Politikbrief FRÜHLING 2021 | NR. 50 - Zurich Airport
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Politikbrief FRÜHLING 2021 | NR. 50 Editorial02 Hygiene, Testen und Impfen: Reisefreiheit mit umfassender Schutzkette wiedererlangen 03 Gastbeitrag: René Buholzer, CEO interpharma 06 CO2-Gesetz: Interview mit Stephan Widrig, CEO Flughafen Zürich AG 07 Flughafenglossar: Flugwegüberwachung 10 Verkehrsentwicklung11
Frühling 2021 | 02 EDITORIAL Geschätzte Leserinnen und Leser Es ist mir eine Freude, Ihnen diese Jubiläums- ausgabe präsentieren zu dürfen: Bereits zum 50. Mal informieren wir Sie in unserem Politikbrief über die Haltung der Flughafen Zürich AG zu aktuellen politischen Frage stellungen. Hätte mir jemand vorhergesagt, dass der Schwerpunkt der 50. Ausgabe Auswirkungen der Coronakrise noch jahre- eine Pandemie ist, ich hätte dieser Stimme lang spüren wird, finanzielle Mittel – ohne keinen Glauben geschenkt. Und selbst vor für das Klima einen Nutzen zu generieren. ein paar Monaten hätte ich nicht erwartet, Damit ist niemandem geholfen. Deshalb ist dass die bisher grösste Krise der Luftfahrt- der Bundesrat aufgefordert, die zweckge- branche so lange andauert. Wichtig ist, dass bundene Verwendung der Einnahmen aus der wir nun Szenarien entwickeln, um unseren Abgabe zur Förderung der Marktfähigkeit von Alltag wieder möglichst ohne Einschränkun- nachhaltigen Flugtreibstoffen mindestens in gen leben zu können. der CO2-Verordnung sicherzustellen. Nur so kann der CO2-Ausstoss im Luftverkehr direkt Obwohl nationale Abschottungsmassnah- an der Quelle reduziert werden. men bei einer globalen Pandemie jegliche Wirksamkeit verlieren und sich die konse- Die exportorientiere Schweizer Wirtschaft quente Anwendung von Schutzkonzepten in und unser Wirtschafts- und Forschungs- der Reisebranche bewährt hat, bleibt die standort werden auch in Zukunft auf eine Reisefreiheit selbst zwischen Ländern mit hervorragende globale Anbindung ange ähnlich hohem Ansteckungsrisiko nach wie wiesen sein. Dafür ist ein starker Luftfahrt- vor stark eingeschränkt. Der Schaden für die standort mit einem wettbewerbsfähigen auf den internationalen Austausch ange interkontinentalen Luftverkehrsdrehkreuz wiesene Schweizer Volkswirtschaft nimmt am Flughafen Zürich unerlässlich. Während weiter zu. Seitens Behörden braucht es des- der Pandemie wurde die tragende Rolle des halb dringend ein Umdenken in Bezug auf Flughafens bei der Gewährleistung der die Reiserestriktionen und eine umsichtige nationalen Versorgungssicherheit deutlich. Handhabung bei allen Verkehrsträgern. Der In seinem Gastbeitrag betont auch René Bundesrat muss Voraussetzungen für eine Buholzer, CEO interpharma, die Relevanz der Erholung des internationalen Reiseverkehrs Landesflughäfen für die Versorgung sowie schaffen – mit einem der Lage angepassten, die Anbindung der Schweiz und erläutert, verhältnismässigen und risikobasierten Ansatz. warum offene Grenzen und optimale grenz- Konkret muss die schrittweise Wiedererlan- überschreitende Warenflüsse auch in Zukunft gung der Reisefreiheit mit einer umfassenden von zentraler Bedeutung sein werden. Schutzkette, bestehend aus «Hygiene – Schutzmaske – Impfen – Testen – Tracing», Es ist uns ein wichtiges Anliegen, Ihnen ermöglicht werden. Unsere Überlegungen auch künftig die komplexen Zusammenhänge dazu finden Sie in diesem Politikbrief. zwischen Flughafenbetrieb, Politik, Wirt- schaft und Gesellschaft transparent und Auch bei der Bewältigung des Klimawan- faktenbasiert näher zu bringen. Wir würden dels – der langfristig grössten Herausfor uns deshalb