Bildet Psychologie? Anregungen aus dem Lernen und Lehren von Psychologie - Stephan Dutke Wien, 4.4.2019

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Bildet Psychologie? Anregungen aus dem Lernen und Lehren von Psychologie - Stephan Dutke Wien, 4.4.2019
Bildet Psychologie?
            Anregungen aus dem Lernen und Lehren von Psychologie

            Stephan Dutke

            Wien, 4.4.2019

Stephan Dutke                      Folie 1
Bildet Psychologie? Anregungen aus dem Lernen und Lehren von Psychologie - Stephan Dutke Wien, 4.4.2019
… gebildet

Eine Person ist gebildet u. a., wenn sie Urteile bildet, die
          - relevant für die urteilende Person und/oder andere Personen,
          - wissensbasiert,
          - begründet,
          - reflektiert,
          - auf der Grundlage eigener kognitiver Prozesse reversibel sind
          - die urteilende Personen anderen kommunizieren kann

Stephan Dutke                                  Folie 2
… gebildet

Eine Person ist gebildet u. a., wenn sie Urteile bildet, die
          - relevant für die urteilende Person und/oder andere Personen,
          - wissensbasiert,
          - begründet,
          - reflektiert,
          - auf der Grundlage eigener kognitiver Prozesse reversibel sind
          - die urteilende Personen anderen kommunizieren kann

Stephan Dutke                                  Folie 3
… gebildet

Eine Person ist gebildet u. a., wenn sie Urteile bildet, die
          - relevant für die urteilende Person und/oder andere Personen,
          - wissensbasiert,
          - begründet,
          - reflektiert,
          - auf der Grundlage eigener kognitiver Prozesse reversibel sind
          - die urteilende Personen anderen kommunizieren kann

Stephan Dutke                                  Folie 4
… gebildet

Eine Person ist gebildet u. a., wenn sie Urteile bildet, die
          - relevant für die urteilende Person und/oder andere Personen,
          - wissensbasiert,              - den Grad der Begründetheit kennen
          - begründet,                   - den Weg zu diesem Urteil nachvollziehen können
                                         - Grenzen der eigenen Urteilsfähigkeit kennen
          - reflektiert,
          - auf der Grundlage eigener kognitiver Prozesse reversibel sind
          - die urteilende Personen anderen kommunizieren kann

Stephan Dutke                                  Folie 5
… gebildet

Eine Person ist gebildet u. a., wenn sie Urteile bildet, die
          - relevant für die urteilende Person und/oder andere Personen,
          - wissensbasiert,
          - begründet,
          - reflektiert,
          - auf der Grundlage eigener kognitiver Prozesse reversibel sind
          - die urteilende Personen anderen kommunizieren kann

Stephan Dutke                                  Folie 6
… gebildet

Eine Person ist gebildet u. a., wenn sie Urteile bildet, die
          - relevant für die urteilende Person und/oder andere Personen,
          - wissensbasiert,
          - begründet,
          - reflektiert,
          - auf der Grundlage eigener kognitiver Prozesse reversibel sind
          - die urteilende Personen anderen kommunizieren kann

Stephan Dutke                                  Folie 7
… gebildet

Eine Person ist gebildet u. a., wenn sie Urteile bildet, die
          - relevant für die urteilende Person und/oder andere Personen,
          - wissensbasiert,
          - begründet,
          - reflektiert,
          - auf der Grundlage eigener kognitiver Prozesse reversibel sind
          - die urteilende Personen anderen kommunizieren kann

                Wissen + Metawissen                              als Voraussetzung
                Kognitive + metakognitive Fähigkeiten

                                        Nelson & Narens (1990)
                                  Metcalfe & Shimamura (1994)

Stephan Dutke                                       Folie 8
Psychologie bildet

        Argument 1:
        Psychologie bildet, weil sie nützliches Wissen anbietet

Stephan Dutke                             Folie 9
Giving psychology away…

           … will create

           „a new and different public conception of what is humanly possible
           and humanly desirable”

                                                               Miller (1969)
                             Psychology as a means to promote human welfare

Stephan Dutke                             Folie 10
Psychological Literacy

   The psychologically literate citizen…

   •    applies “psychological principles to personal, social, and organizational
        issues in work, relationships, and the broader community”

   •    is “insightful and reflective about one’s own and other’s behaviour and
        mental processes”

                                                      McGovern et al. (2010, p. 11)

