BRÄUCHE UND TRADITIONEN - APPENZELLER - Appenzellerland Tourismus AI

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APPENZELLER
BRÄUCHE UND
TRADITIONEN
BRÄUCHE UND TRADITIONEN - APPENZELLER - Appenzellerland Tourismus AI
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                                                                                              APPENZELLER            ALPSTOBEDE
                                                                                                                                                                           INHALT

                                                                                                                     24
                                                                                              HANDWERK
    DAS APPENZELLERLAND                                                                       42                                        Silvesterkläuse   04
    EIN ORT ZUM SEIN                                                                                                                                      06   Fasnacht

                                                                                                                                       Funkensonntag      08
    Im Appenzellerland werden Bräuche und T  ­ raditionen noch aktiv gelebt. Bis heute prä-
    gen das sennische und das kirchliche Brauchtum den Lebensalltag. Mit Stolz zeigen wir
                                                                                                                                                          12   Stosswallfahrt

    Ihnen die Schönheit der Landschaft, mit Hingabe erklären wir Ihnen unsere Bräuche,                                                   Fronleichnam     14
    und mit Freude verweisen wir auf das reiche kulturelle Angebot.
                                                                                                                                                          16   Alpfahrt
    «Chönd zonis!»
                                                                                                                                                Betruf    18
                                                                                                                                                               Appenzeller
                                                                                              ALPWIRTSCHAFT   TRACHTEN                                    22   Tierrassen

                                                                                              20              30                     Appenzeller Musik    26
                                                                                                                                                               Rugguusseli und
                                                                                                                                                          28   Talerschwingen

                                                                                                                                     Berggottesdienste    32
                                                                                                                                                          34   Markttage

                                                                                                                                            Viehschau     36
                                                                                                                                                          38   Weihnachtsbräuche

                                                                                                                                  Räuchle ond Omsinge     40
                                                                                                              LANDSGEMEINDE                               44   Bauernmalerei

                                                                                                              10                         Handstickerei    46
                                                                                                                                                          48   Gebetsheilen

                                                                                                                                          Sprachführer    50
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    SILVESTERKLÄUSE
    Wenn am 31. Dezember oder am 13. Januar, dem alten Sil-         ernleben dargestellt sind, umrahmt von Tausenden bun-
    vester nach julianischem Kalender, das erste Tageslicht         ten Perlen und Spiegelchen. In der Dunkelheit werden sie
    die verschneiten Hügel blau schimmern lässt, hört man           beleuchtet – ein magisches Lichtspiel. Die «Wüeschte»
    im Urnäscher Tal von weit her den rhythmischen Schel-           (Hässlichen) tragen Fratzen aus Knochen, Tierzähnen,
    lenklang der Silvesterkläuse. Prächtig kostümiert ziehen        Papiermaché und Hörnern und wild zerzauste Kleider
    sie von Hof zu Hof. Vor dem Bauernhaus stellen sie sich         aus Reisig, Stroh, Hobel­spänen, Stechlaub und Heu. Die
    im Kreis auf, um zu «chlausen». Sie schellen und rollen         «schö-wüeschte» Wald- und Naturkläuse gestalten ihr
    nach überlieferter Choreografie und stimmen ein «Zäuer-         Gewand mit Ornamenten aus Tannzapfenschuppen,
    li» an, den Ausserrhoder Naturjodel ohne Worte. Danach          Moosen, Rinden, Schneckenhäusern, Bucheckern und
    wünschen sie dem Hausherrn und seiner Familie ein gu-           Eicheln. Manchmal tragen auch sie Hauben mit szeni-
    tes neues Jahr. Die Silvesterkläuse erhalten dafür Geld-        schen Darstellungen.
    geschenke und etwas zu trinken. Dann ziehen sie in der
    typischen Reihenfolge weiter.                                   Das Silvesterklausen ist im Appenzellerland Männer-
                                                                    sache. Vereinzelt sind auch Bubengruppen und Mädchen
    Ein «Schuppel», eine Gruppe Silvesterkläuse, wird vom           unterwegs. Man müsse das Klausen im Blut haben, sagen
    «Vorrolli» angeführt, in der Mitte gehen die «Schelli» und      die Einheimischen.
    zuletzt der «Noerolli» (Nachrolli). «Vor- und Noe­rolli» tra-
    gen an Ledergurten über Schultern, Rücken und Brust             Bis zum Mittag treffen die Klausengruppen auf ihren Stri-
    13 grosse runde, geschlitzte Rollen. Die andern vier haben      chen (Routen) in den D  ­ örfern ein, erwartet von Scharen
    sich Kuhschellen in unterschiedlichen Grössen auf Bauch         von Schaulustigen. Vor und in den Wirtschaften klausen       Ort
    und Rücken geschnallt. Mit rhythmischem Wiegen, mit             sie bis in die Nacht hinein.                                 Appenzeller Hinterland bis
    Hüpfen, Trippeln und Schütteln und beim Gehen bringen                                                                        ins Mittelland
    sie sie zum Klingen.
                                                                                                                                 Zeit
                                                                                                                                 Am «neuen» Silvester,
    Die «Schöne», die Rollenweiber, tragen Frauenkleider

                                                                                                                                                                   DAS KLAUSEN
                                                                                                                                 31. Dezember, und am alten
    und eine Larve, die dem Gesicht einer Porzellanpuppe
                                                                                                                                 Silvester nach dem julianischen
    gleicht. Die «Mannevölcher» tragen bunte Samttrachten                                                                        Kalender am 13. Januar.
    und eine bärtige Maske. Auf dem Kopf prangen eigenhän-
    dig hergestellte, mächtige Hauben und Hüte, rechteckig
                                                                                                                                 Fällt das Datum auf einen
                                                                                                                                 Sonntag, wird am Samstag
                                                                                                                                                                   MUSS MAN IM BLUT HABEN
    oder radförmig, auf denen Szenen aus dem Dorf- und Bau-                                                                      davor geklaust.
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    FASNACHT
    Am Vorabend des Schmutzigen Donnerstags galoppieren           nachtsverein alte Exemplare restauriert. Heute traben
    Schimmel, Rappen, Füchse, Braune und Gescheckte               wieder Scharen von «Botzerössli» aller Farben und Grös-
    durch die Gassen von Appenzell. Im Rhythmus, den die          sen als Vorhut dem grossen Fasnachtsumzug am Sams-
    Tambouren vorgeben, traben sie ausgelassen hierhin und        tag voraus und machen beim Kinderumzug am Donners-
    dorthin, sodass die Glöckchen am Zaumzeug in wilder           tagnachmittag ihre Spässe. Die Mädchen und Buben und
    Fröhlichkeit bimmeln.                                         die Erwachsenen tragen alte Feuerwehruniformen und
                                                                  schminken sich Schnauzbärte, Sommersprossen und
    Die Fasnacht im Innerrhoder Hauptort beginnt jeweils          rote Wangen ins Gesicht.
    mit dem traditionellen «Ommetrommere». Dazu versam-
    meln sich die kleinen und grossen Trommler sowie auch
    die «Botzerössli» am späten Mittwochnachmittag auf
    dem Landsgemeindeplatz.

    Die närrische Rasse der «Botzerössli» sind Holzpferd-
    chen. Reiter in Uniform stülpen sich diese durch das aus-
    gesägte Loch im Rumpf über. Der menschliche Oberkör-
    per ragt aus dem Pferd heraus, das mit Lederriemen über
    die Schultern des Reiters befestigt ist. Die Beine der Rei-
    ter sind unter einem farbigen «Rock» am Pferdeleib ver-
    steckt. Ross und Reiter erschrecken in ihrem Übermut                                                                    Ort
    gerne die Zaungäste, und manches Tier bekommt Durst                                                                     Appenzell und Aussen-
    und muss am Brunnen getränkt werden.                                                                                    gemeinden

