Business Improvement Districts in Deutschland - Kontextualisierung einer "mobile policy" - Institut für Geographie

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Geographische Zeitschrift, Band 101 · 2013 · Heft 2 · Seite 82–100
© Franz Steiner Verlag, Stuttgart

           Business Improvement Districts in Deutschland –
              Kontextualisierung einer „mobile policy“

                        ROBERT PÜTZ und CHRISTIAN STEIN, Frankfurt am Main
                           BORIS MICHEL und GEORG GLASZE, Erlangen

Mit Business Improvement Districts (BID) hat sich in Deutschland ein Instrument der Stadtentwicklungs-
politik etabliert, das exemplarisch für eine „mobile policy“ angesehen werden kann. Hierunter versteht man
Politikmodelle, die sich über nationale Grenzen hinweg verbreiten und in unterschiedlichen regionalen
Kontexten implementiert werden und damit ein beredtes Beispiel dafür sind, wie sich lokale Stadtpolitik
zunehmend in translokalen Netzwerken konstituiert. Das BID-Modell verheißt, privates Kapital und privates
Engagement gewinnen zu können und dadurch innerstädtische Zentren im Wettbewerb mit peripheren Lagen
und Shopping-Centern nachhaltig zu stärken.
Im Beitrag fokussieren wir zunächst auf die Frage, inwieweit das Konzept BID als typisch für neue Gover-
nance-Formen der „unternehmerischen Stadt“ angesehen werden kann und seine weltweite Verbreitung und
Implementierung damit Aussagen über allgemeine Neoliberalisierungsprozesse der Stadtpolitik zulässt. An-
schließend loten wir Potenziale und Grenzen unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Ansätze aus, welche
die Ausbreitung von Politikmodellen konzeptualisieren. BID in Deutschland dienen dabei als Fallstudie.

Schlüsselwörter: Business Improvement Districts, Deutschland, Policy Mobilities, Public Private Partner-
ships, Unternehmerische Stadt

   Business Improvement Districts in Germany – Contextualization of a “mobile policy”

The introduction of Business Improvement Districts (BID) in Germany can be seen as an exemplary case
of a ‚mobile policy’. As modes of governance that are being implemented throughout multiple national
and international contexts, mobile policies offer prime examples for the ways in which urban policies are
increasingly produced by translocal networks. BIDs promise to bring private capital and civic commitment
to inner cities and to help them compete with suburban shopping centers.
In the first part of this article we focus on the question of whether BIDs can be regarded as paradigmatic for
new modes of governance in the ‚entrepreneurial city’ and whether its globalization can shed light on more
general processes of neoliberal urbanism. In the second part we deal with the scope and limits of theoretical
approaches that try to understand the global proliferation of policy models. Using the framework of a policy
mobilities approach in particular, we draw on case studies on BIDs in Germany.

Keywords: Business Improvement Districts, Germany, Policy Mobilities, Public Private Partnerships,
Entrepreneurial City

        Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
        Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
        elektronischen Systemen.
        © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014
Business Improvement Districts in Deutschland                                                             83

 1 Einleitung: BID als Governance-Tool der                                    ermöglicht, den BID entsprechend der Zielset-
         „unternehmerischen Stadt“                                            zungen der maßgeblichen Akteure z. B. auf kom-
                                                                              merziell genutzte Grundstücke zu beschränken.
Als Business Improvement Districts (BID)                                      Gleichermaßen können dadurch auch widerspen-
werden allgemein Gebiete bezeichnet, in denen                                 stige Grundeigentümer, von denen Widerstand
Grundeigentümer oder Geschäftsinhaber ge-                                     gegen die Gründung zu erwarten ist, aus dem
setzlich verpflichtet sind, eine Abgabe für eine                              BID-Gebiet ausgeklammert werden.
private Organisation zu leisten, die Programme                                    Zweitens stellt Partizipation ein wichtiges
zur Attraktivitätssteigerung des Gebiets durch-                               Legitimationsmuster des BID-Modells dar.
führt (Pütz 2008, 7). Mit der Verabschiedung                                  Das zugrundeliegende Verständnis von Parti-
des „Gesetzes zur Stärkung der Einzelhandels-,                                zipation kann dabei in zweierlei Hinsicht als
Dienstleistungs- und Gewerbezentren (GSED)“                                   spezifisch angesehen werden. Zum einen wird
am 28.12.2004 war der Stadtstaat Hamburg das                                  die Möglichkeit der Entscheidung nur Akteuren
erste von mittlerweile sechs Bundesländern, die                               eingeräumt, die mit der Entwicklung des Viertels
einen gesetzlichen Rahmen zur Implementierung                                 wirtschaftliche Interessen verbinden und die
von BID als Instrument der Stadtentwicklung                                   später zur Finanzierung des BID herangezogen
geschaffen haben. Deutschland steht damit in                                  werden (Grundbesitzer und/oder Gewerbetrei-
einer langen Liste von Ländern weltweit, die auf                              bende). Demgegenüber werden die Maßnahmen
BID als Politikmodell zur Gewinnung privaten                                  selbst häufig von anderen Akteuren entwickelt,
Kapitals und Engagements für die Quartiersent-                                vor allem Beratungsunternehmen, Stadtent-
wicklung setzen.                                                              wicklungsbehörden und Händlervereinigungen.
   Konstitutiv für die Einführung des Instru-                                 Zum anderen ist das Erreichen von spezifischen
ments „Business Improvement District“ ist, dass                               Quoren (erforderliche aktive Zustimmung der
sich fast immer explizit auf ein idealtypisches                               Betroffenen zumeist zwischen 25 % und 33 %,
„Modell BID“ als Vorbild berufen wird, wenn-                                  für das Beispiel Hessen vgl. Achenbach 2009, 6)
gleich in den jeweiligen internationalen wie                                  unter den Betroffenen hinreichend, um die Grün-
auch nationalen Kontexten (z. B. innerhalb                                    dung des BID, seine räumlichen Grenzen und
Deutschlands) unterschiedliche Bezeichnungen                                  seine Aufgabenbereiche zu legitimieren. Somit
verwendet werden.                                                             ist de facto eine recht geringe Zustimmungsquo-
   Im Expertendiskurs werden BID meist auf                                    te erforderlich, um ein BID zu implementieren,
vier zentrale Merkmale kondensiert (Pütz 2012,                                während Widerstand organisiert werden muss,
50f.). In der Praxis taugen diese nur bedingt als                             um es zu verhindern. Beide Möglichkeiten
scharfe Definitionskriterien, weil national und                               werden dabei nur einer kleinen Gruppe von Ak-
regional faktisch immer wieder Abweichungen                                   teuren eingeräumt (in Deutschland z. B. Grund-
festzustellen sind. Die Rahmung von BID durch                                 besitzern). Insbesondere aufgrund der geringen
eine kleine Zahl von Merkmalen kann aber als                                  demokratischen Legitimierung von BID steht
zentrale Voraussetzung dafür angesehen werden,                                das dahinter liegende Partizipationsverständnis
dass BID überhaupt erst zu einem „Politikmo-                                  regelmäßig in der Kritik (Eick 2012, 132).
dell“ und damit in unterschiedliche nationale                                     Drittens wird zur Legitimation des BID-
und internationale Kontexte übertragbar werden                                Modells formuliert, dass es die sogenannte
konnten.                                                                      Trittbrettfahrerproblematik löse, die freiwillige
   Erstens ist es Bestandteil des BID-Modells,                                Organisationen wie Werbegemeinschaften aus-
eine territorial definierte Organisationsform zu                              zeichne (hierbei profitieren auch Unternehmer
sein, deren räumliche Ausdehnung sich aber                                    von Werbemaßnahmen, die sich nicht an ihrer
nicht an bestehende administrative Grenzen                                    Finanzierung beteiligen) (Heinze 2007). Im Ge-
anlehnt, sondern „bedürfnisorientiert“ grund-                                 biet eines BID sind alle Grundeigentümer (und/
stücksscharf gezogen wird. Dadurch wird es                                    oder Gewerbetreibenden) dazu zu verpflichtet,

