Bildungsplan 2016 Lehrkräftebegleitheft - Bildungspläne Baden-Württemberg
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INHALT Inhalt Einführung in den Bildungsplan 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Hinweise zu den Bildungsplänen 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Schulartspezifische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Hinweise zur Nutzung des beigefügten USB-Sticks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 Einführung in den Bildungsplan 2016 HANS ANAND PANT WARUM EIN „NEUER“ BILDUNGSPLAN? Durch diese für Deutschland ernüchternden Ergebnisse hat ANLÄSSE UND ABSICHTEN DER BILDUNGS- sich die staatliche Sicht auf die Frage grundlegend gewan- PLANREFORM delt, wie die Qualität des Schulsystems am besten gesteuert werden kann. Die Aufmerksamkeit richtete sich nicht mehr Zwölf Jahre nach dem Bildungsplan von 2004 stellt das allein auf die Frage, welche fachlichen Inhalte, welcher Ministerium für Kultus, Jugend und Sport einen neuen „Stoff“ also in der Schule beigebracht werden soll, sondern – oder besser gesagt: weiterentwickelten – Bildungsplan stärker auch auf die Frage, was Schülerinnen und Schüler für die allgemein bildenden Schulen des Landes Baden- am Ende bestimmter Bildungsabschnitte wirklich wissen Württemberg vor. Eine ganze Reihe von fachlichen und und können (sollen). Aus stoff-inhaltlich geprägten, tradi- gesellschaftlichen Entwicklungen begründet diesen Schritt. tionellen Lehr- oder Rahmenplänen wurden kompetenz- So wurde der Bildungsplan von 2004 unmittelbar vor der orientierte Bildungspläne. Verabschiedung der länderübergreifenden Bildungsstan- dards der Kultusministerkonferenz (KMK) aller 16 Länder Insgesamt wurde in Folge der schwachen PISA-Ergebnisse erarbeitet. Seitdem haben die Länder in der Bundesrepu- eine ganze Reihe bildungspolitischer Reformen in Angriff blik Deutschland ihre Bildungspläne und Kerncurricula genommen, wie beispielsweise der Ausbau von Ganztags- an diesen verbindlichen KMK-Vorgaben ausgerichtet und angeboten, die verbesserte Durchlässigkeit von Bildungs- entsprechend neu verfasst. Die zentrale Neuerung betrifft gängen oder die fast flächendeckende Bereitstellung von dabei fast überall die Umstellung auf eine durchgängige Sprachförderangeboten im vorschulischen und schulischen Kompetenzorientierung, zu deren Bedeutung im Fol- Bereich. Die Resultate des zweiten PISA-Zyklus ab 2009 genden noch Näheres ausgeführt werden soll. Zwar wies belegen, dass sich vor allem die Kompetenzen der Schü- auch der baden-württembergische Bildungsplan von 2004 lerinnen und Schüler aus Zuwanderungsfamilien deutsch- einen starken Bezug zum Kompetenzkonzept auf, er konn- landweit stark verbessert haben. Dies ist fast allein dafür te damals aber noch nicht auf die bildungstheoretischen, verantwortlich, dass Deutschland im internationalen Ver- pädagogischen und fachdidaktischen Diskussionen des gleich inzwischen deutlich besser dasteht als noch zu Be- Kompetenzverständnisses sowie die schulpraktischen Er- ginn des Jahrtausends. fahrungen zurückgreifen, die in den Jahren nach Einfüh- rung der KMK-Bildungsstandards gesammelt wurden. Dies Die Entkopplung von sozialer Herkunft, Zuwanderungs- greift der vorliegende Bildungsplan auf. geschichte und Bildungserfolg sowie die Anhebung des Kompetenzniveaus insbesondere in den mathematisch- Die Bildungssysteme der Länder wurden durch die Er- naturwissenschaftlichen Fächern stellen für sich genommen gebnisse der internationalen Schulleistungsvergleiche wie bereits erhebliche Herausforderungen für alle Bildungs- PISA oder TIMMS um das Jahr 2000 kalt erwischt. Zur systeme dar. Seit Verabschiedung des Bildungsplans 2004 Erinnerung: Die Leistungen im Lesen befanden sich im in- in Baden-Württemberg sind bedeutende demografische ternationalen Vergleich im unteren Drittel, die Leistungen und gesellschaftspolitische Entwicklungen hinzugekom- im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich waren men, denen die Schulen des Landes und damit auch dieser bestenfalls durchschnittlich. Ein erschreckend großer An- neue Bildungsplan sich stellen müssen. Einige Beispiele: teil der 15-Jährigen in Deutschland – mehr als jeder Fünfte – konnte nur unzureichend lesen oder rechnen. Generell Wie in den meisten Flächenländern gehen auch in Baden- zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler aus unteren Württemberg die Vorausrechnungen zur Bevölkerungs- sozialen Schichten und insbesondere diejenigen mit Zu- entwicklung von einer weiteren Veränderung der Alters- wanderungshintergrund in den Schulen hierzulande be- struktur aus. Danach ist bis zum Jahr 2030 ein Rückgang nachteiligt waren. der unter 20-Jährigen von derzeit knapp 20 % auf etwas 4
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 unter 18 % zu erwarten. Damit verbunden ist ein Anstieg rungshintergrund im weiteren Sinn in Baden-Württem- des Durchschnittsalters der Bevölkerung. 1990 lag dieser berg; das entspricht knapp 28 % der Gesamtbevölkerung. Wert bei 38,8 Jahren, bis zum Jahr 2012 war er auf 43,0 Mit fast 818.000 Kindern, Jugendlichen und jungen Er- Jahre angestiegen, für 2030 ergeben die Vorausrechnun- wachsenen waren nahezu 28 % und damit mehr als ein gen ein Durchschnittsalter von 45,7 Jahren (Landesins- Viertel jünger als 20 Jahre. Das bedeutet auch, dass in der titut für Schulentwicklung & Statistisches Landesamt Gruppe der unter 20-Jährigen fast 40 % der Bevölkerung Baden-Württemberg, 2015). Baden-Württembergs einen Zuwanderungshintergrund Dies hat zur Folge, dass nicht alle Schulstandorte inner- haben (Landesinstitut für Schulentwicklung & Statisti- halb eines stark gegliederten Schulwesens erhalten blei- sches Landesamt Baden-Württemberg, 2015). ben können. Baden-Württemberg hat darauf mit einer regionalen Schulentwicklung reagiert, die eine Loslösung Der baden-württembergische Industrie- und Handels- vom Denken in Schularten bedeutet und stattdessen die kammertag prognostiziert im Jahr 2015 bis zum Jahr Bildungsabschlüsse stärker in den Blick nimmt. Damit 2030 über alle Branchen hinweg einen flächendeckenden wird die Chance eröffnet, dass allen Schülerinnen und Fachkräftemangel von 9,1 % bezogen auf die Fachkräfte- Schülern der von ihnen gewünschte und ihren Fähigkei- nachfrage (Baden-Württembergischer Industrie- und Han- ten entsprechende Abschluss in zumutbarer Erreichbar- delskammertag, 2015). keit zu ihrem Wohnort angeboten werden kann. Erklärtes Ziel ist die Schaffung eines Zwei-Säulen-Systems, dessen Nach der neuesten Vorausrechnung der Kultusminister- eine Säule das Gymnasium ist. Die zweite Säule soll aus ei- konferenz (Stand 2014/15) wird im Zeitraum zwischen nem integrativen Bildungsweg bestehen, der sich aus den 2013 und 2025 die Zahl der Studienanfänger im 1. Hoch- auf der Grundschule aufbauenden Schularten entwickelt. schulsemester in Baden-Württemberg um 15 % zurück- Die Einführung der Gemeinschaftsschule zum Schuljahr gehen, bundesweit hingegen nur um 10 %. 2012/13, die Schülerinnen und Schüler je nach individuel- ler Leistungsvoraussetzung und Lernentwicklung auf den Im Zuge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon- Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss oder das vention von 2006 durch eine entsprechende Gesetzge- Abitur vorbereitet, war hierzu ein wichtiger Schritt. bung wurde zum Schuljahr 2015/16 in Baden-Württem- berg die Inklusion im Schulgesetz verankert. Im Sinne Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2013 lebten in gleicher Teilhabechancen soll das gemeinsame Lernen diesem Jahr fast 3 Millionen Menschen mit Zuwande- von jungen Menschen mit und ohne Behinderung selbst- 5
