Biologische Vielfalt- der Reichtum unserer Erde
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Magazin des Bundesumweltministeriums Biologische Vielfalt – der Reichtum unserer Erde Weltweites Sterben der Arten Die Natur funkt SOS Der Wert der Vielfalt Ein Preisschild für Bäume? Frauenschuh, Kranich, Wattenmeer Deutsches Naturerbe bewahren Natur entdecken und erleben Auf den Spuren des Raubwürgers Der mit dem Hai tanzt Interview mit Hannes Jaenicke
Liebe Leserinnen Die Natur funkt SOS und Leser, Schätzungsweise bis zu 20 Millio- nen Arten leben auf der Erde, von denen aber nur knapp zwei Mil- wortung, dieses Thema gleichgewichtig neben den lionen bekannt und beschrieben Klimawandel an die Spitze der globalen politischen sind, darunter 1,25 Millionen Tier-, Agenda zu stellen. Wir müssen alles daransetzen, 340.000 Pflanzen- und 100.000 Pilz- international, aber auch national und regional die arten. Noch immer werden Jahr für Anstrengungen zum Schutz der bedrohten Vielfalt Jahr mehr als 10.000 Arten neu in zu verstärken. Auf internationalem Parkett hat die die Datenbanken aufgenommen. deutsche Präsidentschaft des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt viel in Bewegung ge- Netz des Lebens wird löchrig bracht. Nun wollen wir uns auf der nächsten großen Vertragsstaatenkonferenz im Herbst in Japan für Doch der Reichtum der Natur ist eine anspruchsvolle globale Zielsetzung der Biodi- bedroht wie nie zuvor, das große versitätspolitik nach 2010 starkmachen. Auf diesem Netz des Lebens bekommt emp- Weltgipfel soll zudem ein internationales Abkom- findliche Löcher. Der Verlust von men gegen Biopiraterie verabschiedet werden. Und Tieren, Pflanzen und Ökosystemen wir brauchen in der Biodiversitätspolitik ein wissen- schaftliches Beratergremium, ähnlich dem Weltkli- marat IPCC, das unser politisches Handeln kritisch W eltweit ist die biologische Vielfalt durch das Artensterben und den Verlust an Wäldern bedroht. Die Erhal- unserem Planeten. Es geht um die Vielfalt der Arten, aber auch um die Vielfalt der Lebensräume und zählt heute neben dem Klimawan- del zu den zentralen Herausforde- rungen der Menschheit und den begleitet und immer wieder Impulse gibt. tung der Biodiversität wird zur gro- um die genetische Vielfalt inner- dringlichsten globalen Politik- ßen Herausforderung der Menschheit. halb einer Art – ein Trio biologi- feldern. Eine natürliche Sterberate Natur ist die Grundlage unseres Lebens und unseres Auch in Deutschland müssen wir die heimischen scher Fülle. der Arten ist zwar Teil des evolutio- Wirtschaftens. Naturschutz ist kein Luxus, sondern Arten und Lebensräume mit mehr Entschlossenheit Sie segelt elegant unterm Him- nären Prozesses. Doch gegenwär- überlebensnotwendig für eine schnell wachsende schützen und die Nationale Strategie zur biologi- melsdach, sie huscht über sonnen- In Milliarden Jahren hat die Natur tig ist sie 100- bis 1000-mal höher Menschheit. Natur liefert uns Nahrung, sauberes schen Vielfalt der Bundesregierung mit einer Viel- beschienene Felsen und schwimmt ihre Schatzkammer gefüllt und als der natürliche Lauf der Dinge. Wasser, Medikamente, Energie. Sie sichert unsere zahl von Zielen und Einzelmaßnahmen vorantreiben. pfeilschnell in der Strömung. Sie eine ungeheure Variation an Mi- Nach Erhebungen der Weltnatur- Ernten mit ihren Insekten, die Obst- und Gemüsekul- Dabei wollen wir das übergeordnete ethische Ziel der zwitschert, trompetet und muht. kroorganismen, Pflanzen, Tieren schutzunion (IUCN) sind weltweit turen bestäuben. Ihre Auenlandschaften schützen Wahrung unserer Lebensgrundlagen mit einer nach- Sie ist gepunktet wie die Tüpfel- und Lebensräumen erschaffen. 22 Prozent der Säugetiere, 12 Pro- uns vor Hochwasser, ihre Wälder binden riesige haltigen Industrie-, Landnutzungs- und Siedlungspo- hyäne, sie schimmert im gestreif- Kein Winkel der Erde ist unbelebt. zent der Vögel und 32 Prozent der Mengen Kohlendioxid und wirken so dem Klimawan- litik verbinden. Die erstaunlichen Teilerfolge, die wir ten Dress des Anemonenfischs und Im indischen Dschungel lauert der Amphibien gefährdet. Dazu kom- del entgegen. Natur erholt uns und lässt uns neue bei Wiederansiedlung und Schutz einzelner Arten betört mit den bunten Federn des Tiger, durch arktische Eiswüsten men 60 Prozent aller Ökosysteme, Kraft schöpfen. Alle natürlichen Serviceleistungen bisher erzielt haben, sollten uns weiter motivieren. Papageis. Sie ist Tier und Pflanze, ziehen Polarfüchse und Bären, und die stark geschädigt sind – das sind zusammen sind eine große Lebensversicherung – Und es kommt entscheidend darauf an, die Bedeu- Wiese und Wald, aber auch Stadt- selbst in den kochend heißen Quel- Flussauen, naturnahe Wälder und und verbessern unsere Lebensqualität. tung biologischer Vielfalt besser zu erklären und zu balkon und Bauernhof. Ihr Name: len Islands tummeln sich Heer- Moore, Korallenbänke und viele kommunizieren – wie mit diesem Magazin. Ich wün- Biodiversität – die Vielfalt des scharen von Kleinstlebewesen. andere Lebensräume. Doch die biologische Vielfalt unserer Erde ist wei- sche Ihnen eine informative und anregende Lektüre. Lebens. In wenigen Jahren terhin stark bedroht. Fast 20 Jahre nach dem histori- hat dieser Begriff erstaunlich schen Umweltgipfel in