Zur Entwicklung und Begründung von Maßnahmewerten für Legionellen in Hausinstallations-Systemen in Deutschland
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Übersichtsbeiträge Legionellen in Hausinstallations-Systemen Zur Entwicklung und Begründung von Maßnahmewerten für Legionellen in Hausinstallations-Systemen in Deutschland* Aspekte der Risikoregulierung Martin Exner, Stefan Pleischl und Steffen Engelhart Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit, Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 Bonn Korrespondenzautor: Prof. Dr. med. Martin Exner; E-Mail: martin.exner@ukb.uni-bonn.de Zusammenfassung Abstract Mit der Entdeckung von Legionellen als wasserübertragene Krank- Development and rationale of threshold levels of Legionella in heitserreger mit erheblicher epidemiologischer Bedeutung ergab domestic water distribution systems in Germany sich die Frage, inwieweit aus Gründen der öffentlichen Gesundheit – Aspects of risk regulation – weitergehender Regulierungsbedarf einschließlich der Etablierung von Maßnahme- oder Interventions-Werten notwendig ist. Die Grund- The discovery of Legionellae and their role as waterborne pathogens lagen hierfür ließen sich nicht auf den bisherigen Kriterien der in der raised the question of their public health impact and the correspon- Trinkwasser-Verordnung aufgeführten mikrobiologischen Trinkwas- ding control measures. These could not be based on the hitherto ser-Grenz- und/oder Richtwerten basieren, da Legionellen nicht durch German drinking water regulation as the classic microbiologic die klassischen mikrobiologischen Indikatoren (wie Koloniezahl, E. coli, parameters (heterotrophic plate count, E. coli, coliform bacteria) were coliforme Bakterien) für die hygienisch unbedenkliche Trinkwasser- not able to indicate the presence of Legionellae. After entry with qualität indiziert werden. Legionellen vermehren sich – obwohl aus the central public water supply, Legionellae show good growth in der öffentlichen zentralen Wasserversorgung nur in geringsten Kon- plumbing systems at temperatures of about 25-55°C. A new risk zentrationen eingeschwemmt – besonders gut in wasserführenden regulation with respect to this new ecology as well as to the chan- Systemen bei Temperaturen von mehr als 25°C bis 55°C, ebenso wie in ging sociodemographic developments in Germany (increase of Amöben. Daher musste die diesbezügliche Risikoregulierung unter populations at risk) had to be generated. Since 1990, a comprehen- Berücksichtigung der soziodemographischen Entwicklung mit Zunah- sive environmental monitoring system including control and action me von für Legionellosen prädisponierten Risikopopulationen auf levels was developed that proved of practical value. As long as there neue Fundamente gestellt werden. exist no reliable and practicable indicators of the virulence of Die Notwendigkeit der Beherrschung von Legionellose-Ausbrüchen Legionellae, this comprehensive culture-based system allows best mit z.T. zahlreichen Todesfällen ließ den Druck zur Risikoregulierung for the primacy of prevention. Meanwhile, several European countries immer stärker werden, zumal Ausbrüche von Legionellosen häufig decided to implement corresponding systems based on the EC- mit einer systemischen Kontamination des zentralen Hausinstalla- guideline 98/83/EC, and the WHO edited a monography (Legionella tions-Systems und mit Mängeln im baulich-technischen Aufbau und and the prevention of legionellosis, 2007) recommending investiga- Betrieb dieser Systeme assoziiert und somit grundsätzlich vermeid- tions for validation and verification of domestic water distribution bar waren. systems. The following publication highlits the development and In Deutschland wurden auch im internationalen Vergleich erstmalig rationale of the strategy in Germany. ab 1990 entsprechende Maßnahmewerte entwickelt, die sich prak- tisch bewährt