MINT-SCHWERPUNKT AUF DEM WEG ZUM - Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis - Industriellenvereinigung

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MINT-SCHWERPUNKT AUF DEM WEG ZUM - Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis - Industriellenvereinigung
AUF DEM WEG ZUM
MINT-SCHWERPUNKT

           Anregungen für
           Kindergärten und Schulen
           aus der Praxis für die Praxis
MINT-SCHWERPUNKT AUF DEM WEG ZUM - Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis - Industriellenvereinigung
Das MINT-Gütesiegel ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministerium für
Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Industriellenvereinigung, der Wissensfabrik –
­Unternehmen für Österreich und der Pädagogischen Hochschule Wien.

Impressum

Herausgegeben von www.mintschule.at

Erste Auflage: Juni 2021

Datenanalyse und Text: Heidemarie Amon, Doris Arztmann, Christian Bertsch,
Doris Fallheier, Hannah Fietz, Wolfgang Haidinger, Klaus Himpsl-Gutermann,
­Daniela Jantschy, Veronika ­Kotzab, ­B ernhard Müllner, Renate Reisinger,
 Erich Schönbächler, Heimo Senger, Petra Szucsich, Sonja Wenig, Ilse Wenzl

Projektleitung: Christian Bertsch und Doris Arztmann

Bildnachweis: freepik premium / Zinkevych (Titel, S. 8); shutterstock / Halfpoint
(S. 5, 27); freepik premium / Gpointstudio (S. 11); shutterstock / Olga Savina (S. 12);
shutterstock / Monkey Business Images (S. 15, 17, 20); freepik premium / Studiopeace
(S. 17); Martin Schepelmann (S. 21); shutterstock / industryviews (S. 23);
Industriellenvereinigung / Markus Prantl (S. 24); shutterstock / Kirsten Prahl (S. 28);
shutterstock / Matej Kastelic (S. 30); shutterstock / Kostiantyn Voitenko (S. 33);
shutterstock / Iakov Filimonov (S. 34)

Gestaltung: Alexandra Schepelmann / donaugrafik.at
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EINLEITUNG
Wir leben in einer Welt, die von rasanten Verände-         wenn sie durch entsprechende Maßnahmen und
rungen geprägt ist. Neue Technologien beeinflus-           Rahmenbedingungen unterstützt werden. Darunter
sen immer mehr Bereiche unseres Lebens und die             fallen etwa ein förderliches Arbeitsumfeld, eine be-
fortschreitende Digitalisierung beschleunigt diese         gleitende Unterrichts- und Organisationsentwicklung,
Entwicklung. Mit dem technologischen Fortschritt           aufbauende Weiterbildungsangebote sowie die Ver-
ändern sich auch die Anforderungen an junge Men-           netzung mit außerschulischen MINT-Akteuren und
schen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen.          MINT-Organisationen. Die gezielte Unterstützung
Kompetenzen in den MINT-Disziplinen (Mathema-              von ­Pädagog:innen ist unabdingbar, da ihnen die
tik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sind       wichtige Aufgabe zu Teil wird, MINT vernetzt und an-
dabei in einer modernen Gesellschaft immer stärker         wendungsorientiert zu vermitteln. Dies gelingt durch
gefragt und eröffnen vielseitige berufliche und per-       die besondere Akzentuierung zukunftsweisender
sönliche Chancen für junge Menschen. Denn For-             technischer Innovationen im Unterricht, durch den
schung, Technologie und Innovation werden immer            Einsatz einer vernetzenden, überfachlichen Didaktik
stärker zu Hoffnungsträgern bei der Bewältigung gro-       oder durch die Förderung geschlechter- sowie diver-
ßer gesellschaftlicher Herausforderungen – vom Kli-        sitätsreflektierender Kompetenzen, um mehr Interes-
mawandel, über die digitale Transformation bis hin         sent:innen für MINT-Felder zu gewinnen.
zur alternden Gesellschaft. Ohne MINT geht heute                Mit dem MINT-Gütesiegel werden seit 2016
nichts mehr! Gerade die COVID-19-Pandemie macht            ­Bildungseinrichtungen ausgezeichnet, die Rahmen-
den gesellschaftlichen Beitrag von MINT überdeut-           bedingungen für das Lernen in den MINT-Fächern so
lich: Ohne Forschung kein Impfstoff, ohne Medien-           wirksam wie möglich gestalten. Dies geschieht in sie-
kompetenz und Digitalisierung kein Distance-Lear-           ben Themenbereichen, welche auf der nächsten Dop-
ning, ohne Innovationen keine Adaptionen auf plötz-         pelseite überblicksartig vorgestellt werden.
lich geänderte Rahmenbedingungen.                               Neben dem MINT-Gütesiegel ist IMST als eine
      Eine solide naturwissenschaftlich-technische          weitere Initiative österreichweit tätig. In einem brei-
Grund­­­bildung ist somit von großer Bedeutung. Je          ten Netzwerk an Partner:innen wird gemeinsam
besser eine Gesellschaft in diesen Disziplinen gebil-       mit Bildungsinstitutionen an der Qualitätssicherung
det ist, desto geringer ist die Gefahr naiver Wissen-       im MINT-Unterricht durch Transfers zwischen For-
schafts- und Technikgläubigkeit einerseits, sowie un-       schung und Praxis gearbeitet In Kooperation mit Ex-
informierter und unreflektierter Ablehnung anderer-         pert:innen des IMST Gender_Diversitäten Netzwerks
seits. MINT-Kompetenzen wirken dem leichtgläubi-            hat es sich das Team rund um das MINT-Gütesiegel
gen Rezipieren von Fake News und Verschwörungs-             zur Aufgabe gemacht, die bisherigen Einreichungen
theorien entgegen und fördern gleichzeitig die Befä-        in all ihren Facetten zu sichten und interessierten
higung zu einer sachlich fundierten Entscheidungs-          Bildungseinrichtungen Good-Practice-Beispiele als
findung.                                                    Wegweiser zur MINT-Schule oder zum MINT-Kinder-
      Um Kinder und Jugendliche in ihrer Neugierde zu       garten mitzugeben.
bestärken und für die Mitgestaltung unserer Zukunft             Die vorliegende Broschüre stellt verdichtet Erfah-
zu rüsten, kann bereits im Kindergarten ein Grund-         rungen, Zugänge und Hebelpunkte von Kindergärten
stein für das MINT-Verständnis gelegt werden. Kin-         und Schulen vor, die erfolgreich mit dem MINT-Güte-
der, die in elementarpädagogischen Bildungseinrich-        siegel ausgezeichnet wurden. Diese Sammlung guter
tungen in ihrem Interesse gefördert und in ihrem Tun       Praxis setzt es sich zum Ziel, Aufschluss darüber zu
bestärkt werden, entwickeln ein positives Selbstkon-       geben, welche konkreten Maßnahmen in Österreich
zept in Bezug auf Naturwissenschaft und Technik.           bereits umgesetzt werden. Darüber hinaus soll sie in-
Dies hat zur Folge, dass sie sich zukünftig mit einem      teressierten Bildungseinrichtungen Werkzeuge in die
weit größeren Selbstvertrauen technischen Heraus-          Hand geben, die eine MINT-Förderung der Kinder und
forderungen stellen werden. Gerade deshalb ist der         Jugendlichen in der Unterrichts- und Schulentwick-
frühe Kontakt mit entdeckendem und forschendem             lung stärken wollen. Mit Tipps und Empfehlungen
Lernen im MINT-Bereich so wichtig.                         aus der Praxis für die Praxis!
      Einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung des
Interesses und Verständnisses im MINT-Bereich                     Doris Arztmann, Christian Bertsch, ­Wolfgang
leisten Pädagog:innen. Allerdings können sie diese             Haidinger, ­Veronika Kotzab und R
                                                                                               ­ enate Reisinger
herausfordernde Aufgabe nur dann gut bewältigen,                           für das Team von www.mintschule.at

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
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DER PRAXISLEITFADEN
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IM ÜBERBLICK