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
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eine finanzielle Abgabe zu leisten. Deren Höhe                               1989) folgen (Peyroux et al. 2012). Ein Ver-
bemisst sich i. d. R. nach dem Einheitswert der                              ständnis der internationalen Ausbreitung von
Grundstücke und dient der Durchführung von                                   BID verspricht damit Einblick in jene Prozesse,
Projekten zur „Attraktivitätssteigerung“ des                                 die seit dem Ende der 1980er Jahre unter dem
jeweiligen Gebietes. Hierunter fallen zumeist                                Stichwort „Neoliberalisierung von Stadtpolitik“
Maßnahmen des Standortmarketings, mit denen                                  zusammengefasst werden (Peck/Tickell 2002;
Quartiere als Marke etabliert werden sollen –                                Heeg/Rosol 2007; Belina et al. 2013). Hierunter
Namensgebung, Logos, Territorialisierungen                                   werden all jene Prozesse verstanden, die auf die
durch Eingangsbereiche und einheitlich ge-                                   Übertragung von Marktmechanismen auf die
staltetes Mobiliar (Mülleimer, Dekorationen)                                 Steuerung von Städten zielen und mit einem
–, Dienstleistungen im Bereich Sicherheit,                                   Set neuer Regulationen einhergehen, welche
Sauberkeit und Service, Baumaßnahmen (Stra-                                  Städte und Stadtquartiere auf ökonomische In-
ßenpflaster, Beleuchtungen) und die Einstellung                              wertsetzung und Effizienz ausrichten sollen. Die
von BID-Managern. Vorrangiges Ziel ist stets                                 Berufung auf einen vermeintlich verschärften
die Schaffung von Konsum anregenden Aufent-                                  Standortwettbewerb legitimiert gemeinhin die
haltsqualitäten, um den innerstädtischen Handel                              Durchsetzung und Weiterentwicklung dieser
und Dienstleistungen zu fördern und dadurch                                  Politikformen.
die Werthaltigkeit der Immobilien im jeweiligen                                 Als zentrale Bestandteile unternehmerischer
Gebiet zu erhalten oder zu steigern.                                         Stadtpolitik gelten ein Bedeutungsgewinn der
    Die BID-Pflichtabgabe wird meist von der                                 (sub-)kommunalen Ebene, neue Akteurskon-
jeweiligen Kommune als territoriale Sonder-                                  stellationen und ein neues Selbstverständnis
steuer eingezogen und anschließend an den                                    von „aktiver Standortpolitik“ im Zuge eines
zuständigen BID-Aufgabenträger weitergeleitet.                               Wandels von Government zu Governance
Dies erfordert in den meisten Ländern – und gilt                             sowie eine zunehmende Privatisierung. Diese
als vierter Baustein für die wirkungsvolle Um-                               Aspekte kennzeichnen BID als neue Steue-
setzung von BID – einen gesetzlichen Rahmen                                  rungsform sowohl in institutioneller als auch in
zu schaffen, der die Sonderabgabe legitimiert.                               inhaltlicher Form. So verflüssigen sich in BID
In Deutschland sind hierfür die Bundesländer                                 die traditionellen Grenzen zwischen hoheitlich-
zuständig. Seit einer Novellierung des Bauge-                                öffentlicher und privater Sphäre (Pütz 2008, 8).
setzbuches von 2007 ist in §171f festgelegt,                                 BID sind quasi-öffentlich, weil sie gesetzlich
dass nach Maßgabe des Landesrechts Gebiete                                   legitimiert sind und der Staat die Abgaben von
definiert werden können, in denen in privater                                den Grundeigentümern erhebt und an den BID-
Verantwortung standortbezogene Maßnahmen                                     Träger weiterleitet. Sie sind zugleich privater
durchgeführt werden, die der Stärkung städ-                                  Natur, weil Grundbesitzer und Gewerbetrei-
tischer Quartiere dienen.                                                    bende die maßgeblichen Akteure in BID stellen
    Die stadtpolitische Wirkung von BID hängt                                und entsprechend ihrer Interessen deren Hand-
stark von dem Budget ab, das für Maßnahmen im                                lungsfelder ausrichten. Gleichermaßen stehen
Stadtraum zur Verfügung steht. Dies schwankt                                 BID für neue Governance-Strukturen, da sie
in nationalem wie internationalem Maßstab er-                                stärker netzwerkförmig (z. B. kontrolliert durch
heblich. In Deutschland machen BID-Budgets                                   Lenkungsgremien) und projektförmig (z. B.
zumeist nur einen Bruchteil dessen aus, was die                              stets zeitlich befristet) organisiert sind. BID
öffentliche Hand in Maßnahmen im öffentlichen                                stehen als subkommunale Governance-Form
Raum investiert. Unabhängig davon kann das                                   für ein Downscaling von Aufgaben, bei dem
BID-Modell aufgrund seiner vier konstitutiven                                entsprechend einer neoliberalen Regierungsra-
Bestandteile aber als typisch für Instrumente                                tionalität das Quartier und die darin agierenden
angesehen werden, die einer Regierungsratio-                                 Grundeigentümer/Unternehmer Verantwortung
nalität der „unternehmerischen Stadt“ (Harvey                                für Stadtpolitik mit übernehmen sollen. Dies

      Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
      Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
      elektronischen Systemen.
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Business Improvement Districts in Deutschland                                                             85