Stephan Dutke                              Folie 11
Psychological Literacy

                                       Board for the Advancement of
                                       Psychology in the Public Interest

                B.Sc. Psychology
                “… the majority of graduates will work in other professions where
                the skills developed during their study will be highly valued”
                                                                U Manchester (2019)

Stephan Dutke               Folie 12
Psychologie bildet

        Argument 1:
        Psychologie bildet, weil sie nützliches Wissen anbietet

Stephan Dutke                             Folie 13
… gebildet

Eine Person ist gebildet u. a., wenn sie Urteile bildet, die
          - relevant für die urteilende Person und/oder andere Personen,
          - wissensbasiert,
          - begründet,
          - reflektiert,
          - auf der Grundlage eigener kognitiver Prozesse reversibel sind
          - die urteilende Personen anderen kommunizieren kann

                Wissen + Metawissen                        als Voraussetzung
                Kognitive + metakognitive Fähigkeiten

Stephan Dutke                                  Folie 14
Psychologie bildet

        Argument 1:
        Psychologie bildet, weil sie nützliches Wissen anbietet

        Argument 2:
        Psychologie bildet, weil die Vermittlung von Psychologie kognitive
        Anforderungen an Lernende stellt, die Konsequenzen über die
        Verfügbarkeit psychologischen Wissens hinaus haben

Stephan Dutke                             Folie 15
Lehrrelevant Merkmale der Psychologie als Wissenschaft

                Dualität von Alltags- und Wissenschaftswissen
                Selbstbezug
                Multiperspektivität
                Operationalisierung theoretischer Begriffe
                Evidenz-basiertes Lehren (und Lernen)

Stephan Dutke                                 Folie 16
Merkmal 1: Dualität von Alltags- und Wissenschaftswissen

     Alltags- und Wissenschaftswissen beziehen sich auf den gleichen Gegenstand:
     menschliches Erleben und Verhalten

     Alltags- und Wissenschaftswissen können sich hinsichtlich der Form und der
     Inhalte unterscheiden (Tulis, 2018)

     Lehrrelevant:
     Balance zwischen Nutzung und Korrektur von im Alltag erworbenem Vorwissen

     Bildungsrelevant:
     • Akzeptieren und Bewerten wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher
       Informationsquellen
     • Revision von Urteilen in Abhängigkeit von dieser Bewertung

Stephan Dutke                              Folie 17
Lehrrelevant Merkmale der Psychologie als Wissenschaft

                Dualität von Alltags- und Wissenschaftswissen
                Selbstbezug
                Multiperspektivität
                Operationalisierung theoretischer Begriffe
                Evidenz-basiertes Lehren (und Lernen)

Stephan Dutke                                 Folie 18
Merkmal 2: Selbstbezug psychologischen Wissens

     Der wissenschaftliche Lerngegenstand hat potentiell Bezug zum Selbst des Lerners

     Rollenkonflikt zwischen dem Lernen
     • als Individuum
     • als Wissenschaftler/in

     Lehrrelevant:
     Balance zwischen
     • Wahrung von Distanz zum Lerngegenstand und
     • Nutzung des Selbstbezug zum Lerngegenstand für die Persönlichkeitsentwicklung

     Bildungsrelevant:
     Wechsel der Perspektiven zwischen den Rollen übt die Reflexion des eigenen Urteilens

Stephan Dutke                               Folie 19
Lehrrelevant Merkmale der Psychologie als Wissenschaft

                Dualität von Alltags- und Wissenschaftswissen
                Selbstbezug
                Multiperspektivität
                Operationalisierung theoretischer Begriffe
                Evidenz-basiertes Lehren (und Lernen)

Stephan Dutke                                 Folie 20
Merkmal 3: Multiperspektivität psychologischer Betrachtungen

     Die Fachsystematik der Psychologie ist daran ausgerichtet, den gleichen
     Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten

     Wissen über ein psychologisches Phänomen liegt in der Regel verteilt über
     unterschiedliche Subdisziplinen vor

     Lehrrelevant:
     Balance zwischen perspektivenspezifischer und multiperspektivischer Betrachtung

     Bildungsrelevant:
     Multiperspektivische Betrachtung innerhalb der Psychologie ist
     • ein Modell multiperspektivischer Betrachtung zwischen wissenschaftlichen
       Disziplinen
     • unvereinbar mit einem naiven Wissenschaftsverständnis

