Bildungsplan 2016 Lehrkräftebegleitheft - Bildungspläne Baden-Württemberg

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Bildungsplan 2016 Lehrkräftebegleitheft - Bildungspläne Baden-Württemberg
Lehrkräftebegleitheft

Bildungsplan 2016
Bildungsplan 2016 Lehrkräftebegleitheft - Bildungspläne Baden-Württemberg
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Bildungsplan 2016 Lehrkräftebegleitheft - Bildungspläne Baden-Württemberg
INHALT

Inhalt

Einführung in den Bildungsplan 2016  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4

Hinweise zu den Bildungsplänen 2016  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16

Schulartspezifische Hinweise .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 19

Hinweise zur Nutzung des beigefügten USB-Sticks .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 26

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Bildungsplan 2016 Lehrkräftebegleitheft - Bildungspläne Baden-Württemberg
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

Einführung in den Bildungsplan 2016
HANS ANAND PANT

WARUM EIN „NEUER“ BILDUNGSPLAN?                               Durch diese für Deutschland ernüchternden Ergebnisse hat
ANLÄSSE UND ABSICHTEN DER BILDUNGS-                           sich die staatliche Sicht auf die Frage grundlegend gewan-
PLANREFORM                                                    delt, wie die Qualität des Schulsystems am besten gesteuert
                                                              werden kann. Die Aufmerksamkeit richtete sich nicht mehr
Zwölf Jahre nach dem Bildungsplan von 2004 stellt das         allein auf die Frage, welche fachlichen Inhalte, welcher
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport einen neuen          „Stoff“ also in der Schule beigebracht werden soll, sondern
– oder besser gesagt: weiterentwickelten – Bildungsplan       stärker auch auf die Frage, was Schülerinnen und Schüler
für die allgemein bildenden Schulen des Landes Baden-         am Ende bestimmter Bildungsabschnitte wirklich wissen
Württemberg vor. Eine ganze Reihe von fachlichen und          und können (sollen). Aus stoff-inhaltlich geprägten, tradi-
gesellschaftlichen Entwicklungen begründet diesen Schritt.    tionellen Lehr- oder Rahmenplänen wurden kompetenz-
So wurde der Bildungsplan von 2004 unmittelbar vor der        orientierte Bildungspläne.
Verabschiedung der länderübergreifenden Bildungsstan-
dards der Kultusministerkonferenz (KMK) aller 16 Länder       Insgesamt wurde in Folge der schwachen PISA-Ergebnisse
erarbeitet. Seitdem haben die Länder in der Bundesrepu-       eine ganze Reihe bildungspolitischer Reformen in Angriff
blik Deutschland ihre Bildungspläne und Kerncurricula         genommen, wie beispielsweise der Ausbau von Ganztags-
an diesen verbindlichen KMK-Vorgaben ausgerichtet und         angeboten, die verbesserte Durchlässigkeit von Bildungs-
entsprechend neu verfasst. Die zentrale Neuerung betrifft     gängen oder die fast flächendeckende Bereitstellung von
dabei fast überall die Umstellung auf eine durchgängige       Sprachförderangeboten im vorschulischen und schulischen
Kompetenzorientierung, zu deren Bedeutung im Fol-             Bereich. Die Resultate des zweiten PISA-Zyklus ab 2009
genden noch Näheres ausgeführt werden soll. Zwar wies         belegen, dass sich vor allem die Kompetenzen der Schü-
auch der baden-württembergische Bildungsplan von 2004         lerinnen und Schüler aus Zuwanderungsfamilien deutsch-
einen starken Bezug zum Kompetenzkonzept auf, er konn-        landweit stark verbessert haben. Dies ist fast allein dafür
te damals aber noch nicht auf die bildungstheoretischen,      verantwortlich, dass Deutschland im internationalen Ver-
pädagogischen und fachdidaktischen Diskussionen des           gleich inzwischen deutlich besser dasteht als noch zu Be-
Kompetenzverständnisses sowie die schulpraktischen Er-        ginn des Jahrtausends.
fahrungen zurückgreifen, die in den Jahren nach Einfüh-
rung der KMK-Bildungsstandards gesammelt wurden. Dies         Die Entkopplung von sozialer Herkunft, Zuwanderungs-
greift der vorliegende Bildungsplan auf.                      geschichte und Bildungserfolg sowie die Anhebung des
                                                              Kompetenzniveaus insbesondere in den mathematisch-
Die Bildungssysteme der Länder wurden durch die Er-           naturwissenschaftlichen Fächern stellen für sich genommen
gebnisse der internationalen Schulleistungsvergleiche wie     bereits erhebliche Herausforderungen für alle Bildungs-
PISA oder TIMMS um das Jahr 2000 kalt erwischt. Zur           systeme dar. Seit Verabschiedung des Bildungsplans 2004
Erinnerung: Die Leistungen im Lesen befanden sich im in-      in Baden-Württemberg sind bedeutende demografische
ternationalen Vergleich im unteren Drittel, die Leistungen    und gesellschaftspolitische Entwicklungen hinzugekom-
im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich waren         men, denen die Schulen des Landes und damit auch dieser
bestenfalls durchschnittlich. Ein erschreckend großer An-     neue Bildungsplan sich stellen müssen. Einige Beispiele:
teil der 15-Jährigen in Deutschland – mehr als jeder Fünfte
– konnte nur unzureichend lesen oder rechnen. Generell          Wie in den meisten Flächenländern gehen auch in Baden-
zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler aus unteren          Württemberg die Vorausrechnungen zur Bevölkerungs-
sozialen Schichten und insbesondere diejenigen mit Zu-          entwicklung von einer weiteren Veränderung der Alters-
wanderungshintergrund in den Schulen hierzulande be-            struktur aus. Danach ist bis zum Jahr 2030 ein Rückgang
nachteiligt waren.                                              der unter 20-Jährigen von derzeit knapp 20 % auf etwas

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EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

unter 18 % zu erwarten. Damit verbunden ist ein Anstieg       rungshintergrund im weiteren Sinn in Baden-Württem-
des Durchschnittsalters der Bevölkerung. 1990 lag dieser      berg; das entspricht knapp 28 % der Gesamtbevölkerung.
Wert bei 38,8 Jahren, bis zum Jahr 2012 war er auf 43,0       Mit fast 818.000 Kindern, Jugendlichen und jungen Er-
Jahre angestiegen, für 2030 ergeben die Vorausrechnun-        wachsenen waren nahezu 28 % und damit mehr als ein
gen ein Durchschnittsalter von 45,7 Jahren (Landesins-        Viertel jünger als 20 Jahre. Das bedeutet auch, dass in der
titut für Schulentwicklung & Statistisches Landesamt          Gruppe der unter 20-Jährigen fast 40 % der Bevölkerung
Baden-Württemberg, 2015).                                     Baden-Württembergs einen Zuwanderungshintergrund
Dies hat zur Folge, dass nicht alle Schulstandorte inner-     haben (Landesinstitut für Schulentwicklung & Statisti-
halb eines stark gegliederten Schulwesens erhalten blei-      sches Landesamt Baden-Württemberg, 2015).
ben können. Baden-Württemberg hat darauf mit einer
regionalen Schulentwicklung reagiert, die eine Loslösung      Der baden-württembergische Industrie- und Handels-
vom Denken in Schularten bedeutet und stattdessen die         kammertag prognostiziert im Jahr 2015 bis zum Jahr
Bildungsabschlüsse stärker in den Blick nimmt. Damit          2030 über alle Branchen hinweg einen flächendeckenden
wird die Chance eröffnet, dass allen Schülerinnen und         Fachkräftemangel von 9,1 % bezogen auf die Fachkräfte-
Schülern der von ihnen gewünschte und ihren Fähigkei-         nachfrage (Baden-Württembergischer Industrie- und Han-
ten entsprechende Abschluss in zumutbarer Erreichbar-         delskammertag, 2015).
keit zu ihrem Wohnort angeboten werden kann. Erklärtes
Ziel ist die Schaffung eines Zwei-Säulen-Systems, dessen      Nach der neuesten Vorausrechnung der Kultusminister-
eine Säule das Gymnasium ist. Die zweite Säule soll aus ei-   konferenz (Stand 2014/15) wird im Zeitraum zwischen
nem integrativen Bildungsweg bestehen, der sich aus den       2013 und 2025 die Zahl der Studienanfänger im 1. Hoch-
auf der Grundschule aufbauenden Schularten entwickelt.        schulsemester in Baden-Württemberg um 15 % zurück-
Die Einführung der Gemeinschaftsschule zum Schuljahr          gehen, bundesweit hingegen nur um 10 %.
2012/13, die Schülerinnen und Schüler je nach individuel-
ler Leistungsvoraussetzung und Lernentwicklung auf den        Im Zuge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon-
Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss oder das          vention von 2006 durch eine entsprechende Gesetzge-
Abitur vorbereitet, war hierzu ein wichtiger Schritt.         bung wurde zum Schuljahr 2015/16 in Baden-Württem-
                                                              berg die Inklusion im Schulgesetz verankert. Im Sinne
Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2013 lebten in           gleicher Teilhabechancen soll das gemeinsame Lernen
diesem Jahr fast 3 Millionen Menschen mit Zuwande-            von jungen Menschen mit und ohne Behinderung selbst-