Rio de Janeiro haben wir die Karriere gemacht, weltweit Trendwende noch nicht geschafft. Die Roten Listen wächst die Aufmerksamkeit. Und Jahr der biologischen Vielfalt 2010 der gefährdeten Tiere und Pflanzen, die fortge- Biodiversität ist mehr als eine Die Weltgemeinschaft ist sich zunehmend bewusst, welche herausragende Bedeutung setzte Zerstörung von Lebensräumen machen uns komplizierte Vokabel für den der Schutz der biologischen Vielfalt und ihrer Dienstleistungen für das menschliche unmissverständlich klar: Wir gehen nicht pfleglich Artenschutz, sie ist zur Wohlergehen, die wirtschaftliche Entwicklung und die Armutsbekämpfung hat. Die Aus- mit der Schöpfung um. Wir verlieren Stück für Stück neuen Weltformel rufung des „Internationalen Jahres der biologischen Vielfalt 2010“ durch die Vereinten kostbare Natur – schleichend, oft unbemerkt, aber des Naturschut- Nationen soll das Thema weltweit stärker ins Bewusstsein rücken und zugleich fester auf unwiederbringlich. Was verloren ist, bleibt für im- Dr. Norbert Röttgen zes aufge- der globalen politischen Agenda verankern. Dieses Jahr ist daher von herausragender mer verloren. Bundesminister für Umwelt, Naturschutz stiegen. Sie Bedeutung. Die Staatengemeinschaft wird sich damit auseinandersetzen, warum die von und Reaktorsicherheit steht für den ihr beschlossene globale Zielmarke für das Jahr 2010 – die deutliche Reduzierung des an- Die schwindende Vielfalt stellt die Menschheit vor Reichtum haltenden weltweiten Biodiversitätsverlusts – nicht erreicht wurde. Sie wird vor diesem eine Herausforderung, die mit dem Klimawandel der Lebens- Hintergrund außerdem darüber entscheiden, welche Zielsetzungen die Politik nach 2010 vergleichbar ist. Es ist ein Stück Zukunftsverant- formen auf verfolgen soll, um die dringend erforderliche Trendwende einzuleiten. Regenwaldbewohner: 2 Hellroter Ara 3
Grüne Baumpython Auch die genetische Vielfalt inner- traditionelle Heilmittel ange- halb der Arten geht zurück. Das ist wiesen, hauptsächlich auf beispielhaft in der Landwirtschaft Heilpflanzen. zu beobachten. Auf den Feldern Gefährdeter Reichtum: Echte Karettschildkröte Überlebt unter eisigen Bedingungen: Polarfuchs Vielfalt der Farben und Formen: tropischer Tagfalter in Malaysia stehen nur wenige Hochertrags- Etwa 80 Prozent der ländlichen sorten, und auch in den Ställen Erosion geht jahrhundertealtes einkommens über die biologische Böden, etwa durch Pestizide, Weitreichende Folgen Bevölkerung Afrikas lebt mehr rund um den Globus drängeln Wissen zu Anbau und Haltungs- Vielfalt (Convention on Biological Industrieschadstoffe, Stickstoffe oder weniger von dem, was in sich immer dieselben Hochleis- methoden verloren. Und es wächst Diversity – CBD) von 2006 benennt aus Gülle und Mineraldünger oder Biologische Vielfalt ist nicht der freien Natur geerntet wird. tungsrassen. Wo sind die vielen die Gefahr, dass sich im engen Gen- die heute unverändert bestehen- Abgase aus Auspuffrohren und gleichmäßig über die Erde Die biologische Vielfalt ist tausend Sorten Reis, Mais und pool Seuchen und Erbkrankheiten den Hauptursachen: Kraftwerksschloten verteilt. Tropische und subtro- damit wertvolles Kapital, Bohnen geblieben, wo die an un- ausbreiten. Zerschneidung und Zerstö- Weltweite Übernutzung na- pische Länder beherbergen das kurzfristig durch nichts terschiedliche Klimaregionen und rung natürlicher Lebensräume türlicher Ressourcen, die deren 80 Prozent der weltweiten ersetzt werden kann. Armut Haltungsformen gut angepassten Ursachenforschung: durch Siedlungsbau und biologische Erneuerungsmöglich- Biodiversität. Für die Bevöl- zwingt die Menschen, die Landrassen von Schwein und Was die Natur bedroht Verkehrsadern keit übersteigt – wie die Überfi- kerung dieser Länder, deren knappen natürlichen Ressour- Rind, Huhn und Schaf? Von den Änderung des Wasserhaus- schung der Weltmeere Existenz unmittelbar von den cen zu übernutzen. Übernut- 71 Rassen, die 1987 im deutschen Die Ursachen für die Gefährdung halts in Feuchtgebieten und Klimaänderungen, die die Dienstleistungen der lokalen zung führt zu weiterer Zerstö- Standardwerk zur Hühnerzucht biologischer Vielfalt hängen eng an Flussläufen Anpassungsfähigkeit vieler Ökosysteme abhängt, wiegen rung. Wir tun also gut daran, aufgeführt waren, hat sich nur mit den Aktivitäten des Menschen Intensive Flächennutzung Arten überfordern die Folgen des Verlusts am in die Zukunft zu investieren eine als käfigtaugliche, 300 Eier zusammen, der sein Öko-Konto durch Land- und Forstwirtschaft Künstlich eingebrachte gebiets- schwersten. So ist insbeson- und Entwicklungszusammenar- im Jahr legende Spezies behaup- überzogen hat. Der Globale Eintrag von Schad- und Nähr- fremde Arten, die die heimische Flo- dere die arme Bevölkerung in beit und Schutz der Biodiversität ten können. Mit der genetischen Biodiversitätsbericht des Über- stoffen in Luft, Meere, Flüsse und ra und Fauna verdrängen können Entwicklungsländern auf im Zusammenhang zu sehen. Interview Herr Jaenicke, Sie haben eindrucksvolle Filme über bedrohte Haie, Orang- auf den Hai-Film haben verschiedene Kaufhäuser ihre Hai-Produkte Sie haben „emotionale“ Tiere wie Hai und Eisbär porträtiert. Wür- Utans und Eisbären gedreht. Welches Projekt kommt als Nächstes? aus dem Regal