Besser gleich: Update für die Außen- und Entwicklungspolitik - MÄDCHENBERICHT 2021 - Plan ...
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Inhalt Zusammenfassung4 1. Einleitung6 2. Der internationale Rahmen für eine gleichstellungsorientierte Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe9 3. Konzeptionelle Kriterien: gendertransformative Grundsätze12 4. Gleichstellungsansätze in der Entwicklungszusammenarbeit16 4.1. Genderansatz und Gleichstellungsstrategie in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit 16 4.2. Mädchen und junge Frauen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit 19 4.3. Empfehlungen für die Entwicklungszusammenarbeit 22 4.4. Zusammenfassung 25 5. Gleichstellungsansätze in der humanitären Hilfe26 5.1. Genderansatz und Gleichstellungsstrategie in der deutschen humanitären Hilfe 27 5.2. Empfehlungen für die humanitäre Hilfe 31 5.3. Zusammenfassung 33 6. Finanzielle Mittel für Gleichstellungsansätze34 6.1. Finanzielle Mittel für Maßnahmen mit Gleichstellungsorientierung 34 6.2. Finanzielle Mittel für die Förderung von Mädchen und jungen Frauen 36 6.3. Empfehlungen zur Finanzierung 37 7. Zusammenfassung der Empfehlungen38 8. Anhang: Literatur- und Dokumentenverzeichnis40 8.1. Liste der ausgewerteten Dokumente 40 8.2 Literatur 41 PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021 3
Zusammenfassung Nach Schätzungen des Weltwirtschaftsforums wird Zentrale Ergebnisse es noch etwa 100 Jahre dauern, bis weltweit Gleich- stellung von Frauen und Männern erreicht ist.1 Die Entwicklungszusammenarbeit COVID-19-Pandemie wird diese Entwicklung aller Die untersuchten Ansätze und Strategien der deutschen Voraussicht nach weiter verzögern, wenn sie nicht sogar Entwicklungszusammenarbeit spiegeln die Verankerung bewirkt, dass Fortschritte der vergangenen Jahre wieder von Geschlechtergerechtigkeit in internationalen umgekehrt werden. So wird geschätzt, dass durch die Abkommen wider. Insbesondere das „Übersektorale Schulschließungen 11 Millionen mehr Mädchen weltweit Konzept zur Gleichstellung der Geschlechter“ mit nicht mehr an die Schulen zurückkehren könnten, mit seinem gendertransformativen Ansatz kann so eine verheerenden Auswirkungen auf ihre Zukunft.2 Auch in Grundlage für eine gleichstellungsorientierte Entwick- anderen Bereichen birgt die COVID-19-Pandemie die lungspolitik darstellen. Gefahr, dass bestehende Geschlechterungleichheiten wieder verschärft werden. Dieser gendertransformative Ansatz wird jedoch nicht konsequent in allen Gleichstellungsdokumenten, wie Um diesen Entwicklungen entgegenzutreten, ist es aus dem Gender Aktionsplan (GAP) II und den dazuge der Sicht von Plan International notwendig, dass die hörigen Roadmaps, verfolgt. Insbesondere im Rahmen deutsche humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammen- des aktuellen Reformprozesses „BMZ 2030“ besteht arbeit im Rahmen ihrer Außen- und Entwicklungspolitik Handlungsbedarf. einen dezidiert gendertransformativen Ansatz verfolgt. Hierbei gilt es grundsätzliche Fragen nach der Verteilung Mädchen und junge Frauen werden in der Entwick- von Ressourcen und Macht zu stellen und gemeinsam lungszusammenarbeit noch nicht ausreichend als spe- mit Mädchen und Frauen in all ihrer Diversität darauf zifische Zielgruppe und Akteur:innen adressiert. Dies gilt hinzuwirken, Geschlechtergerechtigkeit weltweit zu insbesondere für Bereiche der Entwicklungszusammen- erreichen. Die Bundesregierung hat sich durch interna- arbeit, in denen das Thema Gleichstellung nicht schon tionale Abkommen, wie der Konvention zur Beendigung länger verankert ist. Darüber hinaus werden Jungen aller Formen von Diskriminierung gegenüber Frauen und junge Männer kaum als gleichstellungspolitische (CEDAW), dazu verpflichtet, die Gleichstellung von Akteur:innen adressiert. Frauen und Männern zu erreichen. Dies gilt auch für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe und Humanitäre Hilfe wurde mit der Agenda 2030 noch einmal bestärkt. Als In den Grundlagendokumenten der deutschen humani- Vorbilder gehen Staaten wie Schweden, Kanada oder tären Hilfe des Auswärtigen Amts ist ein Genderansatz Frankreich bereits mit einem feministischen Ansatz in bislang nur punktuell zu erkennen. Allerdings zeigen ihrer Außen- und Entwicklungspolitik voran. aktuell veröffentlichte Gleichstellungsdokumente, dass das Auswärtige Amt gegenwärtig eine erhöhte Aufmerksam- Dieser Mädchenbericht untersucht, inwieweit Ge- keit auf eine Geschlechterperspektive (nicht nur) in der schlechtergleichstellung in der deutschen Entwicklungs- humanitären Hilfe richtet. Dabei zeigt sich in erster Linie zusammenarbeit und humanitären Hilfe verankert ist. ein bedarfsorientierter Ansatz, der auf eine Berücksichti- Dabei wird der Genderansatz, also das grundlegende gung von geschlechtsbezogenen Bedarfen ausgerichtet Verständnis von Gender und Geschlechtergerechtigkeit, ist, ohne in einem gendertransformativen Sinne explizit sowie dessen strategische Implementierung anhand gesellschaftliche Gendernormen und Geschlechterver- von Grundlagen- und Gleichstellungsdokumenten hältnisse zu reflektieren. untersucht. Ergänzt wurde die Analyse durch Interviews mit Vertreter:innen aus dem Auswärtigen Amt und dem Mädchen und junge Frauen werden dabei wie in der Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Entwicklungszusammenarbeit nicht explizit als eine und Entwicklung. eigene Zielgruppe mit spezifischen Bedarfen und Inter- essen adressiert. 1 World Economic Forum (2019): Global Gender Gap Report 2020: http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2020.pdf 2 UNESCO (2020): Addressing the gender dimensions of COVID-related school closures. ED/2020/IN3.1 REV: https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000373379 4 PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021
