BMZ-Kernthemenstrategie: "Eine Welt ohne Hunger" - BMZ Strategie BMZ PAPIER 5

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BMZ-Kernthemenstrategie: "Eine Welt ohne Hunger" - BMZ Strategie BMZ PAPIER 5
BMZ-Kernthemenstrategie:
„Eine Welt ohne Hunger“
BMZ Strategie
BMZ PAPIER 5 | 2021
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis                                                                   3

SDG-Glossar                                                                             5

1. Zusammenfassung und Kernbotschaften                                                  7

2. Bewertende Darstellung der Rahmenbedingungen
   und Situationsanalyse                                                                9
2.1. Wesentliche Herausforderungen, Entwicklungspotenziale und Megatrends               9
2.2 Internationaler Kontext und Erfahrung in der Zusammenarbeit mit anderen Partnern   12

3    Strategische Schlussfolgerungen und Ausrichtung
     der deutschen Kooperation für die Jahre 2021 bis 2026                             13
3.1 Ansatz und Interessen                                                              13
3.2 Entwicklungspolitische Ziele                                                       15

4    Zukünftige Ausrichtung der deutschen EZ in den Aktionsfeldern:
     strategische Vorgaben                                                             17
4.1 Aktionsfeld „Ernährungssicherung“                                                  17
4.2 Aktionsfeld „Ländliche Entwicklung“                                                20
4.3 Aktionsfeld „Landwirtschaft“                                                       24

5    Erfolgsbewertung                                                                  29
3       BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

Abkürzungsverzeichnis
AfCFTA       Panafrikanische Freihandelszone
AFR100       The African Forest Landscape Restoration Initiative
AU           Afrikanische Union
BMZ          Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
CAFI         Central African Forest Initiative
CFS          Welternährungsausschuss
CGIAR        Consultative Group on International Agricultural Research
DEval        Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit
DO           Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
EU           Europäische Union
EWOH         Eine Welt ohne Hunger
EZ           Entwicklungszusammenarbeit
FAO          Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
G20          Gruppe der Zwanzig
G7           Gruppe der Sieben
GAFSP        Globales Programm für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit
GIZ          Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
HDP-Nexus Humanitarian-Development-Peace-Nexus
IFAD         Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung
ITPGRFA      Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung
             und Landwirtschaft
             International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture
IWRM         Integriertes Wasserressourcenmanagement
KfW          Kreditanstalt für Wiederaufbau
KWI          Krisenbewältigung, Wiederaufbau und Infrastruktur
NROs         Nichtregierungsorganisationen
OECD         Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
pro-WEAI     project-level Women's Empowerment in Agriculture Index
PTB          Physikalisch-Technische Bundesanstalt
RAI          Prinzipien für verantwortliche Investitionen in die Landwirtschaft
             und Nahrungsmittelsysteme
             Principles for the Responsible Investment in Agriculture and Food Systems
REC          Regionale Wirtschaftsgemeinschaften
RRI          Rights and Resources Initiative
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SDG         Ziele für nachhaltige Entwicklung
            Sustainable Development Goals
SUN         Scaling Up Nutrition
UNCCD       Internationale Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation
UNDROP      United Nations Declaration on the Rights of Peasants
UN-Habitat Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen
UNICEF      Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
USA         Vereinigte Staaten von Amerika
VGGT        Freiwillige Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden-
            und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern
            Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure of Land,
            Fisheries and Forests in the Context of National Food Security
VN          Vereinte Nationen
WASH        Wasser, Sanitärversorgung, Hygiene
WFP         Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen
WTO         Welthandelsorganisation
5       BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

SDG-Glossar
In diesem Papier zitierte und in Bezug genommene Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)
aus der Agenda 2030

SDG 1        Armut in allen ihren Formen und überall beenden.
SDG 1.1      Bis 2030 die extreme Armut – gegenwärtig definiert als der Anteil der Menschen,
             die mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen müssen – für alle Menschen
             überall auf der Welt beseitigen.
SDG 2        Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen
             und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.
SDG 2.1      Bis 2030 den Hunger beenden und sicherstellen, dass alle Menschen, insbesondere
             die Armen und Menschen in prekären Situationen, einschließlich Kleinkindern,
             ganzjährig Zugang zu sicheren, nährstoffreichen und ausreichenden Nahrungs-
             mitteln haben.
SDG 2.2      Bis 2030 alle Formen der Fehlernährung beenden, einschließlich durch Erreichung
             der international vereinbarten Zielvorgaben in Bezug auf Wachstumshemmung
             und Auszehrung bei Kindern unter fünf Jahren bis 2025, und den Ernährungs-
             bedürfnissen von heranwachsenden Mädchen, schwangeren und stillenden Frauen
             und älteren Menschen Rechnung tragen.
SDG 2.3      Bis 2030 die landwirtschaftliche Produktivität und die Einkommen von kleinen
             Nahrungsmittelproduzenten, insbesondere von Frauen, Angehörigen indigener
             Völker, landwirtschaftlichen Familienbetrieben, Weidetierhaltern und Fischern,
             verdoppeln, unter anderem durch den sicheren und gleichberechtigten Zugang zu
             Grund und Boden, anderen Produktionsressourcen und Betriebsmitteln, Wissen,
             Finanzdienstleistungen, Märkten sowie Möglichkeiten für Wertschöpfung und
             außerlandwirtschaftliche Beschäftigung.
SDG 2.4      Bis 2030 die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sicherstel-
             len und resiliente landwirtschaftliche Methoden anwenden, die die Produktivität
             und den Ertrag steigern, zur Erhaltung der Ökosysteme beitragen, die Anpassungs-
             fähigkeit an Klimaänderungen, extreme Wetterereignisse, Dürren, Überschwem-
             mungen und andere Katastrophen erhöhen und die Flächen- und Bodenqualität
             schrittweise verbessern.
SDG 2.5      Bis 2020 die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen sowie Nutz- und Haus-
             tieren und ihren wild lebenden Artverwandten bewahren, unter anderem durch
             gut verwaltete und diversifizierte Saatgut- und Pflanzenbanken auf nationaler,
             regionaler und internationaler Ebene, und den Zugang zu den Vorteilen aus der
             Nutzung der genetischen Ressourcen und des damit verbundenen traditionellen
             Wissens sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung dieser Vorteile fördern,
             wie auf internationaler Ebene vereinbart.
SDG 3        Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohl-
             ergehen fördern.
6        BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

SDG 5         Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbst-
              bestimmung befähigen.
SDG 6         Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärver-
              sorgung für alle gewährleisten.
SDG 8         Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Voll-
              beschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.
SDG 10        Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern.
SDG 12        Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen.
SDG 12.1      Den Zehnjahres-Programmrahmen für nachhaltige Konsum- und Produkti-
              onsmuster umsetzen, wobei alle Länder, an der Spitze die entwickelten Länder,
              Maßnahmen ergreifen, unter Berücksichtigung des Entwicklungsstands und der
              Kapazitäten der Entwicklungsländer.
SDG 12.3      Bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzel-
              handels- und Verbraucherebene halbieren und die entlang der Produktions- und
              Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nacherntever-
              lusten verringern.
SDG 13        Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswir-
              kungen ergreifen.
SDG 14        Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten
              und nachhaltig nutzen.
SDG 14.6      Bis 2020 bestimmte Formen der Fischereisubventionen untersagen, die zu Über-
              kapazitäten und Überfischung beitragen, Subventionen abschaffen, die zu illegaler,
              ungemeldeter und unregulierter Fischerei beitragen, und keine neuen derartigen
              Subventionen einführen, in Anerkennung dessen, dass eine geeignete und wirksa-
              me besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer und der am
              wenigsten entwickelten Länder einen untrennbaren Bestandteil der im Rahmen
              der Welthandelsorganisation geführten Verhandlungen über Fischereisubventio-
              nen bilden sollte.
SDG 15        Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung
              fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Boden-
              degradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt
              ein Ende setzen.
7       BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

