Beton Bauteile - BFT International
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Beton Bauteile 2019 Entwerfen Planen Ausführen 2019 Beton Bauteile Werner Sobek Ästhetik des ressourceneffizienten Bauens Rosenstein-Pavillon Franco Stella Fertigteile an die Fassade Neubau Berliner Schloss – Humboldtforum Fernando Menis Neuer Baustoff »Picado« Kultur & Kongresszentrum, Torun LUCEM Welterste Lichtbetonfassade Bankfiliale in Amman X ARCHITEKTEN Brillenoptik in Beton Verwaltungsgebäude, Linz Edition
Impressum Redaktionsbeirat Dipl.-Ing. Wilhelm Eckermann Dr. Thomas Kranzler Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Elisabeth Hierlein Holger Kotzan M. A. Dipl.-Ing. Thomas Loders, München † Dr. rer. pol. Ulrich Lotz, Stuttgart Dipl.-Bau-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Martin Möllmann Dipl.-Ing. Dietmar Ulonska Christina Ulrich Leitung Christian Jahn M. A., Bielefeld Redaktion Dipl.-Ing. Robert Mehl, Aachen Dipl.-Ing. Silvio Schade, Harsewinkel Bildnachweise Titelbildleiste (v. l. n. r.) Rosensteinpavillon am Standort Berlin (ILEK, Stuttgart) Werner Sobek (Tillman Franzen) Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks und der Capital Bank in Amman (LUCEM) fotomechanischen Wiedergabe, auch auszugsweise, vorbehalten. Rückseite (v. l. n. r.) Sofern nicht besonders gekennzeichnet, stammen CKK Jordanki, Torun (Jakub Certowicz) die Abbildungen in der Regel von den Autoren der Humboldtforum, Berlin (Dreßler Bau) Beiträge. Silhouette International, Linz (X ARCHITEKTEN ZT GmbH) Vorschaltseiten und Inhaltsverzeichnis Verantwortlich für den Anzeigenteil Kapitel 1: CKK Jordanki, Torun (Jakub Certowicz) Ute Schönbeck, Gütersloh Kapitel 2 Rosensteinpavillon am Standort Berlin (ILEK, Stuttgart) Kapitel 3: Photokatalytischer Platz am Dortmunder U (FAP) Lektorat Kapitel 4: Mahnmal Dultstraße, München (connevandgrachten) Beate Recker, Aachen Anhang: Geschäftshaus, Melbourne (John Gollings) Layout und Prepress Bauverlag BV GmbH ISBN 978-3-7625-3684-0 Druck und Bindung © 2018 Bauverlag BV GmbH, Gütersloh Mohn media Mohndruck GmbH, Gütersloh 2 Beton Bauteile – Edition 2019
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, „Der Begriff Architekturbeton beinhaltet sowohl die das Rhein Main Congress Centrum und in Mannheim Ausführungen, die eine möglichst perfekte, einheitliche auf das Eastside XI. Oberfläche und Farbe zum Ziel haben, als auch Projekte, Im Kapitel Ingenieurbau wenden wir uns dann neu- bei denen die Natürlichkeit und Lebendigkeit des Bau- en, leichteren Bautechniken mit Beton zu. Dr. Ulrich stoffs Beton zugelassen und bewusst betont werden. Lotz gibt uns hier einen Überblick über den aktuellen Die Betonfertigteile aus Architekturbeton sind als Ge- Stand. Zweifellos ein Höhepunkt des Kapitels und des staltungselement der Architektur konzipiert und müssen gesamten Buchs ist der Beitrag zu Ehren des 65. Ge- hinsichtlich der Oberfläche, Farbe und Form mit beson- burtstags von Univ.-Prof. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Werner derer Sorgfalt hergestellt werden“, heißt es im Merkblatt Sobek. In dem Artikel wird sein aktuelles Projekt, der „Betonfertigteile aus Architekturbeton“ der Fachvereini- Rosenstein-Pavillon, vorgestellt. Es handelt sich um ein gung Deutscher Betonfertigteilbau e. V. (FDB). Schalentragwerk, baubionisch inspiriert vom porösen Aufbau von Knochen, das um 40 % leichter ist als eine Architekturbeton ist also eine hochwertige Ausfüh- vergleichbare massive Schale. Der Demonstrator ist ein rungsvariante von Sichtbeton. Auf der Baustelle mit aktiver Beitrag zur Materialeinsparung im Bauwesen. Ortbeton kann die nötige, hohe Ausführungsqualität schwer erreicht werden; deshalb werden im Beton- fertigteilwerk Fertigteile in Architekturbeton-Qualität Freuen Sie sich auf eine spannende und abwechs- hergestellt, zur Baustelle transportiert und dort dann lungsreiche Lektüre! nur noch montiert. Typischerweise sind Fassaden und Flächen in repräsentativen Innenbereichen von Gebäu- den als Architekturbeton ausgeführt. In der vorliegenden Ausgabe des Jahrbuchs Beton Bauteile gibt es wieder bemerkenswerte Bauwerke mit Architekturbetonfassaden, allen voran natürlich das Humboldtforum in Berlin. Außerdem besuchen wir zwei herausragende Gebäude in Österreich – das For- schungs- und Sammlungszentrum der Tiroler Landes- museen in Hall und den Neubau der Silhouette Interna- Robert Mehl tional Schmied AG in Linz. In Wiesbaden treffen wir auf Architekt VFA Nachruf Redaktion und Beirat des Jahrbuchs Beton Bauteile trauern um Dipl.-Ing. Thomas Loders. Er verstarb am 28. Septem- ber 2018 nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 61 Jahren. Loders leitete die Fachgruppe Betonbauteile im Bayerischen Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden e. V. und war Mitglied des Beirats des Jahrbuchs Beton Bau- teile. Wir verlieren mit ihm einen engagierten Mitstreiter, geschätzten Kollegen und liebenswerten Menschen. Beton Bauteile – Edition 2019 3
Inhalt 1 Architektur 6 Versteckte Innovation bei B.T. innovation72 Bürogebäude in Betonfertigteilbauweise, Magdeburg »Die Baustoffunterschiede fordern heraus!«8 Autoren: Ralf Niebergall, Fabian Schulz Ein Gespräch mit Fernando Menis, Teneriffa Interview: Robert Mehl Individuelle Fassaden aus Architekturbeton76 Gebäude AQ7 »Lifestyle«, Andreasquartier, Düsseldorf Die Konzerthöhle10 Autorin: Miriam von Keutz Kultur- und Kongresszentrum »Jordanki«, in Torun/ PL Autor: Robert Mehl Textilsandwichbau82 Eastsite XI_Mannheim Weltpremiere: Außenwände aus Lichtbeton16 Autoren: Dominik Wirtgen, Christian Kulas Capital Bank in Jordanien Autor: Andreas Roye Lebendige Faserzementfassade88 Zentralbibliothek der Philipps-Universität, Marburg Hybride Fertigteile, Down Under22 Autor: Robert Mehl Neubau eines Geschäftshaus, Melbourne/AUS Autor: Adrian Stanic Schatzkarte aus Glasfaserbeton28 Forschungs- und Sammlungszentrum der Tiroler Landes- museen, Hall/A Autorin: Adeline Seidl 2 Ingenieurbau 94 Fenster ins Grüne34 »Eine Optimierung des Bauteilinnenraums«96 Investitionsbank des Landes Brandenburg, Potsdam Ein Gespräch mit Univ.-Prof. Werner Sobek, Stuttgart Autor: Wilhelm Eckermann Interview: Robert Mehl Maßstäbe gesetzt40 Ästhetik des ressourceneffizienten Bauens98 RheinMain CongressCenter RMCC, Wiesbaden Rosenstein-Pavillon – eine funktionell gradierte Betonschale Autor: Martin Möllmann Autoren: Daria Kovaleva, Oliver Gericke, Werner Sobek »Fassade des Jahres« aus Architekturbeton46 Die größte Kulturbaustelle Deutschlands108 V&A Museum in Dundee/UK Neubau Berliner Schloss – Humboldtforum Autorin: Deirdre McTernan Autor: Werner Hochrein Gestaffelte Diarahmen52 Musterstück aus Leidenschaft für Beton116 Biologisches Forschungszentrum Seltersberg, Gießen Orgelemporengeländer des Leipziger Paulinums Autor: Robert Mehl Autor: Gerhard Meixner Moderne Brillenoptik in Beton gegossen58 Geschwungener Betonkranz122 Silhouette International, Linz U Arena in Paris-Nanterre/F Autor: Martin Möllmann Autorin: Saskja Jagenteufel Revolutionsarchitektur als Industriebau64 Beton im Leichtbau 128 Camp‘s Senffabrik, Oudennaarde/B Status quo und Zukunftspotenziale Autor: Robert Mehl Autor: Ulrich Lotz 4 Beton Bauteile – Edition 2019