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EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

  verständlicher Bestandteil des allgemeinen Bildungs-       plan für die Sekundarstufe I, der die Einzelpläne für
  wesens sein. Schule und Unterricht müssen deshalb          Werkrealschule, Hauptschule und Realschule ablöst. Die-
  so konzipiert werden, dass junge Menschen mit einem        ser Bildungsplan gilt für die genannten Schularten sowie
  festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bil-   für die Gemeinschaftsschule und weist durchgängig drei
  dungsangebot für sich ein Höchstmaß an Unabhängigkeit      Niveaustufen aus:
  und Selbstbestimmung erreichen. In inklusiven Bildungs-     • ein grundlegendes Niveau (G), das zum Hauptschul-
  angeboten stellen die Bildungspläne der sonderpädago-         und mit einer Phase der Vertiefung zum Werkreal-
  gischen Bildungs- und Beratungszentren eine wichtige          schulabschluss führt,
  Orientierungsgrundlage für den Unterricht mit Schüle-       • ein mittleres Niveau (M), das zum Realschulabschluss
  rinnen und Schülern mit einem festgestellten Anspruch         führt, und
  auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot dar.            • ein erweitertes, gymnasiales Niveau (E), das Schüle-
                                                                rinnen und Schülern einen neunjährigen Bildungsweg
Zusammengenommen ergeben die genannten Entwick-                 zum Abitur eröffnet.
lungen und Herausforderungen seit dem Erscheinen des
Bildungsplans 2004 genügend Anlässe für eine substan-        Damit wird die Grundlage für individualisierte Lernange-
zielle und zielgerichtete Bildungsplanreform.                bote geschaffen, die auf die unterschiedlichen Fähigkei-
                                                             ten und die individuellen Lern- und Leistungsentwick-
Erklärtes Ziel der Bildungsplanreform ist die Stärkung der   lungen der Schülerinnen und Schüler eingehen sollen.
Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg. Dazu zäh-
len der Abbau von Bildungshürden, die Verbesserung der       Der eigenständige Bildungsplan für das Gymnasium ist
Durchlässigkeit im Bildungssystem und eine systematische     inhaltlich und strukturell mit dem gemeinsamen Bil-
individuelle Förderung als Grundlage für einen angemes-      dungsplan abgestimmt.
senen Umgang mit Heterogenität.
                                                             Der Bildungsplan der Grundschule knüpft an den baden-
Leitend für die Bildungsplanreform 2016 waren folgende       württembergischen Orientierungsplan für Bildung und
Eckpunkte:                                                   Erziehung im vorschulischen Bereich an und schafft die
                                                             Grundlage für alle weiterführenden Bildungsgänge. In
  Als weitestreichende strukturelle Neuerung gibt es erst-   der Grundschule beginnt die Fremdsprache in der ersten
  mals einen gemeinsamen, abschlussbezogenen Bildungs-       Klasse und ist an der Rheinschiene Französisch, in den
                                                             übrigen Landesteilen Englisch.

                                                             In sechs Leitperspektiven werden Fähigkeitsbereiche an-
                                                             gesprochen, die nicht einem einzigen Fach zugeordnet,
                                                             sondern übergreifend in verschiedenen Fächern ent-
                                                             wickelt werden sollen. Leitperspektiven sind: Bildung
                                                             für nachhaltige Entwicklung (BNE), Bildung für Tole-
                                                             ranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV), Prävention und
                                                             Gesundheitsförderung (PG), Berufliche Orientierung
                                                             (BO), Medienbildung (MB), Verbraucherbildung (VB).

                                                             Die zweite Fremdsprache beginnt in Gymnasium, Real-
                                                             schule und Gemeinschaftsschule einheitlich in Klasse 6.
                                                             Ziel ist es unter anderem, hierdurch das bilinguale
                                                             Lehren und Lernen zu stärken.

                                                             Die bisherigen schulartspezifischen Fächerverbünde wer-
                                                             den aufgelöst. Stärker fachbezogene Bildungspläne stel-
                                                             len die Bedeutung der Fachlichkeit und die Enwicklung
                                                             der fachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schü-
                                                             ler in den Mittelpunkt; auf der Basis gefestigter fachlicher

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EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

  Kompetenzen können die Aspekte fächerverbindenden
  Lernens zum Tragen kommen.

  In dem neuen schulartenübergreifenden Fächerverbund
  „Biologie, Naturphänomene und Technik“ (BNT) für die
  Orientierungsstufe (5. und 6. Klasse) sind neben Schwer-
  punktthemen der Biologie auch chemische, physikalische
  und technische Inhalte verankert. Integrative Themen-
  felder weisen das Fächerverbindende aus.

  Durch das in allen weiterführenden Schularten neu ein-
  geführte Fach „Wirtschaft / Berufs- und Studienorientie-
  rung“ sollen die ökonomische Bildung der Schülerinnen
  und Schüler und deren Berufs- und Studienorientie-
  rungsprozess gefördert werden.

  Das neue Wahlpflichtfach „Alltagskultur, Ernährung,
  Soziales“ (AES) im gemeinsamen Bildungsplan der            wesentlich (mit-) bestimmen, verbleibt die oberste Aufsicht
  Sekundarstufe I harmonisiert die Inhalte der bisherigen    über das Schulwesen in den Händen des Staates (Artikel
  Wahlpflichtfächer „Mensch und Umwelt“ (Realschule)         7, Absatz 1 Grundgesetz). Aus verfassungsrechtlicher Sicht
  und „Gesundheit und Soziales“ (Werkrealschule / Haupt-     besteht diese oberste Aufsichtspflicht des Staates über das
  schule) sowie des Fächerverbunds „Wirtschaft – Arbeit –    Schulwesen in der Gestaltung des staatlichen Bildungs- und
  Gesundheit“ (Werkrealschule / Hauptschule).                Erziehungsauftrags im Einklang mit weiteren grundgesetz-
                                                             lichen Vorgaben wie beispielsweise dem Entfaltungsgrund-
Ohne Zweifel stellen die Ziele der Bildungsplanreform 2016   recht von Kindern und Jugendlichen.
und die dazu aufgestellten Eckpunkte ein ambitioniertes
Programm der Weiterentwicklung des Bildungsplans von         Aus dem sehr abstrakten staatlichen Bildungs- und Erzie-
2004 dar. Landesregierung und Kultusverwaltung haben         hungsauftrag leitet sich die Verpflichtung des Staates ab,
zahlreiche Maßnahmen initiiert und begleitende Gremien       Bildungs- und Erziehungsziele festzulegen und rechtlich
eingesetzt, die die neuen Bildungspläne schon vor deren      auszugestalten. Eigentlich wäre nun das Grundgesetz der
Verabschiedung zu einem im besten Sinne öffentlichen Gut     geeignete Ort für die Festlegung oberster Bildungsziele. Im
werden ließen.                                               föderalen Verfassungsstaat Bundesrepublik Deutschland
                                                             liegt jedoch die Pflicht zur Wahrnehmung des staatlichen
                                                             Bildungs- und Erziehungsauftrags bei den Ländern und ist
WAS SOLL UND DARF EIN BILDUNGSPLAN –                         dort in den Landesverfassungen und Landesschulgesetzen
UND WAS DARF ER NICHT?                                       festgeschrieben. In den Bildungsplänen werden die allge-
DIE GESETZLICHEN GRUNDLAGEN IM                               meinen Bildungs- und Erziehungsziele immer wieder neu
FÖDERALEN VERFASSUNGSSTAAT                                   konkretisiert.
                                                             In der Landesverfassung Baden-Württembergs heißt es zu-
Der schulische Alltag ist von rechtlichen Regelungen         nächst im Artikel 12, Absatz 1 ganz allgemein:
durchdrungen. In Schulen werden Noten vergeben und           „Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christ-
berechnet, Zeugnisse erteilt, an Schulen werden in Form      lichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und
der Abschlüsse wichtige Übergangs- und Zugangsberech-        zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittli-
tigungen erworben.                                           cher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und
                                                             sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer
Gerade weil die an Schulen gebahnten und getroffenen         Gesinnung zu erziehen.“
Entscheidungen für die individuellen Lebenswege aller
Schülerinnen und Schüler existenziell sind und die Zu-       Eine rechtliche Ebene tiefer wird das baden-württember-
kunftschancen hinsichtlich Status, Einkommen, Gesund-        gische Schulgesetz etwas konkreter, verbleibt aber immer
heit, Lebenszufriedenheit und möglicherweise auch Glück      noch sehr im Allgemeinen (Schulgesetz §1, Absatz 2):