freuen, Sie auch bei den nächs- derung – sind vernünftige und zielführende ten 50 Politikbriefen zu unserer geneigten Lösungsansätze gefragt. Das vorliegende Leserschaft zählen zu dürfen. CO2-Gesetz wird diesem Anspruch in meh- reren Punkten nicht gerecht, wie Stephan Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre. Widrig, CEO der Flughafen Zürich AG, im Interview erläutert. Unter anderem entzieht Joana Filippi die im Gesetz verankerte CO2-Flugticket Head Public Affairs abgabe der Luftfahrtbranche, welche die Flughafen Zürich AG
03 | Politikbrief Hygiene, Testen und Impfen: Reisefreiheit mit umfassender Schutzkette wiedererlangen Anstelle des bisherigen Fokus auf die Einschränkung des Reisens müssen bundesbehördliche Massnahmen auf eine hohe Reisefreiheit bei bestmöglichem Schutz vor Einschleppungs- und Ansteckungsrisiken abzielen. Der konsequente Einsatz von Schutzkonzepten sowie die Anerkennung von Impf- und Testnachweisen sind dabei zentral. Bundesrat und Behörden sind aufgefordert, den Abbau der geltenden Reiserestriktionen und deren internationale Harmonisierung voranzutreiben. Die wirtschaftlichen Schäden durch Reiserestriktionen wie bestätigen Studien des European Center for Disease Quarantäneregeln gehen weit über die Luftfahrtbranche Prevention and Control (ECDC), wonach es keine nachvoll hinaus und stehen in keinem Verhältnis zu ihrer Wirksamkeit. ziehbaren Gründe für strengere Reisebeschränkungen Neben der Reise- und Tourismusindustrie sind auch die für den Luftverkehr im Vergleich zu den anderen Verkehrs Schweizer Exportwirtschaft sowie der Schweizer Wirtschafts- trägern gibt 1. Gemäss Empfehlung des ECDC sei auf standort generell auf einen regen internationalen Austausch die Anordnung von Quarantänen und systematischen Tests angewiesen. Auf regulatorischer Ebene braucht es daher für Flugreisende zu verzichten bzw. nur unter bestimmten dringend ein Umdenken, das auf einer umsichtigen Abwä- Umständen zurückzugreifen. Daher ist eine umsichtige gung rund um die Einreisebestimmungen basiert. Handhabung, wie sie der Bundesrat bei der Bahn bereits seit Längerem pflegt, auch beim Luftverkehr angezeigt. Verhältnismässige Massnahmen auch beim Luftverkehr Im Luftverkehr besteht kein höheres Ansteckungs- und Einschleppungsrisiko als bei anderen Verkehrsträgern. Dies FORDERUNGEN FÜR DIE WIEDERERLANGUNG DER REISEFREIHEIT Die geltenden Reisebeschränkungen müssen abgebaut werden, um eine schrittweise Erholung des internationalen Reiseverkehrs auf Grundlage eines risikobasierten, der Lage angepassten Ansatzes zu ermöglichen. Konkret sind die Voraussetzungen für die Wiedererlangung der Reisefreiheit wie folgt zu schaffen: 1. Keine Quarantäne zwischen Ländern mit ähnlichem Ansteckungsrisiko Zwischen Ländern mit ähnlicher epidemiologischer Lage muss das Reisen ohne Einschränkungen möglich sein. 2. Hindernisfreies Reisen für geimpfte Personen Es dürfen keine Reisebeschränkungen für Personen gelten, die einen behördlich ausgestellten Impfnachweis (elektronisch oder in Papierform) vorweisen können. Dabei ist eine internationale Harmonisierung der Nachweise anzustreben. 3. Testing-Strategie statt Quarantäne Sind aufgrund der medizinischen Lage Reisebeschränkungen notwendig, muss ein negativer Coronatest zur Aufhebung der Einreisequarantäne berechtigen. Auch hier ist eine zumindest europaweite Harmonisierung nach Vorbild des «EU Testing Protocol for Travel» (EU-TPT) voranzutreiben. 4. Zulassung von Antigentests Für den Nachweis, dass keine Coronainfektion vorliegt, müssen statt der PCR-Tests auch die günstigeren, schneller durchführbaren und in ausreichenden Mengen verfügbaren Antigentests zugelassen werden. 