Bitte hier keine Schlacke deponieren - Gemeinde Gossau ZH
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Vergleichsweise gross und zusammenhängend: Das Tägernauer Holz mitten im Siedlungsgebiet des Zürcher Oberlands. Bitte hier keine Schlacke deponieren Im Zürcher Oberland tobt ein Kampf zwischen Kanton und Kezo entwickelte in Zusammenarbeit mit dem kantonalen Gemeinden um eine Schlackendeponie im Wald. Der Abfall Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft ( Awel ) und mit der muss irgendwo hin. Technische Neuerungen helfen wenig. eigens dafür gegründeten Stiftung ‹ Zentrum für nachhalti- ge Abfall- und Ressourcennutzung › ( Zar ) die weltweit erste Text: Im Tägernauer Holz spielt sich eine helvetische Version Anlage für die Aufbereitung von Trockenschlacke mittels Samuel Schlaefli des biblischen Dramas von David und Goliath ab. Hier Thermorecycling. Betrieben wird diese durch die ZAV die Zürcher Oberländer Gemeinden Gossau und Grünin- Recycling auf dem Kezo-Areal. Durch Sieben und Brechen gen, die ihren Forst um jeden Preis retten wollen. Dort der werden rund 15 Prozent Metalle abgetrennt, darunter Alu- mächtige Kanton Zürich, der 7000 Bäume zum Bau einer minium, Eisen, Stahl, Kupfer, in kleineren Mengen auch Schlackendeponie fällen will. 2009 wurden sechs Hektar Gold und Silber. Diese werden an Händler weiterverkauft. oder rund acht Fussballfelder Mischwald in Kantonsbesitz Die Aufbereitung soll ökonomisch und ökologisch sinnvoll als Standort für eine Deponie von 750 000 Kubikmetern sein, denn zurück bleibt eine sauberere Restschlacke. De- in den kantonalen Richtplan aufgenommen, gestützt auf poniert werden muss diese trotzdem. eine Evaluation aus den Neunzigerjahren, die 250 mögli- Laut dem Awel ist die Deponie Tägernauer Holz aber che Deponiestandorte im Kanton prüfte. Als Hauptkrite- nicht nur für die zentrale Lagerung der Schlacke nötig. rien galten die Geologie des Untergrunds und die Grund- Es brauche sie auch, weil die Bevölkerung wächst. Der wassersituation, und in Bezug auf beide erwies sich das Kanton Zürich geht von einem Wachstum von heute 1,52 Tägernauer Holz als geeignet. auf 1,82 Millionen Menschen bis im Jahr 2040 aus. Im wahrscheinlichsten Zukunftsszenario des Awel wird die Schlackenaufbereitung zentralisieren Menge thermisch zu verwertender Abfälle zwischen 2015 Der Standort ist für den Kanton noch aus anderen und 2035 um 130 000 Tonnen auf 830 000 Tonnen zuneh- Gründen attraktiv: Die Kehrichtverwertung Zürcher Ober- men – mit entsprechenden Folgen für die Schlackendepo- land ( Kezo ) liegt nur elf Kilometer vom Tägernauer Holz nierung. In der Richtplan-Teilrevision von 2016 wurde entfernt. Sie betreibt die zweitgrösste Kehrichtverwer- deshalb das bis dahin festgesetzte Deponievolumen von tungsanlage ( KVA ) des Kantons und verbrennt den Haus- 750 000 Kubikmeter gleich auf das Doppelte, auf 1,5 Mil und Gewerbekehricht von 36 Gemeinden im Einzugsge- lionen Kubikmeter erweitert. biet, was die Hälfte des verbrannten Kehrichts ausmacht. Letztes Jahr informierte die Kezo die Gemeinderäte Hinzu kommt Gewerbekehricht, zu 15 Prozent aus Ge- von Gossau und Grünigen über das geplante « Leuchtturm- meinden ausserhalb des Kantons und zu fünf Prozent aus projekt Deponie ». Schon während des Deponiebetriebs dem Ausland, zehn Prozent des Abfalls sind örtlich nicht soll der Wald etappenweise wieder aufgeforstet werden. zuordenbar. Jährlich ergibt das 200 000 Tonnen Abfall. Langfristig soll er sogar noch an biologischer Qualität ge- 30 000 Tonnen bleiben dabei nach der Metallentfrach- winnen. Die 