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EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

                                                                   muss. Dabei gilt es, Aspekte der Persönlichkeitsbildung und
                                                                   -stärkung, der Bildung zur Gemeinschafts- und Teilhabe-
                                                                   fähigkeit in einer zunehmend pluralen Gesellschaft sowie
                                                                   die Sensibilisierung für den globalen Kontext des Alltags-
                                                                   handelns in ihrem komplexen wechselseitigen Bedingungs-
                                                                   gefüge zu sehen. Zu den prominentesten Herausforderungen
                                                                   zählen die Überlebensfrage angesichts der Begrenztheit
                                                                   eigener und natürlicher Ressourcen (Nachhaltigkeit), die
                                                                   Orientierungsfähigkeit, Verantwortungsübernahme und
                                                                   Konfliktfähigkeit angesichts konkurrierender Geltungs-
                                                                   ansprüche in der modernen Gesellschaft (Pluralitätsfähig-
                                                                   keit) sowie die Frage nach einem achtsamen Umgang mit
                                                                   eigenen psychischen und physischen Möglichkeiten und
                                                                   Grenzen (Resilienz) sowie denen des Anderen (Empathie).
                                                                   Hinzu kommen die Herausforderungen etwa in Gestalt ei-
                                                                   ner sich rasant verändernden Berufs- und Arbeitswelt, der
                                                                   Digitalisierung sowie der Ökonomisierung.

                                                                   Diese Summe an Herausforderungen führt zu der Unter-
„Die Schule hat den in der Landesverfassung verankerten            scheidung zwischen allgemeinen und themenspezifischen
Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. Über             Leitperspektiven. Diese Unterscheidung bedeutet keine
die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten           Gewichtung, sondern wirkt sich auf die Verankerung der
hinaus ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler           Leitperspektiven in den einzelnen Fächern aus. Während
•   in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächs-       die allgemeinen Leitperspektiven prinzipiell jedem Fach
    tenliebe, zur Menschlichkeit und Friedensliebe, in der Liebe   aufgetragen sind, weisen die themenspezifischen Leitper-
    zu Volk und Heimat, zur Achtung der Würde und der Über-        spektiven eine stärkere Affinität zu einzelnen Fächern auf.
    zeugung anderer, zu Leistungswillen und Eigenverantwor-
                                                                   a) Allgemeine Leitperspektiven
    tung sowie zu sozialer Bewährung zu erziehen und in der
    Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern,         Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Sinne der
•   zur Anerkennung der Wert- und Ordnungsvorstellungen              Befähigung zur verantwortungsvollen und aktiven Gestal-
    der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erzie-           tung einer zukunftsfähigen Welt;
    hen, die im Einzelnen eine Auseinandersetzung mit ihnen
    nicht ausschließt, wobei jedoch die freiheitlich-demokra-        Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
    tische Grundordnung, wie in Grundgesetz und Landesver-           im Sinne der Befähigung zu Toleranz und Akzeptanz von
    fassung verankert, nicht in Frage gestellt werden darf,          sowie zu diskriminierungsfreiem Umgang mit Vielfalt
•   auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen staats-             in personaler, religiöser, geschlechtlicher, kultureller,
    bürgerlichen Rechte und Pflichten vorzubereiten und die          ethnischer und sozialer Hinsicht;
    dazu notwendige Urteils- und Entscheidungsfähigkeit zu
    vermitteln,                                                      Prävention und Gesundheitsförderung (PG)     im Sinne
•   auf die Mannigfaltigkeit der Lebensaufgaben und auf die          einer Stärkung der Persönlichkeit durch die Förderung
    Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt mit ihren unter-       eines sozial kompetenten und gesundheitsbewussten
    schiedlichen Aufgaben und Entwicklungen vorzubereiten.“          Umgangs mit sich selbst und anderen.
Diese allgemeinen Bildungs- und Erziehungsziele werden
im Bildungsplan 2016 in besonderer Weise in den fach-
                                                                   b) Themenspezifische Leitperspektiven
übergreifenden Leitperspektiven aufgegriffen und in den
Fachplänen konkretisiert. Die Leitperspektiven sind also in          Berufliche Orientierung (BO) im Sinne einer Unterstüt-
ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenspiel zu verstehen                zung und Vorbereitung von tragfähigen, begabungs- und
als zeitgemäße Auslegung solcher normativen Grundlagen,              entwicklungsgerechten Entscheidungen und Weichen-
eine Auslegung, die jede Generation angesichts wechseln-             stellungen für kommende Berufswege sowie für lebens-
der Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben von Neuem leisten               langes Lernen;

                         8
Bildungsplan 2016 Lehrkräftebegleitheft - Bildungspläne Baden-Württemberg
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

  Medienbildung (MB)    im Sinne der Befähigung, Medien         selbst ablehnen. Gerade von dieser Fähigkeit hängt jedoch
  sinnvoll auszuwählen, das Medienangebot kritisch zu           langfristig, so argumentiert Sander (2005), das Überleben
  reflektieren, die Medien verantwortlich zu nutzen sowie       aller Gesellschaften in einer globalisierten und vernetzten
  die eigene mediale Präsenz selbstbestimmt zu gestalten;       Welt ab. Perspektivenvielfalt ist dennoch nicht gleichzuset-
                                                                zen mit Wertneutralität; sie erfordert vielmehr einen klaren
  Verbraucherbildung (VB) im Sinne einer Reflexion und          und ausdrücklichen Rückbezug auf die in der Verfassung
  Entwicklung eines verantwortungsbewussten Konsumen-           und im Schulgesetz festgeschriebenen Bildungsziele.
  tenverhaltens.

