Politikbrief FRÜHLING 2021 | NR. 50 - Zurich Airport

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Politikbrief FRÜHLING 2021 | NR. 50 - Zurich Airport
Politikbrief
FRÜHLING 2021 | NR. 50

 Editorial02

 Hygiene, Testen und Impfen:
 Reisefreiheit mit umfassender
 Schutzkette wiedererlangen     03

 Gastbeitrag: René Buholzer,
 CEO interpharma                06

 CO2-Gesetz:
 Interview mit Stephan Widrig,
 CEO Flughafen Zürich AG        07

 Flughafenglossar:
 Flugwegüberwachung             10

 Verkehrsentwicklung11
Politikbrief FRÜHLING 2021 | NR. 50 - Zurich Airport
Frühling 2021 | 02

EDITORIAL

Geschätzte
Leserinnen und Leser
Es ist mir eine Freude, Ihnen diese Jubiläums-
ausgabe präsentieren zu dürfen: Bereits
zum 50. Mal informieren wir Sie in unserem
Politikbrief über die Haltung der Flughafen
Zürich AG zu aktuellen politischen Frage­
stellungen. Hätte mir jemand vorhergesagt,
dass der Schwerpunkt der 50. Ausgabe             Auswirkungen der Coronakrise noch jahre-
eine Pandemie ist, ich hätte dieser Stimme       lang spüren wird, finanzielle Mittel – ohne
keinen Glauben geschenkt. Und selbst vor         für das Klima einen Nutzen zu generieren.
ein paar Monaten hätte ich nicht erwartet,       Damit ist niemandem geholfen. Deshalb ist
dass die bisher grösste Krise der Luftfahrt-     der Bundesrat aufgefordert, die zweckge-
branche so lange andauert. Wichtig ist, dass     bundene Verwendung der Einnahmen aus der
wir nun Szenarien entwickeln, um unseren         Abgabe zur Förderung der Marktfähigkeit von
Alltag wieder möglichst ohne Einschränkun-       nachhaltigen Flugtreibstoffen mindestens in
gen leben zu können.                             der CO2-Verordnung sicherzustellen. Nur so
                                                 kann der CO2-Ausstoss im Luftverkehr direkt
Obwohl nationale Abschottungsmassnah-            an der Quelle reduziert werden.
men bei einer globalen Pandemie jegliche
Wirksam­keit verlieren und sich die konse-       Die exportorientiere Schweizer Wirtschaft
quente Anwendung von Schutzkonzepten in          und unser Wirtschafts- und Forschungs-
der Reisebranche bewährt hat, bleibt die         standort werden auch in Zukunft auf eine
Reisefreiheit selbst zwischen Ländern mit        hervorragende globale Anbindung ange­
ähnlich hohem Ansteckungsrisiko nach wie         wiesen sein. Dafür ist ein starker Luftfahrt-
vor stark eingeschränkt. Der Schaden für die     standort mit einem wettbewerbsfähigen
auf den internationalen Austausch ange­          interkontinentalen Luftverkehrsdrehkreuz
wiesene Schweizer Volkswirtschaft nimmt          am Flughafen Zürich unerlässlich. Während
weiter zu. Seitens Behörden braucht es des-      der Pandemie wurde die tragende Rolle des
halb dringend ein Umdenken in Bezug auf          Flughafens bei der Gewährleistung der
die Reiserestriktionen und eine umsichtige       natio­nalen Versorgungssicherheit deutlich.
Handhabung bei allen Verkehrsträgern. Der        In seinem Gastbeitrag betont auch René
Bundesrat muss Voraussetzungen für eine          Buholzer, CEO interpharma, die Relevanz der
Erholung des internationalen Reiseverkehrs       Landesflughäfen für die Versorgung sowie
schaffen – mit einem der Lage angepassten,       die Anbindung der Schweiz und erläutert,
verhältnismässigen und risikobasierten Ansatz.   warum offene Grenzen und optimale grenz-
Konkret muss die schrittweise Wiedererlan-       überschreitende Warenflüsse auch in Zukunft
gung der Reisefreiheit mit einer um­fassenden    von zentraler Bedeutung sein werden.
Schutzkette, bestehend aus «Hygiene –
Schutzmaske – Impfen – Testen – Tracing»,        Es ist uns ein wichtiges Anliegen, Ihnen
ermöglicht werden. Unsere Überlegungen           auch künftig die komplexen Zusammenhänge
dazu finden Sie in diesem Politikbrief.          zwischen Flughafenbetrieb, Politik, Wirt-
                                                 schaft und Gesellschaft transparent und
Auch bei der Bewältigung des Klimawan-           faktenbasiert näher zu bringen. Wir würden
dels – der langfristig grössten Herausfor­       uns deshalb freuen, Sie auch bei den nächs-
derung – sind vernünftige und zielführende       ten 50 Politikbriefen zu unserer geneigten
Lösungsansätze gefragt. Das vorliegende          Leserschaft zählen zu dürfen.
CO2-Gesetz wird diesem Anspruch in meh-
reren Punkten nicht gerecht, wie Stephan         Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
Widrig, CEO der Flughafen Zürich AG, im
Interview erläutert. Unter anderem entzieht      Joana Filippi
die im Gesetz verankerte CO2-Flugticket­         Head Public Affairs
abgabe der Luftfahrtbranche, welche die          Flughafen Zürich AG
Politikbrief FRÜHLING 2021 | NR. 50 - Zurich Airport
03 | Politikbrief