5.Aufhebung Einreiseverbot für Drittstaatenangehörige Für ein Einreiseverbot bzw. eine Quarantäne darf nur noch die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) geführte Liste «Staaten und Gebiete mit erhöhtem Ansteckungsrisiko» massgebend sein. 6. Konsequente Schutzkonzepte Handhygiene, Schutzmasken und die Erfassung der Personalien der Flugreisenden haben sich im Reiseprozess bewährt und bleiben langfristig wichtig. 7. Reisefreiheit dank «Hygiene – Schutzmaske – Impfen – Testen – Tracing» Mit dieser umfassenden Schutzkette wird der bestmögliche Schutz vor Einschleppungs- und Ansteckungsrisiken geschaffen. 1 uidelines for covid-19 testing and quarantine of air travellers, European Center for Disease Prevention and Control / European Unisan Aviation Safety Agency, G 2. Dezember 2020, www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/guidelines-covid-19-testing-and-quarantine-air-travellers
Frühling 2021 | 04 Reisefreiheit zwischen Ländern mit ähnlichem zu den PCR-Tests sind diese Schnelltests drei bis vier Mal Ansteckungsrisiko günstiger und das Testresultat liegt bereits nach kurzer Zeit vor. Einzig in der Anfangsphase können nationale Abschottungs- Die Zulassung von Antigentests für den anerkannten Nachweis massnahmen in wenig betroffenen Regionen zur Verlangsa- ist für eine effiziente Testing-Strategie zentral und würde die mung der Ausbreitung des Virus beitragen. Bei einer globalen Verfügbarkeit der benötigten Testkapazitäten im Reiseprozess Pandemie verlieren sie jedoch jegliche Wirksamkeit, was deutlich erhöhen. angesichts des massiven wirtschaftlichen Schadens durch die Reisebeschränkungen nicht zu rechtfertigen ist. Wie vom Aufhebung des Einreiseverbots für Drittstaatenangehörige ECDC empfohlen, muss deshalb das Reisen zwischen Ländern Das vom Staatssekretariat für Migration (SEM) verordnete weit- mit ähnlichem Ansteckungsrisiko ohne Einschränkungen gehende generelle Einreiseverbot für Angehörige von Dritt möglich sein. staaten stellt eine unnötige Ausweitung der Reiserestriktionen dar und muss umgehend aufgehoben werden. Dafür muss Hindernisfreies Reisen für geimpfte Personen sich der Bundesrat im Rahmen des Schengener Abkommens Passagiere, die einen Impfschutz mit einem behördlich aus- einsetzen. Für ein Einreiseverbot bzw. eine Quarantäne darf gestellten Impfdokument nachweisen können, sollen nur noch die Liste des Bundesamts für Gesundheit (BAG) mit wieder hindernisfrei reisen dürfen. Wie bei der Umsetzung «Staaten und Gebieten mit erhöhtem Ansteckungsrisiko» einer Testing-Strategie ist auch bei den Impfnachweisen massgebend sein. eine internationale Harmonisierung anzustreben, damit aner- kannte Impfpässe, elektronisch oder in Papierform, mög- Konsequenter Einsatz von Schutzkonzepten lichst schnell und unbürokratisch zur Wiedererlangung der Eine konsequente Anwendung von Schutzkonzepten ist in der weltweiten Reisefreiheit beitragen. gesamten Reisebranche gewährleistet. Handhygiene, Schutz- masken und die Erfassung der Personalien der Flugreisenden Testing-Strategie statt Quarantäne zur Vereinfachung des Contact Tracings sind bereits heute Falls aufgrund der medizinischen Lage Reisebeschränkungen fester Bestandteil der Schutzkette und werden beim Reisen notwendig sind, muss ein negativer Coronatest zur Aufhebung langfristig wichtig bleiben. Zusätzlich investiert die Flughafen der Einreisequarantäne berechtigen. Einen konkreten Ansatz Zürich AG trotz des wirtschaftlich schwierigen Umfelds weiter für eine