entscheidung" seines Lebens gewesen, sagte Matthias Platzeck heute in Berlin. Wegen massiver gesundheitlicher Probleme habe er "einen Strich" ziehen müssen. Sein Rücktritt sei auf "dringenden ärztlichen Rat" erfolgt. 2006: Einen ersten Hörsturz habe er an Neujahr erlitten. Das habe er zunächst nicht ernst Platzeck zieht den genommen und sei den Ratschlägen seiner Schlussstrich Ärzte nicht gefolgt. Im Februar habe er einen Kreislauf- und Nervenzusammenbruch erlitten, dann folgte der zweite Hörsturz "mit erheblichem Verlust des Hörvermögens". Es habe keine andere "verantwortbare Entscheidung" gegeben, als von seinem Amt zurückzutreten, sagte der sichtlich (Quelle: angeschlagene Platzeck, er habe "einen Der Spiegel ONLINE Strich" ziehen müssen, weil er seine Kräfte 10. April 2006) überschätzt habe. Es hätte keinen Sinn ergeben, "weiter gegen die Wand zu laufen“ 2
Burnout – Die Entwicklung des Begriffs 1970er Jahre Physischer und psychischer Abbau ehrenamtlicher Mitarbeiter von Hilfsorganisationen („Helfersyndrom“) (Freudenberg, 1974) „Die Folgen von schlechten Bedingungen, unter denen viele gute Leute tätig sind“ (Faust) 3
Burnout – Die Entwicklung des Begriffs 1980er Jahre Burnout als typische Belastungsreaktion in sozialen Berufen: (Maslach 1982) Ergebnis einer sozialen Interaktion Nicht „Nein“ nach aussen sagen können. 4
Burnout – Die Entwicklung des Begriffs 1990er Jahre Burnout als Phänomen in allen Berufsgruppen (Schaufeli et al. 1996) Wirtschaftliche Veränderungen Schneller Wandel von rapidem Wachstum und Wirtschaftskrise Wachstum im tertiären Sektor neue Kommunikations- und Informationstechnologien 5
Risikofaktoren Wirtschaftliche Faktoren schneller Verfall des erworbenen Wissens Entwertung der fachlichen Erfahrung ständige Lernanforderungen 24-Stunden-Gesellschaft (Internet, Mobiltelefone etc) Organisatorische Faktoren fehelnde Sinnhaftigkeit bei der Arbeit Informations- und Kommunikationsmangel intellektuelle und emotionale Über-/Unterforderung „Mobbing“ Existenzängste Monotonie steile Karriere 6
Persönlichkeitsmerkmale der Burnout-Gefährdeten 1. Selbstverbrenner ursprünglich dynamisch, zielstrebig, dominant Betonung der eigenen Machtgefühle als Gönner durch „Beglückung“ des anderen nicht Nein zu sich selbst sagen können > Ich kann mich nur auf mich verlassen < 2. Opfer wenig durchsetzungsfähig und passiv Unfähigkeit eigene Bedürfnisse wahrzunehmen nicht Nein zu anderen sagen können > Ich darf nie nein sagen / Ich muss überall helfen< 3. Selbstdiagnostizierte aus positiver Seite des Burnout den Nutzen ziehen Kritiker der Gesellschaft > Ich bin von allen Seiten bedroht < 7
Aspekte des Burn-Out-Syndroms Privatleben Faktoren am Partnerschaft Arbeitsplatz Beziehungen Persönlichkeit Gesundheit Grundhaltung körperliche Fitness 8
Phasenmodell nach Freudenberger 9
1. Eustress (positiver Stress) Anforderung als Herausforderung Gefühl der Kompetenz Gefühl der Freiheit Autonomes Handeln Positives Denken Sich neuen Situationen anpassen können bzw. abschalten können Vielseitige Interessen Zugang zu eigenen Bedürfnissen (innerliche Uhr). 10
2. Arbeit als Sucht Merkmale von Workoholismus Euphorie - Hyperaktivität - gesteigerter Einsatz für Ziele - Gefühl der Unentbehrlichkeit Apathie - Gefühl der Einsamkeit - Ängste - Zurückgezogenheit bzw. Vernachlässigung der gesellschaftlichen Aktivitäten Die Sucht wird verleugnet Das „Glück“ ist von Suchtmittel abhängig Die Dosis der Suchtmittel muss stets erhöht werden (arbeiten, arbeiten, arbeiten…) 11
