ROADMAP QUANTENCOMPUTING - Quantentechnologien
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2 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Inhalt Vorwort 4 Executive Summary 6 Motivation und Vision 8 Herausforderungen und Lösungen 10 Status quo und Herausforderungen................................................................................................................................ 11 Wettbewerb orchestrieren und Quantencomputer-Systeme realisieren 14 Vision .............................................................................................................................................................................. 14 Konkrete Ziele...................................................................................................................................................................... 14 Handlungsempfehlungen und wettbewerbliche Kriterien......................................................................................... 15 Eingruppierung der Technologieplattformen nach Herausforderungen: „Quantenvorteil“ beziehungsweise „Skalierbarkeit“................................................................................................... 15 Software und Anwendungen ........................................................................................................................................... 15 Infrastruktur ........................................................................................................................................................................ 16 Wirtschaftliche Umsetzung ............................................................................................................................................. 16 Ausbildung und Gesellschaft ........................................................................................................................................... 17 Allgemeine Anforderungen .............................................................................................................................................. 17 Ein ganzheitliches Ökosystem schaffen 18 Unsere Vision für ein erfolgreiches Ökosystem............................................................................................................ 18 Unser Ziel: ein kompetitives Ökosystem........................................................................................................................ 19
INHALT 3 Unser Weg: die Kräfte wirksam bündeln in Hubs und Kompetenznetzwerken 22 Schneller Start und langer Atem ..................................................................................................................................... 23 Hubs: Auswahl, Struktur, Eigenschaften und Inhalte.................................................................................................. 23 Kompetenznetzwerke........................................................................................................................................................ 24 Dachorganisation: Deutsche Quantengemeinschaft (DQG)....................................................................................... 26 Finanzierungsinstrumente................................................................................................................................................. 27 Kompetenzen ausbauen, Komponenten verfügbar machen, Intellectual Property schützen 28 Strategischer Aufbau von Komponenten ....................................................................................................................... 28 Zielsetzung............................................................................................................................................................................ 29 Handlungsempfehlungen.................................................................................................................................................. 29 Strategischer Aufbau von Kompetenzen ....................................................................................................................... 30 Zielsetzung.............................................................................................................................................................................30 Handlungsempfehlungen...................................................................................................................................................30 Intellectual Property (IP)................................................................................................................................................... 31 Handlungsempfehlungen zur Stärkung der IP-Position Deutschlands und Europas.........................................31 Expertenrat 33 Impressum
4 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Prof. Dr. Stefan Filipp Dr.-Ing. E. h. Peter Leibinger Vorwort Die Quantentechnologie besitzt ein enormes Potenzial für Wissen- schaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Quantencomputing zu: Es ist nicht nur ein faszinierender Gedanke, in naher Zukunft Aufgaben zu lösen, an denen heute selbst die leistungsfähigsten Supercomputer scheitern. Es ist für einen führenden Technologiestandort auch ein „Must do“. Für unsere Hightech-Industrie kann der Zugang zu dieser Technologie existenziell sein. Quantencomputer bieten das Potenzial, hochkomplexe Systeme für die Entwicklung neuartiger Batterien oder für die Erforschung medizinischer Wirkstoffe zu simulieren. Darüber hinaus können Quantencomputer weitreichende Effizienzsteigerungen in zahlreichen relevanten Anwen- dungen ermöglichen, von der Optimierung von Verkehrsflüssen oder Pro- duktionsabläufen bis hin zu Modellrechnungen in der Klimaforschung. Es liegt deshalb auf der Hand, dass mit der Quantentechnologie eine enorme Dynamik im globalen Innovationswettstreit verbunden ist. Deutschland und Europa sind hierbei gefordert, ihre Anstrengungen in den kommenden Jahren deutlich zu intensivieren. Der Umgang mit dem Thema Quantencomputing ist dabei durchaus eine Frage der technologischen Souveränität im globalen Wettbewerb mit starken Mitbewerbern vor allem in Asien und den USA. Was Deutschland tun kann, ist, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und diese strategisch auszubauen. Die vielleicht wichtigste Stärke liegt in einer integrierten Landschaft aus Wissenschaft und Industrie mit großen und kleineren Unternehmen. Kaum anderswo auf der Welt existiert eine so eng verzahnte Kette von der Grundlagenforschung über die Entwick- lung von Schlüsseltechnologie in vielen „Hidden Champions“ bis hin zur industriellen Anwendung. Darauf dürfen wir uns jedoch nicht ausruhen, sondern müssen vor allem Geschwindigkeit und Konsequenz erhöhen, mit der Forschungsergebnisse in den Markt gebracht werden. Hierin liegt
INHALT 5 in vollem Bewusstsein der vorhandenen Vorzüge des „deutschen Weges“ noch immer ein gewisses „deutsches Dilemma“, was den Technologie- transfer angeht. In diesem Bewusstsein hat sich ein Expertenrat aus Forschung und Industrie zusammengeschlossen und erstmals eine breit angelegte Road- map zur Quantentechnologie vorgelegt. Wir wollen den gemeinsamen Weg skizzieren und ein Signal setzen für einen noch engeren, am Markt orientierten Schulterschluss von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Dabei ist es eine Binsenweisheit: Wenn wir im globalen Wettbewerb mit zum Teil staatlich unterstützten Akteuren die besten Köpfe gewinnen und starke Teams zusammenbringen wollen, braucht es dafür attraktive, leistungsfähige Strukturen – und ein Handeln aus einem Guss. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind darum enorm. Aber wir machen uns jetzt auf den Weg und bringen Akteure unterschiedlicher Branchen zusammen, die sich einem Ziel mit hoher Tragweite für die deutsche Volkswirtschaft verpflichtet fühlen. In diesem Zusammenhang gilt unser großer Dank den federführenden Ministerien für das Vertrauen und die Unterstützung dieser Initiative. Prof. Dr. Stefan Filipp Dr.-Ing. E. h. Peter Leibinger Professor für Technische Physik – Technische Geschäftsführender Gesellschafter und Universität München Chief Technology Officer (CTO) Direktor am Walther-Meißner-Institut der TRUMPF GmbH + Co. KG Bayerischen Akademie der Wissenschaften
6 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Executive Summary Erste Quantenrechner sind schon jetzt in der Lage, einfache Aufgaben zu bewältigen, und eine Vielzahl von Unternehmen sieht auf diesem Gebiet großes wirtschaftliches Potenzial. Dieses Potenzial reicht von effizienten Algorithmen für Anwendungen über Komponenten bis zum Bau und Betrieb kompletter Systeme. Weltweit hat der Wettbewerb der verschiedenen Technologieplattformen begonnen. Hierbei haben sich Vorreiter etabliert – vor allem aufgrund der Fortschritte von Unternehmen aus dem nordamerikanischen Raum. Der Gewinner auf lange Sicht steht jedoch noch nicht fest. Um Deutschland im Bereich des Quantencomputings in eine weltweit führende Position zu bringen und gemeinsam mit seinen europäischen Partnern technologische Souveränität längerfristig zu gewährleisten, gilt es, jetzt die Kräfte zu bündeln und die Systemintegration ausgewählter Tech- nologieplattformen fokussiert voranzutreiben. Unsere Ziele: • mittelfristig: in fünf bis zehn Jahren einen Quantenvorteil für praxisrelevante Anwendungen • kurzfristig: niederschwelligen Zugang zu heuti- demonstrieren. Nach zehn Jahren wollen wir mit ger Technologie schaffen; in fünf Jahren ein um- souveräner Technologie mit an der Spitze des inter- fassendes Ökosystem und fokussierte Strukturen nationalen Wettbewerbs stehen. aufbauen. Der Meilenstein: ein international wett- bewerbsfähiger Quantenrechner mit mindestens • langfristig: in zehn bis fünfzehn Jahren ein 100 individuell ansteuerbaren Qubits. Das System fehlerkorrigiertes System zur Lösung einer soll auf mindestens 500 Qubits skalierbar sein. universellen Klasse an Problemen zur Verfügung stellen. Damit wollen wir einen breiten Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft erzielen.