1 Zusammenfassung und
  Kernbotschaften

Eine Welt ohne Hunger innerhalb der pla-            durch Maßnahmen in der Produktion, beim
netaren Grenzen ist möglich! Alle Menschen          Zugang zu Nahrung oder durch Einkommen,
haben ein Recht auf sichere, ausreichende           soziale Sicherungssysteme und Ernährungsför-
und ausgewogene Ernährung. Unsere Ernäh-            derungsprogramme erfolgen. Besondere Auf-
rungssysteme müssen dafür mehr und anderes          merksamkeit richten wir auch auf Menschen
leisten als heute. Sie müssen effektiver und        in Krisen- und Konfliktsituationen. Stärkere
effizienter werden, resilient gegen Schocks aller   Aufmerksamkeit verdient Fisch als ein gesun-
Art und ökologisch, ökonomisch und sozial           des Lebensmittel und eine bedeutende Ein-
nachhaltig aufgestellt sein, um zu Einkommen        kommensquelle für viele Menschen in unseren
und Beschäftigung beitragen, Armut überwin-         Partnerländern.
den und Wohlstand schaffen zu können. Dabei
müssen die Rechte und Interessen von – vor          Im Aktionsfeld „Ländliche Entwicklung“
allem kleinen – Erzeugerinnen und Erzeugern         zielen wir auf die Verbesserung der Lebensbe-
sowie von Verbraucherinnen und Verbrau-             dingungen und Perspektiven auch für junge
chern im fairen Ausgleich gewahrt werden.           Menschen im ländlichen Raum ab. Wir wollen
Zugleich sind der Schutz des Klimas und der         damit zum Abbau von Ungleichheiten zwischen
Erhalt der natürlichen Ressourcen (Boden,           Stadt und Land bei Nutzung ihrer engen Ver-
Wasser, Biodiversität) wesentliche Faktoren für     flechtungen beitragen. Ein territorialer Ansatz,
funktionierende Agrar- und Ernährungssyste-         der ein sektorübergreifendes und integriertes
me. Im Kernthema „Eine Welt ohne Hunger“            Vorgehen verfolgt, steht in diesem Aktions-
(EWOH) wollen wir gemeinsam mit vielen              feld im Mittelpunkt. Ländliche, partizipative
Partnern aus Regierungen, Zivilgesellschaft,        Governance, rechtlich gesicherter Zugang zu
internationalen Organisationen, Wissenschaft        Land, regionale Wirtschaftsentwicklung sowie
und Privatwirtschaft daran arbeiten, eine           der Erhalt und die Rehabilitierung der natürli-
Welt ohne Hunger unter Berücksichtigung der         chen Ressourcen, von Wald, Wasser, Boden und
planetaren Grenzen Wirklichkeit werden zu           Biodiversität unter Beachtung agrarökologi-
lassen. Damit schaffen wir die Grundlage für        scher Prinzipien und Beiträge zu Klimaschutz
ein gutes gesellschaftliches Miteinander und        und Resilienz sind wesentliche Ansatzpunkte
Chancen für künftige Generationen.                  unserer Maßnahmen.

Im Aktionsfeld „Ernährungssicherung“ steht          Im Aktionsfeld „Landwirtschaft“ stärken wir
die Verwirklichung des Menschenrechts auf           insbesondere nachhaltige agrarische Wert-
angemessene Nahrung insbesondere für die            schöpfungsketten und Ernährungssysteme,
benachteiligten und vulnerablen Bevölke-            angefangen bei der lokalen Produktion und
rungsschichten im Mittelpunkt. Wir unter-           regionalen Vermarktung in unseren Partner-
stützen die Regierungen unserer Partnerländer       ländern bis hin zu globalen Märkten. Dabei
im Globalen Süden dabei, dieses Recht zum           unterstützen wir vor allem Kleinbäuerinnen
Maßstab ihres Handelns zu machen. Das kann          und Kleinbauern, um durch Agrarforschung,
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Innovationen, Investitionen und bessere Or-
ganisation lokale Wertschöpfung und damit
Einkommen und Beschäftigung zu steigern. Be-
sonders wichtig sind uns dabei der Schutz von
Klima und Biodiversität sowie Anpassung an
den Klimawandel. Gleichzeitig setzen wir uns
für nachhaltigen Konsum in Europa ein, um
das globale Agrarhandels- und Ernährungssys-
tem zu verbessern, und arbeiten auf kohähente
Politiken von Bundesregierung und Europäi-
scher Union (EU) hin.

Mit unserem Engagement im Kernthema
EWOH stehen wir für einen ganzheitlichen,
multisektoralen Ansatz. Die drei Aktionsfelder
„Ernährungssicherung“, „Ländliche Entwick-
lung“ und „Landwirtschaft“ ergänzen sich und
wirken komplementär zusammen.
9      BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

2 Bewertende Darstellung
  der Rahmenbedingungen
  und Situationsanalyse

2.1 Wesentliche Herausforderungen,                 und im Leitprinzip „Niemanden zurücklassen“
    Entwicklungspotenziale und                     besonders zum Ausdruck. SDG 2 kann über die
    Megatrends                                     Verfügbarkeit von erschwinglichen Nahrungs-
                                                   mitteln und über die Verbesserung der Ein-
Alle Menschen haben ein Recht auf sichere,         kommenssituation benachteiligter Haushalte
ausreichende und ausgewogene Ernährung.            erreicht werden und hat deshalb starke Wech-
Die Menschen im ländlichen Raum benötigen          selwirkungen mit dem Ziel der Bekämpfung der
zudem eine Zukunftsperspektive mit Einkom-         Armut (SDG 1). Es bestehen außerdem starke
mens- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie        Bezüge zu allen weiteren Zielen, insbesondere
attraktiven Lebensbedingungen. Unsere Ernäh-       zu Gesundheit (SDG 3) und Geschlechtergerech-
rungssysteme – von Produktion über Vertrieb        tigkeit (SDG 5), menschenwürdiger Arbeit und
und Verarbeitung, Konsum bis zur Wiederver-        Wirtschaftswachstum (SDG 8), weniger Un-
wertung im Sinne einer Kreislaufwirtschaft in      gleichheiten (SDG 10), nachhaltiger Produktion
ländlichen und urbanen Regionen – müssen           und Konsum (SDG 12), Klimaschutz (SDG 13),
dafür deutlich mehr und anderes leisten als        Leben unter Wasser (SDG 14) und Erhaltung der
zurzeit. Sie müssen klimagerecht werden,           natürlichen Ressourcen Wasser (SDG 6) sowie
resilient gegen Schocks aller Art sowie ökolo-     Boden, Wälder und Biodiversität (SDG 15).
gisch, ökonomisch und sozial leistungsfähig
und nachhaltig aufgestellt sein. Dafür müssen      Unsere Ernährungssysteme befinden sich
sie politikfeldübergreifend gestaltet werden,      in einer Schieflage, bei der Hunger und Feh-
die Rechte und Interessen von – vor allem          lernährung gleichzeitig mit Übernutzung,
kleinen – Erzeugerinnen und Erzeugern sowie        Überfluss und Verschwendung bestehen. Nach
von Verbraucherinnen und Verbrauchern im           jahrzehntelangen Fortschritten ist die Zahl
fairen Ausgleich bewahren und zugleich Quelle      der Hungernden und Fehlernährten weltweit
von Einkommen und Beschäftigung sein, die          seit 2015 wieder gestiegen. Bis zu 810 Millionen
eine menschenwürdige Existenzgrundlage             Menschen hungerten 2020. Zwei Drittel der
ermöglicht, was wiederum zu Armutsbekämp-          hungernden und mangelernährten Menschen
fung und Ernährungssicherung beiträgt. Diese       leben in ländlichen Räumen. Gleichzeitig
Gedanken sind für die Weltgemeinschaft bei         nimmt die Zahl der stark übergewichtigen
der Erstellung der Agenda 2030 leitend gewe-       Menschen auch in Entwicklungs- und Schwel-
sen und kommen im zweiten Entwicklungsziel         lenländern zu. Die COVID-19-Pandemie hat ne-
„Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit          gative Trends der Fehlernährung insbesondere
und eine bessere Ernährung erreichen und eine      bei der städtischen Bevölkerung verschärft.
nachhaltige Landwirtschaft fördern“ (SDG 2)        Um den Folgen der der COVID-19-Pandemie
10     BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

