Bild? Einfach miteinander leben - Leben mit dem Lesch-Nyhan-Syndrom Ein neues Gesicht für die Elterngruppen - Lebenshilfe Berlin

 
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Bild? Einfach miteinander leben - Leben mit dem Lesch-Nyhan-Syndrom Ein neues Gesicht für die Elterngruppen - Lebenshilfe Berlin
43. Jahrgang
                                                                       #6/2021

Einfach miteinander leben
Leben mit dem         Ein neues Gesicht für   Reisen – eine Auszeit
Lesch-Nyhan-Syndrom   die Elterngruppen       mit dem FED

                                                                            Magazin für Mitglieder des Lebenshilfe Berlin e.V. | lebenshilfe-berlin.de
                            Bild?
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INHALT | EDITORIAL

                                                               Mehr Inklusion in
                                                                der Kinder- und
                                                                    Jugendhilfe
                                                                              Seite 8

                                                                                         8
                                                                                        Mattes liebt Meer
                                                                                        und Wellen
                                                                                        Seite 11

    4                                                       11
                             Willkommen im                     Selbstvertreterin
    13                       Leben                             Christine Drielich
                             Seite 13                              stellt sich vor
                                                                            Seite 15

                                                                                         15

                                                           die geleistete Arbeit. Frau Eichner wird Frau Ackermei-
                                                           er einarbeiten und anschließend neue Aufgaben in den
                                                           Beratungsdiensten übernehmen.

                     Liebe Leserin,                        Sorgen bereitet uns nach wie vor die Pandemie. Die
                                                           Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert die Solidarität
                     lieber Leser,                         aller Bürger:innen und eine allgemeine Impfpflicht. Nur
                                                           sie könne den bestmöglichen Schutz für die vulnerablen
Weihnachten ist das Fest der Familie, und Familie steht    Gruppen leisten und einen neuerlichen Ausschluss von
auch im Mittelpunkt der aktuellen Emil-Ausgabe. Fami-      gesellschaftlicher Teilhabe behinderter Menschen wie
lie hat einen hohen Stellenwert für die Lebenshilfe Ber-   in der ersten Welle verhindern. Außerdem fordert die
lin. Mehr als drei Viertel unserer Mitglieder sind Ange-   Lebenshilfe eine umgehende Auffrischungsimpfung für
hörige behinderter Menschen. Daher hat der Vorstand        Menschen mit Behinderung und die Beschäftigten in
entschieden, die Angehörigengruppen und die Eltern-        den Einrichtungen. In Berlin bemühen wir uns aktuell
und Familienberatung wieder näher an den Verein zu         darum, dass die Klient:innen in den Wohnstätten durch
binden. Wir freuen uns, die Rehabilitationspädagogin       mobile Impfteams geboostert werden.
Andrea Ackermeier für diese Arbeit gewonnen zu ha-         Dass die Lebenshilfe Berlin bisher gut durch die Co-
ben, und bedanken uns bei Kathrin Eichner herzlich für     ronakrise gekommen ist, haben wir der besonnenen

2                                                                                                      Emil #6/2021
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BRANDHEISS

TITEL                                                       Berliner Koalitionsvertrag bleibt
  4 Leben mit dem Lesch-Nyhan-Syndrom                       hinter Erwartungen zurück
  6 Einfach erklärt
                                                            Im Koalitionsvertrag hat die neue Regierungskoalition
ZU RECHT                                                    ihre wichtigsten Themen für die nächsten fünf Jahre ge-
 8 Inklusive Jugendhilfe                                    regelt. Die Partner bekennen sich zum Ziel einer inklu-
                                                            siven Stadt. In vielen Bereichen werden die Bedürfnisse
AUS DER LEBENSHILFE                                         von Menschen mit Behinderungen, deren Unterstützer
 9 Neues Gesicht für die Elterngruppen                      und Angehörigen erwähnt. Besonderer Wert soll auf
                                                            die Einbeziehung der Menschen mit Behinderungen
ENGAGEMENT                                                  und deren Organisationen gelegt werden.
10 Vertretung für Angehörige                                Im Bereich Stadtentwicklung, Bauen und Mieten soll die
10 Bezirksteilhabebeiräte                                   Zahl barrierearmer Wohnungen deutlich erhöht werden.
                                                            Der Zugang zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt für
FAMILIE                                                     Menschen mit Behinderungen soll verbessert werden,
                                                            die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wei-
11 Reisen mit dem FED                                       terentwickelt und Mitarbeitende besser vergütet.
HANDVERLESEN                                                Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes wird weiter
                                                            vorangetrieben. Berichterstattungen im Teilhabever-
12 Unsere Tipps für Sie                                     fahren werden vereinheitlicht, die Teilhabefachdienste
KOLUMNE                                                     weiter qualifiziert und serviceorientierter aufgestellt.
                                                            Ab 2022 soll eine Strategiekonferenz Inklusion und Ein-
13 Willkommen im Leben                                      gliederungshilfe aufgelegt werden. Die Einrichtung ei-
BERLIN LIVE                                                 ner unabhängigen Ombudsstelle für Streitigkeiten bei
                                                            der Gesamtplanung wird geprüft.
14 Termine                                                  Die Mobilität für Menschen mit Behinderung soll durch
14 Impressum                                                Ausbau und Förderprogramme vom öffentlichen Nahver-
                                                            kehr bis zum Sonderfahrdienst vorangebracht werden.
UNSERE STIMME ZÄHLT                                         Der Abbau von Barrieren im Bereich Gesundheit ist
15 Selbstvertreterin Christine Drielich                     ebenso geplant, wie die Stärkung pflegender Angehöri-
                                                            ger. Zur Umsetzung des Wohnteilhabegesetzes soll die
                                                            Heimaufsicht gestärkt werden.
                                                            Nicht nur im Hinblick auf die in 2023 in Berlin stattfin-
                                                            denden Special Olympics sollen inklusive Sportange-
                                                            bote vor allem im Breitensport unterstützt werden.
                                                            Die kulturelle Teilhabe soll durch inklusive Angebote
                                                            und Ticketermäßigungen ermöglicht werden.
Führung der Leitungskräfte und insbesondere den Mit-        Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, deren Fa-
arbeitenden vor Ort zu verdanken. Unter hohem per-          milien und Pflegefamilien werden gestärkt. Auch hier
sönlichen Einsatz halten sie seit mehr als 1 ½ Jahren für   soll die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ge-
die Klient:innen so viel Normalität wie möglich aufrecht.   sichert werden. Alle Schultypen sollen zur inklusiven
                                                            Schule weiterentwickelt werden. Dazu werden Ausstat-
Im Namen meiner Vorstandskolleg:innen danke ich al-         tung, multiprofessionelle Teams und erleichterte Bera-
len Mitarbeitenden für ihr Engagement und allen Mit-        tungsmöglichkeiten sichergestellt.
gliedern für ihre Treue zum Lebenshilfe-Verein. Wir         Die Verwaltung soll beschleunigt und bürgernäher aus-
wünschen Ihnen ein schönes Weihnachtsfest, ein gutes        gebaut werden.
neues Jahr und vor allem Gesundheit.                        Aus Sicht der Menschen mit Behinderung ist dem Ko-
                                                            alitionsvertrag wenig Neues zu entnehmen. Viele der
Ihr                                                         genannten Maßnahmen sind bereits heute Gesetz, eine
                                                            Umsetzung also Verpflichtung. Die Umsetzung ande-
                                                            rer Vorhaben wird zunächst lediglich geprüft. Umso
                                                            wichtiger ist die Wahrnehmung der Interessen von
                                                            Menschen mit Behinderungen – die Lebenshilfe Berlin
Ihr Ludger Gröting                                          bleibt am Ball!                            Daniel Fischer