Stephan Dutke                               Folie 21
Lehrrelevant Merkmale der Psychologie als Wissenschaft

                Dualität von Alltags- und Wissenschaftswissen
                Selbstbezug
                Multiperspektivität
                Operationalisierung theoretischer Begriffe
                Evidenz-basiertes Lehren (und Lernen)

Stephan Dutke                                 Folie 22
Merkmal 4: das Operationalisierungsproblem

     Da die Psychologie (auch) eine empirisch arbeitende Wissenschaft ist, muss sie
     theoretische Begriffe operationalisieren

     Beobachtungsbegriffe indizieren Aspekte eines theoretischen Begriffs,
     beschreiben ihn aber nicht erschöpfend (Carnap, 1969)

     Lehrrelevant:
     Die Unterscheidung zwischen theoretischen Begriffen und ihren Operationalisierun-
     gen ist essentiell für das Verständnis psychologischer Untersuchungen

     Bildungsrelevant:
     Die Unterscheidung zwischen theoretischen Begriffen und Beobachtungsbegriffen ist
     eine Grundlage differenzierten und kritischen (wissenschaftlichen) Urteilens

Stephan Dutke                               Folie 23
Lehrrelevant Merkmale der Psychologie als Wissenschaft

                Dualität von Alltags- und Wissenschaftswissen
                Selbstbezug
                Multiperspektivität
                Operationalisierung theoretischer Begriffe
                Evidenz-basiertes Lehren (und Lernen)

Stephan Dutke                                 Folie 24
Merkmal 5: Evidenzbasiertes Lehren und Lernen

     Die Psychologie erforscht (u.a.) Lernprozesse und ihre Bedingungen

Stephan Dutke                               Folie 25
Merkmal 5: Evidenzbasiertes Lehren und Lernen

 Pashler et al. (2007)                Graesser et al. (2008)                                           Dunn et al. (2013)
 •   Space learning over time         •   Contiguity effects             •   Desirable difficulties    •   Testing effect
 •   Interleave worked examples       •   Perceptual-motor grounding     •   Manageable cognitive      •   Spaced learning
     with problem-solving exercise    •   Dual code and multimedia           load                      •   Metacognition
 •   Combine graphics with verbal         effects                        •   Segmentation principle    •   Writing to learn
     descriptions                     •   Testing effect                 •   Explanation effect        •   Interteaching
 •   Connect abstract and             •   Spacing effect                 •   Deep questions
     concrete representations         •   Exam expectations              •   Cognitive
 •   Use quizzing                     •   Generation effect                  disequilibrium
 •   Help students allocate study     •   Organization effect            •   Cognitive flexibility
     time effectively                 •   Coherence effect               •   Goldilocks principle
 •   Ask deep explanatory             •   Stories and example cases      •   Imperfect
     questions                        •   Multiple examples                  metacognition
                                      •   Feedback effects               •   Discovery learning
                                      •   Negative suggestion effects    •   Self-regulated learning
                                                                         •   Anchored learning
 Roediger & Pyc (2015)
 •    Distribution of material and
      practice                        Dunloski et al. (2013)
     •    Spacing
     •    Interleaving                •   Distributed practice
                                      •   Interleaved practice
 •   Continual assessment
                                      •   Practice testing
 •    Exaplanatory questioning        •   Elaborative interrogation
     •    Elaborative interrogation   •   Self-explanation
     •    Self explanation            •   …

Stephan Dutke                                                 Folie 26
Merkmal 5: Evidenzbasiertes Lehren und Lernen

     Die Psychologie erforscht (u.a.) Lernprozesse und ihre Bedingungen

    “The term evidence-based teaching refers to […] tools and techniques that
    have shown through rigorous experimentation to promote learning” (p. 5)

                                                                          Dunn (2013)

Stephan Dutke                               Folie 27
Merkmal 5: Evidenzbasiertes Lehren und Lernen

     Die Psychologie erforscht (u.a.) Lernprozesse und ihre Bedingungen

    “The term evidence-based teaching refers to […] tools and techniques that
    have shown through rigorous experimentation to promote learning” (p. 5)

                                                                          Dunn (2013)

     Lehrrelevant:
     Anwendung evidenz-basierten Lehrens und Lernens auch in der Psychologielehre

     Bildungsrelevant:
     • Verfügbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnis ≠ Implementation von Maßnahmen
       auf der Grundlage dieser Erkenntnis in einem Praxisfeld
     • Das Erleben dieses Widerspruchs fördert qualifiziertes Urteilen

Stephan Dutke                               Folie 28
Limitationen

     Die lehrrelevanten Merkmale der Psychologie stellen (jeweils einzeln betrachtet)
     keine Alleinstellungsmerkmale der Psychologie dar.