Finanzierung Politikfeldern berücksichtigt wird, sondern das gesamte Gemessen an den absoluten Beträgen war Deutschland internationale Handeln auf dieses Ziel hin ausgerichtet wird. im Jahr 2019 größter Geber von öffentlichen Entwick- lungsgeldern (Official Development Assistance/ODA) Für eine solche feministische Außen- und Entwicklungs mit Gleichstellungsorientierung. Anteilig an der nach politik muss ein gendertransformativer Ansatz in der Sektoren aufteilbaren bilateralen ODA betrachtet ergibt Entwicklungszusammenarbeit erweitert und vertieft sich jedoch ein anderes Bild. Hier rangiert Deutschland sowie systematisch umgesetzt beziehungsweise für die im internationalen Vergleich nur auf dem 15. Platz und humanitäre Hilfe etabliert werden. Entsprechend müssen damit im Mittelfeld. 44 Prozent der bilateral sektoralen in der Entwicklungszusammenarbeit systematische ODA entfielen auf Maßnahmen, die Gleichstellung im Gleichstellungsansätze gestärkt beziehungsweise in der Nebenziel berücksichtigen, und nur gut 2 Prozent wur- humanitären Hilfe entwickelt werden. Geschlechterge- den für Maßnahmen ausgegeben, die auf Gleichstellung rechtigkeit muss als Ziel in allen Sektoren berücksichtigt als Hauptziel ausgerichtet sind. Mit diesem geringen werden und darf nicht nur auf ausgewählte Bereiche Mittelanteil für spezifische Gleichstellungsmaßnahmen beschränkt bleiben. Die spezifischen Lebensrealitäten, liegt Deutschland im internationalen Gebervergleich Bedarfe und Interessen von Mädchen und jungen Frauen sogar im unteren Feld. In absoluten Zahlen und im zeit- müssen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit lichen Verlauf sind die deutschen Mittel für Maßnahmen und in der deutschen humanitären Hilfe durchgehend mit Gleichstellung als Hauptziel seit 2010 sogar nur berücksichtigt werden. marginal gestiegen. Eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik Zentrale Empfehlungen bedarf entsprechender Finanzierung. 85 Prozent der deutschen ODA-Gelder müssen für Maßnahmen einge- Das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit muss ins setzt werden, die Gleichstellung als Nebenziel stärken. Zentrum der Außen- und Entwicklungspolitik gerückt Langfristig sollen 20 Prozent Maßnahmen gewidmet werden. Das bedeutet, dass eine Perspektive der sein, deren Hauptziel explizit die Stärkung der Rechte Geschlechtergerechtigkeit nicht nur in ausgewählten von Mädchen und Frauen ist. Foto: Plan International PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021 5
1. Einleitung Mädchen und Frauen sind im alltäglichen Leben, Grund dafür ist auch die noch in fast allen Ländern in allen sozialen, politischen und wirtschaftlichen vorherrschende geschlechterdifferenzierte Machtver Bereichen nicht gleichgestellt. Benachteiligungen, teilung und ein Rollenverständnis, dass Hausarbeit und Diskriminierung und Gewalt treffen Mädchen und Kinderbetreuung Frauensache sei. Mädchen und junge Frauen aller Altersgruppen, aller sozialen und öko- Frauen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sexuali- nomischen Schichten, weltweit in friedlichen wie sierte Gewalt zu erleben, gegen ihren Willen verheiratet in Krisenzeiten. Sie sind in besonderem Maße von zu werden und dauerhaft die Schule verlassen zu Armut, kriegerischen Auseinandersetzungen und müssen. Damit wird ihre Chance auf ein selbstbestimm- von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen. tes Leben minimiert. Die Gleichstellung von Mädchen In vielen Ländern sind es dabei oft Mädchen und und Jungen, von jungen Frauen und Männern, gleiche junge Frauen, die besondere Benachteiligungen Beteiligungs- und Einflussmöglichkeiten, Freiheit und und Gefährdungen erfahren. Sie haben sowohl Selbstbestimmung weltweit sind aber ein Schlüssel für aufgrund ihres Alters als auch aufgrund ihres nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung. Für Geschlechts spezifische Risiken, Bedarfe und die Sicherung eines gleichen Zugangs aller Menschen Interessen. So schätzt das Weltwirtschaftsforum, zu sozialen, ökonomischen und politischen Ressourcen dass es allgemein bei gleichbleibenden Anstren- sowie einer gleichberechtigten Teilhabe und Mitbestim- gungen zur Gleichstellung der Geschlechter noch mung auf allen Ebenen sind die Entwicklung egalitärer etwa 100 Jahre dauert, bis weltweit Gleichstellung Geschlechterleitbilder und strukturelle Veränderungen erreicht wird. Im Bereich der wirtschaftlichen notwendig. Gleichstellung (257 Jahre) wird dieser Prozess sogar noch deutlich länger brauchen.3 Egalitäre Plan International setzt sich daher als politisch unab Geschlechterleitbilder, die auch Veränderungen im hängige Organisation der Entwicklungszusammenarbeit Rollenbild von Jungen und Männern beinhalten, und humanitären Hilfe dafür ein, dass Mädchen und sind noch eher selten die Grundlage für die Aus- Jungen, junge Frauen und Männer weltweit die glei- handlung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen. chen Rechte und Chancen haben, ihre Bedarfe und Interessen berücksichtigt werden und ihre körperliche Durch die COVID-19 Pandemie und die Maßnahmen, Autonomie gesichert ist und legt dabei einen beson- die getroffen werden, um die Ausbreitung zu bremsen, deren Fokus auf Mädchen und junge Frauen. Deshalb haben sich soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten verfolgt Plan das Ziel, alle Projekte und Programme in weltweit vertieft. Mädchen und junge Frauen sind in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe allen Aspekten ihres Lebens davon besonders betroffen. gendertransformativ und partizipativ zu gestalten. Das Während der Schulschließungen, von denen weltweit bedeutet, dass Plan mit seiner Arbeit über die Verbes- circa 1,5 Milliarden Kinder und Jugendliche betroffen serung von Lebensbedingungen von Mädchen und sind4, werden Mädchen häufig in die Pflicht genommen, jungen Frauen hinausgeht. Ziel gendertransformativer zum Einkommen beizutragen oder im Haushalt zu Programmarbeit ist es, ungleiche Machtverhältnisse zu helfen und auf ihre Geschwister aufzupassen, anstatt für verändern, damit die Rechte von Mädchen und jungen die Schule zu lernen.5 Nach Schätzungen der UNESCO Frauen sowie die Gleichberechtigung aller Kinder, könnten bis zu 11 Millionen Mädchen weltweit nicht Jugendlichen und Erwachsenen unabhängig von ihrer mehr an die Schulen zurückkehren.6 Geschlechtsidentität und anderen Merkmalen, wie Be- hinderung, Hautfarbe, ethnischer Herkunft oder sexueller Orientierung gesichert sind. 3 World Economic Forum (2019): Global Gender Gap Report 2020: http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2020.pdf 4 UNESCO (2020): Responding to COVID-19 and beyondThe Global Education Coalition in action. ED/GEC/2020/02: https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000374364 5 Plan International (2020): Halting Lives - The impact of COVID-19 on girls and young women: https://plan-international.org/publications/halting-lives-impact-covid-19-girls 6 UNESCO (2020): Addressing the gender dimensions of COVID-related school closures. ED/2020/IN3.1 REV: https://www.ungei.org/sites/default/files/2021-04/Addres- sing%20the%20gender%20dimensions%20of%20COVID-related%20school%20closures.pdf 6 PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021