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 verständlicher Bestandteil des allgemeinen Bildungs- plan für die Sekundarstufe I, der die Einzelpläne für wesens sein. Schule und Unterricht müssen deshalb Werkrealschule, Hauptschule und Realschule ablöst. Die- so konzipiert werden, dass junge Menschen mit einem ser Bildungsplan gilt für die genannten Schularten sowie festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bil- für die Gemeinschaftsschule und weist durchgängig drei dungsangebot für sich ein Höchstmaß an Unabhängigkeit Niveaustufen aus: und Selbstbestimmung erreichen. In inklusiven Bildungs- • ein grundlegendes Niveau (G), das zum Hauptschul- angeboten stellen die Bildungspläne der sonderpädago- und mit einer Phase der Vertiefung zum Werkreal- gischen Bildungs- und Beratungszentren eine wichtige schulabschluss führt, Orientierungsgrundlage für den Unterricht mit Schüle- • ein mittleres Niveau (M), das zum Realschulabschluss rinnen und Schülern mit einem festgestellten Anspruch führt, und auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot dar. • ein erweitertes, gymnasiales Niveau (E), das Schüle- rinnen und Schülern einen neunjährigen Bildungsweg Zusammengenommen ergeben die genannten Entwick- zum Abitur eröffnet. lungen und Herausforderungen seit dem Erscheinen des Bildungsplans 2004 genügend Anlässe für eine substan- Damit wird die Grundlage für individualisierte Lernange- zielle und zielgerichtete Bildungsplanreform. bote geschaffen, die auf die unterschiedlichen Fähigkei- ten und die individuellen Lern- und Leistungsentwick- Erklärtes Ziel der Bildungsplanreform ist die Stärkung der lungen der Schülerinnen und Schüler eingehen sollen. Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg. Dazu zäh- len der Abbau von Bildungshürden, die Verbesserung der Der eigenständige Bildungsplan für das Gymnasium ist Durchlässigkeit im Bildungssystem und eine systematische inhaltlich und strukturell mit dem gemeinsamen Bil- individuelle Förderung als Grundlage für einen angemes- dungsplan abgestimmt. senen Umgang mit Heterogenität. Der Bildungsplan der Grundschule knüpft an den baden- Leitend für die Bildungsplanreform 2016 waren folgende württembergischen Orientierungsplan für Bildung und Eckpunkte: Erziehung im vorschulischen Bereich an und schafft die Grundlage für alle weiterführenden Bildungsgänge. In Als weitestreichende strukturelle Neuerung gibt es erst- der Grundschule beginnt die Fremdsprache in der ersten mals einen gemeinsamen, abschlussbezogenen Bildungs- Klasse und ist an der Rheinschiene Französisch, in den übrigen Landesteilen Englisch. In sechs Leitperspektiven werden Fähigkeitsbereiche an- gesprochen, die nicht einem einzigen Fach zugeordnet, sondern übergreifend in verschiedenen Fächern ent- wickelt werden sollen. Leitperspektiven sind: Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), Bildung für Tole- ranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV), Prävention und Gesundheitsförderung (PG), Berufliche Orientierung (BO), Medienbildung (MB), Verbraucherbildung (VB). Die zweite Fremdsprache beginnt in Gymnasium, Real- schule und Gemeinschaftsschule einheitlich in Klasse 6. Ziel ist es unter anderem, hierdurch das bilinguale Lehren und Lernen zu stärken. Die bisherigen schulartspezifischen Fächerverbünde wer- den aufgelöst. Stärker fachbezogene Bildungspläne stel- len die Bedeutung der Fachlichkeit und die Enwicklung der fachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schü- ler in den Mittelpunkt; auf der Basis gefestigter fachlicher 6
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 Kompetenzen können die Aspekte fächerverbindenden Lernens zum Tragen kommen. In dem neuen schulartenübergreifenden Fächerverbund „Biologie, Naturphänomene und Technik“ (BNT) für die Orientierungsstufe (5. und 6. Klasse) sind neben Schwer- punktthemen der Biologie auch chemische, physikalische und technische Inhalte verankert. Integrative Themen- felder weisen das Fächerverbindende aus. Durch das in allen weiterführenden Schularten neu ein- geführte Fach „Wirtschaft / Berufs- und Studienorientie- rung“ sollen die ökonomische Bildung der Schülerinnen und Schüler und deren Berufs- und Studienorientie- rungsprozess gefördert werden. Das neue Wahlpflichtfach „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ (AES) im gemeinsamen Bildungsplan der wesentlich (mit-) bestimmen, verbleibt die oberste Aufsicht Sekundarstufe I harmonisiert die Inhalte der bisherigen über das Schulwesen in den Händen des Staates (Artikel Wahlpflichtfächer „Mensch und Umwelt“ (Realschule) 7, Absatz 1 Grundgesetz). Aus verfassungsrechtlicher Sicht und „Gesundheit und Soziales“ (Werkrealschule / Haupt- besteht diese oberste Aufsichtspflicht des Staates über das schule) sowie des Fächerverbunds „Wirtschaft – Arbeit – Schulwesen in der Gestaltung des staatlichen Bildungs- und Gesundheit“ (Werkrealschule / Hauptschule). Erziehungsauftrags im Einklang mit weiteren grundgesetz- lichen Vorgaben wie beispielsweise dem Entfaltungsgrund- Ohne Zweifel stellen die Ziele der Bildungsplanreform 2016 recht von Kindern und Jugendlichen. und die dazu aufgestellten Eckpunkte ein ambitioniertes Programm der Weiterentwicklung des Bildungsplans von Aus dem sehr abstrakten staatlichen Bildungs- und Erzie- 2004 dar. Landesregierung und Kultusverwaltung haben hungsauftrag leitet sich die Verpflichtung des Staates ab, zahlreiche Maßnahmen initiiert und begleitende Gremien Bildungs- und Erziehungsziele festzulegen und rechtlich eingesetzt, die die neuen Bildungspläne schon vor deren auszugestalten. Eigentlich wäre nun das Grundgesetz der Verabschiedung zu einem im besten Sinne öffentlichen Gut geeignete Ort für die Festlegung oberster Bildungsziele. Im werden ließen. föderalen Verfassungsstaat Bundesrepublik Deutschland liegt jedoch die Pflicht zur Wahrnehmung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags bei den Ländern und ist WAS SOLL UND DARF EIN BILDUNGSPLAN – dort in den Landesverfassungen und Landesschulgesetzen UND WAS DARF ER NICHT? festgeschrieben. In den Bildungsplänen werden die allge- DIE GESETZLICHEN GRUNDLAGEN IM meinen Bildungs- und Erziehungsziele immer wieder neu FÖDERALEN VERFASSUNGSSTAAT konkretisiert. In der Landesverfassung Baden-Württembergs heißt es zu- Der schulische Alltag ist von rechtlichen Regelungen nächst im Artikel 12, Absatz 1 ganz allgemein: durchdrungen. In Schulen werden Noten vergeben und „Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christ- berechnet, Zeugnisse erteilt, an Schulen werden in Form lichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und der Abschlüsse wichtige Übergangs- und Zugangsberech- zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittli- tigungen erworben. cher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gerade weil die an Schulen gebahnten und getroffenen Gesinnung zu erziehen.