zu begegnen, ist es im Sinne eines Recover-        Der mangelhafte Zugang zu Land, Kapital und
Forward-Ansatzes wichtig, Maßnahmen zur            Betriebsmitteln spielt eine bedeutende Rolle
Krisenbewältigung und für langfristige nach-       für die Schwächen der ländlichen Entwicklung
haltige Entwicklung zusammenzudenken.              und der Landwirtschaft und damit auch für
                                                   Einkommen und Beschäftigung. Insgesamt als
Die Ursachen für Hunger und Fehlernährung          unattraktiv empfundene Lebensbedingungen,
sind komplex und vielfältig. Geringe Produk-       fehlende Infrastruktur und mangelnde politi-
tion und Produktivität der lokalen Landwirt-       sche Gestaltungsmöglichkeiten kommen hinzu.
schaft, ungleiche Zugänge zu Ressourcen, lokal     Die Innovationssysteme für den Agrar- und
unangepasste Anbausysteme, hohe Nahrungs-          Ernährungssektor und die ländliche Wirtschaft
mittelverluste, unzulängliche Transport- und       sind vielerorts schwach entwickelt. Die Boden-
Vermarktungsmöglichkeiten sowie ineffekti-         degradation mindert einerseits Agrarproduk-
ver und unfairer Agrarhandel schränken die         tion und Einkommen und nimmt andererseits
Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln ein. Die         durch unangepasste Bewirtschaftung zu. Wäl-
unzureichende Arbeitsproduktivität sowie die       der, deren nachhaltige Nutzung erheblich zum
geringe Wertschöpfung in den produktionsvor-       Einkommen beitragen und die für resiliente
und -nachgelagerten Bereichen vor Ort sind         (Agrar-)Ökosysteme und den Wasserhaushalt
gleichzeitig ein Hauptgrund für Armut, gerade      sowie zur natürlichen Kohlenstoffspeicherung
in ländlichen Gebieten. Soziale Sicherheitsnet-    essenziell sind, schwinden in Entwicklungs-
ze, die die Ärmsten unterstützen und Risiken       und Schwellenländern in rasantem Tempo.
auffangen können, sind kaum vorhanden.             Überfischung und illegale Fischerei reduzie-
Fehlendes Wissen um gesunde Ernährung              ren den Beitrag der Fischerei zur Versorgung
und Hygiene sowie falsche Essgewohnheiten          mit proteinreichen Lebensmitteln. Konflikte
verschärfen Ernährungsprobleme. Die Folgen         um Wasserressourcen nehmen zu. Oft spielen
des Klimawandels sind eine zentrale Heraus-        institutionelle und politische Schwächen eine
forderung für die Agrarproduktion der kom-         wesentliche Rolle: Unzureichende Rahmenbe-
menden Jahrzehnte. Bewaffnete Konflikte und        dingungen wie Rechtsunsicherheit, Korrup-
damit verbundene Fragilität sind ein weiterer      tion, ineffiziente öffentliche Verwaltung oder
Treiber für die Verschlechterung der Ernäh-        Landgrabbing, aber auch mangelnde Investi-
rungssituation. Gleichzeitig kann Hunger neue      tionen in Infrastruktur und Daseinsvorsorge
Konflikte schüren oder bestehende verstärken,      sowie Ausbildung benachteiligen die gesamte
besonders im Kontext von Fragilität und hoher      Entwicklung ländlicher Räume. Es gibt zu we-
Ungleichheit. So sind derzeit Gewaltkonflikte      nig Anreize für nachhaltiges privatwirtschaft-
in 23 Ländern Hauptursache für akuten Hun-         liches Engagement. Fehlgeleitete Agrar- und
ger von knapp 100 Millionen Menschen.              Handelspolitiken haben negative Auswirkun-
                                                   gen für die Ernährungssicherheit.
Die Mehrheit der Menschen in Entwicklungs-
ländern lebt auf dem Land. Obwohl sich die         Internationale Einflüsse wirken sich auf die
Lebensbedingungen im ländlichen Raum               Entwicklung des ländlichen Raums und der
in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt           Landwirtschaft sowie auf die Ernährungssitua-
verbessert haben, verlassen weiter zu viele        tion in unseren Partnerländern aus. Der Welt-
junge Menschen ihre Heimat und migrieren in        agrarhandel ist weiterhin nicht fair ausgestaltet.
größere Städte oder gar das Ausland. Ursachen      Dies ist für Entwicklungs- und Schwellenländer
sind – neben unmittelbarer Armut – ein Mangel      gleich mehrfach problematisch: Handelsbar-
an attraktiven Beschäftigungsperspektiven,         rieren wie Zölle, Quoten und nicht-tarifäre
einschließlich einer als „unmodern“ angese-        Handelshemmnisse verhindern die Integration
henen Landwirtschaft, ungerechte Ressour-          regionaler Märkte und erschweren Agrarexpor-
cenverteilung sowie der Zustand der Umwelt.        te nach Europa und in andere lukrative Märkte.
11     BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