kommt beispielsweise in der Grundsatzrede des                                 Planungsverfahren zukünftig eine noch stärker
Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust zum                                    gestalterische Rolle einnehmen. Dieser institu-
Ausdruck, mit der er – erstmals in Deutschland –                              tionelle Umbau hat das Selbstverständnis der
die Einführung von BID in Hamburg ankündigt:                                  privaten Akteure mittlerweile deutlich verändert,
   „Neben der Organisation der Verwaltung wird es auch                        wie der Vertreter eines Hamburger BID in einem
   um die größere Eigenverantwortung der Bürgerinnen                          Interview zum Ausdruck bringt:
   und Bürger bei der Gestaltung der Stadt gehen. Angel-                           „Und das ist also auch wichtig zu zeigen, dass das nicht
   sächsische Länder haben hier ein Modell entwickelt,                             etwas ist, was das BID erledigt, was die Stadt machen
   das auch für uns vorbildlich sein kann, die sog. Busi-                          müsste, sondern dass das zusätzliche Möglichkeiten
   ness Improvement Districts. Die Menschen nehmen                                 darstellt. […] Dass wir […] als Träger öffentlicher
   ihr Schicksal selbst in die Hand, der Staat zieht sich                          Belange […] die Möglichkeit haben, die Stadt zu zwin-
   zurück, Eigenverantwortung greift um sich, und die                              gen, das wirklich zu machen, was sie machen muss.“
   Probleme werden schneller gelöst. Ich will, dass ein
   solches Modell in einem ausgewählten Quartier in                           Wie das Zitat zeigt, können die institutionellen
   Kürze begonnen wird.“ (Beust 2003, 8, Hervorhe-                            Veränderungen im Zuge der Implementierung
   bungen, auch im Folgenden, durch die Verfasser)
                                                                              von BID auch mit inhaltlichen Veränderungen in
Eine solche Aktivierung lokaler Akteure für die                               der Stadtpolitik einhergehen. BID verstehen sich
Belange ihres Viertels kann ambivalent beurteilt                              als Lobbyarbeiter für ihre Gebiete und vermögen
werden. Was Befürworter von BID als Demo-                                     es durch die institutionellen Restrukturierungen,
kratisierung feiern, ist aus Sicht der kritischen                             dies in spezifischen Situationen durchzusetzen.
Stadtforschung Teil einer Verschiebung der                                    Aufgrund der Stärkung privater Akteure und
Verantwortlichkeiten für Stadtentwicklungs-                                   deren kommerziellen Interessen werden BID
politik (Rosol 2012). Hierbei ist allerdings zu                               interpretiert als Teil eines allgemeinen Trends
betrachten, inwieweit die Stadt ihre Rolle als                                zur Privatisierung des öffentlichen Raums
Kontrollorgan von BID wahrnimmt. Dies ist                                     (Glasze 2001). Zudem wird konstatiert, dass
z. B. in Deutschland in sehr viel stärkerem Maße                              der Umstand, dass auch Flächen im öffentlichen
der Fall als in den USA.                                                      Eigentum zunehmend privatwirtschaftlichen
    Zweifelsohne geht mit der Implementierung                                 Interessen unterliegen, mit Exklusionspraktiken
von BID eine Neukonfiguration der Gover-                                      einhergehe und infolgedessen mit der Einfüh-
nance-Strukturen im Sinne eines „roll out neo-                                rung von BID das Politikfeld „Sicherheit und
liberalism“ (Peck/Tickell 2002) einher, die nicht                             Sauberkeit“ grundsätzlich an Raum gewinne
durch die Zurückdrängung des Staates, sondern                                 (Töpfer et al. 2007).
seine Reorganisation geprägt ist: „What is ‘neo’                                  Insgesamt impliziert die Kritik an BID mit
about neoliberalism, namely, the remaking and                                 der Annahme, ihre Verbreitung gehe mit einer
redeployment of the state as the core agency                                  Verbreitung spezifischer, unveränderter stadt-
that actively fabricates the subjectivities, social                           politischer Ziele und Maßnahmen einher, die
relations and collective representations suited                               These einer zunehmenden international Politik-
to making the fiction of markets real and con-                                konvergenz. Diese Annahme wird im Folgenden
sequential“ (Wacquant 2012, 68). Die stärkere                                 anhand unterschiedlicher theoretischer Ansätze
Rolle privater Akteure wird durch BID auch in-                                zur Mobilität von Politikmodellen kritisch dis-
stitutionell gefestigt (Michel/Stein 2014). So hat                            kutiert.
Hamburg BID-Ansprechpartner eingerichtet, die
direkt den Bezirksbürgermeistern unterstehen
sowie auf Landesebene einen BID-Beauftragten,
der die BID koordiniert und zu einem zentra-
len Politikfeld des Stadtstaates macht. Und
schließlich werden BID in Hamburg als Träger
öffentlicher Belange akzeptiert und können so in

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
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 2 Globale Verbreitung von Business Impro-                                    Verantwortungsübernahme seinerzeit von den
 vement Districts als „policy transfer” oder                                  Geschäftsleuten selbst formuliert worden sei,
          „urban policy mobility”                                             indem sie von der Stadt die Verabschiedung
                                                                              eines Gesetzes gefordert hätten, das die Erhe-
Seit den 1990er Jahren hat die internationale                                 bung einer Abgabe für Immobilieneigentümer
Ausbreitung von Politikmodellen im Zuge der                                   ermögliche, um damit Aufwertungsmaßnahmen
fortschreitenden Globalisierung zugenommen.                                   des Geschäftsviertels finanzieren zu können.
BID sind nur ein Beispiel für diesen Prozess, der                             In den folgenden Jahrzehnten fand das BID-
in unterschiedlichsten Feldern der Stadtpolitik                               Konzept zunächst Nachahmer in anderen Teilen
nachgewiesen werden kann: Public-Private                                      Torontos und der Provinz Ontario, um sich vor
Partnerships als Organisationsform (Silomon-                                  allem in den 1990er Jahren schließlich in ganz
Pflug et al. 2013), Creative Industries als Feld                              Kanada und den USA auszubreiten (Mitchell
der Stadtpolitik (Prince 2010), Strategien der                                2008). Nach eigenen Recherchen sind BID
urban renaissance zur Attraktivitätssteigerung                                derzeit weltweit in mindestens 12 Ländern eta-
hochpreisigen innerstädtischen Wohnens (Füller                                bliert (vgl. Abb. 1). Sie sind stark in anglopho-
et al. 2013; Marquardt et al. 2013) oder mobile                               nen Staaten vertreten, was auf die Bedeutung
integration policies (Pütz/Rodatz 2013), um nur                               von Sprache bei der globalen Verbreitung von
einige zu nennen. Das „Konzept BID“ erscheint                                 Politikmodellen verweist, darüber hinaus in
aber aus zwei Gründen in besonderem Maße                                      Ländern Ostmitteleuropas sowie in Japan, den
als empirisches Beispiel geeignet, um solche                                  Niederlanden und Deutschland.
Prozesse der interkommunalen und globalen                                        Der Befund der internationalen Ausbreitung
Zirkulation von Politikmodellen zu rekonstru-                                 von Politikmodellen wird sozialwissenschaft-
ieren. Erstens formieren BID modellhaft unter                                 lich zunächst unter dem Stichwort „policy
einer international einheitlichen Bezeichnung,                                transfer“ diskutiert (Dolowitz/Marsh 1996).
wenngleich sie in der lokalen Praxis oft umbe-                                Die meisten der Arbeiten, die sich unter diesem
nannt sind, und sie können auf zentrale Kriterien                             Label versammeln, eint das Ziel, Prozesse ei-
synthetisiert werden, wenngleich in der Praxis                                ner vermeintlich zunehmenden internationalen
oft lokalspezifische Abwandlung erfolgt. Zwei-                                Politikkonvergenz konstatieren und erklären zu
tens sind BID ein politisch umstrittenes Instru-                              können, in jüngerer Zeit auch am Beispiel BID
ment, dessen Einführung auf unterschiedlichen                                 (Peel/Lloyd 2005; Hoyt 2006; Vollmer 2011),
Ebenen (Staaten, Bundesländer, Kommunen,                                      was zu einer Ausarbeitung entsprechender Ty-
Geschäftsleute, Eigentümer etc.) umkämpft ist                                 pologien geführt hat. So identifizieren Holzinger
und das auch scheitern kann. Solche Momente                                   et al. (2007, 12) bspw. fünf Faktoren, die sie
der Auseinandersetzung tragen in besonderem                                   als Hauptträger des Prozesses internationaler
Maße dazu bei, zu verstehen, wie die internati-                               Politikkonvergenz ansehen und von denen sich
onale Verbreitung von Politiken funktioniert und                              vier auch auf BID übertragen lassen:
welche Akteure, Orte und Technologien für eine                                1. Definition gleicher Problemstrukturen, die
„erfolgreiche“ Übertragung von einem lokalen                                     ähnliche Konzepte der Problemlösung nahe
Kontext in einen anderen erforderlich sind.                                      legen. Übertragen auf BID würde die These
   So steht Deutschland in einer Reihe von                                       lauten, dass weltweit ein Bedeutungsverlust
Ländern, die BID als neues Instrument der                                        der Innenstädte im Wettbewerb mit nicht-
Quartiersentwicklung eingeführt haben. Nach                                      integrierten Standorten konstatiert wird und
übereinstimmender Literaturlage wurde das                                        dass entsprechend ähnliche Maßnahmen zur
Konzept in den 1960er Jahren in Kanada ent-                                      Attraktivitätssteigerung erforderlich sind.
wickelt, in einem Bezirk mit ökonomischen                                     2. Imitations- und Lernprozesse unter den Ak-
Problemen im Zentrum von Toronto. Es ist Teil                                    teuren des Politiktransfers. Die These lautete
der Narration BID, dass der Wunsch nach mehr                                     hier, dass das BID-Konzept von relevanten