EXECUTIVE SUMMARY 7 Der Expertenrat kommt nach eingehender Analyse • Keimzellen für industrielle Systemintegratoren der Ist-Situation zum Ergebnis, dass Deutschland über schaffen, hervorragende wissenschaftliche Kompetenzen sowie eine Fülle an potenziellen Nutzern der Technologie • Start-ups aufbauen und einbinden, verfügt, es aber heute keinen einzelnen Akteur und auch keinen Wissenschaftsverbund gibt, der • starke Positionen im Bereich Intellectual Property die Entwicklung eines Quantencomputer-Systems (IP) aufbauen, übernehmen könnte. Die Kompetenzen sind verteilt und es sind Lücken in der skalierbaren Hardwareent- • souveränen Zugang zu Komponenten und Syste- wicklung, der Systemintegration, dem Software-Stack men sicherstellen und und der IP-Generierung zu erkennen. Weitere Heraus- forderungen sind Bildungsmaßnahmen zum Aufbau • Talente anziehen und fördern. und Erhalt von Kompetenz in Wirtschaft und Wissen- schaft. Defizite bestehen außerdem bei der Verfügbarkeit Mit den Kompetenznetzwerken, die begleitend zu digitaler und technologischer Infrastruktur und es den Hubs etabliert werden, um die Aktivitäten der fehlen die Instrumente und Rahmenbedingungen für Hubs zu verbinden und um übergreifende Themen einen raschen Technologietransfer von der Forschung zu adressieren, werden wir: in die Industrie. • den Zugang zu digitaler und technologischer Infra- Um hier schnellstmöglich voranzukommen, emp- struktur sicherstellen, fiehlt der Expertenrat: • übergreifende Ausbildungsstrukturen schaffen und • den umgehenden wettbewerblichen Aufbau von Hubs und Kompetenznetzwerken. Unternehmen • Anwendungen entwickeln durch den Zugriff auf müssen wir von Beginn an einbinden, um die not- heute verfügbare und künftige Hardware wendige Wirtschaftsorientierung zu gewährleisten und Anreize für private Investitionen zu schaffen. • langfristig angelegte und ausreichend finan- Ebenso müssen Universitäten und Forschungsein- zierte Hubs und Kompetenznetzwerke mit richtungen als wissenschaftliche Kompetenzträger kompetenzorientierter Entscheidungsautorität eingebunden werden. Hubs haben den vertikalen etablieren Aufbau eines Quantencomputing-Systems von Tech- nologieplattformen bis hin zur Software zum Ziel. • die Einrichtung einer ressortübergreifenden Hubs sind teilautonom und dadurch agil, geben sich Dachorganisation – der Deutschen Quanten- selbst mittelfristige Ziele, an denen sie gemessen gemeinschaft DQG vorantreiben. Die DQG soll werden. Das Erreichen dieser eigenen Ziele dient als keine Behörde oder Organisation mit Budgetver- Basis einer weiteren Fokussierung auf die vielver- antwortung sein, sondern ein neuartiges, leichtes sprechendsten Hubs beziehungsweise Technologie- Instrument zur übergreifenden Orchestrierung plattformen nach ca. fünf Jahren. Damit einher geht der Maßnahmen. Sie soll über Strategiekompetenz mittelfristig auch eine zunehmende Fokussierung verfügen, die Roadmap regelmäßig revidieren zur Systemintegration mit Aufbau entsprechender beziehungsweise aktualisieren und die effiziente Infrastruktur. Umsetzung der Gesamtstrategie „Quantencomputer made in Germany“ aus einem Guss sicherstellen. Mit den Hubs werden wir: • unbürokratisch und schnell verteilte Kompetenzen Die Welt wartet nicht auf Deutschland. aus Wissenschaft und Wirtschaft zum Quantencom- Wir müssen jetzt starten. puting bündeln, • Technologiewettbewerb und Fokussierung erzeugen,
8 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Motivation und Vision Erste Quantencomputer sind bereits in der Lage, simple Problemstellungen zu lösen, leiden aber noch unter einer hohen Fehlerwahrscheinlichkeit. Ein sogenannter Quantenvorteil – also die Lösung eines anwendungsrelevanten Problems mit einer Effizienz, die ein klassischer Rechner nie erreichen kann – wird erst mittel- beziehungsweise langfristig erzielt werden können. Anbieter von Quantencomputing-Systemen sind heute nahezu ausschließlich im nordamerikanischen Raum angesiedelt, dicht gefolgt von chinesischen staatlichen Initiativen. Weitere starke Gruppen gibt es unter anderem in Japan und Australien. Daher müssen wir in Deutschland und Europa kurzfristig (in den nächsten fünf Jahren) eine geeignete Struktur aufbauen, um ein komplettes Quantencomputer-System mit Quantenanwendungen zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben und damit den souveränen Zugang zu dieser potenziell disruptiven Technologie sicherzustel- len. Dabei sind Quantencomputer-Systeme ganzheitlich zu verstehen. Das heißt, sowohl Hardware als auch Software bis zur Anwendungsebene sind integrale Bestandteile solch eines Gesamtsystems. Zudem soll auch der Zugriff für Forschende sowie Anwenderinnen und Anwender auf existierende Systeme gewährleis- tet werden, um Geschwindigkeit aufzunehmen und die Erwartungen in Bezug auf Quantencomputing kontinuierlich mit der Realität abzugleichen.