Beton Bauteile – Edition 2019 Modular Bauen mit architektonischer Qualität132 4 GaLa-Bau 190 Mobile Cubes Autor: Hermann Rudolph Buntheit ist gewünscht!192 Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Lesben Wohlfühlklima im Modul138 und Schwulen Modulhauskonzept »Solid.box« Autor: Alexander Eichler Autor: Hermann Stegink Drin was draufsteht196 Schnell – Effizient – Hochwertig144 Erweiterungsbau Saarlandmuseum, Saarbrücken Modulares Bauen 4.0 Autorin: Lydia Erhardt Autoren: Tobias Gerlicher, Tobias Lechner, Ulrich Palzer Alles im Fluss202 Pure Ästhetik148 Berkel-Umgestaltung in Coesfeld Technische Betonballastierungen Autor: Götz Hartmann Autoren: Klemens Laub, Markus Tenwinkel, Ulrich Palzer Farbenfrohe Schule mit lebendigem Pflaster208 Eine Idee in Form gebracht154 Grundschule Wörthsee Vorfassade für einen Verwaltungsbau in Gescher Autorin: Susanne Wannags Autoren: Hans-Jürgen Büscher, Wolfgang Büscher Pflaster an Fassade orientiert214 maxCologne, Köln-Deutz 3 Infrastruktur 160 Autorin: Vera Höhner Saubere Materialoberflächen, saubere Luft162 »frieda« – Ein Habitué im heyligenstaedt218 Photokatalyse Hotelvorplatz im Gießener Aulweg Autoren: Carsten Ackerhans, Frank Menzel, Anne Thüsing Autor: Matthias Luft Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen168 A3-Grünbrücke im Spessart Autor: Alexander Unger 5 Anhang222 Bauen nach dem »Lego«-Prinzip174 Erste Autobahnbrücke in Vollfertigteilbauweise in NRW Organisationen224 Autor: Christian Jahn Firmenprofile229 Hersteller240 Die grüne Welle178 Zulieferer249 Eine Lärmschutzwand, die Kultur und Natur verknüpft Übersichten Hersteller, Autor: Andreas Schimanski Zulieferer, Inserenten 255 Volkswirtschaftliche Schäden vermeiden184 Präzisionsmessung im Kanal Autoren: Dr. Ulrich Lotz, Wilfried Röser Beton Bauteile – Edition 2019 5
X Musterrubrik X Zugegeben, als uns der Vorschlag vorgelegt wurde, haben wir zunächst einmal gestutzt, wir sahen rot - Ziegelbrocken halt. Dieser Artikel eignete sich nicht für das Jahrbuch Beton Bauteile. Dann dachten wir jedoch: Vielleicht handelt es sich um die Rohbaukonstruktion - aber die bestand aus Ortbeton. Nach unserem erneu- ten Befremden haben wir nachgefragt und es kam die beeindruckende Erkenntnis, dass es tatsächlich um die roten Oberflächen geht: »Picado« ein neuer Hybrid- baustoff. Dabei handelt es sich um direktrecycelte Ziegelsteine. Sie werden in grobe Brocken zerschlagen, in Betonschalungen verteilt und zu Fertigteilen ausbe- toniert. Als Innenwandoberflächen weist das Material beachtliche akustische Eigenschaften auf. Reisen Sie mit uns weiter nach Amman, der Hauptstadt von Jordanien. Denn dort wurde in einem Filialneubau der Capital Bank erstmals eine Außenwand und nicht nur eine Vorhangfassade aus Lichtbeton realisiert. Wir besuchen in Oudenaarde eine Senffabrik in einer an die Revolutionsarchitektur des 18. Jhd. erinnernden Formensprache, jedoch errichtet in Betonfertigteilen. Der Bau wurde auf der diesjährigen Architekturbiennale von Venedig vorgestellt und wird als gelungene Arbeits- stätte in Belgien hochgelobt. In Österreich entdecken wir eine Brillenfabrik und das Forschungs- und Sammlungszentrum der Tiroler Lan- desmusen und lassen uns von der Qualität der Fassa- denoberflächen beeindrucken. 6 2014 Beton Bauteile – Edition 2019
X Musterinhalt X 1 Architektur Fenster ins Grüne34 Investitionsbank des Landes Brandenburg, Potsdam Autor: Wilhelm Eckermann Maßstäbe gesetzt40 RheinMain CongressCenter RMCC, Wiesbaden Autor: Martin Möllmann »Fassade des Jahres« aus Architekturbeton46 V&A Museum in Dundee/UK Autorin: Deirdre McTernan Gestaffelte Diarahmen52 Biologisches Forschungszentrum Seltersberg, Gießen Autor: Robert Mehl Moderne Brillenoptik in Beton gegossen58 Silhouette International, Linz Autor: Martin Möllmann »Die Baustoffunterschiede fordern heraus!«8 Revolutionsarchitektur als Industriebau64 Ein Gespräch mit Fernando Menis, Teneriffa Camp‘s Senffabrik, Oudennaarde/B Interview: Robert Mehl Autor: Robert Mehl Die Konzerthöhle10 Versteckte Innovation bei B.T. innovation72 Kultur- und Kongresszentrum »Jordanki«, in Torun/ PL Bürogebäude in Betonfertigteilbauweise, Magdeburg Autor: Robert Mehl Autoren: Ralf Niebergall, Fabian Schulz Weltpremiere: Außenwände aus Lichtbeton16 Individuelle Fassaden aus Architekturbeton76 Capital Bank in Jordanien Gebäude AQ7 »Lifestyle«, Andreasquartier, Düsseldorf Autor: Andreas Roye Autorin: Miriam von Keutz Hybride Fertigteile, Down Under22 Textilsandwichbau82 Neubau eines Geschäftshaus, Melbourne/AUS Eastsite XI_Mannheim Autor: Adrian Stanic Autoren: Dominik Wirtgen, Christian Kulas Schatzkarte aus Glasfaserbeton28 Lebendige Faserzementfassade88 Forschungs- und Sammlungszentrum der Tiroler Lan- Zentralbibliothek der Philipps-Universität, Marburg desmuseen, Hall/A Autor: Robert Mehl Autorin: Adeline Seidl 2014 Beton Bauteile – Edition 2019 7