“ Entscheidungen für die individuellen Lebenswege aller Schülerinnen und Schüler existenziell sind und die Zu- Eine rechtliche Ebene tiefer wird das baden-württember- kunftschancen hinsichtlich Status, Einkommen, Gesund- gische Schulgesetz etwas konkreter, verbleibt aber immer heit, Lebenszufriedenheit und möglicherweise auch Glück noch sehr im Allgemeinen (Schulgesetz §1, Absatz 2): 7
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 muss. Dabei gilt es, Aspekte der Persönlichkeitsbildung und -stärkung, der Bildung zur Gemeinschafts- und Teilhabe- fähigkeit in einer zunehmend pluralen Gesellschaft sowie die Sensibilisierung für den globalen Kontext des Alltags- handelns in ihrem komplexen wechselseitigen Bedingungs- gefüge zu sehen. Zu den prominentesten Herausforderungen zählen die Überlebensfrage angesichts der Begrenztheit eigener und natürlicher Ressourcen (Nachhaltigkeit), die Orientierungsfähigkeit, Verantwortungsübernahme und Konfliktfähigkeit angesichts konkurrierender Geltungs- ansprüche in der modernen Gesellschaft (Pluralitätsfähig- keit) sowie die Frage nach einem achtsamen Umgang mit eigenen psychischen und physischen Möglichkeiten und Grenzen (Resilienz) sowie denen des Anderen (Empathie). Hinzu kommen die Herausforderungen etwa in Gestalt ei- ner sich rasant verändernden Berufs- und Arbeitswelt, der Digitalisierung sowie der Ökonomisierung. Diese Summe an Herausforderungen führt zu der Unter- „Die Schule hat den in der Landesverfassung verankerten scheidung zwischen allgemeinen und themenspezifischen Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. Über Leitperspektiven. Diese Unterscheidung bedeutet keine die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten Gewichtung, sondern wirkt sich auf die Verankerung der hinaus ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler Leitperspektiven in den einzelnen Fächern aus. Während • in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächs- die allgemeinen Leitperspektiven prinzipiell jedem Fach tenliebe, zur Menschlichkeit und Friedensliebe, in der Liebe aufgetragen sind, weisen die themenspezifischen Leitper- zu Volk und Heimat, zur Achtung der Würde und der Über- spektiven eine stärkere Affinität zu einzelnen Fächern auf. zeugung anderer, zu Leistungswillen und Eigenverantwor- a) Allgemeine Leitperspektiven tung sowie zu sozialer Bewährung zu erziehen und in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Sinne der • zur Anerkennung der Wert- und Ordnungsvorstellungen Befähigung zur verantwortungsvollen und aktiven Gestal- der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erzie- tung einer zukunftsfähigen Welt; hen, die im Einzelnen eine Auseinandersetzung mit ihnen nicht ausschließt, wobei jedoch die freiheitlich-demokra- Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV) tische Grundordnung, wie in Grundgesetz und Landesver- im Sinne der Befähigung zu Toleranz und Akzeptanz von fassung verankert, nicht in Frage gestellt werden darf, sowie zu diskriminierungsfreiem Umgang mit Vielfalt • auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen staats- in personaler, religiöser, geschlechtlicher, kultureller, bürgerlichen Rechte und Pflichten vorzubereiten und die ethnischer und sozialer Hinsicht; dazu notwendige Urteils- und Entscheidungsfähigkeit zu vermitteln, Prävention und Gesundheitsförderung (PG) im Sinne • auf die Mannigfaltigkeit der Lebensaufgaben und auf die einer Stärkung der Persönlichkeit durch die Förderung Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt mit ihren unter- eines sozial kompetenten und gesundheitsbewussten schiedlichen Aufgaben und Entwicklungen vorzubereiten.“ Umgangs mit sich selbst und anderen. Diese allgemeinen Bildungs- und Erziehungsziele werden im Bildungsplan 2016 in besonderer Weise in den fach- b) Themenspezifische Leitperspektiven übergreifenden Leitperspektiven aufgegriffen und in den Fachplänen konkretisiert. Die Leitperspektiven sind also in Berufliche Orientierung (BO) im Sinne einer Unterstüt- ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenspiel zu verstehen zung und Vorbereitung von tragfähigen, begabungs- und als zeitgemäße Auslegung solcher normativen Grundlagen, entwicklungsgerechten Entscheidungen und Weichen- eine Auslegung, die jede Generation angesichts wechseln- stellungen für kommende Berufswege sowie für lebens- der Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben von Neuem leisten langes Lernen; 8
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 Medienbildung (MB) im Sinne der Befähigung, Medien selbst ablehnen. Gerade von dieser Fähigkeit hängt jedoch sinnvoll auszuwählen, das Medienangebot kritisch zu langfristig, so argumentiert Sander (2005), das Überleben reflektieren, die Medien verantwortlich zu nutzen sowie aller Gesellschaften in einer globalisierten und vernetzten die eigene mediale Präsenz selbstbestimmt zu gestalten; Welt ab. Perspektivenvielfalt ist dennoch nicht gleichzuset- zen mit Wertneutralität; sie erfordert vielmehr einen klaren Verbraucherbildung (VB) im Sinne einer Reflexion und und ausdrücklichen Rückbezug auf die in der Verfassung Entwicklung eines verantwortungsbewussten Konsumen- und im Schulgesetz festgeschriebenen Bildungsziele. tenverhaltens. Das Pluralismusgebot verbietet es dem Staat, im Schul- BILDUNGSZIELE, KOMPETENZEN, wesen einseitige Sichtweisen und Standpunkte bei poli- BILDUNGSSTANDARDS – DIE INTEGRATIVE tisch oder gesellschaftlich kontroversen Fragen zu pro- FUNKTION DES BILDUNGSPLANS pagieren. Als Leitlinien gelten für den Bildungsplan 2016 ausdrücklich die Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses Während durch Bildungsziele also beschrieben wird, wel- (vgl. Wehling, 1977, S. 179 f.): che allgemeinen Fähigkeiten, Kenntnisse und Werthal- 