MOTIVATION UND VISION 9 Unser Meilenstein: international wettbewerbsfähige Quantenrechner mit mindestens 100 individuell ansteuerbaren Qubits und Skalierungspotenzial auf 500 Qubits. Mittelfristig (in fünf bis zehn Jahren) muss Deutschland im Verbund mit den europäischen Partnern in der Lage sein, an der Spitze des interna- tionalen Wettbewerbs einen anwendungstauglichen Quantencomputer zu bauen und zu betreiben. Unser Ziel: die Demonstration eines Quantenvorteils für praxisrelevante Anwendungen. Das langfristige Ziel (mindestens zehn bis fünfzehn Jahre) ist es, fehlerkorrigierende Quantencomputer-Systeme zur Lösung einer universellen Klasse an Problemen mit exponentiellem Quantenvorteil zur Verfügung zu stellen. Deutschland soll dabei eine führende Rolle • führender Anbieter und Anwender von Quanten- einnehmen und gemeinsam mit den europäischen computing-Hard- und -Software und Partnern den für die strategische Unabhängigkeit relevanten Teil der Wertschöpfungskette abdecken. • Fabrikausrüster der Welt für Quantencomputing zu werden, Ein wichtiger Teil der Wertschöpfung wird aus Anwen- dungen des Quantencomputers erwachsen. Auf dem • Quantencomputing für innovative Produkte und Weg zu einem fehlerkorrigierenden Quantencomputer- Services zu nutzen, System müssen daher anwendungsspezifische Vorstu- fen (NISQ-Systeme, Quantensimulatoren) erarbeitet • schnell am und im Markt zu sein, werden, um schon kurz- und mittelfristig einen ersten wissenschaftlichen und vor allem kommerziellen Nut- • die technologische Souveränität im Bereich des zen zu erzielen. Diese Wertschöpfung und Verwertung Quantencomputings als Teil der Quantentechno- zeichnen sich vor allem in drei Bereichen ab: logien zu sichern sowie • Herstellung und Betrieb von Quantencomputern, • Fachkräfte auszubilden und Talente zu sichern. um sowohl Anwendern als auch Zulieferern von Komponenten Zugriff zu ermöglichen, • Zulieferung von Hardware und Herstellung von Softwarewerkzeugen unter Etablierung eines ganzheitlichen Quantenökosystems sowie • Entwicklung von Applikationen, um das Potenzial des Quantencomputers von Anfang an gewinnbrin- gend nutzen zu können. Darüber hinaus lassen sich mit den Quantentech- nologien vielfältige Potenziale in den Bereichen Kommunikation und Sensorik erschließen, die mit dem Quantencomputing eng verzahnt sind. Die Vision und das erklärte Ziel für Deutschland und Europa müssen sein:
10 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Herausforderungen und Lösungen Obwohl aktuell einige der zahlreichen Technologieplattformen in der Entwicklung deutlich vorne liegen, ist langfristig noch nicht abzusehen, welche Technologie die zielführende ist. Deshalb gilt es auch auf lange Sicht, Technologieoffenheit für neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zu bewahren. Im Folgenden werden zunächst die gängigsten Technologieplattformen kurz vorgestellt, die wir in naher Zukunft als potenziell relevant für Deutschland sehen. Supraleitende Schaltkreise Prozessor Quantenüberlegenheit für ein akademi- Auf Supraleitern basierende Systeme zählen weltweit sches Beispiel zeigen. Deutschland ist aktuell im zu den führenden Plattformen mit Systemgrößen von Bereich supraleitender Qubits nicht führend, es gibt etwa 50 Qubits. Vor allem die großen amerikanischen aber ernst zu nehmende Aktivitäten in der deutschen Tech-Firmen Google und IBM haben hier Maßstäbe Forschungslandschaft. gesetzt. Im Jahr 2018 konnte Google an einem 53-Qubit-
HERAUSFORDERUNGEN UND LÖSUNGEN 11 Ionen Methoden (Boson Sampling) zu realisieren. Aktuell Auf Ionenfallen basierende Quantencomputer sind wurde Boson Sampling mit 76 Photonen demonstriert neben den supraleitenden Ansätzen die am weitesten und damit Quantenüberlegenheit für ein akademisches entwickelte Technologieplattform. Mit ähnlichen Beispiel gezeigt. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit Systemgrößen und Gattergüten wie bei den Supralei- der nahtlosen Einbindung in Quantenkommunika- tern lassen sich bereits Quantensimulationen durch- tions-Netzwerke. Bei der Skalierung spielt das Know- führen. Der Grundstein für die Entwicklung wurde how zur integrierten Photonik eine wichtige Rolle. Es zunächst unter der Nutzung großer Paulfallen gelegt, existieren prominente Start-ups in Nordamerika, in mittlerweile werden aber skalierbare chipbasierte An- Deutschland gibt es international konkurrenzfähige sätze verfolgt. Deutschland ist in diesem Feld bereits Grundlagenforschung. seit Jahren gut aufgestellt. Jenseits der Technologieplattformen wird es entschei- Neutral-Atome dend sein, Kompetenzen zu Quanteninformations- Neutral-Atome bilden eine weitere interessante Platt- theorie, Algorithmen, Software und Anwendungen form zur Realisierung eines Quantencomputers. Dabei auszubauen. Hier ist Deutschland in Forschung und werden Atome in optischen Pinzetten oder optischen Industrie in einer hervorragenden Ausgangsposition. Gittern gefangen. So lassen sich bis zu hundert Qubits in flexiblen dreidimensionalen Strukturen realisie- ren. Die Gattergüten stehen noch hinter denen der Status quo und Herausforderungen Ionenfallen-Quantencomputer zurück, es konnten hier zuletzt aber deutliche Fortschritte erzielt und auch Aus den verschiedenen möglichen Ansätzen ergibt sich hier größere Systeme realisiert werden. International die Unsicherheit, welche Technologie am Ende das sind in diesem Bereich bereits erste Start-ups aktiv. Rennen machen wird. Außerdem sind für Unternehmen Deutschland ist hier bei der Forschung gut aufgestellt. sowohl der Zeithorizont als auch der konkrete Nutzen potenzieller industrierelevanter Anwendungen schwer Spin-Qubits abschätzbar. Folge ist ein noch zurückhaltendes Spinbasierte Ansätze lassen sich durch Fehlstellen Engagement – sowohl auf Anbieter- als auch auf An- zum Beispiel in Diamanten oder Quantenpunkten in wenderseite. Nach heutigem Stand gibt es in Europa Halbleiterstrukturen realisieren. In ihrer Technolo- niemanden, der die Entwicklung von Quantencom- giereife liegen diese Systeme aktuell deutlich hinter putern ganzheitlich angehen und mit den Akteuren den Ionenfallen- und Supraleiter-Ansätzen. Sie um- aus den USA beziehungsweise China auf Augenhöhe fassen nur wenige Qubits, oft aber mit ausgezeichne- agieren könnte. Um die „Quantencomputer-made-in- ten Gattergüten. Als enormer Vorteil insbesondere bei Germany-Strategie“ erfolgreich umzusetzen, müssen siliziumbasierten Ansätzen gilt die große Ähnlichkeit wir daher einige Herausforderungen meistern. zu klassischer Hardware, sodass die Erfahrung der Halbleiterindustrie für die Skalierung dieser Systeme Insbesondere kleine und mittelständische deutsche genutzt werden kann. Deutsch- land hat sowohl im Bereich der Stickstoff-Fehlstellen-Zentren als auch bei halbleiter- basierten Ansätzen gute For- schungsgruppen. Photonen Photonische Ansätze nutzen die Quantenzustände von Licht und integrierte Photonik, um univer- selle, messbasierte Quantenprozes- soren und anwendungsspezifische