    Der Brauch der «Botzerössli» stammt ursprünglich wohl                                                                   Zeit
                                                                                                                            Schmutziger Donnerstag
    aus dem süddeutschen Raum. In der zweiten Hälfte des
                                                                                                                            (und Vorabend) bis Ascher-
    19. Jahrhunderts sollen Reiter in Militäruniformen derbe
    Sprüche vorgetragen haben.
                                                                                                                            mittwoch
                                                                                                                                                         EINE VOM AUSSTERBEN
    Heute leben die «Botzerössli» nur noch in Appenzell In-                                                                                              BEDROHTE RASSE
    nerrhoden. Kurz bevor sie ausgestorben sind, hat der Fas-
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    FUNKENSONNTAG
    Einen Spitzenplatz in der Hitliste der Innerrhoder Bräu-    Mitglieder früher mit wechselnden Sujets auf und lärm-
    che belegt bei Kindern und Jugendlichen der Funken-         ten mit verbeulten Blecheimern.
    sonntag. Höhenfeuer zum Frühlingsbeginn haben ihre
    Anfänge wohl in altheidnischen Bräuchen, die den Win-       Der lokalpatriotische Anlass ist für die «Riedler» ein Hö-
    ter vertreiben und die Fruchtbarkeit der Felder beschwö-    hepunkt im Jahr. Auf der Kuppe oberhalb des Quartiers,
    ren sollten.                                                in der Nähe des Ortes, wo bis 1874 der Galgen stand, wird
                                                                eine 15, früher bis 25 Meter hohe Pyramide aus Brennholz
    Kaum sind die letzten Guggenmusikfanfaren der Fas-          aufgebaut. Bei Einbruch der Dunkelheit ziehen Gross und
    nacht verklungen, sammeln die Schulkinder in Appen-         Klein mit brennenden Fackeln und wilden Rufen – «Ried
    zell und in den Aussengemeinden eifrig brennbares Ma-       lebede hoch, dreimal hoch!» – zum Funkenplatz. Auf ein
    terial. Seit einigen Jahren dürfen sie nur noch             Zeichen hin werfen alle ihre Fackeln in den Feuerstoss,
    unbehandeltes Holz zusammentragen. Beliebt sind die         und ein grandioses Feuerwerk wird gezündet. Traditions-
    verdorrten Christbäume, die extra für die Funkenbuben       gemäss glimmt in manchem Kindermund die erste Ziga-
    aufbewahrt werden. Früher schichtete man alles auf, was     rette oder ein Stumpen. Die «Funkebaabe» explodiert,
    schön brannte: ausgediente Pneus, Matratzen, Möbel, Pa-     und der Funken lodert stundenlang – oft glüht und raucht
    letten, Schaltafeln.                                        der Rest noch am Montag.

    Vor dem Laetaresonntag, dem vierten Sonntag der Fas-
    tenzeit, wird das Brenn­material mit Hilfe von Erwachse-
    nen an gut sichtbaren Stellen aufgeschichtet. Auf den                                                                    Ort
    Gipfel setzt man die mit Feuerwerkskörpern gefüllte                                                                      Appenzell und Aussen-
    «Funkebaabe». Sie steht für den Winter, dem man den Ga-                                                                  gemeinden
    raus machen will. Unter den Appenzeller Quartieren ent-
    brannte früher ein Wettstreit um den höchsten, schöns-                                                                   Zeit
                                                                                                                             Vierter Sonntag in der Fasten-
    ten Funken – den Hehrfunken.

                                                                                                                                                              DIE SCHÖNSTE NACHT
                                                                                                                             zeit

    Am intensivsten pflegt in Appenzell der südliche Dorfteil
    Ried, ein ehemaliges Armenquartier mit spannender So-
    zialgeschichte und eigener Verwaltung, den Brauch. Es                                                                                                     FÜR DIE RIEDLER
    gibt einen Funkenverein; am Fasnachtsumzug traten die
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     LANDSGEMEINDE
     Nie wird deutlicher als am Landsgemeindesonntag: Die       Vor den Abstimmungen über Sachgeschäfte werden Be-
     Staatsgewalt liegt beim Volk. Die Landsgemeinde ist der    stätigungs- oder Neuwahlen für die Mitglieder der Stan-
     Inbegriff der lebendigen direkten Demokratie. Seit 1403    deskommission und des Kantonsgerichts vorgenommen
     findet sie einmal im Jahr unter freiem Himmel am letz-     sowie alle vier Jahre für den Ständerat. Die Regierung legt
     ten Sonntag im April statt. An diesem Tag werden die       Rechenschaft ab über ihre Tätigkeit und die Staatsrech-
     sieben Mitglieder der Standeskommission (Kantons-          nung. Dabei und bei Sachvorlagen haben die Stimm-
     regierung) und die Kantonsrichter gewählt oder bestä-      berechtigten die Möglichkeit, auf den Stuhl zu treten und
     tigt, und es wird über Sachgeschäfte wie Verfassungs-      für oder gegen ein Geschäft zu argumentieren, eine Anre-
     und Gesetzesvorlagen oder Kredite abgestimmt.              gung anzubringen oder eine Einzelinitiative einzurei-
                                                                chen. Dazu fordert der Landammann auf mit der Formel:
     Nach dem festlichen Landsgemeinde-Gottesdienst in der      «S Woot ischt frei.» Gewählt und abgestimmt wird mit of-
     Pfarrkirche ziehen die Regierungsräte und die Mitglieder   fenem Handmehr.
     des Kantonsgerichts im Radmantel (genannt «Liiche-
     maantl»), begleitet von Ehrengästen, Punkt zwölf Uhr       Nach der Landsgemeinde feiert das Volk ein ausgelasse-
     mittags vom Rathaus zum Versammlungsplatz. Ihnen           nes Dorffest.
     voran schreitet der Landweibel mit dem Zepter. Der Rat-
     schreiber trägt das silberne Landbuch zum Lands-
     gemeindestuhl, einer zweistufigen Holztribüne, auf der
     die Landammänner sowie «Secklmeischte», Statthalter,
     «Landshopme», Bauherr und «Landsfehnrich» (Departe-                                                                      Ort
     mentsvorsteher) und die Kantonsrichter ihre Stehplätze                                                                   Appenzell
     einnehmen. Angeführt wird der Zug von der Musik­
     gesellschaft Harmonie, die seit dem 19. Jahrhundert den                                                                  Zeit
     langsamen Landsgemeindemarsch spielt.                                                                                    Letzter Sonntag im April,
                                                                                                                              12.00 Uhr