1. Überwältigungsverbot. Es ist nicht erlaubt, den Schüler tungen bei Schülerinnen und Schülern am Ende der Schul- – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünsch- zeit herausgebildet sein sollen, bezeichnen Kompetenzen ter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewin- etwas sehr viel „Handfesteres“, Konkreteres. Menschen sind nung eines selbständigen Urteils“ zu hindern. Hier genau kompetent in einem Fach (z. B. Geschichte), einem enger verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung gefassten Gegenstandsbereich (z. B. Schreiben literarischer und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar Texte) oder für ein bestimmtes Handlungsfeld (z. B. nach- mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesell- haltige Entwicklung). schaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung Der Kompetenzbegriff hat Anfang der 1970er-Jahre Eingang von der Mündigkeit des Schülers. in die Pädagogik gefunden, um eine Brücke zwischen tradi- 2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss tionellen Konzepten der akademischen Allgemeinbildung auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forde- und arbeitswelt- oder berufsbezogenen Qualifikations- rung ist mit der vorgenannten aufs Engste verknüpft, zielen zu ermöglichen (Klieme & Hartig, 2007). Die Ver- denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fasserinnen und Verfasser des baden-württembergischen fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination be- schritten. (...) 3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. (...) Der Politikdidaktiker Wolfgang Sander (2005, S. 9) präzi- siert zu Recht, dass es sich beim Beutelsbacher Konsens ge- nau genommen „um einen Konsens über die Legitimität des Dissens’, oder anders: über die Notwendigkeit von Perspek- tivenvielfalt“ handelt. Einfacher ausgedrückt: Es wird akzep- tiert, dass man auch in fundamentalen gesellschaftlichen und weltanschaulichen Fragen nicht einer Meinung sein muss. Schule und Unterricht sollen diejenigen Orte sein, wo das Aushalten solcher Perspektivenvielfalt eingeübt werden kann und muss – muss deshalb, weil auch in Deutschland vermehrt Formen des weltanschaulich-religiösen Funda- mentalismus auftreten, die gerade diese Fähigkeit zur Per- spektivenvielfalt geringschätzen und Perspektivenvielfalt 9
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 Bildungsplans waren gut beraten, sich auf ein in Pädagogik, die Fähigkeit zur Selbstregulation, d. h. der erfolgreichen Psychologie und Didaktik breit akzeptiertes Kompetenz- Verknüpfung von Denken (Kognition), Wollen (Motiva- verständnis festzulegen, das der Pädagogische Psychologe tion) und „Anpacken“ (Volition) benötigen; Franz Emanuel Weinert entwickelt hat. Ihm zufolge sind Kompetenzen definiert als die Bereitschaft und Fähigkeit zu sozial-kommunikati- „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernba- vem, kooperativem und gleichzeitig zu selbstständigem ren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte und selbstverantwortlichem Lernen und Handeln ein- Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motiva- schließen und tionalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähig- keiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen nicht zuletzt Haltungen umfassen, die sich in kultur- erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ bezogenen Tugenden wie kritisch-reflektierendem, aber (Weinert, 2001, S. 27 f.). respektvollem Verhalten gegenüber Mensch, Gemein- schaft und Natur ausdrücken. Wichtige Aspekte dieses Begriffsverständnisses sind, dass Kompetenzen Dabei unterscheiden die Fachpläne des Bildungsplans für jedes Fach zwischen inhalts- und prozessbezogenen Kompe- im Verlauf von Bildungs- und Erziehungsprozessen tenzen. Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen legen erlernt bzw. erworben werden, was insbesondere die fest, was Schülerinnen und Schüler bis zu einem bestimm- Förderbarkeit von Kompetenzen aller Schülerinnen und ten Zeitpunkt (z. B. Ende Klasse 4, 6, 9, 10 oder 12) können Schüler betont; und wissen sollen. Prozessbezogene Kompetenzen kenn- zeichnen übergreifende, allgemeine, das Fach betreffende die Bewältigung von unterschiedlichen Aufgaben bzw. Kompetenzen, die nicht an bestimmte Inhalte gebunden Lebenssituationen ermöglichen, d. h. einen Bezug zum sind und sich im Bildungsprozess bis zum Ende des Bil- „wirklichen Leben“ aufweisen, und damit eine flexible dungsgangs herausbilden. Insofern weisen prozessbezogene Verbindung von Wissen und Können in der Bewältigung Kompetenzen diejenigen Aspekte aus, die in einem Fach von bekannten und neuen Handlungsanforderungen sind; themenübergreifend und fortlaufend entwickelt werden. Dagegen beschreiben die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen, an welchen fachlichen Themen und in wel- chen Schritten diese erworben werden sollen. Im Fach Mathematik beispielsweise treten neben die tra- ditionellen Inhaltsbereiche wie Raum und Form oder Funktionale Zusammenhänge nun gleichberechtigt die auf mathematische Denk- und Produktionsprozesse bezogenen Kompetenzen wie Probleme lösen, Argumentieren und Beweisen oder Modellieren. Inhalts- und prozessbezogene Kompetenzen sind untrennbar miteinander verbunden, damit spezifische Inhalte nicht im Sinne „trägen Wissens“ isoliert bleiben, sondern vernetzt und über die Schulzeit hinweg kumulativ entwickelt werden können. Diesen Grundgedanken des vernetzten und kumulativen Kompetenzerwerbs greift der Bildungsplan 2016 konse- quent durch eine ausgefeilte Struktur von Querverweisen auf. Zu fast allen Teilkompetenzen in den Fachplänen wird nicht nur auf prozessbezogene Kompetenzen (P) und auf unmittelbar „benachbarte“ Kompetenzen im selben Fach (I) oder in anderen Fächern (F) verwiesen, sondern auch auf die Leitperspektiven (L). Im Bildungsplan der Grundschule gibt es zusätzlich Verweise auf den Orientierungsplan (O). 10