15 bis 20 Lastwagen, die die Schlacke täglich tung als Schlacke zur Deponierung zurück. In Zukunft sol- aus Hinwil über die Forchstrasse in die Deponie bringen, len aber nicht nur diese auf der geplanten Deponie im Tä- werden mit Elektrobatterien betrieben. Der durch die gernauer Holz landen, sondern auch die Schlackenabfälle Forchstrasse zweigeteilte Wald soll für Tiere mit einem der übrigen vier KVA des Kantons mit Ausnahme der KVA Wildwechsel wieder verbunden werden. Schliesslich rech- Josefstrasse in Zürich, die 2021 geschlossen wird. Die neten die Planer noch vor, dass der Transport in die De- 32 Hochparterre 8 / 19 — Bitte hier keine Schlacke deponieren 32-37_Muell_8_19.indd 32 24.07.19 07:37
Anlagen für die Abfallentsorgung im Kanton Zürich Kehrichtverwertungsanlage Deponie bestehend Deponie geplant Deponie mit Bahnanschluss Deponie mit Bahnanschluss geplant maximal ein Standort in Betrieb maximal ein Standort pro Deponietyp in Betrieb Bahnlinie 1 Weiach, Hardrüten ( Typ B ) 2 2 Eglisau, Schwanental ( B ) 1 3 Neftenbach, Fuchsbüel 4 3 4 Henggart, Egg 5 Winterthur, Riet ( D, E ) 6 6 Wiesendangen, Ruchegg 5 7 P fungen, Bruni 7 8 KVA Winterthur 9 Lufingen, Häuli ( C, D, E ) 8 9 10 10 L ufingen, Leigrueb, ( C, D ) 11 Niederhasli, Feldmoos 12 Rümlang, Chalberhau 13 K VA Limeco, Dietikon 11 14 Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz 15 KVA Josefstrasse, bis 2021 12 16 Egg, Büelholz 17 K VA Kezo, Hinwil 13 14 18 G ossau / Egg, Lehrüti 19 G rüningen / Gossau, Tägernauer Holz ( D ) 20 Gossau, Wissenbüel 15 21 Oetwil am See / Egg, Chrüzlen ( B, D, E ) 22 Rüti, Goldbach 23 Obfelden, Tambrig ( C, D, E ) 24 KVA Horgen 25 Horgen, Längiberg 26 M aschwanden / Obfelden, Fuchsloch 27 M aschwanden / Obfelden, Holzweid 17 16 28 Wädenswil, Neubühl 29 Wädenswil, Luggenbüel 18 19 20 21 Typ A: Aushub unverschmutzt 22 Typ B: Inertstoff Typ C: Reststoff / Altlastmaterial 23 24 Typ D: Schlacke 26 27 25 Typ E: Reaktorstoffe ( spezielle Rückstände, 28 unter anderem von Kanalisationsreinigung, 29 Hochwasser, Bränden, Bauabfällen ) Die Deponien bestehen aus einem oder mehreren Kompartimenten des Typs B, C, D oder E. Bei den Typen B und E nimmt die abgelagerte Menge ab, bei den Typen C und D leicht zu. Quelle: Kanton Zürich, Stand 2017 ponie Tambrig bei Obfelden auf der anderen Seeseite, wo CO -Reduktion, Kampf gegen den Klimawandel und das ² bisher fast die Hälfte der Kezo-Schlacke deponiert wird, Artensterben debattieren. » Eine Aufforstung – Experten jährlich mehr CO verursachen würde, als die 7000 gero- rechnen mit 25 Jahren nach Deponieende – würde Iten ² deten Bäume aufnehmen könnten. Eine unabhängige Prü- nicht mehr erleben. Er ist überzeugt: « Dass das Awel am fung dieser Rechnung fehlt allerdings. Tägenauer Holz festhält, liegt nicht an mangelnden Alter- nativen, sondern daran, dass der Kanton die Rentabilität Linke und Rechte geschlossen gegen Deponie der ZAV Recycling erhöhen will. » Er verweist auf einen Das Deponiemarketing kam bei den beiden betrof- Artikel im ‹ Beobachter › vom letzten September. Darin ana- fenen Gemeinden schlecht an. Ihre Gemeinderätinnen lysierten Experten die Zahlen der ZAV Recycling. Sie wei- und Gemeinderäte sind geschlossen gegen die Deponie. se eine « Horrorbilanz » auf und sei nur zur Hälfte ausgelas- Von den zwölf Kantonsräten des Bezirks Hinwil waren im tet. Der Artikel führte zu einer Anfrage im Kantonsrat, in Februar mit einer Ausnahme alle gegen die Deponie, egal deren Beantwortung der Regierungsrat zwar das angeb- ob SVP oder Grüne. Jörg Kündig ( FDP ), Gemeindepräsi- liche finanzielle Desaster erläutert und relativiert. Doch dent von Gossau, gehört dazu. « Meine Priorität ist es, die umgekehrt wird auch deutlich, dass es in der Abfallwirt- Wohnqualität in meiner Gemeinde sicherzustellen », sagt schaft immer auch um Rentabilität geht. Um Auslastung er und verweist darauf, dass der Standortfaktor Umwelt und Profit zu sichern, schätzt Alois Iten, sei es deshalb für die Gemeinde zentral sei und der Wald in einem Nah zentral, dass die ZAV Recycling einerseits die Schlacke erholungsgebiet liege, das für den gesamten Kanton von aus dem gesamten Kanton verarbeiten und andererseits Helmling und Becherling Bedeutung sei. Kündig kann auf viel Unterstützung zäh- die Rückstände möglichst nah deponieren könne. « Unsere Die folgende Doppelseite len. Eine Interessengemeinschaft organisierte bereits Gemeinden werden zum ‹ Güselchübel › der Region. » zeigt Pilze, die allesamt im drei Demonstrationen. An die letzte Demo im Februar Für Kezo-Geschäftsführer Daniel Böni hingegen gibt Tägernauer Holz wachsen. Fotografiert wurden sie in seien 600 Unterstützerinnen gekommen, erzählt Alois es keinen Deponiestandort, der die Bevölkerung mit Ver- den letzten Jahren von Iten, Mitinitiator der Proteste. « Für die meisten ist es kehr, Lärm und Staub weniger stark belasten würde. Die Alois Iten, Pilzkontrolleur schlicht irrsinnig, 7000 Bäume zu fällen, während wir über Waldbiologie im Tägernauer Holz sei « nicht wirklich → und Gegner der Deponie. Hochparterre 8 / 19 — Bitte hier keine Schlacke deponieren 33 32-37_Muell_8_19.indd 33 24.07.19 07:37
Blauer Rindenpilz Buchenblatt-Helmling Rädchentintling Violetter Lacktrichterling Beschleierter Zwitterling Ohrlöffelstacheling Scharlachroter Prachtbecherling Bogenblättriger Feuchtwaldhelmling Helmling Violetter Rötelritterling Reinweisses Hängeröhrchen Langstielige Becherlorchel Buchenblatthelmling Rotköpfiger Schleimpilz Perlpilz Netzschleimpilz Zunderschwamm am Sporen Filzige Langfusslorchel Fleischroter Gallertbecher Chromelosporium carneum 34 Hochparterre 8 / 19 — Bitte hier keine Schlacke deponieren 32-37_Muell_8_19.indd 34 24.07.19 07:37
Grünspanträuschling Geweihförmige Koralle Glimmertintling Grauer Grasschleimpilz Halsbandschwindling Stinkschwindling Überhäuteter Helmling Helmling mit Helmlingschimmel Striegelige Tramete Halbkugeliger Borstling Stahlblauer Rötling Schmetterlingstramete Hexenröhrling Purpurschwarzer Wasserkopf Speisemorchel Schneeweisser Tintling Spaltblättling Weisser Adernabeling Dunkelgraues Filzbecherchen Flockenstieliger Hexenröhrling Hochparterre 8 / 19 — Bitte hier keine Schlacke deponieren 35 32-37_Muell_8_19.indd 35 24.07.19 07:38
→ wertvoll ». Das Awel sieht dies ähnlich, weil dieses « Kampf um Flächen » Waldstück kein Schutzgebiet und in erster Linie zur Holz- Der Zürcher Abfallzoff ist kein Einzelfall. « Wir erhal- nutzung vorgesehen ist. Jakob Bodmer, der ehemalige ten zurzeit viele Anfragen von Gemeinden zur Unterstüt- Staatsförster im Staatswald Grüningen, widerspricht dem: zung gegen geplante Deponien – viele in Waldgebieten », Der Staatswald Grüningen sei ein gesunder Mischwald in sagt Raimund Rodewald, Geschäftsführer der Stiftung einer natürlichen Lebensgemeinschaft mit hohem ökolo- Landschaftsschutz Schweiz, und nennt als Beispiele die gischem Wert, vorhanden seien bereits jetzt die ganze Pa- Standorte Düdingen, Kappelen, Cholwald, Kallnach und lette von verschiedenen Baumarten in verschiedenen Al- Uster. « Meist sind wir jedoch machtlos, weil ein Richtplan tersklassen sowie wertvolle Naturverjüngungen, schreibt