Das Pluralismusgebot verbietet es dem Staat, im Schul-          BILDUNGSZIELE, KOMPETENZEN,
wesen einseitige Sichtweisen und Standpunkte bei poli-          BILDUNGSSTANDARDS – DIE INTEGRATIVE
tisch oder gesellschaftlich kontroversen Fragen zu pro-         FUNKTION DES BILDUNGSPLANS
pagieren. Als Leitlinien gelten für den Bildungsplan 2016
ausdrücklich die Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses         Während durch Bildungsziele also beschrieben wird, wel-
(vgl. Wehling, 1977, S. 179 f.):                                che allgemeinen Fähigkeiten, Kenntnisse und Werthal-
  1. Überwältigungsverbot. Es ist nicht erlaubt, den Schüler    tungen bei Schülerinnen und Schülern am Ende der Schul-
  – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünsch-         zeit herausgebildet sein sollen, bezeichnen Kompetenzen
  ter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewin-         etwas sehr viel „Handfesteres“, Konkreteres. Menschen sind
  nung eines selbständigen Urteils“ zu hindern. Hier genau      kompetent in einem Fach (z. B. Geschichte), einem enger
  verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung      gefassten Gegenstandsbereich (z. B. Schreiben literarischer
  und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar       Texte) oder für ein bestimmtes Handlungsfeld (z. B. nach-
  mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesell-     haltige Entwicklung).
  schaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung        Der Kompetenzbegriff hat Anfang der 1970er-Jahre Eingang
  von der Mündigkeit des Schülers.                              in die Pädagogik gefunden, um eine Brücke zwischen tradi-
  2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss       tionellen Konzepten der akademischen Allgemeinbildung
  auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forde-        und arbeitswelt- oder berufsbezogenen Qualifikations-
  rung ist mit der vorgenannten aufs Engste verknüpft,          zielen zu ermöglichen (Klieme & Hartig, 2007). Die Ver-
  denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch        fasserinnen und Verfasser des baden-württembergischen
  fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen
  unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination be-
  schritten. (...)
  3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine
  politische Situation und seine eigene Interessenlage zu
  analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die
  vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen
  zu beeinflussen. (...)

Der Politikdidaktiker Wolfgang Sander (2005, S. 9) präzi-
siert zu Recht, dass es sich beim Beutelsbacher Konsens ge-
nau genommen „um einen Konsens über die Legitimität des
Dissens’, oder anders: über die Notwendigkeit von Perspek-
tivenvielfalt“ handelt. Einfacher ausgedrückt: Es wird akzep-
tiert, dass man auch in fundamentalen gesellschaftlichen
und weltanschaulichen Fragen nicht einer Meinung sein
muss. Schule und Unterricht sollen diejenigen Orte sein, wo
das Aushalten solcher Perspektivenvielfalt eingeübt werden
kann und muss – muss deshalb, weil auch in Deutschland
vermehrt Formen des weltanschaulich-religiösen Funda-
mentalismus auftreten, die gerade diese Fähigkeit zur Per-
spektivenvielfalt geringschätzen und Perspektivenvielfalt

                                                                                                    9
Bildungsplan 2016 Lehrkräftebegleitheft - Bildungspläne Baden-Württemberg
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

Bildungsplans waren gut beraten, sich auf ein in Pädagogik,       die Fähigkeit zur Selbstregulation, d. h. der erfolgreichen
Psychologie und Didaktik breit akzeptiertes Kompetenz-            Verknüpfung von Denken (Kognition), Wollen (Motiva-
verständnis festzulegen, das der Pädagogische Psychologe          tion) und „Anpacken“ (Volition) benötigen;
Franz Emanuel Weinert entwickelt hat. Ihm zufolge sind
Kompetenzen definiert als                                         die Bereitschaft und Fähigkeit zu sozial-kommunikati-
„die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernba-          vem, kooperativem und gleichzeitig zu selbstständigem
ren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte         und selbstverantwortlichem Lernen und Handeln ein-
Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motiva-            schließen und
tionalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähig-
keiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen           nicht zuletzt Haltungen umfassen, die sich in kultur-
erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“              bezogenen Tugenden wie kritisch-reflektierendem, aber
(Weinert, 2001, S. 27 f.).                                        respektvollem Verhalten gegenüber Mensch, Gemein-
                                                                  schaft und Natur ausdrücken.
Wichtige Aspekte dieses Begriffsverständnisses sind, dass
Kompetenzen                                                     Dabei unterscheiden die Fachpläne des Bildungsplans für
                                                                jedes Fach zwischen inhalts- und prozessbezogenen Kompe-
  im Verlauf von Bildungs- und Erziehungsprozessen              tenzen. Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen legen
  erlernt bzw. erworben werden, was insbesondere die            fest, was Schülerinnen und Schüler bis zu einem bestimm-
  Förderbarkeit von Kompetenzen aller Schülerinnen und          ten Zeitpunkt (z. B. Ende Klasse 4, 6, 9, 10 oder 12) können
  Schüler betont;                                               und wissen sollen. Prozessbezogene Kompetenzen kenn-
                                                                zeichnen übergreifende, allgemeine, das Fach betreffende
  die Bewältigung von unterschiedlichen Aufgaben bzw.           Kompetenzen, die nicht an bestimmte Inhalte gebunden
  Lebenssituationen ermöglichen, d. h. einen Bezug zum          sind und sich im Bildungsprozess bis zum Ende des Bil-
  „wirklichen Leben“ aufweisen, und damit eine flexible         dungsgangs herausbilden. Insofern weisen prozessbezogene
  Verbindung von Wissen und Können in der Bewältigung           Kompetenzen diejenigen Aspekte aus, die in einem Fach
  von bekannten und neuen Handlungsanforderungen sind;          themenübergreifend und fortlaufend entwickelt werden.
                                                                Dagegen beschreiben die Standards für inhaltsbezogene
                                                                Kompetenzen, an welchen fachlichen Themen und in wel-
                                                                chen Schritten diese erworben werden sollen.

                                                                Im Fach Mathematik beispielsweise treten neben die tra-
                                                                ditionellen Inhaltsbereiche wie Raum und Form oder
                                                                Funktionale Zusammenhänge nun gleichberechtigt die auf
                                                                mathematische Denk- und Produktionsprozesse bezogenen
                                                                Kompetenzen wie Probleme lösen, Argumentieren und
                                                                Beweisen oder Modellieren. Inhalts- und prozessbezogene
                                                                Kompetenzen sind untrennbar miteinander verbunden,
                                                                damit spezifische Inhalte nicht im Sinne „trägen Wissens“
                                                                isoliert bleiben, sondern vernetzt und über die Schulzeit
                                                                hinweg kumulativ entwickelt werden können.

                                                                Diesen Grundgedanken des vernetzten und kumulativen
                                                                Kompetenzerwerbs greift der Bildungsplan 2016 konse-
                                                                quent durch eine ausgefeilte Struktur von Querverweisen
                                                                auf. Zu fast allen Teilkompetenzen in den Fachplänen wird
                                                                nicht nur auf prozessbezogene Kompetenzen (P) und auf
                                                                unmittelbar „benachbarte“ Kompetenzen im selben Fach (I)
                                                                oder in anderen Fächern (F) verwiesen, sondern auch auf
                                                                die Leitperspektiven (L). Im Bildungsplan der Grundschule
                                                                gibt es zusätzlich Verweise auf den Orientierungsplan (O).