Hygiene, Testen und Impfen:
Reisefreiheit mit umfassender Schutzkette wiedererlangen
Anstelle des bisherigen Fokus auf die Einschränkung des Reisens müssen bundesbehördliche Massnahmen auf eine
hohe Reisefreiheit bei bestmöglichem Schutz vor Einschleppungs- und Ansteckungsrisiken abzielen. Der konsequente
Einsatz von Schutzkonzepten sowie die Anerkennung von Impf- und Testnachweisen sind dabei zentral. Bundesrat
und Behörden sind aufgefordert, den Abbau der geltenden Reiserestriktionen und deren internationale Harmonisierung
voranzutreiben.

Die wirtschaftlichen Schäden durch Reiserestriktionen wie                                                bestätigen Studien des European Center for Disease
Quarantäneregeln gehen weit über die Luftfahrtbranche                                                    ­Prevention and Control (ECDC), wonach es keine nach­voll­
hinaus und stehen in keinem Verhältnis zu ihrer Wirksamkeit.                                              ziehbaren Gründe für strengere Reisebeschränkungen
Neben der Reise- und Tourismusindustrie sind auch die                                                     für den Luft­verkehr im Vergleich zu den anderen Verkehrs­
Schweizer Exportwirtschaft sowie der Schweizer Wirtschafts-                                               trägern gibt 1. Gemäss Empfehlung des ECDC sei auf
standort generell auf einen regen internationalen Austausch                                               die Anordnung von Quarantänen und systematischen Tests
angewiesen. Auf regulatorischer Ebene braucht es daher                                                    für Flugreisende zu verzichten bzw. nur unter bestimmten
dringend ein Umdenken, das auf einer umsichtigen Abwä-                                                    Umständen zurückzugreifen. Daher ist eine umsichtige
gung rund um die Einreisebestimmungen basiert.                                                            Handhabung, wie sie der Bundesrat bei der Bahn bereits
                                                                                                          seit Längerem pflegt, auch beim Luftverkehr angezeigt.
Verhältnismässige Massnahmen auch beim Luftverkehr
Im Luftverkehr besteht kein höheres Ansteckungs- und
Einschleppungsrisiko als bei anderen Verkehrsträgern. Dies

       FORDERUNGEN FÜR DIE WIEDERERLANGUNG DER REISEFREIHEIT
       Die geltenden Reisebeschränkungen müssen abgebaut werden, um eine schrittweise Erholung des internationalen
       Reiseverkehrs auf Grundlage eines risikobasierten, der Lage angepassten Ansatzes zu ermöglichen. Konkret sind die
       Voraussetzungen für die Wiedererlangung der Reisefreiheit wie folgt zu schaffen:
       1. Keine Quarantäne zwischen Ländern mit ähnlichem Ansteckungsrisiko
       		 Zwischen Ländern mit ähnlicher epidemiologischer Lage muss das Reisen ohne Einschränkungen möglich sein.
       2. Hindernisfreies Reisen für geimpfte Personen
       		Es dürfen keine Reisebeschränkungen für Personen gelten, die einen behördlich ausgestellten Impfnachweis
          (elektronisch oder in Papierform) vorweisen können. Dabei ist eine internationale Harmonisierung der Nachweise
          anzustreben.
       3. Testing-Strategie statt Quarantäne
       		Sind aufgrund der medizinischen Lage Reisebeschränkungen notwendig, muss ein negativer Coronatest zur Aufhebung
          der Einreisequarantäne berechtigen. Auch hier ist eine zumindest europaweite Harmonisierung nach Vorbild des
          «EU Testing Protocol for Travel» (EU-TPT) voranzutreiben.

