Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit.

 
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Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit.
BETTINA FLITNER                                                                          Männer eines Dorfes, in dem ein Mann gestorben ist. Die
                                                                                         Männer sind Teil einer Beerdigungsgesellschaft. Die Bemalung
                                                                                         der Gesichter mit Lehm zeigt, dass hier um einen Toten ge-
Text: Josef Šnobl I Fotos: Bettina Flitner                                               trauert wird. Südliches Hochland, Papua Neuguinea.

                                                                                         „Ich wollte schon immer wissen,
                                                                                         was die Menschen im Innersten
                                                                                         bewegt. Es war immer ein Antrieb
                                                                                         meines Seins und meiner Arbeit.“

                                                                                         Bettina Flitner kam mit kleinen Umwegen über den Film zur
                                                                                         Fotografie. Nach der Ausbildung zur Cutterin hat sie in Berlin
                                                                                         auf der Film- und Fernsehakademie studiert. Auch wenn ihre
                                                                                         ersten Filme oft ausgezeichnet wurden, widmet sie sich seit
                                                                                         den 90er-Jahren überwiegend dem statischen Bild.
                                                                                         „Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im
                                                                                         Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins
                                                                                         und meiner Arbeit. Am Anfang dachte ich, dass man eine
                                                                                         Geschichte optisch nur mit einem Film erzählen kann, aber
                                                                                         Filmemachen ist Teamarbeit; mit vielen Menschen verbunden.
                                                                                         Da kannst du niemals so dicht ran und so tief in ein Milieu
                                                                                         eintauchen wie wenn ich allein bin, nur mit dem Fotoapparat.
                                                                                         Die Kamera ist mein Schlüssel, um überall reinzukommen.“

                      Kämpfer des Dorfes UPA 1 demonstrieren ihre Stärke. Diese          Am Anfang machte sie Reportagen, nahm teil an verschiede-
                      Demonstration ist Teil von Friedenverhandlungen der beiden         nen Ausstellungen und Veröffentlichungen. Der traditionelle
                      Dörfer Upa 1 und Upa 2, nach jahrelangem Krieg und sieben
                                                                                         Weg genügte ihr aber nicht.
                      Toten auf beiden Seiten. Vor 1000 Zuschauern wird der Krieg noch
                      mal vor Augen geführt. Südliches Hochland, Papua Neuguinea.