genommen, um nur zwei Beispiele zu nennen. den Sie auch einen Film über den bedrohten Laubfrosch machen? Wir stehen in den Startlöchern, um einen Film über Gorillas zu drehen, und hof- Das ist ermutigend. Nicht alle Tiere sind drehbar. Täglich verschwinden Dutzende fen, dass wir vom ZDF das „Okay“ erhalten. Leider war die Einschaltquote bei Arten, die wir nicht einmal kennen. Filme über Insekten oder unseren Filmen nicht so hoch wie erhofft, deshalb ist noch offen, ob es weiter- Sie haben die fragile Schönheit der Natur und ihre Bedrohung Würmer sind schwierig. Wir müssen die Zuschauer gleichzeitig geht. Andererseits haben selbst den Hai-Film, der die schwächste Quote hatte, hautnah erlebt … aufklären und unterhalten. Deshalb suchen wir bestimmte Ökosys- noch zwei Millionen Zuschauer gesehen. Ich würde sehr gern weitermachen. … und dabei unglaublich viel gelernt. Viele Informationen waren teme und Tiere aus, die unter die Haut gehen wie der Hai. auch für mich neu. Von Tropenholz hatte ich zum Beispiel wenig „Haie sind keine Was treibt Sie an? Ahnung. Dass die meisten Hölzer illegal geschlagen werden, habe Hatten Sie eigentlich Angst, als Sie zu den Haien ins Wenn man etwas verändern möchte, kommt man am Fernsehen nicht ich erst vor Ort gesehen. Inzwischen habe ich in meinem Alltag Wasser sprangen? Menschenfresser“ vorbei. Ich arbeite seit 25 Jahren in diesem Medium und einiges umgekrempelt. Natürlich waren auch bei mir zu Hause Ich habe oft in Hai-Gewässern gesurft. Trotzdem hatte ich ein möchte es auch einmal nutzen, um jenseits von Elektro- und Ladegeräte immer am Netz. Ich wusste einfach mulmiges Gefühl. Ohne die Hai-Forscherin Stefanie Brendl, die Schauspieler Hannes Jaenicke leichter Unterhaltung Filme über Umwelt- nicht, wie viel Strom die Dinger saugen. Ich beziehe mittlerweile diese Tiere genau kennt, hätte ich mich nicht getraut. Aber Haie über seine Umweltfilme, die zerstörung zu machen, über unseren Ökostrom, drehe die Heizung runter, verwende kein Plastik mehr. sind weder Monster noch Menschenfresser. Reaktionen darauf und die rich- zunehmend bedrohten Planeten. Und tige Strategie, um Menschen für um zu zeigen, dass es keinen Grund und keine Die Tonlage Ihrer Filme ist drastisch, Sie zeigen auch blutige Natur und Umwelt zu gewinnen. Entschuldigung für Untätigkeit und Ohnmachtsgefühle gibt. Szenen, und auch eine Portion Pathos gehört dazu. Mit welcher Ansprache gewinnt man Menschen für Natur und Umwelt? Welche Reaktionen hatten Sie auf Ihre Filme? Da bin ich unsicher. Natürlich kann man „schöne“ Tierfilme ma- Natürlich gab es auch Kritik und Häme, aber die meisten chen, um den Leuten die Pracht vor Augen zu führen, die wir zu Reaktionen waren positiv. Viele Kollegen finden das gut, andere erhalten haben. Ich bin dafür, den Menschen in etwas heftigerer lästern: „Na, kriegst du keine guten Rollen mehr?“ Für mich ist Tonlage zu sagen, was bei diesem rasanten Sterben der Arten entscheidend, ob wir etwas bewegen. Auf den Orang-Utan-Film auf dem Spiel steht. Vielleicht werde ich im nächsten Film auf erhielten wir eine unglaubliche Spendenflut für ein Wiederaufforstungs- Schockeffekte verzichten und stärker eine Mischung beider projekt in Borneo, um dort neue Lebensräume zu schaffen. Als Reaktion Strategien versuchen. Hannes Jaenicke unter Haien 5
Der Reichtum Der Wald schrumpft räumen zählen, sterben in alar- mierendem Tempo. Der Arten- der Vielfalt Die Wälder stehen besonders im verlust ist irreversibel, verpasste Fokus internationaler Anstren- gungen. Sie haben eine Schlüssel- rolle, weil dort die meisten der am Chancen kehren nie zurück. Die Gefährdungsanalysen zeigen W as sind die Dienste der Natur eigentlich wert? Ihre Serviceleistungen sind schwer gewaltigen Schatz diese Vielfalt darstellt: die Existenz- und Wirt- schaftsgrundlage der Menschen. Stellung von Blüten- blättern, die sich Boden lebenden Arten heimisch aber auch, dass gezielte Maß- zu beziffern, haben aber gigan- gegenseitig beschatten. sind. Für die Waldzerstörung ist auch nahmen – wie das brasilianische tische Ausmaße. Niemand wird bestreiten, dass uns der wachsende Fleischkonsum der Tropenwald-Schutzprogramm die Natur ernährt. Aber sie reguliert Man kann einem Wald oder einem Industrieländer verantwortlich. Für ARPA im Amazonasraum – beacht- Natur ist schön. Natur ist aber auch auch den Wasserkreislauf und das Vogel kein Preisschild verpassen, die mehr als drei Millionen Tonnen liche Erfolge erzielen können. Die Big Business. Allein die insgesamt globale Klima, sie liefert Rohstoffe und doch hat jede Art und jedes Öko- Sojaschrot, die pro Jahr von Brasilien Erholungsfähigkeit der Natur ist 100.000 Naturschutzgebiete auf der wie Holz, Öle, Harze, Fasern, Stärken. system auch einen ökonomischen nach Deutschland als Futtermittel nicht weniger großartig als ihr Erde erbringen jährlich Leistungen Sie hält die Böden fruchtbar, Wert. Das Beispiel der Korallenriffe ausgeführt werden, sind 1,2 Millio- Reichtum an Formen und Farben. Bedroht durch Abholzung von Tropenwald: Orang-Utan im Wert von mehreren Billionen reinigt die Luft, die wir atmen. Sie nen Hektar Anbaufläche nötig. Die Dort, wo gefährdete Arten enga- Dollar – mehr als Auto-, Stahl- und schützt vor Überschwemmungen, artenreichen Regenwälder