Bienenschutz in der Agrarlandschaft - Wirkungsvolle Maßnahmen einfach umsetzen - BUND RLP
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nhalt Seite Vorwort 3 Einleitung 4 Das Projekt „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen“ 6 Praxisbeispiele: Vorstellung der Maßnahmen auf den Modellflächen 7 Beispiel Modellprojekt Mainz-Bretzenheim: Anlage einer großen Blühwiese und Schaffung von Niststrukturen 7 Beispiel Modellprojekt Worms-Pfeddersheim: Begrünung eines Weinbergs mit autochthonem Saatgut 11 Beispiel Modellprojekt in Wintersheim: Anlage einer Streuobstwiese 13 Seltene Wildbienenarten in der rheinhessischen Agrarlandschaft 16 Erfahrungen und Herausforderungen 18 Anhang 20 Literatur 21 Links 22 Spendenkonto 23 Impressum 24 Filzzahn- Blattschneiderbiene Megachile pilidens (Foto: Ursula Gönner) Kornblume Centaurea cyanus (Foto: Jens Müller) 2 Inhalt
orwort Sabine Yacoub Landesvorsitzende BUND Rheinland-Pfalz Mit etwa 400 Wildbienenarten ist die Vielfalt in Rhein- mit einemreichhalti- hessen groß. Das trocken-warme Klima ist für die kleinen gen Nahrungsange- Bestäuberinnen ideal. In ihren Ansprüchen an Nahrungs- bot, aber auch Nistmög- pflanzen und Nistmöglichkeiten unterscheiden sich die lichkeiten, die den verschie einzelnen Arten z. T. stark. Deshalb gibt die Anzahl der denen Ansprüchen der Wild - vorhandenen Wildbienenarten in einem grundsätzlich ge- bienenarten entsprechen. Nach nunmehr vier Jahren kön- eigneten Lebensraum wichtige Hinweise auf seinenökolo- nen wir auf zahlreiche erfolgreich umgesetzte Maßnahmen gischen Zustand. Vereinfacht gesagt: Je mehr Wildbienen zurückblicken. Auch wenn nicht alles, was wir auspro- sich in einer Fläche finden, umso besserist es um sie ge- biert haben, gleich geklappt hat. So hat sich zum Beispiel stellt. Und: Gestalten oder erhalten wir einen Lebensraum, heraus gestellt, dass Sandnisthügel unzureichend besie- in dem viele Wildbienenarten vorkommen, dann fördern delt werden, wenn sie zu klein und zu niedrig sind. Zudem wir damit die Artenvielfalt insgesamt und schaffen Struk- müssen sie regelmäßig vom Bewuchs befreit werden, da- turen für vieleandere Tier- und Pflanzenarten. mit sie sich als Nistplatz eignen. Deshalb beschäftigt sich der BUND in Rheinhessen seit 2015 Damit interessierte Landbewirtschafter*innen von unseren mit den anspruchsvollen Verwandten der Honigbiene. Wäh- Erfahrungen profitieren können, haben wir einige in der rend in unserem ersten Projekt „Blühendes Rheinhessen – vorliegenden Broschüre zusammengefasst. Farbtupfen für Wildbienen“ die Wildbienenförderung auf kommunalen Flächen im Vordergrund stand, arbeiten wir Im Namen des BUND danke ich herzlich allen am Projekt seit 2018 im Projekt „Blühendes Rheinhessen – Wein, Wei- und seinem Erfolg Beteiligten. Insbesondere den Land zen, Wildbienen“ mit Landwirt*innen und Winzer*innen wirt*innen und Winzer*innen, die bereit waren, sich auf zusammen. In den Projekten haben wir ein Netz aus Wild die Maßnahmen einzulassen, diese freiwillig umzusetzen bienenbotschafter*innen geknüpft, das aus langjährigen und in ihre Betriebsabläufe zu integrieren. Mit dem Pro- BUND-Aktiven und neuen Interessierten besteht und alle jekt konnten wir gemeinsam zeigen, dass es möglich ist, Aktivitäten tatkräftig unterstützt. die Wildbienenvielfalt durch gezielte Maßnahmen zu er- höhen. Um dem Artensterben entgegen zu wirken, ist es Das Interesse seitens der Landwirtschaft war groß – sowohl erforderlich, solche und weitere Maßnahmen zahlreich bei ökologisch wie auch bei konventionell wirtschaftenden über das Land zu verteilen und miteinander zu verbinden. Betrieben. Gemeinsam mit den Landbewirtschafter*innen Dies ist eine Aufgabe, die die Landwirtschaft übernehmen und Expert*innen haben wir Maßnahmen entwickelt, die kann und vielerorts auch übernehmen möchte. Erreichbar freiwillig umgesetzt wurden – unterstützt von unseren ist dieses Ziel im erforderlichen Ausmaß aber nur, wenn Wildbienenbotschafter*innen. So entstanden Blühflächen diese Leistungen angemessen honoriert werden. Ihre Sabine Yacoub Landesvorsitzende BUND Rheinland-Pfalz Vorwort 3
inleitung Fällt das Wort „Biene“, denken viele Menschen sofort an das Nutztier Honig biene (Apis mellifera). Dass es rund 590 wildlebende Bienenarten in Deutsch- land gibt1, ist meist nicht bekannt. In unseren Ökosystemen und Kulturland- schaften spielen Wildbienen jedoch eine elementar wichtige, oft unterschätzte Rolle: Viele Wild- und Kulturpflanzen könnten ohne die Bestäubungsleistung von Insekten nicht existieren. Gleichzeitig sind viele Wildbienenarten stark be- droht: Circa 40 % der in Deutschland bekannten Arten werden als bestandsge- fährdet eingestuft, 7 % sind bereits ausgestorben.2 Die früh im Jahr aktive Gehörnte Mauerbiene Die oftmals kleinflächig strukturierte und mancherorts vielfältige Kulturland- Osmia cornuta schaft Rheinhessens bietet im Sinne der Wildbienenförderung grundsätzlich (Foto: Ursula Gönner) ein großes Potenzial. Auch die Landwirtschaft profitiert maßgeblich von den nützlichen Fluginsekten: Während der Obstbau in besonderem Maße von der Bestäubungsleistung abhängt, ist eine artenreiche