  In Österreich werden seit 2016 Bildungs­                             MINT-DIDAKTIK › S. 8
  einrichtungen mit dem MINT-Gütesiegel                     Erfolgreiche MINT-Bildungseinrichtungen entwickeln
 ­zertifiziert. Im Rahmen eines kriterien­                  die MINT-Förderung und den MINT-Unterricht am
 geleiteten Einreichungsprozesses                           Standort kontinuierlich weiter. Sie betonen das freud-
 dokumentieren Bildungseinrichtungen,                       volle Entdecken und Lernen im MINT-Bereich, indem
                                                            sie die MINT-Fächer (und auch das Fach Werken)
 mit welchen Maßnahmen sie innovatives
                                                            besser miteinander vernetzen. Das anwendungs-
 Lernen in Mathematik, Informatik, Natur­                   orientierte, praxisnahe und forschende Lernen der
 wissenschaften und Technik fördern. Sie                    Kinder und Jugendlichen wird gefördert, die digitalen
 legen dar, welche Zugänge sie wählen, um                   Kompetenzen gefestigt und die Beteiligung an MINT-
  junge Menschen, unabhängig von ihrem                      Projekten und MINT-Wettbewerben gesteigert.
  Geschlecht oder ihrem sozialen Hinter­
  grund, für MINT zu begeistern. Zusätzlich
  belegen sie, wie (schulische) Rahmen­
 bedingungen in Kindergarten und Schule
 weiterentwickelt werden, um den MINT-
 Schwerpunkt der Bildungs­einrichtung zu
 entwickeln. Alle Einreichungen werden von                             MINT FÜR ALLE › S. 15
 einer MINT-Expert:innen-Jury begutachtet
                                                            Erfolgreiche MINT-Bildungseinrichtungen wecken
 und bewertet. Sollte eine Einrichtung die
                                                            früh das MINT-Interesse aller Lernenden, bauen Gen-
 Kriterien noch nicht erfüllen, kann nach                   der- und Diversitätskompetenz im Team auf, fördern
 Berücksichtigung der Empfehlungen und                      im MINT-Bereich eine geschlechterreflexive Arbeits-
 weiterer Entwicklungen im Folgejahr                        weise und binden außerschulische Förderangebote
 wieder eingereicht werden.                                 für realistische Studien- sowie Berufsfeldperspekti-
                                                            ven im MINT-Bereich unabhängig vom sozialen Hin-
 Bis zum Schuljahr 2021 / 22 wurden                         tergrund ein.
 449 Bildungs­einrichtungen mit dem
 ­MINT-­Gütesiegel österreichweit aus­
  gezeichnet. Die vorliegende Broschüre
   sammelt Zugänge, Maßnahmen wie
   Erfahrungen aus der Praxis dieser
   Bildungseinrichtungen und zeigt damit
   viele Wege zur MINT-Schwerpunkt­                                     MINT-UMFELD           › S. 20
   bildung auf. In sieben Bereichen werden                  Erfolgreiche MINT-Bildungseinrichtungen kooperie-
   konkrete Beispiele und Entwicklungs­                     ren mit lokalen Unternehmen, mit Forschungsein-
   möglichkeiten vom Kindergarten bis zur                   richtungen, externen Expert:innen sowie außerschu-
                                                            lischen MINT-Lernorten. Dabei werden Bildungs­
   Sekundarstufe II aufgezeigt. Die Struktur
                                                            kooperationen mit außerschulischen Partnern idea-
   orientiert sich dabei an den Kategorien der
                                                            lerweise über einen längerfristigen Zeitraum einge-
  ­MINT-Gütesiegel-­Einreichungen, welche                   gangen. Die MINT-Förderung und Unterrichtsgestal-
   jeweils durch ein kapiteldefinierendes                   tung wie auch die Fort- und Weiterbildung von Lehr-
   Icon vertreten sind.                                     kräften profitieren davon.

 Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
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MINT-BERUFSBILDUNG › S. 23                            MINT-PROFESSIONALISIERUNG › S. 30
Erfolgreiche MINT-Bildungseinrichtungen zeigen von         In erfolgreichen MINT-Bildungseinrichtungen steht
Anfang an berufliche MINT-Bezüge auf. Sie setzen           die kontinuierliche Weiterentwicklung der Lehrkom-
aktiv auf Elternarbeit für ein höheres MINT-Bewusst-       petenz im Kollegium im Fokus. Dies geschieht durch
sein und eine faire Unterstützung bei der Berufswahl,      interne und externe kollegiale Vernetzung, durch kol-
wofür unterschiedliche Formate genutzt werden.             legiale Beratung, gemeinsame Reflexion sowie Peer-
Die Schnittstelle zwischen Schule und Ausbildungs­         Learning durch den institutionalisierten Austausch
betrieben ist gut ausgebildet und Lehrkräfte nehmen        im Kollegium. Darüber hinaus sind Kindergarten-
­regelmäßig an relevanten Ausbildungen teil.               und Schulleitungen wie das Fachkollegium aufgeru-
                                                           fen, klar formulierte, langfristige Ziele im Aufbau der
                                                           MINT-Lehrkompetenz je nach den regionalen Mög-
                                                           lichkeiten und dem pädagogischen Konzept der Bil-
                                                           dungsinstitution festzulegen. Durch den Blick auf
                                                           internationale Debatten und aktuelle fachliche und
                                                           fachdidaktische Fort- und Weiterbildungsangebote
                                                           wächst das Wissen für die eigene Lehrtätigkeit.

       MINT-ORGANISATION › S. 27
Erfolgreiche MINT-Bildungseinrichtungen setzen zahl­
reiche organisatorische Maßnahmen zur Etablierung
des MINT-Schwerpunktes um. Die räumliche Aus-
stattung wird weiterentwickelt, standortspezifische                 MINT-OUTREACH › S. 33
Lernsettings und Lernumgebungen im MINT-Bereich
                                                           Erfolgreiche MINT-Bildungseinrichtungen vermitteln
werden etabliert, in MINT-Materialien wird investiert.
                                                           durch Kommunikationsmaßnahmen das Spektrum
Die MINT-Förderung ist im pädagogischen Konzept
                                                           der (vor-)schulischen MINT-Aktivitäten und machen
bzw. im Leitbild der Einrichtung festgeschrieben. In-
                                                           so ein breites Publikum auf MINT-Thematiken in der
novative MINT-Schwerpunktentwicklung zeigt sich
                                                           eigenen Bildungseinrichtung aufmerksam. Ausge-
beispielsweise in neuen Fächern, im Wahlpflicht­
                                                           zeichnete MINT-Bildungseinrichtungen verbessern
angebot oder in besonderen MINT-Förderkursen.
                                                           durch Öffentlichkeitsarbeit die Bekanntheit ihres
                                                           Standortes. Sie sorgen durch kommunikativen Brü-
                                                           ckenbau zu anderen Bildungseinrichtungen für al-
                                                           ters- und schultypenübergreifende MINT-Aktivitäten
                                                           (bspw. HTL meets Kindergarten) für altersübergrei-
                                                           fende MINT-Schwerpunkte. Nicht zuletzt vergrößern
                                                           sie die Reichweite durch klar formulierte gemeinsame
                                                           Zielsetzungen mit Universitäten, Fachhochschulen
                                                           und Unternehmen in der Bildungsregion.

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DER WEG 6

            ZUM MINT-SCHWERPUNKT

            Die Broschüre richtet sich an inter­
            essierte Pädagog:innen in Kinder­
            gärten und Schulen, an Entwicklungs­
            berater:innen sowie an Leiter:innen
            der Bildungsinstitutionen. Viele der
            konkreten Beispiele sind nicht als
                                                                                                                 Eigenständiges
            direkt übertragbare Empfehlungen                                       MINT-Unterricht
                                                                                                              ­Entdecken, Forschen
                                                                                     vernetzen
            zu lesen, vielmehr öffnen sie einen                                                              und Entwickeln fördern
            Ideenraum. Pädagog:innen sind dazu
            eingeladen, diese mit den eigenen
            Ausgangs­bedingungen in Schule
            und Kindergarten zu verknüpfen
            und weiter­zuentwickeln.