Um das Ziel einer geschlechtergerechten Welt erreichen In diesem Bericht wird untersucht, inwieweit Gleich- zu können, bedarf es aus Sicht von Plan International stellungsansätze8 in der deutschen Entwicklungs eines gendertransformativen Ansatzes in der deutschen zusammenarbeit und in der deutschen humanitären Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe. Hilfe verankert sind und dabei Mädchen und junge Frauen Das heißt, Geschlechtergerechtigkeit muss ein zentrales berücksichtigt werden. Dazu wurden internationale Ziel der Außen- und Entwicklungspolitik sein. Dazu Rahmendokumente für Gleichstellungsansätze in der bedarf es einer systematischen Verankerung. In diesem Entwicklungspolitik und der humanitären Hilfe betrachtet Sinne setzt feministische Außen- und Entwicklungs- (Kapitel 2), die gendertransformativen Grundsätze der politik an der ungerechten Verteilung wirtschaftlicher, Arbeit von Plan International dargestellt (Kapitel 3) und politischer und gesellschaftlicher Macht weltweit an. Die auf dieser Grundlage die Regierungsstrategien in der Vision feministischer Außen- und Entwicklungspolitik ist, deutschen Entwicklungszusammenarbeit (Kapitel 4) und dass alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter, der deutschen humanitären Hilfe (Kapitel 5) analysiert. sexueller Orientierung, Behinderung und ethnischer oder Dazu wurden Grundlagen- und Gleichstellungsdokumente sozialer Herkunft gleichberechtigt und friedlich leben aus diesen beiden Handlungsfeldern ausgewertet und können und die gleichen Chancen auf ein sicheres und durch Expert:inneninterviews ergänzt9. selbstbestimmtes Leben haben. Im BMZ findet aktuell im Rahmen des „BMZ Feministische Außen- und Entwicklungspolitik unter- 2030“-Prozesses eine Umstrukturierung statt. stützt die Überwindung von stereotypen Geschlechter- Das bedeutet, die analysierten Dokumente werden in rollen, bekämpft die Akzeptanz geschlechtsbezogener naher Zukunft von neuen Grundsatz- und Strategie- und sexualisierter Gewalt und zielt auf die Veränderung dokumenten abgelöst. Dies wurde bei der Analyse gesellschaftlicher Strukturen, die Frauen und Mädchen und dem Verfassen von Empfehlungen berücksichtigt. benachteiligen. Sie basiert auf einem intersektionalen Die Empfehlungen sind daher auch als Beitrag zu den Verständnis und berücksichtigt damit, dass Menschen Diskussionen rund um das neue Qualitätsmerkmal von Benachteiligungen und Gewaltverhältnissen je „Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung und nach ihrer sozialen Positionierung unterschiedlich und Inklusion“ und seiner Widerspiegelung in den Kern- und mehrfach betroffen sein können, und dass historisch Initiativthemen sowie Sektor- und Länderstrategien gewachsene patriarchale, rassistische und anderweitig zu betrachten. Eine zusammenfassende Darstellung diskriminierende Strukturen, die sich gegenseitig be finanzieller Mittel für einen solchen feministischen Ansatz dingen, überwunden werden müssen. in der Entwicklungspolitik und der humanitären Hilfe schließt sich daran an (Kapitel 6). Schließlich werden Die Ansätze feministischer Außen- und Entwicklungs- Forderungen für eine feministische Außen- und Entwick- politik haben in den letzten Jahren an Dynamik ge- lungspolitik mit spezifischem Fokus auf Mädchen und wonnen, vor allem im Rahmen der Maßnahmen zur junge Frauen formuliert (Kapitel 7). Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustain- able Development Goals – SDGs) und der Umsetzung der UN-Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit, die ihren Ursprung in der UN-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 hat. Schweden und Kanada waren die ersten Länder, die sich zu einer feministischen Außen politik bekannt haben. Später folgten Frankreich, die Niederlande, Mexiko und Spanien. Auch die deutsche Bundesregierung hat den Zusammenhang zwischen Geschlechtergleichstellung, dem Schutz der Menschen- rechte, nachhaltiger Entwicklung und der Wahrung von Frieden und Sicherheit betont.7 7 Grußwort von Außenminister Heiko Maas zur Eröffnung der Veranstaltung Women, Peace and Security Focal Points Network, URL: https://www.auswaertiges-amt.de/ de/newsroom/maas-rede-frauen-frieden-sicherheit/1894654 8 Gleichstellungsansatz wird hier verstanden als Genderansatz und dessen Implementierungsstrategie. 9 Untersucht wurden ausschließlich strategische Dokumente des BMZ und des Auswärtigen Amtes, d.h. s fand keine Untersuchung von einzelnen Programmen und Projekten statt. Daher werden keine Aussagen über den Beitrag von Programmen/Projekten zur Gleichstellung der Geschlechter gemacht. Vielmehr geht es darum, den in den Ministerien verankerten Genderansatz und dessen strategische Umsetzung in den Häusern zu erfassen und auf dieser strategisch, konzeptionellen Ebene Empfehlungen auszusprechen. PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021 7
2. Der internationale Rahmen für eine gleichstellungsorientierte Entwicklungs zusammenarbeit und humanitäre Hilfe Internationale Abkommen verpflichten Deutschland, den Unterscheidungen nicht explizit erwähnt, doch galt Rechten von Mädchen und Frauen zur Durchsetzung es international immer als selbstverständlich, dass die zu verhelfen. Insbesondere zwei sich gegenseitig CEDAW Konvention ohne jegliche Altersgrenzen ergänzende UN-Konventionen bilden den internatio gültig ist. nalen Rechtsrahmen, der die Rechte von Mädchen und jungen Frauen schützen soll: Das Übereinkommen zur In den 1990er Jahren rückten strukturelle Ungleich Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau heiten und Geschlechterverhältnisse zunehmend in den (Convention Against all Forms of Discrimination against Blickpunkt internationaler Politik. Geschlechterungleich- Women, CEDAW) von 1979 und die Kinderrechts heit wurde immer stärker als Folge sozialer, wirtschaft- konvention (Convention on the Rights of the Child, licher und kultureller Strukturen und Machtverhältnisse CRC) von 1989. Diese internationalen Rahmen betrachtet. Im Gegensatz zum „Women and Develop- dokumente bieten klare Ansatzpunkte für eine wirksame ment“ Ansatz wurde im „Gender and Development“ Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe mit dem Ziel Ansatz die Notwendigkeit struktureller Veränderungen der Geschlechtergerechtigkeit und dem besonderen von Geschlechterverhältnissen und Geschlechter- Schutz sowie der besonderen Förderung und Stärkung rollen betont. In diesem Sinne wurde auf der Vierten von Mädchen und jungen Frauen. Weltfrauenkonferenz 1995 die Aktionsplattform von Peking verabschiedet. Bis heute ist sie das umfassendste Der Fokus auf Mädchen und Frauen fügt sich ein in globale Konzept für Gleichstellungspolitiken und die internationale Bemühungen um Gleichstellung und Stärkung von Mädchen und Frauen. In der Aktions Geschlechtergerechtigkeit. Seit den 1960er und 1970er plattform ist