Architektur Die Konzerthöhle Kultur- und Kongresszentrum »Jordanki«, in Torun/PL Autor: Robert Mehl Abb. 1 (Bild oben) Die Innenwandflächen eines polnischen Konzerthaus lich gab es nur wenige redundante Bauteile, der überwie- Östlicher Haupteingang des wurden mit Betonfertigteilelementen verkleidet, in die gende Anteil bestand infolge ihres Umrisses, ihrer Kan- CKK an der aleja Solidarnosci grob zerschlagene Backsteine eingegossen sind. Die tenlängen und Abkantungen aus Einzelanfertigungen. raumakustische Wirkung ist verblüffend effektiv, da Die Betonage musste in horizontaler Lage erfolgen, da Abb. 2 (rechte Seite) der Schall stark gedämpft und diffusionsoffen abge- ansonsten die leichteren Ziegelzuschläge aufgeschwom- Oberränge des großen Saales strahlt wird. men wären. Nach einem ersten Anziehen wurden die Elemente zum Aushärten aufrecht in Lagergestellen un- Zunächst stutzt man, wenn man die Aufnahmen be- tergebracht und schließlich mit einem kleinen Kranwagen trachtet: Was soll dieser grobe, rote Ziegelputz mit Be- zu ihrem Platz gefahren und eingehoben. Im Bereich des tonfertigteilen zu tun haben? Man denkt: ja – ein ganz Foyers wurden diese in passgenaue Rohbauaussparungen nettes Innenraumfoto für den architektonischen Kon- eingesetzt. Im Konzertsaal hingegen wurden die Bauteile text. Sicherlich handelt der Beitrag von der diagonal zu dreidimensionalen Picado-Landschaften zusammen- angebrachten Außenfassade aus Betonsandwichfertig- gefügt, welche die Übergänge der Wände zur Decke ein- teilen. Diese wird später, an zweiter Stelle, behandelt, nehmen oder die Übergänge von den Zuschauerrängen aber es geht wirklich um die roten Innenwände. zum Konzertpodium sinnfällig kaschieren. So entstand ein höhlenartiger Konzertsaal mit einem Raumvolumen Wesen von „Picado“ von 8.200 m³, der trotz seiner beachtlichen Größe eine „Picado“ hat der Spanier Fernando Menis, sein Erfin- subtil anheimelnde Ausstrahlung aufweist. der, diesen mineralischen Akustikdämmstoff getauft. Er ist auch der Architekt dieses Gebäudes, dem Kultur- Ton dämpft Ton und Kongresszentrum „Jordanki“ im polnischen Torun. Die Betonpaneele in Picado-Bauart haben einen her- Phonetisch naheliegend bedeutet das spanische Wort vorragenden schalldämpfenden Effekt: „Picar“ picken, meint hier jedoch eher „zerkleinern“. Ursache ist die Offenporigkeit des Ziegelgranulates. Den Picado-Grundstoff bilden Backsteine minderer Schallwellen dringen in die Oberflächen ein, werden in Qualität, die Menis von dem polnischen Ziegelherstel- den großen Poren merklich gedämpft und dann nach ler Ceramsus bezogen hat. Diese wurden zunächst mit allen Seiten vollkommen ungerichtet wieder abge- einem Presslufthammer in grobe Stücke zerschlagen strahlt (Schalldiffusion). und dann in einem lockeren Abstand von vielleicht Neben den schalldämpfenden Eigenschaften der Pica- 3 cm in einer liegenden Edelstahlschalung verteilt. do-Bauteile besitzt der Bau eine weitere raumakusti- Auf diese wurde eine dünne Bewehrung gelegt und sche Besonderheit. Unterhalb der Decke weisen die bei- schlussendlich wurde das Ganze mit einem dünnflüs- den großen Konzertsäle tonnenschwere, aber dennoch sigen Beton vergossen. So entstand ein 10 cm starkes verschiebbare Akustiksegel aus diesem Material auf. Fertigteil. Mit diesen ist es kurzfristig möglich, die Nachhallzeiten Produziert wurden die teilweise dreidimensional angeleg- des Saales an ein bevorstehendes Event anzupassen. ten Picado-Elemente in einer Feldfabrik vor Ort. Tatsäch- So bedarf es eines Nachhalls von1,85 sec für sympho- 10 Beton Bauteile – Edition 2019
Architektur Abb. 3 (Bild links) Raumaufteilungsvarianten [o.M.] oben links: Event, oben rechts: Messe Mitte links: Oper, Mitte rechts: Kammermusik unten links: Symphonie, unten rechts: Bankett Abb. 4 (rechte Seite) Die Vorhangfassade aus hellem Graubeton, darun- ter eine weitere Dämme- bene aus 15 cm starker Mineralwolle 12 Beton Bauteile – Edition 2019
Kultur- und Kongresszentrum „Jordanki“, in Torun/PL nische Konzerte, von 1,6 sec für Opern und 1,2 sec für Der Stadt würdig Sprechtheater und für Kongresse. Dafür werden die 80 – Auch wenn man in unseren Breiten Torun kaum kennt, 140 m² großen und 11 – 20 t schweren Deckensegel verströmt die Stadt an der Weichsel, die sich etwa auf mittels hydraulisch synchronisierter Doppelmotoren bis halbem Weg zwischen Warschau und Danzig befindet, zu 3 m in der Vertikalen und 5 m in der Horizontalen regelrecht Kultur. Einst an der Westgrenze Ostpreu- verschoben. Bei dieser Art von Antrieb stehen sich ßens gelegen, wurde die frühere Hansestadt im Zwei- zwei Motoren gegenüber und drehen gemeinsam eine ten Weltkrieg kaum zerstört. Ihr von der Backstein- Welle, auf der die Kabelspindel sitzt. gotik stark geprägtes Zentrum wurde 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Das Kultur- und Wie Felsen in der Landschaft Kongresszentrum (CKK ist die polnische Abkürzung) Von außen erscheint der Bau wie ein artifizielles Jordanki liegt an dem einstigen Stadtmauerring, der Felsensemble, das halb bedeckt wird von einer gras- heute ein Grüngürtel ist. bestandenen, parkähnlichen Hügellandschaft. Diese Das CKK besitzt eine Bruttogeschossfläche von 46.971 Topographie birgt eine Tiefgarage. m² und hat rd. 51 Mio. Euro gekostet. Der Bau ist Die senkrechten, nicht von Vegetation kaschierten annähernd von Ost nach West orientiert. Man betritt Fassadenbereiche sind, wenn sie nicht wie der Haupt- ihn über ein Foyer an seiner Ostseite, der große Saal eingang verglast sind, mit diagonal montierten Sicht- schließt hieran direkt an. Südlich von diesem, nur betonelementen verkleidet. Eigentlich hatte sich der durch eine großflächig zu öffnende Brandwand ge- Architekt Menis hier Sandwichbauteile aus Weißbeton trennt, folgt der zweite etwas kleinere Saal. Im Norden gewünscht; das Material war jedoch zu teuer und so wie im Süden wird dieses Ensemble von zwei geradli- behalf man sich mit ausgesucht hellen Gesteinszuschlä- nigen, aber im Vergleich hierzu schmal erscheinenden gen. Der Zementhersteller Cemex kam dem auf Tene- Seitenflügeln beschlossen, die die Probenräume, Büros riffa ansässigen Planer jedoch soweit entgegen, dass er und Fluchtreppenhäuser beherbergen. in seinen Schweizer Laboratorien umfangreiche Tests Wirklich imponierend an dem Bau ist jedoch die inte- durchführte und einen sehr hellen Gesteinszuschlag grative europäische Idee, die ihm innewohnt: Da baut mit einem zufriedenstellend hellen Farbton ermittelte. ein Architekt vom westlichsten Außenposten der EU, Diese 20 cm dicken Vorwandelemente bestehen neben den kanarischen Inseln, einen den schönen Künsten dem Beton aus einer 10 cm starken Foamglasdäm- gewidmeten Bau ganz tief im europäischen Osten. mung. Dahinter sitzt noch eine zweite Dämmebene aus Eigentlich müsste dort immerfort Ludwig von Beetho- 15 cm Mineralwolle. Durch diese hindurch wurden die vens „Ode an die Freude“ – die EU-Hymne – gespielt Bauteile mit Schöck-Thermoankern an der bis zu 70 cm werden. starken Rohbaukonstruktion befestigt. Beton Bauteile – Edition 2019 13
Architektur Abb. 5 (Bild unten) Die Montage der Picado- Elemente erfolgte mit Mobil- kränen und Hubsteigern 14 Beton Bauteile – Edition 2019