europaweit koordinierte und risikobasierte Testing- in die Minimierung des Ansteckungsrisikos, etwa durch die Strategie hat die Luftfahrtbranche in Form des «EU Testing Pro- Ausrüstung der Rolltreppen am Flughafen Zürich mit einem tocol for Travel» (EU-TPT) bereits präsentiert (vgl. Politikbrief System, das die Handläufe mit Hilfe von UV-Licht desinfiziert. Nr. 49, Winter 2020). Der Bundesrat muss sich an diesem Ansatz orientieren und die ineffiziente Einreisequarantäne ab- Mit Schutzkette zurück zur Reisefreiheit schaffen. Ausserdem sollte er sich dafür engagieren, dass eine Bundesrat und Behörden sind aufgefordert, mit der Umsetzung koordinierte Testing-Strategie nach Vorbild des EU-TPT kurz- der zuvor erläuterten Massnahmen die Voraussetzungen für fristig zumindest im Schengenraum in Kraft treten kann und die Wiedererlangung der Reisefreiheit zu schaffen. Zusammen- die von Land zu Land unterschiedlichen Reisebestimmungen gefasst kann das hindernisfreie Reisen mit der umfassenden vereinheitlicht werden. Schutzkette «Hygiene – Schutzmaske – Impfen – Testen – Tracing» ermöglicht werden. Antigentests statt PCR-Tests Für den Nachweis, dass keine Coronainfektion vorliegt, müssen auch Antigentests zugelassen werden. Im Vergleich
Frühling 2021 | 06 GASTBEITRAG Volkswirtschaft vor grösste Herausforde rungen. Die Landesflughäfen haben bisher einen eminent wichtigen Beitrag zur Krisen- bewältigung geleistet, indem deren Betrieb trotz des Rückgangs bzw. Ausbleibens des Reiseflugverkehrs für Fracht-, Repatriierungs- und Ambulanzflüge aufrechterhalten wurde. Für die Bewältigung der weltweiten Impf logistik zur Bekämpfung von Covid-19 mit zeitkritischen und temperaturempfindlichen Gütern ist eine leistungsfähige nationale Luft- fahrtinfrastruktur unverzichtbar. Die Schweiz ist entsprechend gut beraten, der ansässigen Luftfahrt auch in der grössten Krise ihres Bestehens Planungssicherheit und Perspek- tiven zu gewähren, so dass die Versorgung mit lebensnotwendigen medizinischen Gütern und die internationale Anbindung auch in Zukunft gewährleistet werden kann. Landesflughäfen als Neu entwickelte Diagnostika und zugelas sene Impfstoffe stimmen zuversichtlich, Rückgrat der dass die Luftfahrt mittelfristig einen Weg aus dieser Krise finden und auf den prognostizier- Versorgungssicherheit ten Wachstumspfad zurückkehren wird. Die Zivilluftfahrt ist für die Schweizer Volks- Die forschende pharmazeutische Industrie wirtschaft und die Pharmaindustrie von he- leistet weltweit einen beispiellosen Effort rausragender Bedeutung, was in die aktuelle zur Krisenbewältigung, sei es in der Sicher- Gesamtbetrachtung einfliessen muss. Die stellung der Versorgung der Schweizer internationale Anbindung der Schweiz und Bevölkerung mit Diagnostika und Medika- damit die Erreichbarkeit von Produktions menten oder in der Forschung und Entwick- orten und Absatzmärkten spielen bei Stand- lung, mit dem Ziel, sichere und wirksame ortentscheidungen eine wichtige Rolle. Da im Behandlungsmöglichkeiten und Impfstoffe Zuge der Globalisierung Unternehmenspro- für Patientinnen und Patienten im Kampf zesse oftmals an verschiedenen Standorten gegen Covid-19 auf den Markt zu bringen. weltweit stattfinden, ist die internationale Um die Versorgungssicherheit der Bevölke- Vernetzung besonders wichtig. Umfragen bei rung mit Diagnostika, Impfstoffen und Medi- den Interpharma-Mitgliedern zeigen, dass kamenten auch in Zukunft zu gewährleisten, gute Verkehrsanbindungen zu den wichtigs- sind offene Grenzen und die Sicherstellung ten Standortfaktoren überhaupt zählen. Nicht von optimalen