Wildbienenpopulation auch für Kulturen, die nicht durch Insekten bestäubt werden (wie z. B. Wein), von Vorteil. Denn wo eine Vielfalt an Nahrungs- und Nistmöglichkeiten besteht und das Ökosystem intakt ist, haben Schädlinge gegenüber Nützlingen schlechtere Karten. Im Gegensatz zur relativ anspruchslosen Honigbiene, die vom Menschen ge- züchtet und für die Honigproduktion genutzt wird, sind vieleWildbienenarten bezüglich ihrer Nahrungsquellen und Lebensräume sehr spezialisiert: Etwa 50 % der in Mitteleuropa bekannten Wild bienenarten sind auf eine bestimmte Pflanzengattung oder -familie spezialisiert bzw. bevorzugen diese.3 Des- halb ist es bei Schutzmaßnahmen wichtig, für ein vielfältiges Nah- rungsangebot zu sorgen. Jede Wild bienenart hat eine bestimmte Flugzeit, sodass Wild bienen in unseren Breiten vom Frühjahr bis zum Spätsommer unterwegs sind. Während die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) bereits im zeitigen Frühjahr gesichtet werden kann, fliegt die Efeu- Seidenbiene (Colletes hederae) erst im September zur Efeu-Blüte. Des- halb ist es essentiell, dass das Nahrungsangebot ganzjährig vorhanden ist. Die Efeu-Seidenbiene (Colletes hederae) fliegt erst zur Efeublüte im September (Foto: Ursula Gönner) 1 Kompetenzzentrum Wildbienen 2 Westrich et al. 2011 3 Zurbuchen & Müller 2012 4 Einleitung
Der überwiegende Anteil der mitteleuropäischen Wildbienenarten nistet im Bo- Nisthilfen fördern nur wenige den.4 Hier sind unbefestigte Feldwege, lückig bewachsene Bodenstellen, Löss- Wildbienenarten, haben aber hänge und Abbruchkanten von besonderer Bedeutung. Oberirdisch nistende einen pädagogischen Wert Bienen profitieren u. a. von Totholz, markhaltigen Pflanzenstängeln oder Insekten (Foto: Katja Deschinger) fraßgängen in altem Holz. Natürliche Kleinstrukturen sollten grundsätzlich einer künstlichen Nisthilfe („Insektenhotel“) vorgezogen werden. Nisthilfen entsprechen leider oftmals nicht den Ansprüchen von Wildbienen und werden dann auch nicht von diesen besiedelt. Wenn sie fachgerecht gebaut und aufge- stellt werden, leisten sie aber einen pädagogischen Beitrag, da die Lebensweise solitärer Arten hier wunderbar beobachtet werden kann. Lösswände und Abbruchkanten sind wichtige Lebensräume für im Boden nistende Wildbienen (Foto: BUND) 4 Zurbuchen & Müller 2012 Einleitung 5
as Projekt „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen“ Bei zehn Modell- Von 2018 bis 2022 hat der BUND auf insgesamt 15 Modellflächen zusammen betrieben in Rheinhessen mit landwirtschaftlichen Betrieben (Weinbau, Obstbau und Ackerbau) Maßnah- wurden vor und nach den men zur Förderung von Wildbienen in der rheinhessischen Agrarlandschaft um- Maßnahmenumsetzungen gesetzt. Vor und nach den Maßnahmenumsetzungen wurden auf 10 von ihnen faunistische und floristische faunistische und floristische Kartierungen durchgeführt, um die Artenvielfalt Kartierungen durchgeführt und den Erfolg der Maßnahmen beurteilen zu können. Die Maßnahmen zur Wildbienenförderung umfassen u. a. die Entwicklung von Blühflächen und die Schaffung vielfältiger Niststrukturen. Schautafeln und Exkursionen auf den Modellflächen informieren über die Bedeutung und Förderungsmöglichkei- ten von Wildbienen. Vom BUND ausgebildete Wildbienenbotschafter*innen unterstützten die Betriebe vor Ort und engagieren sich darüber hinaus in ganz Rheinland-Pfalz für Wildbienen. Projektbegleitend fanden Vor träge, Exkursionen, Info-Stände und Diskussionsrunden zum Thema Wildbienen und Biodiversität in der Agrarlandschaft statt. Der kons- truktive Dialog mit der Landwirtschaft stand dabei im Vordergrund. Das Projekt wurde 2019 im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet und wird aus Mitteln der Aktion Grün des Klima schutzministeriums Rheinland-Pfalz gefördert. Die Entwick- lung der Modellprojekte wurde wissenschaftlich begleitet: Sowohl die Pflanzen als auch die Wildbienenarten wurden von Expert*innen vor und nach Maßnahmenumsetzung kartiert. Insgesamt konnten auf zehn Modellflächen in den Jahren2019 und 2021 161 Wildbienenarten nachgewiesen werden! Mehr als 40 % der 138 im Jahr 2021 nachgewiesenen Wildbienenarten werden als gefährdet ein- gestuft bzw. stehenauf der Vorwarnliste!1 Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung vieler Modellflächen für den Wildbienenschutz und zeigen das Potenzial land- wirtschaftlicher Modellprojekte. Zudem geben sie Aus- kunft über die Bestandssituation und die Verbreitung von teilweise seltenen Wildbienenarten in Rheinhessen. Diese Broschüre enthält Praxisbeispiele zum Thema Wild bienenschutz in der Landwirtschaft. Erfahrungen aus dem Projekt „Blühendes Rheinhessen“ sollen durch konkrete Hand- lungsempfehlungen auch über die Projektlaufzeit hinaus genutzt BUND-Wild und angewendet werden können. bienenbotschafter*innen (Foto: Jutta Schreiner) 1 Burger 2022 6 Das Projekt „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen
raxisbeispiele Vorstellung von Maßnahmen auf den Modellflächen Blühfläche und Felder Beispielhaft werden drei Modellprojekte vorgestellt, die sich durch besondere (Foto: Anne Bernsee) Maßnahmen wie Heumulchverfahren, Schaffung natürlicher Niststrukturen bzw. durch ihre besondere Flächengröße hervorheben. Beispiel Modellprojekt Mainz-Bretzenheim: Anlage einer großen Blühwiese und Schaffung von Niststrukturen Verbesserung des Nahrungsangebotes Auf der Modellfläche in Mainz-Bretzenheim bestanden aufgrund der Größe von 1,8 Hektar vielfältige Möglichkeiten für verschiedene insektenfreundliche Maß- nahmen. Zuvor wurde auf der Ackerbrache eine handelsübliche Blühmischung u. a. mit Phacelia und Garten-Rettich (Raphanus sativus) eingesät, die nur we- nigen Wildbienenarten eine Nahrungsgrundlage bot.2 Ein weiterer einschrän- kender Faktor war der hohe Stickstoffgehalt im Boden, der die Möglichkeiten Aufbau der Projektfläche von floristischen Naturschutzmaßnahmen grundsätzlich begrenzt.3 in Mainz-Bretzenheim N Projektfläche Heumulchübertragung (dauerhafte Blühfläche) Blühmischung u. a. mit Kornblume, Natternkopf und Fenchel sowie mit Ge- wöhnlicher Schafgarbe, Moschus-Malve und Oregano (Regio-Saatgut) Verbesserung der Niststrukturen durch zwei Nisthügel und eine Abbruchkante für im Boden nistende Wildbienenarten Verbesserung der Niststrukturen durch eine künstliche Nisthilfe für oberirdisch nistende Wildbienenarten 20 m 2 Burger 2019 3 Schönhofer 2021 Modellprojekt in Mainz-Bretzenheim 7
Vierbindige Furchenbiene Halictus quadricinctus (Foto: Ursula Gönner) Ab dem Herbst 2019 wurde ein Großteil der Fläche mit zwei verschiedenen Blühmischungen aus zertifiziertem Regio-Saatgut eingesät. Auf einem kleinen Teilbereich von 300 m², der dem Naturschutz dauerhaft (auch über fünf Jahre hinaus) zur Verfügung steht, fand eine Über- tragung mit Heumulch einer artenreichen Spenderfläche Modellfläche in Mainz-Bretzenheim im Jahr 2021: statt. Nachdem im Folgejahr 2020 noch Pflanzen aus der Große Bestände u. a. von Färber-Hundskamille, ursprünglichen und für Wildbienen wenig wertvollen Phace- WilderMöhre und Natternkopf bieten ein vielfältiges lia-Blühmischung dominierten, setztensich die gewünsch- Nahrungsangebot für Wildbienen ten Arten im Jahr 2021 zunehmend durch. Insbesondere im (Foto: Anne Bernsee) höher gelegenen, westlichen Bereich der Fläche konnte ein großer Erfolg verzeichnet werden: Für Wildbienen wichtige Tab. 1: Verwendete Blühmischungen auf der Projekt Nahrungspflanzen, wie Färber-Hundskamille, WildeMöhre , fläche in Mainz-Bretzenheim sowie Kosten und Steinklee und Natternkopf konnten sich hier in großer Bezugsquellen Ausprägung entwickeln.1 Die große Fläche mit durchge- Blühmischung Kosten Bezugsquellen hendem Blütenangebot lieferte daher einen sehr großen Blühende Land- ab 38.52 €/kg www.rieger-hof- Beitrag an Nahrung für viele Wildbienen im Umkreis von schaft – Spät- (Stand: mann.de über 300 Metern. Im unteren Bereich der Fläche fiel der sommeransaat 12/2021) Erfolg teilweise aus: Vermutlich wegen der hohen Nähr- (WEST) www.bluehende- stoffgehalte und der Feuchtigkeit in der Senke konnte landschaft.de sich die artenreiche Mischung gegenüber konkurrierenden (kleine Mengen) Pflanzen wie Kletten-Labkraut und Windhalm nicht durch- Wildbienenweide 100 €/kg Zusammensetzung setzen.2 Der floristische und faunistische Erfolg kann auch „Larro“ (Zusam- (Stand: der Mischung im in Zahlen gemessen werden: Während 2019 32 Pflanzen- mensetzung 04/2020 bei Anhang und unter und 32 Wildbienenarten erfasst wurden, waren es 2021 gezielt nach Rieger-Hof- www.bund-rlp.de/ bereits 52 Pflanzen- und 48 Wildbienenarten!3,4 Ansprüchen von mann) Wildbienen Wildbienen)5 Weitere Informationen zur Anlage einer Blühwiese: Zur Erhaltung und Förderung der genetischen Vielfalt und Heumulch (Mahd Auf Anfrage z. B. Restitutions- der regionalen Anpassungsfähigkeit von Pflanzen sollte im gutübertragung beim Dienst Ökologie Brauner, Idealfall mit Heumulch gearbeitet werden. Ist dies nicht von artenreichen leister Mittelstraße 30, möglich sollte dringend auf Regio-Saatgut zurückgegriffen Spenderflächen) 67547 Worms, werden. r-oe-brauner@ t-online.de 5 konzipiert von Jean Sebastien Larro (BUND-Wildbienenbot- 1, 2, 3 Schönhofer 2021 schafter) zusammen mit Experten von Rieger-Hofmann 4 Burger 2022 8 Modellprojekt in Mainz-Bretzenheim
Dieses kann u. a. bei folgenden Saatgutherstellern bezogen Landwirt, Wildbienenbotschafterinnen werden: und BUND-Mitarbeiterin errichten eine Abbruchkante ►► www.gaertnerei-strickler.de (Foto: Mareike Rest) ►► www.rieger-hofmann.de ►► www.saaten-zeller.de ►► www.freudenberger.net Detaillierte Informationen zu den einzelnen Ursprungsgebieten und Produktions räumen der Saatgutherstellung sowie zur Anlage von Blühwiesen und Saum- strukturen finden Sie z. B. hier: https://www.rieger-hofmann.de/ alles-ueber-rieger-hofmann/ downloads.html Verbesserung des Nistplatz- angebotes Der Großteil der heimischen Wild bienenfauna nistet in selbstgegrabe nen Gängen im Boden. Oberirdisch nistende Artenlegen ihre Nester u. a. in vorhandenen Hohlräumen in morschem Holz, in markhaltigen Pflanzenstängeln oder in Schneckenhäusern an. Auf diese unterschiedlichen Ansprüche solltebei der Nistplatzschaffung geachtet werden. Künstliche Nisthilfen, sogenannte „Insektenhotels“, entsprechen leider oftmals nicht den fachlichen Ansprü- chen und werden dann selten bis gar nicht von Wildbienen besiedelt. Abgesehen davon kann nur ein kleiner Teil der Wildbienenarten damit gefördert werden. Richtig gebaut und aufgestellt können sie aber einen Beitrag zur Umwelt- bildung leisten: Die Lebensweise der solitären Wildbienen kann hier sehr schön beobachtet werden! Auf der Modellfläche in Mainz-Bretzenheim lag der Fo- Fuchsrote kus auf der Schaffung natürlicher Niststrukturen für im Lockensandbiene Boden nistende Arten: Hier wurden eine Abbruchkante Andrena fulva und zwei Sandnisthügel errichtet. Die ca. 1 Meter hohe (Foto: Ursula Gönner) Abbruchkante wurde zunächst mit einer Traktorschaufel Modellprojekt in Mainz-Bretzenheim 9