                        10
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

DAS ZUSAMMENSPIEL VON FACHLICHEM
UND ÜBERFACHLICHEM LERNEN IN DER
SCHULE

Zeitgemäße Lehrpläne sind dadurch gekennzeichnet, dass
sie sowohl fachliche als auch überfachliche Kompetenzen
berücksichtigen (vgl. den Schweizer Lehrplan 21, D-EDK,
2014, S. 6). Demzufolge umfassen fachliche Kompetenzen
ein (eher) fachspezifisches Wissen und die damit verbun-
denen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Überfachliche Kom-
petenzen bezeichnen (eher) jenes Wissen und Können, das
über die Einzelfächer hinaus auch für Lernprozesse außer-
halb der Schule von Bedeutung ist. Dazu zählen verschie-
dene methodische, personale und soziale Kompetenzen.
Ein wichtiges Merkmal überfachlicher Kompetenzen ist,
dass an ihrer Entwicklung alle – oder zumindest mehrere
– schulische Fächer mit ihren spezifischen Fachinhalten,
fachlichen Zugängen und Vorgehensweisen beteiligt sein            Baumert hebt dabei insbesondere die Bedeutung des
müssen.                                                           Sprachlernens hervor, wenn er schreibt: „Die Beherrschung
                                                                  der Verkehrssprache in Wort und Schrift – und zwar auf
Der Bildungswissenschaftler Jürgen Baumert hat theore-            einem kompetenten Niveau – ist notwendige Vorausset-
tisch dargelegt, welche Anforderungen in modernen, global-        zung gesellschaftlicher Kommunikationsfähigkeit. Insbe-
vernetzten Gesellschaften ganz allgemein an Bildungspläne         sondere ist die Lesekompetenz Basis jedes selbstständigen
zu stellen sind. Zwei Frageachsen (Dimensionen) seines            Weiterlernens. Schule ist notwendigerweise eine sprach-
Modells sind dabei entscheidend: (1) Welche grundlegend           liche Veranstaltung, und zwar in allen Fächern. Wenn es
verschiedenen Zugänge zum Verständnis der Welt und zur            zentrale Aufgabe der Schule ist, Lernfähigkeit zu kultivie-
Orientierung in der Welt sollen Kinder und Jugendliche            ren, verlangt dies eine reflexive Begegnung mit den Gegen-
in der Schule kennen lernen (Modi der Weltbegegnung)?             ständen der Kultur, die sprachbasiert und kommunikativ
(2) Welche kulturellen Basiskompetenzen brauchen Kinder           ist. Die Vorstellung, Mathematik oder die so genannten
und Jugendliche, um sich jeden dieser Zugänge überhaupt           Realien zum Schutze der Kinder und Jugendlichen aus bil-
erschließen zu können (Basale Kulturwerkzeuge)?                   dungsfernen Familien spracharm unterrichten zu können,
Zu den Modi der Weltbegegnung zählt Baumert (2002) die            reduziert den Bildungsgehalt dieser Gegenstände im Kern.
folgenden vier:                                                   Lesekompetenz ist das Musterbeispiel für eine fächerüber-
   kognitiv-instrumentelle Modellierung der Welt (Mathe-          greifende Schlüsselqualifikation, für deren Aneignung in
   matik, Naturwissenschaften)                                    der Phase des Schriftspracherwerbs die Hauptverantwor-
   ästhetisch-expressive Begegnung und Gestaltung (Spra-          tung zunächst beim muttersprachlichen Unterricht liegt,
   che / Literatur, Musik / Malerei / Bildende Kunst, Physische   die dieser mit zunehmender Schulbesuchsdauer mehr und
   Expression)                                                    mehr mit allen anderen Unterrichtsfächern teilt. Spätestens
   normativ-evaluative Auseinandersetzung mit Wirtschaft          in der Sekundarstufe I ist die Kultivierung des Lesever-
   und Gesellschaft (Geschichte, Ökonomie, Politik-/Gesell-       ständnisses Sache aller Unterrichtsfächer. Dies bedeutet
   schaftswissenschaften, Recht)                                  gleichzeitig, dass Leseverständnis Voraussetzung und Teil
   Probleme konstitutiver Rationalität (Religion, Philosophie).   sprachlich-literarischer Grundbildung ist, mit dieser aber
                                                                  selbstverständlich nicht zusammenfällt“ (Baumert, 2002,
Als basale Kulturwerkzeuge benennt er folgende prozess-           S. 109 f.).
bezogene Basiskompetenzen:
  Beherrschung der Verkehrssprache                                Auch die Fähigkeit zur Selbstregulation nimmt in moder-
  mathematische Modellierungsfähigkeit                            nen Theorien der Kompetenzentwicklung eine immer pro-
  fremdsprachliche Kompetenz                                      minentere Rolle ein. Selbstregulation umschreibt die Fähig-
  IT-Kompetenz                                                    keit, die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen
  Selbstregulation des Wissenserwerbs.                            kontrollieren und steuern zu können. Sie spielt in allen drei

                                                                                                      11
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

Phasen des Lernens – bei der Planung, der Durchführung           demokratisches Handeln können und müssen gelernt
und der Bewertung – eine wichtige Rolle. Der Selbstregu-         werden. (…) Schon in der Grundschule sollen Kinder
lation von Schülerinnen und Schülern liegen u. a. kognitive      Partizipation einüben und an die Grundprinzipien unserer
Prozesse zu Grunde, die in ihrer Gesamtheit auch als exe-        demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung und die
kutive Funktionen bezeichnet werden. Die Förderung der           Unterschiede zu diktatorischen Herrschaftsformen heran-
Kompetenz zur Selbstregulation ist im Bildungsplan 2016          geführt werden, zum Beispiel elementare Grundrechte wie
in der Leitperspektive „Prävention und Gesundheitsförde-         Meinungs- und Pressefreiheit, den politischen Pluralismus
rung“ ausdrücklich berücksichtigt.                               und freie Wahlen (…).“ Wichtige Aspekte für die schulische
                                                                 Arbeit sind hierbei, dass demokratisches Verständnis über
Bildungstheoretisch betrachtet ermöglichen somit die             persönliche Erfahrung und das eigene Handeln entwickelt
im Bildungsplan 2016 vorgenommenen Zuschnitte von                wird und dass Demokratieerziehung als Aufgabe aller
Fächern und die in der Querverweisstruktur angelegte             Fächer verstanden wird.
Vernetztheit von inhalts- und prozessbezogenen, fach-
lichen und überfachlichen Kompetenzen den Aufbau eines           Friedensbildung. Artikel 12 der baden-württembergischen
Orientierungswissens, das den Anforderungen moderner             Landesverfassung regelt, dass die Jugend zur „Brüderlich-
Gesellschaften entspricht.                                       keit aller Menschen und zur Friedensliebe“ zu erziehen ist.
                                                                 Diese Aufgabe kommt den Schulen des Landes, aber auch
Die Balance und das Wechselspiel von fachlichen und über-        der außerschulischen Jugendbildung sowie der Kinder- und
fachlichen Kompetenzen gelingen nur, wenn die Förde-             Jugendarbeit zu. Dazu gehört die Sensibilisierung von Kin-
rung überfachlicher Kompetenzen im Fachunterricht keine          dern und Jugendlichen für den Schutz der Menschenrechte
Nebenrolle spielt, sondern zum integrativen Bestandteil des      und die Wahrung von Frieden und Sicherheit. Dabei kann
täglichen Unterrichts wird.                                      Friedensbildung nicht nur eine Frage der gedanklich-argu-
                                                                 mentativen Auseinandersetzung mit Unterrichtsgegenstän-
Der Bildungsplan 2016 ist angelegt auf vernetztes und nach-      den sein, sondern hängt auch von der erlebten Kultur der
haltiges Lernen insbesondere in den Feldern Demokratie-          Konfliktlösung im schulischen Alltag ab. Programme für
erziehung, Friedensbildung und kulturelle Bildung. Dabei         Streitschlichter und Angebote zur Mediation und Beratung
sollen sich schulisches und außerschulisches Lernen verbin-      im schulischen Bereich können sowohl die Prävention von
den. Das Verständnis, das im neuen Bildungsplan diesen           Gewalt als auch die Einübung von friedlicher Konflikt-
drei wichtigen Feldern zu Grunde gelegt wird, kann wie           lösung durch die Jugendlichen befördern.
folgt umrissen werden:
                                                                 Kulturelle Bildung. Kulturelle Bildung bezeichnet den
Demokratieerziehung. Für die Schule der Gegenwart ist            Lern- und Auseinandersetzungsprozess des Menschen mit
die Fähigkeit zu demokratischem Handeln in mehrfacher            sich, seiner Umwelt und der Gesellschaft im Medium der
Hinsicht zentral. Sie ist konstitutiv für partizipativ gestal-   Künste. Insbesondere ist unter kultureller Bildung „die All-
tete, nachhaltige Schulentwicklung und gleichzeitig stellt       gemeinbildung in den Künsten und durch die Künste“ (Rat
sie ein bedeutsames Lernziel für jeden einzelnen Schüler         für Kulturelle Bildung, 2014, S. 12) zu verstehen. „Mit Kul-
und jede einzelne Schülerin dar. Die Relevanz dieses Hand-       tur im engeren Sinne werden die Künste und ihre Hervor-
lungsfeldes wird durch die Herausforderungen von Inklu-          bringungen bezeichnet: Bildende Kunst, Literatur, die dar-
sion und der Integration von Kindern mit Fluchterfahrung         stellenden Künste (...), Musik, die angewandten Künste wie
nochmals erhöht. Die Schule soll ein Gelegenheitsraum für        Design und Architektur sowie die vielfältigen Kombina-
gelebte Demokratie sein, eine Kultur der Konfliktlösung          tionsformen zwischen ihnen“ (Ermert, 2009, [Internetseite]).
im schulischen Alltag aufweisen und darauf ausgerichtet          Kulturelle Bildung schafft Zugänge zu Kunst und Kultur
sein, Lernprozesse partizipativ zu gestalten.                    im Sinne von Chancengerechtigkeit und gesellschaftlicher
Einschlägig ist in diesem Zusammenhang der Beschluss             Teilhabe. Rezeption, Produktion und Reflexion von Kunst
der Kultusministerkonferenz zur „Stärkung der Demo-              und Kultur fördern künstlerische Fähigkeiten und ästhe-
kratieerziehung“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz            tisches Verständnis. Kulturelle Bildung ist ein substanziel-
der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik              ler Bestandteil dieses Bildungsplans und geeignet, einen
Deutschland, 2009, S. 2 f.), in dem es heißt: „Erziehung         maßgeblichen Beitrag zur Schulkultur zu leisten, zum Bei-
zu Demokratie und Menschenrechten ist eine zentrale Auf-         spiel im Rahmen des Schulcurriculums und in Kooperation
gabe für Schule und Jugendbildung – Demokratie und               mit außerschulischen Partnern.