     Wenn die grosse Glocke vom Kirchturm verstummt, er-
     öffnet der regierende Landammann die Versammlung                                                                                                     S WOOT
     mit einer Ansprache. Nach der Wahl schwört zuerst der
     regierende Landammann und danach die stimmberech-                                                                                                    ISCHT FREI
     tigten Frauen und Männer den Landsgemeinde-Eid.
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     STOSSWALLFAHRT
     Noch vor dem Morgengrauen weckt die grosse Glocke der        Das Land Appenzell war, als es sich von fremden Vögten
     Pfarrkirche St. Mauritius die Gläubigen. Das «Schreckläu-    und vom Diktat des Abtes von St. Gallen befreite, noch
     ten» am zweiten oder dritten Sonntag im Mai ist um halb      ungeteilt. Die Landteilung in einen katholischen und ei-
     fünf Uhr morgens fast im ganzen Kanton zu hören und          nen reformierten Halbkanton erfolgte 1597, dank ge-
     erinnert an das Gelöbnis der Appenzeller: Nach der sieg-     schickter Vermittlung durch sechs andere Kantone, ohne
     reichen Schlacht am Stoss im Juni 1405 gelobten sie, im-     Blutvergiessen.
     mer am Fest des heiligen Bonifatius (14. Mai), noch vor
     der Heuet also, zum Schlachtfeld zu wallfahren, um Dank      Ein grosser Teil des Pilgerwegs führt heute über Ausser-
     zu sagen für die errungene Freiheit und um der Gefalle-      rhoder Boden. Auf Teilen der Wegstrecke – je nach Witte-
     nen zu gedenken. Die Stosswallfahrt gehört zu den ältes-     rung entlang der Strasse oder über Wiesen – beten 300 bis
     ten und urtümlichsten Traditionen im Appenzellerland.        500 Wallfahrende den Rosenkranz. Nach der Ankunft bei
                                                                  der Schlachtkapelle wird im Freien der feierliche Gottes-
     Um sechs Uhr morgens setzt sich bei der Pfarrkirche          dienst abgehalten, umrahmt von der Musikgesellschaft
     St. Mauritius in Appenzell die Prozession zum neun Kilo-     Harmonie Appenzell. Nach einer kurzen Rast fahren die
     meter entfernten Stoss in Gang. Aus jedem Haus sollte ein    Pilgerinnen und Pilger mit Extrazügen wieder zurück
     ehrbarer Mann daran teilnehmen, lautete einst das Ver-       nach Appenzell.
     sprechen. Für die Mitglieder der Standeskommission
     und des Kantonsgerichts sowie die Innerrhoder Bezirks-
     hauptleute ist die Wallfahrt Pflicht. Voraus gehen Polizei
     und Fahnenträger; ihnen folgen Ministranten und die                                                                      Ort
     Geistlichkeit, danach die Regierungsmitglieder und zum                                                                   Appenzell
     Schluss Studenten und Bevölkerung, seit 1991 auch Frau-
     en und Mädchen.                                                                                                          Zeit
                                                                                                                              Zweiter oder dritter Maisonn-
                                                                                                                              tag, 6.00 Uhr
     Auf halbem Weg, beim historischen Sammelplatz, ver-
     liest der Ratschreiber den Fahrtbrief. Darin wird das le-
     gendäre Schlachtgeschehen im Zuge der Appenzeller Be-                                                                                                    AUS JEDEM HAUS
     freiungskriege geschildert, und die gefallenen Appen-
     zeller werden aufgezählt – unter ihnen auch der Held Ueli                                                                                                EIN EHRBARER MANN
     Rotach. Für sie werden fünf Vaterunser gebetet.
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     FRONLEICHNAM
     Frühmorgens wecken Kanonenschüsse die Gläubigen.             ligstes werden vom prunkvollen Baldachin beschirmt,
     Fronleichnam ist für die katholischen Innerrhoderinnen       den Mitglieder des Kirchenrats tragen. Ihnen folgen Ban-
     und Innerrhoder «Ösehegottstag». Seit dem Hochmittel-        nerträger kirchlicher und weltlicher Gruppen, dahinter
     alter wird das hohe kirchliche Fest zur Verehrung des hei-   wehen die Rhodsfahnen. Andächtig schreiten Behörden-
     ligen Altarsakraments zehn Tage nach Pfingsten gefeiert.     vertreterinnen und -vertreter, der Kirchenchor, Angehö-
     In Appenzell und den Aussengemeinden werden die              rige des Pfarreirats und des Seelsorgeteams, Ministran-
     prächtigsten Prozessionen des Kirchenjahres abgehalten.      ten, Erstkommunikanten, die Pfadfinder, die Fronleich-
     Schon morgens um sechs Uhr herrscht emsiges Treiben          namsschützen und die Musikgesellschaft durch die Gas-
     im Dorfkern von Appenzell und in den Aussengemein-           sen. Die klare Ordnung gilt seit Generationen.
     den. Die Bewohnerinnen und Bewohner schmücken ihre
     Häuser mit frischem Buchenlaub; Heiligenbilder und -fi-      Ihren besonderen Glanz erhält die Prozession durch die
     guren und Blumenschmuck werden platziert.                    bis zu hundert Frauen in der Festtagstracht und die 15
                                                                  «Täfelimeedle». Diese jungen Frauen in der schwarz-
     Der Festtagsgottesdienst wird bei schönem Wetter um          weissen Tracht der Unverheirateten tragen bemalte Holz-
     neun Uhr unter freiem Himmel im Innenhof des Gymnasi-        tafeln mit den 15 Geheimnissen des freudenreichen,
     ums St. Antonius zelebriert. Dann zieht die farbenprächti-   schmerzhaften und glorreichen Rosenkranzes.
     ge Prozession zu den zwei üppig geschmückten Segenssta-
     tionen auf dem Landsgemeindeplatz und beim Schulhaus
     Chlos. Dort werden jeweils – angezeigt durch weiteren Ka-
     nonendonner – kurze Andachten mit Lesungen gehalten                                                                     Ort
     und der eucharistische Segen erteilt. Auf den Wegstrecken                                                               Appenzell und Gonten, kleinere
     dazwischen wird der Rosenkranz gebetet.                                                                                 Prozessionen auch in anderen
                                                                                                                             Innerrhoder Gemeinden
     Die Fronleichnamsprozession hat in jeder Pfarrei ihre Be-
                                                                                                                             Zeit
     sonderheiten. Im Zentrum steht das Allerheiligste, das
                                                                                                                             Donnerstag,
     vor Prozessionsbeginn in der Kirche abgeholt wird.
                                                                                                                             10 Tage nach Pfingsten,
                                                                                                                             Vormittag
     In Appenzell begleiten Herrgottsgrenadiere in napoleoni-
     schen Uniformen die Monstranz bis zum Schlusssegen                                                                                                       «ÖSEHEGOTTSTAG»
     zwei Stunden später in der Kirche. Pfarrer und Allerhei-
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     ALPFAHRT
     Je nachdem, wie hoch das Gras steht, wird im Mai oder im     Acht bis zehn Wochen bleibt das Vieh auf den Alpen. Spä-
     Juni «öberegfahre». Die Alpfahrt ist für viele Bauernfami-   testens am 30. September ist Alpabfahrt. Sie verläuft
     lien der schönste Tag im Jahr.                               nach dem gleichen Muster wie der Aufzug.

     Die Tiere werden eingereiht und vielleicht der Lediwagen     Im Gegensatz zu Appenzell Ausserrhoden, wo die Sen-
     mit allen Sennereigeräten beladen. Der Senn geht den         nen der Alpen am Fuss des Säntis an einem einzigen Tag
     Schellenkühen voran. Er trägt die Festtagstracht und         Alpabtrieb feiern, verkünden in Innerrhoder Dörfern im
     über der linken Schulter den Fahreimer. Die drei aufein-     Spätsommer an vielen Nachmittagen Schellenklänge
     ander abgestimmten Schellen am Hals der Tiere sind           und Naturjodel das Ende der Alpzeit.
     wohl die einzigen Instrumente auf der Welt, die von Kü-
     hen gespielt werden.

     Angeführt wird der Alpaufzug von Appenzeller Ziegen.
     Kinder halten sie im Zaum. Dahinter folgen die Kühe, Rin-
     der und Kälber und manchmal ein Stier. Am Schluss geht
     der stolze Besitzer der Viehherde, begleitet vom treuen
     «Bläss». Der Appenzeller Sennenhund gibt acht, dass kein
     Tier vom Weg abkommt.

     Die wichtigste Aufgabe der vier Sennen hinter den Schel-                                                                Ort
     lenkühen ist das Singen und Zauren (Jauchzen). Auch sie                                                                 Überall an den Zugängen
     sorgen dafür, dass die Herde beisammenbleibt. Stärkung                                                                  zu den Alpgebieten
     für den mehrstündigen Alpauftrieb erhalten sie unter-
     wegs: Bei vielen Wirtschaften wird «usekhäbed», das                                                                     Zeit Alpauffahrten
                                                                                                                             Mitte Mai bis Juni
     heisst, den Vorbeiziehenden werden Getränke angeboten.

     Trifft der Alpfahrtszug auf der Alp ein, tragen die Sennen
                                                                                                                             Zeit Alpabfahrten
                                                                                                                             Mitte August bis
                                                                                                                                                       DER SCHÖNSTE TAG
     die Schellen in gleich­mässigem Schritt zur Hütte. Wäh-
     rend das Vieh auf die Weide getrieben wird, s­ ingen sie
                                                                                                                             Ende September
                                                                                                                                                       IM BAUERNJAHR
     «Rugguusseli».
BRÄUCHE UND TRADITIONEN - APPENZELLER - Appenzellerland Tourismus AI
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     BETRUF
     Die Bergflanken glühen im letzten Sonnenlicht. Kuh-          sprochene, halb gesungene Form verleiht dem Alpsegen
     glocken und Tierstimmen verstummen. Nach dem har-            seinen volkstümlichen Charakter. Manchen Herrgotts-
     ten Tagwerk stellt sich der Senn auf eine Erhebung seiner    winkel der Alphütten ziert ein Pergament, auf dem der
     Alp, führt den geschnitzten Holztrichter zum Mund und        Betruf in schöner Schrift festgehalten ist.
     ruft den Alpsegen – ein anrührender Moment der An-
     dacht und Demut.                                             Erforscher des Betrufs sind der Ansicht, dieser werde
                                                                  stellvertretend für das im Tal übliche Betläuten («Betlüü-
     Auf mehreren Innerrhoder Alpen wird während der Söm-         te») angestimmt. Wie dieses soll auch der über die Alp
     merungszeit allabendlich der Alpsegen gerufen. Wer ihn       gerufene Segen Schutz und Schirm für die Nacht gewäh-
     hört, wird an Klänge aus dem Mittelalter erinnert. Ar-       ren. Er soll im bannenden Kreis alles, was dem Schutz
     chaisch ist auch der Text – halb im Dialekt, halb im «alt-   anbefohlen wird, vor zeitlichem und ewigem Feuer, vor
     möödege» Schriftdeutsch vorgetragen. Tief religiöses, ur-    Hagel, Blitz, Steinschlag und Seuchen, vor Hunger und
     altes katholisches Brauchtum kommt hier zum Ausdruck.        Krieg bewahren.