                                                                         An MINT-­                                       Digitale
                                                                      Wettbewerben                                        Kompetenzen
                                                                       ­teilnehmen                                          fördern

           Außerschulische                                                                     Kreative Ansätze
                                              Gender- und
            ­Förderangebote                                                                    und ­integrierende
                                        ­Diversitätskompetenz
           im MINT-­Bereich                                                                       Unterrichts­
                                               aufbauen
                einbinden                                                                       formate nutzen

 Geschlechter­
                                                        Früh MINT-­
sensible ­Sprache
                                                     Interesse wecken                                Mit Forschungs­
  und ­inklusive
                                                      und ­S tereotype                                einrichtungen
  ­Bildsprache
                                                        überwinden                                     ­kooperieren
   verwenden

                              Einbezug und
                             ­Unterstützung
                          aller „untypischen“
                               ­Lernenden

                                                                   Mit lokalen ­
                                                                  Unternehmen­ ­
                                                                   kooperieren

                                                                                                                  Mit externen ­
                                                                                                                Expert:innen und
                                                                                                                außerschulischen
                                                                                                                   ­Lernorten
                                                                                                                  kooperieren

            Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
MINT-SCHWERPUNKT AUF DEM WEG ZUM - Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis - Industriellenvereinigung
Die interne
                          und ­externe ­
                        Vernetzung ­der
                        7
                        ­Pädagog:innen
                             ­gezielt
                          vorantreiben

   Klarer Fokus
  und ­langfristige
   Ziele setzen
                                                                Kontinuier-
                                                             ­liche, alltags­-
                                                                praktische
                                                         ­Professionalisierung
                                                                 verfolgen

                             Bundesweit                                                                                      Standort­
                        und ­international mit                                         Die ­räumliche
                                                                                                                         spezifische Lern-
                        ­Professionist:innen                                           ­Ausstattung
                                                                                                                         settings im MINT-­
                              vernetzen                                                  ­ausbauen
                                                                                                                         Bereich aufbauen

                                                                                        Kreativitäts­
    Langfristige,                                                                                                        MINT-Materialien
                                             Von Anfang an                               fördernde
     ­nachhaltige                                                                                                        weiterentwickeln
                                          ­MINT-Berufsbezüge                          ­Zugänge nutzen
  ­Partnerschaften
                                               ­aufzeigen
       eingehen

                                                                                                                         Kommunikations­
                                                                                                                             formate mit
     Events und                           Mehr Elternarbeit
                                                                                                                           ­Universitäten,
­Kooperationsprojekte                      für ein höheres
                                                                                                                         Fachhoch­schulen
    gezielt nutzen                        MINT-Bewusstsein
                                                                                                                              und ­Firmen
                                                                                                                             ­konzipieren
                                                                            ­Schnittstellenarbeit
                                                                               zwischen Schul­
                                                                              typen verbessern

                                                                                                            Gezielte PR-Arbeit
                                                                                                                für mehr
                                                                                                              Öffentlichkeit

              Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
MINT-SCHWERPUNKT AUF DEM WEG ZUM - Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis - Industriellenvereinigung
Erfolgreiche MINT-Bildungseinrichtungen entwickeln die MINT-Förderung und
den MINT-Unterricht am Standort kontinuierlich weiter. Sie betonen das freudvolle
­Entdecken und Lernen im MINT-Bereich, indem sie die MINT-Fächer inklusive des
Faches Werken besser miteinander vernetzen. Das anwendungsorientierte, praxis-
nahe und forschende Lernen der Kinder und Jugendlichen wird gefördert, die digi­
talen Kompetenzen gefestigt und die Beteiligung an MINT-Projekten und MINT-­
Wettbewerben gesteigert. MINT-Unterrichtsentwicklung und MINT-Organisations-
entwicklung bedingen und unterstützen sich gegenseitig.
MINT-SCHWERPUNKT AUF DEM WEG ZUM - Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis - Industriellenvereinigung
MINT ­Didaktik9

MINT-UNTERRICHT VERNETZEN                                  sein, an dem mehrere Fächer zu unterschiedlichen
                                                           Zeiten arbeiten, oder es wird geblockt in einer Woche
Bereits für Kindergartenkinder spielen Phänomene           mit mehreren Lehrer:innen gleichzeitig gearbeitet. In
der belebten und unbelebten Natur eine große Rolle.        projektorientierten Wahlpflichtfächern oder -modu-
In MINT-Kindergärten werden die Kinder angeregt,           len (z. B. ­S cience) werden Themen wie Klimawandel,
spielerisch Zusammenhänge zu erkennen und zu er-           Umwelt- und Energiefragen, Ernährung und Gesund-
gründen. Beim Spazierengehen, Spielen und Backen           heit, Mobilität oder Stadtplanung fächerübergreifend
begegnen sie Phänomenen, die hinterfragt und an-           und mehrperspektivisch behandelt. Einige MINT-
schließend erkundet werden: Warum schütten wir             Schulen greifen im fächerübergreifenden Unterricht
Backpulver in den Teig? Wie entstehen Wolken? Wieso        auch die Sustainable Development Goals (SDGs) auf.
sprudelt der Sprudel? In einigen MINT-Kindergärten
wird mathematische Frühförderung mit Musik (Mathe          In der Sekundarstufe 2 haben die Schüler:innen in
macht Musik) angeboten, wobei es weniger um klassi-        einigen ausgezeichneten Schulen die Möglichkeit, in
sches Rechnen im Sinne von Addieren und Subtrahie-         Übungsfirmen den Gesamtentwicklungsprozess von
ren, sondern vielmehr um das Erfahren und Erkennen         der Geschäftsidee über die Produktentwicklung bis hin
von Mustern und Strukturen (z. B. Rhythmus) geht.          zum Verkaufsprozess inklusive Projektmanagement,
                                                           Projektkalkulation, Businessplan, Patentwesen und
Weitere Beispiele sind eigene MINT-Seiten im Kinder-       Firmengründung kennenzulernen. Abschlussarbeiten
Portfolio, gemalte Forschungstagebücher, ein Werk-         (Diplomarbeiten und VWAs) beinhalten zudem fächer-
zeugführerschein, das gemeinsame Bauen von Hoch-           übergreifende Themenstellungen (z. B. Wirtschaft–IT,
beeten, MINT-Wandtafeln, digitale Bilderrahmen, For-       IT–Naturwissenschaften, IT–Sprachen).
scherberichte mit Kinderzeichnungen oder ein re-
gelmäßiger MINT-Aktivitäten-Bericht auf der Home-
page, um auch die Erziehungsberechtigten informiert
zu halten. MINT-Kindergärten binden diese aktiv als        EIGENSTÄNDIGES ENTDECKEN,
wichtige Ansprechpartner:innen in den Prozess der          FORSCHEN UND ENTWICKELN FÖRDERN
MINT-Interessensfindung ein. Neben Eltern unter-
stützen auch Großeltern oder Ehrengäste punktuell          Forschende Lernarrangements finden sich entlang
MINT-Aktivitäten oder ermöglichen Projekte durch fi-       der Bildungskette in allen ausgezeichneten MINT-­
nanzielle Spenden, Fach-Know-how oder Sachmittel.          Bildungseinrichtungen. Beginnend mit spielerischem
                                                           Beobachten und Entdecken in Kindergärten (Wie
In vielen mit dem MINT-Gütesiegel ausgezeichneten          verhalten sich Farben beim Mischen? Was fressen
Volksschulen werden, ausgehend vom Sachunter-              Schnecken? Wie groß ist mein Schatten?) und dem
richt, Unterrichtsfächer themenspezifisch vernetzt.        Erforschen und Verstehen von Naturphänomenen
Beispielsweise werden im Sach- und Mathematik-             in der Volksschule (Wie entsteht ein Regenbogen?
unterricht Pläne für einfache Möbel gezeichnet, im         Warum schwimmt ein Schiff?). In der Sekundarstufe
Werkunterricht die Möbel maßstabsgetreu gebaut und         wird das Vorwissen der Schüler:innen aufgegrif-
begleitend lokale Betriebe (wie Tischlereien) besucht,     fen und – durch Fragen geleitet – weiterentwickelt.
um einen Einblick in technische Berufe zu erhalten. Im     Dabei steht auch zunehmend die wissenschaftliche
Sachunterricht durchgeführte Experimente werden            Arbeitsweise im Vordergrund und Schüler:innen ler-
oft als Ausgangspunkt für mathematische Analysen           nen, überprüfbare Fragen zu stellen, Experimente mit
verwendet, indem die Schüler:innen schätzen, zählen,       Versuchs- und Kontrollvariablen zu planen, zu do-
Tabellen erstellen und Mittelwerte berechnen üben.         kumentieren und zu interpretieren. In Rahmen von
                                                           VWAs oder Diplomarbeiten werden diese erworbe-
Vernetzter MINT-Unterricht in der Sekundarstufe            nen Fähigkeiten eigenständig umgesetzt.
beinhaltet fächerübergreifende Projekte, die von fä-
cherheterogenen MINT-Lehrer:innenteams unter-              Zentrales Element eines forschenden Unterrichtes
richtet werden. So lernen Schüler:innen fachliche In-      ist, dass Schüler:innen auf Basis ihrer eigenen Be-
halte aus verschiedenen Blickwinkeln kennen sowie          obachtungen Phänomene analysieren und bewerten
vernetzt zu denken. Das kann etwa ein Jahresthema          lernen. Daraus ziehen die Schüler:innen Schlussfol-