Auch externe Politiken wie die Gemeinsame          Verflechtungen und familiären Bindungen
Agrarpolitik oder Fischereipolitik der EU          unterstützt er regionale Identitäten und Zusam-
können die Partnerländer negativ beeinflus-        menhalt, er dient noch immer als Rückzugsort
sen. Konsummuster in Industrieländern, z. B.       im Alter und in Krisenzeiten. Junge Menschen
der übermäßige Verzehr tierischer Produkte,        hoffen auf eine angemessene Perspektive in ih-
belasten die globale Situation. Ökonomische,       rer Heimat, um sie nicht dauerhaft verlassen zu
politische und ökologische Schocks wie globale     müssen. Dazu bietet gerade die Digitalisierung
Wirtschaftskrisen, Kriege, nachteilige Folgen      vielfältige Anknüpfungspunkte.
des Klimawandels oder Pandemien gefährden
Ernährungssicherheit auf vielfältige Weise.        Den weltweit steigenden Bedarf nach gesunden
                                                   Nahrungsmitteln zu decken bietet Chancen
Einige globale Megatrends treiben und ver-         für die lokale Land- und Ernährungswirt-
ändern diese Herausforderungen. Das Be-            schaft, viele – auch niedrig qualifizierte – Jobs
völkerungswachstum lässt für die nächsten          zu schaffen. Die häufig niedrige Produktivität
Jahrzehnte weitere zwei Milliarden Menschen        der Landwirtschaft kann gesteigert und hohe
erwarten, überwiegend in den Ländern Subsa-        Nahrungsmittelverluste können verringert
hara-Afrikas mit heute schon gravierenden Er-      werden. Hierfür sind private und öffentliche
nährungsproblemen. Urbanisierung verändert         Investitionen notwendig. Agrarökologische
die Ernährungsweisen und die Anforderungen         Konzepte bieten eine gute Grundlage, um die
an Ernährungssysteme und hat tendenziell           Produktivität ressourcenschonend und nach-
mehr urbane Armut und Fehlernährung zur            haltig zu erhöhen. Transaktionskosten im
Folge. Anhaltendes Wirtschaftswachstum wird        ländlichen Raum können durch Infrastruktur-
zu erhöhter Nachfrage nach ressourceninten-        Investitionen und zunehmend durch Digitali-
siveren und höherwertigen Nahrungsmitteln          sierung verringert werden. Bessere Governance
führen und damit den Druck auf die (Agrar-)        bspw. beim Bodenrecht sowie starke zivilge-
Ökosysteme verstärken. Dies folgt auch aus der     sellschaftliche und berufsständische Organi-
sukzessiven Umstellung von erdölbasierter auf      sationen haben das Potenzial, die Position der
pflanzenbasierte Wirtschaft und der konkur-        ländlichen Akteure, insbesondere der Klein-
rierenden Nutzung von Ressourcen. Die Digita-      bäuerinnen und -bauern, zu stärken und zu fai-
lisierung durchdringt zunehmend alle Bereiche      ren Chancen auf den Absatzmärkten beizutra-
des wirtschaftlichen Lebens. Der Klimawandel       gen. Die nachhaltige Nutzung von Gewässern,
und der Verlust von Biodiversität stellen eine     Böden und Wäldern kann bedeutende Beiträge
enorme Herausforderung für die Landwirt-           zur Verringerung von Treibhausgasemissionen
schaft dar, gleichzeitig tragen nichtnachhaltige   und zur Speicherung von Kohlenstoff leisten
Ernährungssysteme auch zu ihrer Verschär-          sowie den Verlust an Biodiversität bremsen.
fung bei. So sind 25–30 Prozent der weltweiten     Nachhaltiges Land- und Wassermanagement
Treibhausgasemissionen auf den Agrar- und          sowie angepasste und diverse Produktionssys-
Ernährungsbereich zurückzuführen.                  teme, einschließlich Verarbeitung, Handwerk
                                                   und Dienstleistungen, mildern die Auswir-
Die Entwicklungspotenziale der ländlichen          kungen von Wetterextremen und steigern die
Räume werden oft unzureichend genutzt,             Resilienz von Ökosystemen und Menschen.
insbesondere, um jungen Menschen Perspek-          Durch höhere Flächenproduktivität entstehen
tiven in lebenswerten Regionen zu bieten. Der      auch Spielräume, Flächen aus der Nutzung zu
ländliche Raum liefert nicht nur die Grundlage     halten oder in die Natur zurückzuführen. Bes-
für die Ernährung in Stadt und Land, er kann       sere lokale Governance und stärkere Teilhabe
auch Motor von wirtschaftlicher und sozialer       benachteiligter Gruppen können politische
Entwicklung sein und attraktive Arbeitsplätze      Aufmerksamkeit und Ressourcen in den ländli-
bieten. Bei nach wie vor engen Stadt-Land-         chen Raum lenken.
12     BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

Auf regionaler Ebene versprechen Verbesserun-      systeme, klimasensible oder -intelligente Land-
gen von Infrastruktur und regionale Integra-       wirtschaft, Agrarökologie oder One Health
tionspolitiken wie die im Aufbau befindliche       greifen diese engen Verflechtungen zwischen
Panafrikanische Freihandelszone (AfCFTA)           den Sektoren auf. Dabei kann teilweise auf
stabilere Agrar- und Nahrungsmittelmärkte.         jahrzehntelange Erfahrungen der deutschen
Auf internationaler Ebene kann noch deutlich       und internationalen Entwicklungszusammen-
mehr Politikkohärenz in relevanten Bereichen       arbeit (EZ) zurückgegriffen werden, teilweise
wie Agrarwirtschaft, Handel, Investitionen,        müssen aber auch neue Optionen erprobt und
Umwelt, Klima, Desertifikationsbekämpfung          integriert werden.
und Katastrophenhilfe erzielt werden. Die
Reduzierung des Konsums tierischer Produkte        Mit Beginn der Sonderinitiative „Eine Welt
im Globalen Norden und in vielen Schwel-           ohne Hunger“ 2014 wurde Deutschland nach
lenländern sowie die Förderung nachhaltiger        den USA der größte bilaterale Geber im Bereich
Wertschöpfungsketten im und aus dem Globa-         Ernährungssicherung. Ein Meilenstein dafür ist
len Süden können den Druck auf die globalen        die G7-Erklärung von Elmau von 2015, in der
ökologischen Ressourcen sowie soziale und          sich die G7 dazu verpflichtet haben, bis 2030 500
ökonomische Missstände mildern.                    Millionen Menschen aus Hunger und Mangeler-
                                                   nährung herauszuführen. Als einziges G7-Land
Insgesamt gilt: Nicht der Mangel an Optionen,      hat Deutschland seine Investitionen für diesen
sondern an politischem Willen behindert die        Bereich deutlich erhöht. Das Bundesministeri-
nachhaltige Nutzung dieser Potenziale.             um für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
                                                   Entwicklung (BMZ) setzt sich ebenfalls dafür
                                                   ein, die Beschäftigungsperspektiven Jugend-
2.2 Internationaler Kontext und                    licher im ländlichen Raum zu verbessern, und
    Erfahrung in der Zusammenarbeit                hat dafür 2017 die G20-Initiative Rural Youth
    mit anderen Partnern                           Employment politisch angestoßen.