Emil #6/2021                                                                                                        3
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TITEL

Kleines Detail mit großer Wirkung
In Felix Weisheimers Erbgut ist etwas anders. Deshalb hat er den Zwang, sich selbst
zu verletzen. Ihn zu schützen und ihm ein glückliches Leben zu ermöglichen – den
Balanceakt vollziehen seine Eltern täglich.

                                                                                      Felix ist ein
                                                                                      Sonnenschein.

Als Katja Weisheimers Sohn Felix 2012 zur Welt kam, hat-        den Kontakt zu der Familie. Dafür sind sie ihm bis heu-
te sie schon einen 14-jährigen Sohn, Moritz. Sie spielte        te dankbar: „Wir haben von der Familie so viel erfah-
mit ihrem Baby, wie sie es mit seinem Bruder getan hat-         ren und gelernt“, betonen beide. „Die Familie lebt nicht
te. Sie habe Felix sein Füßchen in den Mund gesteckt,           mehr in Berlin, aber wir stehen in engem Kontakt und
erinnert sie sich, doch dann habe er sich richtig fest-         sind außerdem in einer WhatsApp-Gruppe mit Eltern
gebissen: „Ich bekam einen riesigen Schreck!“ Damals            von Jungs mit Lesch-Nyhan-Syndrom.“ Die Familien le-
wussten die Eltern noch nichts von Felix’ Gendefekt.            ben über ganz Deutschland verteilt.
                                                                LNS tritt extrem selten auf. Der zugrundeliegende
Der lange Weg zur Diagnose                                      Gendefekt befindet sich auf dem X-Chromosom. Da er
Schon früh fiel Felix‘ Eltern auf, dass er sich nicht wie       rezessiv vererbt wird, sind fast ausschließlich Jungen
erwartet entwickelte: „Mit vier Monaten konnte er sein          betroffen, Mädchen tragen den Gendefekt nur ganz
Köpfchen nicht richtig halten.“ Die Kinderärztin empfahl        selten in sich. So auch Katja Weisheimer. Sie ließ sich
Physiogymnastik, aber es wurde nicht besser. Nach lan-          gleich nach Felix’ Diagnose testen. Die erste Zeit sei
ger Wartezeit bekam die Familie einen Termin im SPZ             sehr schwer gewesen, berichtet sie. In die Situation hät-
Friedrichshain. Schon bald sei ein Arzt aus dem SPZ             ten sie erst hineinfinden müssen. Sie habe viel im Inter-
Neukölln dazugekommen, so die Eltern. Er habe sich              net gelesen, aber das Wissen um schreckliche Verläufe
kurz Felix’ Füßchen angeschaut: Der Junge habe das              habe ihnen nicht gutgetan, erzählt sie. Auf Bitten ihres
Lesch-Nyhan-Syndrom (LNS). „Ich war richtig sauer“, er-         Mannes hin, habe sie damit aufgehört.
innert sich Katja Weisheimer, „wie konnte er es wagen!
Er hatte Felix ja gar nicht richtig angesehen.“ Als das         Felix in seinem Zuhause
ärztliche Personal aber feststellte, dass in Felix’ Blut viel   An einem Sonntag lernen wir Felix kennen. Als wir das
zu viel Harnsäure war, wurde ein Gentest gemacht. Der           Haus betreten, erwartet er uns im Flur. Er strampelt la-
Test bestätigte die Diagnose.                                   chend mit Armen und Beinen. Mit seinem Strahlen er-
                                                                obert er uns gleich. Felix sitzt angeschnallt in seinem
Die Familie findet sich in die Situation ein                    Therapiestuhl, dahinter sein Vater Antonio Weisheimer.
Jener Arzt aus dem SPZ Neukölln betreute bereits                Im Wohnzimmer baut Vater Antonio das Mensch-
einen Jungen mit LNS. Er vermittelt den Weisheimers             ärgere-dich-nicht-Spiel auf, während die Mutter Felix an