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       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
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Abb. 1: Globale Verbreitung von BID (Stand: 1.5.2013)

   Akteuren aus Politik, Planung und Beratung                                      kurrenz um Investitionen etc. verschaffen
   untereinander weiter getragen wird und dass                                     würde, was andere Kommunen dazu zwänge,
   internationale Institutionen diese Nachah-                                      solche Regulierungsformen ebenfalls zu
   mungsprozesse erleichtern und beschleuni-                                       übernehmen.
   gen.
                                                                              Vor allem seitens der Geographie ist an der Kon-
3. Zwang durch finanzielle oder politische Kon-                               zeptualisierung von Politiktransfer Kritik geübt
   ditionalität von Seiten anderer Staaten oder                               worden. Sie bezieht sich vornehmlich auf drei
   Organisationen in dem Sinne, dass diese die                                Punkte, die teilweise von der jüngeren policy
   Einführung bestimmter Regelungen zur Vor-                                  transfer-Debatte reflektiert werden (Benson/Jor-
   bedingung für ihre Unterstützung machen.                                   dan 2011), deren konstruktivistisch informierte
   Übertragen auf BID ließe sich diese These                                  Ontologie jedoch grundsätzlich abgelehnt wird
   mit Blick auf die finanzielle und logistische                              (Dolowitz/Marsh 2012).
   Unterstützung der Verwaltungsmodernisie-                                      Erstens liegt der Schwerpunkt der policy
   rung in Ostmitteleuropa plausibilisieren, bei                              transfer-Forschung fast nur auf der national-
   der internationale Organisationen wie USAID                                staatlichen Ebene. Entsprechend sind auch
   (Serbien) oder die GTZ (Albanien) die Im-                                  die untersuchten Akteure und Institutionen
   plementierung von BID finanziell unterstützt                               zumeist solche mit nationalstaatlichem Bezug.
   haben (Schwedes 2012).                                                     Grenzüberschreitende Lernprozesse zwischen
4. Anpassungszwänge, die sich aus System-                                     Gemeinden bleiben außerhalb des Blickfeldes.
   oder Regulierungswettbewerb ergeben. Die                                   Dieses Manko macht insbesondere das Beispiel
   These lautete hier, dass die Verlagerung von                               BID deutlich, weil Transfer hier multiskalar zu
   Verantwortung auf subkommunale Ebenen                                      konzeptualisieren ist, da er sowohl die natio-
   durch BID bestimmten Standorten Wettbe-                                    nalstaatliche Ebene umfasst (Rahmengesetz-
   werbsvorteile in der interkommunalen Kon-                                  gebung) als auch nachgelagerte Institutionen

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
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(Gesetzgebungsverfahren auf Landesebene) und                                  fügbar gemacht als auch umgearbeitet werden.
vor allem lokale Akteure, Organisationen und                                  Urban policy mobilities-Ansätze eint damit das
ihre Netzwerke.                                                               Ziel, vermeintlichen Politiktransfer nicht nur
    Ein zweiter Kritikpunkt zielt darauf, dass die                            konstatieren zu wollen, sondern vor allem nach
Konzeptualisierung von Transfer unterkomplex                                  dem „Wie“ der Übertragung von Politiken in
ist. Bildlich gesprochen werden Politiken auf-                                einen anderen Kontext und ihren Veränderungen
gefasst als Pakete, die an einem Ursprungsort                                 dabei zu fragen.
„verpackt“ und an einem Empfängerort gleicher-                                    Hiermit verbunden sind methodologische
maßen „ausgepackt“ werden. Der Prozess des                                    Verfahren, die es erlauben, epistemische Ge-
Reisens selbst verbleibt in einer Blackbox. Mit                               meinschaften (McCann/Ward 2011) und Netz-
einer solchen Konzeptualisierung von Transfer                                 werke zu rekonstruieren und im Sinne eines
können die vielfältigen Modifikationen von                                    „follow the policy“ (Peck/Theodore 2012) ihre
Politiken bei ihrer Anwendung in einem neuen                                  Praktiken nachzuverfolgen, welche die Zirku-
Kontext nicht betrachtet werden.                                              lation neoliberaler Ideen und ihre Manifesta-
    Drittens fokussieren Arbeiten zum policy                                  tion in kommunalen Politiken bedingen. Das
transfer vornehmlich auf funktionalistische                                   vorgeschlagene methodische Repertoire kon-
Typologien von Akteuren, die an der Verbrei-                                  zentriert sich neben klassischen Instrumenten
tung von Politiken beteiligt sind. Dies lässt                                 der qualitativen Sozialforschung (Inhalts- und
außer Acht, dass Transfer ein sozialer Prozess                                Diskursanalysen) v. a. auf ethnographische
ist, bei dem Akteure in unterschiedliche soziale                              Ansätze, die es ermöglichten, die Praktiken von
Kontexte eingebettet sind, die wiederum ihren                                 Akteuren in „globalizing microspaces“ (Larner/
Beitrag zum Wandern von Politiken prägen.                                     Le Heron 2002, 765) empirisch zu fassen. Aus-
Außerdem geraten mit der Akteurszentrierung                                   gehend von der konstatierten Notwendigkeit,
andere wichtige Kontexte der internationalen                                  vermachtete Prozesse der Mobilisierung von
Übertragung von Politiken aus dem Blick, z. B.                                Politikmodellen methodisch fassbar zu machen,
hegemoniale Diskursformationen oder auch                                      erfolgt in der jüngeren policy mobilities-Debatte
physisch-materielle Artefakte.                                                durch McCann/Ward (2012) der Versuch einer
    Die aufgeführten Kritikpunkte im Blick,                                   erkenntnistheoretischen Rückbindung. Die Au-
fasst das konstruktivistisch informierte Kon-                                 toren verweisen insbesondere auf das Potential
zept der (urban) policy mobilities die globale                                der Ansätze von z. B. Collier und Ong (2005)
Zirkulation von stadtpolitischem Wissen als                                   oder McFarlane (2009), die Städte als „emergent
einen global-relationalen, sozialen und räumlich                              translocal assemblages, or moments in more
differenzierten Prozess auf, der Städte miteinan-                             globally extensive flows“ (McCann 2011b, 144)
der in Beziehung setzt (McCann/Ward 2011,                                     aufgefasst werden. Die Rahmung von sozio-
12). Dabei sei es die Aufgabe, gegenstandsnahe                                technischen Netzwerken als Assemblage biete
Konzeptualisierungen und empirische Beschrei-                                 die Möglichkeit, die Vielschichtigkeit, Hetero-
bungen von mobile policies und Zirkulations-                                  genität und Widersprüchlichkeit global-lokalen
regimen zu generieren, die lokale politische                                  Politikmachens in Städten epistemologisch zu
Regime miteinander verbinden (Peck 2003, 22).                                 fassen.
Das damit einhergehende relationale Raumver-                                      Im Hinblick auf empirische Arbeiten führt die
ständnis bricht explizit mit der Auffassung von                               Fokussierung auf ein „studying through“ (Mc-
Politiktransfers zwischen diskreten Entitäten.                                Cann/Ward 2012) von Orten des Politikmachens
Der Verweis auf Masseys Konzept von Orten                                     im Sinne einer globalen Ethnographie (Marcus
als global-relational (1993) erlaubt stattdessen                              1995; Welz 2009) zu einer Schwerpunktset-
Fragen nach Prozessen, durch die Politiken in                                 zung auf die Ausbreitung von Ideen, die mit
„inter-urban policy pipelines“ (Cook/Ward 2012,                               physisch-räumlicher Mobilität von Personen und
142) durch ihre Kontextualisierung zugleich ver-                              Orten des Austauschs verbunden ist. Mit einem