                      12
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

Durch den hohen Stellenwert, den die Felder Demokratie-         An die Stelle einer primär stofforientierten Unterrichts-
erziehung, Friedensbildung und kulturelle Bildung im Bil-       gestaltung („Was muss durchgenommen werden?“) tritt
dungsplan erhalten, wird der Gefahr einer Verengung des         ein kumulativer Kompetenzaufbau im jeweiligen Fach
schulischen Bildungsverständnisses auf fachliche oder gar       („Wie und was müssen Schülerinnen und Schüler lernen,
nur auf die messbaren Kompetenzen begegnet. Schulische          damit sie am Ende eine bestimmte Kompetenz erworben
Leistungen umfassen stets auch Aspekte jenseits des Fach-       haben?“).
unterrichts, wie z. B. (außerschulische) soziale, politische,
musisch-künstlerische oder sportliche Aktivitäten.              Dazu muss die abstrakte Vorstellung vom Kompetenzauf-
                                                                bau zunächst fachdidaktisch fundiert und anschaulich
                                                                heruntergebrochen werden.

ORIENTIERUNG, BEGLEITUNG, ANLEITUNG:                            Die Bildungspläne 2016 sind so aufgebaut, dass sie die
DER BILDUNGSPLAN ALS ERFAHRUNGS-                                Aspekte der Struktur eines Kompetenzbereichs (z. B. im
OFFENES SYSTEM                                                  Fach Deutsch die Unterscheidung in die Bereiche Texte
                                                                und andere Medien und Sprachgebrauch und Sprachre-
Kompetenzorientierung im Unterrichtsalltag entsteht nicht       flexion) und der Entwicklung von Kompetenzen im Zeit-
durch Bildungspläne, selbst wenn diese ein noch so kon-         verlauf in den verschiedenen Standardstufen unterscheiden.
kretes Orientierungsraster hinsichtlich der erwarteten
Kompetenzen bieten.                                             Im gemeinsamen Bildungsplan für die Sekundarstufe I
                                                                kommt die Graduierung von Kompetenzen in den drei
Im Unterrichtskontext verbindet sich Kompetenzorien-            Niveaustufen G, M und E hinzu. Diese Graduierung zwi-
tierung ganz allgemein mit dem geschärften Blick auf die        schen den Niveaustufen erfolgt beispielsweise durch die
tatsächlich erreichten Lernergebnisse.                          Menge der verpflichtend zu bearbeitenden Inhalte, die
                                                                Durchdringungstiefe oder durch den Grad an Abstraktion.

                                                                                                  13
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

                                                     Leitperspektiven

                                                      BNE          MB

                                                   BTV                BO

                                                       PG          VB

             Grundschule                           Gemeinsamer Plan                                Gymnasium
                                                    Sekundarstufe I
             Leitgedanken                              Leitgedanken                                Leitgedanken

                                                   ibK Kl. 5/6          G   M    E            ibK Kl. 5/6
         ibK Kl. 1/2        Denkanstöße
                                                   ibK Kl. 7/8/9        G   M    E            ibK Kl. 7/8
  pbK                                       pbK                                        pbK
                                                   ibK Kl. 10           G   M    E            ibK Kl. 9/10
         ibK Kl. 3/4        Denkanstöße
                                                   ibK Kl. 11/12/13              E            ibK Kl. 11/12

                                                         Operatoren                                 Operatoren

Abbildung 1: Der Aufbau der Bildungspläne

In sogenannten handlungsleitenden Verben, den Opera-               stehen, die Überprüfung von Lernergebnissen sei dem
toren, die am Ende jedes Fachplans aufgeführt sind, erfährt        unterzuordnen. Die Grundschule bahnt an; sie entwickelt
die Graduierung der erwarteten Kompetenzen eine an-                Kompetenzen, auf die dann in den weiteren Klassen aufge-
schauliche Konkretisierung. Auf diese Weise wird einem             baut werden kann.
Kompetenzverständnis Rechnung getragen, bei dem
Struktur-, Niveau- und Entwicklungsaspekt berücksichtigt           Insgesamt möchte der Bildungsplan 2016 aufgrund seines
werden können (siehe Abbildung 1).                                 kompetenzorientierten Aufbaus, seines Konkretisierungs-
                                                                   grads und durch die Niveaudifferenzierungen im gemein-
Im Bildungsplan für das Gymnasium werden auf der Stan-             samen Bildungsplan einen Unterricht unterstützen, der
dardstufe 10, die für die Klassen 9 und 10 gilt, diejenigen        leistungsorientiert und individualisierend ist, auf unter-
Kompetenzen gekennzeichnet, die dem 10. Schuljahr vor-             schiedliche Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und
behalten sind und über das E-Niveau des gemeinsamen                Schülern eingeht und damit eine erfolgreiche Lernentwick-
Plans der Sekundarstufe I und damit über den mittleren             lung aller befördert.
Schulabschluss hinausgehen.
                                                                   Dabei bedeuten: BNE: Bildung für nachhaltige Entwick-
 Umsetzung
Der        analog Vorlage
    Bildungsplan  der Grundschule    enthält Im gesamten Bildungsplan
                                              Denkanstöße,       lung;sind diesen
                                                                        BTV:   Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt;
                                             Kompetenzen folgende Farben zugeordnet
die dazu dienen, Lehrkräften Hilfestellungen zu geben,           PG: Prävention und Gesundheitsförderung; BO: Berufliche
                                                 Prozessbezogene Kompetenzen
wie die in den Kompetenzbeschreibungen und Teilkom-              Orientierung; MB: Medienbildung; VB: Verbraucherbil-
petenzen geforderten Fähigkeiten der KinderInhaltsbezogene       dung; Kl.: Klasse; pbK: prozessbezogene Kompetenzen;
                                                   gefördert Kompetenzen
werden können. Da die Grundschule stärker den Entwick-           ibK: Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen.
lungsprozess und weniger die Überprüfung der Ergebnisse
im Blick hat, wird hier folgerichtig auf Operatoren verzich-     Die Gesamtanlage des neuen baden-württembergischen
tet. In der Grundschule, so das erklärte Ziel des Bildungs-      Bildungsplans ist bei seiner Einführung deutschlandweit
plans, soll das Kind mit seiner Entwicklung im Mittelpunkt       einzigartig. Der Entwicklungsprozess erfolgte mit hoher