Gemeine Pelzbiene Anthophora plumipes (Foto: Mirja Neff) ausgehoben und danach die Wände händisch geglättet und verdichtet. Die „Mini- Steilwände“ wurden bereits im Jahr 2021 von Schmalbienen (Lasioglossum) be- siedelt.1 Außerdem wurde eine künstliche Nisthilfe für oberirdisch, in Stängeln oder vor- handenen Hohlräumen, nistende Arten aufgestellt. Empfehlungen für die Anlage von Niststrukturen: Nisthügel sollten grundsätzlich ausreichend groß dimensioniert sein, damit sie von Wildbienen erfolgreich besiedelt werden: mindestens 6 Meter Länge, 1,5 Meter Höhe und 2–3 Meter Breite!2 Das Substrat sollte außerdem bindig genug sein: Unbedingt ungewaschenen Sand verwenden und ggf. mit etwas Substrat vor Ort mischen! Abbruchkanten oder „Mini-Steilwände“ müssen, ebenso wie die Nisthügel, regel- mäßig vom Bewuchs befreit werden. Detaillierte Informationen zum Thema künstliche Nisthilfen finden Sie in unserem Künstliche Nisthilfe Nisthilfen-Flyer unter https://www.bund-rlp.de/nisthilfenflyer oder auf der Web auf der Projektfläche: site des Wildbienen-Experten Paul Westrich unter https://www.Wildbienen.info/ Bereits zwei Jahre nach artenschutz/nisthilfen_01.php. Aufstellung war über die Hälfte der Hohlräume Es lohnt sich, die Empfehlungen zu berücksichtigen: Die faszinierende Lebens- von Wildbienen besiedelt weise der Wildbienen im eigenen Garten oder auf dem Balkon zu beobachten, (Foto: Anne Bernsee) bereitet große Freude! Tab. 2: Verwendete Niststrukturen auf der Projektfläche in Mainz-Bretzen- heim sowie Kosten und Bezugsquellen Niststruktur Bezugsquelle Kosten Künstliche Nisthilfe insektenhotels.de Ab 169,90 € (großes Modell, für (je nach Ausführung) Aufstellung in freier https://www. Landschaft) insektenhotels.de/ insektenhotel-zur- kleinen-bienenkoenigin Nisthügel Lokale Abbaustätte, Anfrage beim Steinbruch Dienstleister Abbruchkante -- keine 1, 2 Burger 2022 10 Modellprojekt in Mainz-Bretzenheim
Beispiel Modellprojekt Worms-Pfeddersheim: Begrünung eines Weinbergs mit autochthonem Saatgut Bei der Modellfläche in Worms-Pfeddersheim, einer Weinbergs- Terrasse mit Lössböschungen, wurde ausschließlich autochthones (=gebietseigenes) Saatgut aus Sammlungen lokaler Wiesenflächen des BUND verwendet.3 Der Fokus lag hier auf der Schaffung von Nahrungsflächen, weil natürliche Nistplätze (Lössböschungen, Stängel- strukturen, Hecken) bereits großflächig vorhanden waren.4 Für das Vorgewende des Weinbergs und die Rebzeilen kamen unterschied- liche Wiesenmischungen zum Einsatz (Tab. 3 & 4). In einer Rebzeile wurde zu- dem die Acker-Ringelblume (Calendula arvensis), ein stark gefährdetes Acker- wildkraut, experimentell ausgesät. Einsaat des östlichen Vorgewen- des mit autoch- thonem Saatgut einer Aufbau der Projektfläche BUND-Spenderfläche in Worms-Pfeddersheim (Foto: Michael Leukam) Projektfläche N Mit autochthonem Saatgut angelegte Blühstreifen im Vorgewende mit u. a. Tauben-Skabiose, Wiesen-Flockenblu- me und Wilder Möhre Rebzeilenbegrünung (3 Zeilen) mit autochthonem Saatgut mit u. a. Gänseblümchen, Weißem Labkraut und Wirbeldost Rebzeilenbegrünung (3 Zeilen) mit autochthonem Saatgut mit u. a. Gänse- blümchen, Weißes Labkraut, Wirbeldost Natürliche Niststrukturen, Totholz Verbesserung der Niststrukturen durch Nisthilfe und Nistpfahl Natürliche Niststrukturen (Lössböschungen) 3 Schönhofer 2021 4 Burger 2019 Modellprojekt in Worms-Pfeddersheim 11
Tabelle 3: Vorgewende-Mischung autochthon Tabelle 4: Rebzeilen-Mischung autochthon Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Wiesen-Bocksbart Tragopogon pratensis Kleine Braunelle Prunella vulgaris Kleine Braunelle Prunella vulgaris Gewöhnlicher Dost Origanum vulgare Gewöhnlicher Dost Origanum vulgare Färberkamille Anthemis tinctoria Färberkamille Anthemis tinctoria Gänseblümchen Bellis perennis Färberwaid Isatis tinctoria Hornklee Lotus corniculatus Sprossende Felsennelke Petrorhagia prolifera Kronwicke Securigera varia Wiesen-Flockenblume Centaurea jacea Echtes Labkraut Galium verum Gänseblümchen Bellis perennis Weißes Labkraut Galium album Sichelblättriges Hasenohr Bupleurum falcatum Echtes Leinkraut Linaria vulgaris Hornklee Lotus corniculatus Weiße Lichtnelke Silene latifolia Klappertopf Rhinanthus angustifolius Margerite Leucanthemum vulgare Kronwicke Securigera varia Klatsch-Mohn Papaver rhoeas Echtes Labkraut Galium verum Wilde Möhre Daucus carota Weißes Labkraut Galium album Natternkopf Echium vulgare Echtes Leinkraut