       4. Zulassung von Antigentests
       		Für den Nachweis, dass keine Coronainfektion vorliegt, müssen statt der PCR-Tests auch die günstigeren, schneller
          durchführbaren und in ausreichenden Mengen verfügbaren Antigentests zugelassen werden.
       5.Aufhebung Einreiseverbot für Drittstaatenangehörige
       		Für ein Einreiseverbot bzw. eine Quarantäne darf nur noch die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) geführte Liste
          «Staaten und Gebiete mit erhöhtem Ansteckungsrisiko» massgebend sein.
       6. Konsequente Schutzkonzepte
       		Handhygiene, Schutzmasken und die Erfassung der Personalien der Flugreisenden haben sich im Reiseprozess bewährt
          und bleiben langfristig wichtig.
       7. Reisefreiheit dank «Hygiene – Schutzmaske – Impfen – Testen – Tracing»
       		Mit dieser umfassenden Schutzkette wird der bestmögliche Schutz vor Einschleppungs- und Ansteckungsrisiken
          geschaffen.

1
     uidelines for covid-19 testing and quarantine of air travellers, European Center for Disease Prevention and Control / European Unisan Aviation Safety Agency,
    G
    2. Dezember 2020, www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/guidelines-covid-19-testing-and-quarantine-air-travellers
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Frühling 2021 | 04

Reisefreiheit zwischen Ländern mit ähnlichem                        zu den PCR-Tests sind diese Schnelltests drei bis vier Mal
Ansteckungsrisiko                                                   günstiger und das Testresultat liegt bereits nach kurzer Zeit vor.
Einzig in der Anfangsphase können nationale Abschottungs-           Die Zulassung von Antigentests für den anerkannten Nachweis
massnahmen in wenig betroffenen Regionen zur Verlangsa-             ist für eine effiziente Testing-Strategie zentral und würde die
mung der Ausbreitung des Virus beitragen. Bei einer globalen        Verfügbarkeit der benötigten Testkapazitäten im Reiseprozess
Pandemie verlieren sie jedoch jegliche Wirksamkeit, was             deutlich erhöhen.
angesichts des massiven wirtschaftlichen Schadens durch die
Reisebeschränkungen nicht zu rechtfertigen ist. Wie vom             Aufhebung des Einreiseverbots für Drittstaatenangehörige
ECDC empfohlen, muss deshalb das Reisen zwischen Ländern            Das vom Staatssekretariat für Migration (SEM) verordnete weit-
mit ähnlichem Ansteckungsrisiko ohne Einschränkungen                gehende generelle Einreiseverbot für Angehörige von Dritt­
möglich sein.                                                       staaten stellt eine unnötige Ausweitung der Reiserestriktionen
                                                                    dar und muss umgehend aufgehoben werden. Dafür muss
Hindernisfreies Reisen für geimpfte Personen                        sich der Bundesrat im Rahmen des Schengener Abkommens
Passagiere, die einen Impfschutz mit einem behördlich aus-          einsetzen. Für ein Einreiseverbot bzw. eine Quarantäne darf
gestellten Impfdokument nachweisen können, sollen                   nur noch die Liste des Bundesamts für Gesundheit (BAG) mit
wieder hindernisfrei reisen dürfen. Wie bei der Umsetzung           «Staaten und Gebieten mit erhöhtem Ansteckungsrisiko»
einer Testing-Strategie ist auch bei den Impfnachweisen             massgebend sein.
eine internationale Harmonisierung anzustreben, damit aner-
kannte Impfpässe, elektronisch oder in Papierform, mög-             Konsequenter Einsatz von Schutzkonzepten
lichst schnell und unbürokratisch zur Wiedererlangung der           Eine konsequente Anwendung von Schutzkonzepten ist in der
weltweiten Reisefreiheit beitragen.                                 gesamten Reisebranche gewährleistet. Handhygiene, Schutz-
                                                                    masken und die Erfassung der Personalien der Flugreisenden
Testing-Strategie statt Quarantäne                                  zur Vereinfachung des Contact Tracings sind bereits heute
Falls aufgrund der medizinischen Lage Reisebeschränkungen           fester Bestandteil der Schutzkette und werden beim Reisen
notwendig sind, muss ein negativer Coronatest zur Aufhebung         langfristig wichtig bleiben. Zusätzlich investiert die Flughafen
der Einreisequarantäne berechtigen. Einen konkreten Ansatz          Zürich AG trotz des wirtschaftlich schwierigen Umfelds weiter
für eine europaweit koordinierte und risikobasierte Testing-        in die Minimierung des Ansteckungsrisikos, etwa durch die
Strategie hat die Luftfahrtbranche in Form des «EU Testing Pro-     Ausrüstung der Rolltreppen am Flughafen Zürich mit einem
tocol for Travel» (EU-TPT) bereits präsentiert (vgl. Politikbrief   System, das die Handläufe mit Hilfe von UV-Licht desinfiziert.
Nr. 49, Winter 2020). Der Bundesrat muss sich an diesem
Ansatz orientieren und die ineffiziente Einreisequarantäne ab-      Mit Schutzkette zurück zur Reisefreiheit
schaffen. Ausserdem sollte er sich dafür engagieren, dass eine      Bundesrat und Behörden sind aufgefordert, mit der Umsetzung
koordinierte Testing-Strategie nach Vorbild des EU-TPT kurz-        der zuvor erläuterten Massnahmen die Voraussetzungen für
fristig zumindest im Schengenraum in Kraft treten kann und          die Wiedererlangung der Reisefreiheit zu schaffen. Zusammen-
die von Land zu Land unterschiedlichen Reisebestimmungen            gefasst kann das hindernisfreie Reisen mit der umfassenden
vereinheitlicht werden.                                             Schutzkette «Hygiene – Schutzmaske – Impfen – Testen –
                                                                    Tracing» ermöglicht werden.
Antigentests statt PCR-Tests
Für den Nachweis, dass keine Coronainfektion vorliegt,
müssen auch Antigentests zugelassen werden. Im Vergleich
Politikbrief FRÜHLING 2021 | NR. 50 - Zurich Airport
05 | Politikbrief
Frühling 2021 | 06