     Älteste Quellen erwähnen eine Art Sennengebet bereits        Bis vor kurzem war der Betruf auf Innerrhoder Alpen
     im 15. Jahrhundert für die Weiden im Alpsteingebiet, da-     Männersache. Unterdessen pflegen auch Frauen diesen
     mals auch als «Ave-Singen» oder «Ave-Maria-Rufen» be-        schönen Brauch.
     zeichnet. In der Zwischenzeit geriet der Brauch in Verges-
     senheit.
                                                                                                                               Ort
     Der heute gebräuchliche Innerrhoder Betruf ist nicht sehr                                                                 Auf mehreren Alpen
     alt: Anlässlich des Appenzeller Landifestspiels 1939 ge-
     langte ein «Innerrhoder» Alpsegen auf die Bühne. Melo-                                                                    Zeit
     die und Text waren aus anderen Regionen entlehnt, was                                                                     Während der Alpzeit,
                                                                                                                               beim Einnachten
     für manche Innerrhoder beschämend war. So liess man
     von den Kapuzinerpatres Erich Eberle und Ekkehard
     Högger im Jahr 1946 einen eigenen Betruf schreiben.                                                                                              «BHÜETS GOTT
     Nach Textanpassungen wird seit 1948 diese Version ge-
     rufen. Die litaneiartig geführte Melodie kommt mit fünf                                                                                          OND EHAALTS GOTT»
     Tönen aus und erinnert an Gregorianik; die halb ge-
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     ALPWIRTSCHAFT
     Von Tagesanbruch bis zum Einnachten hat der Senn auf        Auf einer Appenzeller Alp stehen meist drei getrennte
     grossen Alpen alle Hände voll zu tun: melken, käsen, but-   Holzbauten: die Sennhütte, der Stall und ein kleiner
     tern, Tiere füttern, Klauen pflegen, Weiden ausräumen,      Schweinestall. In der dreiräumigen Alphütte betritt man
     Holz hacken, kochen oder auch Tiere einfangen, die sich     direkt die Küche; dort hing früher das «Chääschessi» über
     verstiegen haben.                                           dem offenen Feuer. Die einfachen Mahlzeiten kochen die
                                                                 Bewohner auf dem Holzherd oder dem Gaskocher. Unter
     Auf den 3792 Hektar Innerrhoder Weiden auf 1 000 bis        der Küche liegt der gemauerte Käsekeller. Die Hütten sind
     2 200 m ü. M. werden von Mitte Mai bis September Kühe,      selten mit Elektrizität ausgerüstet; fliessendes Wasser
     Jungvieh wie auch Ziegen und Schafe gesömmert. Schon        spendet der Brunnen draussen.
     1071 wird das Bestossen der Alpen im Alpstein erwähnt.
     Gemein- und Genossenschaftsalpen werden von mehre-
     ren Bauern bestossen.

     Die Alpwirtschaft dient der Zucht von widerstandsfähi-
     gen und wirtschaftlichen Tieren. Gleichzeitig wird durch
     die Sömmerung der Futterbestand im Tal geschont. Frü-
     her wurde vor allem Käse produziert. Heute hingegen
     nehmen regionale Milchverwertungsbetriebe den Sen-
     nen die Milch ab, um Spezialitäten herzustellen. Einen
     Aufschwung erlebte in den letzten Jahren die Direktver-                                                                 Ort
     marktung von Alpkäse.                                                                                                   Auf mehreren Alpen

     Manche Bauern pendeln heute dank der Erschliessung                                                                      Zeit
     der Alpen mit Fahrwegen zwischen Berg- und Talbetrieb.                                                                  Während der Alpzeit

     Die Landschaftspflege durch das Bestossen der Alpen hat
     auch touristisch an Bedeutung gewonnen. Und einige
     Sennen verdienen sich mit der Bewirtung und Unterbrin-                                                                                        IM EINKLANG MIT DEM
     gung von Gästen einen Zustupf.
                                                                                                                                                   LAUF DER SONNE
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     APPENZELLER TIERRASSEN
     Er sei oft noch angriffiger als sein Meister, behaupten böse   Milch, Kosmetikprodukte oder Heilsalben gegen Rheu-
     Zungen über den schlagfertigen Innerrhoder «Bläss». Der        ma – erfreuen sich wieder grösserer Beliebtheit. Gitzibra-
     Appenzeller Sennenhund, der zu den gefährdeten Rassen          ten und «Gitzi­c hüechli» sind zur Osterzeit in vielen In-
     gehört, geht auf die Bauernhunde zurück, die früh als          nerrhoder Familien Tradition.
     Hüte-, Trieb- und Wachhunde eingesetzt wurden. Anfang
     des 20. Jahrhunderts begann man, eine reine Rasse des          Geradezu exotische Schönheiten sind die Appenzeller
     mittelgrossen dreifarbigen Tieres zu züchten.                  Spitzhauben-Hühner und -Gockel. Das Federkleid gefällt
                                                                    mit seinen schwarzen Tupfen auf silberweissem oder gold-
     Sein Wesen ist geprägt von der jahrhundertelangen Ver-         blondem Grund. Adrett wippt die Federhaube auf ihrem
     wendung im Alpengebiet. Er ist temperamentvoll und             Kopf. Ebenfalls zu den seltenen Hühnerrassen gehören die
     ausdauernd. Der «Bläss» ist ein schlauer Beobachter, ein       Appenzeller Barthühner. Stolz tragen sie ihr schwarzgrün
     unkomplizierter, wetterfester, wenig krankheitsanfälli-        glänzendes Gewand, den Rosenkamm auf dem Kopf sowie
     ger und treuer Begleiter. Fremden gegenüber zeigt er sich      ihren Kinn- und Backenbart.
     jedoch gern misstrauisch. Der «Bläss» ist der geborene
     Wächter und Beschützer von Haus und Familie. Immer
     öfter ist er auch als Begleithund beliebt und wird sogar als
     Blinden-, Lawinen- und Katastrophenhund geschätzt.

     Besonders liebenswert, aber auch eigensinnig ist die Ap-
     penzeller Ziege. Auch sie gehört zu den gefährdeten Tier-
     rassen in der Schweiz. Sie ist vor allem Milch- und
     Fleischlieferantin. Viele halten Appenzeller Ziegen heute
     aus reiner Liebhaberei. Sie ist eine sogenannte «Motsch-
     gääss», das heisst, durch genetische Veränderung kommt
     sie meist hornlos zur Welt. Sie hat weisses, langes Haar und
     ist eine gute Berggängerin. Typisch sind die Zottel am Un-
     terkiefer, die «Mingeli», und das Ziegenbärtchen. Jährlich                                                                  DER TREUSTE
     gibt sie etwa 700 Kilogramm gut verträgliche, fettarme
     Milch. Die Produkte daraus – zum Beispiel Frischkäsli,                                                                      BEGLEITER
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     ALPSTOBEDE
     Mitten im Alpsommer laden die Sennen auf grösseren          Einzig an vier Tagen pro Jahr war in alter Zeit das Tanzen
     Gemeinalpen zur «Alpstobede» ein. Zum Teil unter frei-      in Innerrhoden offiziell erlaubt. So ist es nicht erstaun-
     em Himmel spielt eine Appenzeller Musikformation auf;       lich, dass bis Anfang des 20. Jahrhunderts die «Alpstobe-
     Volkstanzgruppen und das Publikum drehen sich auf der       de» äusserst beliebt waren: Hier fanden – fernab der
     Holzbühne im Kreis. M ­ änner sorgen mit der Tanzfigur      wachsamen Augen von Staat und Kirche – vergnügliche
     «Mölirad» für Furore; ein Trachtenpaar tanzt den «Hie-      Anlässe statt. In Appenzell Ausserrhoden wurden 1726
     rig», einen pantomimischen Paartanz. Es wird gejodelt,      die «Alp- und Weidstuberten» endgültig verboten.
     und es werden «Ratzliedli» gesungen.

     Dort, wo Bergwirtschaften stehen, wird auch bei schlech-
     tem Wetter oder am Abend gefeiert. Die Sennen der Um-
     gebung nehmen in der Tracht daran teil; Landwirte aus
     dem Tal besuchen die Sommerfeste und heute auch viel
     anderes Volk.

     Mit «Stobede» war ursprünglich eine Zusammenkunft in
     der Stube gemeint. «Zo Stobede goh» bedeutet noch heu-
     te, jemanden in seinem Wohnraum zu besuchen, mit
     ihm zu reden. Der Begriff wurde auf die geselligen Zu-
     sammenkünfte der Sennen übertragen – eben «Alp-Sto-                                                                      Ort
     bede», früher auch «Weidstobede» genannt. Diese hän-                                                                     Auf verschiedenen Alpen und
     gen mit den Alpbesuchen zusammen, welche Ange-                                                                           in diversen Berggasthäusern
     hörige der Sennen und die Viehbesitzer alljährlich unter-
     nahmen. Der sportliche Teil – Steinstossen, Schwingen,                                                                   Zeit
                                                                                                                              Um die Mitte des Alpsommers
     «Hoselopf», «Hööggle» – ging unterdessen verloren. Eine
                                                                                                                              (Juni bis August)
     Neuauflage von «sennischen Wettkämpfen» wurde 2006
     beim Gasthaus Mesmer gestartet. 2012 wurde in der Bol-                                                                                                 DAS SOMMERFEST
     lenwees während der «Stobede» erstmals ein «Bollewöf-
     fe» veranstaltet.                                                                                                                                      DER SENNEN
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     APPENZELLER MUSIK
     Unverkennbar ist der Klang der typischen Appenzeller         Um die Zukunft der Appenzeller Musik aller Sparten zu
     Musik. Das klassische Quintett setzt sich zusammen aus       sichern, wurde im Jahr 2003 die Stiftung Zentrum für Ap-
     zwei Geigen, Cello, Hackbrett und Streichbass. Das Hack-     penzellische Volksmusik gegründet. Im «Root­huus» in
     brett rhythmisiert dabei die Kompositionen und füllt die     Gonten wird seit 2007 das einmalige Kulturgut gefördert,
     Lücken mit schillernden Tonkaskaden.                         gesammelt und dokumentiert.