Linaria vulgaris Wiesen-Pippau Crepis biennis Weiße Lichtnelke Silene latifolia Rasige Wiesen-Schafgarbe Achillea pratensis Margerite Leucanthemum vulgare Schneckenklee Medicago Klatsch-Mohn Papaver rhoeas Spitzwegerich Plantago lanceolata Wilde Möhre Daucus carota Wirbeldost Clinopodium vulgare Natternkopf Echium vulgare Kartäusernelke Dianthus carthusianorum Bezugsquelle für das Saatgut: Wiesen-Pippau Crepis biennis Wildbienenbotschafter Michael Leukam, Wiesen-Salbei Salvia pratensis michael.leukam@web.de Rasige Wiesen-Schafgarbe Achillea pratensis Dr. Axel Schönhofer, Edle Schafgarbe Achillea nobilis axel.schoenhofer@gmx.net Schlüsselblume Primula veris Sehr erfolgreich entwickelte sich die autochthone Blüh- Schneckenklee Medicago mischung im Vorgewende (Tab. 3). Unter anderem Färber- Seifenkraut Saponaria officinalis waid, Sichelmöhre und Flockenblumen fungieren hier nun Sichelmöhre Falcaria vulgaris als wichtige Nahrungspflanzen für Wildbienen. Das Vorge- Tauben-Skabiose Scabiosa columbaria wende sollte einmal jährlich gemäht, das Mahdgut abge- Wucherblume Tanacetum räumt und als Dünger in den Weinberg gebracht werden.1 Wirbeldost Clinopodium vulgare 1 Schönhofer 2021 12 Modellprojekt in Worms-Pfeddersheim
Die Begrünung der Rebzeilen gestaltete sich hingegen an- spruchsvoller: Die eingesäten Arten (Tab. 4) benötigen einen zwei- bis dreimaligen Schnitt.2 Die Herausforderung besteht in der Harmonisierung der notwendigen Arbeiten im Weinbau mit den Ansprüchen der Pflanzen. Daran wollen die Projektbeteiligten weiterarbeiten. Hier besteht Forschungsbedarf! Die westlich gelegene Lössböschung wurde im Herbst scharf abgemäht. Da- Rebzeilen-Begrünung durch wurde der Grasbewuchs zugunsten von Blütenpflanzen zurückgedrängt. (Foto: Tatjana Schneckenburger) Davon profitierte auch die Schwarznessel, Futterpflanze der hier vorkommen- den, sehr seltenen Glatten Langkopf-Schmalbiene (Lasioglossum clypeare). Der lückige Bewuchs schafft zudem Nistmöglichkeiten für Wildbienen. Die seltene Acker-Ringelblume konnte sich bislang aufgrund des Konkurrenz- drucks nicht durchsetzen. Eine zweimalige Bodenbearbeitung unter Berücksich- tigung des Aufwuchses und der Samenreifung könnte hier helfen. Das nicht sehr hohe, aber von April bis September kontinuierliche Blütenange- bot wurde von zahlreichen Wildbienen angenommen und so konnten im Jahr Mohn vor Trockenmauer 2019 in dieser Lage 6 Rote-Liste-Arten und 2021 bereits 13 Rote-Liste-Arten (Foto: Ellen Zimmer) festgestellt werden! Auch die Gesamtzahl der nachgewiesenen Arten erhöhte sich.3,4 Floristisch wurden zu Projektbeginn 47 Arten erfasst und im Jahr 2021 bereits 56 Pflanzenarten!5 Beispiel Modellprojekt in Wintersheim: Anlage einer Streuobstwiese Auf der Modellprojektfläche in Wintersheim wurden auf einem bisher als Ackerland genutzten Gelände eine Streuobstwiese sowie verschiedene Niststrukturen für Wildbienen angelegt. 2, 5 Schönhofer 2021 4 Burger 2022 Obstblüte für Wildbienen 3 Burger 2019 (Foto: Markus Kirn) Modellprojekt in Wintersheim 13
Blühwiese im Hochsommer mit Schafgarbe (Foto: Sandra Bischmann) In Zusammenarbeit mit Wildbienenbotschafterin MirjaNeff wurde ein Streuobstrundgang geplant. Als liegende Acht lassen sich chronolo- gisch nach Züchtungsdatum gepflanzteApfelsorten vom Mittelalter (z. B. „Christkindler“) bis zum Ende des 20. Jahrhunderts (z. B. „Red Topaz“) er- wandern. Ein Schwerpunkt liegt auf den Regionalsorten von Rheinland-Pfalz (z. B. „Guldentaler Knorzekopp“). Es stellten sich zwei Herausforderungen: Die benötigten Sorten sind auf dem Markt als Hochstamm in Bio-Qualität nicht käuflich zu erwerben und die einzige Baumschule mit dem entsprechenden Sortiment – Ritthaler – hat bisher nur einen Teil der Sorten liefern können. Der Verzicht auf den Acker-Status und anderweitige Förderungen ermöglichte eine individuelle Planung von ca. 6.000 m² und eine auf Dauer angelegte Ein- saat. Daher wurde auf das qualitativ beste Material zurückgegriffen: Mahdgut von außergewöhnlich artenreichen Spenderflächen der Region. Tab. 5: Verwendete Blühmischungen auf der Projektfläche in Wintersheim sowie Kosten und Bezugsquellen Blühmischung Kosten Bezugsquellen Heumulch (Mahdgut- Spende Naturschutzgruppen, Mahdgut frisch ausgebracht übertragung von arten- hier Michael Leukam, neben Jungbäumen reichen Spenderflächen) BUND Kreisgruppe Worms (Foto: Mirja Neff) aus Pfeddersheim Heumulch (Mahdgut- Auf Anfrage beim z. B. RestitutionsÖkologie übertragung von arten- Dienstleister Brauner, Mittelstraße 30, reichen Spenderflächen) 67547 Worms, r-oe-brauner@t-online.de Der Ausgangsboden war fett und verunkrautet mit großen Bereichen der Acker- kratzdistel (Cirsium arvense) und Samenflug von Ahornbäumen. Es erschien nicht sinnvoll, den Oberboden abzuschieben, da auch in tieferen Lagen kein magerer Boden zu erwarten war. Das Mahdgut aus Pfeddersheim wurde im Herbst 2019 lose auf die gepflügte Fläche gestreut. Es keimte zunächst zöger- lich, konnte aber im Jahr 2021 viele wertgebende Pflanzenarten ausbilden. Das Mahdgut vom Dienstleister bildete schneller einen Blütenteppich. Allerdings wurden 2021 die Schafgarbe (Achillea nobilis) und die Acker-Kratzdistel (Cir- sium arvense) so dominant, dass sie stellenweise andere Pflanzen verdräng- ten. Eine regelmäßige, mindestens jährliche Mahd sowie der Abtransport des Schnittgutes könnten die weitere Entwicklung der wertvollen Wiese sehr gut 14 Modellprojekt in Wintersheim