GASTBEITRAG

                                                    Volkswirtschaft vor grösste Heraus­forde­
                                                    rungen. Die Landesflughäfen haben bisher
                                                    einen eminent wichtigen Beitrag zur Krisen­-
                                                    bewäl­tigung geleistet, indem deren Betrieb
                                                    trotz des Rückgangs bzw. Ausbleibens des
                                                    Reise­flugverkehrs für Fracht-, Repatriierungs-
                                                    und Ambulanzflüge aufrechterhalten wurde.
                                                    Für die Bewältigung der weltweiten Impf­
                                                    logistik zur Bekämpfung von Covid-19 mit
                                                    zeitkritischen und temperaturempfindlichen
                                                    Gütern ist eine leistungsfähige nationale Luft-
                                                    fahrtinfrastruktur unverzichtbar. Die Schweiz
                                                    ist entsprechend gut beraten, der ansässigen
                                                    Luftfahrt auch in der grössten Krise ihres
                                                    Bestehens Planungssicherheit und Perspek-
                                                    tiven zu gewähren, so dass die Versorgung
                                                    mit lebensnotwendigen medizinischen
                                                    Gütern und die internationale Anbindung
                                                    auch in Zukunft gewährleistet werden kann.

Landesflughäfen als                                 Neu entwickelte Diagnostika und zugelas­
                                                    sene Impfstoffe stimmen zuversichtlich,
Rückgrat der                                        dass die Luftfahrt mittelfristig einen Weg aus
                                                    dieser Krise finden und auf den prognostizier-
Versorgungs­sicherheit                              ten Wachstumspfad zurückkehren wird.

                                                    Die Zivilluftfahrt ist für die Schweizer Volks­-
Die forschende pharmazeutische Industrie            wirtschaft und die Pharmaindustrie von he-
leistet weltweit einen beispiellosen Effort         rausragender Bedeutung, was in die aktuelle
zur Krisenbewältigung, sei es in der Sicher-        Gesamtbetrachtung einfliessen muss. Die
stellung der Versorgung der Schweizer               internationale Anbindung der Schweiz und
Be­völkerung mit Diagnostika und Medika-            damit die Erreichbarkeit von Produktions­
menten oder in der Forschung und Entwick-           orten und Absatzmärkten spielen bei Stand­-
lung, mit dem Ziel, sichere und wirksame            ortentscheidungen eine wichtige Rolle. Da im
Behandlungsmöglichkeiten und Impfstoffe             Zuge der Globalisierung Unternehmenspro-
für Patientinnen und Patienten im Kampf             zesse oftmals an verschiedenen Standorten
gegen Covid-19 auf den Markt zu bringen.            weltweit stattfinden, ist die internationale
Um die Versorgungssicherheit der Bevölke-           Vernetzung besonders wichtig. Umfragen bei
rung mit Diagnostika, Impfstoffen und Medi­-        den Interpharma-Mitgliedern zeigen, dass
kamenten auch in Zukunft zu gewährleisten,          gute Verkehrsanbindungen zu den wichtigs-
sind offene Grenzen und die Sicherstellung          ten Standortfaktoren überhaupt zählen. Nicht
von optimalen grenzüberschreitenden Waren-          zuletzt dank der Nähe zum Flughafen Zürich
flüssen zentral. Für die Aufrecht­erhaltung         konnte sich in der Zentralschweiz ein inter­­-
globaler Lieferketten ist die Luft­fracht für die   na­tional bedeutender Hub für Pharma und
Pharmaindustrie – nicht nur in Krisenzeiten –       Biotech herausbilden. Für einen erfolgreichen
unersetzlich. Die drei Landesflughäfen der          Forschungs- und Innovationsstandort ist
Schweiz bilden dabei das Rückgrat für die           ein international ausgerichteter Flughafen
Versorgung und die Anbindung der Schweiz            mit direkter Anbindung an die wichtigsten
an den internationalen Luftverkehr.                 Wissenszentren der Welt unerlässlich.