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
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Business Improvement Districts in Deutschland                                                             89

Verweis auf das von Harvey betonte reflexive                                  Frankfurt), Ratgeberliteratur (u. a. Leitfäden zur
Verhältnis von „fixity and motion“ (1982, 422)                                Implementierung von BID) und über 600 Zei-
wird in den Ansätzen der policy mobility-studies                              tungsartikeln zu BID in Deutschland durchge-
jedoch auch den Prozessen der Kontextuali-                                    führt, um die Hauptlinien der Expertendiskurse
sierung eine gewisse Bedeutung zugewiesen                                     sowie der politischen und medialen Debatten
(McCann 2011b). Konzeptionell ist damit zu                                    um BID in Deutschland abzubilden.
Grunde gelegt, dass der Einbettung mobilisier-
ter Politiken in spezifische lokale Settings eine
besondere Bedeutung für die Ausprägung eines                                     3 BID in Deutschland als Beispiel für die
„actually existing neoliberalism“ (Brenner/The-                                 Kontextualisierung einer global verfügbaren
odore 2002) zukommt.                                                                          „mobile policy“
    Den solchermaßen durch den urban poli-
cy mobility-Ansatz zur Verfügung stehenden                                    In Deutschland wurde das erste BID 2005 in
methodologischen Rahmen wollen wir im Fol-                                    Hamburg gegründet, das heute mit zehn BID die
genden für eine Analyse der Mobilisierung und                                 meisten in Deutschland beherbergt. Der Prozess
Kontextualisierung von BID in Deutschland                                     der Etablierung dieses Modells ist bislang noch
nutzen. Wir greifen dabei auf Material zurück,                                nicht abgeschlossen. So haben bis Anfang 2013
das im Rahmen eines von der DFG geförderten                                   mit Hessen, Schleswig-Holstein, Bremen, Nord-
Forschungsprojekts erhoben worden ist. Zen-                                   rhein-Westfalen, Sachsen und dem Saarland sechs
tral für die Analyse waren dabei Interviews mit                               weitere Länder die gesetzliche Grundlage für BID
Mitarbeiter_innen lokaler Stadtentwicklungs-                                  geschaffen, in anderen Bundesländern wird die
behörden (5 Interviews), Stadtplaner_innen (2),                               Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens 2014
internationalen Entwicklungshilfeorganisati-                                  vorbereitet (z. B. Baden-Württemberg) oder dis-
onen, die an der Verbreitung von BID beteiligt                                kutiert (z. B. Rheinland-Pfalz)(vgl. Abb. 2). Die
sind (2), national (3) und international (2) agie-                            Landesregierungen in Bayern und Berlin haben
renden Beratungsunternehmen, Vertreter_innen                                  BID als Instrument zur Quartiersentwicklung aber
von Industrie- und Handelskammern (5) und                                     bereits explizit abgelehnt, was darauf verweist,
Vertreter_innen von BID-Aufgabenträgern (8).                                  dass die Übertragung dieses Politikmodells nicht
Das aus diesen Interviews mittels Aufzeichnung                                widerspruchsfrei verläuft und auf vielfältigen
und Transkription gewonnene Material wurde                                    Ebenen verhindert werden kann (s. u.).
inhaltsanalytisch ausgewertet. Es wurde ergänzt
durch Protokolle teilnehmender Beobachtungen
an zweierlei „Orten des Politikmachens“, die                                  3.1 Akteure der policy mobility
im Sinne einer globalen Ethnographie lokaler
Mikroprozesse besonders relevant für die in-                                  Sowohl Autoren des klassischen policy transfer-
ternationale Mobilisierung von BID sind. Zum                                  Ansatzes wie auch jüngere Arbeiten der policy
einen wurden nationale (4) und internationale                                 mobilities verweisen auf die Bedeutung von
(2) Tagungen zum Thema BID bzw. zur Revi-                                     Akteuren bei der Mobilisierung und Kontex-
talisierung von Innenstädten besucht und per                                  tualisierung von Politiken, wobei erstere eher
Mitschnitt sowie Feldprotokoll dokumentiert.                                  typologisierend arbeiten (vgl. Stone 2004) und
Mit dem gleichen methodischen Zugriff wurden                                  letztere zudem die Situiertheit von Akteurshan-
internationale Exkursionen (6) begleitet, bei                                 deln betonen (vgl. McCann 2011a) und damit
denen Besucherdelegationen BID vorgestellt                                    verdeutlichen, wie Akteure an der Wanderung,
wurden. Außerdem wurde eine Diskursanalyse                                    Kontextualisierung sowie Veränderung von neo-
eines Korpus aus Gesetzestexten (v. a. BID-                                   liberalen Stadtentwicklungsmodellen beteiligt
Gesetze in Deutschland), Ratsprotokollen (u. a.                               sind. Dies zeigt auch unsere Rekonstruktion der
Senatsbeschlüsse und Debatten in Hamburg und                                  Einführung von BID in Deutschland.