Ländliche Entwicklung, Ernährungssicherung         Das BMZ steht für einen Entwicklungsansatz,
und Landwirtschaft nehmen traditionell eine        der soziale, ökologische, ökonomische und
herausgehobene Rolle in der deutschen und          politisch-institutionelle Aspekte sowie Men-
internationalen Entwicklungspolitik ein. Nach      schenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und
deutlich verringertem Interesse der Geber, aber    Inklusion von Menschen mit Behinderungen
auch vieler Partnerländer an diesen Themen         integriert. Diese Aspekte bringt das BMZ in die
in den 1990er-Jahren stehen sie seit der Nah-      Arbeit in internationalen Organisationen und
rungsmittelkrise 2007/08 wieder im Fokus der       Gremien und mit anderen Gebern aktiv ein.
globalen Agenda. Auch durch die Aktivitäten
von Gebern sind Hunger und Fehlernährung
signifikant zurückgegangen, und die Lebens-
bedingungen im ländlichen Raum haben
sich deutlich verbessert – gleichzeitig stießen
nicht nachhaltige Ansätze zur Produktions-
steigerung auf Grenzen. Die immer deutlicher
werdende Rolle des Agrarsektors für globale
ökologische Probleme lassen den Ruf nach grö-
ßerer Nachhaltigkeit des Sektors immer lauter
werden. Dazu gehören auch Verbesserungen in
den Wertschöpfungsketten und beim Konsum.
Neuere Ansätze wie nachhaltige Ernährungs-
13     BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

3 Strategische
  Schlussfolgerungen und
  Ausrichtung der deutschen
  Kooperation für
  die Jahre 2021 bis 2026

3.1 Ansatz und Interessen                          zentral berücksichtigt werden. Wir wollen so in
                                                   den nächsten Jahren ein maßgeblicher Impuls-
Eine Welt ohne Hunger innerhalb der plane-         geber für sozial, ökologisch und ökonomisch
taren Grenzen ist möglich! Für die meisten         nachhaltige lokale und globale Landwirtschaft
Partnerländer des BMZ haben Armut und Hun-         und Ernährungssysteme sowie für die Entwick-
ger unter allen SDGs eine herausragende Rolle.     lung von ländlichen Räumen sein. Dabei sollen
Daher hat EWOH auch für das BMZ weiterhin          Transformationsprozesse auf Grundlage agra-
eine hohe Priorität. Wir wollen unsere Part-       rökologischer Prinzipien und weiterer innova-
nerländer weiter begleiten und unsere füh-         tiver Ansätze für eine nachhaltige Landwirt-
rende Rolle im internationalen Diskurs und         schaft angestoßen und bestärkt werden. Hier
unter den Gebern halten und ausbauen. Dafür        geht es um Diversifizierung, maßvollen Be-
werden wir weiterhin Beiträge zum globalen         triebsmitteleinsatz und Modernisierung in der
Agenda-Setting, zu internationalen und natio-      Landwirtschaft und darüber hinaus in der länd-
nalen politischen Diskussionen und damit zur       lichen Wirtschaft, unter Wahrung der Rechte
Erreichung der Agenda 2030 leisten.                und durch Partizipation aller – insbesondere
                                                   benachteiligter – Bevölkerungsgruppen.
Die Beseitigung von Armut, Hunger und Feh-
lernährung dient nicht nur der Verwirklichung      Die Agenda 2030 unterstreicht die gemeinsame
elementarer Menschenrechte, einschließlich         Verantwortung aller Akteure – Politik, Wirt-
des Menschenrechts auf angemessene Nah-            schaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Zu-
rung, sondern ist auch ein zentraler Beitrag       dem ist sie universell gültig. Dabei gilt es auch,
zur Entfaltung der Persönlichkeit eines jeden      die globalen Wirkungen nationalen Handelns
Menschen, für Frieden und Freiheit von Kon-        zu berücksichtigen, z. B. mit Blick auf Klima-
flikten sowie zur Verminderung von Fluchtur-       wandel, Handel, nachhaltigen Konsum sowie
sachen. Wir benötigen dazu eine nachhaltige        nachhaltige Produktion. Als BMZ streben wir
Steigerung der landwirtschaftlichen Produkti-      die Verbesserung der Lebensbedingungen der
vität vielerorts in unseren Partnerländern, die    Menschen und der Umwelt des Globalen Südens
gleichzeitig durch die Förderung einer nach-       an und wollen einen Beitrag zur Reduzierung
haltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen        des Klimawandels leisten. Wir setzen dabei
zur Einhaltung planetarer Grenzen beiträgt.        an verschiedenen Entscheidungs- und Hand-
Armuts- und Verteilungsfragen müssen dabei         lungsebenen an.
14       BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

•    Global bzw. international: Wir arbeiten mit         gemeinsam mit den nationalen Institutio-
     den Vereinten Nationen (VN), der Welthan-           nen um.
     delsorganisation (WTO), der Weltbank, re-
     gionalen Entwicklungsbanken und sektor-         •   Deutschland: Wir kooperieren sowohl mit
     bezogenen Fonds, Multistakeholder-Foren             verschiedenen Ressorts der Bundesregierung
     und Netzwerken wie dem Committee on                 als auch mit Zivilgesellschaft, Privatwirt-
     World Food Security (CFS), der UNCCD zur            schaft und Wissenschaft. Wir setzen uns
     Dürre- und Desertifikationsbekämpfung               hier für ein möglichst entwicklungsfreund-
     und dem Agrarforschungssystem CGIAR                 liches europäisches Agrar- und Ernährungs-
     zusammen. Auch Programme von VN-Son-                system und für nachhaltigen Konsum ein.
     derorganisationen wie dem Internationalen           Wir gestalten gemeinsam mit anderen Res-
     Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung           sorts die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie
     (IFAD), der Landwirtschaftsorganisation             und tragen zu ihrer Umsetzung bei.
     der VN (FAO) und dem Welternährungspro-
     gramm (WFP) gestalten wir inhaltlich und        Wir setzen kontextspezifisch und komplemen-
     finanziell mit. Hier setzen wir uns für ein     tär auf verschiedene Instrumente und Formen
     koordiniertes Engagement in der Bekämp-         der Kooperation. Auf allen Ebenen tragen wir
     fung von Hunger ein.                            aktiv zu Agenda-Setting und Politikformu-
                                                     lierung bei. Dabei zielen wir auf Politikkohä-
•    Regional: Wir arbeiten zusammen mit Re-         renz innerhalb der Bundesregierung und der
     gionalorganisationen wie der Afrikanischen      EU ab. Wir setzen verschiedene Ansätze wie
     Union (AU) und Regionalen Wirtschafts-          entwicklungspolitischen Dialog, Beratung und
     gemeinschaften (REC). Wir fördern solche        Kapazitätsentwicklung sowie Finanzierung
     Organisationen insbesondere da, wo sie zu       von staatlichen und nichtstaatlichen Partnern
     regionalen Herausforderungen tragfähigere       bedarfsgerecht und komplementär ein.
     Lösungen bieten als nationalstaatliche An-      Wir entwickeln diese Ansätze innovativ weiter,
     sätze bzw. diese absichern.                     um bedarfs- und partnerorientiert zu agieren
                                                     und Aktionsfelder wirksam und effizient zu
•    EU: Wir beteiligen uns an der Umsetzung         gestalten. Geeignete Umsetzungsmodalitäten
     von europäischen Initiativen wie dem Green      können auch Policy Based Lending und Korb-
     Deal und den Team-Europe-Initiativen. Wir       finanzierung sein.
     gestalten die EU-Entwicklungspolitik mit,
     stimmen uns politisch mit den anderen Mit-      Außer mit staatlichen Partnern arbeiten wir
     gliedsstaaten zu internationalen Prozessen ab   mit unterschiedlichen Akteuren aus Zivilgesell-
     und bringen uns in Joint-Programming-An-        schaft (insbesondere Kirchen), Unternehmen
     sätzen ein. Wir setzen uns für entwicklungs-    und Verbänden sowie Forschungseinrichtungen
     politische Kohärenz in verschiedenen EU-        (Universitäten, Stiftungen, Thinktanks und
     Strategien und Politiken ein, insbesondere      Netzwerken) in Europa und in Partnerlän-
     der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Fischerei-    dern zusammen. Wir arbeiten mit staatlichen
     und Handelspolitik, der Aid-for-Trade- und      Durchführungsorganisationen der deutschen
     der Farm-to-Fork-Strategie.                     EZ (insbesondere der Deutschen Gesellschaft
                                                     für Internationale Zusammenarbeit [GIZ], der
•    Partnerländer: Wir richten unsere Politi-       Kreditanstalt für Wiederaufbau [KfW-Entwick-
     ken und Programme an Problemlagen und           lungsbank] und der Physikalisch-Technische
     Prioritäten der Partnerländer aus (Partner-     Bundesanstalt [PTB]) und schließen neue
     orientierung), unterstützen sie bei der         Partnerschaften und Kooperationsformen. So
     Formulierung und Implementierung ihrer          wollen wir zum Beispiel die Zusammenarbeit
     Strategien und setzen unsere Vorhaben           zwischen afrikanischen und deutschen Bau-
15      BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