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 DAS ZUSAMMENSPIEL VON FACHLICHEM UND ÜBERFACHLICHEM LERNEN IN DER SCHULE Zeitgemäße Lehrpläne sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sowohl fachliche als auch überfachliche Kompetenzen berücksichtigen (vgl. den Schweizer Lehrplan 21, D-EDK, 2014, S. 6). Demzufolge umfassen fachliche Kompetenzen ein (eher) fachspezifisches Wissen und die damit verbun- denen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Überfachliche Kom- petenzen bezeichnen (eher) jenes Wissen und Können, das über die Einzelfächer hinaus auch für Lernprozesse außer- halb der Schule von Bedeutung ist. Dazu zählen verschie- dene methodische, personale und soziale Kompetenzen. Ein wichtiges Merkmal überfachlicher Kompetenzen ist, dass an ihrer Entwicklung alle – oder zumindest mehrere – schulische Fächer mit ihren spezifischen Fachinhalten, fachlichen Zugängen und Vorgehensweisen beteiligt sein Baumert hebt dabei insbesondere die Bedeutung des müssen. Sprachlernens hervor, wenn er schreibt: „Die Beherrschung der Verkehrssprache in Wort und Schrift – und zwar auf Der Bildungswissenschaftler Jürgen Baumert hat theore- einem kompetenten Niveau – ist notwendige Vorausset- tisch dargelegt, welche Anforderungen in modernen, global- zung gesellschaftlicher Kommunikationsfähigkeit. Insbe- vernetzten Gesellschaften ganz allgemein an Bildungspläne sondere ist die Lesekompetenz Basis jedes selbstständigen zu stellen sind. Zwei Frageachsen (Dimensionen) seines Weiterlernens. Schule ist notwendigerweise eine sprach- Modells sind dabei entscheidend: (1) Welche grundlegend liche Veranstaltung, und zwar in allen Fächern. Wenn es verschiedenen Zugänge zum Verständnis der Welt und zur zentrale Aufgabe der Schule ist, Lernfähigkeit zu kultivie- Orientierung in der Welt sollen Kinder und Jugendliche ren, verlangt dies eine reflexive Begegnung mit den Gegen- in der Schule kennen lernen (Modi der Weltbegegnung)? ständen der Kultur, die sprachbasiert und kommunikativ (2) Welche kulturellen Basiskompetenzen brauchen Kinder ist. Die Vorstellung, Mathematik oder die so genannten und Jugendliche, um sich jeden dieser Zugänge überhaupt Realien zum Schutze der Kinder und Jugendlichen aus bil- erschließen zu können (Basale Kulturwerkzeuge)? dungsfernen Familien spracharm unterrichten zu können, Zu den Modi der Weltbegegnung zählt Baumert (2002) die reduziert den Bildungsgehalt dieser Gegenstände im Kern. folgenden vier: Lesekompetenz ist das Musterbeispiel für eine fächerüber- kognitiv-instrumentelle Modellierung der Welt (Mathe- greifende Schlüsselqualifikation, für deren Aneignung in matik, Naturwissenschaften) der Phase des Schriftspracherwerbs die Hauptverantwor- ästhetisch-expressive Begegnung und Gestaltung (Spra- tung zunächst beim muttersprachlichen Unterricht liegt, che / Literatur, Musik / Malerei / Bildende Kunst, Physische die dieser mit zunehmender Schulbesuchsdauer mehr und Expression) mehr mit allen anderen Unterrichtsfächern teilt. Spätestens normativ-evaluative Auseinandersetzung mit Wirtschaft in der Sekundarstufe I ist die Kultivierung des Lesever- und Gesellschaft (Geschichte, Ökonomie, Politik-/Gesell- ständnisses Sache aller Unterrichtsfächer. Dies bedeutet schaftswissenschaften, Recht) gleichzeitig, dass Leseverständnis Voraussetzung und Teil Probleme konstitutiver Rationalität (Religion, Philosophie). sprachlich-literarischer Grundbildung ist, mit dieser aber selbstverständlich nicht zusammenfällt“ (Baumert, 2002, Als basale Kulturwerkzeuge benennt er folgende prozess- S. 109 f.). bezogene Basiskompetenzen: Beherrschung der Verkehrssprache Auch die Fähigkeit zur Selbstregulation nimmt in moder- mathematische Modellierungsfähigkeit nen Theorien der Kompetenzentwicklung eine immer pro- fremdsprachliche Kompetenz minentere Rolle ein. Selbstregulation umschreibt die Fähig- IT-Kompetenz keit, die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen Selbstregulation des Wissenserwerbs. kontrollieren und steuern zu können. Sie spielt in allen drei 11
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 Phasen des Lernens – bei der Planung, der Durchführung demokratisches Handeln können und müssen gelernt und der Bewertung – eine wichtige Rolle. Der Selbstregu- werden. (…) Schon in der Grundschule sollen Kinder lation von Schülerinnen und Schülern liegen u. a. kognitive Partizipation einüben und an die Grundprinzipien unserer Prozesse zu Grunde, die in ihrer Gesamtheit auch als exe- demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung und die kutive Funktionen bezeichnet werden. Die Förderung der Unterschiede zu diktatorischen Herrschaftsformen heran- Kompetenz zur Selbstregulation ist im Bildungsplan 2016 geführt werden, zum Beispiel elementare Grundrechte wie in der Leitperspektive „Prävention und Gesundheitsförde- Meinungs- und Pressefreiheit, den politischen Pluralismus rung“ ausdrücklich berücksichtigt. und freie Wahlen (…).“ Wichtige Aspekte für die schulische Arbeit sind hierbei, dass demokratisches Verständnis über Bildungstheoretisch betrachtet ermöglichen somit die persönliche Erfahrung und das eigene Handeln entwickelt im Bildungsplan 2016 vorgenommenen Zuschnitte von wird und dass Demokratieerziehung als Aufgabe aller Fächern und die in der Querverweisstruktur angelegte Fächer verstanden wird. Vernetztheit von inhalts- und prozessbezogenen, fach- lichen und überfachlichen Kompetenzen den Aufbau eines Friedensbildung. Artikel 12 der baden-württembergischen Orientierungswissens, das den Anforderungen moderner Landesverfassung regelt, dass die Jugend zur „Brüderlich- Gesellschaften entspricht. keit aller Menschen und zur Friedensliebe“ zu erziehen ist. Diese Aufgabe kommt den Schulen des Landes, aber auch Die Balance und das Wechselspiel von fachlichen und über- der außerschulischen Jugendbildung sowie der Kinder- und fachlichen Kompetenzen gelingen nur, wenn die Förde- Jugendarbeit zu. Dazu gehört die Sensibilisierung von Kin- rung überfachlicher Kompetenzen im Fachunterricht keine dern und Jugendlichen für den Schutz der Menschenrechte Nebenrolle spielt, sondern zum integrativen Bestandteil des und die Wahrung von Frieden und Sicherheit. Dabei kann täglichen Unterrichts wird. Friedensbildung nicht nur eine Frage der gedanklich-argu- mentativen Auseinandersetzung mit Unterrichtsgegenstän- Der Bildungsplan 2016 ist angelegt auf vernetztes und nach- den sein, sondern hängt auch von der erlebten Kultur der haltiges Lernen insbesondere in den Feldern Demokratie- Konfliktlösung im schulischen Alltag ab. Programme für erziehung, Friedensbildung und kulturelle Bildung. Dabei Streitschlichter und Angebote zur Mediation und Beratung sollen sich schulisches und außerschulisches Lernen verbin- im schulischen Bereich können sowohl die Prävention von den. Das Verständnis, das im neuen Bildungsplan diesen Gewalt als auch die Einübung von friedlicher Konflikt- drei wichtigen Feldern zu Grunde gelegt wird, kann wie lösung durch die Jugendlichen befördern. folgt umrissen werden: Kulturelle Bildung. Kulturelle Bildung bezeichnet den Demokratieerziehung. Für die Schule der Gegenwart ist Lern- und Auseinandersetzungsprozess des Menschen mit die Fähigkeit zu demokratischem Handeln in mehrfacher sich, seiner Umwelt und der Gesellschaft im Medium der Hinsicht zentral. Sie ist konstitutiv für partizipativ gestal- Künste. Insbesondere ist unter kultureller Bildung „die All- tete, nachhaltige Schulentwicklung und gleichzeitig stellt gemeinbildung in den Künsten und durch die Künste“ (Rat sie ein bedeutsames Lernziel für jeden einzelnen Schüler für Kulturelle Bildung, 2014, S. 