entscheid hinter der Planung steckt und die Interessen- er auf der Website der Deponiegegner. abwägungen von Kanton und Bund bereits vorgenommen Privatdeponien in der Umgebung, zum Beispiel in Lu- wurden. » Rodewald beobachtet einen raumplanerischen fingen, auf die die Deponiegegner gerne hinweisen, sind « Kampf um Flächen », wobei dem Wald – anders als den für Kezo-Geschäftsführer Böni kein Ausweg: « Damit wür- landwirtschaftlichen Nutzflächen – in Bundesbern die de die Gesamtabfallverwertung für den Kanton viel teurer. » Lobby fehle. Er kritisiert, dass der tatsächliche Bedarf an Dass die heutige Anlage nur halb ausgelastet sei, stimme Deponievolumen oft schwierig nachzuvollziehen und zu nicht. Die Berechnungen des ‹ Beobachters › würden sich überprüfen sei. Er werde in der öffentlichen Diskussion auf die Kapazitäten im Endausbau bis 2025 beziehen. Auch oft einfach als gegeben betrachtet. dass die Deponie aus wirtschaftlichen Überlegungen vo- Um Schlackenmengen zu reduzieren, hoffen viele auf rangetrieben werde, verneint Böni: « Es geht darum, den die Technologie. Im Massnahmenplan der Abfall- und Res- Abfallpfad zu optimieren, die Entsorgung langfristig zu sourcenwirtschaft für 2015 bis 2018 hatte sich der Kanton sichern und das Volumen der Deponie optimal zu nutzen. » Zürich das Ziel gesetzt, bis 2024 nur noch zehn Prozent « Die Menge reduzieren » andere Deponiestandorte unterstützen – das Ziel ist, dass es keine weiteren mehr braucht. Weniger Abfall produzie- Interview: Rahel Marti ren und mehr Kreislaufwirtschaft ist der einzige Weg. An der Karte der Deponie-Standorte fällt auf, Der Kanton Zürich hat die Wahl des Tägernauer dass Deponien häufiger im ländlichen Raum liegen. Holzes sorgfältig abgewogen. Warum sind Sie trotzdem Ist das eine unfaire Verteilung ? gegen die Deponie ? Die Standorte sind gemäss dem Regionenmodell verteilt, Marionna Schlatter: Deponien sind immer ‹ Nimby ›-Themen – das regelt, wo welche Stoffe am besten gelagert werden. ‹ not in my backyard ›. Sie sind nötig, aber niemand will sie. Je nach Art der Deponie gibt es wenig Spielraum, Aushub Unter diesem Gesichtspunkt kann man sich durchaus fra- etwa soll nicht weit herumgekarrt werden. Und dass De- gen, wie die Wahl getroffen wurde. Im Wald stört die Depo- ponien in weniger besiedelten Räumen liegen, ist sicher nie am wenigsten Menschen, der Wald gehört dem Kanton, sinnvoll, weil weniger Menschen betroffen sind. Der Sied- es gibt keine Nachbarn, mit denen man verhandeln muss, lungsabfall für die Kezo in Hinwil wird allerdings von weit die Hauptstrasse ist schon da. Das Tägernauer Holz ist herangeschafft, er kommt auch aus anderen Kantonen vielleicht nicht der beste, sondern der einfachste Standort. und teils aus Süddeutschland. Ist einfach nicht auch ein legitimes Kriterium, Nun hat der Kanton Zürich mit Martin Neukom einen wenn weniger Menschen betroffen sind ? neuen grünen Baudirektor. Hat er bereits das Gespräch Doch – aber da wäre noch die Natur. Das Kulturland hat gesucht mit den Gegnern der Deponie ? mit den Bauern eine starke Lobby und steht heute auch im Das Geschäft wurde schon vor den Wahlen vom Regie- öffentlichen Fokus. Dem Wald fehlt diese Lobby. rungsrat an den Kantonsrat überwiesen und dieser disku- Dafür steht hinter dem Wald das starke Waldgesetz. tiert es voraussichtlich nach den Sommerferien. Die Rodung muss kompensiert werden. Sie sprechen von Abfallreduktion. Doch die Ob das öffentliche Interesse für die Rodung überwiegt Zürcher Bevölkerung wird gemäss Prognosen bis 2040 und sie daher mit dem Waldgesetz