Kultur- und Kongresszentrum „Jordanki“, in Torun/PL Abb. 6 (Bild oben) Montage der bis zu 20 t schweren Akustikdeckensegel Bautafel Objekt Centrum Kulturalno- Kongresowe Jordanki Sp. z o.o. Architekt Fernando Menis, Teneriffa Bauleitung Polen STUDIO A4 Statik FORT POLSKA Sp. z o.o. Raumakustik Pedro Cerdá Bühnentechnik ELSECO Sp. z o.o. for electricity Haustechnik Biuro Inzynierskie for HVAC Systems, Plumbing, Telecommunications Raumplanung Pracownia Architektury i Urbanistyki SEMI for urban planning Baufirmen Mostostal Warszawa S.A., Acciona Infrastruktura S.A. Ziegelsteinbruch Ceramsus Beton CEMEX Polska Standort Torun, Poland Zeitrahmen 2008 Wettbewerb; 2011 Ausführungsplanung; 2013 - 2015 Bau Bruttogeschossfläche 46,971 m² Grundfläche 21,837 m² Baukosten 51,025,731 Euro Fotos: Rohbau Stahl, Stahlbeton (1,2,5) Jakub Certowitz Oberflächen Sichtbeton, recycelter roter Ziegel (3,4,6) Menis Arquitectos Beton Bauteile – Edition 2019 15
Architektur Maßstäbe gesetzt RheinMain CongressCenter RMCC, Wiesbaden Autor: Martin Möllmann Abb. 1 (Bild oben) Das Mitte April 2018 eröffnete RheinMain Congress- Holzverkleidungen und Metall-Glas-Elementen tritt der Das RheinMain CongressCen- Center Wiesbaden (RMCC) ist ein multifunktionales Neubau in den Dialog mit dem benachbarten Museum ter liegt in bester Innenstadt- Veranstaltungszentrum für Messen und Kongresse mit und dem Ministerium. Umlaufende hohe Kolonnaden lage, nur wenige Schritte von einer Nutzfläche von ca. 25.000 m². Bei seinem Bau reagieren auf das Kurhaus, das Staatstheater und das der noblen Wilhelmstraße entfernt kamen Beton und Betonfertigteile in unterschiedlichs- Bowling Green. Diese vorgelagerten Kolonnaden, der ten Variationen zum Einsatz – an der Fassade ebenso öffentliche Durchgang sowie die Grünflächen verbin- Abb. 2 (rechte Seite oben) wie im Hallenbereich oder bei den Außenanlagen. den das Gebäude mit der Stadt. Das neue RheinMain Das imposante Erscheinungs- CongressCenter ist damit einer der zentralen öffentli- bild des RMCC wird durch Das RMCC, das die alte, viel zu klein gewordene chen Orte der Stadt Wiesbaden. elegante Sichtbetonfertigteile Rhein-Main-Halle ersetzt, wurde vom Architekturbüro geprägt Ferdinand Heide aus Frankfurt am Main geplant. Der Flexibles Raum- und Funktionskonzept Gebäudeentwurf überzeugte im Rahmen eines voran- Das neue, in zwei Baukörper gegliederte RMCC Wies- Abb. 3 (rechte Seite unten) gegangenen Architekturwettbewerbs unter anderem baden besteht im Erdgeschoss aus zwei teilbaren, fle- Auch die Beeteinfassungen durch seine offene, transparente und tageslichtdurch- xiblen und funktionalen Hallen mit angegliederten Fo- wurden auf Basis von Dycker- hoff WEISS hergestellt flutete Gestaltung. Ein spannungsreicher Wechsel von yers auf fast 10.000 m². Im Obergeschoss befinden sich Transparenz, gegliederten, offenen und raumabschlie- ein Saal mit teilbaren 2.400 m² sowie zahlreiche Break- ßenden Elementen verleiht dem großen Baukörper outs und Logen mit Kapazitäten von 20 – 280 m². Für eine Leichtigkeit und markante Anmutung Kongresse, Messen, Ausstellungen und Tagungen, Städtebaulich wurde das Haus perfekt in das urbane aber auch kulturelle oder gesellschaftliche Großevents, Umfeld Wiesbadens integriert – denn das neue RMCC Live-Konzerte oder andere Bühnenshows steht damit orientiert sich an den großen, zentral zwischen Bahn- eine Nutzfläche von ca. 25.000 m² zur Verfügung. hof und Kurhaus gelegenen Bauten der Kur- und Kon- Die einzigartige Architektur des neuen Kongress- und gressstadt. Mit der Verwendung von Beton, Naturstein, Veranstaltungszentrums mit flexiblem Raum- und 40 Beton Bauteile – Edition 2019
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Architektur Abb. 4 (Bild oben) Funktionskonzept bietet daher den perfekten und in- ton steht, die mit farblich angepassten Zuschlagstof- Das Gestaltungspflaster „Mo- dividuellen Rahmen für Veranstaltungen aller Art. Das fen (Cramberger Quarzkies) veredelt sind. Dank einer dell rmcc Wiesbaden“ harmo- Ausrichten paralleler Veranstaltungen mit separaten zusätzlichen Oberflächenaufrauung kommen sie so niert perfekt mit der Fassade Zugängen und eigener Infrastruktur ist dank der gro- der Anmutung des Natursteins sehr nahe. Hergestellt ßen Flexibilität des Hauses einfach realisierbar. wurden die insgesamt 374 Betonfertigteile in Form von Stützen, Trägern, vorgehängten Fassaden und Beton – ein tragendes Element Attiken mit einem Volumen von 605 m³ Beton und Beton in all seinen Variationen – vom Konstruktions- 52 t Betonstahl – alle in Sichtbeton SB 4 (weiß und bis hin zum Architekturbeton – ist ein tragendes Ele- sandgestrahlt) – im Werk Nordhausen der P.V. Beton- ment im Konzept der Planer und Bauherren. Und dies fertigteilwerke GmbH aus Hanau. Auf Grund der sehr im wahrsten Sinne des Wortes – denn bereits beim begrenzten Lagerfläche auf der Baustelle mussten alle Einbringen von Betonpfählen in den Untergrund sowie Teile „just in time“ geliefert werden – mit einer nur bei den Rohbauarbeiten kamen neben Standardbeto- minimalen Pufferzeit von ca. 3 – 5 h. Bei der Planung nen auch spezielle Konstruktionsbetone zum Einsatz und der Herstellung, aber auch beim Transport und – insgesamt 40.000 m³. Durchgeführt wurden die Ar- der Montage der Fertigteile galt es daher, eine ganze beiten von der Hochtief Building GmbH Frankfurt, ge- Reihe kritischer Punkte zu beachten. Dazu zählten liefert wurden diese Betone von der Dyckerhoff GmbH. unter anderem die Sicherung eines gleichmäßigen Spektakulärer und vor allem auch sichtbar sind die Strahlbildes zwischen Bauteilen in sehr unterschiedli- Betonelemente an der Fassade und den Kolonnaden. chen Betonierlagen und Bauteilstärken. Weitere kri- Die Fassaden, ihre Fügung, Gliederung und Materiali- tische Punkte waren die Rissbildung bei den Stützen tät bilden die innenräumlichen Qualitäten nach außen und die Kantenspannungen der ca. 20 t schweren hin ab. Die vorgelagerten Kolonnaden – bestehend Elemente bei den aus Gründen der Transport- und La- aus Sockel, Säule und Dach – sollen zudem dazu bei- gerlogistik notwendigen Wendevorgängen beim Ver- tragen, die harte Trennung zwischen innen und außen und Entladen in/aus Inladerzügen. Und schließlich zu überwinden. In der Fassade und den Kolonnaden galt es auch, Kantenabplatzungen beim Aufrichten ergänzen sich Naturstein und Sichtbeton im Zusam- der Fertigteile zu vermeiden – um nur einige Beispiele menspiel mit den großflächigen Verglasungen. zu nennen. Zu lösen waren diese Herausforderungen Die Natursteinverkleidung der Lisenen und Wände be- nur dank einer engen Abstimmung zwischen Her- steht aus einem türkischen Travertin, der im Kontrast stellverfahren, Montagetechnologie und planerischen zu den gestrahlten Sichtbetonfertigteilen aus Weißbe- Vorgaben. 42 Beton Bauteile – Edition 2019