auch das Prinzip des Gender Mainstreaming Jahren wurde Frauenförderung auf internationaler Ebene als strategischer Ansatz neben spezifischer Frauen als Instrument der Bekämpfung von Benachteiligung förderung erstmals international verankert worden. und Diskriminierung anerkannt (VENRO 2010). Die zentrale Rolle von Frauen in sozialen und wirtschaft In der Pekinger Aktionsplattform wird außerdem in lichen Entwicklungsprozessen und für das Überleben einem separaten Handlungsfeld die Situation von von Familien wurde zum entwicklungspolitischen Thema Mädchen spezifisch behandelt. Es wird anerkannt, dass („Women in Development“). Kindheit und Jugend von der Zeit des Erwachsenen lebens getrennt als spezifische Lebensphase zu Die CEDAW Konvention wurde 1979 verabschiedet und betrachten sind, und dass sich viele Bedarfe, Interessen ist seither das wichtigste völkerrechtliche Menschen- und Gefährdungen von Mädchen und jungen Frauen rechtsinstrument für Frauen. Es verpflichtet Vertrags- von jenen erwachsener Frauen unterscheiden (UN staaten zur rechtlichen und faktischen Gleichstellung 1995). Die Aktionsplattform ruft deshalb Regierungen, von Frauen und Mädchen in allen Lebensbereichen, ein- Geberländer und -institutionen und die Zivilgesellschaft schließlich der Privatsphäre. Der Staat darf nicht gegen auf, speziell auf Mädchen und junge Frauen gerichtete den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen und muss Formen der Diskriminierung zu beenden – insbesondere aktiv dafür sorgen, die Gleichstellung der Geschlechter in den Themenfeldern Gesundheit, Ernährung, Bildung – in der gesellschaftlichen Realität zu erreichen. Er ist und sicher zu stellen, dass Mädchen und junge Frauen verpflichtet, eine aktive Politik zur Beseitigung der Dis- in allen Bereichen ihre Potentiale und Interessen voll kriminierung von Frauen zu verfolgen (BMFSFJ 2020). verwirklichen können. Die Plattform ruft auch dazu auf, Artikel 1 der Konvention definiert jegliche Unterschei- Daten nach Geschlecht und Alter differenziert zu analy- dung, Ausschluss oder Einschränkung auf Grund des sieren, um auf dieser Grundlage Politiken und Program- Geschlechts als Diskriminierung. Zwar werden Mädchen me zu formulieren und Entscheidungen für eine bessere und junge Frauen sowie altersbasierte Bedarfe und Zukunft für Mädchen und junge Frauen zu treffen. PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021 9
Die gezielte Aufmerksamkeit, die der Situation von Auswirkungen von Kriegen und Konflikten, beispiels Mädchen und jungen Frauen auf der Weltfrauenkonferenz weise die Unterstützung von Überlebenden sexualisierter und in der Aktionsplattform von Peking zuteilwurde, Gewalt, die Verfolgung von Täter:innen, Maßnahmen war unter anderem ein Ergebnis der Diskussionen gegen Frauen- und Menschenhandel und internationale und Verhandlungen, die wenige Jahre zuvor zur Ver- Friedenseinsätze. abschiedung der UN-Kinderrechtskonvention geführt hatten. Sie bereiteten die Grundlage für eine sensiblere Auch in der humanitären Hilfe als einem der spezifi- Wahrnehmung von Kindheit und Jugend als spezifische schen Handlungsfelder der Außenpolitik gibt es inter- Lebensphasen. Seit 1989 schreibt die UN-Kinderrechts- national schon lange Gender (Mainstreaming) Ansätze konvention die Anerkennung von Kindern als Träger:in- und Forderungen nach einer Gleichstellungsperspektive. nen von Menschenrechten fest (OHCHR 1989). Zu den Eine zentrale Grundlage ist das „Gender Handbook for Grundprinzipien der Konvention gehören das Recht auf Humanitarian Action“, das 2006 (komplett überarbeitete Nichtdiskriminierung (Artikel 2), das Recht auf Leben Neuauflage 2018) vom Inter-Agency Standing Commit- und Entwicklung des Kindes (Artikel 6), das Recht auf tee (IASC) für die Koordinierung von humanitärer Hilfe vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls (Arti- veröffentlicht wurde, um Akteur:innen der humanitären kel 3) und das Recht auf Gehör und Berücksichtigung Hilfe zu unterstützen, durchgängig in Problemanalysen, der Meinung des Kindes (Artikel 12) (BMFSFJ, 2020). Planungsmodalitäten und Maßnahmen geschlechts- Neben dem klaren Bekenntnis gegen Diskriminierung bezogene Gefährdungen und Bedarfe zu berücksich- auf der Grundlage des Geschlechtes werden Mädchen tigen (IASC 2018). Das Handbuch bezieht sowohl die in der Kinderrechtskonvention explizit im Zusammenhang gültigen internationalen Rahmendokumente wie die mit den Themen sexuelle Ausbeutung und Mädchen- CEDAW-Konvention ein als auch die Handlungsanwei- handel genannt, unter anderem im entsprechenden sungen von internationalen Organisationen wie UNHCR Fakultativprotokoll der Konvention. Außerdem gibt es oder Internationales Rotes Kreuz/Roter Halbmond, einzelne Stellungnahmen des Kinderrechtsausschus- insbesondere auch zum Thema Gewalt gegen Mädchen ses10 zu Themen, von denen Mädchen und junge und Frauen in humanitären Notsituationen. Frauen in besonderer Weise betroffen sind oder die Gleichberechtigung direkt aufgreifen, zum Beispiel In der 2015 verabschiedeten Agenda für nachhaltige General Comment 1 über die Ziele von Bildung, General Entwicklung (Agenda 2030) wird schließlich die staat- Comment 4 über Jugendgesundheit oder General liche Verantwortung für gerechte Bedingungen für Comment 18 über die Beseitigung negativer kultureller Mädchen und junge Frauen betont und die zentrale Einstellungen und Praktiken.11 Rolle von Geschlechtergerechtigkeit für eine nach haltige Entwicklung hervorgehoben: Alle Menschen Im Jahr 2000 verabschiedete der Sicherheitsrat der sollen gesund und gewaltfrei aufwachsen, lernen und Vereinten Nationen nach jahrelangen Diskussionen sich bilden können und so die Möglichkeiten entwickeln über Genderperspektiven in Krisenprävention, Konflikt können, sich uneingeschränkt von Diskriminierung bewältigung und Wiederaufbau sowie über die Rolle verwirklichen zu können. Geschlechtergleichstellung internationaler Organisation in Friedenseinsätzen die ist einerseits direkt im nachhaltigen Entwicklungsziel Resolution 1325 zur Rolle von Frauen in Friedens- und (SDG) 5 „Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Sicherheitsprozessen (BMFSFJ 2011). Diese Resolution Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen“ UNSCR 1325 betont die zentrale Rolle von Frauen in verankert und andererseits mit vielen weiteren nach den Themenfeldern zivile Krisenprävention, Konflikt haltigen Entwicklungszielen verknüpft. SDG 5 umfasst lösung und Friedenskonsolidierung sowie humanitäre die Beseitigung von Diskriminierung und Gewalt, Teil- Nachkriegseinsätze und Wiederaufbaumaßnahmen. habe und Chancengleichheit, sexuelle und