Oregano Origanum vulgare (Foto: Sandra Bischmann) fördern. Sie sollte zeitlich gestaffelt gemäht werden, um der Tierwelt jederzeit Ausweich- möglichkeiten zu bieten.1 Die Bewertung dieses Modellprojekts fällt positiv aus. Die strukturreiche Fläche führte fast durch- gehend zu guten bis hohen Blütendeckungen. Während 2019 23 Wildbienenarten erfasst wurden, erhöhte sich die Zahl auf 39 im Jahr 2021. Darunter waren 2019 lediglich 6 und 2021 schon 12 Rote-Liste- Arten. Besonders bemerkenswert ist das Vorkommen von auf Kreuzblütler spezialisierten Wildbienenarten wie zum Beispiel der Glänzenden Riefensandbiene (Andrena nitidula). Sie ist bundesweit sehr selten, scheint aber in Rheinhessen einen Schwerpunkt ihrer Verbreitung in Deutschland zu haben.2,3 Mai-Langhornbiene Eucera nigrescens (Foto: Mirja Neff) N Projektfläche Mit autochthonem Saatgut mit über 100 Blumenarten angelegte Wiese (Heumulchverfahren), u. a. mit Echtem Labkraut, Wiesenschafgarbe, Hunds- zunge und Oregano) Natürliche Niststrukturen, Totholz Verbesserung der Niststrukturen durch einen Nisthügel für im Boden nistende Wildbienenarten Verbesserung der Niststrukturen durch eine Nisthilfe für oberirdisch nistende Wildbienenarten Junge Hochstammbäume, v. a. Apfel 20 und Pfirsich, alte Sorten m 1 Schönhofer 2021 Aufbau der Projektfläche 2 Burger 2019 3 Burger 2022 in Wintersheim Modellprojekt in Wintersheim 15
eltene Wildbienenarten in der rheinhessischen Agrarlandschaft Rheinhessen ist ein interessanter Lebensraum für Wildbienen und im Rahmen des Projektes „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen“ wurden echte Raritäten (wieder-)entdeckt. Weibchen der Großen Spiralhornbiene Systropha planidens (Foto: Ursula Gönner) Große Spiralhornbiene (Systropha planidens) Mehrere Individuen dieser sehr seltenen und nur vereinzelt im Süden Deutsch- lands vorkommenden Art1 wurden auf der Modellfläche in Westhofen erfasst. Die Große Spiralhornbiene ist eine Charakterart der Weinbaugebiete Rheinhes- sens und der Vorderpfalz: Neben schütter bewachsenen Lössböschungen als Nistplatz benötigt sie die Acker-Winde (Convolvulus arvensis) als Pollenquelle.2 Förderungsmöglichkeiten: Erhaltung von unbefestigten Erdwegen, Lössböschungen und offenen Bodenstellen an Weinbergsrändern, Förderung der Acker-Winde als wichtigste Pollenquelle! Grubenhummel (Bombus subterraneus) Die Grubenhummel wurde nach 64 Jahren in Rheinland-Pfalz erstmals wieder- entdeckt: Auf der Modellfläche in Grolsheim! Bis dato galt sie in Rheinland- Pfalz als ausgestorben. Ein weiterer Fund gelang wenige Zeit später in Mut- terstadt.3 Als Lebensräume dienen strukturreiche Landschaften mit Hecken und extensiv genutzten Wiesen. Sie nistet in unterirdischen Hohlräumen, z. B. in ehemaligen Mäusenestern und nutzt Kleearten als bevorzugte Nahrungsquelle. Wenn die Königinnen dieser Art Ende April mit dem Nestbau beginnen, sind viele geeignete Nistplätze schon durch früh im Jahr aktive Hummelarten be- setzt. Ein eingeschränktes Blütenangebot befördert die Konkurrenz und er- schwert die Fortpflanzung zusätzlich.4 Förderungsmöglichkeiten: Die Ausbreitung dieser Art kann durch Schaffung eines großen Nahrungsangebotes (z. B. Rotklee5) und Erhaltung von Niststrukturen (unterirdische Mäusenester) ermöglicht werden. 1, 5 Westrich 2018 2 Burger 2019 3, 4 Burger 2021 16 Seltene Wildbienenarten …
Weitere Informationen zur Grubenhummel und dem Wiederfund nach 64 Jah- ren im Pollichia-Kurier, Jahrgang 37, Heft 3: Burger, R. (2021): Wiederfunde der Grubenhummel Bombus subterraneus (Linnaeus 1758) in Rheinland-Pfalz nach 64 Jahren. POLLICHIA-Kurier 37 (3) 20-22. https://www.pollichia.de/images/ Pollichia-Kurier_37_3.pdf Luzerne-Graubiene (Rhophitoides canus) Diese seltene, wärmeliebende Rote-Liste-Art wurde auf der Modellfläche in Grolsheim entdeckt.6 Sie nistet in lehmigem oder sandigem Boden, einzeln oder in größeren Kolonien. Hauptpollenquelle ist die Luzerne.7 Förderungsmöglichkeiten: Bei der Anlage von Blühstreifen oder der Begrünung von Flächen sollte darauf geachtet werden, dass Luzerne im Saatgut vorhanden ist. Wicken-Langhornbiene (Eucera interrupta) Diese Wildbienenart breitet sich aktuell in der Rheinebene aus, vermutlich in Folge steigender Temperaturen. Die Rote-Liste-Art wurde auf den Modell- flächen in Westhofen und in Ingelheim entdeckt. Als Pollenquelle ist sie auf Blühwiesen Schmetterlingsblütler spezialisiert und nutzt aufgrund ihrer späten Flugzeit vor (Fotos: Michael Leukam) allem blaue Wicken.8 Sie nistet in selbstgegrabenen Gängen im Boden.9 Glatte Langkopf-Schmalbiene (Lasioglossum clypeare) Diese Wildbienenart ist bundesweit stark gefährdet, in RLP gilt sie als „vom Aussterben bedroht“. Sie besiedelt warme Lagen und hat ihren Verbrei- tungsschwerpunkt in Deutschland in der Rheinebene. Sie ist auf den Mo- dellflächen in Westhofen und in Pfeddersheim sowohl 2019 als auch 2021 nachgewiesen worden. Als Pollenquelle bevorzugt sie die Schwarznessel. Ihre Nester legt sie im Boden an lückig bewachsenen Böschungen an.10 Glänzende Riefensandbiene (Andrena nitidula) Diese extrem seltene Art ist 2021 auf den Modellflächen in Mainz-Bretzen- heim, in Mainz-Ebersheim und in Wintersheim nachgewiesen worden. Sie ist auf (kleinblütige) Kreuzblütler spezialisiert. In Wintersheim profitiert sie von den großen Vorkommen von Hirtentäschel und Färberwaid. Die Wildbiene legt ihre Nester im Boden an.11 6, 8, 10, 11 Burger 2022 7, 9 Westrich 2018 Seltene Wildbienenarten … 17