sind seit giert geschützt und ihre Lebens- IT-Branche zusammen. Man kann verhindert Dürren, sie schenkt uns Mitte des 20. Jahrhunderts um fast räume gegen Zerstörung verteidigt den Wert der biologischen Vielfalt, Freizeitvergnügen und warnt als Die geplünderte die Hälfte geschrumpft. Weltweit werden, kann die Natur auch Weitere Informationen einzelner Arten und Lebensräume Bioindikator vor Klimawandel und gehen jährlich 13 Millionen Hektar wieder zu alter Vitalität zurückfin- www.bmu.de/45503 nicht exakt ermitteln. Aber man Umweltkatastrophen. Und dann Schatzkammer Wald verloren – dreimal die Fläche den. Doch die Zeit drängt. Selbst www.cbd.int und www.cbd.int/lifeweb kann die ökonomische Dimension ist sie noch Ohrenschmaus und der Schweiz. Auch die Regenwälder enge Verwandte des Menschen www.wdpa.org der Natur inzwischen gut einschät- Augenweide. Die vom indischen Ökonomen Pavan der Meere, die Korallenriffe, die zu wie Gorilla und Orang-Utan stehen http://reicherplanet.zdf.de zen. Man muss ihr mehr Aufmerk- Sukhdev geleitete Studie „The Econo- den farbenprächtigsten Lebens- schon auf der Roten Liste. samkeit schenken und verdeutli- Die Medizin ist besonders von ihr mics of Ecosystems and Biodiversity – chen, dass ganze Volkswirtschaften abhängig. Fast die Hälfte aller TEEB“ (Ökonomie von Ökosystemen und Arzneien basiert auf pflanzlichen biologischer Vielfalt) wurde 2007 von Substanzen, die Apotheke der Deutschland und der EU-Kommission in Politik für die Vielfalt Natur hortet Millionen unentdeck- Auftrag gegeben, um den wirtschaftlichen ter Wirkstoffe. Ausgestorbene Wert der Leistungen der Natur besser Mehr als 100.000 Schutzgebiete weltweit gehören zu den bedeu- Zu den bedeutendsten Potenzialen internationaler Naturschutz- Tiere wie der Magenbrüterfrosch einzuschätzen – und um zu ermitteln, was tendsten Leistungen im internationalen Naturschutz politik zählen die mehr als 100.000 Schutzgebiete weltweit. Anzahl nehmen ihre Heilmittel aber mit uns der Verlust an biologischer Vielfalt und Größe haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. in den Artentod. Der Frosch hatte kostet. TEEB liefert Zahlen, die belegen, Wichtigste Grundlage der inter- Inzwischen befinden sich rund zwölf Prozent der terrestrischen seinen Nachwuchs im Magen auf- dass es vernünftiger und zudem billiger nationalen Naturschutzpolitik Erdoberfläche in Schutzgebieten. Nachholbedarf haben vor allem gezogen. Die Kaulquappen schüt- ist, in den Schutz der Natur zu investie- ist das 1992 in Rio beschlossene die Meere: Bisher stehen weniger als ein Prozent der weltweiten zen sich dort vor dem aggressiven ren, anstatt hinterher die Schäden zu Übereinkommen über die biolo- Meeresflächen unter Schutz. Ziel ist es, in den nächsten Jahren ein Magensaft mit einem Sekret, das bezahlen. Um nur eine Zahl zu nennen: Mit gische Vielfalt. Damit bekennt globales Netzwerk von Meeresschutzgebieten auszuweisen. uns Menschen gegen Magenge- der Investition von 45 Milliarden US-Dollar sich die Weltgemeinschaft zu schwüre und Gastritis hätte helfen in Schutzgebiete können lebenswichtige dem Ziel, den rasanten Biodi- Deutschland hat auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Überein- können. Vorbei! Dienstleistungen von jährlich rund 5.000 versitätsverlust aufzuhalten. kommens über die biologische Vielfalt 2008 in Bonn die globale Milliarden US-Dollar gesichert werden. Das Übereinkommen dient nicht Schutzgebietsinitiative „LifeWeb“ mit gegründet, um ärmeren Auch die Bionik bedient sich natür- Eine Investition, die sich rechnet! nur dem weltweiten Schutz und Staaten bei der Einrichtung von Schutzgebieten zu helfen. Die licher Vorbilder und macht sie für der nachhaltigen Nutzung der Idee: Staaten, die nicht über die nötigen Mittel verfügen, erhal- Menschen nutzbar. So orientieren Natur. Es verlangt auch den ten von Geberländern finanzielle Hilfen, wenn sie beispielsweise sich Ingenieure an der extrem zeigt es eindrucksvoll: Mit Tourismus gerechten Vorteilsausgleich: neue Schutzgebiete schaffen wollen. Gerade auf internationalem Genutzt von der Pharmaindustrie: glatten Haut der Delfine, um den und Fischerei ernähren diese Ökosys- Nutzerländer – meist Industrie- Parkett verlangt der Schutz der Biodiversität große finanzielle Hoodia aus dem südlichen Afrika Rumpf von Schiffen vor Algen zu teme mehr als eine halbe Milliarde länder – sollen den Arten- Anstrengungen. Die Bundesregierung stellt in den Jahren 2009 bis bewahren. Klebstoff-Hersteller Menschen. Natur ist großzügig. reichtum und das genetische 2012 zusätzlich 500 Millionen Euro für den Schutz von Wäldern und eng an die Dienstleistung der Natur nehmen Muscheln als Vorbild, die Solange sie funktioniert. Eigentum der Herkunftsländer Ökosystemen bereit und ab 2013 dauerhaft eine halbe Milliarde gekoppelt sind. Wenn wir nicht nur sich erstaunlich fest an den Unter- nicht kostenlos beanspruchen Euro jährlich. Der Schutz von Arten und Lebensräumen ist immer die Schönheit, sondern auch den grund heften. Und Architekten in („Biopiraterie“), sondern Ge- auch Teil der Entwicklungspolitik. Gerade die Armen sind auf den ökonomischen Wert der Natur an- heißen Ländern imitieren mit ihren Weitere Informationen Geschätzt auch vom Napoleon-Lippfisch: genleistungen dafür erbringen. Reichtum der Natur angewiesen. erkennen, wird uns bewusst, welch verschachtelten Wohneinheiten die www.bmu.de/45496 Korallenriffe sind besonders vielfältig 6 7