4                                                                                                             Emil #6/2021
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TITEL

den Tisch fährt und mit einem Hebel per Fußtritt den          Felix’ Manschetten sitzen während des Spielens weni-
Sitz auf die richtige Höhe senkt. Felix liebt Brettspiele,    ger fest. Immer wieder wandert eine prüfende Hand
besonders gern kickt er die Spielfiguren seiner Eltern        von Vater oder Mutter zu ihnen. „Es ist schwer, Felix sei-
heraus. Die Zahlen und Rechnen kann er, allerdings            nen Freiraum zu nehmen, ihn mit Polstern, Schnallen
kann er nur mithilfe seiner Eltern würfeln. Seine Figuren     und Manschetten einzuengen“, erklärt sein Vater, „aber
bewegt sein Vater, was Felix mit Argusaugen bewacht.          es geht nicht anders.“ Er wolle selbst den Schutz, sonst
Felix’ Spielfiguren sind blau. Blau ist seine Lieblingsfar-   werde er unruhig. Die Eltern erzählen von den riskan-
be, Hertha-Blau, Hertha ist sein Lieblingsverein. Auch        ten Autofahrten. Verrutschen die Manschetten, müss-
die anderen Spielfiguren sind Fußball-Mannschaften            ten sie aussteigen und nach hinten laufen. Jeden Tag
zugeordnet.                                                   fahren sie Felix zur Schule und holen ihn wieder ab. Er
Felix spricht in Silben, manchmal fügt er sie nach einer      geht in die dritte Klasse der Karl von Linné-Schule.
Pause zu Wörtern zusammen. Sein Bruder Moritz ist
„Mo“. An beiden Armen trägt Felix Manschetten, die sei-       Schulfreundschaften
ne Arme gestreckt halten, damit er seine Hände nicht          In seiner Klasse ist Felix glücklich. Auf die Frage, ob ihm
zum Mund führen kann. Denn er würde sie hineinste-            die Woche oder das Wochenende lieber sei, antwortet
cken und zubeißen, ohne wieder loslassen zu können.           er prompt: „Woche!“. In seiner Klasse ist sein Freund Ju-
Immer wieder überkommt ihn der Zwang, sich selbst zu          stin, außerdem sind da noch Lilly und Emilie. Aber Felix
verletzen. Manche Kinder mit LNS tragen Beißschienen,         wird schon um 15 Uhr abgeholt, da endet seine Schul-
manchen mussten sogar alle Zähne gezogen werden.              betreuung. Die Schulassistentin wurde ihm eigentlich
Felix beißt glücklicherweise weder in seine Zunge noch        nur für fünf Wochenstunden bewilligt. Aber wegen Co-
in seine Backentaschen. „Allerdings hat er Narben an          rona sind andere Schüler:innen nicht da, deren Stun-
seinen Oberarmen,“ berichtet seine Mutter. „Dorthin           den darf sie für Felix einsetzen. Gerade die Schulnach-
gelangt er nachts, wenn die Manschetten verrutschen.“         mittage liebt er: kein Unterricht mehr, dafür Spielen mit
Seine Eltern packen ihn daher nachts gut ein. Katja           seinen Freunden.
Weisheimer holt Neopren- und Stoffmodelle. „Die hat           In Felix’ Zimmer hängen Fotos seiner Schulfreunde. Vor
sich mein Mann ausgedacht. Durch sie ist schon lange          allem aber fallen die vielen Fußballbücher und -zeit-
nichts mehr passiert.“                                        schriften auf. Mit der Neuesten setzen wir uns auf den

Emil #6/2021                                                                                                            5
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Fußboden. Noch kann Antonio Weisheimer seinen Sohn
aus dem Stuhl heben. Beide sitzen oder liegen gern auf
einer Matte und schauen sich gemeinsam Zeitschriften
an: Papa hält das Heft, Felix guckt sich die Seiten an.
Er ist ein wandelndes Fußballlexikon, er weiß genau, in
welcher Mannschaft wer Fußball spielt.

Dream-Team „Brüder“
Bruder Moritz kommt herein, an ihm vorbei flitzt Lil-
ly, eine junge Cockerspaniel-Hündin, die an uns hoch-
springt und kaum zu beruhigen ist. Felix lacht und
strahlt über das Energiebündel. Seine Mutter legt ihm
Leckerlies in die Hand, die Lilly sofort wieder stibitzt.
Moritz wohnt im Haus gegenüber. Das bietet Nähe und
zugleich Abstand. Jeden Samstagnachmittag ist er da,         Kinder wie Felix wären toll. Das Gefühl, alleingelassen
die beiden Brüder haben ein gemeinsames Hobby: Fuß-          zu sein, überkommt Familie Weisheimer immer wieder.
ball-Bundesliga-Spiele anschauen. „Die beiden sind ein       Seit dem Sommer liegt der Antrag auf mehr Schulbe-
Dream-Team“, meint ihre Mama lächelnd.                       gleitung beim Amt. „Jetzt haben wir November“, stellen
                                                             sie fest, „Felix’ fünf Wochenstunden reichen absolut
Gemeinsam den Alltag meistern                                nicht aus.“ Er brauche für alle Schulstunden Begleitung.
Die Eltern möchten Moritz nicht mit Babysitten bei Felix     Zusammen mit der Rechtsberatung der Lebenshilfe
überlasten: „Einen Nachmittag in der Woche, an dem           Berlin hat Familie Weisheimer deshalb vor Kurzem ei-
jemand für Felix kommt und ihn betreut, das wäre toll.“      nen Eilantrag gestellt. Und endlich haben sie Erfolg. Die
Sie haben Aushänge am Schwarzen Brett der Uni ge-            Freude ist groß, denn Schule bedeutet für Felix nicht
macht, leider erfolglos. Als Paar kämen sie leider viel zu   nur lernen, sondern auch teilhaben und Freundschaft
kurz. „Darum würden wir uns freuen, wenn sich jemand         erleben.
meldet, der bei uns zu Hause mit Felix spielt.“              Und was ist mit Felix Zukunft? Daran, sagen die Eltern,
Seit ein paar Jahren macht die Mutter mit Felix Ur-          denken sie noch nicht. Sie hielten sich lieber an das,
laub im Kinderhospiz. Dazu habe sie sich lange nicht         was gerade ist. Felix‘ Vater ergänzt: „Wir leben seit neun
durchringen können, gesteht sie. Wie soll man Urlaub         Jahren mit diesem Syndrom. Wir haben gelernt, mit
machen, wo andere Kinder sterben? Aber nur im Hospiz         Felix keine Pläne zu schmieden, sondern alles Tag für
wird Felix rundum betreut, sodass seine Eltern auch mal      Tag auf uns zukommen zu lassen. Und damit leben wir
zu zweit etwas unternehmen können. Soziale Teilhabe          bisher sehr gut.“
vermissen Felix‘ Eltern am meisten, mehr Angebote für                                Text: Ina Beyer / Fotos: Dennis Lenz

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TITEL | EINFACH ERKLÄRT

Felix braucht immer Schutz

Felix Weisheimer ist 9 Jahre alt.
Ein Gen ist bei Felix ein kleines bisschen anders.
Die Gene sind das Erb·gut eines Menschen.
Dieses andere Gen hat für Felix große Auswirkungen:
Felix verspürt immer wieder einen Zwang.
Dann muss er sich selbst wehtun.
Zum Beispiel stecken sich seine Finger wie von selbst in den Mund.
Dann beißt er zu und kann lange nicht wieder loslassen.
Das tut ihm sehr weh.