haben. Solange nicht verlässliche und praktikable Viru- lenz-Indikatoren für Legionellen in wasserführenden Systemen zur Verfügung stehen, wird durch dieses System am ehesten dem Primat der Prävention Rechnung getragen. Zahlreiche europäische Länder 1 Grundprinzipien der Risikoregulierung haben sich mittlerweile auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 98/83/EG des Rates über die Qualität von Wasser für den menschli- Öffentliche Gesundheit lässt sich definieren als das, was chen Gebrauch vom 03. November 1998 zur Einführung von Maßnah- mewerten entschlossen, die einerseits dem Gesundheitsschutz, wir als Gesellschaft gemeinschaftlich unternehmen, um Be- andererseits auch der Verifizierung und Validierung des baulich-tech- dingungen sicherzustellen, unter denen wir in dieser Gesell- nischen und betrieblichen Wartungszustandes von Hausinstallations- schaft gesund leben können. Systemen, Rückkühlwerken und Schwimmbädern dienen. Mittler- weile wurde auch von der WHO eine Monographie herausgegeben Aufgabe der wissenschaftlichen Hygiene ist es, im Sinne (Legionella and the prevention of legionellosis 2007), worin die Un- der Risikoregulierung, Risiken für die Gesundheit zu identi- tersuchung auf Legionellen zur Validierung und Verifizierung von fizieren und abzuschätzen, Grundlagen für die gesellschaft- Hausinstallations-Systemen empfohlen wird. liche und politische Bewertung zur Verfügung zu stellen, Die Entwicklung und Grundlagen dieser Maßnahmewerte für Legio- nellen mit besonderer Berücksichtigung der Situation in Deutschland Maßnahmen für das Risikomanagement durch Gesund- werden nachfolgend erläutert. heitsschutz und Gesundheitsförderung zu erarbeiten und diese widerspruchsfrei so zu kommunizieren, dass diese *Erweitertes Vortragsmanuskript einer VAH-Tagung Maßnahmen sowohl in der Gesellschaft als auch vom Ein- Umweltmed Umweltmed Forsch Forsch Prax Prax 14 14 (4) (4) 2009 207 – 224 (2009) 207 © ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg
Legionellen in Hausinstallations-Systemen Übersichtsbeiträge zelnen effizient umgesetzt werden (Exner 2008, Exner et durchaus auch auf Infektionserreger übertragen werden, al. 2008). wobei jedoch die Besonderheiten von Infektionskrankhei- ten in diesem Risikoregulierungsprozess berücksichtigt wer- Maßnahmen zur Sicherung einer hygienisch unbedenklichen den müssen. Die Risikokommission weist darauf hin, dass Wasserhygiene werden unter den Maßnahmen zur Siche- bei Noxen, die mit geringer Wahrscheinlichkeit bei einzel- rung des Gesundheitsschutzes subsumiert, die durch den nen Individuen möglicherweise schwerwiegende Erkran- Einzelnen und dessen Verhalten nicht zu beeinflussen sind, kungen oder sogar Tod hervorrufen können, dringend ein sondern Teil einer gesellschaftlichen Risikoregulierung sein gesellschaftlicher Diskurs zu den Fragen eines "akzeptab- müssen, um gesundheitlich einwandfreie Lebensverhält- len Risikos und des Schutzniveaus" geführt werden muss. nisse (Verhältnisprävention) sicherzustellen. Hierzu zählen Dabei gilt es zu klären, ob und unter welchen Bedingun- neben der Wasser- und Lebensmittelhygiene auch die Kran- gen es sinnvoll ist, eine Schwelle festzulegen, die so niedrig kenhaus- und Praxishygiene, die Wohnhygiene und die Hy- ist, dass rechnerische Risiken unterhalb dieser Schwelle giene in öffentlichen Einrichtungen. bei Risikomanagementüberlegungen vernachlässigt werden Der Prozess der Risikoregulierung ist in Abbildung 1 darge- können. Dabei müssen in diesem öffentlichen Diskurs u.a. stellt. Die Risikoabschätzung dient der Erkennung von Ri- besonders die Kriterien von "Gefahrenabwehr" und "Vor- siken, der Charakterisierung der epidemiologischen Bedeu- sorge" angesprochen werden (Risikokommission 2003). tung des Risikos und des Gefährdungspotentials und ist Das Risikomanagement basiert auf der Risiko-Abschätzung Voraussetzung für das Risikomanagement, das