     Die Hypothese, die Berücksichtigung dieser Merkmale in der Psychologie-Lehre
     fördere Bildung, ist begründet aber nicht empirisch geprüft.

     Die empirische Evidenz dafür, dass die beschriebene lehrrelevanten Merkmale in
     der Psychologie-Lehre konsistent berücksichtig werden, ist unklar.

Stephan Dutke                               Folie 29
Konsequenzen

     Wünschenswert:

     Mehr Psychologieunterricht in
     allgemeinbildenden Schulen

     Systematischere Psychologielehre im Nebenfach

Stephan Dutke                             Folie 30
Literatur
     Bungard, W. (Hrsg.). (1996). Perspektiven der Psychologie. Eine Standortbestimmung. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
     Carnap, R. (1969). Einführung in die Philosphie der Naturwissenschaft. München: Nymphenburger Verlags-Handlung.
     Dunlosky, J., Rawson, K. A., Marsh, E. J., Nathan, M. J. & Willingham, D. T. (2013). Improving students' learning with effective learning
     techniques: Promising directions from cognitive and educational psychology. Psychological Science in the Public Interest, 14, 4–58.
     Dunn, D. S., Saville, B. K., Baker, S. C. & Marek, P. (2013). Evidence-based teaching: Tools and techniques that promote learning in the
     psychology classroom. Australian Journal of Psychology, 65, 5–13.
     Dutke, S., Bakker, H., Sokolová, L., Stuchlikova, I., Salvatore, S., & Papageorgi, I. (2018). Psychology curricula for non-psychologists? A framework
     recommended by the EFPA Board of Educational Affairs. Psychology Learning and Teaching. https://doi.org/10.1177/1475725718810929
     Graesser, A. C., Halpern, D. F. & Hakel, M. (2008). 25 principles of learning. Washington, DC: Task Force on Lifelong Learning at Work and at
     Home.
     Huber, O. (1987). Das psychologische Experiment: Eine Einführung. Bern: Huber.
     McGovern, T. V., Corey, L. A., Cranney, J., Dixon, W. E., Holmes, J. D., Kuebli, J. E. et al. (2010). Psychologically literate citizens. In D. F. Halpern
     (Hrsg.), Undergraduate education in psychology: Blueprint for the discipline’s future (S. 9–27). Washington D.C.: American Psychological
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     Metcalfe, J. & Shimamura, P. A. (Hrsg.). (1994). Metacognition. Knowing about knowing. Cambridge Mass: MIT Press.
     Miller, G. A. (1969). Psychology as a means of promoting human welfare. American Psychologist, 24, 1063–1075.
     Nelson, T. O. & Narens, L. (1990). Metamemory: A theoretical framework and some new findings. In G. H. Bower (Hrsg.), The Psychology of
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     Pashler, H., Bain, P. T., Bottge, B., Koedinger, K., McDaniel, M. & Metcalfe, J. (2007). Organizing instruction and study to improve student
     learning. Washington, DC: National Center for Education Research, Institute of Education Science, U.S., Department of Education.
     Roeder, U.-R. & Dutke, S. (2012). Psychologie: beliebt in der Schule. Report Psychologie, 10 / 2012, 414.
     Roediger, H. L. III & Pyc, M. A. (Dec, 2012). Inexpensive techniques to improve education: Applying cognitive psychology to enhance educational
     practice. Journal of Applied Research in Memory and Cognition, 1, 242–248. Verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1016/j.jarmac.2012.09.002
     Tulis, M. (2018). Da ist immer noch Luft drin! Zur Notwendigkeit einer didaktischen Konzeption kognitiver Umstrukturierungsprozesse im
     Psychologieunterricht. In M. Krämer, S. Preiser & K. Brusdeylins (Hrsg.), Psychologiedidaktik und Evaluation XII (S. 27–35). Aachen: Shaker
     Verlag.
     University of Manchester (2019). B. Sc. Psychology. (https://www.manchester.ac.uk/study/undergraduate/courses/2019/00653/bsc-
     psychology/careers/#course-profile)

Stephan Dutke                                                                    Folie 31
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