RheinMain CongressCenter RMCC, Wiesbaden 1 Legende 2 ist = Bildunterschrift 3 Tabulator = 4 2mm Abb. 3 (Bild links) Bildunterschrift Bautafel und Maßstab [M 1 : ???] Gelungene Außengestaltung mit Betonelementen dem RMCC Wasserbassins an, in denen sich die jewei- Abb. 5 (Bild oben) und Gestaltungspflaster ligen Fassaden spiegeln sollen. Um die Wasserelemente Highlight aus gestalterischer Wie bereits beschrieben verbinden die vorgelagerten herum werden Sitzgelegenheiten angeboten, die die und betontechnologischer Sicht: Fein geschliffener Kolonnaden das Gebäude mit dem städtischen Frei- Besucher zum längeren Verweilen animieren sollen. TERRAPLAN- Boden mit Spar- raum. Folgerichtig wurde auch bei der Konzeption des Aus massiven Betonfertigteilen bestehen die von der tenkanälen in Halle 2 Außenbereichs des RMCC Beton als ein ganz zentrales Stangl AG aus Waldkraiburg hergestellten Sonderteile Gestaltungselement eingesetzt – etwa in Form von für die Beeteinfassungen. Von diesen, auf Basis von Belägen aus Betonwerksteinplatten. Der Hersteller der Dyckerhoff Weißzement und der Gesteinskörnung Betonwerksteinplatten, die Rinn Beton- und Naturstein Gelb Granit (Größtkorn 8 mm) hergestellten Sondertei- GmbH & Co. KG aus Heuchelheim, wurde dabei vor len wurden insgesamt 485 Stück verbaut; diese wiegen die Aufgabe gestellt, einen Bodenbelag zu entwickeln, bis zu 5 t. Durch das abschließende feine Säuern wei- der sich harmonisch an die Fassaden aus türkischem sen sie an ihrer Oberfläche eine feine sandige Struktur Muschelkalk anpassen sollte. Dieser Naturstein mit sei- auf und sorgen so einmal mehr für die vom Planer an- nen natürlichen Schwankungen in Struktur, Farbe und gestrebte harmonische Anpassung der Außenbauteile Oberfläche hat das Rinn-Team auf die Idee gebracht, an die übrigen Oberflächen des Ensembles. in seinem Labor helle Steine in unterschiedlichen Farb- und Bearbeitungsvarianten zu entwickeln. Dazu Helle und dauerhafte Betonböden wurden durch das Team der Planer verschiedene Verle- Ein Highlight sowohl aus gestalterischer als auch (be- gevarianten entworfen. Die daraus entstandene Son- ton)technologischer Sicht sind zweifelsohne die fein deranfertigung wurde in der klimaneutralen Produk- geschliffenen Terraplan-Betonböden in den beiden tion von Rinn auf Basis von Dyckerhoff-Weißzement großen Veranstaltungshallen. Sie bringen sowohl hergestellt und unter der Bezeichnung „Modell rmcc Materialität als auch Farbe und vor allem Helligkeit Wiesbaden“ auf die Baustelle geliefert. Verlegt wurden ins Innere des RMCC. Terraplan ist ein monolithischer, dort ca. 6.600 m² Platten im Format 50 x 30 x 12 cm geschliffener Betonboden, der sich mit Hilfe rationeller und ca. 2.400 m² Platten im Format 50 x 30 x 8 cm in Transportbetontechnik auf großen Flächen schnell und jeweils sechs unterschiedlichen Farben und Oberflä- wirtschaftlich einbauen lässt. Mit seiner feinen und chen. Passend zu den Belägen wurden auch 550 lfdm ebenen Oberfläche und mit großen fugenarmen Fel- von Winkelstufen verlegt, die ebenfalls auf der Basis dern ähnelt er optisch dem Terrazzo. Darüber hinaus von Weißzement hergestellt wurden. Gleichermaßen setzt er hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit (Lebens- zur Unterstützung der Fassadenwirkung legte man vor dauer, Ebenheit, Reinigungskosten), aber auch der Beton Bauteile – Edition 2019 43
Architektur Abb. 6 (Bild oben) Gestaltungsmöglichkeiten ganz neue Maßstäbe bei nungsbild des Bodens bestimmt. Um die ohnehin helle Veranstaltungshalle 1 ist eben- Bodenbelägen. Ursprünglich war in den beiden Veran- Optik in den beiden Sälen noch strahlender erscheinen falls mit TERRAPLAN ausge- staltungshallen an Stelle des nunmehr mineralischen zu lassen, setzte das auf den Einbau von Terraplan stattet und verfügt sogar über Systems ein organisches Fußbodensystem vorgesehen. spezialisierte Unternehmen, die R. Bayer Betonstein- eine ausfahrbare Tribüne Nachdem sich die Planer mit einigen herausragenden werk GmbH aus Blaubeuren, als Gesteinskörnung ein Abb. 7 (linke Seite) Referenzen von Terraplan beschäftigt hatten – wie bei- Perlweiß mit einem Größtkorn 8 mm ein. Die Betonre- Bodendetail – aus der Nähe spielsweise dem Frankfurter Städel oder dem NS-Doku- zeptur, bestehend aus einem grauen Unterbeton und wird der Zuschlag von Perl- mentationszentrum in München – nahmen sie jedoch einem Vorsatzbeton aus Weißzement, wurde dabei so weiß mit Größtkorn 8 mm eine Umstellung auf das Terraplan-System vor – zumal eingestellt, dass ein fließfähiges, pumpfähiges und gut sichtbar dieses von der Aufbauhöhe (ca. 25 mm) her keine Um- verdichtbares Betongemisch entstand, welches sich planungen erforderte, sondern sofort anwendbar war. planeben einbauen ließ und der Garant für eine opti- Ein wichtiges Kriterium war dabei das Beleuchtungs- male Gefügedichtigkeit ist. Fotos: konzept für die beiden Veranstaltungshallen. Beide Nach dem Einbau erfolgte der für Terraplan typische (1,2,3,5,6,7): Dyckerhoff Säle sind trotz ihrer enormen Größe nur mit Ober- Veredelungs- bzw. Schleifprozess hin zu einer gleich- (4): Peter Krausgrill, Rhein- lichtern versehen. Gerade hier zeigt der weiße und mäßigen und feinen Oberfläche. Entstanden ist so Main-Hallen GmbH damit sehr helle Bodenbelag seine ganz besonderen nicht nur ein optisch perfekter, sondern auch ein ex- Vorzüge, denn er sorgt nicht nur dafür, dass die Räume trem hochbelastbarer Boden, der – wie vom Betreiber auch bei nur wenig natürlichem Licht hervorragend gefordert – selbst mit großen LKWs befahren werden ausgeleuchtet sind, sondern hilft mit dieser optimalen kann. Letzteres wurde bereits eindrucksvoll unter Be- Tageslichtausnutzung darüber hinaus (Beleuchtungs-) weis gestellt. So fuhren beispielsweise im Rahmen des Energie zu sparen. Aufbaus für eine Bühnenshow mit den Ehrlich Brothers zwölf große Trucks mit einem Gewicht von jeweils Bewährungsprobe bestanden 40 t in die Hallen, ohne dass der Boden dabei Schaden In Analogie zum klassischen Terrazzoboden kommt nahm. Selbst einen durch eine Sprinkleranlage verse- auch hier bei der Betonrezeptur der Gesteinskörnung hentlich verursachten großflächigen Wasserschaden eine besondere Bedeutung zu, da diese nach der fina- hat der Betonbelag bestens überstanden, während len Oberflächenbearbeitung maßgeblich das Erschei- Holzbauteile ausgetauscht werden mussten. 44 Beton Bauteile – Edition 2019