zum Ziel und entwickelt Maßnahmeoptionen, die schließlich zu recht- hat das jeweilige Risiko mit geeigneten Maßnahmen unter lich wirksamer Umsetzung führen. In diesem Zusammen- Kontrolle zu bringen bzw. zu beherrschen. hang wird ausdrücklich auf den Bericht der Risikokom- Die hierbei zu berücksichtigenden Prozesse wurden im Jah- mission verwiesen. re 2003 von der vom BMG eingerichteten Risikokommis- Mit der deutlichen Zunahme des Anteils von vulnerablen sion zur Neuordnung der Verfahren und Strukturen zur Populationen innerhalb der Bevölkerung kann sich der Risikobewertung und Standardsetzung im gesundheitlichen Gesundheitsschutz in der Wasserhygiene nicht mehr nur Umweltschutz der Bundesrepublik Deutschland entwickelt. alleine auf den Schutz der gesunden Bevölkerung bezie- Obwohl sich ursprünglich das Verfahren der Risikoregulie- hen, sondern muss auch gefährdete Populationen mit einbe- rung in erster Linie auf die Beurteilungen von chemisch- ziehen. Dieser Umstand ist in der Trinkwasser-Verordnung physikalischen Noxen bezog, können die Grundprinzipien 2001 im § 9 (11) berücksichtigt worden, worin geregelt ist, Abb. 1: Prozess der Risikoregulierung 208 Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009
Übersichtsbeiträge Legionellen in Hausinstallations-Systemen Abb. 2: Entwicklung des Altersaufbaus der Bevölkerung in Deutschland dass das Gesundheitsamt sicherzustellen hat, dass bestimmte Prozess der Risikoregulierung nachfolgende Fragen, die Bevölkerungsgruppen für die die Abweichungen von Anfor- für jeden Krankheitserreger spezifisch zu beantworten sind: derungen der Trinkwasser-Verordnung eine besondere Ge- • Wo ist für die jeweiligen Infektionserreger das ursäch- fahr bedeuten könnten, entsprechend informiert und ggf. auf liche Erregerreservoir? mögliche eigene Schutzmaßnahmen hingewiesen werden. • Wie erfolgt deren Freisetzung? Nach dem Bevölkerungsbericht 2008 wird es zu einer deutli- • Wie erfolgt deren Übertragung? chen Zunahme des Anteils der > 50-Jährigen an der Ge- • Wie werden Krankheitserreger aufgenommen? samtbevölkerung (Abb. 2) und damit auch der für Legionel- • Wie lassen sich die Infektionsrisiken beherrschen? losen prädisponierten Risikopopulation kommen (Dorbritz • Mit welchen Strategien gelingt es, Reservoir, Freiset- et al. 2008). Auch in den USA wird ein deutlicher Anstieg zung, Übertragung und Aufnahme unter Kontrolle zu der Legionellosen seit 2003 beobachtet, wobei insbeson- bringen? dere die 45- bis 65-Jährigen 63% aller gemeldeten Legionel- Dabei gilt in Deutschland das sogenannte Vorsorgeprinzip. losen bedingen (Neil und Berkelman 2008). Nach der Risikokommission bedeutet Vorsorgeprinzip, dass Zudem wurden mit der Trinkwasser-Verordnung 2001 ex- fehlende wissenschaftliche Gewissheit über eine konkrete plizit auch Hausinstallationen mit in den Regelungsbereich Gefahr keine Begründung für die Unterlassung von risiko- der Trinkwasser-Verordnung einbezogen, für die die in der minimierenden Maßnahmen sein darf. Es müssen jedoch Trinkwasser-Verordnung geltenden mikrobiologischen An- Anhaltspunkte für Verursachungsprozesse vorliegen. Die forderungen ebenso gültig sind. Als Hausinstallation wird Vorsorgemaßnahmen müssen sich jeweils am aktuellen die Gesamtheit der Rohrleitungen, Armaturen und Geräte Kenntnisstand orientieren und dürfen nicht den Charakter definiert, die sich zwischen dem Punkt der Entnahme von einer endgültigen Maßnahme annehmen (Risikokommis- Wasser für den menschlichen Gebrauch und dem Punkt sion Neuordnung der Verfahren und Strukturen zur risiko- der Übergabe von Wasser aus einer Wasserversorgungsan- bewertung und Standardsetzung im gesundheitlichen Um- lage an den Verbraucher befinden. weltschutz der Bundesrepublik Deutschland 2003). Im Rahmen der Beherrschung infektiologischer Risiken Ziel der Risikoregulierung ist es letztlich, eine Basis für stellen sich daher für die wissenschaftliche Hygiene im gesundheitspolitische Entscheidungen zu schaffen, um die Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009 209