Hotspots der biologischen Vielfalt Amerikanischer Monarchfalter Tariktik-Hornvogel Kleiner Panda Mittelmeer-Mönchsrobbe Zentralasiatische Kaukasus Berge Kiefern-Eichenwälder Berge im Kalifornische der Sierra Madre südwestlichen Florenprovinz Okzidental Mittelmeer- China Becken Irano- Himalaya Japan Anatolien Karibische Indo- Inseln Burma Philippinen Westliche Polynesien – Mittelamerika Mikronesien Königstiger Ghats Cerrado- und Tumbes- Waldsavanne Horn von Sri Lanka Chocó- Guinesische Afrika Sundaland Magdalena Wälder Westafrikas Wallacea Madagaskar Ostmela- und die Inseln nesische des Indischen Ozeans Inseln Tropische Anden Atlantischer Neukale- Südwest- donien Wald Küstenwälder Australien Winter- Sukkulentenreiche Ostafrikas regenwälder Karoo-Halbwüste Maputaland- Chiles Pondoland-Albany Korallenriff Floristische Riesenmammutbaum Kapregion Neuseeland Kiwi Die unterschiedlichen Farben der gefährdeten Kern- zonen oder Hotspots der biologischen Vielfalt dienen lediglich der Abgrenzung verschiedener Zonen. Quelle: BUND-Magazin, Conservation international Kaphonigfresser 8 Blauer Pfeilgiftfrosch Amethystblaue Passionsblume auf Protea-Blüte Panther-Chamäleon 9
Tiere und Pflanzen Das deutsche im Schwitzkasten Naturerbe bewahren me zu ermöglichen. Dazu braucht Flussauen, Seen und Meere. Viele es Pflegemaßnahmen, aber auch dieser Lebensräume sind nicht nur Korridore aus naturnahen Zonen. die Heimat zahlreicher Tiere und Unbestritten bleibt, dass vitale Öko- Pflanzen, sie binden gleichzeitig – systeme mit intakter Vielfalt der zum Nulltarif – riesige Mengen Arten besser mit dem Klimawandel Kohlendioxid (CO2) und sind damit klarkommen. Die Vielfalt der Arten, natürliche Bollwerke gegen den Gene und Ökosysteme ist wie eine Klimawandel. Lebensversicherung der Natur und damit letztlich auch des Menschen. Wo schon Hänsel und Gretel … Die Korallenriffe, eines der arten- Der sprichwörtliche deutsche reichsten Ökosysteme überhaupt, Wald mit seinem Sagen- und Mär- D ie Natur ist ein riesiger CO2-Spei- cher. Doch der Klimawandel mit höheren Temperaturen und veränder- ren Breiten. Kälteliebende Arten ziehen nach Norden oder in höhere Gefilde. In der Nordsee können stecken seit Jahren in der Klimafal- le. Das gefährliche Zusammenspiel von Erwärmung und Versauerung chenschatz, in dem schon die wil- den Germanen hausten, steht seit Urzeiten für Schutz und Schönheit, tem Wasserhaushalt stresst Ökosyste- Meeresbiologen den Wandel bei des Meerwassers führt zum lang- Wildnis und Naturerleben. Und me und beeinflusst die Artenvielfalt. Probefängen nachvollziehen. Neue samen Absterben jener Riffe, die er inspirierte immer wieder Maler mediterrane Einwanderer wie Sar- als Kinderstube für tausende von und Dichter: „Wer hat dich, du „Wenn sich der Klimawandel so dellen und Sardinen zappeln öfter Arten eine herausragende Bedeu- schöner Wald, aufgebaut, so hoch fortsetzt, dann werden wir bis zum im Netz, während sich der Kabeljau tung haben. Ein anderes spek- da oben?“ Es war nicht nur der Ende des Jahrhunderts ein Drittel lieber in kältere Gewässer Richtung takuläres Beispiel ist der Eisbär. Forstmeister, es war vor allem das aller Arten verlieren.“ Ahmed Island verzieht. Dem König der Arktis schmilzt der Werk der Natur. Mit 10,6 Millionen Djoghlaf, oberster Wächter der Lebensraum buchstäblich unter Hektar ist fast ein Drittel unserer Biodiversität bei den Vereinten Lebensversicherung der Natur den Pfoten weg. Landfläche von Wäldern bedeckt. Nationen, beruft sich mit dieser Aussage auf den Weltklimarat IPCC, der die Folgen der Erderwär- mung auf die Artenvielfalt unter- Modellrechnungen in Deutschland zeigen, dass besonders im nord- ostdeutschen Tiefland, aber auch Die Natur ist aber nicht nur Opfer des Klimawandels. Jeder Baum, jede Pflanze ist ein kleines Kohlen- W o 6.500 Käfer krabbeln und die schönsten Buchenwälder stehen: Die Vielfalt muss auch vor der vorzugten Lebensraum gewählt. Manche von ihnen kommen nur hier und nirgendwo sonst auf der Die Buchenwälder gehören zu den schönsten weltweit. Deutsch- land hat deshalb ihre Aufnahme sucht. Die Anpassungsfähigkeit in den Mittelgebirgen mit starken dioxid-Reservoir und damit auch eigenen Haustür geschützt werden. Erde vor. Für diese Arten tragen in die Welterbeliste der UNESCO der Natur sei zwar fantastisch, sagt Veränderungen im Spektrum der ein Schutzfaktor. Die tropischen Denn jedes dritte Tier und jede vierte wir besondere Verantwortung. beantragt. Die „Alten Buchen- Djoghlaf, aber mit dem rasanten Pflanzen- und Tierarten zu rechnen Regenwälder speichern ein Viertel Pflanze in unseren heimischen Öko- Insgesamt sind in unserem Land wälder Deutschlands“ sollen Klimawandel seien viele Pflanzen ist. Eine hohe Gefährdung wird des gesamten Kohlendioxids auf systemen ist bereits gefährdet. 