Die Corona-Pandemie stellt die gesamte Luft-        René Buholzer
­­­fahrtbranche und damit auch die Schwei­zer       CEO interpharma
07 | Politikbrief

CO2-Gesetz:
Interview mit Stephan Widrig, CEO Flughafen Zürich AG
Der Klimawandel wird auch nach der Coronakrise eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit sein. Dass auch die
Luftfahrt als CO2-Emittent in der Pflicht steht, ist unbestritten. Die Lösung eines globalen Problems erfordert jedoch
eine Berücksichtigung der internationalen Zusammenhänge, erst recht in der Luftfahrt. Die vom Bundesparlament im
CO2-Gesetz verankerte Einführung einer nationalen CO2-Flugticketabgabe ist eine verpasste Chance, die Transformation
weg von fossilen Energieträgern zu beschleunigen. Zudem fehlt im Gesetz eine ausreichende Zweckbindung der Mittel
aus der Flugticketabgabe, um die CO2-Emissionen in der Luftfahrt an der Quelle einzudämmen.

Im Interview äussert sich Stephan Widrig, CEO der Flug-               1991 die direkten CO2-Emissionen in absoluten Zahlen hal­-
hafen Zürich AG, zu den Schwachstellen im vorliegenden                bieren – dies, obwohl sich die Gebäudefläche am Flug­hafen
CO2-­Gesetz sowie zur Zukunft des Luftverkehrs nach Corona.           Zürich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt hat. An
                                                                      unserem Ziel, bis 2050 CO2-neutral zu sein, halten wir t­ rotz
Die Luftverkehrsbranche steht in der Kritik, viel CO2 zu              den grossen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie fest.
emittieren. Durch Corona ist die Branche nun finanziell
geschwächt. Werden Sie das als Anlass nehmen, sich aus                Sie kritisieren das CO2-Gesetz. Warum?
der Verantwortung zu ziehen?                                          Die im CO2-Gesetz verankerte Flugticketabgabe betrifft uns
Langfristig wird der Klimawandel auch nach der Coronakrise            als Infrastrukturbetreiberin am Boden nicht direkt, sondern
unsere grösste Herausforderung bleiben. Dieser Verant­                richtet sich primär an die Airlines. Ich sehe mich deshalb auch
wortung kann und darf sich keine Branche entziehen, entspre-          nicht als Vorkämpfer gegen diese Abgabe. Weil ich aber die
chend müssen auch wir als Flughafenbetreiberin unseren                Zusammenhänge in der Luftfahrt aus nächster Nähe kenne,
Beitrag leisten. Unsere Bereitschaft dazu haben wir bereits           traue ich mir eine Meinung zu, ob die Abgabe das angestrebte
in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. Dank hohen                Ziel erreicht. Hier habe ich meine Zweifel. Das Haupt­-
­Investitionen in die Flughafeninfrastruktur konnten wir seit         problem liegt in der fehlenden Zweckbindung. Nur ein kleiner