12) zu verstehen. „Mit Kul- und jede einzelne Schülerin dar. Die Relevanz dieses Hand- tur im engeren Sinne werden die Künste und ihre Hervor- lungsfeldes wird durch die Herausforderungen von Inklu- bringungen bezeichnet: Bildende Kunst, Literatur, die dar- sion und der Integration von Kindern mit Fluchterfahrung stellenden Künste (...), Musik, die angewandten Künste wie nochmals erhöht. Die Schule soll ein Gelegenheitsraum für Design und Architektur sowie die vielfältigen Kombina- gelebte Demokratie sein, eine Kultur der Konfliktlösung tionsformen zwischen ihnen“ (Ermert, 2009, [Internetseite]). im schulischen Alltag aufweisen und darauf ausgerichtet Kulturelle Bildung schafft Zugänge zu Kunst und Kultur sein, Lernprozesse partizipativ zu gestalten. im Sinne von Chancengerechtigkeit und gesellschaftlicher Einschlägig ist in diesem Zusammenhang der Beschluss Teilhabe. Rezeption, Produktion und Reflexion von Kunst der Kultusministerkonferenz zur „Stärkung der Demo- und Kultur fördern künstlerische Fähigkeiten und ästhe- kratieerziehung“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz tisches Verständnis. Kulturelle Bildung ist ein substanziel- der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik ler Bestandteil dieses Bildungsplans und geeignet, einen Deutschland, 2009, S. 2 f.), in dem es heißt: „Erziehung maßgeblichen Beitrag zur Schulkultur zu leisten, zum Bei- zu Demokratie und Menschenrechten ist eine zentrale Auf- spiel im Rahmen des Schulcurriculums und in Kooperation gabe für Schule und Jugendbildung – Demokratie und mit außerschulischen Partnern. 12
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 Durch den hohen Stellenwert, den die Felder Demokratie- An die Stelle einer primär stofforientierten Unterrichts- erziehung, Friedensbildung und kulturelle Bildung im Bil- gestaltung („Was muss durchgenommen werden?“) tritt dungsplan erhalten, wird der Gefahr einer Verengung des ein kumulativer Kompetenzaufbau im jeweiligen Fach schulischen Bildungsverständnisses auf fachliche oder gar („Wie und was müssen Schülerinnen und Schüler lernen, nur auf die messbaren Kompetenzen begegnet. Schulische damit sie am Ende eine bestimmte Kompetenz erworben Leistungen umfassen stets auch Aspekte jenseits des Fach- haben?“). unterrichts, wie z. B. (außerschulische) soziale, politische, musisch-künstlerische oder sportliche Aktivitäten. Dazu muss die abstrakte Vorstellung vom Kompetenzauf- bau zunächst fachdidaktisch fundiert und anschaulich heruntergebrochen werden. ORIENTIERUNG, BEGLEITUNG, ANLEITUNG: Die Bildungspläne 2016 sind so aufgebaut, dass sie die DER BILDUNGSPLAN ALS ERFAHRUNGS- Aspekte der Struktur eines Kompetenzbereichs (z. B. im OFFENES SYSTEM Fach Deutsch die Unterscheidung in die Bereiche Texte und andere Medien und Sprachgebrauch und Sprachre- Kompetenzorientierung im Unterrichtsalltag entsteht nicht flexion) und der Entwicklung von Kompetenzen im Zeit- durch Bildungspläne, selbst wenn diese ein noch so kon- verlauf in den verschiedenen Standardstufen unterscheiden. kretes Orientierungsraster hinsichtlich der erwarteten Kompetenzen bieten. Im gemeinsamen Bildungsplan für die Sekundarstufe I kommt die Graduierung von Kompetenzen in den drei Im Unterrichtskontext verbindet sich Kompetenzorien- Niveaustufen G, M und E hinzu. Diese Graduierung zwi- tierung ganz allgemein mit dem geschärften Blick auf die schen den Niveaustufen erfolgt beispielsweise durch die tatsächlich erreichten Lernergebnisse. Menge der verpflichtend zu bearbeitenden Inhalte, die Durchdringungstiefe oder durch den Grad an Abstraktion. 13
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 Leitperspektiven BNE MB BTV BO PG VB Grundschule Gemeinsamer Plan Gymnasium Sekundarstufe I Leitgedanken Leitgedanken Leitgedanken ibK Kl. 5/6 G M E ibK Kl. 5/6 ibK Kl. 1/2 Denkanstöße ibK Kl. 7/8/9 G M E ibK Kl. 7/8 pbK pbK pbK ibK Kl. 10 G M E ibK Kl. 9/10 ibK Kl. 3/4 Denkanstöße ibK Kl. 11/12/13 E ibK Kl. 11/12 Operatoren Operatoren Abbildung 1: Der Aufbau der Bildungspläne In sogenannten handlungsleitenden Verben, den Opera- stehen, die Überprüfung von Lernergebnissen sei dem toren, die am Ende jedes Fachplans aufgeführt sind, erfährt unterzuordnen. Die Grundschule bahnt an; sie entwickelt die Graduierung der erwarteten Kompetenzen eine an- Kompetenzen, auf die dann in den weiteren Klassen aufge- schauliche Konkretisierung. Auf diese Weise wird einem baut werden kann. Kompetenzverständnis Rechnung getragen, bei dem Struktur-, Niveau- und Entwicklungsaspekt berücksichtigt Insgesamt möchte der Bildungsplan 2016 aufgrund seines werden können (siehe Abbildung 1). kompetenzorientierten Aufbaus, seines Konkretisierungs- grads und durch die Niveaudifferenzierungen im gemein- Im Bildungsplan für das Gymnasium werden auf der Stan- samen Bildungsplan einen Unterricht unterstützen, der dardstufe 10, die für die Klassen 9 und 10 gilt, diejenigen leistungsorientiert und individualisierend ist, auf unter- Kompetenzen gekennzeichnet, die dem 10. Schuljahr vor- schiedliche Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und behalten sind und über das E-Niveau des gemeinsamen Schülern eingeht und damit eine erfolgreiche Lernentwick- Plans der Sekundarstufe I und damit über den mittleren lung aller befördert. Schulabschluss hinausgehen. Dabei bedeuten: BNE: Bildung für nachhaltige Entwick- Umsetzung Der analog Vorlage Bildungsplan der Grundschule enthält Im gesamten Bildungsplan Denkanstöße, lung;sind diesen BTV: Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt; Kompetenzen folgende Farben zugeordnet die dazu dienen, Lehrkräften Hilfestellungen zu geben, PG: Prävention und Gesundheitsförderung; BO: Berufliche Prozessbezogene Kompetenzen wie die in den Kompetenzbeschreibungen und Teilkom- Orientierung; MB: Medienbildung; VB: Verbraucherbil- petenzen geforderten Fähigkeiten der KinderInhaltsbezogene dung; Kl.: Klasse; pbK: prozessbezogene Kompetenzen; gefördert Kompetenzen werden können. Da die Grundschule stärker den Entwick- ibK: Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen. lungsprozess und weniger die Überprüfung der Ergebnisse im Blick hat, wird hier folgerichtig auf Operatoren verzich- Die Gesamtanlage des neuen baden-württembergischen tet. In der Grundschule, so das erklärte Ziel des Bildungs- Bildungsplans ist bei seiner Einführung deutschlandweit plans, soll das Kind mit seiner Entwicklung im Mittelpunkt einzigartig. Der Entwicklungsprozess erfolgte mit hoher 14