Legionellen in Hausinstallations-Systemen Übersichtsbeiträge Bevölkerung sowohl vor gefährlichen Expositionen gegen- die Legionellose zunimmt bzw. diese Populationen in ent- über Chemikalien wie auch gegenüber Krankheitserregern sprechenden Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Al- zu schützen. Dabei sollen "sichere" oder wenigstens akzep- tenpflegeheimen konzentriert sind, steigt das Infektionsrisi- table Expositionen für die Bevölkerung oder bestimmte ko in derartigen Gesellschaften bzw. Einrichtungen deut- Bevölkerungsgruppen grob abgeschätzt werden, die eine lich an. Dieses Problem betrifft heute nahezu alle Gesell- Gesundheitsgefährdung weitgehend ausschließen. Die si- schaften. Für die Legionellose sind Personen > 50 Jahre cherste Vermeidung unerwünschter Auswirkungen auf die deutlich stärker disponiert als jüngere Altersgruppen (Bar- Gesundheit besteht natürlich in der Vermeidung der entspre- tram et al. 2007). chenden Exposition. Wie später gezeigt wird, ist dies je- doch bei Legionellen realistisch gesehen nicht vollständig zu erreichen, da Legionellen sich in wasserführenden tech- 2 Zur Entwicklung der Risikobewertung und des nischen Systemen insbesondere in dem Temperaturbereich Risikomanagements zur Beherrschung von von 25–55°C leicht vermehren können. Legionellosen Während die medizinisch-toxikologische Risikoabschätzung bei der Schaffung von Grundlagen für die Risikoregulie- Die Grundprinzipien der Risikoregulierungen wasserüber- rung sehr differenzierte Regularien entwickelt hat, kom- tragener Infektionskrankheiten wurden vor 125 Jahren von men auf dem Gebiet der quantitativen mikrobiologischen Robert Koch mit der Veröffentlichung: "Über die neuen Risikoabschätzung zusätzliche spezifische Aspekte hinzu, Untersuchungsmethoden zum Nachweis der Mikroorga- die bei einer Risikoregulierung zu berücksichtigen sind. nismen in Boden, Luft und Wasser" 1883 sowie in seinem Bericht zu der 1883 und 1884 von ihm geleiteten Cholera- Das infektiologische Erkrankungsrisiko kann nach der in Expedition gelegt. Koch konnte anhand der epidemiolo- Abbildung 3 aufgeführten vereinfachten Gleichung nach gischen Daten zur Cholera in Kalkutta und der Reduktions- Duncan und Edberg (1995) dargestellt werden. Das Erkran- leistung der Wasseraufbereitung bezüglich der Koloniezahl kungsrisiko hängt hiernach einerseits von der Anzahl an pro Milliliter zeigen, dass mit Einführung der zentralen Mikroorganismen und deren Virulenz ab sowie anderer- Wasserversorgung mit gefiltertem Wasser in Kalkutta die seits vom spezifischen Immunstatus oder der Abwehrdis- Cholera-Mortalität drastisch absank (Abb. 4) (Exner 2009). position des Wirtes (Alter, Antibiotikatherapie, Vorschädi- gung, medikamentöse Behandlung etc.) sowie der Art und Im Zusammenhang mit der Hamburger Cholera-Epidemie 1892 konnte Koch darüber hinaus zeigen, dass Altona im Intensität der Exposition. Gegensatz zu Hamburg aufgrund der Wasserfiltration, durch die die Koloniezahl des hochkontaminierten Rohwassers aus der Elbe immer auf Konzentrationen von < 100 KBE/ml abgesenkt wurde, auch ein Schutz vor Cholera-Vibrionen und Cholera-Erkrankungen gewährleistet war. Hierauf be- gründet sich die Einführung mikrobiologischer Kriterien wie Koloniezahl < 100 KBE/ml sowie die Anforderung des fehlenden Nachweises von E. coli und coliformen Bak- terien in 100 ml, die um die Jahrhundertwende als Indika- toren für die Wasserqualität eingeführt wurden. Aufgrund der proaktiven hygienisch-mikrobiologischen Un- Abb. 3: Charakterisierung eines infektiologischen Erkrankungs-Risikos tersuchung wurde eine Risikoabschätzung einer Gewäs- ser- und Trinkwasserbelastung prospektiv möglich, bevor Während bei den klassischen Seuchenerregern wie z.B. es zu trinkwasserbedingten Ausbrüchen oder