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
MINT-SCHWERPUNKT AUF DEM WEG ZUM - Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis - Industriellenvereinigung
MINT ­Didaktik10

gerungen, welche von den Pädagog:innen aufgegrif-          ser verstehen. Forschendes Lernen ermöglicht es
fen, gemeinsam diskutiert und schlussendlich so            den Lehrkräften, auf die unterschiedlichen Voraus­
zusammengefasst werden, dass die Schüler:innen             setzungen von hetero­genen Lernendengruppen ein-
einerseits Kompetenzen im forschenden Lernen auf-          zugehen.
bauen und gleichzeitig das Unterrichtsthema bes-

Folgende Kriterien können beim Planen von forschenden Unterrichtseinheiten unterstützen:

  ZENTRALE KRITERIEN FORSCHENDEN LERNENS IM UNTERRICHT

  • Schüler:innen (S) verfolgen Fragen, mit denen       • S diskutieren in Kleingruppen oder mit der
    sie ein persönliches Interesse verbinden, auch        Lehrperson, was sie beobachten können bzw.
    wenn diese von der Lehrperson ein­gebracht            herausgefunden haben.
    wurden.
                                                        • S formulieren Analysen und Bewertungen,
  • S stellen – basierend auf ihren Vorerfahrun­           ziehen auf Basis ihrer Daten s
                                                                                        ­ elbständig
    gen – begründete Vermutungen auf.                      (auch mit Unterstützung der L­ ehrperson)
                                                          Schluss­folgerungen und versuchen die
  • S nehmen am Planen einer Untersuchung teil.
                                                          ­Forschungsfragen zu beantworten.
  • S sammeln Daten, indem sie zu der
                                                        • S verwenden von der Lehrperson eingebrachte
    Forschungs­­frage passende Methoden und
                                                          wissenschaftliche Ausdrücke, wenn sie die unter­
    Quellen nutzen.
                                                          suchten Phänomene beschreiben und erklären.
  • S verwenden Messinstrumente und doku­
                                                        • S zeichnen oder schreiben auf, was sie getan
    mentieren.
                                                          und herausgefunden haben.

Es ist ein großes Missverständnis, wenn von Päda-          Sie unterstützen die Schüler:innen beim eigenen For-
gog:innen beim Forschenden Lernen nur als Lernbe-          schen und helfen anschließend, die Ergebnisse so
gleiter:innen gesprochen wird. Lehrpersonen legen          zusammenzufassen, dass die Lernenden die unter-
die Rahmenbedingungen und Aufgaben fest, die For-          suchten Konzepte besser verstehen.
schendes Lernen ermöglichen.

  ZENTRALE AUFGABEN DER LEHRPERSON IN EINEM FORSCHENDEN LEHR-LERNSETTING

  • Die Lehrperson (L) schafft Rahmenbedingun­          • L weist S darauf hin, zu überprüfen, ob die
    gen, die das selbständige Forschen und Unter­         Schlussfolgerungen zu den gesammelten
    suchen der Schüler:innen (S) ermöglichen.             Daten passen.

  • L befragt die S nach ihren bestehenden              • L unterstützt S beim systematischen Fest­
     Ideen und hilft den S ihre Ideen exakt zu            halten der Ergebnisse.
    ­formulieren.
                                                        • L fasst die Ergebnisse der Untersuchungen zu­
  • L ermutigt S Fragen zu stellen und hilft ihnen        sammen und unterstützt mit altersgerechten
    bei der Formulierung exakter Forschungs­              Erklärungen die Weiterentwicklung des konzep­
    fragen, die untersucht werden können.                 tuellen Verständnisses.

  • L unterstützt S beim Planen und Durchführen         • L ermutigt S zur Reflexion der Ergebnisse und
    der Untersuchungen.                                   Arbeitsweise.

  • L fragt S nach ihren Beobachtungen und              • L hilft S bei der Identifizierung möglicher
    Schlussfolgerungen.                                   ­Fehlerquellen.

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
MINT ­Didaktik11

DIGITALE KOMPETENZEN FÖRDERN

Für das Lernen und die Teilhabe in einer zunehmend
digitalisierten Welt ist eine digitale Grundbildung be-
sonders wichtig. Die Arbeit an den digitalen Grund-
kompetenzen im Schulunterricht und als Förderung
im Kindergarten ist vielfältig, sollte allerdings immer
in einer altersgemäßen Form und von Beginn an auf
ein aktives, kreatives und kritisch-reflexives Medien-
handeln ausgerichtet sein.

Durch die Allgegenwart digitaler Medien im Leben
von Erwachsenen halten diese auch immer mehr
Einzug in die Erfahrungswelt von Kindern. Eine vor-
bereitete und begleitende Auseinandersetzung der
Vorschulkinder mit den Phänomenen der digital ver-
netzen Welt wird demnach zusehends zum Bildungs-
auftrag für Kindergärten, wofür es bis dato allerdings
zu wenige umfassende Konzepte gibt. Auf Grund die-
ser Problematik wurde das Projekt „Kreatives Me-
dienhandeln im Kindergarten“ an der Pädagogischen
Hochschule Wien initiiert. Ziel ist es, den Kindergar-
tenkindern einen adäquaten, altersgerechten, spiele-       • Spielerischer Einstieg ins Thema Robotik
rischen und vor allem handelnden Zugang zu digita-           Ein Kind schlüpft in die Rolle eines Roboters. Ein
len Medien zu vermitteln. Der Fokus im ­Kindergarten         anderes Kind steuert diesen Roboter durch ver-
liegt darin, von analogen Problematiken der Kinder           schiedene Befehle. Diese Befehle an den Roboter
auszugehen, um so auf digitale Herausforderungen             können akustisch, visuell oder auch durch Berüh-
der Alltagswelt der Kinder zu schließen, diese zu the-       ren geschehen. Auf den Kopf tippen bedeutet zum
matisieren und zu lösen. ­Gelingen kann dies bereits         Beispiel, dass sich der Roboter einen Schritt nach
im Kindergarten zum ­Beispiel durch:                         vorne bewegt. Linke und rechte Schulter bedeutet,
                                                             dass sich der Roboter in diese Richtung um 90°
• Perspektiven erweitern                                     dreht. Ein Antippen auf den Rücken könnte den Ro-
  Durch den Einsatz von digitalen Mikroskopen, wel-          boter dazu anweisen, sich zurückzubewegen. Der
  che mit einem Tablet oder Smartphone verbunden             Kreativität der Pädagog:innen sind da keine Gren-
  werden, können spannende Aufzeichnungen von                zen gesetzt.
  Naturgegenständen oder auch kleinen Lebewe-
  sen entstehen. Der Vorteil dieser digitalen Heran-
  gehensweise liegt dabei in der Wiederhol- und Be-        An MINT-Volksschulen wird die richtige Nutzung di-
  arbeitbarkeit der Bilder und Videos.                     gitaler Medien mit den Schüler:innen aktiv themati-
                                                           siert. Dazu werden u.a. regelmäßig Workshops mit
• Algorithmisches Denken fördern                           externen Anbietern (z. B. Safer Internet, CyberKids)
  Anhand von Ritualen und Abläufen aus dem Kin-            angeboten. In der Sekundarstufe wird die richtige
  dergartenalltag kann den Kindern algorithmisches         Nutzung digitaler Medien an einzelnen Schulstand-
  Denken nähergebracht werden. Mittels Visualisie-         orten erweitert. Beispielsweise wird für alle ersten
  rung durch Bildkärtchen, welche von den Kindern in       Klassen eine digitale Woche eingeführt, in der The-
  die richtige Reihenfolge gebracht werden müssen,         men wie Internetrecherche, Zitieren, Präsentieren
  kann bei den Kindern ein Bewusstsein für Abläufe         aber auch erste Schritte zum Programmieren mit
  aufgezeigt werden. Dies kann zum Beispiel anhand         den Schüler:innen fächerübergreifend und intensiv
  der Visualisierung des Zähneputzens, Anziehens           erarbeitet werden, um in weiteren Schuljahren darauf
  oder des Toilettengangs gelingen.                        aufbauen zu können.