48.000 Tierarten zu Hause, das ent- das bestehende Weltnaturerbe und Tiere überfordert. Es sind nicht unter den bei uns brütenden Vogel- der Erde, und sie binden Jahr für spricht immerhin vier Prozent der der slowakisch-ukrainischen nur die steigenden Temperatu- arten für Seeadler, Schwarzstorch, Jahr aufs Neue bis zu 4,8 Giga- Biologische Vielfalt ist nicht nur in weltweit bekannten Fauna. Allein „Buchenurwälder der Karpaten“ ren. Noch empfindlicher reagiert Wiesenweihe und Kranich erwar- tonnen des Klimagases aus der tropischen Regenwäldern und ka- 6.500 Käferarten krabbeln durch ergänzen. Schon im Juni 2009 war die Natur auf Veränderungen im tet. Aber auch für viele heimische Atmosphäre. Die Wechselwir- ribischen Korallenriffen zu Hause. deutsche Lande. Bei den Pflanzen das deutsch-niederländische Wat- Wasserhaushalt, sagt Beate Jessel, Pflanzen werden sich die klimatisch kungen zwischen Klimawandel, Sie zeigt ihre Attraktionen auch in sind 9.500 Arten bekannt, dazu tenmeer in die Liste der Welterbe- Präsidentin des Bundesamtes für geeigneten Gebiete verkleinern. biologischer Vielfalt und mensch- heimatlichen Biotopen. Deutsch- kommen 14.400 Pilzarten. stätten eingeschrieben worden. Naturschutz (BfN). Naturschützer stehen jetzt vor der lichem Wohlergehen sind eng und land beherbergt als dicht besie- Es zählt zu den bedeutendsten Herausforderung, wie vielfältig. Naturschutz ist zugleich deltes mitteleuropäisches Land Besonders reich ist die Vielfalt von Feuchtgebieten der Welt und steht Die Klimaveränderung wirkt sich man den betroffe- Klimaschutz. Und umgekehrt. mit ausgeprägtem Verkehrsnetz 690 verschiedenen Ökosystemen. nun auf einer Stufe mit dem Grand direkt auf den Lebenszyklus der nen Arten helfen und intensiver Landwirtschaft Von der Bergwelt in den Alpen bis Canyon der USA, dem Great Barrier Arten aus. Blattaustrieb und Blüh- kann, dem Klima- zwar nicht so viele Arten wie etwa zum Wattenmeer, von den großen Reef Australiens oder der Serenge- zeitpunkt der Pflanzen verschie- wandel standzu- Weitere Informationen Brasilien, das als Hotspot der Bio- Waldgebieten bis zur karg sandi- ti in Tansania. Nirgendwo auf der ben sich, die Baumgrenze steigt. halten und ihnen www.bmu.de/45454 diversität gilt. Doch tausende Tiere gen Heidelandschaft reihen sich Welt hat sich unter dem Einfluss Zugvögel kommen früher zurück, eine Ausbreitung in www.anpassung.net – Biodiversität und Pflanzen haben gerade unsere unterschiedlichste Habitate anei- der Gezeiten eine vielfältigere manche überwintern sogar in unse- geeignetere Lebensräu- Wälder, Wiesen und Seen als be- nander, darunter Hochmoore und Landschaft entwickelt. Klimawandel setzt ihm zu: Schwarzstorch 10 11
Andere heimische Kostbarkeiten Doch die dramatischen Zahlen der samttrend auch gute Nachrichten Ruhe- und Rückzugsräume fehlen. Dies betrifft erscheinen auf den ersten Blick Artenschützer machen auch um gegenüber, die Mut machen. Der Die 8.413 Naturschutzgebiete nicht nur die eher unspektakulär, doch auch Deutschland keinen Bogen. Im Ge- Bestand heimischer Arten in Elbe in Deutschland erstrecken sich Finanzierung heimischer sie sind einmalige Schätze – wie genteil: Die Gefährdungsraten der Selten geworden: der Feldhase und Rhein hat zum Beispiel wieder über 1,27 Millionen Hektar, das Schutzmaßnahmen, sondern auch der Allgäu-Frauenmantel, das Bundesrepublik erreichen einen zugenommen. Die Rückkehr entspricht 3,6 Prozent der Fläche Hilfeleistungen für Entwicklungs- Bodensee-Vergissmeinnicht, der höchsten Werte in Europa. Wir Kiebitz gehören zu den Sorgenkin- des Wolfes macht Schlagzeilen, unseres Landes. 14 Nationalparke, länder, wo sich rund 80 Prozent das Deutsche Federgras oder die haben allen Grund, die Anstren- dern, und selbst der früher auf jeder auch Luchs, Fischotter und Biber 16 Biosphärenreservate und mehr der weltweiten biologischen Schwäbische Grasschnecke. Sie alle gungen zum Schutz der biologi- Dachrinne tschilpende Spatz rückte werden wieder öfter gesehen. Die als 100 Naturparke bilden das Herz Ressourcen befinden. leben exklusiv nur in heimischen schen Vielfalt zu verstärken. So auf die Vorwarnliste. Bestände von Seeadler, Wanderfal- Biotopen. Auch der Kranich hat gelten von den in Deutschland ke, Uhu und Schwarzstorch die Raststätte Bundesrepublik als vorkommenden natürlichen Le- Ermutigende Beispiele: haben sich ebenfalls erholt. bevorzugten Halte- und Überwin- bensräumen insgesamt 72,5 Pro- Die Natur erholt sich Das Grüne Band terungsplatz ausgewählt. Ebenso zent als gefährdet. Davon sind Bei gefährdeten Vogelarten verzeichnen Bergmolch, Rotmilan 34,6 Prozent stark gefährdet, und Auch in Deutschland zeigt sich zahlen sich Schutzmaßnahmen Der 1.393 Kilometer lange Grenzstreifen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze und viele andere Arten in unseren 13,8 Prozent droht eine womög- aber, dass gezielte Schutzprogram- an Nistplätzen aus, wie etwa die war über Jahrzehnte No-go-Area, ein für Mensch, Landwirtschaft und Industrie unzu- Breiten die stärkste Population. lich endgültige Zerstörung. me erstaunliche Erfolge haben. Horstbewachung beim Wanderfal- gängliches Gebiet. Es ist eine seltsame Pointe deutscher Geschichte, dass ausgerech- So stehen dem negativen Ge- ken oder die Sperrung bestimmter net auf diesem lebensfeindlichen Terrain die Natur aufblühte und sich über Jahrzehnte Auch Laubfrosch und Feld- Steilwände für Klettertouren. ungestört entwickelte. Das Grüne Band glänzt mit 109 verschiedenen Lebensraumtypen Auch eine auf Naturnähe bedachte und bietet rund 160 bedrohten Arten