reproduktive Neun weitere UN-Sicherheitsratsresolutionen zum Gesundheit, Rechte über Vermögen und Eigentum, Themenkomplex „Frauen, Frieden, Sicherheit“ wurden Gleichstellungspolitik, und fordert die Anerkennung von in den darauffolgenden Jahren verabschiedet. Sie unbezahlter Pflege- und Hausarbeit. Gleichstellung ist behandeln einzelne Aspekte geschlechtsbezogener über SDG 5 hinaus in neun weiteren SDGs verankert. Der Ausschuss für die Rechte des Kindes ist ein UN-Vertragsorgan. Er überwacht die Einhaltung der Kinderrechtskonvention, durch die periodischen Berichte der 10 Unterzeichnerstaaten und gibt Empfehlungen und Stellungnahmen ab. 11 Der Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen (Committee of the Rights of the Child - CRC)) verfasst regelmäßig sogenannte „General Comments“, Allgemeine Bemerkungen, zu verschiedenen Bestimmungen und Themenbereichen der Konvention. Er trägt damit dazu bei, die Artikel der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (KRK) auf der Grundlage der Rechtsentwicklung und Praxiserfahrung zu interpretieren. „General Comments“ haben die Qualität von Rechtsgutachten und bieten den Vertragsstaaten und deren Organen konkrete Unterstützung bei der Interpretation und Umsetzung der Konvention. Vgl. https://www.kinder-und-jugendrechte.de/ kinderrechte/internationale-vereinbarungen/vn-kinderrechtsausschuss/ 10 PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021
Auf Ebene der Europäischen Union formuliert gegen- Die internationalen Rahmendokumente rufen Re- wärtig der EU-Aktionsplan für die Gleichstellung (GAP) III gierungen und internationale Akteur:innen dazu auf, die Agenda für Gleichstellung und Stärkung von Frauen ausreichende Investitionen in die Realisierung von in der Außen- und Entwicklungspolitik (EU-Kommission/ Frauen- und Mädchenrechten zu tätigen. Allerdings Hoher Vertreter 2020). Der Aktionsplan fasst gleich gab es in der Vergangenheit nie eine valide umfassende stellungspolitische Ziele in den unterschiedlichen Hand- Datengrundlage, um Investitionen in ihrer Gesamtheit lungsfeldern der Außen- und Entwicklungspolitik in ei- nachvollziehen und überprüfen zu können. nem politischen Rahmen zusammen. Die thematischen Schwerpunktbereiche sind Schutz vor jeglicher Form Während es also einen vielgestaltigen internationalen geschlechtsbezogener Gewalt; Förderung der sexuellen Rahmen für Gleichstellungspolitiken gibt, offenbaren und reproduktiven Gesundheit und der damit verbunde- sich Schwächen in Bezug auf eine spezifische Be- nen Rechte; Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen rücksichtigung von Mädchen und jungen Frauen. So Rechte und der Selbstbestimmung von Mädchen und werden Mädchen und junge Frauen teilweise nicht als Frauen: Förderung von gleichberechtigter Teilhabe und eigene Rechtssubjekte mit spezifischen Gefährdungen, Übernahme von Führungspositionen, Umsetzung der Bedarfen und Interessen aufgrund ihres Alters und ihres Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit, Bewältigung Geschlechts wahrgenommen. Stattdessen werden sie der Herausforderungen und Nutzung der Chancen, die entweder bei Kindern, Heranwachsenden und Jugend- der grüne und der digitale Wandel bieten. Dem Handeln lichen oder bei Frauen „mitgemeint“. Die besonderen der EU und auch einzelnen Maßnahmen soll ein Ver- Lebenslagen, Risiken und Bedarfe von Mädchen und ständnis für Mehrfachdiskriminierungen zugrunde liegen jungen Frauen sind, teilweise mangels Daten, oft nicht und die „besonderen Schwierigkeiten von Mädchen sichtbar, so dass bei der Entwicklung von Interventionen und älteren Frauen“ sollen berücksichtigt werden. die Ursachen und Zusammenhänge der Lebensrealitäten Junge Menschen werden als „Triebfedern des Wandels“ von Mädchen nicht adressiert werden (UNICEF u.a. verstanden, so dass die Förderung bürgerschaftlichen 2020). Die spezifischen und langanhaltenden Aus Engagements junger Frauen und die Notwendigkeit wirkungen von Menschenrechtsverletzungen an Mäd- der Förderung des Zugangs zu Führungspositionen chen und jungen Frauen und ihre spezifische Situation besonders betont werden. Weiterhin werden Mädchen werden auch in Genderanalysen, geschlechtsbezogenen und junge Frauen explizit genannt in Bezug auf den Handlungsansätzen und Gleichstellungsstrategien und thematischen Schwerpunktbereich wirtschaftliche und Herangehensweisen nicht immer deutlich.14 Mädchen soziale Rechte sowie bei den Themen Bildung, Gesund- und junge Frauen werden somit nicht durchgängig als heit, Digitalisierung und Gewaltschutz. Akteur:innen und Gestalter:innen von Gesellschaft wahr- genommen und gefördert, solange der Blick nicht auch Der Aktionsplan enthält die Verpflichtung, dass „bis explizit auf ihre spezifischen Lebensrealitäten gelenkt 2025 mindestens 85 Prozent aller neuen Maßnahmen wird. im Außenbereich als Hauptziel oder wesentliches Ziel die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung Dabei steht die besonders starke und geschlechtsbe- der Rolle von Frauen und Mädchen aufnehmen.“12 zogene Betroffenheit von Mädchen und jungen Frauen Für das Handlungsfeld der humanitären Hilfe legt der von globalen, regionalen und nationalen Entwicklungen EU-Aktionsplan besonderen Wert auf geschlechts- und mittlerweile außer Frage. In der COVID-19 Pandemie altersspezifisches Handeln in allen Maßnahmen, das beispielweise sind Mädchen und junge Frauen sowohl in durch den Einsatz des humanitären Gleichstellungs-/ Bezug auf ihren Zugang zu Bildung und Arbeit besonders Altersmarkers der Kommission unterstützt werden soll.13 betroffen, sie tragen aber auch ein erhöhtes Risiko Außerdem sollen in der Umsetzung des GAP III humani- für Zwangsehen, leisten mehr unbezahlte Haus- und täre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedens- Sorgearbeit und haben einen schlechteren Zugang zu förderung im Rahmen des Nexus-Ansatzes verknüpft reproduktiver Gesundheit sowie ein erhöhtes Risiko, und die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum und im sozialen Akteur:innen nachdrücklich gefördert werden. Nahraum zu erfahren (Plan International 2020). 12 Im „Außenbereich“ umfasst das auswärtige Handeln der EU in allen außenpolitischen Maßnahmen und Sektoren. Für die Einstufung von Maßnahmen gemäß ihres Hauptziels oder wesentlichen Ziels wird das Bewertungssystem des OECD DAC für die Gleichstellung der Geschlechter angewandt. In diesem Sinne bedeutet „erheb- lich“ (Marker 1), dass die Gleichstellung der Geschlechter ein wichtiges, aber nicht das vorrangige Ziel der Maßnahme ist, während mit „hauptsächlich“ (Marker 2) die Gleichstellung als Hauptziel der Maßnahme gekennzeichnet wird. 13 Vgl. URL: https://ec.europa.eu/echo/files/policies/sectoral/gender_age_marker_toolkit.pdf 14 Beispielsweise werden im General Comment 14 der CEDAW Konvention, der sich mit weiblicher Genitalverstümmelung befasst, Mädchen kein einziges Mal explizit genannt, obwohl sie erwiesenermaßen häufiger von FGM betroffen sind als erwachsene Frauen. PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021 11