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
Tablets werden in MINT-Bildungseinrichtungen so-            des Minicomputers Microbit gelegt wurde. ­A ktuell
wohl im Unterricht als auch im Rahmen der Frei-             laufen die Vorbereitungen für DLPL 3, bei dem mit
arbeit intensiv genutzt. Bereits in der Volksschule         einer Logikbox auf die Verbindung von informati-
sind ­Beebots, Lego-Education und andere Tools              schem Denken und haptischen Lernen abgezielt wird.
wie ­Turing Tumble im Einsatz, um die Schüler:innen
spielerisch an die Themen Informatisches Denken,            Die Initiative „eEducation Austria“ des Bundesminis-
­Coding und Robotik heranzuführen.                          teriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat
                                                            es sich zum Ziel gesetzt, digitale und informatische
Seit 2017 gibt es an allen Pädagogischen Hochschu-          Kompetenzen in allen Schulen Österreichs zu fördern.
len in Österreich spezielle Lernräume zur Förderung         Die Initiative digi.komp unterstützt dabei die Umset-
der informatischen Grundbildung, die sogenannten            zung der verbindlichen Vorgaben der Lehrpläne. Die
Education Innovation Studios (EIS). Das Projekt             Kompetenzmodelle auf verschiedenen Niveaus ent-
„Denken lernen – Probleme lösen (DLPL)“ widmete             lang der Bildungskette (digi.komp4, digi.komp8, digi.
sich der Etablierung dieser EIS, während gleichzei-         komp12 sowie digi.kompP für Pädagog:innen) bil-
tig 100 Volksschulen in 20 Clustern zu je fünf Schu-        den einen Referenzrahmen, der Schulen, Eltern, Leh-
len die technische Ausstattung für den spielerischen        rer:innen und Schüler:innen in Österreich als Orien-
Umgang zur Einführung in Informatisches Denken,             tierungshilfe dienen soll. Zudem werden Ziele der di-
Coding und Robotik erhielten. Die Schulen wurden            gitalen und informatischen Kompetenzen definiert,
professionell durch die Pädagogischen Hochschu-             die Schüler:innen und Pädagog:innen zu bestimm-
len begleitet, die didaktische Expertise wurde im Dia-      ten Zeitpunkten ihrer schulischen bzw. beruflichen
log aller Beteiligten erarbeitet. Ziel war es, bereits in   Laufbahn erworben haben sollten. Im Acht-Punkte-
der Volkschule in die Nutzung von digitalen Medien          Plan zur Digitalisierung des Bundesministerium für
didaktisch begründet einzuführen und das informati-         Bildung, Wissenschaft und Forschung sind derzeit
sche Denken zu stärken.                                     verschiedene Maßnahmen geplant. Dazu zählt bei-
                                                            spielsweise die Initiative Digitales Lernen zur Einfüh-
Das Projekt DLPL wurde 2018 auf die Sekundarstufe           rung von ­digitalen Endgeräten, gekoppelt an Schul­
ausgedehnt, wobei ein Schwerpunkt auf den Einsatz           entwicklungskonzepte.

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
MINT ­Didaktik13

Innovative Lernumgebungen brauchen auch entspre-           lichen entfachen. Dies gelingt in der Mischung mit
chende Lehr- und Lernmittel. Die Innovationsstiftung       vielen analogen Ansätzen und haptischen Aufgaben-
für Bildung verfolgt daher das Ziel, digitale Lehr- und    stellungen. Zentral dabei ist, dass unterschiedliche
Lernmittel (OER) zu fördern und direkt an die Schulen      Unterrichtsbereiche miteinander vernetzt werden.
zu bringen. So wurden von 2019 bis 2020 13 innova-         MINT-Kindergärten wie Schulen gehen damit indivi-
tive Projekte gefördert, die durch umfassende Partizi-     duell auf die Lernenden ein, etwa durch eine Band-
pationsmöglichkeiten zum Mitmachen einluden.               breite an Unterrichtstools (z. B. durch das Anbieten
                                                           von binnendifferenziertem Material: „Basic“, „Ad-
Alle Unterrichtsmaterialien aus Projekten sind in vol-     vanced“, „Expert“) sowie mit neuen Lehrmethoden
lem Umfang über die Eduthek verfügbar.                     (z. B. Forscher:innen-Logs). Der Einsatz von kreati-
                                                           ven Lehr­methoden an ausgezeichneten MINT-Schu-
Vertiefende Informationen zu allen hier vorgestellten      len schafft Verbindungen ins MINT-Feld, beispiels-
Initiativen finden Sie unter https://padlet.com/zli_       weise durch Lernjournale, die mit ihrem meta-refle-
phwien/digitalegrundkompetenzen                            xiven und sprachlichen Zugang MINT-Inhalte in ihren
                                                           jeweiligen Alltagswelten verankern. Auch Kreativ-
                                                           zeit und “Genius Hours“ (leidenschaftsbezogenes,
                                                           kreatives Lernen) finden einen Platz in Unterrichts-
                                                           sequenzen, damit viele Schüler:innen über den Weg
KREATIVE ANSÄTZE UND
                                                           der Kreativität und der Kunst Freude an MINT entde-
INTEGRIERENDE UNTERRICHTS­                                 cken. ­Elementarpädagog:innen und Lehrer:innen zei-
FORMATE NUTZEN                                             gen sich dabei als Role-Models, indem sie beispiels-
                                                           weise bei kleineren Reparaturen oder Umbauten mit
Die Nutzung von digitalen Medien muss didaktisch           den Kindern und Jugendlichen selbst Hand anlegen
gut begleitet werden. Besonders dann, wenn es um           und den eigenen Bezug zu MINT durch diese kreati-
den Aufbau der Problemlösungskompetenz und den             ven Methoden ausweiten.
Umgang mit neuen Aufgabenstellungen geht. Krea-
tive Ansätze (im Sinne des Akronyms STEAM –                Kreativität und Teamwork stehen auch im Zentrum
­Science, Technology, Engineering, Art & Mathema-          weiterer Projekte, etwa in Workshops des Vereins
 tics) können gute Brücken in dieses Themenfeld sein.      ScienceCenter Netzwerk oder der Wissensfabrik
                                                            Österreich. Beide Organisationen bieten ein vielfälti-
Ausgezeichnete MINT-Kindergärten und Volksschu-            ges Angebot für schulisches und außerschulisches
len eröffnen kreative Zugänge zur Problemlösung,           Lernen im MINT-Bereich an. Für spielerisches Lernen
sowohl im Rahmen des Unterrichts (z. B. Einsatz            steht beispielsweise der Wissensraum, der als Pop-
von Dramapädagogik) als auch durch mehrteilige,            Up in freistehenden Gassenlokalen niederschwellig
unterschiedliche Perspektiven integrierende Ange-          Hands-on-Science an Anrainer:innen vermittelt. Das
bote außerschulischer Anbieter. Eine ausgezeichnete        Projekt KiTec wiederum bietet für Volksschulkin-
MINT-Gütesiegel-Schule nutzt etwa die schuleigene          der spielerisches Werken an unterschiedlichen Auf-
Theatergruppe, die sich mit der Frage reflexiv ausein-     gabenstellungen aus Bau-, Fahrzeug- und Elektro-
andersetzt, wer unsere Gesellschaft aktiv mitgestal-       technik an. Durch das praktische Sägen, Hämmern
ten kann. Weitere Schulen setzen Fragen der Partizi-       und Feilen an den Materialien in den bereitgestellten
pation und Gestaltung ins Zentrum mehrteiliger Seg-        ­Kisten begreifen sie physikalische Zusammenhänge,
mente ein, etwa durch Gender-Watch-Protokolle in            entwickeln Kreativität und erwerben ganz nebenbei
der Reflexion von Filmen, Betriebserkundungen oder          Grundkenntnisse in unterschiedlichen Technikberei-
Schulveranstaltungen, um die Frage zu beleuchten:           chen.
Wer wird hier wie dargestellt und kann sich wie be-
teiligen?                                                  Einige ausgezeichnete MINT-Gütesiegel Schulen
                                                           der Sekundarstufe setzen auf Alltagsbezug in den
Der spielerische Ansatz des Projekts „Denken ler-          MINT-Fächern, um durch lebensweltlich orientierte
nen Probleme lösen“ soll durch anregende Aufga-            Themensetzungen und durch die Bezugnahme auf
benstellungen die Neugierde der Kinder und Jugend-         aktuelle gesellschaftspolitische Felder (Nachhaltig-