eine Heimat. Jetzt kommt es darauf an, dieses hamster machen Sorgen Natur in der Stadt Waldbewirtschaftung stärkt die Band zu schützen und zu bewahren. In den letzten Jahren wurden 100.000 Hektar wert- Von den einheimischen Pflanzen ist Vielfalt. Damit der Specht wieder voller Naturflächen – darunter große Areale des Grünen Bands – von der Privatisierung Wildschweine schlendern lässig über die mehr als jede vierte (28,7 Prozent), öfter klopft. ausgenommen, um sie als „Nationales Naturerbe“ dauerhaft für den Naturschutz zu er- Straße, Füchse stromern durch den Park von den Tierarten ist etwa jede drit- halten. Was früher teilte, ist heute ein Schatz der Natur und Symbol der Verbundenheit. und schauen den Joggern hinterher, und te (35,7 Prozent) bestandsgefährdet. Es gilt, die 2007 von der Bundesre- die Nachtigall trällert ihr Lied. Berliner Das heißt: Ihre Populationen gehen gierung beschlossene anspruchs- Alltag! Tiere und Pflanzen sind nicht zurück. Manche Arten drohen volle und thematisch breit an- der deutschen Schutzgebietskulis- nur in abgeschiedenen Naturreservaten ganz zu verschwinden, sie sind un- gelegte „Nationale Strategie zur se. Daneben sind rund 15 Prozent zu Hause. Studien zeigen, dass die mittelbar vom Aussterben bedroht, biologischen Vielfalt“ mit mehr als der Landfläche als Vogelschutz- Städte im Vergleich zu ihrem Umland oft wie der an Ackerfluren und auf Fliegt wieder häufiger: Schwalbenschwanz 300 konkreten zukunftsorientier- und FFH-Gebiete innerhalb des lebendiger und artenreicher sind. Tiere Feldern lebende Feldhamster oder ten Zielen und mehr als 400 Einzel- europäischen Schutzgebietsnet- und Pflanzen finden hier in Parks und die an Säumen und Böschungen maßnahmen umzusetzen. Damit zes Natura 2000 ausgewiesen. Ihre Grüngürteln behagliche Lebensräume. lebende Östliche Smaragdeidechse. dieses gesamtgesellschaftliche Vernetzung und Integration in das So erfüllt die naturnahe Gestaltung Für diese Arten sind gezielt auf sie Handlungsprogramm verwirklicht Internationale Schutzgebietssys- städtischer Freiflächen heute eine Drei- abgestimmte Hilfsmaßnahmen wird, sind alle Akteure in Deutsch- tem, aber auch Beobachtung und fachfunktion: Sie dient der städtischen dringend geboten. Drei Prozent der land eingeladen, sich im Rahmen Entwicklung dieser Flächen sind Flora und Fauna, und zugleich steigert über Jahrhunderte hier lebenden des 2007 vom Bundesumwelt- eine große Herausforderung. sie die Attraktivität von Wohngebieten. Arten sind bereits ausgestorben. ministerium gestarteten Umset- Darüber hinaus kann sie auch das Natur- zungs- und Dialogprozesses zu Deutschland hat darüber hinaus verständnis der Stadtbewohner durch So verschwand der Elch schon im beteiligen. Die Bundesregierung im Mai 2008 in Bonn als Gastgeber aktives Naturerleben erhöhen. Wer an 18., der Braunbär im 19. Jahrhun- wird zudem ein Bundesprogramm der auch als Weltnaturschutz- Berliner Seen spätabends im Wonnemo- dert. Die Langflügelfle- Zurück in unseren Wäldern: Luchs zur Umsetzung der nationalen gipfel bezeichneten 9. Vertrags- nat Mai der Nachtigall lauscht, die hier dermaus ist im Biodiversitätsstrategie erarbeiten staatenkonferenz der Konvention Sehr selten und streng geschützt: Schachblume ungewöhnliche Bestandszahlen 20. Jahrhundert und es mit den gesellschaftlichen über die biologische Vielfalt (CBD) erreicht, wird dieses Konzert ausgestorben, Akteuren diskutieren. wichtige internationale Aufgaben nicht so schnell vergessen. ebenso erging es übernommen. Mit der deutschen Tiefseesaibling und Ruhe und Rückzug helfen Präsidentschaft wurde neuer Weitere Informationen Kilch aus dem Bodensee. Schwung in die internationale www.bmu.de/45502 Nicht immer stehen exotisch Natur- und Artenschutz darf Naturschutzdebatte gebracht. www.biologischevielfalt.de anmutende Arten auf den Roten nicht auf Schutzgebiete reduziert Nicht zuletzt erfordert der Kampf www.floraweb.de Listen. Auch weithin bekannte werden, aber ohne sie würden um die biologische Vielfalt auch www.bfn.de/geoinfo/fachdaten Tiere wie Laubfrosch, Feldhase und vielen Arten überlebenswichtige große finanzielle Anstrengungen. Zauneidechse Schöner Fleischfresser: Rundblättriger Sonnentau 13
Auf den Spuren des Raubwürgers Entlang unzähliger blühender Kirschbäume — am Rand der Schwäbischen Alb Deutschland hat auf vergleichsweise Die einfachste Art, auf Darwins Unterwegs im schwäbischen Dschungel kleiner Fläche eine reiche Tier- und Spuren die Natur zu erkunden, sind Pflanzenwelt zu bieten. Wanderungen. Geführt von Sach- 50 Kilometer von Stuttgart entfernt befindet sich eines der jüngsten Biosphärenreser- kundigen, sind sie in diesem Jahr vate Deutschlands – die Schwäbische Alb. Von der Donau kommend, an Streuobstwiesen Sich Zeit nehmen und hinaus in die Teil der internationalen Kampagne des Albvorlandes vorbei, geht es auf die Albhochfläche mit ihren imposanten Wachol- Natur gehen – das geht auf unter- zum Tag der biologischen Vielfalt derheiden und bunten Wiesen. Hier duftet es nach Feldthymian und wildem Majoran. schiedlichste Weise. Besuche in bo- der Vereinten Nationen am 22. Mai. Die Heidelerche singt. Dazwischen liegen die schroffen Felsen des Albtraufs, wo sich tanischen und zoologischen Gärten Wer mitmacht, kann nicht nur die