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
       © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014
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Abb. 2: Business Improvement Districts in Deutschland (Stand: 31.12.2013)

So verdeutlicht die für Deutschland initiale                                  mit Publikationen, Vortragsreisen, Experten-
Implementierung von BID in Hamburg die maß-                                   meetings vor allem in stadtpolitischen Netzwer-
gebliche Rolle machtvoller gewählter Offizieller.                             ken selbst zu einem maßgeblichen Akteur in der
Dies kommt vor allem in der bereits erwähnten                                 Verbreitung des BID-Konzeptes in Deutschland
Rede von Hamburgs Oberbürgermeister Ole                                       geworden ist.
von Beust zum Ausdruck, mit der er die Ein-                                       Machtvolle politische Akteure vermögen
führung von BID zur Chefsache erklärte. Nicht                                 neue Instrumente der Stadtpolitik durchzuset-
zuletzt seine starken Worte waren verantwortlich                              zen, beziehen sich aber in der Regel auf einen
dafür, dass in Hamburg die Stadt eine dominie-                                vielschichtigen Expertendiskurs, der umkämpft
rende Rolle bei der Implementierung von BID                                   ist und von unterschiedlich situierten Interes-
übernahm, eine multiskalare BID-Infrastruktur                                 sengruppen getragen wird. Ausgehend von
und ein Netzwerk aus Verwaltungskräften mit                                   einer Initiative des Städtebauministeriums in
BID-Zuständigkeiten aufbaute und bis heute                                    Nordrhein-Westfalen (Bloem/Bock 2001) und
koordiniert. So wurde in Hamburg – deutsch-                                   nachfolgend unterstützt von Lobbygruppen
landweit einzigartig – mit Fritjhof Büttner als                               und Beratungsunternehmen aus dem Bereich
BID-Beauftragtem ein leitender Beamter für                                    Stadtentwicklung und Stadtmarketing (BCSD
BID-Belange abgestellt, der als Schnittstelle zu                              2003) agierten in Deutschland die lokalen In-
den Bezirksämtern fungiert und darüber hinaus                                 dustrie- und Handelskammern und vor allem

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
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Business Improvement Districts in Deutschland                                                             91

deren Dachverband als Lobbygruppe für die                                     lichen Implementierungsphasen von der Kon-
Einführung von BID. So hat der Deutscher                                      zeptentwicklung bis zur formellen Etablierung
Industrie- und Handelskammertag frühzeitig                                    beteiligt, indem sie Informationsveranstaltungen
Positionspapiere zu BID verfasst (u. a. DIHK                                  koordinierten, Befragungen unter Geschäftsleu-
2006). Diese sowie vor allem die von lokalen                                  ten durchführten oder Maßnahmen- und Finan-
Sektionen der Handelskammern in Zusammen-                                     zierungspläne entwarfen. Die CIMA GmbH, die
arbeit mit den jeweiligen Landesbehörden he-                                  sich selbst als „Kompetenzzentrum für Stadt-
rausgegebenen Leitfäden zur Implementierung                                   und Regionalentwicklung und für Marketing im
von BID (z. B. Achenbach 2009; BSU 2006)                                      öffentlichen Sektor“ (www.cima.de) bezeichnet,
prägten in der Folge die Fachdebatte. Darüber                                 war mit der Organisation von Expertenhearings,
hinaus ist der DIHK mit der Durchführung von                                  der Ausarbeitung von Positionspapieren oder der
Arbeitskreisen, Exkursionen zu Vorbild-BID so-                                Organisation von Studienreisen frühzeitig aktiv
wie BID-Kongressen maßgeblich damit befasst,                                  an der Lobbyarbeit für BID-Gesetzgebungen
BID-Aktivitäten zu vernetzen, kontinuierlichen                                beteiligt (BCSD 2003) und ist heute noch als
Austausch am Leben zu erhalten und somit als                                  Aufgabenträger diverser BID wirtschaftlicher
übergeordnete Koordinierungsstelle zu fun-                                    Nutznießer ihrer Umsetzung. Solche privatwirt-
gieren. Trotz dieser konzertiert erscheinenden                                schaftlichen Politikberatungen verbreiten BID
Entwicklung sind die Initiativen zur Einfüh-                                  nicht nur über Beratungsaufträge, sondern auch
rung von BID umstritten und die Linien von                                    durch ihre Rolle als Experten, die auf Vorträgen
Zustimmung oder Ablehnung verlaufen auch                                      nationale wie internationale Best-Practice-Lö-
innerhalb von Verbänden uneinheitlich, was zu                                 sungen vorstellen. Als dritter Typus eines policy
einem regional sehr unterschiedlichen „Erfolg“                                entrepreneurs erweisen sich in Deutschland Un-
der Einführung von BID führt. So positioniert                                 ternehmen, die sowohl an der Konzipierung von
sich die IHK Berlin (2012) seit Jahren explizit                               BID beteiligt sind als auch von der laufenden
gegen BID. Und während sich der Interessen-                                   BID-Arbeit geschäftlich profitieren, indem sie
verband der Haus- und Grundeigentümer bun-                                    als Aufgabenträger mit der Durchführung der
desweit und in einzelnen Städten explizit gegen                               BID-Maßnahmen beauftragt werden. Hierzu
BID ausgesprochen hat (z. B. Haus & Grund                                     zählen neben den genannten Firmen auch lokale
Deutschland 2004; Haus & Grund Wiesbaden                                      Unternehmen, die auch etwaige bauliche Maß-
2005), unterstützte nach unseren Erhebungen                                   nahmen ausführen und so mit BID z. T. größere
der Grundeigentümerverband in Hamburg die                                     Millionenbeträge umsetzen (z. B. in Hamburg
Einführung des dortigen BID-Gesetzes.                                         die BID-Tochtergesellschaft der Otto Wulff
   Als weitere wesentliche Gruppe von Akteuren                                Bauunternehmung GmbH, www.otto-wulff.de).
der Politik-Mobilisierung können wir anhand                                       Die vielfältigen privaten wie öffentlichen
der Fallstudie Deutschland Policy Entrepreneurs                               Akteure aus Politik, Planung und Beratung
bzw. mit McCann (2011a) die global policy con-                                sowie Interessenvertreter bilden eine interna-
sultocracy identifizieren: professionelle Politik-                            tionale BID-Community. Diese wird durch
beratungen, die eint, dass sie ein wirtschaftliches                           internationale Standesvertretungen bzw. institu-
Interesse an der Verbreitung des BID-Modells                                  tionalisierte transnationale Netzwerke sichtbar
haben und weltweit auf der Suche sind nach                                    und gefestigt. International maßgeblich ist hier
Best-Practice-Beispielen und Politikmodellen,                                 die International Downtown Association (IDA,
die sie in ihr Beratungsportfolio aufnehmen kön-                              www.ida-downtown.org), eine Dachorganisation
nen. In Deutschland stehen hierfür exemplarisch                               von weltweit mehr als 650 Institutionen und Ge-
das Beratungsbüro Heinze und Partner und die                                  bietskörperschaften, die von thematisch orien-
CIMA Beratung und Management GmbH. So                                         tierten Fachkongressen für ihre Mitglieder über
waren Heinze und Partner an mindestens vier                                   die Publikation einschlägiger Ratgeberliteratur
BID-Initiativen in Deutschland in unterschied-                                bis zur Veranstaltung von Fortbildungssemi-