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
MINT ­Didaktik14

keit, Umweltbildung, Künstliche Intelligenz) mög-          von Burschen beim Aufräumen nicht-technischer
lichst viele Lernende in MINT-Felder hereinzuholen.        Unterrichtskomponenten oder bei Care-Arbeiten.
Dabei integrieren Angebote anwendungsbezogene
Perspektiven mit technisch-entwicklerischen Auf­
gaben.
                                                           AN MINT-WETTBEWERBEN TEILNEHMEN
Best-Practice-Beispiele probieren und reflektieren
unterschiedliche pädagogische Settings. Innovative         Ausgezeichnete MINT-Bildungseinrichtung setzen
Projekte aus der Sekundarstufe II und der HTL mixen        zahlreiche MINT-Projekte um. Dies reicht von Atelier-
gezielt Gruppenkonstellationen der Lernenden, um           tagen in Kindergärten bis zu langfristigen Koopera-
ihre Schüler:innen in unterschiedlichen Lernarrange-       tionsprojekten mit etablierten Forschungseinrich-
ments zu fördern. Während die meisten Fächer und           tungen. Möglichkeiten sich mit Schüler:innen an Citi-
Projekte in gemischten Gruppen abgehalten werden,          zen-Science-Projekten zu beteiligen, findet man zum
entscheiden sich Lehrkräfte punktuell bewusst für          Beispiel unter www.citizen-science.at. Schüler:in-
die Trennung der Gruppen nach Geschlecht, um etwa          nen aus MINT-Bildungseinrichtungen nehmen mit
unterschiedliche Lernerfahrungen während einer La-         großem Engagement an MINT-Wettbewerben wie
borübung zu beobachten und anschließend zu reflek-         „Jugend innovativ“ oder anderen teil, wo sie ihre For-
tieren. Nach diesen Sequenzen besprechen alle die          schungsprojekte und (Vor-)wissenschaftlichen Arbei-
Auswirkungen der veränderten Gruppeneinteilung             ten präsentieren.
nach. Welchen Einfluss hatte diese auf den Unterricht
und die Zusammenarbeit? Worauf soll im „regulären“         Über aktuelle MINT-Wettbewerbe und Einreichmög-
Betrieb besser geachtet werden? Im Anschluss gilt          lichkeiten für Diplomarbeiten oder Vorwissenschaft-
es, diese temporäre Trennung nach Geschlechtern            liche Arbeiten informieren wir Sie regelmäßig mit
wieder zu entdramatisieren und das Gemeinsame              unserem MINT-Newsletter. Unter www.mintschule.
zwischen allen Lernenden zu betonen. Als wichtige          at/newsletter können Sie sich für diesen registrie-
Erfahrung beschreiben einige Lehrkräfte die Eintei-        ren. Unter www.mintschule.at/bestpractice finden
lung von Aufgaben mit einem Auge auf das Konter-           Sie eine aktuelle Liste von Wettbewerben mit MINT-
karieren von gängigen Geschlechter­stereotypen. Da-        Bezug.
runter fällt etwa der bewusste Einsatz von Mädchen
als Guides oder Anleiterinnen beim Experimentieren
am Tag der offenen Tür, ebenso wie die Sichtbarkeit

                     EMPFOHLENE WEBRESSOURCEN

                     Alle in diesem Abschnitt empfohlenen Webressourcen finden Sie gesammelt unter
                     www.mintschule.at/bestpractice.

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
Im internationalen Vergleich wird Österreich nach wie vor durch eine starke Prägung
von traditionellen Geschlechterrollen und Arbeitsteilungsmustern beschrieben.
Dies zeigt sich gerade in den großen Unterschieden zwischen männlichen und weib-
lichen Jugendlichen in der Wahl von Ausbildungsbereichen. Unsere Vision „MINT
für alle“ steht daher für das Engagement, das Themenfeld für möglichst viele zu
­öffnen – ganz egal, welches Geschlecht oder welche Erstsprache, welche Herkunft
oder welchen sozioökonomischen Hintergrund die Kinder und Jugendlichen haben.
Für den Bildungskontext ist es unser Ziel, das Miteinander zwischen Lernenden und
Lehrenden zu stärken sowie tragfähige Brücken der Begeisterung für MINT-Themen
zu bauen, um mehr Chancengerechtigkeit zu erreichen.
MINT FÜR ALLE 16

                                                           unterschiedliche alltagsweltliche Erfahrungen Bezug
MÖGLICHST FRÜH DAS MINT-
                                                           nehmen und diese mit gesellschaftlich-­aktuellen He-
INTERESSE WECKEN &                                         rausforderungen, wie etwa der Klimaerwärmung,
KLISCHEES ÜBERWINDEN                                       spielerisch verknüpfen. Dabei zu beachten ist, dass
                                                           die Beschäftigung mit „Gender“ über „Mädchenförde-
                                                           rung“ hinausgeht. Sie umfasst u. a. auch die für so-
Die Ausbildung geschlechterstereotyper Verhaltens-
                                                           ziale Teilhabe zentralen Themen Identität, Sexualität
weisen, Einstellungen und Rollenbilder wird bereits in
                                                           und Inklusion. Eine große Bandbreite an Perspektiven
der frühen Kindheit gelegt. Bereits in den ersten Le-
                                                           ist essentiell für mehr Zugänge zu MINT.
bensjahren entwickeln Kinder ein grundlegendes Ver-
ständnis über Geschlechterunterschiede. Einerseits
                                                           In der HTL ist der Einsatz von Frauenbeauftragten
entdecken sie die „biologischen“ Unterschiede, ande-
                                                           und die Entwicklung eines Mädchenförderungspro-
rerseits werden sie von ihrer Umwelt mit geschlech-
                                                           gramms zentral. Ein ausgezeichnetes Beispiel ist ein
terspezifischen „weiblichen“ und „männlichen“ Ver-
                                                           vielfach prämiertes Peer-Learning-Programm von äl-
haltensweisen konfrontiert. Als eine Folge fühlen sich
                                                           teren HTL-Schülerinnen, die neue Schülerinnen in der
manche Lernende in Kindergarten und Volksschule
                                                           Übergangsphase begleiten und unterstützen. Ein wei-
in MINT-Feldern, die oftmals als männlich konnotiert
                                                           teres Beispiel für den Schulalltag sind Exkursionen
sind, nicht willkommen. Um hier gegenzusteuern, fällt
                                                           speziell für Schülerinnen oder eigene Mädchentage
der Vorbildwirkung eine große Rolle zu: Weiblich so-
                                                           mit Referentinnen aus der Wirtschaft, dem Gesund-
zialisierte Personen konstruieren, hämmern und löten
                                                           heitsbereich oder der Politik. Eigene Kurse für Mäd-
mit den Kindern und Jugendlichen im Werkunterricht,
                                                           chen (z. B. Selbstverteidigung) schaffen überdies An-
männlich sozialisierte Personen werden gerne kreativ
                                                           reize und unterstützen das Selbst-Empowerment. In
im textilen Werken. Das Vermeiden der Vorbestimmt-
                                                           einigen HTLs organisieren Schülerinnen regelmäßige
heit von Spielorten („Puppenküche für Mädchen“,
                                                           Treffen an der Schule (z. B. Mädchenfrühstück) oder
„Bauecke für Buben“ im Kindergarten), die Verwen-
                                                           engagieren sich in standortübergreifenden Vernet-
dung einer sensibilisierten Sprache und geschlech-
                                                           zungstreffen in der Region. Diese Aktivitäten wer-
terreflektierte Angebote unterstützen das Ziel, dass
                                                           den explizit von der jeweiligen Schulleitung gefördert
Kinder Angebote nicht geschlechtsspezifisch, son-
                                                           (und sind Teil des Schulprofils) sowie von engagier-
dern offen für neue Interessen nutzen. Ausgezeich-
                                                           ten Lehrkräften unterstützt. Das längerfristige Ziel ist
nete MINT-Gütesiegel Kindergärten setzen daher be-
                                                           es, mit diesen Akzenten auch die Schulkultur inklu-
wusst in der frühkindlichen und vorschulischen Bil-
                                                           siver zu gestalten und insgesamt den Pool von HTL-
dung an. Das Angreifen, Riechen, Schmecken, Aus-
                                                           Schüler:innen auszubauen.
probieren in einfachen Versuchen und Bastelarbeiten
ist so gestaltet, dass alle Lust auf spielerisches For-
schen und Entdecken haben.