rfahrungen und Herausforderungen Das Projekt „Blühendes Rheinhessen“ war ein voller Erfolg. Es wurdenBlüh- flächen angelegt, die Strukturvielfalt in der Landschaft erhöht, Öffent- lichkeit geschaffen und Kooperationen zwischen Land wirt*innen und Umweltschützer*innen initiiert, die auch nach dem Projektende weiterbe- stehen. Das Projekt zeigt aber auch, welche Herausforderungen noch zu bewältigen sind. Zuallererst muss sich die Landwirtschaft ändern. Das, was wir heute mühsam mit Projekten wiedererlangen wollen, nämlich eine gesunde Kulturlandschaft, die reich an natürlichen Strukturen sowie an Tier- und Pflanzenarten ist, hat die Landwirtschaft früher ganz nebenbei produziert. Immer wirksamere Agrargifte, zahlreiche Flurbereinigungen und eine immer effizientere Bodenbearbeitung haben zu einemRückgang der Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten in der Agrarlandschaft geführt. Nisthügel Doch es gibt Hoffnung: Immer mehr Landwirt*innen wollen etwas für die Bio- (Foto: Tatjana Schneckenburger) diversität tun, sie wissen oft nur nicht wie. Es fehlt an professioneller Beratung und dem richtigen Einsatz von Fördermitteln. Zudem stehen sie unter einem hohen Ertrags- und Kostendruck, der das Wirtschaften mit der Natur erschwert oder gar unmöglich macht. Kenntnisse über (produktionsintegrierte) Natur schutzmaßnahmen müssen außerdem auf den Lehrplan bei der Ausbildung von Landwirt*innen und Winzer*innen. Ehrenamtliche Wildbienenbotschafter*innen können diese Lücken nicht schließen. Die Modellprojekte haben viele wertvolle Erfahrungen gebracht. Eindeutiges Fazit: Wenn ein vielfältiges Nahrungsangebot geschaffen wird und unter- schiedliche Nistmöglichkeiten in der Nähe vorhanden sind, dann steigt nicht nur die Zahl der Wildbienen-Individuen, sondern auch die Artenvielfalt. Selbst extrem seltene Arten können sich dann einfinden. Ein Schlüssel dafür sind hei- mische Pflanzen, denn sehr viele Bienen haben sich im Laufe der Evolution auf bestimmte Nahrungs- und Pollenquellen spezialisiert. Doch heimische Pflanzen gibt es immer weniger – vielesind selbst vom Aussterben bedroht. Doch was wird staatlich gefördert? Immer die gleichen monotonen Mischungen von Saaten aus Nordamerika, Asien oder dem Mittelmeerraum. Sonnenblumen, Phacelia und Inkarnat-Klee bieten den Allesfressern unter den BienenNahrung, nicht aber den bedrohten Spezialist*innen. Wie aber lassen sich unsere Wildpflanzen fördern? Warum nicht einfach einmal Spontanbegrünung zulassen und seltener eingreifen. Oftmals schlummern Samen über viele Jahre im Boden und warten nur darauf, wachsen zu dürfen. Bringt 18 Erfahrungen und Herausforderungen
dies nicht den gewünschten Erfolg, weil die Samenbank im Boden über Jahr- zehnte hinweg verarmt ist, dann ist die Begrünung mit Heu von Naturschutz- flächen das Nonplusultra. Damit werden nicht nur Samen übertragen, sondern auch Pilze, Einzeller, Flechten, Moose und Insekten. Ergänzt werden kann dies durch die Aussaat von Samen bereits etablierter Wiesen aus der Umgebung. Erst wenn diese Möglichkeiten nicht vorhanden sind, sollte man auf gekauftes, zertifiziertes sowie gebietsheimisches Saatgut ausweichen. Ein No-Go ist Billig saatgut aus dem Landwirtschaftshandel. Damit schleppt man fremdländische Pflanzenarten ein, mit allen negativen Folgen. Werden die angelegten Blühflä- chen richtig und langfristig gepflegt, wird man mit einer unglaublichen Arten- Pflege Lössböschung fülle belohnt. (Foto: Michael Leukam) Was hat sich noch bewährt? ►► Blühangebote von Frühling bis Herbst schaffen und somit für ein ganzjähriges Nahrungsangebot sorgen ►► Nur etwa zweimal im Jahr mähen (1. Schnitt Mitte Juni, 2. Schnitt Anfang September) ►► Gestaffeltes Mähen, Inseln über Winter stehen lassen ►► Mähen und Heu abtragen ist besser als mulchen ►► Totholzhaufen aufschichten ►► Trockenmauern oder Steinhaufen erhalten oder neu errichten ►► Nisthügel aus ungewaschenem Sand mit hohem Anteil Tonmineralen bauen (6 m Länge, 1,5 m Höhe, 2–3 m Breite) ►► Lösshänge mähen und freistellen ►► Offene Bodenstellen schaffen ►► Geeignete Insektennisthilfen aufstellen, die den fachlichen Ansprüchen entsprechen ►► Hecken erhalten und neu pflanzen ►► Verzicht auf Dünger und Pestizide Graukresse Berteroa incana (Foto: Jens Müller) Erfahrungen und Herausforderungen 19