     Die Streichmusik tritt seit 1892 in Quintettbesetzung auf,   Das Hackbrett
     nachdem früher nur mit Geige und Hackbrett, später           Das trapezförmige Hackbrett gehört zu den Kasten-
     dann im Trio und Quartett gespielt worden ist. Parallel      zithern. Die mehrchörig gebündelten Saiten werden mit
     zur Formationsentwicklung entstand auch das entspre-         zwei Ruten (Schlägern oder Klöppeln) angeschlagen. Je
     chende Repertoire mit Walzer, Schottisch, Polka, Marsch,     nach Beschaffenheit der Ruten klingen die Saiten silbrig
     Ländler, Mazurka und Galopp. Schon um 1900 ­kom-             hell oder samtig weich. Als Urform des Hackbretts gilt das
     ponierten Appenzeller Musikanten Stücke, die bis heute       persische Santur, das seit dem Mittelalter belegt ist. Im
     gespielt werden. Z
                      ­ ahlreiche Werke sind harmonisch sehr      Lauf der Jahrhunderte hat es den Weg über den Balkan
     anspruchsvoll, enthalten überraschende Wendungen             nach Europa gefunden. Beim alpenländischen Appenzel-
     und oft eigenwillige Modulationen. Ein typisches Merk-       ler Hackbrett sind die Saiten zur Hälfte durch einen Steg
     mal der «schlääzigen» Tänze sind die abrundenden             in Quinten und Sexten aufgeteilt und chromatisch ange-
     Schlusstakte.                                                ordnet.

     Eine neue Generation gut ausgebildeter Musikerinnen                                                                       Ort
     und Musiker verleiht heute der Appenzeller Musik frische                                                                  Im Appenzellerland
     Impulse und wagt auch Experimente und Grenzüber-
     schreitungen. Der Streichmusik in Originalbesetzung be-                                                                   Zeit
     gegnet man meist nur noch an konzertanten Auftritten.                                                                     Ganzjährig

     Für Tanzmusik wird anstelle von Cello und zweiter Geige
     gerne die Handorgel eingesetzt. Sie bringt einen speziel-
     len «Zoog» in die Appenzeller Musik. Auch Besetzungen                                                                                          DAS HACKBRETT –
     mit Klavier oder mit zwei Handorgeln sind anzutreffen.
     Was aber allen Appenzeller Formationen eigen ist: Sie                                                                                          DER HEIMLICHE STAR
     spielen ein typisches Repertoire.
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     RUGGUUSSELI UND
     TALERSCHWINGEN
     Die Männer stehen im Kreis, völlig auf sich selbst und den   der «Alpstobede», im Wirtshaus und natürlich zur Alp-
     Ton konzentriert, die Hände in den Hosentaschen. Der         fahrt.
     Vorsänger stimmt eine Klangfolge an, einer nach dem an-
     dern stimmt ein. Gesungen wird nach Gefühl. Kaum ein         «Schölleschötte» und Talerschwingen
     anderer Jodel klingt so anrührend wie das Innerrhoder        «Schölleschötte», bei dem grosse Kuhschellen durch
     «Rugguusseli» und das Ausserrhoder «Zäuerli».                rhythmisches Schwingen zum Klingen gebracht werden,
                                                                  ist eine eigenständige musikalische Aufführung; das
     «Rugguussele» oder «zäuerle» bedeutet, mehrstimmige          «Rugguusseli» dazu ist Beigabe. Anders verhält es sich
     textlose Naturjodel aus klingenden Vokalen und Silben zu     beim Talerschwingen: Hier steht im Vordergrund der Na-
     singen. Typisch für die erste Stimme ist der schnelle        turjodel, und der Beckendreiklang liefert den Bordun, den
     Wechsel von der Brust- in die Kopfstimme (Falsett), be-      Halteton, der zur Begleitung erklingt. Es existiert keine
     zeichnet als Kehlkopfschlag. Die Melodie des «Voozaurers»    vorgegebene Becken-Stimmung, am beliebtesten ist aber
     wird gestützt durch eine improvisierte Mehrstimmigkeit       jene mit Intervallen wie bei den Schellen (E-G-A) oder in
     mehrerer Sänger, was «graadhäbe» genannt wird.               Dreiklang-Terzen.

     Die Begriffsherkunft ist nicht geklärt. Bereits in einer     «Ratzliedli»
     Schrift von 1606 begegnet man den Ausdrücken von «sau-       In fröhlichen Runden singen die Appenzeller gern. Und
     ren» und «rungusen» als Lockrufe (Alfred Tobler in «Kuh-     manchmal werden sie übermütig. Einer singt die erste
     reihen», 1890). «Zaure» ist eine der typischen Kommunika-    Strophe eines «Ratzliedli», eine weitere folgt – und noch
     tionsformen im Alpenraum. Es ist ein Jauchzer, ein           eine und noch eine. Witzige, freche, spottende, kokette        Ort
     Lebenszeichen, ein Ausdruck von Freude an Klang und          oder banale Zeilen reimen sich auf die einfachen – manch-      Im Appenzellerland
     Echo.                                                        mal von bekannten Volksliedern entlehnten – Melodien. In
                                                                  den gejodelten Refrain stimmen alle ein. Die ganze Wirt-       Zeit

                                                                                                                                                      JODEL OHNE
     In Innerrhoden waren es ursprünglich die Sennen, die den     schaft wird zum Jodelchor. Der Name «Ratzliedli» charak-       Ganzjährig

     Jodel sangen, doch um 1900 wurde er durch Solojodlerin-      terisiert mit dem Wortteil «ratz» die Art der Lieder im Sin-
     nen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ge-
     macht. «Rugguusseli» und «Zäuerli» sind schlichte, langsa-
                                                                  ne von «zom Tratz», will heissen: necken, scherzen,
                                                                  hänseln. Die Texte werden zum Teil seit Generationen                                WORTE UND
     me Melodien. Melodien in Moll existieren nicht, und
     trotzdem empfinden Aussenstehende den Gesang oft als
                                                                  überliefert, aber immer wieder auch neu erfunden – sie
                                                                  sind pure Volkspoesie!                                                              FRECHE LIEDER
     schwermütig. Man hört sie an zahlreichen Konzerten, an
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     TRACHTEN
     Für die Innerrhoder Trachtenträgerinnen und -träger ist      Jacke und die Kranzrocktracht, die nach altem Vorbild
     die Innerrhoder Tracht einfach das schönste Kleid. Die       wieder neu gestaltet wurde.
     aufwendige Herstellung in Handarbeit macht sie zu einer
     der schmucksten und vielgestaltigsten Trachten in der        Männertrachten
     Schweiz.                                                     Am häufigsten sieht man Appenzeller Männer im braunen,
                                                                  wollenen Beinkleid mit Hosenladen zum kurzärmeligen,
     Frauentrachten                                               bestickten weissen Sennenhemd. Darüber wird das rote
     Beeindruckend ist die prunkvolle Festtagstracht der In-      «Liibli», eine Weste aus seidenbesticktem rotem Wollstoff
     nerrhoderin. Zum fein plissierten, knöchellangen Rock        mit quadratischen Silberknöpfen, getragen. Schmuckstü-
     wird eine Schlottenjacke getragen, darunter über der ge-     cke sind die beschlagenen Hosen­t räger und die Uhren-
     stärkten Bluse ein Samtmieder mit silbernen Filigran-        kette am Hosenbund.
     spangen und einem reich bestickten Brustblätz. Über
     dem Rock schimmert die lange, mit Hohlsaum und Glas-         Typisch für Appenzeller ist der schlangenförmige golde-
     perlen verzierte Damastschürze. Aus demselben Stoff ist      ne Ohrring. An Festtagen oder für Auftritte wird darin
     das goldbestickte «Brüechli» gefertigt. Wunderschön          das goldene «Schüefli» – eine winzige Rahmschöpfkelle –
     sind der gefältelte, handbestickte weisse Schlottenkra-      eingehängt.
     gen und die dazu passenden Stulpen. Der Kopfputz ist
     eine schwarze Flügelhaube mit seitlichen Rosen, mit ei-      Bei Alpfahrten und an der Viehschau tragen die Sennen
     ner weissen Spitzenhaube, Goldkäppi und karmesinroter        die gelben, ledernen Kniebundhosen. Die Hosenbeine
     Seidenschleife zwischen den Tüllflügeln. Wertvolle Zier      werden über weissen, gestrickten Knie­strümpfen mit be-     Ort
     sind die filigranen Trachtenschmuckstücke, die oft über      schlagenen Riemen festgehalten. Über dem Hemd wird          Appenzell Innerrhoden
     Generationen vererbt werden.                                 auch die rote, kragenlose Weste getragen. Über die Hüfte
                                                                  schlingt der Senn ein buntes, zum Dreieck gefaltetes        Zeit