RheinMain CongressCenter RMCC, Wiesbaden Bautafel Objekt RheinMain CongressCenter, Wiesbaden Architekt Ferdinand Heide, Frankfurt/M Bauunternehmen Hochtief Building GmbH, Frankfurt/M Betone Dyckerhoff GmbH, Wiesbaden Betonfertigteile Stangl AG, Waldkraiburg Betonwerksteinplatten Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG, Heuchelheim Terrazzoböden R. Bayer Betonsteinwerk GmbH, Blaubeuren Spartenkanäle als besondere Herausforderung Eine besondere Herausforderung stellten in diesem Zusammenhang auch die insgesamt 15 Spartenkanäle dar, die quer in die Hallenböden eingelassen wurden. In einer Länge von jeweils 35 m und einem Abstand von 8 m durchziehen sie beide Hallen. Wie in allen großen Veranstaltungs- und Messezentren dienen sie auch im RMCC zur Versorgung mit den unterschied- lichsten Medien (z.B. Strom, Wasser, Abwasser) und sind daher ein unverzichtbarer Teil moderner Tagungs- Infrastruktur. Die Spartenkanäle haben eine Breite von 90 cm und mussten als normalfester Beton (C 60/75) ausgeführt werden (Belastungsklasse SLW 30). Die betontechnologische Aufgabe bestand nun darin, die Rezeptur der großflächigen Terraplanböden, die wie oben beschrieben vor Ort eingebaut wurden, auf die für die Spartenkanäle produzierten Fertigteile abzu- stimmen (z.B. unterschiedliche w/z-Werte u.a.). Insge- samt wurden 520 Platten mit einer Abmessung von 100 x 90 x 8 cm hergestellt und mit Vakuumsaugern passgenau auf Höhe gesetzt und vermörtelt. In diesen Spartenkanälen liegen auch die für den Einbau des Terraplanbodens im Abstand von 8 m notwendigen Bewegungsfugen, die von der Fa. Bayer angebracht wurden. Die anschließende Oberflächenbearbeitung der Betonplatten wurde analog zum Terraplanboden vor Ort durchgeführt. Auf diese Weise unterstützen die Spartenkanäle gleichermaßen die großzügige optische Wirkung der beiden Hallen. Bereits in ihren ersten 100 Tagen war die einzigartige Kulisse des RMCC Schauplatz zahlreicher hochkaräti- ger Events – vom außerordentlichen Bundeparteitag der SPD, den Landesparteitagen von CDU und SPD, Martin Möllmann ist bereits seit 1991 für Dyckerhoff in verschie- der Landesmitgliederversammlung der Grünen in denen Positionen tätig. Heute ist er als Direktor verantwortlich für Hessen über diverse Firmenveranstaltungen bis hin zu die Bereiche Produktmarketing und den Vertrieb von Spezialze- dem oben erwähnten Gastspiel der Ehrlich Brothers. menten – vor allem Dyckerhoff WEISS und CSA Zemente – im Ge- Deutschlandweite Beachtung fand auch der Deutsche schäftsbereich Deutschland/ Westeuropa. Der diplomierte Bau- und Bauerntag, der zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder Wirtschaftsingenieur engagiert sich zudem ehrenamtlich für die in Hessen durchgeführt wurde. Zahlreiche weitere Berufsausbildung in der Betonwerksteinbranche und ist Vorstands- Großveranstaltungen sind bereits angekündigt. mitglied der Info-b e.V Beton Bauteile – Edition 2019 45
X Musterrubrik X Das Kapitel Ingenieurbau steht in diesem Jahr unter dem besonderen Zeichen der Baubionik und würdigt insbesondere die Leistungen von Univ.-Prof. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek anlässlich seines 65. Geburts- tages. Vorgestellt wird mit dem Rosenstein-Pavillon ein Beitrag zur Materialeinsparung im Bauwesen: Sein poröses Schalentragwerk ist um 40 % leichter als eine massive Schale gleicher Tragfähigkeit, denn Material wurde nur dort platziert, wo es statisch notwendig ist. So entstand die gradierte Porosität mit einem filigranen Erscheinungsbild, die als Strukturoptimierung neue Ge- staltungspotenziale in der Architektur schafft. Ferner gehen wir auf eine Initiative des Bundesverban- des der Wohnungswirtschaft (GDW) ein, bei der mit neun Baukonsortien Rahmenverträge für ein beschleu- nigtes serielles oder modulares Bauen geschlossen wurden. Zwei dieser Projekte stellen wir vor, denn die Systeme green-cube und solid.box arbeiten mit Raum- einheiten in Betonfertigteilbauweise. Unsere Rundreise besucht in Berlin auch größte Kultur- baustelle der Republik. Denn auch das Humboldtforum besteht signifikant aus Betonfertigteilen. Schließlich möchten wir Ihnen den Artikel von Dr. Ulrich Lotz ans Herz legen, der mit seinem Beitrag sehr infor- mativ einen Überblick über den aktuellen Leichtbau mit Beton gibt. 1 94 2014 Beton Bauteile – Edition 2019
X Musterinhalt X 2 Ingenieurbau »Eine Optimierung des Bauteilinnenraums«96 Ein Gespräch mit Univ.-Prof. Werner Sobek, Stuttgart Interview: Robert Mehl Ästhetik des ressourceneffizienten Bauens98 Rosenstein-Pavillon - eine funktionell gradierte Betonschale Autoren: Daria Kovaleva, Oliver Gericke, Werner Sobek Die größte Kulturbaustelle Deutschlands108 Neubau Berliner Schloss – Humboldtforum Autor: Werner Hochrein Musterstück aus Leidenschaft für Beton116 Orgelemporengeländer des Leipziger Paulinums Autor: Gerhard Meixner Geschwungener Betonkranz122 U Arena in Paris-Nanterre/ Frankreich Autorin: Saskja Jagenteufel Beton im Leichtbau 128 Status quo und Zukunftspotenziale Autor: Ulrich Lotz Modular Bauen mit architektonischer Qualität132 Mobile Cubes Autor: Hermann Rudolph Wohlfühlklima im Modul138 Modulhauskonzept »Solid.box« Autor: Hermann Stegink Schnell – Effizient – Hochwertig144 Modulares Bauen 4.0 Autoren: Tobias Gerlicher, Tobias Lechner, Ulrich Palzer Pure Ästhetik148 Technische Betonballastierungen Autoren: Klemens Laub, Markus Tenwinkel, Ulrich Palzer Eine Idee in Form gebracht154 Vorfassade für einen Verwaltungsbau in Gescher Autoren: Hans-Jürgen Büscher, Wolfgang Büscher 2014 Beton Bauteile – Edition 2019 2 95