    KRITIK AN DER FLUGTICKETABGABE IM CO2-GESETZ
    · Luftverkehr findet über Grenzen hinweg statt, weshalb eine nationale Abgabe weitgehend wirkungslos ist.
    · Die Luftfahrtbranche muss ihren Teil zur Minderung der CO2-Emissionen leisten, indem sie den CO2-Ausstoss an der
       Quelle vermindert. Das CO2-Gesetz hingegen sucht die Lösung im Mobilitätsverhalten der Bevölkerung.
    · Die drei zentralen Forderungen der Luftfahrt sind im Gesetz nicht enthalten:
       1. Zweckbindung
    		 · Ein teilweiser Nutzen entsteht einzig, wenn die Gelder aus der CO2-Flugticketabgabe für klimawirksame Massnahmen
          im Luftverkehr verwendet werden.
    		 · Das CO2-Gesetz sieht aufgrund der Ausgestaltung als Lenkungsabgabe eine Rückverteilung an die Bevölkerung von
          mindestens 50% der Erlöse vor.
    		 · Das Gesetz enthält nur eine vage Zweckbindung der Erlöse aus der Flugticketabgabe für den Luftverkehr und zu viele
          «kann»-Formulierungen.
    		 · Die Gelder werden u.a. auch systemfremd eingesetzt (z. B. Subventionen für Gebäudesanierungen).
    		        → siehe Grafik auf Seite 9: «Was der Luftfahrt von der CO2-Flugticketabgabe bleibt»
       2. Ausschluss einer höheren Bepreisung von Langstreckenflügen
    		 · Das Gesetz sieht vor, dass der Bundesrat die Höhe der Flugticketabgabe unter Berücksichtigung der Flugstrecke
          festlegen kann.
    		 · Je weiter entfernt eine Zieldestination ist, desto kleiner ist das Angebot an alternativen Verkehrsträgern.
    		 · Werden Langstreckenflüge tatsächlich höher bepreist, erhalten Passagiere den Anreiz, auf andere europäische
              Drehkreuze auszuweichen.
       3. Lösung für den EuroAirport Basel
    		 · Flüge ab dem EuroAirport in Basel, der auf französischem Gebiet liegt, können nach französischem Verkehrsrecht
          durchgeführt werden und sind damit von der Erhebung der Flugticketabgabe ausgenommen.
    		 · Das erzeugt Ausweichverkehr und schwächt die anderen Schweizer Landesflughäfen.
    		 · Eine Lösung über die Verhandlung eines Staatsvertrags mit Frankreich ist wieder aus dem Gesetzesentwurf gestri-
              chen worden.
Frühling 2021 | 08

Bruchteil der aus der Flugticketabgabe generierten Einnah-       Einige politische Vorstösse auf Bundesebene und im Kanton
men von fast 1 Mrd. Franken pro Jahr kommen der Luftfahrt        Zürich verlangen eine Substitution von Kurzstreckenflügen
zugute. Der Rest wird zur Hälfte über die Krankenkassen­         durch Bahnverbindungen. Wie stehen Sie dazu?
prämien wieder zurückerstattet und zur anderen Hälfte an         Ich bin klar der Meinung, dass die Bahn bis zu einer gewissen
ein breites Spektrum von Bittstellern verteilt, von Subven­      Reisedistanz eine sinnvolle Alternative zum Flugzeug ist,
tionen an Gebäudesanierungen über die Forschung bis zur          beispielsweise für Reisen nach Paris oder Frankfurt. Für ver-
Landwirtschaft.                                                  gleichbare Strecken ist ein attraktives Angebot von Fern­
      Ziel soll ja nicht eine Schwächung der Luftfahrt (und      zugverbindungen deshalb legitim. Bereits bei längeren Kurz-
damit unserer internationalen Anbindung) sein, sondern           ­strecken gibt es jedoch keine geeigneten Alternativen zum Flug-
vielmehr soll das Fliegen als solches klimaneutral werden,        verkehr. So dauert eine Zugfahrt nach Wien oder Hamburg
was vor allem durch den Einsatz von nachhaltigen Flug­            über acht Stunden.
treibstoffen realistisch erscheint. Würden die Erträge der              Bei den Forderungen nach einer Substitution von
Flugticketabgabe für den Kauf nicht-fossiler Treibstoffe ver-     Kurzstreckenflügen wird zudem häufig ausser Acht gelassen,
wendet, könnten bereits heute jährlich rund 10% der CO2-          dass der Bau von Bahnstrecken ressourcen- und emissions-
Emissionen in der Luftfahrt reduziert werden – mit sinkenden      intensiv ist. Ausserdem passieren und beschallen (Nacht-)
Preisen bei höheren Produktionsvolumen liegt sogar deutlich       Züge auf ihren langen Fahrten noch viel mehr Wohngebiete
mehr drin. Unsere Welt ist zu international vernetzt, als dass    als Flughäfen. Auch aus ökologischen Überlegungen und
wir auf die Luftfahrt verzichten können – wir müssen deshalb      aus Rücksicht auf die Bevölkerung macht es daher Sinn, statt
vor allem darauf fokussieren, wie das Fliegen klimascho­nen­­-    der Verlagerung auf die Bahn eine Zukunft mit Flügen ohne
der wird.                                                         fossilen Treibstoff anzustreben.
                                                                        Staatliche Massnahmen mit dem Ziel, den Flugverkehr
Gibt es weitere Punkte im CO2-Gesetz, mit denen Sie               einzuschränken, sind verfehlt und bedeuten einen nicht
nicht einverstanden sind?                                         sinnvollen Eingriff in den Wettbewerb unter den verschiede-
Das Parlament hat es verpasst, eine Lösung für den französi-      nen Verkehrsträgern. Des Weiteren gefährden sie die globale
schen Sektor des EuroAirports in Basel zu finden. Zudem           Erreichbarkeit der Schweiz, da ein gewisser Anteil von
fehlt grundsätzlich eine Harmonisierung innerhalb Europas.        Kurzstreckenflügen für den Betrieb eines interkontinentalen
Das wird Ausweichverkehr generieren: Wenn eine Familie            Luftverkehrsdrehkreuzes unabdingbar ist.
nach Singapur reisen möchte, wird sie via München, Frankfurt
oder Wien reisen und nicht direkt ab Zürich fliegen, weil dies
teurer wäre. Das führt dazu, dass wir am Schluss mehrere
Verlierer haben: Unserem Land entgeht Wertschöpfung, die
Schweizer Luftfahrt verliert Stellen und das Klima wird durch
die längeren Wege zusätzlich belastet.