                                                                                                                                                                  UNSER
     Viel öfter tragen die Innerrhoderinnen die Werktags-         Tuch; auf dem Kopf trägt er den flachen, mit Bändern und    In Appenzell Innerrhoden wird
                                                                                                                              oft die Tracht getragen, nicht im
     tracht. Mieder, Vorstecker, «Brüechli» und Schürze sind      Blumen geschmückten schwarzen Hut. Nicht mehr jeder

                                                                                                                                                                  SCHÖNSTES
                                                                                                                              Alltag, sondern zu besonderen
     ähnlich wie bei der Festtagstracht, aber weniger reich ge-   Trachtenträger schmaucht die typische Pfeife, das mit
                                                                                                                              Anlässen: an hohen katholi-
     schmückt. Dazu wird keine Jacke getragen und in der Re-      Silber beschlagene «Lendaueli» mit seinem Klappdeckel.      schen Feier­tagen, zu Familien-
     gel kein Kopfputz. Der Rock ist wadenkurz, der Schmuck
     einfacher gehalten. Weitere Trachtenformen sind diejeni-
                                                                                                                              festen, «Stobede», beim «Öbere-
                                                                                                                              fahre» und an der Viehschau.
                                                                                                                                                                  KLEID
     ge der «Täfelimeedle», die «Bareemeltracht», Rock und
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     BERGGOTTESDIENSTE
     Die Verbundenheit von kirchlichem und weltlichem Le-        dachten in den Bergen ermöglichte sowohl den Alphirten
     ben zeigt sich in Appenzell Innerrhoden deutlich in den     als auch den Wanderfreunden den sonntäglichen Messe-
     katholischen Festtagen wie Fronleichnam, Mariä Emp-         besuch.
     fängnis, dem «Augschthäligtaag» (15. August, Mariä Him-
     melfahrt) und in den traditionellen Berggottesdiensten.     Bei etlichen der kleinen Heiligtümer werden regelmässig
                                                                 Rosenkranzgebete abgehalten. Die Marienverehrung
     Die Bergkapellfeste im Plattenbödeli und in der Bollen-     spielt in Appenzell Innerrhoden eine grosse Rolle.
     wees, das Fest Maria zum Schnee auf der Meglisalp, die
     Messen in der Wallfahrtskapelle im Ahorn, das Gedenken      Neben den Gipfelkreuzen und Bildstöcken findet man
     an Bruder Klaus auf Seealp und die Jakobifeier auf dem      im Berggebiet zahlreiche christliche Zeichen der Erinne-
     Kronberg besuchen neben den Sennen und ihren Angehö-        rung an verstorbene und verunglückte Sennen und Berg-
     rigen viele gläubige Berggänger. Die Feiern werden unter    gänger. Jedes dieser Zeichen der Volksfrömmigkeit hat
     freiem Himmel abgehalten. Als Höhepunkt gilt das Schutz-    seine eigene – oft leidvolle – Geschichte.
     engelfest bei der Höhlenkapelle Wildkirchli, der wohl be-
     rühmtesten Kapelle im Alpstein.

     Das anschliessende gemütliche Zusammensein in den
     Bergwirtschaften, meist mit Musik, Tanz und Gesang, ge-
     hört selbstverständlich zum Festtag.
                                                                                                                            Ort
     Das Innerrhoder Alpsteingebiet und die Hügel und Täler                                                                 Im Alpstein
     zu seinen Füssen sind geradezu übersät mit Kapellen,
     Bergkreuzen und Bildstöcken. Die Errichtung der ersten                                                                 Zeit
     Bergheiligtümer geht auf das frühe 17. Jahrhundert zu-                                                                 Während der Sommerzeit

     rück, als man im katholischen Halbkanton glaubte, den
     Katholizismus gegenüber den «vom rechten Glauben ab-
     gefallenen» Protestanten sichtbar machen zu müssen.                                                                                             VOLKSFRÖMMIGKEIT
     Der Grossteil der gegen 50 Kirchlein, Kapellen und Bild-
     stöcke steht jedoch mit dem touristischen Aufschwung                                                                                            UNTER FREIEM HIMMEL
     in Verbindung. Das Angebot an Gottesdiensten und An-
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     MARKTTAGE
     Wenn der Sommer sich dem Ende zuneigt, locken süsse           am ersten Mittwoch im Dezember ist die Gelegenheit,
     Düfte, Schiessbuden, Karusselle und Marktstände die           Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Geschenke kaufen
     Innerrhoder in die Dörfer. Anfang August beginnt der          nennt man im Innerrhoder Dialekt denn auch «chläuse-
     Reigen der «Chölbene» in Oberegg, wenig später organi-        le». Seit einigen Jahren veranstaltet ein Verein am zwei-
     siert eine «Dorfkommission» die «Stenegge Chölbi». Am         ten Sonntag im Dezember einen Weihnachtsmarkt auf
     zweiten Sonntag im September werden auf dem Betriebs-         dem Postplatz. Die zauberhafte Adventsstimmung mit
     gelände von Appenzeller Alpenbitter in Appenzell seit         Leuchtsternen und Weihrauchschwaden und die an den
     1972 von einem Verein eine altertümliche «Riitschuel»,        Adventssonntagen geöffneten Geschäfte locken Scharen
     eine nostalgische Schifflischaukel, eine historische Orgel    von Besucherinnen und Besuchern an.
     und ein «Hau den Lukas» aufgestellt. An der «Schwend-
     ner Chölbi» wird traditionell ein Steinstoss-Wettbewerb       An Bedeutung verloren hat der Mittwoch, der früher auch
     durchgeführt. Anfang und Mitte September haben auch           Bauernsonntag genannt wurde. An diesem Tag war in
     Gonten und Haslen ihre «Chölbi» im kleinen Rahmen.            vergangener Zeit traditionell Markttag – daher das Dia-
                                                                   lektwort «Mektig». Man sah die Landwirte und Vieh-
     Die grösste Attraktion ist die «Hofer Chölbi» in Appenzell.   händler an den Wirtshaustischen jassen oder in Gruppen
     Traditionell findet sie am Wochenende nach dem Festtag        in den Gassen stehend diskutieren, Besorgungen erledi-
     des Landespatrons St. Mauritius (22. September) statt.        gen und Geschäfte machen.
     Spektakuläre Fahrgeschäfte, dröhnende Musik, blinken-
     de Lichter, Zuckerwatte, Magenbrot, Raclette und Brat-
     würste begeistern Jung und Alt. Am Montag lockt der
     grosse Warenmarkt; sogar ein kleiner Viehmarkt wird
     abgehalten.

     Appenzell, bis 1597 Hauptort des ungeteilten Landes Ap-
     penzell, ist seit 1353 mit dem Marktrecht ausgestattet.
     Von jeher sind hier Markttage an bestimmten Tagen fest-
     gelegt: Am ersten Mittwoch im Mai füllen sich die Gassen                                                                  EIN BUNTER REIGEN
     mit den Ständen des Maimarktes. Am «Chölbimeentig»
     (Montag) drängt sich das Volk am Warenmarkt im Dorf-                                                                      VON VERGNÜGUNGEN
     kern und auf dem Landsgemeindeplatz. Der «Chlöösler»
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     VIEHSCHAU
     Die Kühe und Stiere sind geputzt und gestriegelt. Die Sen-   Aufregend ist das «Abloo» zur Vesperzeit. Im Minutentakt
     nen tragen ihre Festtagstracht. Unter Singen und Zauren      verlassen die Viehherden den Schauplatz, begleitet von
     und mit Schellenklang ziehen sie morgens aus allen Him-      heftigem Schellenklang und fröhlichem Natur­jodel. Am
     melsrichtungen kommend unter dem mit Tannengrün              Abend treffen sich Viehbesitzer und Begleitsennen wie-
     und Blumen geschmückten «Triumphbogen» hindurch              der zum traditionellen Schauanlass im Hotel Säntis am
     auf den Brauereiplatz in Appenzell. Am ersten Dienstag       Landsgemeindeplatz. Dann werden im feierlich-volks-
     im Oktober zeigen sie hier alljährlich ihre Zucht-           tümlichen Rahmen die Auszeichnungen der Schönheits-
     erfolge.                                                     und Leis­tungskonkurrenz vergeben. Die Viehschau ist
                                                                  für die Viehzüchter und ihre Familien ein wichtiger Tag
     Nach Alter und Geschlecht geordnet, werden die Tiere an      im Jahr.
     langen Kettenreihen angebunden. Die Leiber dampfen
     nach deren Auffuhr in der noch kühlen Morgenluft; hie        Die Appenzeller Viehschau wird seit Mitte des 19. Jahr-
     und da bringt ein kläffender Bläss eine verwirrte Kuh zur    hunderts durchgeführt. In der Exklave Oberegg wird eine
     Vernunft. Wo nötig werden verkotete Flanken und zerz-        eigene Schau abgehalten. Im Gegensatz zu Inner­rhoden
     auste Schweife der Kühe schnell mit Stroh abgerieben         finden in Ausserrhoden die Viehschauen ab Mitte Sep-
     oder mit einem Schwamm gewaschen.                            tember gemeindeweise statt.