3. Burn-Out Warnsymptomatik Beschränkung sozialer Kontakte auf Klienten Versagensängste Anforderung als Belastung/Verdrängen von Misserfolgen Zweifel an eigenen Fähigkeiten Unfähigkeit zu entspannen Veränderungen des Gesundheitsverhaltens (schneller Griff zu „alltäglichen“ Beruhigungsmitteln, ungenügend Zeit für Erholungspausen, unregelmässige Einnahme der Mahlzeiten und unausgewogene Zusammensetzung der Nahrung, zu wenig Schlaf, zu wenig Bewegung usw.) 12
4. Burn-Out-Symptomatik Verlust positiver Gefühle gegenüber Klienten und Mitmenschen Zynismus Fluchtphantasien Gefühl ausgenutzt zu werden Stimmungsschwankungen Engegefühle Gefühl von Hilflosigkeit, Tagträume Pessimismus negative Einstellung zur Arbeit / Leben 13
4. Burn-Out-Symptomatik Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeiten Körperliche Erschöpfung Schlafstörungen, Unausgeschlafenheit Beziehungsprobleme sozialer Rückzug Depersonalisation Gefühl, weg von sich zu sein psychosomatische Reaktionen Schwächung der Immunreaktion Unfähigkeit zur Entspannung Sexuelle Probleme Herzklopfen Atembeschwerden 14
4. Burn-Out-Symptomatik Erhöhter Blutdruck Erhöhter Blutzucker Erhöhtes Cholesterin Muskelverspannungen Rückenschmerzen Chronische Kopfschmerzen Magen-/Darm-Beschwerden 15
Burnout und Depression 16
Burnout – Therapie und Prävention Regelmäßige Situationsanalyse (beruflich und privat) Verbesserung der Arbeitsstrukturen Umstellung von Lebensgewohnheiten ggf. Psychotherapie ggf. Psychopharmakotherapie 17
Burnout – Therapie und Prävention Psychiatrische-psychotherapeutische Behandlung bei massiven Schlafstörungen chronischer Müdigkeit Substanzmissbrauch erheblichen körperlichen Symptomen unerklärlichen Stimmungsschwankungen Suizidgedanken 18
Burnout – Therapie und Prävention Stressquellen identifizieren Selbstbeobachtung ggf. Stresstabelle Entspannungsverfahren AT, Muskelrelaxation, Yoga etc Gesunde Lebensführung ausreichender Schlaf, regelmäßiger Schlaf-Wach- Rhythmus regelmäßiger Sport gesunde ausgewogene Ernährung cave Genussmittel (Alkohol, Zigaretten ...) 19
Burnout – Therapie und Prävention Grenzen setzen und Nein-Sagen-Können anderen gegenüber sich selbst gegenüber realistische Ziele setzen eigene Ambitionen bewusst machen kurz- und langfristige Ziele überdenken unterscheiden zwischen lösbaren und unlösbaren Problemen Zeitmanagement ordnen nach Wichtigkeit (Eisenhower-Schreibtisch) Zeitpuffer Arbeitspausen und private Auszeiten 20
Burnout – Therapie und Prävention soziale Kontakte pflegen Austausch über Probleme, Ängste etc regelmäßige Treffen mit Freunden einplanen regelmäßige Unternehmungen mit Familie Freizeitgestaltung angenehme ausgleichende Tätigkeiten (statt „mein Hobby ist mein Beruf“) ausreichende Einplanung von Freizeit- und Erholungsphasen Reflektion der eigenen Einstellung zur Arbeit Umorganisation der Arbeit 21
Burnout – Therapie und Prävention Arbeits- und Erholungspausen strikt einhalten Mittagessen (warm) einplanen und in Ruhe einhalten Termine absagen lernen Pausen einlegen und festlegen (5-10 min/h) Ruhe, kein Telefonat, keine Arbeitsgespräche, keine Zeitung, keine Post Urlaub rechtzeitig planen Wer krank ist, ist krank – und arbeitet nicht 22
Burnout – Therapie und Prävention eigene Grenzen erarbeiten und beachten Arbeitsumgebung so gestalten, dass sie für das eigene Wohlgefühl optimal hergerichtet ist eigene Verantwortlichkeit klären und die von anderen bei den anderen lassen neue und bereichernde Inhalte suchen Berufstätigkeit nicht mehr zur eigenen Bestätigung missbrauchen 23
Noch Fragen? Praxis für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Wiborg – Dr. Kramer Augsburger Str. 4 – 89231 Neu-Ulm Tel. 0731-72 4002 Fax 0731-72 4506 www.neurologie-neu-ulm.de
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