dämmrig-feuchte Schluchten mit hellen, sonnigen Ecken abwechseln. Hier im „schwäbi- lieben vor allem Kinder. Exkursionen Ästhetik der Natur erleben, sondern schen Dschungel“ finden sich Hang- und Schluchtwälder aus Ulmen, Linden und Eschen, in Wald- und Wiesenlandschaften, auch ihre Serviceleistungen für uns in denen Türkenbund, Mondviole und Märzenbecher blühen. Naturführer/innen bieten aber auch Stadtführungen mit Menschen: intakte Böden, sauberes Erkundungstouren an und erzählen lokale Legenden von verschwundenen Dörfern. Naturkundlern, Vogelschützern und Trinkwasser, wertvolle Nahrungs- www.biosphaerengebiet-alb.de Botanikern erweitern den Horizont. mittel und Erlebnisraum für Freizeit Im Frühling und Frühsommer, wenn und Erholung. Auch sportliche Akti- Knospen sprießen und Blumen blü- vitäten wie Joggen, Radeln, Rudern, hen, wenn die Vögel ihre Hochzeits- Tauchen, Ausreiten, Klettern oder Andere Perspektive: Mit dem Kanu auf der Werra lieder singen – dann bieten solche Wildwasserfahren führen mitten in E intauchen in die Natur und die Vielfalt mit allen Sinnen erleben: Tipps und Hinweise zur Führungen unerhörte Erlebnisse. Hier zirpt der Zaunkönig, dort krächzt der Eichelhäher, und der die Natur. Nationalparke, Biosphärenre- Das Grüne Band im Eichsfeld Wo früher die innerdeutsche Grenze biologischen Vielfalt im Umland Zilpzalp macht „zilpzalp“. Im Herbst servate und Naturparke sind verlief, ist auf 1.393 Kilometern quer und vor der Haustür. können Pilze oder Beeren bestaunt – je nach geografischer und durch Deutschland eine einzigartige und manche gegessen werden. klimatischer Lage mit be- Oase entstanden. Statt Stacheldraht und Wir haben uns daran gewöhnt, dass sonderen Erlebnissen ver- Grenzsoldaten finden wir seltene Tiere die meisten von uns mehr Automar- Auch im eigenen Garten lässt sich bunden – und fast alle Im Wattenmeer Vögel und Seehunde gucken und Pflanzen und den größten Biotop- ken kennen als Wiesenblumen oder jenseits von Einheitsrasen und sind engagiert unter verbund Deutschlands. Nicht weniger Singvögel. Doch auch hartnäckige den üblichen Verdächtigen im der Dachmarke „Na- Das Wattenmeer an der deutschen, dänischen und niederländischen Küste ist das als 150 Naturschutzgebiete sind mit dem Technikfreaks und ausgeprägte Blumenbeet Vielfalt erzeugen und tionale Naturland- vogelreichste Gebiet Europas. Bei Ausflugsfahrten können Sie mit etwas Glück auch Grünen Band verknüpft. Eine der interes- Stubenhocker sind empfänglich bestaunen. Dann schaut auch der schaften“. Wer hat Seehunde sehen. Und wo kann man bei Niedrigwasser barfuß oder in Gummistiefeln santesten Regionen ist das Eichsfeld. Es für Naturerlebnisse. Natur ist voller Igel öfter vorbei. Selbst auf den Lust auf ursprüng- direkt auf dem Meeresgrund spazieren gehen? Jenseits der Deiche liegen die Salzwiesen, zieht sich durch das hessisch-thüringi- Schönheit und Geheimnisse, anrüh- Wochenmärkten kann Vielfalt liche Natur, Lust rund 250 Tierarten leben ausschließlich in diesem selten gewordenen Lebensraum. sche Werratal mit romantischen Burgen rend und erholsam, manchmal auch erlebt und genossen werden. Nicht auf Vielfalt? Hier www.wattenmeer-nationalpark.de und tiefen Abstürzen ins Tal. Auf dem überwältigend. Ihre Vielfalt – von selten werden dort alte Apfel- und einige Tipps: Werratal-Radweg geht’s vom hessischen Fachleuten „Biodiversität“ genannt – Birnensorten angeboten, manchmal Eichenberg nach Bad Sooden-Allendorf – lässt sich nirgendwo besser erleben auch besonderes Fleisch von selten Seltener Anblick: der Raubwürger Urwald mitten in Deutschland – oder unweit davon indianergleich pad- als mittendrin im Naturkreislauf. gewordenen Tierrassen. der Nationalpark Hainich delnd auf der Werra entlang. Halten Sie die Augen offen nach Fransenfledermaus, Diese Laubwaldpracht mitten in Deutsch- Schwarzkehlchen und Ziegenmelker. Und Biodiversität im Kino land ist herrlich. Mit tausend Säulen aus vor allem nach dem Raubwürger! Biologische Vielfalt kann man an vielen Orten erleben – auch im Kino. Zu den ästhetisch mächtigen Buchenstämmen steht diese www.erlebnisgruenesband.de eindrucksvollsten Naturfilmen der letzten Jahre gehört „Unsere Ozeane“. Der Aufwand grüne Kathedrale in Thüringen. Am Boden für diesen Film war gigantisch. Schon 2003 begannen die französischen Regisseure mit krabbeln Käfer im Totholz, vom Dach grüßen den Planungen. Drei Teams haben jeweils vier Jahre lang auf allen Kontinenten und Polen freundlich-grüne Laubkronen, und zwischen gedreht. Der Aufwand hat sich gelohnt. Ob Wale, Fischschwärme oder Quallen: Die Bilder den Stämmen blüht die Vegetation. Das ist Weitere Informationen sind atemberaubend und zeigen mit teilweise nie gesehenen Aufnahmen eine grandiose intakte Natur, die auch Dachs und Wildkatze www.bmu.de/45736 Unterwasserwelt – bunt und teilweise skurril, wild und frei. oder der gut gelaunte Trauerschnäpper zu www.kalender.biologischevielfalt.de Informationen des BMU-Bildungsservice zum Film und zur biologischen Vielfalt: schätzen wissen. www.nationale-naturlandschaften.de www.bmu.de/45670, www.bmu.de/41458 und www.bmu.de/6773 www.nationalpark-hainich.de Über den Wipfeln wandern: www.naturparke.de Baumkronenpfad Hainich 14 15
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