Seine Eltern versuchen ihn deshalb zu schützen.
Er trägt Polster an den Armen.
Darin sind feste Stangen.
Dazu sagt man: Manschetten.
Wegen der Manschetten kann er seine Arme nicht beugen.
Und deshalb kann er seine Hände nicht in den Mund stecken.
Wenn Felix so gesichert ist, geht es ihm gut.

Er spielt gerne Brett-Spiele mit seinen Eltern.
Sein größtes Hobby ist Fußball.
Jeden Samstag guckt er mit seinem Bruder Moritz Fußball.
Die beiden sind ein super Team.

Auch in die Schule geht Felix sehr gern.
In seiner Klasse ist sein bester Freund.
Manchmal treffen sie sich auch am Wochen·ende.
Aber immer muss ein Eltern-Teil dabei sein.
Damit sich Felix nicht wehtut.

Familie Weisheimer hat für mehr Schul-Begleitung gekämpft.
Denn er braucht für die ganze Schul·zeit Begleitung.
Dann kann er auch länger in der Schule bleiben.
Und am Nachmittag mit seinen Freunden zusammen sein.

Text: Ina Beyer / Fotos: Dennis Lenz

Emil #6/2021                                                                               7
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ZU RECHT

Mehr Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe
Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) wurde im Frühjahr 2021 nach
einem mehrjährigen Prozess unter Beteiligung von Betroffenen, Interessenverbänden
und zahlreichen anderen Akteuren der Jugendhilfe verabschiedet.

Verbesserter Kinderschutz                                  Selbstvertretung
Einrichtungen werden künftig stärker kontrolliert und      Durch das KJSG soll die Selbstvertretung in der Jugend-
beaufsichtigt. Bei Kindeswohlgefährdungen und Kin-         hilfe gestärkt werden. So arbeitet die Jugendhilfe mit
derschutzmeldungen arbeiten verschiedenste Akteure         selbstorganisierten Zusammenschlüssen von Jugend-
verbindlich zusammen. Melden Ärzt:innen und Päda-          lichen oder anderen Leistungsempfänger zusammen
gog:innen einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung,         und fördert diese. Diese Zusammenschlüsse können
erhalten sie künftig Rückmeldungen und können Bera-        auch in Jugendhilfeausschüssen vertreten sein. Einzel-
tungen in Anspruch nehmen. Um Belangen junger Men-         heiten dazu müssen auf Landesebene noch definiert
schen mit Behinderungen besonders Rechnung zu tra-         werden.
gen, besteht in diesen Fällen ein Anspruch auf Beratung
durch eine erfahrene Fachkraft.                            Wechsel besser begleiten
Zum Wohl von Kindern kann ein dauerhafter Verbleib         Überleitungen bei Zuständigkeitswechseln vom Träger
von Kindern in Pflegefamilien durch das Familiengericht    der Jugendhilfe zur Eingliederungshilfe sollen recht-
angeordnet werden.                                         zeitig geplant und begleitet werden. Bis 2028 werden
                                                           zur Beratung von Eltern von Kindern mit Behinderung
Unterstützung und Beratung                                 Verfahrenslotsen als Ansprechpartner beim Jugendamt
Familien mit Unterstützungsbedarf sollen verstärkt prä-    geschaffen.
ventive Hilfen angeboten werden. Auch vermitteln Om-
budsstellen bei Konflikten zwischen jungen Menschen        Weitere Umsetzung bis 2028
und deren Familien mit dem Träger der Jugendhilfe.         Die aktuell getrennte Zuständigkeit für Kinder ohne
Junge Menschen können einen Anspruch auf Beratung          Behinderung oder mit seelischen Behinderung (SGB
ohne Kenntnis der Sorgeberechtigten haben.                 VIII) und Kindern mit körperlicher oder geistiger Be-
                                                           hinderung (SGB IX) soll bis 2028 überwunden werden.
Kostenbeteiligung                                          Zuständig soll dann für alle Kinder und Jugendlichen
Die Kostenbeteiligung junger Menschen in der Jugend-       der Träger der Jugendhilfe sein. Dazu hat der künftige
hilfe wird deutlich verbessert. Einkommen aus Ferien-      Gesetzgeber den Auftrag, ein entsprechendes Gesetz
jobs und Ehrenamt sind anrechnungsfrei. Für Einkom-        bis zum 1.1.2027 zu verabschieden. Dies ist nicht als
men aus Schülerjobs, Praktika und Ausbildung gibt es       Verpflichtung zu sehen, daher bleibt die Umsetzung im
einen Freibetrag bis 150 €. Der Kostenbeitrag für Ein-     Einzelnen abzuwarten. Die Lebenshilfe wird diesen Pro-
kommen darüber beträgt 25 %. Die Forderung vieler          zess kritisch begleiten.
Interessenverbände nach kompletter Abschaffung der
Kostenbeiträge für junge Menschen konnte noch nicht        Die meisten Änderungen traten am 10. Juni 2021 in
erreicht werden.                                           Kraft.
Die Kostenbeteiligung für Eltern wurde durch das KJSG
nicht geändert.
                                                                                                     Wencke Pohle
Inklusivere Kinder- und Jugendhilfe
Die gleichberechtigte Teilhabe junger Menschen mit
Behinderung soll gestärkt werden. Neben einer Anpas-
sung des Behinderungsbegriffs sieht das Gesetz inklusi-
vere Angebote in der Jugendhilfe vor. Sie sollen Kindern
und Jugendliche mit und ohne Behinderung gleichbe-
rechtigt offenstehen. Ebenfalls besteht ein Anspruch
auf Beratung in verständlicher, nachvollziehbarer und
wahrnehmbarer Form. Dies umfasst auch eine Bera-
tung in leichter Sprache.