12 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Unternehmen (KMU) besetzen international führende Kultur fördert und deren Finanzierung erleichtert. Positionen bei vielen Basistechnologien des Quan- Bisherige Anstrengungen in Europa sind zu fragmen- tencomputings. Es fehlt jedoch ein ganzheitliches tiert, zu langsam und zu wenig wirtschaftsorientiert. Ökosystem, das alle Stufen der Innovations- und Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel der Aufbau von Wertschöpfungskette umfasst, die Erforschung und Reinräumen und Fertigungen sind in der bestehen- Entwicklung von Spitzentechnologie unterstützt und den Förderlandschaft nur sehr schwer und langfristig gleichzeitig den raschen Marktransfer mit wertschaf- umzusetzen. fenden Anwendungen und Produkten sicherstellt. Im nordamerikanischen Raum haben die risikofreudige Auch ist die Position Deutschlands und Europas bei Start-up-Kultur und die deutlich größere staatliche Intellectual Property (IP) im Bereich Quantencom- Incentivierung und Marktbildung zu einer Vielzahl von puting schwach. Eine solide Basis für die Sicherung Quanten-Start-ups geführt. In Deutschland fehlt ein der Freedom to Operate fehlt. Es gibt zudem nur vergleichbares Umfeld, das die Kooperation zwischen eingeschränkt Zugang zu Quantenrechnern, insbe- und den Know-how-Transfer von der Wissenschaft sondere auf Hardwareebene, sodass eine zielgerichtete in die Wirtschaft flächendeckend stärkt, eine Start-up- und nutzerorientierte Entwicklung von Applikationen
HERAUSFORDERUNGEN UND LÖSUNGEN 13 und Komponenten sowie eine Validierung des Poten- den. Die Hubs sollen hochwertige Aus- und Weiter- zials kaum möglich sind. bildung bieten, die Generierung geistigen Eigen- tums fördern, Start-ups ausgründen und einbinden, Eine weitere Herausforderung ist der trans- und Industrie und Wissenschaft Quantencomputer interdisziplinäre Aufbau von Fähigkeiten und zur Verfügung stellen und technologiespezifische Fertigkeiten, vor allem in den Bereichen Physik, Anwendungen gemeinsam entwickeln. Sie bilden Ingenieurwesen, Informatik und Mathematik – sowohl die Keimzelle für zukünftige Systemintegratoren in Grundlagen als auch in der Anwendung. Aufseiten und -anbieter sowie Anknüpfungspunkte für eine der Hochschulen wird dies zum einen erschwert durch europäische Zusammenarbeit. wenig flexible Strukturen im Bereich von Fächergren- zen und Personalgewinnung (inklusive Forschungs- • die Etablierung von intermediären Vernetzungs- gruppen beziehungsweise Professuren), zum anderen strukturen (Kompetenznetzwerke), die spezifi- durch einen zunehmenden Anteil kurzfristiger sche hubübergreifende Themen in querliegenden drittmittelfinanzierter Projekte im Gegensatz zu einer Feldern wie Quantensoftware und Anwendungen, langfristigen Grundfinanzierung für strukturelle systemrelevante technologische Infrastruktur sowie Einrichtungen. Problematisch ist außerdem der starke Aus- und Weiterbildung adressieren und die Aktivi- Talentabfluss, insbesondere in die USA. Deutschland täten der Hubs verbinden und Europa liegen im Wettbewerb um die besten Köpfe und Firmen zurück. • die Einrichtung einer ressortübergreifenden Dachorganisation – der Deutschen Quantenge- Basierend auf der Analyse des Status quo stellen wir fest: meinschaft (DQG) – zur Selektion, Evaluation zur schrittweisen Konzentration und Koordinierung • In Deutschland sind in erheblichem Umfang der Gesamtstrategie unter Einbindung eines euro- relevante Kompetenzen und Know-how vorhanden. päischen Expertengremiums mit Zuständigkeit für Diese sind aber breit verteilt und noch wenig wirt- alle Evaluationsfragen schaftsorientiert. Weder einzelne Akteure noch existierende Konsortien sind heute in der Lage, die Auf diese Weise schaffen wir eine hohe Sichtbarkeit Entwicklung, den Bau und Betrieb von Quanten- und feste Anlaufstellen, um auf dem Weg weitere computern anzugehen. Um erfolgreich zu sein, Akteure einzubinden. Gleichzeitig bieten wir sowohl müssen wir unsere Kräfte in einem ganzheitlichen der Industrie und insbesondere Start-ups (Zulieferer, Ökosystem bündeln und Aktivitäten koordinieren. Systemintegratoren, Lösungsanbieter, Software- und Dazu sollen von Anfang an starke europäische Anwendungsanbieter und Nutzer) als auch der Wissen- Partner einbezogen und nationale mit europäischen schaft (Forschungsgruppen) einen niederschwelligen Maßnahmen abgestimmt werden. Zugang zu Forschungs- und Fertigungsinfrastruk- tur. Alle Maßnahmen sind generell mit fließendem • Aktuell ist nicht absehbar, welche Technologie- Übergang von staatlicher Förderung und Verantwor- plattform sich am Ende durchsetzen wird. Unter- tung zu marktwirtschaftlichem Antrieb und zuneh- schiedliche Ansätze müssen daher zunächst parallel mender Industriebeteiligung zu gestalten. verfolgt werden, bevor eine weitere Fokussierung der Ressourcen fundiert erfolgen kann. Daraus ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen: • die Einrichtung von Hubs mit dem Ziel, vollstän- dige Quantencomputer-Systeme basierend auf min- destens einer Technologieplattform zu realisieren. Dazu werden die wesentlichen wirtschaftlichen, uni- versitären und wissenschaftlichen Kompetenzträger in den Bereichen Hardware und Software eingebun-
14 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Wettbewerb orchestrieren und Quantencomputer-Systeme realisieren Vision Konkrete Ziele Deutschland muss den Anschluss an führende Quan- Um dies zu erreichen, empfehlen wir: tencomputing-Anbieter herstellen und internationale Wettbewerbsfähigkeit möglichst bis 2025 erreichen. • den schnellstmöglichen Aufbau und Betrieb Auf dem Weg zu einem langfristigen Quantenvorteil von wettbewerbsfähigen Quantencomputer- bei praxisrelevanten Problemen können Vorstufen wie Systemen in Deutschland unter Berücksichtigung NISQ-Rechner oder anwendungsspezifische Quanten- von Hardware, Algorithmen, Software und Anwen- computer/-simulatoren eine erste Wertschöpfung dungen ermöglichen. Für eine zielgerichtete und nutzerorien- tierte Entwicklung dieser ist ein frühestmöglicher Zu- • eine langfristig angelegte Verstetigung der gang für Nutzer und Komponentenanbieter wichtig. Entwicklung durch einen wirksamen Techno-