Es gibt Stimmen, die in der Pandemie das Ende des Luft­
verkehrs sehen: Corona habe gezeigt, dass das Fliegen
nicht nötig sei. Ist die Luftfahrt ein Auslaufmodell?
Im Gegenteil. Die exportorientierte Schweiz verdankt ihren
Wohlstand zu einem grossen Teil dem internationalen Handel.
Dabei ist die hervorragende globale Anbindung für die hiesige
Volkswirtschaft und den Schweizer Forschungs- und Wirt-
schaftsstandort ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die Globa-
lisierung ist ein unumkehrbarer Prozess. Langfristig ändert
die gegenwärtige Krise nichts an der Tatsache, dass die Welt
vernetzt bleiben wird und die internationale Arbeitsteilung
sowie der globale gesellschaftliche Austausch weiter zuneh-
men werden. Daraus ergibt sich unweigerlich ein weiterhin
wachsendes Mobilitätsbedürfnis. Wer sagt, die Luftfahrt habe
nach Corona ausgedient, verkennt diese Zusammenhänge.
       Zudem hat sich während der Pandemie gezeigt, wie
wichtig der Luftverkehr für die Landesversorgung ist.
Trotz hoher Verluste blieb der Flughafen Zürich ständig in
Betrieb und ermöglichte die Einfuhr von dringend benötigtem
medi­zinischen Material sowie die Durchführung von Repatriie-
rungsflügen.

                                                                         → siehe Grafik auf Seite 9: «Was der Luftfahrt von der CO2-Flugticketabgabe bleibt»
09 | Politikbrief

    WAS DER LUFTFAHRT VON DER CO2-FLUGTICKETABGABE BLEIBT

                                                                                                Klimafonds
                           CHF

                                                               M io.
                       F

                                                             0
                                                         F 49
                    CH

                                                    CH
                           CHF

       CHF 1 Mia.
             Flugticketabgaben
                  in einem
              «normalen Jahr»

                                                  CHF ? Mio.
                                                    für Luftfahrt

                                                                                  CHF 30 Mio.
                                                                                        Nachtzüge

                                                                 CHF 25 Mio.                        CHF ? Mio.
                CHF 510 Mio.                                           Kantone                         Verwaltungs-
                       zurück an                                    und Gemeinden                        aufwand
                    die Bevölkerung
                      (Lenkungs-                                                CHF ? Mio.
                        abgabe)                                            weitere Zuweisungen
                                                                           an systemfremde Mass­nahmen möglich,
                                                                                 da eine klare Zweckbindung
                                                                                    für die Luftfahrt fehlt.