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AUS DER LEBENSHILFE

Herzlich willkommen Andrea Ackermeier!

Im Januar beginnt die Rehabilitationspädagogin
Andrea Ackermeier in der Eltern- und Familien-
beratung und wird künftig die Elterngruppen
begleiten. Damit ein fließender Übergang gelingt,
wird sie kollegial eingearbeitet durch Kathrin
Eichner, die anschließend neue Aufgaben in den
Beratungsdiensten übernimmt.

Ein guter Arbeitstag beginnt mit                           Inklusion bedeutet für mich
einem guten Start in den Tag und einer Kanne Tee.          „Bisher war es wichtig, dass jeder, der anders ist, die
                                                           gleichen Rechte hat. In Zukunft wird es wichtig sein,
Meine Aufgaben sind                                        dass jeder das gleiche Recht hat, anders zu sein"
die Beratung, Begleitung und (Vermittlung von) Unter-      (Patrick W. de Klerk).
stützung für alle Mitglieder einer Familie, zu denen ein
Mensch mit Beeinträchtigung(en) gehört.                    Familien mit behinderten Angehörigen
Ich würde es mir gerne zur Aufgabe machen, die Bera-       sind in erster Linie einfach Familien. Dazu haben sie
tung durch Betroffene zu stärken. Und in der Öffentlich-   noch ein Mitglied mit etwas ungewöhnlichen Stärken
keitsarbeit das Angebot an Hilfen und Unterstützungen      und Schwächen. Das kann manches anders machen
viel breiter bekannt zu machen.                            und andere Wege zum Ziel erfordern.

Ich bin dafür die Richtige, weil                           Ein perfektes Wochenende
ich seit über zwanzig Jahren mit besonderen Kindern/       ist sonnig, entspannt und warm. Außerdem unter-
Jugendlichen und ihren Familien arbeite. Dabei habe ich    nehme ich was mit meinen Hunden und Freunden
unterschiedlichste Erfahrungen gemacht/miterlebt, die      (nicht unbedingt gleichzeitig ).
ich gut einbringen kann.
Außerdem habe ich eine riesige Neugierde auf unter-        An der Lebenshilfe gefällt mir
schiedlichste Menschen .                                   dass sie (auf Wunsch) vom Ungeborenen bis zum
                                                           Seniorenalter mit Rat und Tat an der Seite der Familien
Die erste Zeit wird                                        ist.
interessant, anstrengend und eine große Bereicherung
mit vielen neuen Eindrücken.

                                                                    So erreichen Sie Frau Ackermeier:
                                                                    Telefon 030 82 99 98 103
                                                                    efb@lebenshilfe-berlin.de

Emil #6/2021                                                                                                     9
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ENGAGEMENT

Eine starke Vertretung für Eltern und Angehörige
Die Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung beschloss am 16. Oktober 2021,
den Bundeselternrat in Rat der Eltern und Angehörigen umzubenennen. Vertreterin
der Lebenshilfe Berlin ist seit 2016 die zweite Vorsitzende Ivonne Kanter.

Die Lebenshilfe ist Elternverein und Selbsthilfeorgani-   Gewinnung neuer Mitglieder durch bessere Beratung
sation der Menschen mit Beeinträchtigung. Der Ange-       sowie der Stärkung des Ehrenamts, um Eltern ein
hörigenrat berät die Gremien der Bundesvereinigung        Engagement zu ermöglichen. Außerdem nahm der Rat
aus der Perspektive von Eltern und Angehörigen. Jeder     an den Regionalkonferenzen teil, um die Lebenshilfe
Landesverband entsendet eine von der Mitgliederver-       zukunftsfest zu machen.
sammlung gewählte Vertretung in den Rat. Der Rat ist      In 2020 und 2021 standen die Belastungen durch die
im Bundesvorstand vertreten und hat damit direkten        Pandemie stark im Vordergrund. Im Rat ging es um die
Einfluss auf die Verbandspolitik. Die Umbenennung er-     Situation von Familien, Müttern und Alleinerziehenden,
folgte, weil sich zunehmend Geschwister behinderter       die Impfung von Menschen mit Behinderung und von
Menschen in der Lebenshilfe engagieren. Ivonne Kanter     Angehörigen als Kontaktpersonen, der Bildungssituati-
hat als Vertreterin mit dem jüngsten Angehörigen ins-     on von Kindern mit Beeinträchtigung sowie der Digitali-
besondere die Anliegen von Familien mit Kindern und       sierung als Chance für mehr Teilhabe.
Jugendlichen im Blick.                                    Anfang Dezember wurde Ivonne Kanter zur stellvertre-
Der Rat beschäftigt sich mit einem breiten The-           tenden Vorsitzenden des Rats gewählt. Mit ihrer Arbeit
menspektrum: z.B. der Reform der Kinder- und Jugend-      im Rat gibt sie auch starke Impulse für die Lebens-
hilfe, Übergang Schule – Beruf, Wohnen und soziale        hilfe Berlin. So möchte sie die Selbsthilfe von Eltern wie-
Teilhabe, Angehörigenbeiräte in Wohn- und Werkstät-       der stärken und mit der neuen Elternberaterin Andrea
ten, erwachsene Geschwister, Begleitete Elternschaft,     Ackermeier Konzepte für den Einsatz von Eltern als
Gewaltprävention, medizinische Versorgung, Assi-          Peer-Berater:innen entwickeln.
stenz im Krankenhaus, Selbstvertretung, Migration, die                                                 Daniel Fischer

Machen Sie mit im Bezirksteilhabebeirat!
Beteiligungsmöglichkeiten in den Bezirken bieten die Beiräte für Menschen
mit Behinderung und seit dem 1.1.2020 die Teilhabebeiräte.