3. Konzeptionelle Kriterien: gendertransformative Grundsätze Foto: Plan International 12 PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021
Durch die vielfältigen internationalen Abkommen be- stellungsdokumente aus diesen beiden Handlungs steht auch für die Bundesregierung die Verpflichtung, feldern ausgewertet und durch Expert:inneninterviews Gleichstellungsansätze in der deutschen Entwicklungs- ergänzt. In den Blick genommen wurden dabei sowohl zusammenarbeit und humanitären Hilfe zu verankern. der Genderansatz (die inhaltliche Ausrichtung) als auch Um zu untersuchen, inwieweit das der Fall ist, wurden die Gleichstellungsstrategie (die strategische Implemen- für diesen Mädchenbericht Grundlagen- und Gleich tierung). Während der Genderansatz die grundsätzliche Aus- richtung, wie beziehungsweise mit welcher Zielrichtung Geschlechterfragen in der Entwicklungszusammen- arbeit und humanitären Hilfe berücksichtigt werden, darstellt, beschreibt eine Gleichstellungsstrategie, wie systematisch ein Genderansatz in den Handlungsfeldern der Außen- und Entwicklungspolitik im Hinblick auf die konkrete Umsetzung implementiert werden soll. Eine systematische Gleichstellungsstrategie beruht auf analy- tischen Problembeschreibungen (Genderanalysen) sowie einer Analyse von möglichen geschlechtsbezogenen Auswirkungen aller Handlungsansätze und Maßnahmen (Gender Impact Assessment) und formuliert auf dieser Grundlage konkrete Gleichstellungsziele, geschlechts- bezogene Handlungsansätze und eine konkrete Imple- mentierungsstrategie (Bergmann/Pimminger 2004). Als Genderansatz wiederum lassen sich ein Bedarfs- ansatz, ein Akteur:innenansatz und ein gendertrans- formativer Ansatz unterscheiden15. Ein Bedarfsansatz versteht Mädchen und Frauen in erster Linie als eine der besonders benachteiligten beziehungsweise vul- nerablen Gruppen und zielt auf die Berücksichtigung geschlechtsbezogener Bedarfe und auf einen gleichen beziehungsweise bedarfsgerechten Zugang zu Maßnah- men und Unterstützungsangeboten16. Ein Akteur:innen- ansatz hebt demgegenüber Frauen insbesondere als Akteur:innen (beispielsweise in ihrer Rolle als Familien- versorger:in und Aufrechterhalter:in gemeinschaftlicher Strukturen) hervor. Unterschiede zwischen Frauen und Männern sollen berücksichtigt und Frauen als Ak- teur:innen einbezogen werden, insbesondere auch um Maßnahmen effizienter und wirksamer zu gestalten17. 15 Nach Olivius (2016), die auf Grundlage von Fallstudien im Feld der humanitären Hilfe zwischen „basic needs approach“, „instrumentalist approach“ und „moderni- zation approach“ unterscheidet. 16 Im entwicklungspolitischen Feld gibt es eine lange Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Bedarfen von Frauen sowie mit gendergerechten Planungsprozessen (vgl. bspw. Moser 1993). Dabei hat sich für entwicklungs politische Genderansätze ein Verständnis durchgesetzt, das zwischen praktischen geschlechtsbezogenen Bedarfen und strategischen, auf Gleichstellung orientierte Interessen unterscheidet. Diese zu verbinden ist ein Anliegen insbesondere von gendertransformativen Ansätzen. 17 Kritisch diskutiert wird dass sich internationale Organisationen oder Regie- rungen auf Akteur:innenansätze beziehen bei der Integration von Frauen in Wirtschaftskreisläufe und Entwicklungspolitik, um sich die geschlechtsbezogene Arbeitsteilung und Gendernormen zunutze machen, ohne notwendigerweise wirtschaftliche und soziale Verhältnisse geschlechtergerecht zu transformieren (vgl. bspw. Wichterich 2007). PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021 13
Ein gendertransformativer Ansatz schließlich betont, dass ein Verständnis von Gendernormen und gesell- • V erbesserung der Situation (praktische schaftlichen Geschlechterverhältnissen nicht nur für Bedarfe) und der sozialen Position eine bedarfsgerechte Berücksichtigung von Frauen und (strukturelle Ziele) von Mädchen und Mädchen notwendig ist, sondern auch für die Förderung jungen Frauen von sozialem Wandel zu geschlechtergerechteren Ein gendertransformativer Ansatz verbessert Gesellschaften. den Lebensalltag und die soziale Stellung von Mädchen und jungen Frauen in der Gesell- Plan International setzt sich in seinem weltweiten En- schaft. gagement für Kinder und Jugendliche für das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit ein und verfolgt dabei einen • Aktivierung von Jungen und Männern als gendertransformativen Ansatz. Das bedeutet, dass die Akteure für Geschlechtergerechtigkeit und Programme und Projekte darauf ausgerichtet sind, die Stärkung positiver Männlichkeitsleitbilder grundlegenden Ursachen von Geschlechterungerechtig Ein gendertransformativer Ansatz arbeitet mit keit und bestehende Machtverhältnisse sichtbar zu Jungen und jungen Männern zusammen, damit machen und zu verändern. Damit geht der gendertrans- auch sie sich für die Gleichstellung von Mäd- formative Ansatz von Plan über die Verbesserung von chen und jungen Frauen einsetzen, aber auch Lebensbedingungen von Mädchen und Frauen hinaus für sie selbst ein positives Männlichkeitsbild und zielt auf die Verbesserung ihrer sozialen und gesell- erreicht wird. schaftlichen Position ab sowie auf die Verwirklichung ihrer Rechte. Plan hat sich daher zum Ziel gesetzt, dass • B erücksichtigung einer intersektionalen alle Programme und Projekte in diesem Sinne gender- Perspektive transformativ sein sollen und dafür eigens einen Marker Ein gendertransformativer Ansatz nimmt entwickelt, der das gendertransformative Potenzial von Mädchen und Jungen, junge Frauen und Programmen und Projekten misst. Dieser beruht auf Männer in ihrer Vielfalt wahr. den folgenden sechs gendertransformativen Grund sätzen: • S chaffung von gleichstellungsfördernden Rahmenbedingungen (Gesetzeslage, Politiken, Institutionen) Ein gendertransformativer Ansatz schafft ein • Überwindung von schädlichen positives Umfeld, das dazu beiträgt, Mädchen Geschlechterrollen und Entwicklung von und junge Frauen zu unterstützen und egalitären Geschlechterleitbildern Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Ein gendertransformativer Ansatz versteht und adressiert, wie Gendernormen Kinder und Jugendliche mit lebenslangen Konsequenzen beeinflussen. Den Analysen und Empfehlungen des Mädchenberichts liegt ein gendertransformatives Verständnis im Sinne • S tärkung der Handlungsfähigkeit und dieser sechs Grundsätze zugrunde. Eine gendertrans- Empowerment von Mädchen und jungen formative Perspektive muss auf der strategischen, also Frauen der Projektebene übergeordneten Ebene konzeptionell Ein gendertransformativer Ansatz stärkt Mäd- und praktisch verankert sein. Nur so kann sichergestellt chen und junge Frauen in Entscheidungs werden, dass alle Programme und Projekte effektiv auf prozessen, die sie selbst betreffen, im Rahmen die Veränderung von Gendernormen und Geschlechter- von Familie, Gemeinschaft und Kommune, aber verhältnissen zielen und Mädchen und Frauen Chancen auch darüber hinaus auf nationaler, regionaler auf wirkliche soziale, politische und ökonomische Teil und internationaler Ebene. habe eröffnen. 14 PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021