vereinbar ist, ist un- auf 1,82 Millionen Menschen wachsen. ter Rechtsexpertinnen umstritten. Die Gegner der Depo- Wie soll da die Abfallmenge kleiner werden ? nie haben darum angekündigt, den Rechtsweg zu prüfen. Geht es oder nicht – das ist immer die Frage. Aber probie- Zudem ist nicht klar, ob und wie tatsächlich wieder auf- ren müssen wir es. Wir könnten den Abfall, der verbrannt geforstet wird. Im Moment klingt es danach, als würde wird, schon heute verkleinern, wenn wir zuvor mehr Stoffe die Deponie zum Zwischenlager, um mehr Stoffe aus der rezyklieren würden. Laut Angaben des Bundes sind in der Schlacke ziehen und wiederverwerten zu können. Dafür Zusammensetzung des Hauskehrichts noch rund zwanzig muss sie aber bestehen bleiben. Aus unserer Sicht geht Prozent ohne Weiteres verwertbar, hauptsächlich bioge- es deshalb auch um einen Präzedenzfall bei der Aufwei- ne Abfälle. Auch bei den Verpackungen der Grossverteiler chung des Waldschutzes. gibt es Potenzial. Bei allem Protest – irgendwo muss die Schlacke hin. Warum unternimmt der Kanton wenig in diese Richtung ? Welchen besseren Weg sehen Sie ? Recyclinghöfe sind Gemeindebetriebe. Was sie zum Re- Die bestehenden Schlackendeponien sind noch nicht voll, zyklieren anbieten, das sammelt und rezykliert die Be- wir haben Kapazitäten für zwanzig bis dreissig Jahre. Und völkerung auch. Aber was nicht angeboten wird, das wird diese Zeit gilt es zu nutzen, um die Abfallmenge zu redu- eben auch nicht gesammelt. Darum müsste der Kanton zieren. Der Protest ist in diesem Bezug auch taktisch. Der den Gemeinden mehr vorschreiben, was sie sammeln und Kanton Zürich geht stets von einer wachsenden Abfall- rezyklieren müssen. Das war bisher nicht mehrheitsfähig. menge aus, aber er unternimmt nichts, um sie zu verrin- Marionna Schlatter ist Kantonsrätin, Präsidentin Grüne Kanton Zürich, Vor- gern. Dieses System wollen wir nicht mit Vorschlägen für stand Grüne Schweiz, Vorstand Grüne Bezirk Hinwil. 36 Hochparterre 8 / 19 — Bitte hier keine Schlacke deponieren 32-37_Muell_8_19.indd 36 24.07.19 07:38
der aufbereiteten Schlacke in Deponien des Typs D zu la- also Abfälle minutiös bis zu geringsten Mengen zu rezyk- gern – vorab dank technologischer Entwicklung. Die Geg- lieren und schädliche Stoffe zu zerstören. Das sei gut ge- ner der Tägernauer Deponie stützen sich unter anderem meint, so Bunge, « aber unbezahlbar teuer ». Stattdessen auf diese Prognose. Wenn die Schlackenmengen durch würden Schadstoffe als ‹ Recycling › getarnt in der Um- technologische Fortschritte künftig deutlich zurückgehen, welt verteilt. Das ergebe zwar weniger ‹ Abfall ›, aber eine wozu braucht es dann noch neue Deponien ? höhere Umweltbelastung. Rainer Bunge, Professor an der Hochschule Rappers- wil, beschäftigt sich seit Jahren mit Abfallaufbereitung. Er Suffizienz gegen Deponiestress ist skeptisch: « Da die Recyclingkapazitäten in der Schweiz Die Erkenntnis ist weder überraschend noch attrak- weitgehend erschöpft sind und das Bruttoinlandprodukt tiv: Will man raumplanerische Konflikte um neue Depo- weiter wachsen wird, werden auch Abfall- und Schlacken- nien verhindern, heisst der Weg Suffizienz. Rechnet man mengen weiter ansteigen. » Potenzial sieht er weniger in alle Abfallarten zusammen, fallen jährlich knapp drei Ton- der Schlackenreduktion als in der Verbesserung der Qua- nen Abfall pro Kopf an, der grösste Teil davon Bauabfälle. lität, damit die Schlacke unbedenklich über lange Zeit ge- 716 Kilogramm sind Siedlungsabfälle, dreimal so viel wie lagert werden könne. Mittlerweile ist auch der Kanton