Gemäß des Berliner Teilhabegesetzes sollen die zwölf      fenenvertretungen. In der Regel besteht ein Bezirks-
Berliner Bezirke bezirkliche Teilhabebeiräte gründen,     teilhabebeirat aus 12 Mitgliedern. Die Beiräte tagen
jedoch kommen die Gründungen nur schleppend vo-           mindestens zweimal im Jahr. Pro Bezirk werden vier Trä-
ran. Die Bezirksteilhabebeiräte haben ähnliche Aufga-     gervertreter:innen sowie vier Vertreter:innen der Men-
ben wie der Landesteilhabebeirat – nur auf Bezirkse-      schen mit Behinderung – also Betroffene selbst oder
bene. Sie sollen Benachteiligungen von Menschen mit       Angehörige – gesucht. Nur gemeinsam mit Betroffenen-
Beeinträchtigungen im Sinne des Bundesteilhabege-         vertretungen können sog. strukturelle Probleme bei
setzes erkennen und die gleichberechtigte Teilhabe am     der Umsetzung des Bundesteihabegesetzes erkannt
gesellschaftlichen Leben fördern. Sie sind Impulsgeber    und daraus Konsequenzen abgeleitet werden.
für die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe im      Wenn Sie Interesse an einer Mitarbeit in Ihrem Bezirk-
Bezirk, sind beratend tätig gegenüber Leistungsträgern    steilhabebeirat haben, wenden Sie sich bitte an Ihre/n
und -erbringern und formulieren Handlungsempfeh-          bezirklichen Behindertenbeauftragte/n. Fragen beant-
lungen.                                                   wortet Ihnen auch gern Christiane Müller-Zurek
Dem Bezirksteilhabebeirat gehören bezirkliche Ver-        (christiane.mueller-zurek@lebenshilfe-berlin.de oder
tretungen des sog. leistungsrechtlichen Dreiecks an,      030. 82 99 98-181).
Leistungsträger, Leistungserbringende und Betrof-                                                   Ludger Gröting

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FAMILIE

Mattes liebt Meer und Wellen
Für Mattes‘ Mutter ist es sehr beruhigend, dass ihr Sohn auf einer 14-tägigen
Sommerreise an die Ostsee durch seinen vertrauten Einzelfallhelfer begleitet wurde.
Der FED hat das möglich gemacht.

Auf Reisen braucht Mattes nicht viel, um glücklich zu
sein. Er liebt Sand und den Strand. Die Wellen können
ihm gar nicht hoch genug sein. Er sei mit sich selbst
glücklich und müsse nicht beschäftigt werden, erzählt
sein Einzelfallhelfer Felix Kubach. Wenn ihm jemand
einen Luftballon aufblase oder wenn er abends unter
dem Sternenhimmel stehe und seine Musik hören kön-
ne, sei Mattes zufrieden.
Der 20-Jährige ist Autist. Er spricht wenig und undeut-
lich, hat jedoch ein gutes Sprachverständnis. Ihm sei
bewusst, dass er sich nicht gut verständigen könne, be-
richtet seine Mutter. Um ihn zu verstehen, müsse man
Mattes gut kennen. Fühlt er sich unverstanden, ziehe
er sich frustriert zurück. Dann könne es auch zu Au-
toaggressionen kommen. Von sich aus baut Mattes kei-
ne Kontakte auf. Er braucht vertraute Bezugspersonen,
die als Dolmetscher zwischen den Welten agieren, sei-     Mattes im Kontakt
ne Rituale kennen, wissen, was ihm wichtig ist und ihm    Neben Mattes betreute Felix Kubach in diesem Jahr
Stabilität geben, so Stephanie Loos.                      auch einen jungen Mann mit Asperger-Autismus. Der
Für Mattes war es die dritte Reise mit dem FED. Seine     habe einen großen Wortschatz, spreche jedoch sehr
erste Reise ging ins Berliner Umland. Die große Hürde     leise und teile sich am liebsten per WhatsApp mit, be-
war für seine Mutter, dass ein fremder Betreuer nicht     richtet Kubach. Er erkannte, dass Mattes ebenfalls Au-
in Frage kam. Sie war sehr froh, dass der FED auf ihren   tist ist, und war sehr interessiert, wie Mattes „ticke“.
Wunsch, den Einzelfallhelfer einzubinden, flexibel rea-   „Seine Vermutungen hat er mir per WhatsApp geschrie-
gierte. Felix Kubach kennt Mattes schon seit 2014 und     ben, auch wenn wir nebeneinander saßen“, sagt Ku-
weiß genau, was er braucht.                               bach schmunzelnd. Von einem Mitreisenden mit Down-
                                                          Syndrom konnte Mattes zulassen, dass dieser seine
                                                          heißgeliebten Kopfhörer aufsetzte, und beide hätten
   Reiseprogramm 2022                                     sogar Händchen gehalten.

   Erstmalig gibt es ein Programm für Kinder und          Gegenseitiges Vertrauen
   Jugendliche und ein Programm für Erwachsene.           Stephanie Loos weiß ihren Sohn auf der Reise in guten
   Sie erhalten es über fed@lebenshilfe-berlin.de         Händen: „Ich kann dann auch mal Urlaub machen und
   oder Telefon 030. 60 00 00 - 0                         muss nicht ständig nachfragen, wie es ihm geht.“ Ihr rei-
                                                          che ab und zu ein Foto per WhatsApp. Bei etwas Gra-
   Auf unserer Website finden Sie es ab                   vierendem melde sich Felix Kubach bei ihr. Bei dieser
   Weihnachten: www.lebenshilfe-berlin.de                 Reise sei das jedoch nicht vorgekommen. „Wenn Mattes
                                                          nicht nach Mama fragt, geht’s ihm richtig gut“, meint Ku-
                                                          bach. Für jeden Reiseteilnehmer gab es zum Abschluss
                                                          ein Fotobuch – eine schöne Erinnerung für Mattes und
                                                          für seine Mutter die Möglichkeit, mit ihm über die Reise
                                                          zu sprechen.
                                                          Mattes‘ nächste Reise soll auf jeden Fall wieder an
                                                          die Ostsee gehen, und Felix Kubach wird als Begleiter
                                                          dabei sein.
                                                                    Text: Christiane Müller-Zurek / Foto: Felix Kubach

Emil #6/2021                                                                                                        11
HANDVERLESEN

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               aus gelesen werden. Die Geschichten eines Geschwisterpaars
               treffen sich in der Mitte und zeigen jeweils den Alltag und die
               Gefühle der beiden. Für das Gespräch in der Familie oder Kita
               behandelt das Buch auf kindgerechte Weise den Umgang, die
               Vorurteile und den Alltag mit einer Behinderung.
               Epubli | ISBN 978-3-753135-49-6 |20 €