ernorganisationen mit wirkungsorientierten          gische Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft
Investitionsfonds oder mit der Wirtschaft über      und anderen Wirtschaftsbereichen stärken,
Innovations- und Entwicklungspartnerschaf-          die Schlüsselressourcen des planetaren
ten kontinuierlich ausbauen. Der Dialog mit         Systems – Böden, Biodiversität und Wasser
den verschiedenen Gruppen durch Multistake-         – erhalten und zur Eindämmung des Klima-
holder-Plattformen und andere Formate ist ein       wandels beitragen.
wichtiges Anliegen, um gesellschaftlich breit
akzeptierte entwicklungswirksame Ergebnisse         Zielkonflikte zum Beispiel zwischen Intensi-
zu erzielen. Wir beabsichtigen, die Möglich-        vierung und Extensivierung, Ernährung und
keiten im Rahmen von Dreieckskooperationen          Ressourcenschutz, Wirtschaft und Natur sind
mit Schwellenländern zu nutzen, um Know-            gerade im EWOH-Kernthema häufig und müs-
how auszutauschen.                                  sen im Einzelfall und in Abstimmung mit dem
                                                    jeweiligen Partner abgewogen und entschieden
Mit unseren Ansätzen im Kernthema EWOH              werden. Die vorliegende Strategie kann nur
verfolgen wir eine ganzheitliche, multisektorale    eine grundsätzliche Richtungsbestimmung
Vorgehensweise, die alle relevanten Akteure         vornehmen; es gibt keine Generalformel zur
auf Makro-, Meso- und Mikroebene umfasst.           Auflösung solcher Zielkonflikte. Zentrale Leit-
Die drei Aktionsfelder „Ernährungssicherung“,       planken im Umgang mit diesen Konflikten sind
„Ländliche Entwicklung“ und „Landwirtschaft“        die Nachhaltigkeit in allen Dimensionen und
ergänzen sich und wirken komplementär zu-           die Qualitätsmerkmale.
sammen. Dabei ist eine eindeutige Zuordnung
von Maßnahmen zu den einzelnen Aktionsfel-          Bei allen entwicklungspolitischen Aktivitäten
dern nicht immer trennscharf möglich; die in        nach dieser Strategie müssen die Qualitäts-
Kapitel 4 beschriebenen Ansätze sind aktions-       merkmale des BMZ querschnittsmäßig berück-
feldübergreifend relevant. Durch das Einbinden      sichtigt und in die verschiedenen Ansätze integ-
von verwandten Sektoren wie Gesundheit,             riert werden. Qualitätsmerkmale sind unser
Klima, Umwelt oder Wasser, die eng mit dem          „Gütesiegel“ für werteorientierte, nachhaltige
EWOH-Kernthema verknüpft sind, können               und zukunftsorientierte Entwicklungszusam-
Synergien geschaffen werden.                        menarbeit. Derzeit gibt es sechs Qualitätsmerk-
                                                    male (Menschenrechte, Geschlechtergleich-
                                                    stellung und Inklusion; Anti-Korruption und
3.2 Entwicklungspolitische Ziele                    Integrität; Armutsbekämpfung und Reduzie-
                                                    rung der Ungleichheit; Umwelt- und Klima-
Ziel des BMZ ist eine Welt ohne Hunger inner-       prüfung; Konfliktsensibilität (Do no harm);
halb der planetaren Grenzen. Wir streben dazu       Digitalisierung), deren strategische Ausrichtung
den Aufbau von Ernährungssystemen an, die           in eigenen Strategien, den „Leistungsprofilen“,
der Versorgung aller Menschen mit gesunden          konkretisiert wird.
und vielfältigen Lebensmitteln dienen, die auf
nachhaltiger Produktion in funktionieren-           Im Kernthema EWOH werden die Quali-
den Märkten basieren und zur Schaffung von          tätsmerkmale angewandt; sie sind wesent-
Beschäftigung und Einkommen für Menschen            lich für die Zielerreichung. Die Menschen-
aller Geschlechter beitragen. Wir wollen Ar-        rechtsperspektive – gerade mit Blick auf das
mut bekämpfen, Ungleichheiten verringern,           Menschenrecht auf angemessene Nahrung
die Resilienz von Menschen gegenüber Krisen         – verwirklichen wir durch die Orientierung
und Katastrophen sowie gegenüber den Folgen         an menschenrechtlichen Standards und Prin-
des Klimawandels stärken sowie insgesamt            zipien, insbesondere durch die Betonung
langfristig attraktive Perspektiven im ländli-      von Partizipation, Transparenz, guter Regie-
chen Raum schaffen. Wir wollen dabei ökolo-         rungsführung sowie Sorgfalts- und Rechen-
16      BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

schaftspflichten, vor allem von Staaten und          und wollen wir einen Beitrag zur Bekämpfung
anderen Akteuren wie Unternehmen. Dabei              von Korruption leisten, indem wir Transpa-
legen wir einen besonderen Fokus auf arme,           renz, Rechenschaftspflicht und Partizipation
benachteiligte und vulnerable Akteursgrup-           fördern, die für die Erreichung verschiedener
pen. Gleichberechtigung der Geschlechter und         Ziele unabdingbar sind. Wir setzen uns (u. a.
die Transformation von Geschlechterrollen            durch digitale Instrumente) für transparente
sind für die Erreichung der EWOH-Ziele un-           Verfahren des Zugangs zu Ressourcen wie Land
abdingbar. Die Verringerung und Beseitigung          und Wasser ein, insbesondere für Menschen,
von Hunger ist auch ein zentraler Beitrag zur        die oft keine formalisierten Rechte besitzen.
Bekämpfung der Armut und des Prinzips                Den Grundsatz Do no harm gilt es bei den
Leave no one behind. Viele der genannten Ziele       verschiedenen Ziel- und Interessenkonflikten
und Prioritäten können zur Verringerung von          sorgfältig zu beachten: Interventionen in Land-
benachteiligenden Ungleichheiten zwischen            wirtschaft, Ressourcennutzungsrechte und
und innerhalb von Gesellschaften beitragen.          Agrarpreisstrukturen können Konflikte auslö-
Das bezieht sich auf ländliche Regionen und          sen und Ernährungsunsicherheit verschärfen,
Städte, auf ungleiche Einkommen, Rechte und          insbesondere wenn sie in fragilen Kontexten
Chancen der Geschlechter, Altersgruppen, von         und Krisengebieten stattfinden. Deshalb sind
Menschen mit und ohne Behinderungen und              frühzeitige Beteiligten- und Risikoanalysen
von ethnischen Gruppen. Möglichst alle rele-         und die Entwicklung von Maßnahmen anhand
vanten Akteure und Zielgruppen, insbesondere         partizipativer Ansätze unabdingbar.
die von Marginalisierung, Armut und Hunger
betroffenen, müssen in der Planungsphase
einbezogen werden – ebenso wie in das Monito-
ring. Umwelt- und Klimaschutz sind zentraler
Bestandteil des EWOH-Zielkatalogs, weil ohne
sie keine Nachhaltigkeit zu erreichen ist. Mit der
obligatorischen Umwelt- und Klimaprüfung
des BMZ wird sichergestellt, dass nachteilige
Auswirkungen auf den Klimaschutz und die
Umwelt einschließlich Biodiversität vermieden
bzw. verringert und erwartete Auswirkungen
des Klimawandels systematisch berücksich-
tigt werden. Hierzu werden mit und durch
unsere Partner Klimarisikoanalysen erstellt
und genutzt. Dem Einsatz von naturbasierten
Lösungen kommt aufgrund ihrer vielfältigen
ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen
Vorteile hier eine zentrale Rolle zu. Die Digi-
talisierung bietet gerade für den ländlichen
Raum und die Agrarwirtschaft mit ihren hohen
Transaktionskosten immense Chancen. Durch
Förderung der Entwicklung und sinnvolle
Nutzung von digitalen Instrumenten in Agrar-
produktion, -verarbeitung und -verteilung, der
inklusiven digitalen Infrastruktur sowie der
digitalen Bildung von Menschen im ländlichen
Raum wollen wir diese Chancen nutzen und
die „digitale Kluft“ verringern. Zudem können
17     BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