Erkrankun- Cholera, Typhus oder Shigellen-Ruhr der spezifische Im- gen kommt. Zudem ermöglicht eine hygienisch-mikrobio- munstatus oder die Disposition des Wirtes eher eine ge- logische Untersuchung proaktiv die Beurteilung der Effi- ringe Rolle spielt, kommt bei den sogenannten fakultativ- zienz von Maßnahmen zur Aufbereitung des Trinkwassers pathogenen Mikroorganismen, zu denen Legionellen zu und zur Risikominimierung. zählen sind, neben der Anzahl an Mikroorganismen und Der Ausbruch von Pneumonien bei Teilnehmern eines ame- deren Virulenz auch dem spezifischen Immunstatus oder rikanischen Legionärstreffens im Juli 1976 durch einen der Abwehrdisposition des Wirtes eine ganz entscheiden- bis dahin unbekannten Krankheitserreger, an welchen 34 de Bedeutung zu. Teilnehmer verstarben und 221 Teilnehmer erkrankten, Wenn somit in einer Gesellschaft der Anteil der Risiko- sorgte verständlicherweise zunächst für erhebliche Verunsi- population für eine spezifische Infektionskrankheit wie z.B. cherung, da es erst ein halbes Jahr später gelang, die ur- 210 Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009
Übersichtsbeiträge Legionellen in Hausinstallations-Systemen Abb. 4: Darstellung der Cholera Mortalität in Kalkutta in den Jahren 1841-1884 und des Zeitpunktes der Eröffnung der zentralen Wasserversorgung in Kalkutta im Jahre 1869 entsprechend R. Koch und G. Gaffky (1887) Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009 211
Legionellen in Hausinstallations-Systemen Übersichtsbeiträge sächlichen Erreger zu isolieren. Legionellen waren mit den pondierenden Legionella pneumophila Serogruppe 1-Isola- damals bekannten Nachweisverfahren nicht zu isolieren ten aus Wasserauslässen im unmittelbaren Umfeld des Pa- und erforderten neue Nachweistechniken. Diese Kasuistik tienten durch Subtypisierung mit monoklonalen Antikör- zeigte schlaglichtartig, dass die bisherigen Kriterien zur pern verglichen. Die korrespondierenden Umweltisolate hygienisch-mikrobiologischen Überwachung wasserfüh- waren bei neun von zwölf (75%) der von Patienten isolierten render Systeme nicht mehr ausreichend waren und durch Stämme identisch. Dennoch konnte auch bei den drei ver- weitere Verfahren ergänzt werden mussten, um schwer- bleibenden Fällen identische Subtypen aus dem gesamten wiegende Erkrankungen mit zum Teil tödlichem Verlauf Leitungsnetz des Krankenhauses nachgewiesen werden. Im vermeiden zu können (McDade et al. 1977, Fraser et al. Krankenhausversorgungsnetz konnten vier unterschiedli- 1977). che Subtypen von Legionella pneumophila Serogruppe 1 isoliert werden, drei waren mit einer Legionellen-Pneumo- Nachdem am 14. Januar 1977 der Mikrobiologe Joseph nie assoziiert. Von den 453 Wasserproben, die während McDade die Erreger identifizierte, die den Ausbruch unter dieser Studie untersucht wurden, waren 298 (65,8%) Le- den amerikanischen Legionären im Juli 1976 ausgelöst gionella-positiv. Zum damaligen Zeitpunkt wurde von Ruf hatten, wurde in kurzer Zeit eine Fülle von Erkenntnissen et al. (1988) bereits vermutet, dass das Wasserversorgungs- zur Klinik, Epidemiologie, Therapie und zur Ökologie netz innerhalb des Krankenhauses die Ursache für die In- von Legionellen gewonnen (McDade et al. 1977, Edel- fektion war. stein 2005). In einer persönlichen Mitteilung an den Verfasser forderte In Deutschland berichteten Lode et al. 1984 auf einem Lode dazu auf, dass eine verstärkte Erfassung und hygieni- internationalen Kongress: "Aktuelle Aspekte der bakteriel- sche Risikobewertung von Legionellen als wichtigem Er- len und nicht bakteriellen Pneumonie" über die Bedeu- reger nosokomialer und ambulanter Pneumonien seitens tung von Legionellen als Erreger nosokomialer und ambu- der Hygieniker dringend erforderlich sei, um die ausschließ- lant erworbener Pneumonien. Bei Untersuchungen von 110 lich wasserassoziierte Legionellen-Pneumonie durch risiko- intensivmedizinischen