grenzüberschreitenden Waren- zuletzt dank der Nähe zum Flughafen Zürich flüssen zentral. Für die Aufrechterhaltung konnte sich in der Zentralschweiz ein inter- globaler Lieferketten ist die Luftfracht für die national bedeutender Hub für Pharma und Pharmaindustrie – nicht nur in Krisenzeiten – Biotech herausbilden. Für einen erfolgreichen unersetzlich. Die drei Landesflughäfen der Forschungs- und Innovationsstandort ist Schweiz bilden dabei das Rückgrat für die ein international ausgerichteter Flughafen Versorgung und die Anbindung der Schweiz mit direkter Anbindung an die wichtigsten an den internationalen Luftverkehr. Wissenszentren der Welt unerlässlich. Die Corona-Pandemie stellt die gesamte Luft- René Buholzer fahrtbranche und damit auch die Schweizer CEO interpharma
07 | Politikbrief CO2-Gesetz: Interview mit Stephan Widrig, CEO Flughafen Zürich AG Der Klimawandel wird auch nach der Coronakrise eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit sein. Dass auch die Luftfahrt als CO2-Emittent in der Pflicht steht, ist unbestritten. Die Lösung eines globalen Problems erfordert jedoch eine Berücksichtigung der internationalen Zusammenhänge, erst recht in der Luftfahrt. Die vom Bundesparlament im CO2-Gesetz verankerte Einführung einer nationalen CO2-Flugticketabgabe ist eine verpasste Chance, die Transformation weg von fossilen Energieträgern zu beschleunigen. Zudem fehlt im Gesetz eine ausreichende Zweckbindung der Mittel aus der Flugticketabgabe, um die CO2-Emissionen in der Luftfahrt an der Quelle einzudämmen. Im Interview äussert sich Stephan Widrig, CEO der Flug- 1991 die direkten CO2-Emissionen in absoluten Zahlen hal- hafen Zürich AG, zu den Schwachstellen im vorliegenden bieren – dies, obwohl sich die Gebäudefläche am Flughafen CO2-Gesetz sowie zur Zukunft des Luftverkehrs nach Corona. Zürich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt hat. An unserem Ziel, bis 2050 CO2-neutral zu sein, halten wir t rotz Die Luftverkehrsbranche steht in der Kritik, viel CO2 zu den grossen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie fest. emittieren. Durch Corona ist die Branche nun finanziell geschwächt. Werden Sie das als Anlass nehmen, sich aus Sie kritisieren das CO2-Gesetz. Warum? der Verantwortung zu ziehen? Die im CO2-Gesetz verankerte Flugticketabgabe betrifft uns Langfristig wird der Klimawandel auch nach der Coronakrise als Infrastrukturbetreiberin am Boden nicht direkt, sondern unsere grösste Herausforderung bleiben. Dieser Verant richtet sich primär an die Airlines. Ich sehe mich deshalb auch wortung kann und darf sich keine Branche entziehen, entspre- nicht als Vorkämpfer gegen diese Abgabe. Weil ich aber die chend müssen auch wir als Flughafenbetreiberin unseren Zusammenhänge in der Luftfahrt aus nächster Nähe kenne, Beitrag leisten. Unsere Bereitschaft dazu haben wir bereits traue ich mir eine Meinung zu, ob die Abgabe das angestrebte in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. Dank hohen Ziel erreicht. Hier habe ich meine Zweifel. Das Haupt- Investitionen in die Flughafeninfrastruktur konnten wir seit problem liegt in der fehlenden Zweckbindung. Nur ein kleiner KRITIK AN DER FLUGTICKETABGABE IM CO2-GESETZ · Luftverkehr findet über Grenzen hinweg statt, weshalb eine nationale Abgabe weitgehend wirkungslos ist. · Die Luftfahrtbranche muss ihren Teil zur Minderung der CO2-Emissionen leisten, indem sie den CO2-Ausstoss an der Quelle vermindert. Das CO2-Gesetz hingegen sucht die Lösung im Mobilitätsverhalten der Bevölkerung. · Die drei zentralen Forderungen der Luftfahrt sind