4 Zukünftige Ausrichtung
  der deutschen Entwicklungs-
  zusammenarbeit in
  den Aktionsfeldern:
  strategische Vorgaben

4.1 Aktionsfeld                                    mittel; Zugang zu Lebensmitteln, z. B. durch
    „Ernährungssicherung“                          einkommensschaffende Maßnahmen für er-
                                                   nährungsunsichere Haushalte; Nutzbarkeit, z. B.
Ziel der Maßnahmen im Aktionsfeld „Ernäh-          durch Ernährungsberatung sowie Gesundheits-
rungssicherung“ ist es, Hunger zu beenden          und Sanitärversorgung; und Stabilität, z. B.
und sicherzustellen, dass alle Menschen, ins-      durch Förderung von Resilienz gegenüber indi-
besondere die Armen und Menschen in prekä-         viduellen und kollektiven Krisen. In der Imple-
ren Situationen, einschließlich Kleinkindern,      mentierung kombinieren wir Maßnahmen, die
ganzjährig Zugang zu sicheren, nährstoffrei-       direkte Ursachen von Fehlernährung beheben
chen und ausreichenden Nahrungsmitteln             („ernährungsspezifisch“, z. B. Nahrungs- und
haben (SDG 2.1), sowie alle Formen der Feh-        Nährstoffaufnahme), mit Maßnahmen, die die
lernährung zu beenden (SDG 2.2). Wir treten        grundlegenden Rahmenbedingungen betreffen
deshalb für leistungsfähige und inklusive          („ernährungssensitiv“, z. B. landwirtschaftliche
Ernährungssysteme ein.                             Produktivität oder Armut).

Wir unterstützen unsere bilateralen Partner        Zur Umsetzung unseres Ziels arbeiten wir
dabei, das Menschenrecht auf angemessene           mit nationalen und internationalen Partnern
Nahrung zum Ziel ihres politischen Handelns        zusammen, um relevante Ernährungssiche-
zu machen und umzusetzen. Maßnahmen im             rungsstrategien und ihre Weiterentwicklung
Aktionsfeld „Ernährungssicherung“ sind mul-        voranzubringen. Besonders relevant sind mul-
tisektoral angelegt. Handlungsleitend sind die     tilaterale Akteure wie WFP oder das Kinder-
„Freiwilligen Leitlinien zur Unterstützung der     hilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), die
schrittweisen Verwirklichung des Rechts auf        mit starken Vor-Ort-Strukturen die Maßnah-
Nahrung im Kontext nationaler Ernährungssi-        men effektiv umsetzen können. Auch Koopera-
cherung“ der FAO. Wir engagieren uns dabei in      tionen mit der internationalen, nationalen und
den von der FAO definierten vier Dimensionen       lokalen Zivilgesellschaft helfen dabei, Men-
der Ernährungssicherung: Verfügbarkeit von         schen auch in schwer zugänglichen Situationen
nährstoffreichen Lebensmitteln, z. B. durch        direkt erreichen zu können. Darüber hinaus
Förderung der Produktion gesunder Nahrungs-        spielt die Kooperation mit privaten Gebern und
18     BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

Stiftungen sowie mit der Privatwirtschaft eine     te, insbesondere für Kleinstbäuerinnen und
wichtige Rolle. Wir bringen das Thema auch         -bauern, fördern wir die Erhöhung der Produk-
aktiv in weitere internationale und zwischen-      tivität und der Diversität der Produktion. Dies
staatliche Foren ein (z. B. G7, G20, CFS) und      gilt besonders für ernährungsphysiologisch
engagieren uns in strategischen Multistakehol-     wertvolle Lebensmittel sowie die ganzjäh-
der-Initiativen wie der Bewegung Scaling Up        rige Verfügbarkeit von Nahrung, z. B. durch
Nutrition (SUN).                                   Maßnahmen in der Weiterverarbeitung und
                                                   Lagerhaltung von Agrar- und Fischprodukten
Bei der Auswahl der Instrumente tragen wir         oder kleinräumigen Frucht- und Gemüseanbau.
der zunehmenden Bedeutung und Komplexi-            Dort, wo der Mangel an Mikronährstoffen nicht
tät von Krisenbewältigung, Wiederaufbau und        ausreichend über eine traditionelle, diverse
Infrastruktur (KWI) Rechnung. So kommt v. a.       Ernährung behoben werden kann, berücksich-
in den Nexus- und Friedenspartnerländern der       tigen wir auch die Züchtung vitamin- und mi-
deutschen EZ die strukturbildende Übergangs-       neralstoffreicher Sorten (Biofortifizierung). Wir
hilfe zum Einsatz, um die Resilienz vulnerabler    informieren über mögliche Gesundheitsgefah-
Bevölkerungsgruppen gegenüber Ernährungs-          ren, die von Lebensmitteln ausgehen können.
krisen zu stärken und ihre Ernährungssituation     Wir fördern die Integration von Aspekten der
im Krisenkontext zu verbessern.                    Ernährung, Nachhaltigkeit, Biodiversitätser-
                                                   halt, Klimaschutz und -resilienz in die beruf-
Bezüglich der Qualitätsmerkmale orientieren        liche Aus- und Weiterbildung. Darüber hinaus
wir uns an den in Kapitel 3 ausgeführten Kri-      arbeiten wir gemeinsam mit Wissenschaft und
terien und Zielen. Für das Aktionsfeld „Ernäh-     Wirtschaft an der Zukunft der Ernährung, z. B.
rungssicherung“ ist das Prinzip Leave no one       unterstützen wir die Erforschung von alter-
behind in besonderem Maße handlungsleitend.        nativer Ernährung. Wir fördern die Verbes-
Bei der Gestaltung von Maßnahmen setzen            serung der Lebensmittelsicherheit in unseren
wir auf einen rechtebasierten Ansatz und legen     Partnerländern. Wir wenden uns vermehrt der
vorrangig Augenmerk auf benachteiligte und         zunehmend kritischen Versorgung der städti-
vulnerable Personen und Gruppen, z. B. indem       schen Bevölkerung und dem Stadt-Land-Nexus
gezielt die ärmsten Haushalte, Frauen im repro-    zu, indem wir etwa durch den WFP Innovation
duktiven Alter, Schwangere, stillende Frauen,      Accelerator innovative Lösungsansätze fördern
Menschen mit Behinderungen, Mütter und             und die Potenziale von Urban Agriculture für
Kleinkinder anvisiert werden, oder Menschen        benachteiligte Haushalte untersuchen.
im Krisenkontext.
                                                   Zugang zu gesunden Lebensmitteln
Die folgenden Handlungsfelder prägen das Ak-       für alle gewährleisten
tionsfeld „Ernährungssicherung“.                   Besserer Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln
                                                   kann auf verschiedene Weise hergestellt wer-
Verfügbarkeit von gesunder Nahrung erhöhen         den: durch ein verbessertes und diversifiziertes
Die Verfügbarkeit von Lebensmitteln hängt von      preiswertes Angebot, wo nötig unterstützt
Produktion, Transport, Lagerung, Verarbeitung      durch zielgenaue und effiziente Subventionie-
und Vermarktung vor Ort ab. Die Erzeugung          rung von Lebensmitteln, und durch Unterstüt-
von Lebensmitteln muss nicht nur an die ge-        zung der nachfragenden Menschen. Insbeson-
änderten klimatischen und naturräumlichen          dere die ärmsten Haushalte benötigen Zugang
Bedingungen angepasst, sondern auch ernäh-         zu Qualifizierung, produktiver Beschäftigung
rungssensitiv gestaltet werden, d. h., sie muss    und einkommenssteigernden Maßnahmen
das Ziel einer ausreichenden und ausgewogenen      innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft,
Ernährung für alle verfolgen. Durch die Unter-     z. B. durch verbesserte Anbindung an Märkte
stützung landwirtschaftlicher Beratungsdiens-      und Vermarktungsdienstleistungen. Auch in
19     BMZ STRATEGIE – PAPIER 5 | 2021   BMZ-KERNTHEMENSTRATEGIE – EINE WELT OHNE HUNGER