In der Sekundarstufe stehen Schulen vor der Heraus-
                                                           GENDER- UND DIVERSITÄTS-
forderung, das in der Volksschule entfachte MINT-In-
teresse der Schüler:innen nicht zu verlieren und es in     KOMPETENZ AUFBAUEN UND IN-
heterogen zusammengesetzten Klassenverbänden               KLUSIVES ENGAGEMENT LEBEN
fachbezogen weiter zu vertiefen. Lehrende an aus-
gezeichneten MINT-Gütesiegel Schulen nutzen aktiv          Genderkompetenz ist das Wissen und die Fähigkeit,
unterschiedliche Kulturen, Wissensbezüge aus ande-         Geschlechterstereotype, Geschlechterdualismen und
ren Fächern oder das Alltagswissen ihrer Lernenden.        diesbezügliche Hierarchien zu erkennen. In einem wei-
Zum Beispiel wird die Auseinandersetzung mit Flucht-       teren Schritt sollen diese Strukturen hinterfragt wer-
erfahrung in den MINT-Unterricht eingebaut und auf         den, um nicht zuletzt auf eine Geschlechteregalität im
Angebote des UniClubs oder der „Kinderuni on Tour“         eigenen Wirkungsbereich (Unterricht, Fachkultur, Vor-
der Universität Wien zurückgegriffen. Die Einführung       bildwirkung als Lehrkraft, Schulkultur) hinzuwirken.
neuer Schulschwerpunkte wie die Fächer Robotik
oder Coding sind weitere erfolgreiche Beispiele aus-       Damit Lehrkräfte geschlechter- und diversitätsge-
gezeichneter MINT-Schulen, da sie in der Praxis auf        recht unterrichten können, müssen sie sich jedoch

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
MINT FÜR ALLE 17

zuerst mit der eigenen Voreingenommenheit (Bias)           reichungen). Durch Einholen von Feedback – auch
auseinandersetzen. Eine positive Fehlerkultur be-          von Schüler:innen – bekommen Lehrkräfte wichtige
fördert selbstreflexive Haltungen im Kollegium und         Hinweise für die weitere Entwicklung ihrer genderref-
das Hinterfragen eigener Geschlechtsrollenbilder wie       lektierten Gestaltung des Unterrichts. Ausgezeich-
Stereotypen.                                               nete MINT-Gütesiegelschulen nutzen schulinternen
                                                           Arbeitsgruppen (z. B. Qualitätssicherung (QMS), Bil-
Erfolgreiche MINT-Gütesiegel Bildungseinrichtungen         dungsberatung oder Krisenintervention), die eine in-
in der Volksschule und in der Sekundarstufe wissen         klusive Gestaltung aller Schulumwelten als Quer-
um diese Herausforderung und gehen sie mit der Me-         schnittsthema mitnehmen. Das unterstützt die Ent-
thode der Unterrichtshospitation und dem kollegia-         wicklung der Schule und den sozialen Umgang unter-
len Feedback an. Des Weiteren nutzen sie aktiv das         einander und zeigt sich im Schulalltag wie in den Auf-
themenbezogene Fort- und Weiterbildungsangebot.            gaben für die Schüler:innen.
Das Handbuch „Wege zu einer geschlechtersen-
siblen Bildung“ gibt Lehrkräften wertvolle Tools für       In der HTL kann oft eine Sensibilisierung und eine
die Arbeit im Unterricht. Neben spezifischen Fortbil-      Veränderung des Umgangstons viel bewirken. Bei-
dungsangeboten im Bereich MINT-Didaktik werden             spielsweise hat eine ausgezeichnete Schule durch
Handreichungen zum gendersensiblen Unterricht im           ein Sexismus-Sensibilisierungs-Training für ­Lehrende
Kollegium verbreitet und diskutiert (z. B. IMST-Hand-      in den Werkstätten neue Regeln der Zusammen-

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
18

arbeit am Beginn des Schuljahres formuliert. Eine          nenden-Gruppen. Ebenso wissen sie um die Bedeu-
wertschätzende Umgangskultur war das Ergebnis.             tung barrierearmer Gestaltung ihrer Lernräume und
Ein weiteres Beispiel aus ausgezeichneten Schu-            verstärken ihre Suche nach „neuen“ oder noch wenig
len ist die sorgfältige Auswahl des Schulbuchs bzw.        erreichten Zielgruppen, indem sie z. B. einen Girls
der verwendeten Praxisbeispiele (keine klischeehaf-        Day / Girls Day Junior oder Ladies First Day veran-
ten Aufgabenstellungen). Einige HTLs arbeiten be-          stalten. An Tagen der offenen Tür treten Schüler:in-
wusst mit dem Einsatz möglichst diverser Lehrkräfte        nen ausgezeichneter MINT-Schulen in Peer-Kontakt
(nach Geschlecht, mit unterschiedlichen Migrations-        mit schulinteressierten Eltern sowie Kindern und
biographien), um eine breite Palette an Vorbildern         Jugendlichen. Diese Jugendlichen vertreten die ge-
­anzubieten.                                               samte Bandbreite der unterschiedlichen Lernenden
                                                           der Schule. Auch Programme zur Erreichung von
                                                           Schüler:innen mit Fluchterfahrung, Schüler:innen mit
                                                           Behinderung oder aus bildungsfernen Familien wur-
                                                           den an einigen Schulen initiiert.
EINBEZUG UND
UNTERSTÜTZUNG ALLER                                        Zusätzlich ist den ausgezeichneten MINT-Schulen
„­UNTYPISCHEN“ LERNENDEN                                   bewusst, dass sie ihre MINT-Fachkulturen inklusi-
                                                           ver gestalten müssen, um mehr Lernende im Fach-
Diversitätskompetenz in Kindergärten und Schulen           bereich zu halten. In der Sekundarstufe I werden in
bedeutet, pädagogische Kompetenzen mit Diversi-            einer Schule Geschlechterverhältnisse explizit the-
tätskompetenz zu verknüpfen. Diversitätskompe-             matisiert, beispielsweise durch die Bezugnahme auf
tenz beschreibt die Fähigkeit, bewusste und theorie­       die Geschichte von Forscherinnen in der Biologie
geleitete Analysen und systematische Reflexionen           oder in der Physik. Wenn möglich, können auch Bio-
aus Diversitätsperspektive vornehmen zu können             graphien von ehemaligen berühmten Schüler:innen
und immer wieder zu überprüfen, welche Lernenden           eingebracht werden. Während der Eingangsphase in
aktuell besonders gefördert werden, welche Ursa-           der HTL wird ein zusätzlicher Förderunterricht (z. B.
chen das Lernen hemmen und wann welche Ler-                Brückenkurs Mathematik) angeboten, um Wissens-
nende weniger Raum und Stimme im Lernkontext               defizite der Lernenden aus beispielsweise der Mittel-
bekommen. Ausgezeichnete MINT-Gütesiegel-Schu-             schule auszugleichen und Motivation und Interesse
len setzen auf eine Individualisierung des Unterrichts     zu erhalten.
und entwickeln aktiv Programme gegen Schulabbrü-
che oder vorzeitige Schulwechsel bestimmter Ler-