im Gesetz nicht enthalten: 1. Zweckbindung · Ein teilweiser Nutzen entsteht einzig, wenn die Gelder aus der CO2-Flugticketabgabe für klimawirksame Massnahmen im Luftverkehr verwendet werden. · Das CO2-Gesetz sieht aufgrund der Ausgestaltung als Lenkungsabgabe eine Rückverteilung an die Bevölkerung von mindestens 50% der Erlöse vor. · Das Gesetz enthält nur eine vage Zweckbindung der Erlöse aus der Flugticketabgabe für den Luftverkehr und zu viele «kann»-Formulierungen. · Die Gelder werden u.a. auch systemfremd eingesetzt (z. B. Subventionen für Gebäudesanierungen). → siehe Grafik auf Seite 9: «Was der Luftfahrt von der CO2-Flugticketabgabe bleibt» 2. Ausschluss einer höheren Bepreisung von Langstreckenflügen · Das Gesetz sieht vor, dass der Bundesrat die Höhe der Flugticketabgabe unter Berücksichtigung der Flugstrecke festlegen kann. · Je weiter entfernt eine Zieldestination ist, desto kleiner ist das Angebot an alternativen Verkehrsträgern. · Werden Langstreckenflüge tatsächlich höher bepreist, erhalten Passagiere den Anreiz, auf andere europäische Drehkreuze auszuweichen. 3. Lösung für den EuroAirport Basel · Flüge ab dem EuroAirport in Basel, der auf französischem Gebiet liegt, können nach französischem Verkehrsrecht durchgeführt werden und sind damit von der Erhebung der Flugticketabgabe ausgenommen. · Das erzeugt Ausweichverkehr und schwächt die anderen Schweizer Landesflughäfen. · Eine Lösung über die Verhandlung eines Staatsvertrags mit Frankreich ist wieder aus dem Gesetzesentwurf gestri- chen worden.
Frühling 2021 | 08 Bruchteil der aus der Flugticketabgabe generierten Einnah- Einige politische Vorstösse auf Bundesebene und im Kanton men von fast 1 Mrd. Franken pro Jahr kommen der Luftfahrt Zürich verlangen eine Substitution von Kurzstreckenflügen zugute. Der Rest wird zur Hälfte über die Krankenkassen durch Bahnverbindungen. Wie stehen Sie dazu? prämien wieder zurückerstattet und zur anderen Hälfte an Ich bin klar der Meinung, dass die Bahn bis zu einer gewissen ein breites Spektrum von Bittstellern verteilt, von Subven Reisedistanz eine sinnvolle Alternative zum Flugzeug ist, tionen an Gebäudesanierungen über die Forschung bis zur beispielsweise für Reisen nach Paris oder Frankfurt. Für ver- Landwirtschaft. gleichbare Strecken ist ein attraktives Angebot von Fern Ziel soll ja nicht eine Schwächung der Luftfahrt (und zugverbindungen deshalb legitim. Bereits bei längeren Kurz- damit unserer internationalen Anbindung) sein, sondern strecken gibt es jedoch keine geeigneten Alternativen zum Flug- vielmehr soll das Fliegen als solches klimaneutral werden, verkehr. So dauert eine Zugfahrt nach Wien oder Hamburg was vor allem durch den Einsatz von nachhaltigen Flug über acht Stunden. treibstoffen realistisch erscheint. Würden die Erträge der Bei den Forderungen nach einer Substitution von Flugticketabgabe für den Kauf nicht-fossiler Treibstoffe ver- Kurzstreckenflügen wird zudem häufig ausser Acht gelassen, wendet, könnten bereits heute jährlich rund 10% der CO2- dass der Bau von Bahnstrecken ressourcen- und emissions- Emissionen in der Luftfahrt reduziert werden – mit sinkenden intensiv ist. Ausserdem passieren und beschallen (Nacht-) Preisen bei höheren Produktionsvolumen liegt sogar deutlich Züge auf ihren langen Fahrten noch viel mehr Wohngebiete mehr drin. Unsere Welt ist zu international vernetzt, als dass als Flughäfen. Auch aus ökologischen Überlegungen und wir auf die Luftfahrt verzichten können – wir müssen deshalb aus Rücksicht auf die Bevölkerung macht es daher Sinn, statt vor allem darauf fokussieren, wie