     Strenge Experten beurteilen Kühe, Rinder und Stiere          Am Tag nach der Grossviehschau lockt in Appenzell – auf
     nach deren Schönheit und Leistung. Entsprechend der          demselben Platz und nach demselben Muster – die Zie-
     Rangierung werden die Tiere wieder an die Kettenhäge         genschau Interessierte an.                                 Ort
     gebunden – das dauert bis in den Nachmittag hinein. Die                                                                 Appenzell
     besten und schönsten bekommen einen Kranz aus Pa-
     pierblumen. Früher wurden diese in Frauenklöstern an-                                                                   Zeit

                                                                                                                                                  INNERRHODER
     gefertigt. Die grossen Senntumsschellen und Fahreimer                                                                   Erste Oktoberwoche

     der Sennen werden auf Holzgestellen zur Schau gestellt.
     Es wird viel gesungen an diesem Tag. Und die Jugend
     darf straffrei rauchen.                                                                                                                      SCHÖNHEITS-
                                                                                                                                                  KONKURRENZ
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     WEIHNACHTSBRÄUCHE
     Die Weihnachtszeit in Appenzell Innerrhoden ist ein Fest      Die «Chlausebickli» wurden früher den Kindern ab No-
     für alle Sinne. Sie beginnt eigentlich schon an Allerheili-   vember von Patinnen und Paten oder den Grosseltern
     gen, am 1. November: Dann werden die neuen «Chlause-           geschenkt. Sie stellten sie zwischen die doppelten Fens­
     bickli» in die Schaufenster der Konditoreien gestellt. Seit   terscheiben, dort waren sie hübsch anzusehen und blie-
     Beginn des 20. Jahrhunderts stellen die Innerrhoder Kon-      ben weich. Je nach Familientradition wurde ab Weih-
     ditoren die ungefüllten Honiglebkuchen von Hand her.          nachten oder Neujahr die imposante Lebensmittel-
     Viele der handbemalten Zuckerbilder darauf haben              ­pyramide Stück für Stück verspeist – am liebsten mit viel
     Kunstmaler entworfen. «Bickli» kommt von «bicke» im            «Schmaalz» (Butter) und «Steendlihung», einem speziel-
     Sinne von «ausstechen, ins Auge stechen». Das Wort             len Kunsthonig. Heute werden «Chlausebickli» und «De-
     «Bickli» wurde früher allgemein für etwas Hübsches,            wiisli» nicht mehr aufgegessen, sondern wie Kunstwerke
     Wertvolles verwendet.                                          aufbewahrt und über Jahre wiederverwendet.

     Die Bäcker flechten im Advent überlieferte Formen von         Nachdem sie fast verschwunden sind, erfreuen sich «Be-
     Zopfgebäck. Dazu zählen «Tafel-Vögl», «Tafel-Zöpf», «File-    chüe» neuerdings wieder grosser Beliebtheit. Vom abge-
     ring» und «Filebrood».                                        räumten Christbaum wird im Januar der Stamm zwi-
                                                                   schen Astgabeln in Stücke gesägt. Zwei Abzweigungen
     Das Prachtstück jeder weihnachtlichen Stube ist der           sind die Vorderbeine. Mancher Bastler hängt der «Be-
     «Chlausezüüg». Noch bis vor wenigen Jahrzehnten traf          chue» ein Glöckchen um und klebt ihr Lederohren an.
     man ihn genauso oft an wie den Christbaum. Damals be-         Aber sie ist auch ohne derlei Zutaten ein herrlich archai-
     stand der «Züüg» aus symbolträchtigen Gebildebroten,          sches Spielzeug.                                             Ort
     die kegelförmig auf einem mit Nüssen und gedörrten Bir-                                                                    Appenzell Innerrhoden
     nen gefüllten Milchnapf aufgeschichtet wurden. Heute
     wird eine fünfeckige Holzpyramide mit «Chlausebickli»                                                                      Zeit

                                                                                                                                                        ZÜÜG
     und «Dewiisli» bestückt. Das sind kleine Schmuckbild-                                                                      Weihnachtszeit

     chen, ähnlich den Anis-Springerle aus Zuckerteig. Dazwi-
     schen steckt man rotbackige Äpfel. Das Gestell versteckt
     man hinter Flitterfransen. Auf die Spitze – früher von Bi-                                                                                         OND
     berfladen gebildet – kommt ein künstliches Tannen-
     bäumchen zu stehen.                                                                                                                                BICKLI
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     RÄUCHLE OND OMSINGE
     Räuchle                                                     Omsinge
     Für viele Innerrhoderinnen und Innerrhoder ist erst         Sporadisch wurde in Eggerstanden und wird nun auch
     Weihnachten, wenn die bläulichen Schwaden des Weih-         wieder in verschiedenen Quartieren Appenzells und in
     rauchs in der Nase kitzeln. An Heiligabend, am Altjahr­     einzelnen Aussengemeinden um den Jahreswechsel der
     abend (Silvester) und am Vorabend zum Fest der Heiligen     Brauch des «Omsinge» gepflegt. Er ist angelehnt an das
     Drei Könige wird an vielen Orten ein altes Schutzritual     Neujahrssingen, das in Varianten vielerorts im deutsch-
     für Mensch, Tier, Heim und Stall ausgeübt. In einer         sprachigen Raum seit Jahrhunderten praktiziert wird.
     «Räuchlipfanne» werden auf glühender Holzkohle Weih-        Die von kleinen Gruppen oder Chören vorgetragenen Lie-
     rauchkörner und ein seit Palmsonntag aufbewahrter ge-       der sollen Freude machen und für das neue Jahr Segen
     segneter Zweig abgebrannt. Die Wölkchen – und damit         und Glück bringen.
     der Segen – ziehen beim Umgang mit der qualmenden
     Pfanne in alle Winkel des Hauses und des Stalls.

     Im Dorf Appenzell gehen an Heiligabend – auf Bestellung –
     Ministranten mit Rauchfass und «Schiffli» durch Woh-
     nungen und Häuser. Auf dem Land «räuchled» meist der
     Hausherr; mancherorts beten derweil die Familienange-
     hörigen in der Stube. Als passendes Gebet wurde früher
     der kleine Psalter gegen «Öbel ond Oofall» (Übel und Un-
     fall) gesprochen.                                                                                                     Ort
                                                                                                                           Appenzell Innerrhoden

                                                                                                                           Zeit

                                                                                                                                                        SEGEN
                                                                                                                           Weihnachten, Altjahrabend,
                                                                                                                           Dreikönigsabend