nhang Tab. 6: Wildbienenweide „Larro“ Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Wildpflanzen Kulturpflanzen Gewöhnliche Scharfgarbe Achillea millefolium Schnittlauch Allium schoenoprasum Schwarznessel Ballota nigra s.l. Dill Anethum graveolens Winterkresse Barbarea vulgaris s.str. Färberkamille Anthemis tinctoria Graukresse Berteroa incana Borretsch Borago officinalis Kornblume Centaurea cyanus Schwarzer Senf Brassica nigra Wiesen-Flockenblume Centaurea jacea s.str. Gemüsekohl Brassica oleracea Skabiosen-Flockenblume Centaurea scabiosa s.str. Leindotter Camelina sativa Gemeine Wegwarte Cichorium intybus Echter Koriander Coriandrum sativum Gemeiner Wirbeldorst Clinopodium vulgare Färber-Resede, Färber-Wau Reseda luteola Wilde Möhre Daucus carota Echtes Herzgespann Leonurus cardiaca Gewöhnlicher Natternkopf Echium vulgare Radieschen Raphanus sativus Tüpfel-Johanniskraut Hypericum perforatum Weißer Senf Sinapis alba Gewöhnliches Ferkelkraut Hypochaeris radicata Inkarnat-Klee Trifolium incarnatum Wiesen-Witwenblume Knautia arvensis Futterwicke Vicia sativa Fettwiesen-Margerite Leucanthemum ircutianum Luzerne Medicago sativa Gwöhnlicher Hornklee Lotus corniculatus Gewöhnlicher Blutweide- Lythrum salicaria Diese Samenmischung wurde von BUND-Wildbienenbot rich schafter Jean Sebastien Larro gezielt nach Ansprüchen von Moschus-Malve Malva moschata Wildbienen zusammen mit Experten von Rieger-Hofmann konzipiert und zusammengesetzt. Sie kostet etwa 100 €/kg Wilder Majoran Origanum vulgare (Stand: 04/2020 bei Rieger-Hofmann: www.rieger-hof- Klatsch-Mohn Papaver rhoeas mann.de) Gewöhnliches Bitterkraut Picris hieracioides s.l. Silber-Fingerkraut Potentilla argentea Gewöhnliche Braunelle Prunella vulgaris Wiesen-Salbei Salvia pratensis Rainfarn Tanacetum vulgare Hasen-Klee Trifolium arvense Schwarze Königskerze Verbascum nigrum 20 Anhang
iteratur Burger 2019 Burger, R. (2019): Wildbienenuntersuchung 2019, Auftraggeber: BUND RLP, Projekt „Blü- hendes Rheinhessen - Wein, Weizen, Wildbienen“ Burger 2022 Burger, R. (2022): Wildbienenuntersuchung 2021 - Endbericht, Auftraggeber: BUND RLP, Projekt „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen“ Burger 2021 Burger, R. (2021): Wiederfunde der Grubenhummel Bombus subterraneus (Linnaeus 1758) in Rheinland-Pfalz nach 64 Jahren. POLLICHIA-Kurier 37 (3) 20-22. https://www.pollichia.de/ images/Pollichia-Kurier_37_3.pdf; Stand: 31.12.2021 Kompetenzzentrum Kompetenzzentrum Wildbienen gGmbH (2021): Kontinuierliche Aktualisierung Wildbienen der Checkliste der Wildbienen Deutschlands (Anthophila). https://www.Wildbienenzentrum.de/projekte/forschung/, Stand: 28.02.2022 Westrich et al. 2011 Westrich, P.; Frommer, U.; Mandery, K.; Riemann, H.; Ruhnke, H.; Saure, C. & Voith, J. (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Bienen (Hymenoptera, Apidae) Deutschlands Schönhofer 2019 Schönhofer, A. (2019): Floristische Kartierung zum Projekt „Wein, Weizen, Wildbienen“, BUND 2019 Schönhofer 2021 Schönhofer, A. (2021): Floristische Kartierung zum Projekt „Wein, Weizen, Wildbienen“, BUND 2021 Westrich 2018 Westrich, P. (2018): Die Wildbienen Deutschlands. Eugen Ulmer Zurbuchen & Müller 2012 Zurbuchen, A. & Müller, A. (2012): Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis. Zürich. Bristol-Stiftung. Bern, Stuttgart, Wien, Haupt Große Salbei- Schöterich-Mauerbiene Schmalbiene Osmia brevicornis Lasioglossum xanthopus (Foto: Ursula Gönner) (Foto: Mirja Neff) Literatur 21
inks Wildbienen-Seite des BUND Rheinland-Pfalz: https://www.bund-rlp.de/Wildbienen Nisthilfen-Flyer: https://www.bund-rlp.de/nisthilfenflyer https://www.Wildbienen.info/artenschutz/nisthilfen_01.php Aktion Grün: https://aktion-gruen.de/ UN-Dekade Biologische Vielfalt: https://www.undekade-biologischevielfalt.de/ Nisthilfe, Blühfläche und Steinhaufen für Wildbienen (Foto: Jens Müller) Im Erdboden nistende Wildbiene (Foto: Tatjana Schneckenburger) Einsaat Blühmischung (Foto: Michael Leukam) 22 Links
pendenkonto BUND-Spendenkonto: Voksbank Alzey-Worms eG IBAN: DE50 5509 1200 0001 5591 92 BIC: GENODE61AZY Bitte Betreff „Wildbienen“ angeben, danke! Es blüht für Wildbienen (Foto: Elke Goldschmidt) Spendenkonto 23
mpressum Herausgeber: BUND Landesverband Rheinland-Pfalz e. V. Hindenburgplatz 3 55118 Mainz www.bund-rlp.de Wildbienen@bund-rlp.de V.i.S.d.P.: Sabine Yacoub Texte: Mareike Rest, Alexandra Stevens, Michael Leukam, Mirja Neff Redaktion: Alexandra Stevens Bildnachweise Titelseite: Garten-Blattschneiderbiene Megachile willughbiella (Foto: Mirja Neff) Rebzeilenbegrünung (Foto: Michael Leukam) Einsaat Blühmischung (Foto: Daniel Schuhmacher) Layout & Corporate Design: Heidi Weibel Druck: Druckerei Lokay, Gedruckt auf 100 % Recycling-Papier, Auflage 500 Mainz, im März 2022 Diese Broschüre wurde im Rahmen des BUND-Projektes „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen“ erstellt, das vom Ministerium für Klimaschutz, Um- welt, Energie und Mobilität im Rahmen der Aktion Grün gefördert wird. Das BUND-Projekt „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen“ wurde 2019 als Projekt „UN-Dekade Biologische Vielfalt“ ausgezeichnet. Diese Aus- zeichnung wird an vorbildliche Projekte verliehen, die sich in besonderer Weise für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland einsetzen. 24 Impressum
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