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Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit.
„Ich musste eine Form finden, mit dem       und muss mich ganz offen, fast naiv,
                                                                Fotoapparat genauso gut Geschichten         auf ihn einlassen: Wer ist das, was fühlt
                                                                erzählen zu können wie mit Film.            er, was denkt er, warum denkt er das?
                                                                Und so bin ich darauf gekommen, mit         Trotz meiner Haltung muss ich diese
                                                                Zitaten der Fotografierten zu arbeiten,     Offenheit haben, sonst erfahre ich ja
                                                                serielle Arbeiten zu erstellen, bei denen   nichts und mache das, was ich schon vor-
                                                                mehrere Fotos in Folge eine Geschichte      her denke oder andere sehen wollen.“
                                                                erzählen oder ein Thema von verschie-       Flitners Tätigkeitsfeld beschränkt sich
                                                                denen Seiten beleuchten. Es ist kein        allerdings nicht nur auf kontrover-
                                                                linearer Erzählstrang wie bei einem         se Themen, obwohl sie auch in der
                                                                Fotoroman; es ist ein Essay.“               leichtesten Form gesellschaftlich re-
                                                                                                            levant bleiben („Boatpeople“). Wenn
                                                                Bettina Flitner entdeckte den öffent-       sie über ein Thema stolpert und es sie
                                                                lichen Raum für sich. Sie machte ihre       interessiert, scheut sie keine Kosten
Bewohner des Dorfes Oyarip versuchen Sr. Lorena, eine
                                                                Bilder zu Skulpturen und präsentierte       und Mühen, reist in die verstecktesten
schweizer Ordneschwester, die seit 30 Jahren in PNG lebt, da-
                                                                sie oft an überraschenden Orten in un-      Gegenden der Welt und macht ihre
ran zu hindern, die schwer verletzte Teno ins Krankenhaus
                                                                gewöhnlichen Kontexten. Ihre gesell-        mal empathischen, mal mahnenden
zu bringen. Teno ist von den anderen Dorfbewohnern als
„Hexe“ gefoltert worden. In Oyarip, in der Nähe der Stadt       schaftspolitischen Themen sind meist        Reportagen. („Hexenverbrennung in
Mendi, in der südlichen Hochebene von Papua Neuguinea.          brisant und werden viel diskutiert,         Papua Neuguinea“ oder „Besuch im
                                                                ob es um Jugendliche geht („Ich bin         Kongo“)
                                                                stolz, ein Rechter zu sein“, 2000) oder
                                                                um Bordellbesucher („Freier“). Ihre         „Zuerst habe ich eine Idee, dann ent-
                                                                Offenheit dem Thema gegenüber und           wickle ich ein Konzept und fotografiere
                                                                ihr subtiler Umgang mit den Menschen        mich an das Thema heran, um zu prü-
Margret und ihr Sohn Lexi in ihrem neuen Dorf. Sie wurde für    erstaunen oft.                              fen, ob die Idee überhaupt funktioniert.
den Tod der Frau des Dorfchefs verantwortlich gemacht und als   „Ich habe eine bestimmte Haltung, die       Meistens kannst du die ersten Bilder in
„Hexe“ gefoltert. Lexi hat alles mit angesehen. Margret konn-   aber beim Zusammentreffen z.B. mit          die Tonne schmeißen, weil es noch nicht
te fliehen und wohnt nun in dem Haus ihres Bruders, In der
                                                                Rechtsradikalen oder mit Freiern nicht      passt. Erst nach und nach formt sich das
Nähe von Mendi, südliches Hochland von Papua Neuguinea.
                                                                im Vordergrund oder zwischen uns ste-       und irgendwann, wenn alles sitzt, läuft
                                                                hen darf. Ich treffe da einen Menschen      es von allein.“

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Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit.
BOATPEOPLE
                  Ruhig aber stetig ziehen die Boatpeople flussaufwärts. Für ihre Prozession gegen den Strom hol-
                  te Bettina Flitner sehr unterschiedliche Individuen und Gruppen in ihre Barke aus Burma: vom
                  Dreigestirn bis zu Managern, vom Obdachlosen bis hin zu den Rittern vom Heiligen Grab.

                  Bettina Flitners Arbeitgeber sind mehr-       sich nicht, auch die banalsten Sachen
                  heitlich Non-Profit-Organisationen und        zu hinterfragen, um überraschende
                  gemeinnützige Stiftungen, für die sie         Antworten zu finden.
                  Konzepte entwirft und in der ganzen           „Eine Haltung ist etwas anderes als eine
                  Welt realisiert. Sie ist eine hervorra-       vorgefertigte Meinung. Ich habe auch
                  gende Porträtistin, überwiegend von           keine Grenze, was ich nicht fotografie-
                  Frauen („48 Europäerinnen“, „Frauen,          ren würde. Ich kann mir jedes Thema
                  die forschen“, „Mitten im Leben“)             der Welt vornehmen und meinen Blick
                  und Autorin zahlreicher Bücher.               darauf werfen und wenn es weit weg
                  Wenn es nötig wird, greift sie auf die        ist, umso besser, dann erfahre ich et-              Bettina Flitner
                  Filmkamera zurück oder schreibt selbst        was. Das ist ja meine Triebfeder, diese             www.bettinaflitner.de
                  den Begleittext oder Essay. Bettina           Erfahrungen prägen mein Bild von der
                  Flitner ist vielfältig und klar. Sie scheut   Welt...“

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Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit. Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit. Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit. Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit. Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit. Ich wollte schon immer wissen, was die Menschen im Innersten bewegt. Es war immer ein Antrieb meines Seins und meiner Arbeit.
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