EINFÜHRUNG IN DEN BILDUNGSPLAN 2016 Transparenz und vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten. ZITIERTE LITERATUR Zu diesen Maßnahmen zählten systematische Experten- befragungen und Erprobungen der Bildungspläne in allen Baden-Württembergischer Industrie- und Handels- Schularten. Ein Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern kammertag (2015). Fachkräftemonitor 2030. aus Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion und http://www.fachkraeftemonitoring-bw.de/ Politik hat den gesamten Prozess konstruktiv-kritisch be- (Stand: 22.07.2015). gleitet. Des Weiteren hat das Kultusministerium frühzeitig Baumert, J. (2002). Deutschland im internationalen ein Bündel an Unterstützungsmaßnahmen bereitgestellt, Bildungsvergleich. In N. Kilius, J. Kluge & L. Reisch um die neuen Bildungspläne an den Schulen einzuführen. (Hrsg.), Die Zukunft der Bildung (S. 100–150). Frankfurt am Main: Suhrkamp. Ein wichtiger Bestandteil des Konzepts ist es, den Schu- len neben der Begleitung durch Fachberaterinnen und D-EDK. (2014). Lehrplan 21 – von der D-EDK Plenar- Fachberater sowie Fortbildungen auch Beispielcurricula, versammlung am 31.10.2014 zur Einführung in den Kompetenzraster, Lernwegelisten und exemplarische Lern- Kantonen freigegebene Vorlage. Bereinigte Fassung vom materialien anzubieten, um dadurch die beabsichtigten 26.03.2015. Luzern: Geschäftsstelle D-EDK. Entwicklungsprozesse im Unterricht zu unterstützen. Um Ermert, K. (2009). Was ist kulturelle Bildung? Bundes- den Lehrerinnen und Lehrern einen schnellen Zugriff auf zentrale für politische Bildung. http://www.bpb.de/gesell- diese und weitere Umsetzungshilfen zu ermöglichen, wer- schaft/kultur/kulturelle-bildung/59910/was-ist-kulturelle- den diese gemeinsam mit den neuen Bildungsplänen auf bildung?p=all (Stand: 22.07.2015). einer Internetplattform veröffentlicht. Klieme, E. & Hartig, J. (2007). Kompetenzkonzepte in Der neue Bildungsplan für die baden-württembergischen den Sozialwissenschaften und im erziehungswissenschaft- Schulen lädt zu Diskussion und Diskurs ein und ist in- lichen Diskurs. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, sofern gesamtgesellschaftlich aktivierend. Nichts braucht 10 (Sonderheft 8), 11–29. ein Bildungssystem in Zeiten gesellschaftlicher Herausfor- Landesinstitut für Schulentwicklung & Statistisches derungen und rasanten sozialen Wandels mehr als einen Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.) (2015). Bezugsrahmen, der gesellschaftlicher Trägheit entgegen- Bildungsberichterstattung 2015. Stuttgart. tritt und doch gleichzeitig ein differenziertes Angebot für Orientierungswissen und Wertevergewisserung macht. Rat für Kulturelle Bildung (Hrsg.) (2014). Schön, dass Ihr da seid. Kulturelle Bildung: Teilhabe und Zugänge. Essen: Rat für Kulturelle Bildung. Sander, W. (2005). Anstiftung zur Freiheit. Aufgaben und Ziele politischer Bildung in einer Welt der Differenz. ZEP: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik, 28(2), 8 –13. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultus- minister der Länder in der Bundesrepublik Deutsch- land (2009). Stärkung der Demokratieerziehung. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009) Wehling, H. G. (1977). Konsens à la Beutelsbach. In S. Schiele & H. Schneider (Hrsg.), Das Konsensproblem in der politischen Bildung (S. 173–184). Stuttgart: Klett. Weinert, F. E. (2001). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In F. E. Weinert (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen (S. 17–31). Weinheim und Basel: Beltz. 15
HINWEISE ZU DEN BILDUNGSPLÄNEN 2016 Hinweise zu den Bildungsplänen 2016 Im Rahmen der Bildungsplanreform 2016 sind vier neue die Grundschule zahlreiche Hinweise (sogenannte „Denk- Bildungspläne erarbeitet worden: der Bildungsplan für die anstöße“), die den Lehrkräften Impulse zur Anbahnung der Grundschule, der gemeinsame Bildungsplan für die Sekun- Kompetenzen im Unterricht bieten sollen. darstufe I, der Bildungsplan für das allgemein bildende Gymnasium und der Bildungsplan der Oberstufe an Ge- Mit dem gemeinsamen Bildungsplan der Sekundarstufe I meinschaftsschulen. ist erstmals ein gemeinsamer, abschlussbezogener Bildungs- plan für die Sekundarstufe I entwickelt worden, der die bis- herigen Einzelpläne für Werkrealschule/Hauptschule und DIE EINZELNEN BILDUNGSPLÄNE Realschule ablöst. Dieser Bildungsplan gilt für die genann- ten Schularten sowie für die Gemeinschaftsschule. Alle Bildungspläne sind kompetenzorientiert angelegt und definieren, was Schülerinnen und Schüler zu einem be- Er weist durchgängig drei Niveaustufen aus. Das grund- stimmten Zeitpunkt können sollen. Die neuen Bildungs- legende Niveau (G) führt zum Hauptschul- bzw. nach einer pläne entwickeln das Konzept der baden-württembergi- Phase der Vertiefung zum Werkrealschulabschluss an den schen Bildungspläne aus dem Jahr 2004 weiter und sind Werkrealschulen, das mittlere Niveau (M) zum Realschul- mit den von der Kultusministerkonferenz festgelegten ak- abschluss. Das erweiterte Niveau (E) bildet das gymnasiale tuellen Standards abgestimmt (zum Kompetenzbegriff der Niveau ab und eröffnet einen neunjährigen Bildungsweg neuen Bildungspläne vgl. S. 9 ff.). zum Abitur. An den Gemeinschaftsschulen sind alle drei Niveaustufen relevant. Der Bildungsplan der Grundschule knüpft an den baden- Unterscheidungsmerkmale von G-, M- und E-Niveau sind württembergischen „Orientierungsplan für Bildung und Er- beispielsweise Umfang und Komplexität von Inhalten bzw. ziehung in baden-württembergischen Kindergärten und Kompetenzen oder auch deren Abstraktionsgrad. Zudem weiteren Kindertageseinrichtungen“ an. Zusätzlich zu den werden Niveauunterschiede durch den Einsatz unterschied- Kompetenzbeschreibungen enthält der Bildungsplan für licher Operatoren sichtbar (vgl. unten). 16
HINWEISE ZU DEN BILDUNGSPLÄNEN 2016 Der Bildungsplan des Gymnasiums beschreibt einen acht- stufe I sind die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen jährigen Bildungsgang bis zum Abitur. Der Bildungsplan in drei Niveaustufen ausdifferenziert (vgl. oben). des Gymnasiums ist inhaltlich und strukturell eng mit dem gemeinsamen Bildungsplan der Sekundarstufe I abge- Bildungsabschnitte der einzelnen Bildungspläne stimmt. Bildungsplan der Grundschule: Klassen 1/2, Klassen 3/4 Das erweiterte Niveau des gemeinsamen Bildungsplans gemeinsamer Bildungsplan der Sekundarstufe I: der Sekundarstufe I ist zusammen mit dem Bildungs- Klassen 5/6, Klassen 7/8/9, Klasse 10 plan der Oberstufe an Gemeinschaftsschulen anforderungs- gleich mit dem Bildungsplan für das allgemein bildende Bildungsplan des Gymnasiums: Gymnasium. Somit wird an der Gemeinschaftsschule ein Klassen 5/6, Klassen 7/8, Klassen 9/10, durchgängiger neunjähriger Bildungsgang zum Abitur be- Klassen 11/12 schrieben. Dabei entspricht die Sekundarstufe II der Ge- Bildungsplan der Oberstufe an Gemeinschaftsschulen: meinschaftsschule (11. bis 13. Schuljahr) der Sekundarstufe II Klasse 11, Klassen 12/13 des allgemein bildenden Gymnasiums (10. bis 12. Schuljahr). Operatoren dienen der