Ingenieurbau Ästhetik des ressourceneffizienten Bauens Rosenstein-Pavillon – eine funktional gradierte Betonschale Autoren: Daria Kovaleva, Oliver Gericke, Werner Sobek Abb. 1 (Bild oben) Der Rosenstein-Pavillon ist eine leichte Betonschale, pien die Leistungsfähigkeit von Tragwerken verbessern Rosenstein-Pavillon im Aus- die beispielhaft zeigt, wie wir unsere gebaute Umwelt kann. Inspiriert von Knochen und Exoskeletten, wurde stellungsraum des Schlosses durch Design ressourceneffizienter gestalten können. die Struktur des Rosenstein-Pavillons durch die Vertei- Rosenstein, Stuttgart Entworfen für eine Ausstellung im Stuttgarter Schloss lung des Materials gemäß den wirkenden Beanspru- Abb. 2 (rechte Seite) Rosenstein, verbindet der Pavillon die Forschung zur chungen optimiert. So konnte sein Gewicht gegenüber Blick auf den Rosenstein-Pavil- Materialeinsparung mit bionischen Konstruktionsprin- dem einer massiven Schale um 40 % reduziert werden, lon im Ausstellungsraum von zipien, die sowohl technisch effiziente als auch ästhe- ohne die Tragfähigkeit zu beeinträchtigen. der Eingangstür aus gesehen tisch ansprechende Gebäude entstehen lassen. Forschungskontext Der Rosenstein-Pavillon (Abb. 1) wurde für die Aus- Das Konzept des Pavillons basiert auf der Forschung stellung “Baubionik - Biologie beflügelt Architektur” im Bereich der sogenannten Gradientenbetone, die im Museum “Schloss Rosenstein” in Stuttgart ent- seit mehreren Jahren am Institut für Leichtbau Entwer- worfen und gebaut. In der Ausstellung wurden die fen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart Forschungsergebnisse des Sonderforschungsbereichs unter der Leitung von Werner Sobek durchgeführt TRR-141 „Biological Design and Integrative Structures“ wird [1]. Diese Forschung wurde als Antwort auf den vorgestellt, der auf die Entwicklung bioinspirierter tech- übermäßigen Verbrauch natürlicher Rohstoffe und die nischer Lösungen für eine nachhaltige gebaute Umwelt ökologischen Folgen der Zementproduktion initiiert. abzielte. In diesem Rahmen demonstrierte der Pavillon, Die Gradientenbetontechnologie ist eine integrierte wie die Umsetzung biologischer Konstruktionsprinzi- Lösung zur Gewichtsminimierung von Bauteilen, bei 98 Beton Bauteile – Edition 2019
Ingenieurbau 100 Beton Bauteile – Edition 2019
Rosenstein-Pavillon - eine funktional gradierte Betonschale Abb. 3 Zentrische Untersicht der Schale im ehemaligen Frühstückszimmer des heuti- gen Naturkundemuseums Beton Bauteile – Edition 2019 101
Ingenieurbau Abb. 4a,b,c (Bild oben) der mechanischen Eigenschaften des Betons gezielt selbst von der Einheit von Form und Funktion in der Axonometrie des Ausstel- an ein Lastprofil angepasst werden. Solche Bauteile Natur als Ergebnis der Morphogenese inspiriert, wobei lungsraums mit dem Pavillon können mit gradierten Leichtzuschlägen (Abb. 4a), Be- Form, Struktur und Materialverteilung integrativ ent- tonhohlkugeln (Abb. 4b) oder mit speziellen Schalungs- wickelt wurden. Abb. 5 (Bilder unten) techniken (Abb. 4c) hergestellt werden [2-4]. Jüngste Der Pavillon wurde als räumliches Objekt konzipiert, Funktionale Gradierung durch Untersuchungen an biegebeanspruchten Bauteilen wie das den ihn umgebenden Raum organisiert. Integriert Integration von Leichtzuschlä- gen (a), Einbringung von Be- Balken und Decken haben gezeigt, dass die funktionale in das neoklassische Interieur des Schlosses Rosenstein, tonhohlkugeln (b) und mittels Gradierung eines Bauteils zu einer Gewichtsreduzie- bildet er aber durch sein leichtes Erscheinungsbild Schalungstechniken (c) rung von bis zu 40 % führen kann, ohne dabei die zugleich einen Kontrast zu dem alten Bausystem des Tragfähigkeit zu beeinträchtigen [5]. Anhand des Ro- Museums. Einerseits diktierte der Rhythmus der archi- senstein-Pavillons sollte das Potential der funktionalen tektonischen Raumelemente (Position und Abstand der Gradierung als ressourcenschonende Strategie für das Stützen, Höhe der Struktur und Außenmaße) die Rand- gesamte architektonische Objekt untersucht werden. bedingungen des Pavillons. Andererseits wurde die Typologie einer Schale als Gegensatz zu dem massiven Projektkontext System aus Stützen und Balken gewählt, um den leich- Der Rosenstein-Pavillon wurde als zentrales Objekt in ten Charakter der Struktur besser zum Ausdruck zu einem Ausstellungsraum konzipiert, in dem Struktur- bringen. Darüber hinaus wurde die Bodenfläche so frei prinzipien von leistungsfähigen pflanzlichen und tie- wie möglich gehalten, um weitere Exponate angemes- rischen Geweben präsentiert wurden. Als Grundlage sen anordnen zu können und eine freie Bewegung der für das Gestaltungskonzept des Pavillons wurde die Besucher zu ermöglichen. Ausgehend von den genann- biologische Strategie der Strukturoptimierung als natür- ten Randbedingungen wurde der Pavillon als Schale liches Beispiel für die Ressourceneffizienz im Bauwesen auf vier Stützen konzipiert, die sich trichterförmig zur gewählt. Darüber hinaus wurde der Entwurfsprozess Decke öffnen (Abb. 4). a) b) c) 102 Beton Bauteile – Edition 2019
Rosenstein-Pavillon - eine funktional gradierte Betonschale Strukturanalyse Integrierter Entwurfsprozess und Validierung Herstellung und Aufbau Funktionale Architektonischer Herstellung Anforderungen Kontext Formfindung und -weiterentwicklung Statische Rand- bedingungen Bewertung des Tragverhaltens Aufbau Porositäts- verteilung Herstellungs- restriktionen Segmentierung Restriktionen aus Material und Fertigung Entwurfsprozess Abb. 6 (Bilder oben) Da die Ausstellung zeitlich begrenzt war, musste der Ziel des Entwurfsprozesses war es, die ausdrucksstärk- Arbeitsablauf vom Entwurf bis Pavillon aus einzelnen Segmenten vorgefertigt und vor ste Kombination struktureller und ästhetischer Aspekte zur Herstellung des Pavillons Ort ausschließlich mit Trockenfugen zusammengesetzt zu entwickeln, die anhand der Materialverteilung die Abb. 7 (Bild unten) werden. Die Produktion erforderte daher ein Verfahren Konvergenz von Form und Tragverhalten repräsentiert. Diagramm der minimalen bei dem dünnwandige Schalensegmente mit integrier- Um dies zu erreichen, mussten die Informationen Hauptspannungen (a), der ten Fügemitteln und einer gradierten Materialverteilung über das Tragverhalten im Entwurfsprozess leicht zu- Hauptspannungsvektoren (b) hergestellt werden können. Es wurde die am ILEK ent- gänglich sein. Dazu wurden drei Hauptelemente des und der funktional gradierten wickelte Technologie einer mehrseitig gefrästen Scha- Entwurfsprozesses - Formfindung, Strukturanalyse und Porosität (c) lung gewählt (Abb. 5c). Bei diesem Verfahren wird die Materialverteilung - in eine digitale Entwurfsumgebung geometrische Komplexität und Präzision des Fertigteils integriert. Die genannten Restriktionen aus Fertigung durch Fertigungsparameter wie Fräserdurchmesser und und Material wurden gruppiert und jedem Modul zuge- -zustellung sowie die Materialeigenschaften des Betons ordnet (Abb. 6). selbst beeinflusst. Für dieses Projekt wurde die Beton- mischung SikaGrout(R) 551 [6] verwendet. Aufgrund Formentwicklung seines Setzfließmaßes f1 [7], seiner selbstnivellierenden Die Form der Schale wurde auf der Grundlage der Eigenschaften und einer maximalen Korngröße von funktionalen Anforderungen und statischen Ein- 1 mm kann dieser Vergussmörtel auch filigrane Teile schränkungen entwickelt. Letztere ergaben sich aus einer Schalung füllen. Die genannten Produktions- und der Wahl einer Schale als Tragwerkstypologie: Schalen Materialrestriktionen wurden in den Entwurfsprozess tragen Lasten hauptsächlich über Membranspannun- integriert und hatten großen Einfluss auf das Erschei- gen ab. Durch die niedrige Zugfestigkeit des Betons nungsbild des Rosenstein-Pavillons. wurde dies weiter um eine vornehmliche Druckbean- spruchung eingegrenzt. a) b) c) [N/mm²] 0,50 < 0,00 < -0,50 Beton Bauteile – Edition 2019 103