Abbildung 1 Genderansatz = strategische Implementierung des Genderansatzes Gleichstellungsstrategie Bedarfsansatz Betont Mädchen und Frauen als eine der besonders benachteiligten bzw. vulnerablen Gruppen und zielt auf die Berücksichtigung geschlechtsbezogener Bedarfe und auf einen gleichen bzw. bedarfsgerechten Zugang zu Maßnahmen und Unterstützungsangeboten. Akteur:innenansatz Betont Mädchen und Frauen als Akteur:innen und zielt auf ihre Einbeziehung ab, insbesondere auch um Maßnahmen effizienter und wirksamer zu gestalten. Gendertransformativer Ansatz Betont, dass ein Verständnis von Gendernormen und gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen nicht nur für eine bedarfsgerechte Berücksichtigung von Frauen und Mädchen notwendig ist, sondern auch für die Förderung von sozialem Wandel zu geschlechtergerechteren Gesellschaften. Plans Grundsätze für eine gendertransformative Programmarbeit 1. Überwindung von schädlichen Geschlechterrollen und Entwicklung von egalitären Geschlechterleitbildern 2. Stärkung der Handlungsfähigkeit und Empowerment von Mädchen und jungen Frauen 3. Verbesserung der Situation (praktische Bedarfe) und der sozialen Position (strukturelle Ziele) von Mädchen und jungen Frauen 4. Aktivierung von Jungen und Männern als Akteure für Geschlechter gerechtigkeit und Stärkung positiver Männlichkeitsleitbilder 5. Berücksichtigung einer intersektionalen Perspektive 6. Schaffung von gleichstellungsfördernden Rahmenbedingungen (Gesetzeslage, Politiken, Institutionen) PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021 15
4. Gleichstellungsansätze in der Entwicklungszusammenarbeit 4.1. Genderansatz und Der Ansatz ist verbindlich für die Institutionen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Ziel entwick- Gleichstellungsstrategie lungspolitischen Handelns im Sinn dieses Konzepts in der deutschen Entwicklungs ist es, Benachteiligungen von Mädchen und Frauen zu beenden, Geschlechterhierarchien abzubauen und zusammenarbeit einen Machtausgleich zu erreichen, wie auf der Über- sichtsseite des BMZ ausgeführt: Der „Gender-Ansatz Frauenrechte und Gleichstellungsansätze haben eine der deutschen Entwicklungspolitik [stellt] das Verhältnis lange Geschichte in der Entwicklungszusammenarbeit zwischen den Geschlechtern in den Mittelpunkt: Nur der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind ein Grund- wenn das Bewusstsein und Handeln von Männern, prinzip sowohl staatlicher als auch nichtstaatlicher Ent- Frauen und Menschen mit weiteren Geschlechts wicklungszusammenarbeit. Um den Genderansatz und identitäten verändert wird, lässt sich eine gerechtere die bisherige Gleichstellungsstrategie der deutschen Verteilung von Macht, Verantwortung und Ressourcen Entwicklungszusammenarbeit des Bundesministeriums erreichen“.19 Die Strategie basiert auf einem Verständ- für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nis von „Mehrfach-Diskriminierungen“ aufgrund von (BMZ) vor dem Hintergrund der derzeitigen Reform des Geschlecht, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Haut- BMZ („BMZ 2030“) nachzuzeichnen, wurden Grund farbe, sexueller Orientierung, Behinderung und Alter, die lagendokumente des BMZ ausgewertet und ein Hinter- überwunden werden sollen. grundgespräch mit einer Vertretung des BMZ geführt. Die Liste der ausgewerteten Dokumente findet sich im Anhang. Im Jahr 2014 wurde der Genderansatz des BMZ als ein gendertransformativer Ansatz in einem übersekto- ralen Konzept klar verankert. Es wurde eine dreigleisige Herangehensweise für die deutsche Entwicklungs- zusammenarbeit festgelegt, die aus Gender Main- streaming, Empowerment und Politikdialog besteht (BMZ 2014). Unter Empowerment werden „spezifische Vorhaben, die zu einer deutlichen Stärkung von Frauen- rechten beitragen“, verstanden. Die Berücksichtigung der „unterschiedlichen Lebenslagen und Interessen“ von „Frauen, Männern und Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten“ in allen entwicklungspolitischen Strategien, Programmen und Projekten entspricht dem Leitbild des Gender Mainstreaming. Drittens sollten bei Regierungsverhandlungen und -konsultationen und im politischen Dialog zu verschiedenen Sachgebieten und mit anderen Gebern „Gender-Fragen und Frauenrechte Foto: Plan International verstärkt berücksichtigt“ werden.18 18 URL: https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/frauenrechte-und-gender/gender-ansatz-59366 19 URL: https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/frauenrechte-und-gender/gender-ansatz-59366 16 PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021
In Bezug auf die operative Implementierung des Ansat- Das übersektorale Konzept wurde im „Entwicklungs- zes findet sich ein Auftrag zum Gender Mainstreaming politischen Aktionsplan zur Gleichberechtigung der in allen Aspekten der Entwicklungszusammenarbeit, der Geschlechter 2016 – 2020“ (GAP II) konkretisiert und sich an alle Beteiligten richtet: „Alle beteiligten Akteure Schwerpunkte für die Umsetzung wurden formuliert. sind beauftragt, die Gleichberechtigung der Geschlechter Insbesondere wurden Herausforderungen und Poten- als Querschnittsaufgabe in der Planung, Struktur, tiale für die Umsetzung des dreigleisigen Ansatzes der Steuerung, Durchführung sowie in der Berichterstattung Genderstrategie in der konkreten Entwicklungszusam- und Auswertung von Vorhaben zu berücksichtigen.