WETTBEWERB ORCHESTRIEREN UND QUANTENCOMPUTER-SYSTEME REALISIEREN 15 logietransfer und die Ansiedlung von Start-ups, Technologieoffenheit zu ermöglichen, ist aufgrund verbunden mit einer Fokussierung auf die aus- unterschiedlicher Entwicklungsstände eine Differen- sichtsreichen Ansätze, um die Nachhaltigkeit des zierung bei den Technologiezielen notwendig. Jede Aufbaus und damit verbundener Wertschöpfung Plattform als Bestandteil eines Hubs soll sich daher sicherzustellen bei Antragstellung gemäß ihrer technologischen Reife einordnen und bezüglich des internationalen Stands der Technik anhand folgender Parameter positionieren: Handlungsempfehlungen und wettbewerbliche Kriterien • Anzahl Qubits • Satz und Art von Gattern oder Wechselwirkungen/ Wir empfehlen, einen Wettbewerb zum Bau von Quan- Operationen tencomputer-Systemen in fokussierten Strukturen – den Hubs – zu orchestrieren. Die Auswahl der Hubs soll • Qualität der Operationen (Fehler pro Gatter oder unter Beteiligung eines externen, mit europäischen, pro Zeiteinheit) international ausgewiesenen Expertinnen und Exper- ten besetzten, an die Dachorganisation angebundenen • Konnektivität Strategiebeirats anhand objektiver Kriterien erfolgen. Diese dienen ebenfalls zur regelmäßigen, jährlichen • nachgewiesenes Potenzial für Fehlerkorrektur be- Evaluierung, um mittelfristig eine weitere Konzentra- ziehungsweise Fehlervermeidung tion auf die vielversprechendsten Technologieplattfor- men und Hubs zu erreichen. Auch die Kompetenznetz- Die Kategorie „Quantenvorteil“ verspricht, innerhalb werke für Infrastruktur, Anwendung und Ausbildung von fünf Jahren spezifische Problemstellungen müssen in einem wettbewerblichen Verfahren et- schneller und effizienter als existierende klassische abliert werden und für den jeweiligen Bereich genannte Computer zu lösen. Dabei muss bereits zu Beginn Kriterien erfüllen. die Implementierung von Quantenalgorithmen für die genutzte physikalische Plattform (international) Eingruppierung der Technologieplattformen nach nachgewiesen worden sein. Innerhalb von fünf Jah- Herausforderungen: „Quantenvorteil“ beziehungs- ren müssen die Antragsteller einen Quantenvorteil auf weise „Skalierbarkeit“ einem Quantencomputer-System des Hubs demons- trieren. Das System soll auf mindestens 500 Qubits Um eine Fokussierung und gleichzeitig eine gewisse ausgelegt sein und dabei mindestens 100 individuell adressierbare Qubits aufweisen. In der Kategorie „Skalierbarkeit“ wird im gleichen Zeitraum mindestens die Durchführung von Quantenalgorithmen auf einem Quantencomputer- System des Hubs gezeigt sowie ein ambitionierter Ausblick auf wettbewerbsfähige Leistung und Ska- lierbarkeit gegeben. Als Einstiegskriterium dient der Nachweis einer erfolgreichen Verschränkung zweier Qubits auf der genutzten Technologieplattform. Software und Anwendungen Software und Anwendungen müssen alle Funktiona- litäten bereitstellen, um eine Überprüfung der im vorherigen Abschnitt genannten Ziele zu ermöglichen:
16 ROADMAP QUANTENCOMPUTING • praxisrelevante und industrielle Anwendbar- Infrastruktur keit, die einen Quantenvorteil bietet Der Zugang zur nötigen Infrastruktur wie Fabri- • Entwicklung von Algorithmen und informa- kationslinien beziehungsweise Cloud-Zugang muss tionstheoretischen Konzepten mit beweisbarem entweder bereits vorhanden sein oder während des Quantenvorteil Vorhabens aufgebaut werden können. Die Infra- struktur muss hierbei auch anderen Interessenten • Entwicklungsmethodik, Entwicklungswerkzeuge wie Industrie und Forschungsgruppen zu fairen und und Cloud-Ausführungsumgebung. Eine Evaluation transparenten Bedingungen zur Verfügung gestellt erfolgt anhand der Anzahl der Nutzer der Clou- werden (Open Innovation and Testing Labs). dumgebung beziehungsweise Verwendung der Entwicklungswerkzeuge vor allem durch externe Wirtschaftliche Umsetzung Nutzer Es ist eine IP-Aufbaustrategie vorzuweisen, deren • klar definierte Schnittstellen, um Drittanbietern Umsetzung anhand der Anzahl angenommener Pa- Technologiezugriff auf den verschiedenen Techno- tente bewertet wird. Ebenfalls nötig ist ein Konzept logieebenen zu erlauben (beispielsweise Pulsebene, für die aktive Förderung von Firmenausgründun- Firmware, Middleware, Anwendungsebene). Die gen beispielsweise über Gründerzentren oder Inkuba- Evaluation erfolgt anhand der optimierten Ausnut- toren sowie zur Etablierung eines Systemanbieters. zung der Hardware-Ressourcen Der Anteil privaten Kapitals in Form von Eigenbei- trägen an den Gesamtmitteln dient ebenfalls als Be- • Zugriff auf Anwendungen und Software über (cloud- wertungskriterium der Anträge und ermöglicht unter basierte) Schnittstellen (im Sinne von Plattform/Soft- anderem eine intrinsische Fokussierung auf relevante ware-as-a-Service – PaaS/SaaS), um eine breite Basis Anwendungsfelder. für Anwendungsentwicklungen zu schaffen
WETTBEWERB ORCHESTRIEREN UND QUANTENCOMPUTER-SYSTEME REALISIEREN 17 Darüber hinaus ist darzulegen, wie eine Technolo- die exzellente Forschung durch den Aufbau neuer giesouveränität gefördert und – abhängig vom Strukturen zu schwächen. Technologiestatus – mittelfristig erreicht werden kann. Dazu gehört auch das Benennen notwendiger Allgemeine Anforderungen und kritischer Komponenten und Kompetenzen, die in Deutschland und Europa zur Verfügung stehen Die allgemein üblichen Anforderungen an wettbewerb- beziehungsweise aufgebaut werden müssen ( siehe liche Ausschreibungen wie etwa klar definierte Ziele Seite 28 ff.). Insbesondere muss dargestellt sein, wie und Meilensteine, Risikomanagement, effizienter Ein- ein möglicher, durchaus kritisch zu sehender Mitte- satz der Mittel und Diversität sind selbstverständlich leinsatz für Leistungen außereuropäischer Anbieter zu erfüllen, werden in diesem Dokument aber nicht als direkte Hub-Konkurrenten kontinuierlich weiter ausgeführt. reduziert wird. Hier ist eine regelmäßige (jährliche) Überprüfung und Freigabe nach Begutachtung durch Darüber hinaus den Strategiebeirat erforderlich. • muss die Kompetenz bezüglich wissenschaftlicher Ausbildung und Gesellschaft und wirtschaftlicher Vorarbeiten und Expertise bewertet werden, mit besonderem Fokus auf der Ebenfalls bewertet wird die Strategie zur Ausbildung