Bezug auf Kredite und andere Finanzdienst-         gesund zu ernähren, müssen sie die Bedeutung
leistungen brauchen diese Haushalte besondere      von gesunder Ernährung kennen. Gleichzeitig
Unterstützung, beispielsweise durch finanzielle    werden im Sinne eines gendertransformativen
Grundbildung und die Unterstützung von Spa-        Ansatzes auch Männer für die Ernährung der
rergruppen. Wichtig dabei sind gendersensible      Familie sensibilisiert. Während überhöhter
und gendertransformative Ansätze sowie die         Fleischkonsum zu gravierenden ökologischen
Förderung einer gemeinsamen Entscheidungs-         und gesundheitlichen Problemen führt und
findung innerhalb der Haushalte in Bezug auf       seine globale Minderung an anderer Stelle
Anbau, Einkauf und Konsum. Außerdem sind           dieser Strategie als Ziel ausgeführt wird, wer-
der gleichberechtigte und inklusive Zugang zu      den tierische und Fischprodukte für arme
Ressourcen und die Verteilung von Lebensmit-       Menschen mit geringer Ernährungsvielfalt als
teln im Haushalt wichtig für die Ernährung der     Quelle für hochwertige Proteine, Vitamine und
Familie. Um dies zu erreichen, fördern wir ne-     Mineralien ausdrücklich empfohlen. Tiere sind
ben Frauen auch Sensibilisierungsmaßnahmen         auch wichtige, teils essenzielle Bestandteile
für Männer. Wichtige Maßnahmen der sozialen        kleinbäuerlicher und pastoralistischer Be-
Sicherung, die besonders ernährungswirksam         triebssysteme. Um langfristige Änderungen der
gestaltet werden können, sind: ernährungs-         Ernährungsgewohnheiten zu erreichen, fördern
sensitive Bargeldtransfers, Bereitstellung von     wir in unseren Partnerländern die Nutzung und
Nahrungsmitteln oder Gutscheinen, konditio-        Weiterentwicklung sowohl individueller Bera-
nierten Unterstützungsleistungen (z. B. Cash-      tungsansätze als auch von Massen- und sozialen
for-Work- oder Food-for-Work-Maßnahmen)            Medien. Ernährungsberatung sollte darüber
oder Schulspeisungsprogramme. Oft können für       hinaus auch in andere Maßnahmen integriert
solche Maßnahmen lokal produzierte Lebens-         werden, z. B. in Bildungs- und Landwirtschafts-
mittel genutzt werden. Wie die COVID-Pande-        maßnahmen. Außerdem fördern wir die Stär-
mie zeigt, müssen solche Maßnahmen auch in         kung von Basisdienstleistungen, insbesondere
urbanen Räumen verbessert werden. Schließlich      in den Bereichen Wasser, Sanitärversorgung
verbessert unsere Förderung der subsistenzori-     und Hygiene (WASH), Gesundheit und Fami-
entierten Zweige kleinbäuerlicher Betriebe und     lienplanung sowie Informationssysteme zu
Haushalte den oft wichtigen marktunabhängi-        möglichen Gesundheitsgefahren und deren
gen Zugang zu Nahrungsmitteln.                     Vermeidung in einem One-Health-Ansatz, der
                                                   die Wechselwirkungen von Menschen, Tieren
Gesündere Ernährungsgewohnheiten fördern           und Umwelt betrachtet.
Der Ernährungszustand von Schwangeren
und Kleinkindern stellt frühe Weichen für die      Ernährungssicherung in Krisenkontexten
menschliche Entwicklung. Mangel- und Fehl-         gewährleisten
ernährung des Fötus und Kleinkindes, beson-        In Krisenkontexten, die sehr unterschiedlicher
ders in den ersten 1.000 Tagen der Entwicklung,    Natur sein und auch Mehrfachkrisen beinhal-
führen zu langfristigen und irreparablen Schä-     ten können, ist die Ernährung von Menschen
den. Aber auch für ältere Kinder und Erwachse-     besonders gefährdet. Ernährungssicherung in
ne sind (jenseits von Verfügbarkeit und Zugang)    Krisenkontexten bedarf daher eines multisek-
eine gute Zubereitung von Nahrungsmitteln          toralen und multidimensionalen Ansatzes, der
und eine ausgewogene Ernährungsweise               kontextspezifische Lösungen für besonders
wichtig für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und     benachteiligte Bevölkerungsgruppen (com-
Wohlbefinden. Da Frauen für Nahrungszuberei-       munity-based approaches) in den verschiede-
tung und Verteilung innerhalb von Haushalten       nen, sich oft gegenseitig verstärkenden Krisen
meist die entscheidende Rolle spielen, nehmen      verbindet. Im Sinne des Humanitarian-Deve-
unsere Maßnahmen zur Ernährungsbildung             lopment-Peace-Nexus (HDP-Nexus) tragen wir
vor allem diese in den Blick: Um die Familie       vor allem über resilienzstärkende Ansätze dazu
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