Patienten wurde bei 15 Personen regulierende Maßnahmen unter Kontrolle zu bringen. (13,6%) eine Legionellen-Pneumonie festgestellt, von de- nen allein zehn nosokomialer Herkunft waren. Zudem wur- In der Folgezeit kam es zu spezifischen Bekanntmachun- den bei Untersuchungen von 105 ambulant erworbenen gen, Richtlinien, Empfehlungen und Verordnungen zur Risi- Pneumonien in Berlin neun Legionellen-Pneumonien (8,6%) koregulierung, auf die im Folgenden teilweise eingegan- festgestellt. Er folgerte hieraus, dass Legionellen als Erre- gen wird. ger von Pneumonien eine bedeutsame Rolle zumindest im Von Exner und Schulze-Röbbecke wurde 1987 in einem damaligen Westberlin spielten und die bisher mitgeteilten Übersichtsartikel die wichtigsten Infektionsreservoire dar- Inzidenzzahlen aus den USA, England und Italien auch gestellt, die in Abbildung 5 aufgeführt sind (Exner 1987), für die Bundesrepublik Deutschland weitgehend bestätigt mit dem Ziel Strategien für die Kontrolle dieser relevan- werden konnten. Er ging damals bei Erwachsenen von ei- ten Legionellen-Infektionsreservoire zu entwickeln. ner Inzidenz von 8% Pneumonien mit Legionellen-Ätiolo- gie aus und schloss nicht aus, dass Westberlin als ein Le- In einer im Juli 1987 veröffentlichten Empfehlung des Bun- gionellen-Endemiegebiet zu bewerten sei (Lode et al. 1984). desgesundheitsamtes zur Verminderung eines Legionella- Infektionsrisikos wurden die wichtigen damals bekannten Die Ergebnisse von Lode et al. wurden von Ruf et al. wei- Fakten zum Legionella-Infektionsrisiko konzise dargestellt testgehend bestätigt (Ruf et al. 1988, 1989, 1990). In einer (Bundesgesundheitsamt 1987). Die wichtigsten Punkte sind für einen Zeitraum von einem Jahr durchgeführten pros- im Originalzitat zusammengefasst: pektiven Studie wurde bei 28 von 476 Pneumonie-Patien- ten (5,9%) eine Legionellose festgestellt. Eine Legionellen- Auszüge aus den Empfehlungen des Bundesgesundheits- Pneumonie wurde in 5% der 240 untersuchten ambulant amtes aus dem Jahre 1987 erworbenen Pneumonien und in 6,8% der 236 nosokomia- • Die wenigen bisher vorliegenden epidemiologischen Erhebun- len Pneumonien diagnostiziert. 12 (42,8%) der insgesamt gen, die noch nicht verallgemeinerungsfähig sind, sagen aus, 28 Patienten verstarben. In 57,1% war die Legionellen- dass ein erheblicher Prozentsatz aller klinisch relevanten Lun- Pneumonie nosokomial erworben (Ruf et al. 1989). genentzündungen durch Legionellen verursacht worden sind. Von Ruf et al. wurden von Januar 1983-Dezember 1985 • Die Zahl der nicht erkannten Erkrankungen ist hoch. 35 Fälle einer sporadischen nosokomialen Legionellen- • Erkranken kann jeder, Risikopersonen sind jedoch Patienten mit Pneumonie, die alle durch Legionella pneumophila verur- Beeinträchtigungen des körpereigenen Abwehrsystems. sacht wurden, in einem Universitätskrankenhaus diagnos- tiziert. Legionella pneumophila Serogruppe 1 wurde bei • Das Erkrankungsrisiko ist alters- und geschlechtsabhängig (ab zwölf von 35 Fällen kulturell isoliert und mit den korres- etwa dem 50. Lebensjahr deutlich erhöht). 212 Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009
Übersichtsbeiträge Legionellen in Hausinstallations-Systemen Erwärmung und Stagnation des Trinkwassers entsteht und • Legionellen sind natürlicher Bestandteil der Mikroflora des wenn dieses Wasser zu Zwecken verwendet wird, bei denen Wassers. ein lungengängiges Aerosol (z.B. Duschen, Badewannen • Sie können jederzeit in wasserführenden technischen Syste- in Form von Whirlpools) gebildet wird. Grundsätzlich sei men wie der Warmwasserinstallation, Warmsprudelbecken daher anzustreben, Warmwassersysteme so zu errichten sowie offenen und halboffenen Rückkühlwerken gelangen und und zu betreiben, dass eine relevante Legionellenvermeh- vermehren sich bis zu etwa 55°C. rung nicht erfolgt. • Als besonders risikoreich muss die Kombination von Tempera- Zusätzlich wurde auf