das Fliegen klimaschonen- der Verlagerung auf die Bahn eine Zukunft mit Flügen ohne der wird. fossilen Treibstoff anzustreben. Staatliche Massnahmen mit dem Ziel, den Flugverkehr Gibt es weitere Punkte im CO2-Gesetz, mit denen Sie einzuschränken, sind verfehlt und bedeuten einen nicht nicht einverstanden sind? sinnvollen Eingriff in den Wettbewerb unter den verschiede- Das Parlament hat es verpasst, eine Lösung für den französi- nen Verkehrsträgern. Des Weiteren gefährden sie die globale schen Sektor des EuroAirports in Basel zu finden. Zudem Erreichbarkeit der Schweiz, da ein gewisser Anteil von fehlt grundsätzlich eine Harmonisierung innerhalb Europas. Kurzstreckenflügen für den Betrieb eines interkontinentalen Das wird Ausweichverkehr generieren: Wenn eine Familie Luftverkehrsdrehkreuzes unabdingbar ist. nach Singapur reisen möchte, wird sie via München, Frankfurt oder Wien reisen und nicht direkt ab Zürich fliegen, weil dies teurer wäre. Das führt dazu, dass wir am Schluss mehrere Verlierer haben: Unserem Land entgeht Wertschöpfung, die Schweizer Luftfahrt verliert Stellen und das Klima wird durch die längeren Wege zusätzlich belastet. Es gibt Stimmen, die in der Pandemie das Ende des Luft verkehrs sehen: Corona habe gezeigt, dass das Fliegen nicht nötig sei. Ist die Luftfahrt ein Auslaufmodell? Im Gegenteil. Die exportorientierte Schweiz verdankt ihren Wohlstand zu einem grossen Teil dem internationalen Handel. Dabei ist die hervorragende globale Anbindung für die hiesige Volkswirtschaft und den Schweizer Forschungs- und Wirt- schaftsstandort ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die Globa- lisierung ist ein unumkehrbarer Prozess. Langfristig ändert die gegenwärtige Krise nichts an der Tatsache, dass die Welt vernetzt bleiben wird und die internationale Arbeitsteilung sowie der globale gesellschaftliche Austausch weiter zuneh- men werden. Daraus ergibt sich unweigerlich ein weiterhin wachsendes Mobilitätsbedürfnis. Wer sagt, die Luftfahrt habe nach Corona ausgedient, verkennt diese Zusammenhänge. Zudem hat sich während der Pandemie gezeigt, wie wichtig der Luftverkehr für die Landesversorgung ist. Trotz hoher Verluste blieb der Flughafen Zürich ständig in Betrieb und ermöglichte die Einfuhr von dringend benötigtem medizinischen Material sowie die Durchführung von Repatriie- rungsflügen. → siehe Grafik auf Seite 9: «Was der Luftfahrt von der CO2-Flugticketabgabe bleibt»
09 | Politikbrief WAS DER LUFTFAHRT VON DER CO2-FLUGTICKETABGABE BLEIBT Klimafonds CHF M io. F 0 F 49 CH CH CHF CHF 1 Mia. Flugticketabgaben in einem «normalen Jahr» CHF ? Mio. für Luftfahrt CHF 30 Mio. Nachtzüge CHF 25 Mio. CHF ? Mio. CHF 510 Mio. Kantone Verwaltungs- zurück an und Gemeinden aufwand die Bevölkerung (Lenkungs- CHF ? Mio. abgabe) weitere Zuweisungen an systemfremde Massnahmen möglich, da eine klare Zweckbindung für die Luftfahrt fehlt. FA ZIT: • Das CO2-Gesetz legt keine minimale Zweckbindung für die Luftfahrt aus der Flugticketabgabe fest, sondern erwähnt lediglich vage «kann»-Formulierungen. • Im besten Fall fliesst von den Einnahmen aus der Abgabe nicht einmal die Hälfte für Massnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstosses des Luftverkehrs zurück. • Des Weiteren sind viele andere systemfremde Bezüger genauso bezugsberechtigt, so unter anderem Gebäudesanierungen (Art. 55), die Grundlagenforschung (Art. 56) oder der grenzüberschreitende Schienenverkehr (Art. 57 Abs. 4). Der Bundesrat hat zudem «die wirtschaftliche Situation des ländlichen Raums und der Bergregionen» zu berücksichtigen (Art. 55 Abs. 3).