                       14
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016

Transparenz und vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten.       ZITIERTE LITERATUR
Zu diesen Maßnahmen zählten systematische Experten-
befragungen und Erprobungen der Bildungspläne in allen        Baden-Württembergischer Industrie- und Handels-
Schularten. Ein Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern      kammertag (2015). Fachkräftemonitor 2030.
aus Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion und      http://www.fachkraeftemonitoring-bw.de/
Politik hat den gesamten Prozess konstruktiv-kritisch be-     (Stand: 22.07.2015).
gleitet. Des Weiteren hat das Kultusministerium frühzeitig
                                                              Baumert, J. (2002). Deutschland im internationalen
ein Bündel an Unterstützungsmaßnahmen bereitgestellt,
                                                              Bildungsvergleich. In N. Kilius, J. Kluge & L. Reisch
um die neuen Bildungspläne an den Schulen einzuführen.
                                                              (Hrsg.), Die Zukunft der Bildung (S. 100–150). Frankfurt
                                                              am Main: Suhrkamp.
Ein wichtiger Bestandteil des Konzepts ist es, den Schu-
len neben der Begleitung durch Fachberaterinnen und           D-EDK. (2014). Lehrplan 21 – von der D-EDK Plenar-
Fachberater sowie Fortbildungen auch Beispielcurricula,       versammlung am 31.10.2014 zur Einführung in den
Kompetenzraster, Lernwegelisten und exemplarische Lern-       Kantonen freigegebene Vorlage. Bereinigte Fassung vom
materialien anzubieten, um dadurch die beabsichtigten         26.03.2015. Luzern: Geschäftsstelle D-EDK.
Entwicklungsprozesse im Unterricht zu unterstützen. Um
                                                              Ermert, K. (2009). Was ist kulturelle Bildung? Bundes-
den Lehrerinnen und Lehrern einen schnellen Zugriff auf
                                                              zentrale für politische Bildung. http://www.bpb.de/gesell-
diese und weitere Umsetzungshilfen zu ermöglichen, wer-
                                                              schaft/kultur/kulturelle-bildung/59910/was-ist-kulturelle-
den diese gemeinsam mit den neuen Bildungsplänen auf
                                                              bildung?p=all (Stand: 22.07.2015).
einer Internetplattform veröffentlicht.
                                                              Klieme, E. & Hartig, J. (2007). Kompetenzkonzepte in
Der neue Bildungsplan für die baden-württembergischen         den Sozialwissenschaften und im erziehungswissenschaft-
Schulen lädt zu Diskussion und Diskurs ein und ist in-        lichen Diskurs. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft,
sofern gesamtgesellschaftlich aktivierend. Nichts braucht     10 (Sonderheft 8), 11–29.
ein Bildungssystem in Zeiten gesellschaftlicher Herausfor-
                                                              Landesinstitut für Schulentwicklung & Statistisches
derungen und rasanten sozialen Wandels mehr als einen
                                                              Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.) (2015).
Bezugsrahmen, der gesellschaftlicher Trägheit entgegen-
                                                              Bildungsberichterstattung 2015. Stuttgart.
tritt und doch gleichzeitig ein differenziertes Angebot für
Orientierungswissen und Wertevergewisserung macht.            Rat für Kulturelle Bildung (Hrsg.) (2014). Schön, dass
                                                              Ihr da seid. Kulturelle Bildung: Teilhabe und Zugänge.
                                                              Essen: Rat für Kulturelle Bildung.

                                                              Sander, W. (2005). Anstiftung zur Freiheit. Aufgaben
                                                              und Ziele politischer Bildung in einer Welt der Differenz.
                                                              ZEP: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und
                                                              Entwicklungspädagogik, 28(2), 8 –13.

                                                              Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultus-
                                                              minister der Länder in der Bundesrepublik Deutsch-
                                                              land (2009). Stärkung der Demokratieerziehung.
                                                              (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009)

                                                              Wehling, H. G. (1977). Konsens à la Beutelsbach. In
                                                              S. Schiele & H. Schneider (Hrsg.), Das Konsensproblem in
                                                              der politischen Bildung (S. 173–184). Stuttgart: Klett.

                                                              Weinert, F. E. (2001). Vergleichende Leistungsmessung
                                                              in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit.
                                                              In F. E. Weinert (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen
                                                              (S. 17–31). Weinheim und Basel: Beltz.

                                                                                                 15
HINWEISE ZU DEN BILDUNGSPLÄNEN 2016

Hinweise zu den Bildungsplänen 2016

Im Rahmen der Bildungsplanreform 2016 sind vier neue        die Grundschule zahlreiche Hinweise (sogenannte „Denk-
Bildungspläne erarbeitet worden: der Bildungsplan für die   anstöße“), die den Lehrkräften Impulse zur Anbahnung der
Grundschule, der gemeinsame Bildungsplan für die Sekun-     Kompetenzen im Unterricht bieten sollen.
darstufe I, der Bildungsplan für das allgemein bildende
Gymnasium und der Bildungsplan der Oberstufe an Ge-         Mit dem gemeinsamen Bildungsplan der Sekundarstufe I
meinschaftsschulen.                                         ist erstmals ein gemeinsamer, abschlussbezogener Bildungs-
                                                            plan für die Sekundarstufe I entwickelt worden, der die bis-
                                                            herigen Einzelpläne für Werkrealschule/Hauptschule und
DIE EINZELNEN BILDUNGSPLÄNE                                 Realschule ablöst. Dieser Bildungsplan gilt für die genann-
                                                            ten Schularten sowie für die Gemeinschaftsschule.
Alle Bildungspläne sind kompetenzorientiert angelegt und
definieren, was Schülerinnen und Schüler zu einem be-       Er weist durchgängig drei Niveaustufen aus. Das grund-
stimmten Zeitpunkt können sollen. Die neuen Bildungs-       legende Niveau (G) führt zum Hauptschul- bzw. nach einer
pläne entwickeln das Konzept der baden-württembergi-        Phase der Vertiefung zum Werkrealschulabschluss an den
schen Bildungspläne aus dem Jahr 2004 weiter und sind       Werkrealschulen, das mittlere Niveau (M) zum Realschul-
mit den von der Kultusministerkonferenz festgelegten ak-    abschluss. Das erweiterte Niveau (E) bildet das gymnasiale
tuellen Standards abgestimmt (zum Kompetenzbegriff der      Niveau ab und eröffnet einen neunjährigen Bildungsweg
neuen Bildungspläne vgl. S. 9 ff.).                         zum Abitur. An den Gemeinschaftsschulen sind alle drei
                                                            Niveaustufen relevant.
Der Bildungsplan der Grundschule knüpft an den baden-       Unterscheidungsmerkmale von G-, M- und E-Niveau sind
württembergischen „Orientierungsplan für Bildung und Er-    beispielsweise Umfang und Komplexität von Inhalten bzw.
ziehung in baden-württembergischen Kindergärten und         Kompetenzen oder auch deren Abstraktionsgrad. Zudem
weiteren Kindertageseinrichtungen“ an. Zusätzlich zu den    werden Niveauunterschiede durch den Einsatz unterschied-
Kompetenzbeschreibungen enthält der Bildungsplan für        licher Operatoren sichtbar (vgl. unten).

                     16
HINWEISE ZU DEN BILDUNGSPLÄNEN 2016

Der Bildungsplan des Gymnasiums beschreibt einen acht-           stufe I sind die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen
jährigen Bildungsgang bis zum Abitur. Der Bildungsplan           in drei Niveaustufen ausdifferenziert (vgl. oben).
des Gymnasiums ist inhaltlich und strukturell eng mit
dem gemeinsamen Bildungsplan der Sekundarstufe I abge-           Bildungsabschnitte der einzelnen Bildungspläne
stimmt.                                                          Bildungsplan der Grundschule:
                                                                          Klassen 1/2, Klassen 3/4
Das erweiterte Niveau des gemeinsamen Bildungsplans
                                                                 gemeinsamer Bildungsplan der Sekundarstufe I:
der Sekundarstufe I ist zusammen mit dem Bildungs-
                                                                         Klassen 5/6, Klassen 7/8/9, Klasse 10
plan der Oberstufe an Gemeinschaftsschulen anforderungs-
gleich mit dem Bildungsplan für das allgemein bildende           Bildungsplan des Gymnasiums:
Gymnasium. Somit wird an der Gemeinschaftsschule ein                      Klassen 5/6, Klassen 7/8, Klassen 9/10,
durchgängiger neunjähriger Bildungsgang zum Abitur be-                    Klassen 11/12
schrieben. Dabei entspricht die Sekundarstufe II der Ge-
                                                                 Bildungsplan der Oberstufe an Gemeinschaftsschulen:
meinschaftsschule (11. bis 13. Schuljahr) der Sekundarstufe II
                                                                          Klasse 11, Klassen 12/13
des allgemein bildenden Gymnasiums (10. bis 12. Schuljahr).