Desinfektionsmaßnahmen eingegan- turen zwischen 30°C und 50°C mit langen Verweilzeiten ange- gen wie thermische Desinfektion mit mindestens 70°C an sehen werden. den geöffneten Auslässen, Betrieb mit einer freien Chlorkon- • Die epidemiologisch wichtigste Spezies ist Legionella pneumo- zentration von mehr als 1 mg/L bei Warmsprudelbecken. phila. Abschließend heißt es in der Schlussbemerkung: • Die für den Menschen infektiöse Dosis ist bislang nicht bekannt. • Es ist jedoch ersichtlich, dass bereits kurzfristige Expositionen "Da sich die bisherigen Ausbrüche vorwiegend in Hotels und von Gesunden mit kontaminierten Aerosolen für die Entstehung Krankenhäusern ereigneten, sind diese vorrangig zu sanieren bzw. der Legionärskrankheit zum Teil mit Todesfolge ausreichend bei Neubauten entsprechend auszustatten." waren. • Es besteht für verschiedene Legionella-Speziesstämme eine un- Mit dem Vorkommen von Legionellen ist in allen entsprechend war- terschiedliche Virulenz. men Feuchtbereichen sowohl in der Natur als auch in technischen Systemen zu rechnen. Bekämpfungsmaßnahmen mit dem Ziel ei- • Ziel von Präventionsmaßnahmen muss es daher sein, den ner völligen Entfernung von Legionellen sind daher als unrealistisch Legionellen keine günstigen Bedingungen für eine Vermehrung und hygienisch unnötig anzusehen. Die vorliegenden Empfehlun- zu bieten. gen, die mit der Trinkwasserkommission und der Kommission Auf- bereitung und Desinfektion von Schwimm- und Badebeckenwasser Die Präventionsmaßnahmen bezogen sich auf des Bundesgesundheitsamtes abgestimmt worden sind, sollen auf eine drastische Reduzierung des Vorkommens von Legionel- • Trinkwasserversorgung, len in technischen Systemen und damit auf eine Verminde- • Warmsprudelbecken, rung des Infektionsrisikos abstellen." • raumlufttechnische Anlagen. Zur Trinkwasserversorgung heißt es in den Empfehlun- gen, dass hygienisch bedenklich nur eine Vermehrung von Im Dezember 1988 erschien die Anlage: "Anforderungen Legionellen sei, die z.B. erst innerhalb von Gebäuden bei der Hygiene an die Wasserversorgung" der Richtlinie für Abb. 5: Infektionsreservoire von Legionellen nach Exner et al. (1987) Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009 213
Legionellen in Hausinstallations-Systemen Übersichtsbeiträge die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Kran- über hinaus in der Konzeption der raumlufttechnischen kenhausinfektionen, in welcher die entsprechenden Was- Anlage, wobei aufgrund von Kurzschlussverbindungen zwi- ser-assoziierten Risiken einschließlich der durch Legionel- schen Fortluft und Zuluft und unzureichender Filtration len und Präventionsmaßnahmen behandelt werden. Unter eine Verbreitung der Legionellen über die raumlufttechni- anderem heißt es, dass sehr oft die Temperaturen im Warm- sche Anlage als wahrscheinlich anzunehmen war. Die wasserbereich in Krankenhäusern in den für die Vermeh- Legionelleninfektionen führten zur faktischen Schließung rung und das Überleben von Legionellen günstigen Tem- der Klinik, da die entsprechenden Krankenkassen (AOK peraturbereichen liegen. Daher seien an Warmwasserbe- und LVA) keine Patienten mehr in dieser Klinik behandeln reitung, Installation, Betrieb und Überwachung des Warm- ließen. Neben dem hierdurch entstandenen finanziellen wassersystems besondere hygienische Anforderungen zu Verlust kam es zu einer erheblichen Kostenbelastung durch stellen. erforderliche Umbaumaßnahmen. Es war damals davon aus- zugehen, dass durch präventive Untersuchungen der warm- Unter dem Punkt Kontrollen und Untersuchungen wird aus- wasserführenden Systeme eine systemische Kontamination geführt, dass im Krankenhaus routinemäßig Wasserunter- mit Legionellen frühzeitig hätte festgestellt und Erkrankun- suchungen durchzuführen und zu protokollieren sind. Art, gen, Todesfälle und die Schließung der Klinik hätten vermie- Umfang und Häufigkeit regle der Hygieneplan. Mikrobio- den