zu- 1970 – Tendenz steigend. Die 7000 Bäume im Tägernauer rückgekrebst: Der Regierungsrat antwortete im November Holz sollen auch deshalb gefällt werden, weil wir in im- 2018 auf eine kritische Anfrage, seine Prognosen seien zu mer kürzeren Zyklen neue Smartphones kaufen und unnö- optimistisch gewesen. Die Verbreitung und Entwicklung tige Produkte wieder wegschmeissen. Die Politik könnte neuer Aufbereitungsverfahren fehle, sie seien deshalb den Wandel hin zu einem Lebensstil mit weniger Konsum nicht wirtschaftlich. Pro Natura und die Grünen fordern durch Lenkungsabgaben unterstützen. deshalb vom Kanton mehr Investitionen in neue Verfahren. Ob die Schlackendeponie im Tägernauer Holz tatsäch- Ein anderer Weg, um das Deponievolumen zu redu- lich eingerichtet wird, hängt nun vom Kantonsrat ab, der zieren, wäre, die Mineralik, also vorab Keramik und Glas, die Richtplanrevision voraussichtlich im Herbst beraten aus der aufbereiteten Schlacke zu nutzen, etwa im Stras wird. Laut Kezo-Geschäftsführer Daniel Böni ist die Pla- senbau, wie es in Deutschland gemacht wird. « Eine sol- nung weit fortgeschritten, er möchte noch dieses Jahr mit che Verwertung ist skandalös », warnt allerdings Rainer der Umweltverträglichkeitsprüfung im Tägenauer Holz Bunge. « Die Mineralik enthält oft noch relativ hohe Men- beginnen. Laut der Baudirektion kann die Kezo frühes- gen an Schwermetallen. Diese sollten auf keinen Fall in tens Ende 2020 mit einer Baubewilligung rechnen. Das ist den Baustoffkreislauf gelangen. » Sein Forschungsteam jedoch unwahrscheinlich. David wird sich weiter gegen hat Keramikscherben analysiert und hohe Konzentratio- Goliath wehren: Die Gemeinden Gossau und Grüningen nen an Cadmium, Uran, Arsen und Antimon gefunden. Des- haben die Kosten für allfällige Gerichtsgänge bereits ins halb hält Bunge auch wenig von Rufen nach ‹ Zero waste ›, Gemeindebudget aufgenommen. Deponien: wer, was, wo material ( 19 Prozent ). Bauabfälle sind bezüglich umwelt- verträglicher Deponierung relativ unproblematisch ( De- Im Umweltschutzgesetz und in der Abfallverordnung legt ponietyp A und B ). Problematischer sind die Klassen C der Bund den Rahmen für die Abfallbewirtschaftung fest. ( Reststoffe ), D ( Schlacke ) und E ( Reaktorstoffe ). Laut dem Bewilligungen für die Errichtung und den Betrieb von Verband der Betreiber der Abfallverwertungsanlagen gibt Kehrichtverwertungsanlagen ( KVA ) und Deponien sind es schweizweit 29 Deponien, die durch kommunale Zweck- Kantonss ache. Deponien können nur an Standorten er- verbände oder durch private Firmen betrieben werden. In richtet werden, die der kantonale Richtplan dafür zuweist. fünf ‹ Cercles déchets › werden Fragen der Abfallverwer- Vor dem Bau prüft der Kanton auf Stufe Nutzungsplan die tung überregional und mit Beteiligung des Bundes bespro- Umweltverträglichkeit. Laut der Stiftung Landschafts- chen und koordiniert. Grundsätzlich gilt die Maxime, dass schutz sind die Chancen für einen Erfolg jedoch gering. der Abfall in der Region verwertet und deponiert wird, wo er Die Schweizer Bevölkerung produziert jährlich acht- anfällt. Überregionale Planungen sind möglich. So gesche- zig bis neunzig Millionen Tonnen Abfall. Den grössten hen in der Innerschweiz, wo sich die Kantone Nidwalden, Anteil machen Bauabfälle aus ( 84 Prozent ), darunter Aus- Obwalden, Zug, Uri und Schwyz mit Luzern für die KVA- und hub- und Abbruchmaterial ( 65 Prozent ) sowie Rückbau- Deponieplanung zusammengeschlossen haben. ● 32-37_Muell_8_19.indd 37 24.07.19 07:38
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