Frühling 2021 | 10 FACHBEGRIFFE KURZ ERKLÄRT – EIN FLUGHAFENGLOSSAR Flugwegüberwachung Die Abflugrouten am Flughafen Zürich wurden aus Gründen des Lärmschutzes so definiert, dass dicht besiedelte Gebiete in der Flughafennachbarschaft möglichst nicht direkt überflogen werden. Deshalb müssen die Piloten und Fluglotsen diese lärmoptimierten Routen tagsüber (06.00–22.00 Uhr) bis auf eine Höhe von 1500 m über Meer und nachts (22.00– 06.00 Uhr) bis 2500 m über Meer einhalten. Die Lärmfachleute der Flughafen Zürich AG überprüfen die Einhaltung der Abflugrouten mit Hilfe des «Airport Track And Noise Monitoring System» (ATANOMS). Dieses System zeichnet die Flug spuren auf und registriert Abweichungen von der vorgeschriebenen Sollroute. Obwohl sie vorgegeben sind, können die Flugrouten nicht mit einer fest fixierten Streckenführung (wie z. B. dem Schienen- netz) verglichen werden. Flugwege werden nämlich durch verschiedene Faktoren wie die Wetterverhältnisse, die Ge- schwindigkeit, das Gewicht oder etwa die Querneigung der Flugzeuge beeinflusst. Flugwegabweichungen sind zulässig, wenn der Pilot etwa einer Gewitterwolke ausweicht oder die Flugsicherung eine Richtungsänderung über Funk anweist, um eine Annäherung an ein anderes Flugzeug zu vermeiden. Ausserdem dürfen die Flugzeuge von den definierten Flugrouten abweichen, um Flugwege abzukürzen und damit Treibstoff und Zeit zu sparen, sobald sie eine Höhe von 1500 m über Meer tagsüber und 2500 m über Meer nachts erreicht haben. Bei unbegründeten Abweichungen leitet die Flughafen Zürich AG eine Untersuchung ein und verlangt vom Piloten der betreffenden Fluggesellschaft eine schriftliche Stellungnahme. Das Ziel dieser Verfahren ist ein verbessertes Verständnis für die möglichst präzise Einhaltung von Flugrouten. Zumeist wird dieses Ziel im Dialog zwischen den Fluglärmfachleuten und dem Piloten oder den Vertretern der Fluggesellschaft zufriedenstellend erreicht. Andernfalls kann es zur Anzeige beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) kommen.
Verkehrsentwicklung Alle Werte jeweils von Januar bis Dezember 2020 Die aktuellen Verkehrszahlen sind monatlich im Internet unter www.flughafen-zuerich.ch/investorrelations abrufbar. 6’288’226 Lokalpassagiere Veränderung gegenüber 2019 – 71.7 % 2’005’062 Transferpassagiere 24.2 % Veränderung gegenüber 2019 Transferanteil –78.2 % Veränderung gegenüber 2019 – 5.1 Prozentpunkte 111’328 Flugbewegungen Veränderung gegenüber 2019 –59.6 % 8’341’047 Total Passagiere Veränderung gegenüber 2019 – 73.5 % 291’163 t Fracht Veränderung gegenüber 2019 –35.6 % Impressum Flughafen Zürich AG Public Affairs politikbrief@zurich-airport.com Das Online-Archiv der ©Flughafen Zürich AG, Postfach, CH-8058 Zürich-Flughafen Politikbriefe finden Sie hier: www.flughafen-zuerich.ch www.flughafen-zuerich.ch/politikbrief
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