         FA ZIT:
         • Das CO2-Gesetz legt keine minimale Zweckbindung für die Luftfahrt aus der Flugticketabgabe fest,
            sondern erwähnt lediglich vage «kann»-Formulierungen.
         • Im besten Fall fliesst von den Einnahmen aus der Abgabe nicht einmal die Hälfte für Massnahmen zur
            Reduktion des CO2-Ausstosses des Luftverkehrs zurück.
         • Des Weiteren sind viele andere systemfremde Bezüger genauso bezugsberechtigt, so unter anderem
            Gebäudesanierungen (Art. 55), die Grundlagen­forschung (Art. 56) oder der grenzüberschreitende
            Schienen­verkehr (Art. 57 Abs. 4). Der Bundesrat hat zudem «die wirtschaftliche Situation des ländlichen
            Raums und der Bergregionen» zu berücksichtigen (Art. 55 Abs. 3).
Frühling 2021 | 10

FACHBEGRIFFE KURZ ERKLÄRT – EIN FLUGHAFENGLOSSAR

Flugwegüberwachung
Die Abflugrouten am Flughafen Zürich wurden aus Gründen des Lärmschutzes so definiert, dass dicht besiedelte Gebiete
in der Flughafennachbarschaft möglichst nicht direkt überflogen werden. Deshalb müssen die Piloten und Fluglotsen
diese lärmoptimierten Routen tagsüber (06.00–22.00 Uhr) bis auf eine Höhe von 1500 m über Meer und nachts (22.00–
06.00 Uhr) bis 2500 m über Meer einhalten. Die Lärmfachleute der Flughafen Zürich AG überprüfen die Einhaltung der
Abflugrouten mit Hilfe des «Airport Track And Noise Monitoring System» (ATANOMS). Dieses System zeichnet die Flug­
spuren auf und registriert Abweichungen von der vorgeschriebenen Sollroute.

Obwohl sie vorgegeben sind, können die Flugrouten nicht mit einer fest fixierten Streckenführung (wie z. B. dem Schienen-
netz) verglichen werden. Flugwege werden nämlich durch verschiedene Faktoren wie die Wetterverhältnisse, die Ge-
schwindigkeit, das Gewicht oder etwa die Querneigung der Flugzeuge beeinflusst.

Flugwegabweichungen sind zulässig, wenn der Pilot etwa einer Gewitterwolke ausweicht oder die Flugsicherung eine
Richtungsänderung über Funk anweist, um eine Annäherung an ein anderes Flugzeug zu vermeiden. Ausserdem dürfen
die Flugzeuge von den definierten Flugrouten abweichen, um Flugwege abzukürzen und damit Treibstoff und Zeit zu
sparen, sobald sie eine Höhe von 1500 m über Meer tagsüber und 2500 m über Meer nachts erreicht haben.

Bei unbegründeten Abweichungen leitet die Flughafen Zürich AG eine Untersuchung ein und verlangt vom Piloten der
betreffenden Fluggesellschaft eine schriftliche Stellungnahme. Das Ziel dieser Verfahren ist ein verbessertes Verständnis
für die möglichst präzise Einhaltung von Flugrouten. Zumeist wird dieses Ziel im Dialog zwischen den Fluglärmfachleuten
und dem Piloten oder den Vertretern der Fluggesellschaft zufriedenstellend erreicht. Andernfalls kann es zur Anzeige beim
Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) kommen.
Verkehrsentwicklung
 Alle Werte jeweils von Januar bis Dezember 2020

 Die aktuellen Verkehrszahlen sind monatlich im Internet unter
 www.flughafen-zuerich.ch/investorrelations abrufbar.                                  6’288’226
                                                                                  Lokalpassagiere
                                                                                                Veränderung
                                                                                             gegenüber 2019
                                                                                                     – 71.7 %

         2’005’062
         Transferpassagiere                                                                           24.2 %
         Veränderung
         gegenüber 2019
                                                                                               Transferanteil
         –78.2 %                                                                                       Veränderung
                                                                                                   gegenüber 2019
                                                                                                – 5.1 Prozentpunkte

 111’328
 Flugbewegungen
 Veränderung
 gegenüber 2019
 –59.6 %                                                               8’341’047
                                                                 Total Passagiere
                                                                         Veränderung
                                                                      gegenüber 2019
                                                                             – 73.5 %
                   291’163 t
                   Fracht
                   Veränderung
                   gegenüber 2019
                   –35.6 %

Impressum
Flughafen Zürich AG
Public Affairs
politikbrief@zurich-airport.com
                                                                                        Das Online-Archiv der ­
©Flughafen Zürich AG, Postfach, CH-8058 Zürich-Flughafen                                Politikbriefe finden Sie hier:
www.flughafen-zuerich.ch                                                                www.flughafen-zuerich.ch/politikbrief
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