Beschreibung von Kompetenzen, DER AUFBAU DER FACHPLÄNE die von Schülerinnen und Schülern erworben werden. Dies erfolgt durch handlungsleitende Verben wie beispielswei- Die Struktur der einzelnen Fachpläne ist identisch und um- se „nennen“, „darstellen“, „erläutern“. In der Operatoren- fasst liste im Anhang jedes Fachs wird die Bedeutung der in die übergreifenden Leitgedanken des jeweiligen Faches, den Standards verwendeten fachspezifischen Operatoren prozessbezogene Kompetenzen, konkretisiert. Diese Operatorenliste dient als Lesehilfe für Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen sowie die im Bildungsplan verwendeten Verben und ihre fach- einen Anhang, der u. a. Erläuterungen zu Besonderheiten spezifischen Bedeutungen. Eine für alle Fächer einheitliche des jeweiligen Fachplans und die Operatoren (Bildungs- Operatorenliste würde den teilweise divergierenden fach- pläne der weiterführenden Schulen) enthält. spezifischen Bedeutungen einzelner Verben nicht gerecht werden. Außerdem dürfen die Operatoren nicht mit den Die prozessbezogenen Kompetenzen beschreiben die allge- Prüfungsoperatoren gleichgesetzt werden. Die Tätigkeiten meinen Bildungsziele der Fächer und stellen die individu- sind jedoch prinzipiell in Aufgabenstellungen übertragbar elle Kompetenzentwicklung des Kindes und Jugendlichen und somit wird durch die Operatoren auch sichtbar, wie die über den gesamten Bildungsprozess in den Mittelpunkt. Standards evaluiert werden können. Hierbei werden auch personale und soziale Aspekte des Kompetenzbegriffs in den Blick genommen. Die prozess- Operatoren lassen sich den drei in der Komplexität zuneh- bezogenen Kompetenzen sind nicht an einzelne Inhalte menden Anforderungsbereichen „Reproduktion“, „Reorga- gebunden und zeigen auf, welche übergeordneten Kompe- nisation“, „Reflexion/Transfer“ zuordnen. Eine Zuordnung tenzen für ein Fach am Ende des jeweiligen Bildungsganges zu nur einem Anforderungsbereich ist jedoch nicht immer vorhanden sein sollen, also am Ende der Grundschule, möglich. Zum Beispiel ist im Fach Englisch der Operator für den Hauptschul- und Werkrealschulabschluss, für den „Analysieren“ je nach Kontext unterschiedlichen Anforde- Realschulabschluss oder für das Abitur. rungsbereichen zugeordnet. In der Grundschule werden aus entwicklungspsychologischen Erwägungen heraus kei- Die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen zeigen auf, ne Operatoren verwendet. an welchen konkreten Inhalten die Kompetenzen in einzel- nen Bildungsabschnitten (beispielsweise nach den Klassen 1/2 oder 5/6) entwickelt werden können. Die Standards für DIE LEITPERSPEKTIVEN inhaltsbezogene Kompetenzen sind ergebnisorientiert. Sie legen das Können und Wissen – und dabei auch die Inhalte Die Bildungs- und Erziehungsziele erfahren eine zusätz- – fest, die zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Schüle- liche Ergänzung in den Leitperspektiven. Anhand von sechs rinnen und Schülern nachzuweisen und damit auch über- handlungsleitenden Themen werden Fähigkeitsbereiche an- prüfbar sind. Im gemeinsamen Bildungsplan der Sekundar- gesprochen, die nicht einem einzigen Fach zugeordnet sind, 17
HINWEISE ZU DEN BILDUNGSPLÄNEN 2016 auf die Leitperspektiven sowie auf den „Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen“ (nur Bildungsplan der Grundschule). Verankerung der Leitperspektiven In den prozessbezogenen Kompetenzen finden sich die Leitperspektiven überwiegend implizit, teilweise auch explizit wieder, werden aber nicht gesondert ausge- wiesen. Bei den Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen wird mit dem Symbol dort auf die jeweilige Leitperspektive verwiesen, wo sich bei einem Standard ein unmittelbarer Bezug auf die Einbindung der Leitperspektive herstellen lässt. Diese wird durch eine begriffliche Erläuterung er- sondern übergreifend in verschiedenen Fächern entwickelt gänzt, die auf einen zentralen Aspekt der Leitperspek- werden sollen: tive hinweist. Darüber hinaus sind weitere unterrichtliche Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Zugänge zu den jeweiligen Leitperspektiven möglich, Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV) auch wenn diese nicht ausdrücklich ausgewiesen wurden. Prävention und Gesundheitsförderung (PG) Berufliche Orientierung (BO) Medienbildung (MB) HINWEISE ZUM BILINGUALEN LERNEN Verbraucherbildung (VB) (vgl. auch S. 8 f.) Bilinguales Lehren und Lernen ist an jeder weiterfüh- renden allgemein bildenden Schule möglich, entweder in In den Leitgedanken der Fachpläne werden die Leitper- bilingualen Modulen oder in besonderen bilingualen spektiven beschrieben, die im jeweiligen Fach von Bedeu- Zügen bzw. Profilen. tung sind. Hierbei wird dargestellt, welchen spezifischen Ziel ist es, dass bilinguale Module in allen Klassenstufen Beitrag das jeweilige Fach zu den Leitperspektiven leistet. und in möglichst vielen Fächern, besonders aber in den Sach- Die Leitperspektiven sind teilweise in Kompetenz- fächern, zur Selbstverständlichkeit werden. Damit finden beschreibungen integriert, zum anderen wird bei inhalts- die Einführung des frühen Fremdsprachenlernens und das bezogenen Kompetenzen auf konkrete Bezüge zur jewei- bilinguale Lernen in der Grundschule eine konsequente ligen Leitperspektive verwiesen. Fortführung in der Sekundarstufe I. Bilingualer Unterricht ist grundsätzlich in seinen Anfor- derungen, Zielen, Inhalten und Methoden an den jeweils VERWEISSTRUKTUR DER BILDUNGSPLÄNE geltenden Bildungsplan gebunden. Die Bildungsstandards gelten für den deutschsprachig und den fremdsprachig Eine detaillierte Verweisstruktur zeigt Möglichkeiten der erteilten Unterricht in den Sachfächern in gleicher Wei- fächerübergreifenden Bezüge wie auch der Vernetzung von se. Sie fordern, dass die deutschsprachigen Fachbegriffe Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen mit prozess- den Schülerinnen und Schülern geläufig sind. Folglich bezogenen Kompetenzen und Leitperspektiven auf. muss die jeweilige Fachsprache in der Muttersprache und in der Fremdsprache vermittelt und gelernt werden. Die Die Verweise sind bei den Standards für inhaltsbezogene Lernprozesse finden im bilingualen Unterricht in der Re- Kompetenzen mithilfe entsprechender Symbole gekenn- gel in der Fremdsprache statt, doch müssen auch hier die zeichnet: höheren Lernziel- und Anforderungsebenen des Sach- auf die prozessbezogenen Kompetenzen , fachs erreicht werden; dies kann einen Rückgriff auf die auf andere Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen deutsche Sprache erforderlich machen. Bilingualer Sach- desselben Fachplans , fachunterricht muss sich daran messen lassen, dass er die auf andere Fächer , Bildungsstandards des Sachfachs in vollem Umfang erreicht. 18
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