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
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naren maßgeblich zur Erstellung und globalen                                  3.2 Praktiken der Politikzirkulation in Globali-
Zirkulation von Blaupausen-Konzepten der                                          zing Micro-Spaces
Innenstadtrevitalisierung durch BID beitragen.
Auch für die Protagonisten der deutschen BID-                                 Praktiken global agierender wie lokal situierter
Community sind die Aktivitäten der IDA ein                                    Akteure der Politikzirkulation sind stark an
Referenzpunkt für ihre Arbeit, sie bleiben in                                 unterstützende Infrastrukturen gebunden. Im
ihrem Stellenwert aber hinter der Bedeutung                                   Falle von BID konnten wir insbesondere die
nationaler Foren zurück.                                                      Bedeutung von Tagungen, Kongressen und Ar-
    Ausschlaggebend für die länderübergreifende                               beitskreisen rekonstruieren. Auf internationaler
Verbreitung von Politikmodellen waren nach                                    Ebene erweist sich insbesondere der IDA-Jah-
unseren Erhebungen darüber hinaus Organisa-                                   reskongress als die Schlüsselveranstaltung zur
tionen der staatlichen Entwicklungszusammen-                                  Stabilisierung des internationalen BID-Netz-
arbeit, die als „Globalisierungsbeschleuniger“                                werkes, auf der hunderte von Experten aus der
von BID wirken, indem sie – wie USAID in                                      ganzen Welt zusammenkommen. Sie tauschen
Serbien oder die GIZ in Albanien – im Zuge der                                dort Erfahrungen mit BID aus, sie entheben
Unterstützung bei der Verwaltungsmodernisie-                                  durch Vorträge BID aus ihren jeweiligen lokalen
rung Projekte der Politikberatung finanzieren,                                Kontexten, reduzieren sie auf Basiselemente
die die Gründung von BID zum Ziel haben.                                      und machen sie damit global mobilisierbar, sie
Innerhalb Europas erwiesen sich transnationale                                vergewissern sich im Smalltalk in Tagungspau-
Regierungsorganisationen wie die EU als maß-                                  sen der Zugehörigkeit zu einer internationalen
geblich, die durch Förderprogramme gezielt                                    Gemeinschaft, oder sie informieren sich bei der
Vergleiche von Politiken unter ihren Mitglied-                                anwesenden Industrie über aktuelle Muster von
staaten fördern, um intern einen Wettbewerb um                                Weihnachtsbeleuchtungen oder Mülleimern. Im
„gute Politiken“ zu initiieren. So fördert die EU                             nationalen Kontext ragen die vom DIHK orga-
im Rahmen ihres Interreg „North Sea Region                                    nisierten „BID-Bundeskongresse“ aus der Fülle
Programmes“ von 2007-2013 den inter-urbanen                                   an Veranstaltungen heraus. In ihrem Rahmen
Austausch von Stadtentwicklungskonzepten un-                                  wird jährlich ein BID mit dem „BID-Award“ für
ter dem Motto „making places profitable“ (www.                                besondere Leistungen ausgezeichnet. Darüber
mp4-interreg.eu). Als Projektpartner haben die                                hinaus werden dezidiert internationale Experten
HafenCity Universität Hamburg und die von der                                 präsentiert, die über ihre Erfahrungen mit BID
Stadt Hamburg gegründete Lawaetz-Stiftung                                     in ihrem Land berichten. Eine solche Form der
das Konzept und die Umsetzung von BID in der                                  Präsentation dient zum einen der Selbstverge-
Hansestadt auf Tagungen und Vor-Ort-Besich-                                   wisserung, gute Stadtpolitik „auf der Höhe der
tigungen kommunalpolitischen Akteuren aus                                     Zeit“ zu machen. Zum anderen fördert die Dar-
Nordsee-Anrainerstaaten als erfolgreiche und                                  stellung von best-practices die Inszenierung von
übertragbare Stadtentwicklungspolitik präsen-                                 Politik-Gurus und mit ihnen assoziierten „Best-
tiert.                                                                        Places“ (McCann 2004). Tagungen sind damit
    Insgesamt kann mit Blick auf die Bedeutung                                Teil der Produktion einer neoliberalen Vision
von Akteuren festgehalten werden, dass Zir-                                   von Stadt, die als Teil eines übergreifenden Pro-
kulationen von Politikmodellen wie BID von                                    zesses interurbaner Konkurrenz kommodifiziert
Wissens-/Erkenntnisgemeinschaften getragen                                    und vermarktet wird (Brenner/Theodore 2002).
werden, die Wissen um politische Modelle trans-                               Für die Verbreitung von Best Practice-Lösungen
ferieren, vor Ort einbetten und in ihrer Praxis                               und das Aufgreifen von Politiken, die sich an-
anwenden. Stadtpolitiken wie BID werden sol-                                  dernorts etabliert haben, sind Informationsreisen
chermaßen zugleich lokal fixiert als auch global                              ein maßgebliches Setting, das physische Koprä-
mobilisiert.                                                                  senz ermöglicht. So kann für fast alle Länder,
                                                                              die BID implementiert haben, nachgewiesen

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
       © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014
Business Improvement Districts in Deutschland                                                             93

werden, dass Repräsentanten zuvor mit Dele-                                   uniformierten Wach- und Servicepersonals in die
gationen Exkursionen in die USA, insbesondere                                 zero tolerance-Politik unter dem damaligen Bür-
nach New York, durchgeführt haben (z. B. Süd-                                 germeister Rudolph Giuliani ein. Entscheidender
afrika 1996: Hoyt 2006; Serbien 2002: USAID                                   Schritt in der Erfolgsnarration von BID war es
2007; Ward 2007). Im Falle Deutschlands hat der                               somit, mit dem wirtschaftlichen Aufschwung
DIHK 2003 eine BID-Informationsreise in die                                   New Yorks in den 1990er Jahren identifiziert
USA initiiert (Fuchs 2004), an der zahlreiche der                             werden zu können. Denn erst damit konnte
Akteure teilnahmen, die später eine maßgebliche                               das BID-Modell zu einem weltweit zitierbaren
Rolle bei der Gründung von BID in Deutschland                                 konzeptionellen Vorbild für die Revitalisierung
spielten. Nach eigener Anschauung erhalten                                    von unter Abwertungsdruck stehenden Ge-
die Teilnehmer auf solchen Touren „BID zum                                    schäftsvierteln werden und gleichermaßen den
Anfassen“, mit spontanen Kurzinterviews mit                                   empirischen Beleg für den Erfolg des Modells
(zufriedenen) Beschäftigten, der Besichtigung                                 liefern.
von Infrastruktur, Smalltalks mit Geschäftsin-                                    Neben der Möglichkeit, mit New York oder –
habern, die auf den Erfolg von BID verweisen                                  national – Hamburg auf „erfolgreiche“ Vorbilder
etc. Innerhalb Deutschlands kommt Hamburg                                     verweisen zu können, erweisen sich nach unserer
mittlerweile eine vergleichbare Stellung als                                  Arbeit territorial gebundene Krisendiskurse als
Ziel von Informationsreisen von Akteuren aus                                  entscheidend für eine lokale Verwirklichung
anderen Städten zu – mit einer nachhaltigen                                   des BID-Konzepts. BID müssen an lokale
Wirkung, wie Interviews mit Repräsentanten                                    Problemwahrnehmungen anschließen, um als
einer letztlich gescheiterten BID-Initiative in                               erfolgversprechende Lösungsstrategie fungieren
Wiesbaden belegen:                                                            zu können. Solche Krisendiskurse thematisieren
   „Der Innensenator war das, der uns empfangen hat, das                      z. B. in den USA und Südafrika (Michel 2013)
   war eine richtige Abordnung, die aus Wiesbaden kam.                        in der Regel Sicherheitsfragen und die fehlende
   Die dann auch mit dem entsprechenden Gegenüber aus                         Kraft der öffentlichen Hand, für ausreichende
   Hamburg zusammengesessen hat, die berichtet haben                          Sicherheit sorgen zu können, die der BID dann
   über das BID in Hamburg. [..] Das war schon beein-                         bereitstellen könne. In Deutschland spielen
   druckend, wie viel Mühe die sich gemacht haben.“
                                                                              solche Unsicherheitsdiskurse nur eine unterge-
   (Verein Wiesbaden-Taunusstraße).
                                                                              ordnete Rolle, so gibt mit Hamburg-Bergedorf
                                                                              nur ein einziger BID einen signifikanten Bud-
                                                                              getanteil für private Sicherheitsdienste aus. Hier
3.3 Machtvolle Diskursformationen
                                                                              bilden vor allem Schreckensszenarien verödeter
                                                                              Innenstädte durch periphere Shopping-Center
Die Stilisierung von BID-Repräsentanten der
                                                                              die vorherrschende Legitimation. Dies ist in Ge-
ersten Stunde zu Stars der internationalen BID-
                                                                              setzgebungsverfahren auf Länderebene nachzu-
Community, die Prämierung von besonders „er-
                                                                              weisen, wie auch in Implementierungsverfahren
folgreichen“ BID sowie Exkursionen in Städte
                                                                              auf der kommunalen Ebene.
mit vermeintlichen Best-Practice-Lösungen
zeigen, dass wandernde Politiken maßgeblich                                        „Also ohne diese Center-Angst wären die BID vermut-
durch machtvolle geographische Imaginationen                                       lich, auf alle Fälle nicht so schnell, wenn überhaupt,
                                                                                   vielleicht gar nicht entstanden. Also man braucht
in Form von Vorbildstädten geprägt werden.                                         scheinbar was, was einen eint.“ (Abgeordneter des
So ist die Ikonisierung des BID-Modells durch                                      hessischen Landtags)
die Verbindung mit der Stadtpolitik New Yorks
entscheidend für seine spätere Verbreitung in                                      „Wir hatten natürlich den Vorteil, dass wir in Gießen
                                                                                   die Basis mobilisieren konnten durch die Neugründung
andere Länder. BID boomten in New York vor                                         und die Ansiedlung der Galerie Neustädter Tor, das war
allem in den 1990er Jahren und fügten sich                                         natürlich für ganz viele hier in Gießen ein Feindbild,
mit ihrem starken Fokus auf Sicherheit und                                         das war wie der Todesstern, ‚the Evil Empire‘, [...] und
Sauberkeit und ihre starke Sichtbarkeit mittels                                    wir hatten hier ein Feindbild, wo wir extrem leicht und

       Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
       Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
       elektronischen Systemen.
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     effektiv Hausbesitzer mobilisieren konnten.“ (Vertreter                    Politiken und ihren lokalen Manifestationen
     eines Gießener BID)                                                        sowie die darin entstehenden Kämpfe, Allianzen
Die Fixierung diskursiver Problematisierungen                                   und Übersetzungen zu rahmen. Das Potenzial
und Legitimierungen von BID ist temporal und                                    von Assemblage-Ansätzen kann darüber hinaus
es kommt zu diskursiven Verschiebungen, wie                                     in der Akzeptanz der Auffassung gesehen wer-
sich am Beispiel der BID-Debatte in Deutsch-                                    den, dass auch nicht-menschliche Entitäten das
land zeigt. So wurden kritische Aussagen, BID                                   Vermögen haben, Veränderungen auszulösen
könnten aufgrund der Förderung von Immobili-                                    und damit wie Handlungen zu wirken: „Agency
en- und Einzelhandelsinteressen und dem Fokus                                   (…) is the action or the force that leads to one
auf der Schaffung konsumierbarer Innenstadt-                                    particular enactment of the city, and this force is
räume evtl. auch – wie Shopping-Center – zu                                     simultaneously social and material“ (Mc Farlane
einer Uniformisierung des Angebots und einer                                    2011, 215 nach Farías 2009).
„Mallfizierung“ von Innenstädten beitragen,                                        In diesem Sinne könnten BID als soziotech-
im BID-Legitimationsdiskurs inkludiert und so                                   nische Netzwerke aufgefasst werden. Solche
gewendet, dass BID nun als Bewahrer des Städ-                                   umfassen menschliche Akteure, aber eben auch
tischen gelten, die den monotonen Shopping-                                     physisch-materielle Artefakte und technische
Centern vielfältige gewachsene Innenstädte                                      Infrastruktur, die einen spezifischen Beitrag zur
entgegensetzen. Diese beinhalten als Ort der                                    Stabilisierung des Netzwerkes wie zu seiner kon-
Begegnung mit dem Fremden vermeintlich                                          tinuierlichen Ausdehnung leisten. Mit Bezug auf
klassische Funktionen der europäischen Stadt.                                   Bruno Latours Konzept der „immutable mobi-
So werden kritische Stimmen im BID-Diskurs,                                     les“ (1990) können in Anlehnung an Collier und
dass BID – insbesondere mit Blick auf die                                       Ong (2005) oder McFarlane für die Einführung
USA (Marquardt/Füller 2012) – durch selektive                                   von BID in Deutschland „glossy policy docu-
Sicherheits- und Kontrollstrategien zum Aus-                                    ments“ (2011, 215) identifiziert werden, also
schluss von Bevölkerungsgruppen führten, die                                    zentrale strategische oder operative Dokumente,
nicht der Kommodifizierbarkeit des Standortes                                   auf die in der BID-Community permanent als
dienten, in der deutschen Debatte inkludiert und                                Referenz Bezug genommen wird und die dem-
gewendet:                                                                       entsprechend wie Blaupausen für Politikmodelle
     „Im Shopping Center finden keine Demonstrationen                           wirken. Eine für die Ausbreitung von BID in
     statt und da sitzen auch keine Bettler. […] Mit dem                        Deutschland zentrale Rolle als Blaupause hat
     BID haben wir ja ein Instrument, […] diese gewach-                         das Hamburger BID-Gesetz. Wie ein Vergleich
     senen Quartiere wettbewerbsfähig zu halten und dafür                       der 2013 vorliegenden Landesgesetze zeigt,
     zu sorgen, dass sie auch in 10, 20, 30 Jahren noch
     belebte Quartiere sind, wo Geschäfte sind, aber eben
                                                                                diente es fast allen anderen Gesetzgebern als
     auch die Obdachlosen.“ (IHK-Repräsentant)                                  Vorlage, die in späteren Gesetzgebungsverfahren
                                                                                in großen Teilen wortgleich übernommen wurde
                                                                                und oftmals nur geringfügige Anpassungen, z. B.
3.4 BID als soziotechnische Netzwerke                                           hinsichtlich der zu erreichenden Quoren oder der
                                                                                zu beteiligenden Gruppen, erfuhr.
Trotz einer nach wie vor inhärenten Fokus-
sierung auf Akteure als maßgebliche Prota-
gonisten internationaler Politik-Wanderungen                                    3.5 Globale Mobilisierung vs. lokale Kontextu-
integriert das policy mobility-Konzept mit                                          alisierung
Assemblage-Ansätzen zunehmend Theorien,
die die Akteursfokussierung aufbrechen. Die                                     Auch mobile Politiken wie BID werden stark
vorliegenden Rezeptionen von Assemblage                                         durch territorial gebundene Strukturen gefasst, da
beziehen sich vor allem auf Aspekte, die es                                     sich Stadtpolitik in großem Maße pfadabhängig
ermöglichen, das Verhältnis von mobilisierten                                   entwickelt. Die Konstituierung von Stadtpolitik

         Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
         Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in
         elektronischen Systemen.
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