Ingenieurbau Abb. 8 (Bilder oben) Als erster Schritt im Entwurf wurde die Geometrie des nächst wurden die Größen (Abb. 7a) und die Richtungen Aufbau der Struktur auf der Pavillons mit dem rhinoVault Plugin [8] der Entwurfs- der Hauptspannungen (Abb. 7b) in der Schalenmittelflä- Unterkonstruktion (o.l.), Fixie- software Rhinoceros entwickelt, um die Form einer rein che bestimmt. Basierend auf diesen Informationen wurde ren der Struktur während des druckbeanspruchten Schale zu finden. Dabei wurde die Fläche der Hülle in Zellen unterschiedlicher Größe und Aufbaus (o.r.), Spannschloss und Sensoren zur Vorspan- ein Vorspannseil am freien Rand eingeplant, mit dem Ausrichtung unterteilt. Das Zentrum jeder Zelle wurde als nung des umlaufenden Seils auch in den auskragenden Bereichen der Struktur eine Pore definiert, während die Kanten als Betonstreben ma- (u.l.), Nahaufnahme einer druckdominierte Schalentragwirkung gewährleistet terialisiert wurden (Abb. 7c). Um die Wahrnehmung der Segmentfuge (u.r.) werde konnte. Parallel dazu, wurde das Tragverhalten Porosität als einer materiellen Eigenschaft des Pavillons zu der ersten Schalengeometrien analysiert um die Ergeb- erhalten, wurden die Zelldurchmesser auf ein Intervall von nisse des nachfolgend eingeführten Materialgradien- 10 – 120 mm begrenzt. ten abschätzen zu können. Hierfür wurde die Dicke der Schale aufgrund von Produktionseinschränkungen und Segmentierung zur Vermeidung von Knicken der Struktur auf 30 mm Da die Einschränkungen durch Produktion, Transport festgelegt. Das Tragverhalten wurde anhand einer Vi- und Montage es nicht erlaubten, den Rosenstein- sualisierung der Hauptspannungsverteilung bewertet Pavillon als einen Monolith herzustellen, musste er und die Geometrie der Schale angepasst, bis das ge- segmentiert werden. Die Segmentierung sollte das wünschte Spannungsfeld gefunden war (Abb. 4c). Die- Tragverhalten der Struktur so wenig wie möglich be- se Spannungsverteilung wurde als Eingangsparameter einflussen und wurde daher mittels durchgehender für den nächsten Entwurfsschritt, die Entwicklung der Kontaktfugen zwischen den Segmenten entwickelt. Da Materialverteilung verwendet. diese Verbindungen über Haftreibung wirken, konnten nur Druckspannungen, sowie abhängig davon nur Materialverteilung begrenzt Schubspannungen übertragen werden. Ein ei- Basierend auf den Ergebnissen erster Analysen wurde das gens entwickeltes Skript wertete das Spannungsfeld der Spannungsfeld der Struktur durch eine funktional gradier- unsegmentierten Schale aus und visualisierte sämtliche te Porosität materialisiert. Inspiriert von biologischen Ge- möglichen Fugen, bei denen ein Haftreibschluss gege- weben wie Knochen und Exoskeletten, wurde die Dichte ben war. Die Schale wurde durch Bereiche mit geringer und die Ausrichtung der Porosität entsprechend der Grö- Porosität beziehungsweiser hoher Dichte segmentiert, ße und Ausrichtung des Spannungsfeldes definiert. Zu- da diese mit hoher Druckbeanspruchung zusammenfal- 104 Beton Bauteile – Edition 2019
Ingenieurbau Abb. 9 (Bild oben) len und günstige Bedingungen für einen Haftreibschluss folgerichtig zu größeren Verformungen der Schale und Blick auf den Rosenstein- bieten. Das Segmentierungslayout ergab 69 Segmente, größeren Kräften in den übrigen Verbindungen, jedoch Pavillon am Nordeingang der von denen - aufgrund der vierfachen Symmetrie der nicht zum Versagen der Schale. Landesvertretung Baden- Schale - nur 18 einzigartig waren (Abb. 7c). Zusätzlich Württemberg in Berlin zu den Kontaktfugen wurde ein System aus Schrauben Produktion zur Lagesicherung während der Montage und als redun- Alle 69 Schalensegmente wurden mit einer zweiteiligen, dantes System eingeführt. wiederverwendbaren Schalung hergestellt. Nur 18 Stück waren davon einzigartig, bedingt durch die Vierfachsym- Validierung des Tragverhaltens metrie des Pavillons. Aufgrund des experimentellen Cha- Während des Entwurfsprozesses wurden kontinuierlich rakters der Ausstellung und der Eventualität von lokalen detaillierte Strukturanalysen durchgeführt, um Annahmen Spannungskonzentrationen durch unsachgemäße Einwir- und Methoden zu validieren. Um zu beurteilen, wie sich kungen wurden alle Segmente mit Carbonfasern verstärkt. die funktional gradierte Porosität auf das Tragverhalten Um alle diese Produktionsanforderungen zu integrieren, auswirkt, wurde die erste, massive Schale mit der porösen wurden zunächst die zweiteiligen Schalungsgeometrien unsegmentierten Struktur verglichen (Abb. 6). Die Analyse für jedes der 18 Segmente mit einem System aus Kanälen beider Strukturen unter Eigengewicht und entsprechender zum Gießen, Bewehren und Positionieren auf einer CNC- Vorspannkraft des umlaufenden Vorspannkabels ergab Fräse hergestellt. Im nächsten Schritt wurde in Harz imprä- keine wesentliche Änderung des Spannungsniveaus. Dies gnierte Carbonbewehrung entlang der Mittellinie jeder Be- ist, mit vernachlässigbar kleinen lokalen Spannungsumla- tonstrebe mit Hilfe von Abstandhaltern und Positionierern gerungen aufgrund der veränderten Steifigkeit, sowohl in verlegt und befestigt. Nach dem Aushärten des Harzes Größe als auch in Richtung der Fall. wurde die Schalung mit einem Trennmittel beschichtet, Für eine Tragfähigkeitsuntersuchung unter Berücksich- montiert und mit Beton gefüllt. Aufgrund einer hohen tigung von Fertigungsungenauigkeiten und möglichem Frühdruckfestigkeit des Betons konnten die Segmente Versagen einzelner Verbindungen wurde die poröse seg- bereits einen Tag nach der Betonage ausgeformt werden. mentierte Schale in einem Worst-Case-Scenario analysiert, Nach dem Ausschalen wurden die Schalungen bis zu Fotos/Grafiken: bei dem 80 % der Kontaktverbindungen und 50 % der viermal für die Produktion anderer Segmente des gleichen ILEK, Universität Stuttgart Schrauben als ausgefallen simuliert wurden. Dies führte Typs wiederverwendet. 106 Beton Bauteile – Edition 2018 Beton Bauteile – Edition 2019 106
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