               Das Prader Willi Syndrom
               Eine unabhängige Broschüre der Prader-Willi-Syndrom Ver-
               einigung Deutschland informiert Eltern auf 40 Seiten über
               die Grundlagen dieses seltenen Syndroms. Das Heft sowie
               weitere Informationsbroschüren (auch in Leichter Sprache!)
               finden Sie unter
               prader-willi.de

               Isabelles Kochbuch für alle
               Kochen leichtgemacht in einfacher Sprache und mit vielen
               Bildern: Der 2. Band von Isabelles Kochbüchern enthält Rezepte
               mit Kartoffeln und Nudeln. Er kostet 10 € zuzüglich Versand-
               kosten. Die Einnahmen gehen an die Lebenshilfe Reutlingen.
               Zu bestellen über christiane.boelzle@t-online.de.

               „Wie kann ich was bewegen?“
               Der bekannte Inklusionsaktivist Ràul Krauthausen und der
               Politikwissenschaftler Benjamin Schwarz ermutigen zu eigenem
               Engagement, um politische, soziale und ökologische Ziele zu
               erreichen. Für ihr Buch „Wie kann ich was bewegen – die Kunst
               des konstruktiven Aktivismus“ sprachen sie mit 16 der bekann-
               testen Aktivist:innen Deutschlands.
               Verlag Edition Körber | ISBN: 978-3-89684-291-6 | 18,00 €

               Berliner Ratgeber Inklusion
               Die Ausgabe 2021/2022 des erfolgreichen Ratgebers enthält
               Informationen über Unterstützungsleistungen und Hilfen in
               allen Lebensbereichen. Es gibt den Ratgeber auch auf CD als       Illustration
               Hörversion und in Leichter Sprache. Herausgeber: Landesamt        AlexHliv – Shutterstock
                                                                                 und c’ursprung
               für Gesundheit und Soziales | www.berlin.de

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KOLUMNE

Willkommen im Leben
Der umstrittene Bluttest auf Trisomien ist jetzt Kassenleistung. Wir brauchen
mehr Botschafter für ein gutes Leben mit Down-Syndrom, empfiehlt unsere
Kolumnistin Christiane Müller-Zurek.

Bei Familienfeiern ist Sohn 2 immer voll in seinem
Element und entfaltet jedes Mal eine regelrechte
Charme-Offensive. Beim letzten runden Geburts-
tag begrüßte er in blauem Anzug und weißem
Hemd alle Gäste und machte lässig Smalltalk. Auf
ihm völlig Unbekannte zu zugehen, fällt ihm we-
sentlich leichter als seinen Brüdern, die ein Chro-
mosom weniger besitzen.
Ein junges Paar beobachtete Sohn 2 sehr inte-
ressiert. Nennen wir sie Laura und Paul. Im Laufe
des Abends kamen wir miteinander ins Gespräch.
Laura erzählte, sie sei im 6. Monat schwanger und
erwarte ein Baby mit Down-Syndrom. Sie und
Paul hatten tausend Fragen.
Die erste: „Hat er ein Hungergefühl?“ Sohn 2 pen-
delte zwischen dem Tisch und dem Buffet hin und
her und hatte sich gerade die zweite Portion Ti-        Inklusionsaktivistin Nathalie Dedreux sogar weit
ramisu gegönnt. Bevor ich etwas sagen konnte,           mehr als 11.000. Der Berliner Sebastian Urbanski
beantwortete Paul seine Frage selbst: „Er sieht         wurde im Oktober mit überwältigender Mehrheit
ja sportlich aus und ist richtig schlank.“ „Wie ge-     wieder in den Bundesvorstand der Lebenshilfe
hen die Brüder miteinander um?“ Laura fiel auf,         gewählt.
dass Sohn 1 und Sohn 2 die gleichen Fliegen und         Gut, Sohn 2 ist weder Schauspieler noch Influen-
Einstecktücher trugen. Sohn 1 hatte sie besorgt.        cer oder Politiker. Aber anscheinend brauchen
Das Eis war gebrochen, und wir plauderten wie           werdende Eltern nicht unbedingt Prominente mit
alte Bekannte. „Wo wohnt er?“ „Wo arbeitet er?“         Down-Syndrom als Beispiel. Unsere ganz durch-
„Wie war das mit Kita und Schule?“ Bei dieser Fra-      schnittlichen Söhne und Töchter und ein Famili-
ge klinkte sich Lauras Schwägerin ein, die mit am       enleben, in dem alle ihren Platz haben, können
Tisch saß. Sie ist Kitaleiterin und sagte: „Also, den   Mut machen. Wir alle sind Botschafter.
Kitaplatz habt ihr sicher!“                             Lauras Tochter soll ein Weihnachtsbaby werden.
„Eigentlich bin ich froh, dass ich es vorher weiß“,     Zum Abschied umarmten Laura und Paul Sohn 2.
meinte Laura. So könnten sie sich besser auf alles      Ich wünschte ihnen alles Gute. Laura sah mich an
einstellen. Paul ist als Unternehmensberater viel       und sagte: „Ich liebe mein kleines Mädchen doch
unterwegs. Er will beruflich kürzertreten und Lau-      jetzt schon!“ Ganz klar eine Botschafterin für ein
ra unterstützen, wenn das Baby da ist. Was Laura        gutes Leben mit Down-Syndrom!
richtig genervt hat, war die Reaktion ihrer Ärztin:
„Diese Kinder sind doch immer so lustig.“ Einfühl-                          Bild: Eleonora_os / Shutterstock
sam geht anders!
Noch nie waren in der Öffentlichkeit und den
Medien so viele Menschen mit Down-Syndrom
präsent. Immer häufiger sehe ich Kinder und Er-
wachsene ganz beiläufig in Werbespots. Schau-
spielerinnen und Schauspieler mit Down-Syndrom
wie die Münchnerin Luisa Wöllisch gehören nicht
nur inklusiven Theaterensembles an, sondern
treten auch in Hauptrollen großer TV-Produkti-          Wenn Sie auch Geschichten aus dem Leben mit
onen auf. Dem deutschen Model Tamara Roeske             uns teilen möchten, schreiben Sie uns an
folgen bei Instagram über 7.000 Abonnenten, der         emil@lebenshilfe-berlin.de.