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
MINT FÜR ALLE 19

GESCHLECHTERSENSIBLE                                       AUSSERSCHULISCHE ­FÖRDERANGEBOTE
SPRACHE UND INKLUSIVE                                      FÜR REALISTISCHE BERUFS-PERSPEK­
­BILDSPRACHE FÖRDERN                                       TIVEN IM MINT-­BEREICH EINBINDEN

Ausgezeichnete MINT-Kindergärten und MINT-Schu-            Obwohl das Geschlecht bei der Vermittlung von
len legen ein Augenmerk auf die Sprache. Denn ste-         MINT-Inhalten und der späteren Berufswahl keine
reotype oder rassistisch konnotierte Adressierungen        Rolle spielen sollte, tut es dies aber erwiesener­
haben einen desaströsen Einfluss auf die Motivation        maßen oft. Angebote in Kindergärten können hier
und Identifikation mit dem Fach. Dies gilt beispiels-      schon ein breiteres Bild vermitteln. So werden außer-
weise auch dann, wenn die diskriminierende Hand-           schulische Angebote wie die Spürnasenecke oder
lung von der Lehrkraft unbewusst ausgeübt wurde.           der ­Naturerlebnispark Graz genutzt, um das for-
Umso wichtiger ist die Arbeit an einem oft ungewoll-       schende Erkunden der Umwelt der jüngsten Lernen-
ten, eigenen Bias.                                         den zu fördern. Eine große Palette an Role-Models
                                                           (auch in Puppengestalt) zeigt dabei den Kindern,
Dazu nutzen ausgezeichnete MINT-Schulen das                dass alle zum Ent­decken eingeladen sind.
Fort- und Weiterbildungsangebot mit Schwerpunkten
im Bereich eines Anti-Bias-Trainings (bspw. mit dem        MINT-Schulen sind sich ebenso bewusst, dass es
Verein Poika) oder die Inanspruchnahme von Bera-           nach wie vor eine geschlechterstereotype Wahl von
tungsangeboten zur Schul- und Unterrichtsentwick-          Bildungswegen wie Berufen gibt und erweitern daher
lung (bspw. von „Planung & Vielfalt“). Viele ausge-        aktiv die Perspektiven ihrer Schüler:innen, auch auf
zeichnete MINT-Schulen bemühen sich um eine gen-           digitalem Weg (z. B. Lernspiel Robitopia). Sie haben
dergerechte Schreib- und Sprechweise – nicht nur im        einen guten Überblick über aktuelle MINT-Berufs-
Unterricht, sondern auch im Kollegium, auf der Schul-      felder und fordern ihre Schüler:innen in der Sekun-
homepage, in anderen Kommunikationsmedien wie              darstufe dazu auf, bislang geschlechteruntypische
Schoolfox oder WebUntis sowie den Printmedien der          Wege einzuschlagen. Dazu nutzen sie ebenso außer-
Schule (Broschüren, Flyer). Dieser Fokus reicht bis        schulische Angebote, etwa im Rahmen der Girls’
zur Auswahl des Bildmaterials, in denen die Diversi-       Days und Boys’ Days (Hinterfragen von typischen
tät der Schüler:innen abgebildet wird. Mädchen und         „Frauen- und Männerberufen“), Rollenspiele, spe-
Burschen werden gleichermaßen und auch in „untypi-         zielle Projekte (z. B. Roberta, Take Tech) sowie ex-
schen“ Rollen gezeigt – z. B. Mädchen beim Schwei-         terne Beratungsangebote wie „Kompass – Bildungs-
ßen und Buben beim Servieren.                              beratung für Mädchen“, den „Wiener Töchtertag“,
                                                           „das Männerbüro“, „die Männerberatung“, die Pro-
                                                           gramme „Power Girls“ und „Girls! Tech Up“, „FIT“
                                                           (Frauen in die Technik) sowie Vereine wie „Mafalda“
                                                           oder „Poika“ für geschlechtersensible Mädchen- und
                                                           Bubenarbeit sowie im Themenfeld Intergeschlecht-
                                                           lichkeit der Verein VIMÖ.

                                                           Einige MINT-Schulen vermitteln gezielt in betrieb­liche
                                                           Ausbildungsangebote für Jugendliche mit Behinde-
                                                           rungen wie beispielsweise in das ÖAMTC-Projekt
                                                           Einstellungssache.

                     EMPFOHLENE WEBRESSOURCEN

                     Alle in diesem Abschnitt empfohlenen Webressourcen finden Sie gesammelt unter
                     www.mintschule.at/bestpractice.

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
Erfolgreiche MINT-Bildungseinrichtungen kooperieren mit lokalen ­Unternehmen,
mit Forschungseinrichtungen, externen Expert:innen sowie außerschulischen MINT-
Lernorten, um ein anregendes sowie lernförderliches MINT-Setting zu kreieren.
Dabei werden übergreifende Bildungskooperationen mit außerschulischen Partnern
idealerweise über einen längerfristigen Zeitraum eingegangen. Davon profitieren
die Gestaltung von Lern- und Lehrarrangements und auch die Fort- und Weiterbil-
dung von Pädagog:innen. Schließlich gilt es, das eigene Bildungsangebot an Kinder-
garten und Schule in Kooperation mit regionalen Partnern weiter­zuentwickeln.
MINT Umfeld 21

MIT LOKALEN ­UNTERNEHMEN                                   den Unternehmen Vorträge an den Schulen oder be-
KOOPERIEREN                                                gleiten praktische Übungen. An einigen Standorten
                                                           können die Schulen auch die (Labor-)Infrastruktur
Direkte Einblicke in das MINT-Berufsfeld werden an         der Unternehmen mitnutzen. Zusätzlich schreiben
MINT-Bildungseinrichtungen durch Kooperationen             manche Unternehmen in Kooperation mit den Schu-
mit lokalen Unternehmen ermöglicht. Bereits im Kin-        len Diplomarbeits- und VWA-Projekte aus und unter-
dergarten werden Besuche bei lokalen Handwerks-            stützen die Schüler:innen mit Praxiswissen und der
betrieben, Imkern, Energie- und Technologieunter-          Möglichkeit zur Nutzung der betrieblichen Infrastruk-
nehmen umgesetzt.                                          tur. Über Erasmus+ ermöglichen manche Unterneh-
                                                           men auch Auslandspraktika bei Tochterfirmen im
In den Schulen werden diese Betriebsbesuche aktiv          EU-Ausland. In einzelnen technischen Schulen sind
im Unterricht vor- und nachbereitet, um das außer-         Unternehmenspartner auch im Kuratorium / Advi-
schulische Lernen bestmöglich zu fördern. In weiter-       sory Board der Schule vertreten. Regelmäßig stattfin-
führenden MINT-Schulen werden die Kooperationen            dende Vernetzungstreffen mit diesen Partnern bieten
mit lokalen Unternehmen oft vertieft, indem aktiv          offenen Austausch, gemeinsame Ideenfindung und
Praktika in Partnerunternehmen für die Schüler:in-         Umsetzungen neuer Projekte.
nen angeboten werden. Andere Schulen machen die
Schüler:innen gezielt auf die Praktika-Börse der FFG
aufmerksam, wo Sommerpraktika im MINT-Bereich
vermittelt werden.                                         MIT FORSCHUNGS­
                                                           EINRICHTUNGEN KOOPERIEREN
An ausgezeichneten Technischen Schulen (techni-
sche Mittelschule, HTL, HFLS etc.) werden die Ko-          Viele MINT-Bildungseinrichtungen beteiligen sich
operationen mit Partnerunternehmen weiter intensi-         aktiv an Forschungsprojekten (Sparkling ­Science,
viert. Die Unternehmen bieten den Fachlehrer:innen         Talente Regional, IMST) und besuchen regelmäßig
an, an firmeninternen Weiterbildungsmaßnahmen              Wissenschaftszentren wie Universitäten, Hochschu-
teilzunehmen. Des Weiteren halten Fachkräfte aus           len oder Labore. Zudem werden in MINT-Schulen oft

Auf dem Weg zum MINT-Schwerpunkt – Anregungen für Kindergärten und Schulen aus der Praxis für die Praxis
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