Leitungsstruktur der Hubs beziehungsweise Kom- von Fachkräften, zu Weiterbildungsangeboten in petenznetzwerke. der beziehungsweise für die Wirtschaft sowie zur Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel der langfristigen • müssen Strukturen geschaffen und finanzielle Etablierung der Quantentechnologien in der Gesell- sowie personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt schaft. Das bedingt auch ein Konzept zu Responsible werden, um Anknüpfungspunkte für andere Hubs, Research and Innovation (RRI) beziehungsweise Projekte und Kompetenznetzwerke zu ermöglichen. Technikfolgenabschätzung. Ferner ist die Förderung des Nachwuchses in Wissenschaft und Wirtschaft zu • müssen die einzelnen Bestandteile der Hubs (Hard- bewerten und eine nachhaltige Strategie zu Gleichstel- ware/Software, verschiedene Plattformen etc.) bezie- lung und Diversität vorzuweisen. hungsweise Kompetenznetzwerke, deren Abhän- gigkeiten und Verbindungen klar ausgearbeitet und Um einen effizienten Transfer aus Grundlagenfor- durch die selbst gesetzten Ziele gerechtfertigt sein. schung und angewandten Wissenschaften in in- dustrielle Anwendungen mittelfristig zu etablieren, müssen die Kompetenzträger aus Wissenschaft und Forschung frühzeitig eingebunden werden, ohne dabei
18 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Ein ganzheitliches Ökosystem schaffen Unsere Vision für ein erfolgreiches kette umfasst. Dieses muss auf den besonderen Stärken Ökosystem Deutschlands aufbauen: den exzellenten Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie dem sehr breiten Spektrum innovativer Unternehmen, die sowohl als Quantencomputer-Systeme zu bauen, die in praxis- Technologieanbieter als auch als Anwender agieren. relevanten Anwendungen einen Quantenvorteil bieten, ist als Moonshot-Projekt anzusehen, das mit den bis- Das Versprechen des Quantencomputings wird die- herigen Strukturen und Fördermaßnahmen nicht mit jenige Volkswirtschaft am besten erfüllen, die der gebotenen Geschwindigkeit und den notwendigen wissenschaftliche Exzellenz auf herausragenden Erfolgsaussichten erreichbar ist. Um aus einer erfolg- Technologieplattformen abbildet und mit hoher reichen Mondlandung einen wirtschaftlichen Erfolg Geschwindigkeit Anwendungen und Produkte auf zu machen und Deutschland in diesem Zukunftsfeld dem Markt etablieren kann. Es geht also gleichermaßen an der internationalen Spitze zu positionieren, ist ein um Technologieführerschaft, Anwendungskompetenz komplettes, ganzheitliches Ökosystem zu etablieren, und Umsetzungsgeschwindigkeit. das alle Stufen der Innovations- und Wertschöpfungs-
EIN GANZHEITLICHES ÖKOSYSTEM SCHAFFEN 19 Ein darauf ausgerichtetes Ökosystem muss flexibel Das Ökosystem muss offen genug sein, existierende genug sein, um der äußerst dynamischen und disrup- Technologien wie die großen Plattformen in den USA tiven Landschaft des Quantencomputings gerecht zu oder China in die Wertschöpfungskette zu integrieren werden. Es muss die Entwicklung von Spitzentech- und zügig zu nutzen. Gleichzeitig muss es die Entwick- nologie unterstützen und gleichzeitig den raschen lung wettbewerbsfähiger nationaler beziehungsweise Markttransfer mit wertschaffenden Anwendungen und europäischer Quantencomputer-Systeme ermögli- Produkten sicherstellen. Es muss insbesondere nieder- chen. schwelligen Zugang zu kapitalintensiver Infrastruktur und den entstehenden Quantencomputer-Technolo- Begleitend sind standortübergreifende, neuartige gieplattformen auf allen Ebenen gewährleisten. Aus- und Weiterbildungsformate zu entwickeln, um den Bedarf an Arbeitskräften langfristig abzusichern Die topologische Seite des Ökosystems, das Netzwerk, und die Bildung einer wertschöpfenden Quanten- muss den Know-how-Austausch und -Transfer von Community zu unterstützen. der Wissenschaft in die Wirtschaft flächendeckend stärken und eine Start-up-Kultur fördern. Durch Schaffen einer öffentlichen Nachfrage müssen insbe- Unser Ziel: ein kompetitives sondere kleine und mittelständische Unternehmen Ökosystem als Anbieter eines ganzen Spektrums von Produkten aufgebaut werden. Dieses Spektrum soll von Basis- technologien bis zu Quantenanwendungen reichen, Der Aufbau eines funktionierenden und international die Industrie als Anbieter und Anwender der Quan- kompetitiven Ökosystems braucht eine (Markt-) tentechnologie ergänzen sowie eine deutsche/europä- Perspektive sowie langfristig und gleichzeitig flexibel ische Quantencomputer-Nutzerplattform etablieren. angelegte Fördermaßnahmen, um risikoreiche Techno- Dazu braucht es Strukturen, die Workflows für rasche logieentwicklungen angehen zu können. Ziel muss es Entwicklung, Betrieb und Anwendung der Technolo- sein, dass Unternehmen trotz potenziell hoher Risiken gien ermöglichen und auch durch Standardisierung in dieses Gebiet einsteigen und Start-ups ein optimales Interoperabilität gewährleisten. Wachstumsumfeld erhalten. Dazu braucht es Sichtbar-
20 ROADMAP QUANTENCOMPUTING keit sowohl aktueller Aktivitäten als auch zukünftiger • eine Beschleunigung und Vereinfachung von Ver- Chancen und Mehrwerte. Die unter „Unser Weg: die fahren im Bereich der Forschungsförderung. Kräfte wirksam bündeln in Hubs und Kompetenz- netzwerken“ detailliert erläuterte Struktur aus Konkret bedeutet dies: Hubs und Kompetenznetzwerken unterstützt dies zielgerichtet durch: 1. Langfristig angelegte Hubs unter Beteiligung von Wissenschaft und Wirtschaft mit ausreichen- • eine hohe Sichtbarkeit im Sinne von Leuchtturm- der finanzieller Ausstattung treiben die nötigen projekten, Entwicklungen auf allen Ebenen eines Quanten- computing-Systems parallel voran, bauen System- • das Bündeln von Kompetenzen, das Initiieren von kompetenz auf, stellen die nötige Ausbildungs- und Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirt- Infrastruktur bereit und schaffen die Basis resili- schaft und die Unterstützung eines wirksamen und enter Wertschöpfungsketten für systemkritische schnellen Technologietransfers, Komponenten und Basistechnologien. • die Schaffung fester Anlaufstellen, um weitere 2. Kompetenznetzwerke mit ebenfalls ausreichender Akteure wie Start-ups oder KMU einzubinden und finanzieller Ausstattung adressieren spezifische so stetig die Vernetzung auszubauen und Koopera- Fragestellungen und Herausforderungen in tionen zu vertiefen, querliegenden Feldern wie Quantensoftware und Anwendungen, systemrelevante technologische • klar geregelte und faire Zugangsmodalitäten zu Inf- Infrastruktur sowie Aus- und Weiterbildung. rastrukturen sowohl für die Industrie (Zulieferer, Sys- Konkrete Beispiele dafür werden auf Seite 24 ff. temintegratoren, Lösungsanbieter und Nutzer) als vorgestellt. Diese Netzwerke ermöglichen außerdem auch für Forschungsgruppen (zum Beispiel in Form die Integration bereits existierender Technologien, von sogenannten „Open Innovation and Testing fungieren als sichtbare Anlaufstelle für interes- Labs“ oder kooperativen Technologieparks) sowie sierte Unternehmen und fördern so den Aufbau