“ menarbeit festgehalten (BMZ 2016). Neun thematische (BMZ 2014). Instrumente dafür sind verpflichtende Schwerpunkte und sieben übergreifende Handlungs Genderanalysen und die übersektorale Klassifizierung felder wurden darin festgelegt. In jedem Schwerpunkt nach dem OECD-DAC Gender Policy Marker („GG- wurden strategische Ziele formuliert, die während Kennung“). Der Marker wird als statistische Größe für der Laufzeit des GAP II erreicht werden sollten (siehe die Qualitätssicherung, aber auch als Steuerungsinstru- Abb. 2). In den thematischen Schwerpunkten und über- ment verortet. Auch die Notwendigkeit gendersensiblen greifenden Handlungsfeldern ist allerdings nicht immer Monitorings wird betont. Als Voraussetzungen für die zu erkennen, wie der gendertransformative Ansatz des Umsetzung des Konzeptes werden politischer Wille, BMZ (d.h. Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen politische und Organisationskultur, Rechenschafts- Normen und Geschlechterstereotypen und Abbau pflicht, Transparenz und Beschwerdemöglichkeiten struktureller Ungleichheiten) umgesetzt werden soll. sowie Genderkompetenzen und Wissensmanagement genannt (BMZ 2014). Abbildung 2 Thematische Schwerpunkte und übergreifende Handlungsfelder im Gender-Aktionsplan Thematische Übergreifende Schwerpunkte Handlungsfelder • Zugang zu Recht und Gerichtsbarkeit, politische und • Maßnahmen zur Umsetzung des Genderansatzes wirtschaftliche Teilhabe, Mitbestimmung, Repräsentation • Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Ernährungs • Zusammenarbeit mit Männern sicherung • Gewalt gegen Frauen und Mädchen • Überwindung der Mehrfachdiskriminierung • Bewaffnete Konflikte, Friedenssicherung und Flucht • Geschlechtergerechte Entwicklungsfinanzierung • Bildung • Erwerbsarbeit und wirtschaftliches Empowerment • Förderung von Genderkompetenz und Wissens • Gesundheit, inklusive sexuelle und reproduktive management Gesundheit und Rechte (SRGR) • Wasser- und Sanitärversorgung • Frauen- und Mädchenrechte und Sport Quelle: (BMZ 2016) • Klimawandel, Katastrophenrisikomanagement und nachhaltige Entwicklung • Stärkung von Frauenorganisationen PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021 17
Jährliche Umsetzungspläne („Road Maps“) der Jahre häufig auf der Ebene des Haushalts oder der Gemein- 2017, 2018, 2019 boten während der Laufzeit des den. Die für Gleichstellung notwendige strategische Aktionsplans einen Überblick über die vorrangigen Positionierung von Mädchen und Frauen, die den Griff Maßnahmen und Aktivitäten sowie die angestrebten nach wirtschaftlicher und politischer Macht erlauben Wirkungen. Die Roadmaps stellten „Meilensteine“ – würde, sowie die geschlechtergerechte Transformation also Maßnahmen, durch die der Aktionsplan umgesetzt wirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen werden sollte – sowie „Leuchttürme“ – das heißt prio- werden weniger priorisiert. Die Notwendigkeit einer ritäre Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusam- Veränderung von Institutionen und Strukturen im Sinne menarbeit in der Umsetzung des GAP II – dar. Allerdings gleichstellungsfördernder Rahmenbedingungen wird nur fand in den Roadmaps keine Berichterstattung über das gestreift. Insbesondere die Hebelwirkung, die gleich jeweilige Finanzvolumen einzelner Maßnahmen statt, stellungsfördernde Rahmenbedingungen entfalten kann, und auch ein direktes Monitoring der Zielerreichung wurde wird nicht betont. durch die Roadmaps nicht erreicht. Der dreigleisige Genderansatz (Empowerment, Mainstreaming, Politik- Die Umsetzung des übersektoralen BMZ-Konzepts dialog) wurde in den Roadmaps nicht aufrechterhalten. „Gleichberechtigung der Geschlechter in der deutschen Insbesondere die „Verankerung von Gleichberechtigungs- Entwicklungspolitik“ und des „Entwicklungspolitischen themen“ im Politikdialog bleibt während der Laufzeit des Aktionsplan zur Gleichberechtigung der Geschlechter Aktionsplans weitgehend unklar, und es findet keine 2016-2020“ waren nicht mit einem eigenen Budget systematische Erfassung oder Berichterstattung über und/oder thematischen Zielgrößen für Investitionen in Initiativen im Politikdialog statt.20 Zivilgesellschaftliche Sektoren ausgestattet. Auch die vom BMZ veröffent- Organisationen haben die Umsetzung des Aktions- lichten Berichte zur Umsetzung des Aktionsplans (die plans von Beginn an als langsam und unsystematisch „Roadmaps“) geben keinen Aufschluss über die in kritisiert (VENRO 2016). Bis Mai 2021 wurde noch nicht diesem Rahmen aufgewendeten finanziellen Mittel. öffentlich kommuniziert, ob eine Evaluierung des 2020 beendeten Aktionsplans zur Gleichberechtigung der Im Rahmen der derzeitigen Reform des BMZ („BMZ Geschlechter vorgesehen ist. 2030“) findet eine institutionelle Veränderung der Gleichstellungsstrategie in der Entwicklungszusammen- Bei der Analyse der entwicklungspolitischen Gleich- arbeit statt: Geschlechtergerechtigkeit verliert seinen stellungsansätze und der Berichte über durchgeführte eigenständigen Status als Querschnittskriterium und Maßnahmen aus dem Blickwinkel der gendertrans wird künftig in das „Qualitätsmerkmal Menschenrechte, formativen Kriterien, die Plan International formuliert hat, Geschlechtergleichstellung, Inklusion“ neben fünf an- fallen Übereinstimmungen und Unterschiede auf. Eine deren Qualitätsmerkmalen integriert (BMZ 2020). Auch deutliche Übereinstimmung ist bei der Notwendigkeit im Genderansatz deuten sich inhaltliche Veränderungen der Überwindung von bestehenden Geschlechterrollen an: Geschlechtergerechtigkeit ist weder ein eigenes zu sehen. Allerding werden die Entwicklung von egalitären „Kernthema“ noch ein „Initiativthema“. So besteht das Geschlechterleitbildern, insbesondere die Erarbeitung Risiko, dass die Gender-Strategie von 2014 hinfällig eines positiven Männlichkeitsleitbildes mit Jungen und wird. Nach Auslaufen des Gender-Aktionsplans im Jahr jungen Männern sowie das Thema geschlechtliche 2020 wurde keine Neuauflage initiiert. Da das Hinter- Diversität, im BMZ Aktionsplan zwar erwähnt, haben grunddokument zum Qualitätsmerkmal bis zum Frühjahr aber in den aufgeführten Maßnahmen wenig Beachtung 2021 noch nicht vorliegt, ist bisher nicht abzusehen, in- gefunden. Transformation von Geschlechterverhältnis- wiefern der dreigleisige Ansatz aus der Gender-Strategie sen wurde so weitgehend als Veränderungsaufgabe auf aufrechterhalten wird und in welcher Form das strate- Seiten von Mädchen und Frauen und bei Strukturen, die gische Prinzip des Gender Mainstreaming in Zukunft diese einschränken, verortet. verankert wird. Auch die Stärkung der Handlungsfähigkeit von Frauen und die Notwendigkeit einer gerechteren Verteilung von Mitbestimmung und Verantwortung werden im BMZ Gender-Konzept betont. Allerdings bleibt das Konzept, aber auch die in den Roadmaps berichteten Maßnahmen, 20 Die Notwendigkeit einer systematischen Erfassung war in der BMZ Gender-Strategie 2014 erwähnt worden (BMZ 2014). 18 PLAN INTERNATIONAL DEUTSCHLAND | MÄDCHENBERICHT 2021
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