Emil #6/2021                                                                                                        13
BERLIN LIVE

Termine und Veranstaltungen

              Bis Frühjahr 2022
              Ausstellung Wunschkind
              Unser Titelbild ist Teil der Ausstellung „Wunschkind“. Der Foto-
              graf Klaus Heymach hat Familien porträtiert, die sich bewusst für
              ein Kind mit Behinderung entschieden haben.
              3. Etage der Geschäftsstelle der Lebenshilfe Berlin.
              Anmeldung unter 030. 82 99 98-159.

              Bis April 2022
              „Un certain regard“ – Kunstausstellung im Humboldt Forum
              Eine Ausstellung in der Ausstellung: Klient:innen der Kunstwerk-
              statt Kreuzberg der Lebenshilfe Berlin präsentieren ihre Kunst
              im Rahmen der Ausstellung „Berlin Global“.
              Besuchszeiten 10 – 20 Uhr | dienstags Geschlossen

              10.02.2022   18 – 20 Uhr                                            Impressum
              Digitaler Infoabend: Mein Kind kommt in die Schule                  Emil –
              Rund um die Einschulung von Kindern mit Beeinträchtigung.           Einfach miteinander leben
              Mit Urs Zelle, Lebenshilfe in der Schule gGmbH.
                                                                                  Herausgeber
              Anmeldung unter efb@lebenshilfe-berlin.de                           Lebenshilfe Berlin e.V.
                                                                                  Heinrich-Heine-Straße 15
                                                                                  10179 Berlin

              24.02.2022   18 – 20 Uhr
                                                                                  Redaktion
              Angehörigenforum                                                    Daniel Fischer (verantw.)
              Der Vorstand lädt ein zum Austausch über das Bundes-                Ludger Gröting
              teilhabegesetz.                                                     Christiane Müller-Zurek

              Haus der Lebenshilfe | Dohnagestell 10 | 13351 Berlin               Titelfoto
              Anmeldung erforderlich unter                                        Klaus Heymach
              030. 82 99 98-124 oder sekretariat.ev@lebenshilfe-berlin.de
                                                                                  Leserpost an
                                                                                  emil@lebenshilfe-berlin.de

              02.07.2022   14 – 17 Uhr                                            Layout
              Mitgliederversammlung                                               c’ursprung |
                                                                                  design.digitale medien
              Termin bitte vormerken!
              Voraussichtlich im Haus der Lebenshilfe                             Herstellung
              Dohnagestell 10 | 13351 Berlin                                      Irina Hochstein
              Die Einladung geht allen Mitgliedern rechtzeitig per Post zu.
                                                                                  Bilder auf dieser Seite
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                                                                                  #2: David Permantier,
              Hinweis                                                             #3 + 6: Pixabay, #4: Stefan
              Präsenztermine stehen wegen Corona unter Vorbehalt und müs-         Albers / Lebenshilfe Bre-
                                                                                  men, #5: Susann Eckhardt
              sen je nach aktueller Lage abgesagt werden oder finden digital
              statt. Bitte informieren Sie sich vorab!                            Illustration
              Weitere Termine finden Sie unter www.lebenshilfe-berlin.de.         Christoph Kadur – Shutter-
                                                                                  stock

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UNSERE STIMME ZÄHLT

Selbstvertreterin Christine Drielich
stellt sich vor.

Christine Drielich lebt in Berlin.
Sie ist Selbstvertreterin und setzt sich
für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ein.

Sie ist:
• Mitglied im Verein Lebenshilfe Berlin.
• Mitglied im Berliner Rat der Lebenshilfe Berlin.
• Frauen·beauftragte an ihrem Arbeits·platz in der Werkstatt.
• Mitglied in der Projekt· gruppe „Das Internet ist für alle da!“

Christine Drielich unterstützt gerne Menschen
in verschiedenen Situationen.
Christine Dielich sagt:
„Gemeinsam kann man mehr erreichen!“

Frau Drielich, wofür setzen Sie sich ein?
„Ich setze mich ein für Teilhabe, Leichte Sprache,
Mitbestimmung und Barriere-Freiheit.“

Was möchten Sie verändern?
„Ich möchte, dass mehr in den Medien über Menschen mit
Beeinträchtigung berichtet wird.
Ich möchte, dass Menschen mit Beeinträchtigung mehr Chancen
auf dem ersten Arbeits·markt haben.“

Was konnten Sie schon verändern?
„Anderen Mut machen,
sich für die eigenen Rechte und Interessen einzusetzen.“

Was ist ihr Tipp für gute Selbstvertretung?
„Gute Zusammen·arbeit und immer wieder
die Rechte einfordern und nicht aufgeben.“
                                                                    Die Selbstvertretung in
Hier erreichen sie Christine Drielich:                              den sozialen Medien:
berliner.rat@lebenshilfe-berlin.de

Die Fragen stellte Burcu Yilmaz.

Emil #6/2021                                                                             15
Lebenshilfe Berlin e.V.

Spendenkonto:
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE54 100 205 00000 311 22 06
BIC: BFSWDE33BER

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Medien.

                                             Nur ein
                                     Kinderweihnachtswunsch?
                                Wenn unter Menschen dieser Erde,
                               stets Eintracht nur und Friede wäre,
                             wenn Straßenkinder ein Zuhause hätten,
                              schlafen könnten in gepflegten Betten,
                                wenn die Gebrechlichen gesunden,
                                  und heilen würden alle Wunden,
                               wenn Geld auch zu den Armen käme,
                               sich ändern würden manch Systeme,
                              wenn doch das Aus käm für Magnaten,
                                 die sinnlos gutes Geld verbraten,
                             wenn Luftverschmutzung hätt ein Ende,
                               und für Arbeitslose käm die Wende,
                             wenn es Soldaten nur als Spielzeug gäbe,
                               und alle Waffen wären Zuckerstäbe,
                                  dann wär die Welt das Paradies,
                                   wie es uns Gott einst überließ.
                                          © Horst Rehmann
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