                                                                                                                                                        FÜR HOF
                                                                                                                                                        UND STALL
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     APPENZELLER HANDWERK
     Innerrhoderinnen und Innerrhoder bringen ihre Liebe          Eine Zeit lang war Haarschmuck in Innerrhoden begehrt.
     zur Heimat gern in schönen Dingen zum Ausdruck. Im           Zuerst bei Trachtenträgerinnen, dann auch über die Kan-
     kleinen Land erblühte über die Jahrhunderte eine eigen-      tons- und Landesgrenzen hinaus. Berühmtheit in der
     ständige Handwerkskultur. Sie ist vom Leben und Arbei-       Fertigung der Schmuckstücke aus menschlichem Haar
     ten geprägt.                                                 erlangte Elisabeth Signer (1824 – 1908), die diese besonde-
                                                                  re Schmuckherstellung in England erlernt hatte. Erst seit
     Zum Beispiel die Weissküferei: Ab dem 18. Jahrhundert,       kurzem widmen sich der filigranen symbolträchtigen
     im Zug des wirtschaftlichen Aufschwungs dank der Mol-        Flechtkunst wieder einzelne Freizeit-Kunsthandwerker.
     kenkuren, wurden die Sennereigerätschaften durch Kerb-       Ähnlich wie beim Klöppeln werden Bündel von einigen
     schnitzerei verziert. Sie wurden zu Zierstücken des bäu-     wenigen Haaren, die beschwert an einem ringförmigen
     erlichen Brauchtums und bald einmal zu Sammel-               Flechtstock hängen, kunstvoll verschlungen, sodass
     objekten. Aus feinem weissen Ahorn- und Tannenholz           spinnwebzarte Bänder, «Rölleli», Kugeln und «Röhrli»
     fertigt der Weissküfer Fahreimer, Butterfässer, das «Suur-   entstehen. Diese werden – in Edelmetall gefasst – zu Ohr-
     fass», Näpfe, Schottenkübel, Butterbretter und Milchtan-     gehängen, Arm-, Hals- und Uhrenketten.
     sen. Verziert sind sie mit stern- und rautenförmigen Or-
     namenten, mit stilisierten Pflanzenmotiven, mit Bändern      Nur noch wenige Goldschmiede verstehen sich auf das
     aus eingekerbten Punkt-, Strich- und Halbrund-Formen.        Gestalten von Trachtenschmuck. Die mit Edel- und Halb-
                                                                  edelsteinen besetzten Filigranstücke aus Gold und Silber
     Die Sennensattlerei: Die frühesten Messingarbeiten wa-       erinnern in ihrer Pracht an Rokoko-Zier. Eine Zeit lang
     ren gegen Ende des 18. Jahrhunderts Schmuckelemente          waren bei Trachtenträgerinnen Kamee-Broschen und
     für Pferderiemen. Seither werden Messingstücke ausge-        -Ohrschmuck beliebt, und winzige Hinterglasbildchen
     sägt und ziseliert, die Schellenriemen, Hosenträger und      (Gläslischmuck) wurden zu Broschen, Medaillons und
     allerlei traditionelle und moderne Lederwaren zieren.        Ohrgehängen verarbeitet.
     Die Riemen der Senntumsschellen werden vom Sennen-
     sattler mit unterlegten Messingbeschlägen, Wollfransen       Zu den Kunsthandwerkern der Region zählen auch Hack-
     und Stickereien aus farbigen Lederbändern geschmückt.
     Auf den kunstvoll bearbeiteten Messingplatten finden
                                                                  brettbauer, Drechsler, Trachtenschneiderinnen und Sil-
                                                                  berschmiede wie auch die Herstellerinnen der «Dewiisli»       QUALITÄT
     sich Darstellungen aus dem Sennenleben und oft auch
     die Besitzerinitialen.
                                                                  für den «Chlausezüüg». Zu den berühmtesten Vertretern
                                                                  des überlieferten Handwerks gehören die Handstickerin-        AUS TRADITION
                                                                  nen und die Bauernmaler und -malerinnen.
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     BAUERNMALEREI
     Die Liebe der Bewohnerinnen und Bewohner des Alp-             malen der Fahreimer-Böden kam auf, und Sennenstrei-
     steins zum Schönen zeigt sich in den leuchtenden Farben       fen auf Holz oder Papier bildeten den ganzen Besitz des
     der Bauernhäuser, in kunstvoll geschnitzten Möbeln, in        Bauern ab.
     Details wie den Messingbeschlägen der Sennentracht
     oder im filigranem Trachtenschmuck.                           Auf den Tafelbildern standen zwar immer noch die Tiere,
                                                                   vor allem die Alpfahrten, im Mittelpunkt, nun kamen je-
     Eine besondere Stellung hat die Bauernmalerei. Älteste        doch Liegenschaften, Menschen und die Umgebung so-
     Zeugnisse stammen aus dem 16. Jahrhundert. Zuerst             wie die imposanten Bergkulissen hinzu. Richtig Erfolg
     wurden repräsentative Räume, später Möbel mit Orna-           hatten die Bauernmaler damit ab der zweiten Hälfte des
     menten aus der Tier- und Pflanzenwelt bemalt. Im              19. Jahrhunderts. Selten waren Malerinnen dabei. Tech-
     18. Jahrhundert waren allegorische Szenen beliebt, Jagd-      nik, Stil und Motive änderten sich seither kaum mehr.
     geschichten, Darstellungen des höfischen Lebens oder          Heute erwerben vor allem Liebhaber und Sammler die
     aus der Bibel. Die meisten Möbelmaler blieben unbe-           Werke der zeitgenössischen Bauernmaler und -malerin-
     kannt. Man vermutet, dass sie trotz des später eingebür-      nen, die ganz selten Bauern sind. Die Sujets sind nicht
     gerten Begriffs «Bauernmalerei» selten Landwirte waren.       mehr auf das bäuerliche Leben beschränkt, sondern er-
     Viel eher handelte es sich wohl um Wandermaler. Wie bei       zählen vom Alltag, von Festen und Bräuchen.
     der Kirchendekoration, bei der Innerrhoder Tracht und
     bei etlichen Bräuchen ist auch in der Bauernmalerei in
     ihrer Entstehungszeit eine Verbindung zur süddeutschen
     und zur österreichischen Kultur auszumachen.

     Ende des 18. Jh.s verbanden Maler aus der Region die ba-
     rocken Elemente mit dem, was sich in ihrem Alltag ab-
     spielte. Die Möbelmalerei wurde zur Volkskunst. Als de-
     ren Begründer gilt der Gontner Conrad Starck (1769 – 1817);                                                             VON BAROCKER
     er hat wahrscheinlich als Erster einen Alpaufzug darge-
     stellt – das Hauptmotiv für die spätere Senntumsmalerei.                                                                MÖBELMALEREI
     Wegbereiter für die Tafelbilder, die nach dem Rückgang
     der Möbelmalerei in Mode kamen, dürfte Bartholomäus                                                                     ZUR VOLKSKUNST
     Lämmler (1809 – 1865) aus Herisau gewesen sein. Das Be-
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     HANDSTICKEREI
     «D Fraue ond d Saue erhaaltid s Land», lautete das geflü-     weniger gefragt war. Heimarbeiterinnen übernahmen
     gelte Wort zur Hochblüte der Appenzeller Handstickerei.       das Roulieren (Handsäumen) der Stücke.
     Aufgekommen ist das gewerbsmässige Verzieren von
     Textilien – zuerst mit Grob- und Kettenstickerei – um         «Weltwunder der weiblichen Geschicklichkeit» wurde
     1800. Bis 1914 lebte ein Drittel der berufstätigen Bevölke-   die Innerrhoder Handstickerei genannt. Die mit weissem
     rung Innerrhodens davon. Gestickt wurde allerdings            oder zartblauem feinen Garn auf Baumwollbatist ge-
     nicht für den Eigengebrauch und selten für Einheimi-          stickten Motive und Ornamente haben Stickereizeichner
     sche. Die aufwendig bestickten Kostbarkeiten waren teu-       und oft Künstler entworfen.
     er und weltberühmt.
                                                                   Manche Innerrhoder Unternehmerin und einige Fabri-
     Mit Sticken verdiente manche Innerrhoderin den Le-            kanten eröffneten in Schweizer und ausländischen No-
     bensunterhalt für die Familie. Eine Zeit lang war die         belkurorten Stickereigeschäfte.
     Handstickerei für den Kanton überlebenswichtig. Die
     Mädchen lernten schon im Primarschulalter die ersten          Mit dem Aufkommen der Maschinenstickerei und vor al-
     Stiche und halfen nach dem Schulunterricht und in den         lem, als ab den 30er-Jahren aus Asien billigere Stickereien
     Ferien mit, die Aufträge zu erfüllen.                         Europa überfluteten, war die wertvolle Handarbeit vom
                                                                   Aussterben bedroht. Heute sticken noch einige wenige
     Stundenlang sass die Stickerin am Stickstock am Fenster;      Frauen in Innerrhoden im privaten Rahmen.
     in der Dämmerung beleuchteten mit Wasser gefüllte
     Glaskugeln die Arbeit. Mit Platt-, Stepp- und Figurensti-     Das Museum Appenzell beherbergt eine international
     chen, mit Hohlsäumen und feinen Durchbrucharbeiten            beachtete Stickereisammlung.
     zauberte sie eine Vielfalt von Motiven auf Taschentücher,
     Trachtenkragen, Unterwäsche und Aus­steuerwäsche –
     sogar für Königshäuser.
                                                                                                                                 WELTWUNDER
     Die Stickerei florierte derart, dass ganze Geschäftszweige
     daraus entstanden wie die Ferggerei (Händlerinnen und                                                                       WEIBLICHER
     Händler und Lieferanten der Rohware) und später Tex-
     tilfabriken, die sich auf die Herstellung von Taschen-                                                                      FERTIGKEIT
     tüchern und Foulards verlegten, als die Handstickerei
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