EIN GANZHEITLICHES ÖKOSYSTEM SCHAFFEN 21 einer deutschen/europäischen Quantencomputer- Nutzerplattform. Auf diese Weise unterstützen wir den Aufbau einer technologisch breiten Zuliefer-, Anbieter-, Soft- ware- und Anwenderindustrie und etablieren resiliente Wertschöpfungsketten für systemkritische Komponenten und Basistechnologien als Grundlage einer technologischen Souveränität Deutschlands und Europas. Der Aufbau einer Hard- und Software- industrie und von Gesamtsystemanbietern sind zentrale Erfolgsfaktoren für eine kommerziell erfolg- reiche Umsetzung des Quantencomputings. Letzt- endlich geht es darum, in Deutschland und Europa eine Industrielandschaft mit einer kritischen Masse für einen Übergang von „Push to Market“ zu „Market Pull“ zu bilden.
22 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Unser Weg: die Kräfte wirksam bündeln in Hubs und Kompetenz- netzwerken Um die zentralen Aufgaben – den Bau eines Quantencomputing-Systems, seinen Betrieb und seine Bereitstel- lung über Cloud-Dienste sowie den Aufbau eines ganzheitlichen Ökosystems für das Quantencomputing – zu ermöglichen, empfehlen wir wie bereits erwähnt die Schaffung zentraler Knotenpunkte in Form von Hubs, die durch Kompetenznetzwerke für Infrastruktur, Ausbildung und Anwendung für die Nutzung von Synergien sowie die Adressierung querliegender Themen miteinander verbunden sind. Dabei sollen Dopplungen zwischen Kompetenznetzwerken vermieden werden. Insbesondere empfiehlt der Expertenrat, Aktivitäten der Länder in die Hubs und Kompetenznetzwerke einzubeziehen.
UNSER WEG: DIE KRÄFTE WIRKSAM BÜNDELN IN HUBS UND KOMPETENZNETZWERKEN 23 Schneller Start und langer Atem macht den Weg frei für eine Quantensoftware-Industrie. Abhängig von in Deutschland/Europa vorhandenen Kompetenzen kann ein Hub lokalisiert oder delo- Die Welt wartet nicht auf Deutschland. Die vorge- kalisiert organisiert werden. Für eine Stärkung des schlagenen Maßnahmen müssen schnell Wirkung ent- wettbewerblichen Gedankens können zu einer Tech- falten. Daher ist die hier vorgeschlagene Organisation nologieplattform gegebenenfalls auch mehrere Hubs so konzipiert, dass sie mit vorhandenen Instrumenten geschaffen werden, sofern klare Differenzierungsmerk- sofort umsetzbar ist (ähnlich wie zum Beispiel die male vorliegen und jeweils vollständige Quantencom- Maßnahmen der Spitzen- oder Exzellenzcluster), um puter-Systeme adressiert werden. Angestrebt werden sich dann nach einer ersten Anlaufphase in langfristi- ein Zusammenschluss der Besten und eine zunehmen- geren Strukturen zu festigen. de Fokussierung auf die vielversprechendsten Ansätze. Für das Entstehen von Innovationen kann dazu eine Der erste Schritt ist eine Ausschreibung für Hubs und örtliche Nähe der beteiligten Akteure vorteilhaft sein. Kompetenznetzwerke, die unter Berücksichtigung der Vorgaben des Expertenrats vorbereitet und von Außerdem beinhaltet jeder Hub einen Lenkungsaus- den zuständigen Ministerien im ersten Quartal 2021 schuss mit Strategiekompetenz und Verantwor- durchgeführt werden soll. Parallel dazu muss die unten tung (perspektivisch Entscheidungsgewalt), der aus beschriebene Dachorganisation etabliert werden, um Vertreterinnen und Vertretern sowohl der Wissen- die Auswahl zu begleiten und zu beaufsichtigen, damit schaft als auch der Industrie zusammengesetzt ist. die Hubs ihre Tätigkeit noch 2021 aufnehmen können. Im Anschluss können die weiteren Schritte folgen wie Ein Hub hat Zugang zu oder schafft die nötige Infra- etwa die Einrichtung des Hub-Verbands und die Konso- struktur zur Bereitstellung der Hardware und Software. lidierung der gesamten Struktur bis 2024. Zusätzlich leistet er einen Beitrag zur Ausbildung der benötigten Expertinnen und Experten unter anderem durch Vermittlung von Kenntnissen in Hard- und Hubs: Auswahl, Struktur, Eigen- Software (gemeinsame Sprache entwickeln) sowie schaften und Inhalte durch den Aufbau von Bewertungskompetenzen von Anwendungsmöglichkeiten. Koordiniert wird dies durch die jeweiligen Kompetenznetzwerke. Der Hub In einem wettbewerblichen Verfahren sollen einige fungiert darüber hinaus als Inkubator für Ausgrün- wenige Hubs selektiert werden. Dabei geht es nicht in dungen und Start-ups in enger Kooperation mit erster Linie um den Wettbewerb einzelner Akteure, Industrie und bestehenden Angeboten. Ziel ist die sondern darum, die besten Akteure zu Hubs zusammen- Schaffung eines Ökosystems, in dem Start-ups und zuführen. Dies sorgt einerseits für die nötige Fokussie- potenzielle Systemintegratoren entstehen bezie- rung in Deutschland und andererseits für eine kritische hungsweise wachsen können. Für die Systemintegra- Masse für internationale Wettbewerbsfähigkeit und tion sollen die zunächst dezentral organisierten Hubs Technologieführerschaft. Die Auswahl- und Bewer- zunehmend auch räumlich fokussiert werden. tungskriterien werden auf Seite 15 ff. dargestellt. Eine langfristig gesicherte Finanzierung der Hubs Ein Hub enthält mindestens eine Technologie- ist unabdingbar (ähnlich wie beispielsweise bei der plattform für den Bau und Betrieb eines Quanten- Förderung von Exzellenzclustern), um nachhaltig effek- computer-Systems, stellt die nötigen Softwareebenen tives Handeln sicherzustellen. Neben einer Basisfinan- (Kontrollsoftware, Firmware über Middleware bis zur zierung soll dazu als flexibel einsetzbares Instrument Anwendungsebene) für Betrieb und Zugriff bereit eine vom Hub ausgewählte Finanzierung zur Durch- und ermöglicht den Zugang für Anwender über einen führung von externen Anträgen mit wettbewerblicher Cloud-Service in Kooperation mit dem Anwender- Vergabe vorgesehen sein (ähnlich wie etwa bei der kompetenznetzwerk und stellt Zugang zu systemrele- Förderung von Exzellenzclustern oder im Programm vanter Infrastruktur sowie eine Ausbildungsstruktur Zwanzig20 des BMBF). Ein Finanzierungsbeitrag sei- sicher. Dies vermeidet Mehrfachentwicklungen und tens der Industrie ist grundsätzlich Voraussetzung.