                                                                 Operatoren dienen der Beschreibung von Kompetenzen,
DER AUFBAU DER FACHPLÄNE                                         die von Schülerinnen und Schülern erworben werden. Dies
                                                                 erfolgt durch handlungsleitende Verben wie beispielswei-
Die Struktur der einzelnen Fachpläne ist identisch und um-       se „nennen“, „darstellen“, „erläutern“. In der Operatoren-
fasst                                                            liste im Anhang jedes Fachs wird die Bedeutung der in
   die übergreifenden Leitgedanken des jeweiligen Faches,        den Standards verwendeten fachspezifischen Operatoren
   prozessbezogene Kompetenzen,                                  konkretisiert. Diese Operatorenliste dient als Lesehilfe für
   Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen sowie               die im Bildungsplan verwendeten Verben und ihre fach-
   einen Anhang, der u. a. Erläuterungen zu Besonderheiten       spezifischen Bedeutungen. Eine für alle Fächer einheitliche
   des jeweiligen Fachplans und die Operatoren (Bildungs-        Operatorenliste würde den teilweise divergierenden fach-
   pläne der weiterführenden Schulen) enthält.                   spezifischen Bedeutungen einzelner Verben nicht gerecht
                                                                 werden. Außerdem dürfen die Operatoren nicht mit den
Die prozessbezogenen Kompetenzen beschreiben die allge-          Prüfungsoperatoren gleichgesetzt werden. Die Tätigkeiten
meinen Bildungsziele der Fächer und stellen die individu-        sind jedoch prinzipiell in Aufgabenstellungen übertragbar
elle Kompetenzentwicklung des Kindes und Jugendlichen            und somit wird durch die Operatoren auch sichtbar, wie die
über den gesamten Bildungsprozess in den Mittelpunkt.            Standards evaluiert werden können.
Hierbei werden auch personale und soziale Aspekte des
Kompetenzbegriffs in den Blick genommen. Die prozess-            Operatoren lassen sich den drei in der Komplexität zuneh-
bezogenen Kompetenzen sind nicht an einzelne Inhalte             menden Anforderungsbereichen „Reproduktion“, „Reorga-
gebunden und zeigen auf, welche übergeordneten Kompe-            nisation“, „Reflexion/Transfer“ zuordnen. Eine Zuordnung
tenzen für ein Fach am Ende des jeweiligen Bildungsganges        zu nur einem Anforderungsbereich ist jedoch nicht immer
vorhanden sein sollen, also am Ende der Grundschule,             möglich. Zum Beispiel ist im Fach Englisch der Operator
für den Hauptschul- und Werkrealschulabschluss, für den          „Analysieren“ je nach Kontext unterschiedlichen Anforde-
Realschulabschluss oder für das Abitur.                          rungsbereichen zugeordnet. In der Grundschule werden
                                                                 aus entwicklungspsychologischen Erwägungen heraus kei-
Die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen zeigen auf,        ne Operatoren verwendet.
an welchen konkreten Inhalten die Kompetenzen in einzel-
nen Bildungsabschnitten (beispielsweise nach den Klassen
1/2 oder 5/6) entwickelt werden können. Die Standards für        DIE LEITPERSPEKTIVEN
inhaltsbezogene Kompetenzen sind ergebnisorientiert. Sie
legen das Können und Wissen – und dabei auch die Inhalte         Die Bildungs- und Erziehungsziele erfahren eine zusätz-
– fest, die zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Schüle-        liche Ergänzung in den Leitperspektiven. Anhand von sechs
rinnen und Schülern nachzuweisen und damit auch über-            handlungsleitenden Themen werden Fähigkeitsbereiche an-
prüfbar sind. Im gemeinsamen Bildungsplan der Sekundar-          gesprochen, die nicht einem einzigen Fach zugeordnet sind,

                                                                                                     17
HINWEISE ZU DEN BILDUNGSPLÄNEN 2016

                                                                auf die Leitperspektiven   sowie
                                                                auf den „Orientierungsplan für Bildung und Erziehung
                                                                in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren
                                                                Kindertageseinrichtungen“      (nur Bildungsplan der
                                                                Grundschule).

                                                              Verankerung der Leitperspektiven
                                                                In den prozessbezogenen Kompetenzen finden sich die
                                                                Leitperspektiven überwiegend implizit, teilweise auch
                                                                explizit wieder, werden aber nicht gesondert ausge-
                                                                wiesen.
                                                                Bei den Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen wird
                                                                mit dem Symbol       dort auf die jeweilige Leitperspektive
                                                                verwiesen, wo sich bei einem Standard ein unmittelbarer
                                                                Bezug auf die Einbindung der Leitperspektive herstellen
                                                                lässt. Diese wird durch eine begriffliche Erläuterung er-
sondern übergreifend in verschiedenen Fächern entwickelt        gänzt, die auf einen zentralen Aspekt der Leitperspek-
werden sollen:                                                  tive hinweist. Darüber hinaus sind weitere unterrichtliche
  Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)                     Zugänge zu den jeweiligen Leitperspektiven möglich,
  Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)         auch wenn diese nicht ausdrücklich ausgewiesen wurden.
  Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
  Berufliche Orientierung (BO)
  Medienbildung (MB)                                          HINWEISE ZUM BILINGUALEN LERNEN
  Verbraucherbildung (VB)
  (vgl. auch S. 8 f.)                                         Bilinguales Lehren und Lernen ist an jeder weiterfüh-
                                                              renden allgemein bildenden Schule möglich, entweder in
In den Leitgedanken der Fachpläne werden die Leitper-         bilingualen Modulen oder in besonderen bilingualen
spektiven beschrieben, die im jeweiligen Fach von Bedeu-      Zügen bzw. Profilen.
tung sind. Hierbei wird dargestellt, welchen spezifischen     Ziel ist es, dass bilinguale Module in allen Klassenstufen
Beitrag das jeweilige Fach zu den Leitperspektiven leistet.   und in möglichst vielen Fächern, besonders aber in den Sach-
Die Leitperspektiven sind teilweise in Kompetenz-             fächern, zur Selbstverständlichkeit werden. Damit finden
beschreibungen integriert, zum anderen wird bei inhalts-      die Einführung des frühen Fremdsprachenlernens und das
bezogenen Kompetenzen auf konkrete Bezüge zur jewei-          bilinguale Lernen in der Grundschule eine konsequente
ligen Leitperspektive verwiesen.                              Fortführung in der Sekundarstufe I.
                                                              Bilingualer Unterricht ist grundsätzlich in seinen Anfor-
                                                              derungen, Zielen, Inhalten und Methoden an den jeweils
VERWEISSTRUKTUR DER BILDUNGSPLÄNE                             geltenden Bildungsplan gebunden. Die Bildungsstandards
                                                              gelten für den deutschsprachig und den fremdsprachig
Eine detaillierte Verweisstruktur zeigt Möglichkeiten der     erteilten Unterricht in den Sachfächern in gleicher Wei-
fächerübergreifenden Bezüge wie auch der Vernetzung von       se. Sie fordern, dass die deutschsprachigen Fachbegriffe
Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen mit prozess-        den Schülerinnen und Schülern geläufig sind. Folglich
bezogenen Kompetenzen und Leitperspektiven auf.               muss die jeweilige Fachsprache in der Muttersprache und
                                                              in der Fremdsprache vermittelt und gelernt werden. Die
Die Verweise sind bei den Standards für inhaltsbezogene       Lernprozesse finden im bilingualen Unterricht in der Re-
Kompetenzen mithilfe entsprechender Symbole gekenn-           gel in der Fremdsprache statt, doch müssen auch hier die
zeichnet:                                                     höheren Lernziel- und Anforderungsebenen des Sach-
   auf die prozessbezogenen Kompetenzen ,                     fachs erreicht werden; dies kann einen Rückgriff auf die
   auf andere Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen       deutsche Sprache erforderlich machen. Bilingualer Sach-
   desselben Fachplans ,                                      fachunterricht muss sich daran messen lassen, dass er die
   auf andere Fächer ,                                        Bildungsstandards des Sachfachs in vollem Umfang erreicht.

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