24 ROADMAP QUANTENCOMPUTING Für eine langfristige Ausrichtung der Aktivitäten muss Ein Kompetenznetzwerk koordiniert jeweils einen die Entwicklung von Quantencomputer-Systemen in ge- hubübergreifenden Themenbereich, insbesondere in eigneten Betreibermodellen verstetigt werden, die inner- den Schlüsselfeldern Ausbildung, Infrastruktur und halb der Hub-Strukturen ausgearbeitet werden sollen. Anwendungen, und stellt hierfür Anknüpfungspunkte für die Hubs sowie die dafür notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung. Es bündelt Kompetenznetzwerke die in Deutschland/Europa vorhandene Expertise und Kompetenz und fungiert als erster Ansprechpartner Hauptaufgabe der Kompetenznetzwerke ist es, über- für externe Anwender und Stakeholder. Darüber hi- greifende Themenschwerpunkte zu adressieren naus stellt das Netzwerk Standards bereit, koordiniert und die Aktivitäten der Hubs untereinander sowie deren Erstellung, garantiert die Einhaltung anerkannter mit Industrie und externen Anwendern und Qualitätskriterien und stellt in Abstimmung mit dem Bildungseinrichtungen zusammenzuführen. Ange- Strategiebeirat sicher, dass es nicht zu ungewollten lehnt an die Hubs sollen auch die Kompetenznetzwerke Dopplungen kommt. in einem wettbewerblichen Verfahren selektiert werden. Die Auswahl- und Bewertungskriterien sind Die Kompetenznetzwerke verfügen über eigene Projekt- auf Seite 15 ff. aufgeführt. Dabei sollen Dopplungen mittel, um komplementäre Entwicklungsaktivitäten in zwischen Kompetenznetzwerken vermieden werden. enger Abstimmung mit den Hubs durchzuführen. Sie Insbesondere empfehlen wir, Aktivitäten der Länder in operieren entlang selbst definierter Meilensteine sowie die Kompetenznetzwerke einzubeziehen. der Zielvorgaben eines Lenkungsausschusses. Dabei
UNSER WEG: DIE KRÄFTE WIRKSAM BÜNDELN IN HUBS UND KOMPETENZNETZWERKEN 25 werden die für das jeweilige Netzwerk relevantesten Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand ebenso einbezogen wie Vertreterinnen und Ver- treter der Hubs. Sie fördern die Einbindung von Start- ups und Unternehmen, zum Beispiel bei der Entwick- lung von Software-Werkzeugen, Beratungsleistungen, Anwendungen und Ausbildungsprogrammen, und stellen sicher, dass diese auf Infrastrukturen der Hubs zugreifen können. Beispiele für Kompetenznetzwerke Die drei nachfolgenden Kompetenznetzwerke werden exemplarisch vorgestellt und können in Abstimmung mit der DQG strategisch komplettiert werden. 1. Quantencomputing-Anwenderkompetenz- netzwerk Das Quantencomputing-Anwenderkompetenznetzwerk soll zeitnah die bereits bestehenden Möglichkeiten des 2. Kompetenznetzwerk Quanten-Infrastruktur Quantencomputings eruieren und diese Technologien Das Kompetenznetzwerk Quanten-Infrastruktur soll mit hoher Geschwindigkeit für Anwendungen in der die in die Hubs integrierte Infrastruktur wie zum Bei- Industrie wertschöpfend nutzbar machen. Das Netz- spiel die Fertigung von supraleitenden Chips, Atom- werk soll folgende Aufgaben wahrnehmen: fallenchips, Quanten-Photonik sowie spezialisierte Messumgebungen koordinieren und zu einer übergrei- • Identifizierung von Use Cases der Anwenderindustrie fenden Maßnahme zusammenführen. Das Netzwerk und Abschätzung der Tragweite für die jeweilige verfolgt drei Hauptziele: Branche beziehungsweise den jeweiligen Markt • hubübergreifende Koordination von Infrastruktur • schnelle Bereitstellung eines niederschwelligen und deren Adaption auf die spezifischen Quanten- Zugangs zu Quantencomputern und quantum- technologie-Anforderungen sowie Identifikation inspired Hardware für Forschung und Industrie, fehlender systemkritischer Infrastruktur und deren zunächst auf Basis auch international verfügbarer Ergänzung oder Substitution in Europa, begleitet Quantencomputing-Systeme durch die Etablierung von Standards • Aufbau einer unabhängigen Bewertungskompe- • Etablierung einheitlicher und offener Zugangsmo- tenz für die Anwenderindustrie, die Fragen nach delle, zum Beispiel in Form von „Open Innovation Leistungsfähigkeit, Mehrwert, Entwicklungsauf- and Testing Labs“ oder kooperativen Technologie- wand, Trends usw. beantwortet parks mit Personal für den Betrieb der Anlagen und Fertigung von Prototypen nach Spezifikation, um • Bereitstellung von Methodenwissen, Optimierung Start-ups, KMU und Forschenden niederschwel- von Software-Algorithmen und Erstellung von ligen Zugang zu hochinvestiver Infrastruktur zu Entwicklungswerkzeugen für Quantencomputing- ermöglichen Anwendungen und Aufbau einer entsprechenden Anwenderplattform inklusive der Cloudumgebung • Etablierung einer Plattform für eine themen- und für den Zugriff auf die Quantencomputer fächerübergreifende Community an der Schnitt- stelle zwischen Fertigungs- und Messtechnik, • kooperative Durchführung von praxisnahen Pilot- Universitäten, Forschungseinrichtungen und projekten als Basis für die Entwicklung zugehöriger Industrie – insbesondere auch zu den anderen Geschäftsmodelle durch Anwenderunternehmen Quantentechnologie-Themengebieten
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