werden können. logische Untersuchungen von Wasser seien insbesondere erforderlich bei Verdacht auf nosokomiale Infektionen (z.B. In dieser Arbeit wurden international erstmalig Orientie- Legionellen im Warmwassersystem, Pseudomonaden in rungsdaten für die Bewertung von Legionellen-Konzent- Beatmungs- und Dialysegeräten). rationen angegeben. Man befasste sich auch kritisch mit dem Wert entsprechender Untersuchungen. Hierzu heißt Einzelheiten zur Beurteilung entsprechender Legionellen- es, dass in der Literatur darauf hingewiesen werde, dass konzentrationen bei Untersuchungen von Wässern im Kran- Routineuntersuchungen nicht sinnvoll seien, da in der kenhaus wurden jedoch nicht gegeben. überwiegenden Mehrzahl Legionellen festgestellt werden Untersuchungen von Langer et al. zum Vorkommen von können. Diese Argumentation sei jedoch differenziert zu Legionellen, Pseudomonas aeruginosa und atypischen My- betrachten. kobakterien in Hausinstallations-Systemen von Altenhei- Bei entsprechenden Routineuntersuchungen gehe es in erster men und Krankenhäusern in einer deutschen Großstadt Linie darum, eine systemische Kontamination im warm- ergaben, dass ein positiver Legionellennachweis zwischen wasserführenden System festzustellen. Ist ein System sys- 1 KBE/L-500 KBE/ml in 65% der untersuchten Systeme temisch mit Legionellen kontaminiert, kann auch durch (N = 82) vorlag und eine systemische Legionellenkontami- ein Ablaufenlassen des Wassers am Zapfhahn oder einer nation in 59% ermittelt werden konnte. Am häufigsten Dusche keine Verringerung der Legionellenkontamination konnte Legionella pneumophila der Serogruppe 1, 6 und 8 erreicht werden. in den 53 kontaminierten Hausinstallations-Systemen nach- gewiesen werden (Langer et al. 1990). Ziel entsprechender Untersuchungen müsse es sein, Kon- Ebenfalls 1990 berichten Exner et al. (Exner et al. 1990) zentrationen von Legionellen in einem Warmwassersystem über nosokomiale Legionellen-Infektionen im Zusammen- auf unter 1 KBE/ml abzusenken, in Risikobereichen sollten hang mit einer systemischen Legionellenkontamination des keine Legionellen in einem Liter nachweisbar sein. Hausinstallations-Systems und Erfahrungen zur Sanierung. Hierbei konnten nach Feststellung erhöhter Legionellen- Diese Orientierungswerte bemaßen sich an den in den Kli- konzentrationen von mehr als 100 KBE/ml im gesamten niken festgestellten Konzentrationen, die wie in dem Fall warmwasserführenden Hausinstallations-System einer ju- der ersten Klinik auch bei gesunden Jugendlichen zu Infek- gendpsychiatrischen Klinik bei Patienten Legionelleninfek- tionen geführt hatten. Dies bedeutete, dass, anders als bei tionen nachgewiesen werden. Bei den Patienten handelte einer toxikologischen Ableitung, wo von einem 'no observ- es sich um körperlich gesunde Patienten, die primär we- ed effect level' (NOEL) oder von einem 'no observed adver- gen psychiatrischer Krankheitsbilder in Behandlung wa- se effect level' (NOEAL) ausgegangen wird, nachweislich ren. Zusätzlich wurde in dieser Arbeit über eine 1989 be- bei Konzentrationen von mehr als 100 KBE Legionellen/ml zogene Reha-Klinik berichtet, in der es zu insgesamt zehn Infektionen manifest geworden waren. Der genannte Ziel- nosokomialen Legionellenerkrankungen (u.a. beim Per- wert für eine Absenkung der Legionellenkonzentration in sonal) mit drei Todesfällen kam (Nechwatal et al. 1993). warmwasserführenden Systemen auf 1 KBE/ml und einem Bei Patienten konnten gleiche Serovarietäten (Serogruppe 1) fehlenden Nachweis in Risikobereichen von < 1 KBE Legio- von Legionella pneumophila wie im warmwasserführen- nellen/L war unter Berücksichtigung von Sicherheitsfakto- den System nachgewiesen werden. Mängel bestanden dar- ren erfolgt und erscheint auch aus heutiger Sicht zur Ge- 214 Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009
Übersichtsbeiträge Legionellen in Hausinstallations-Systemen fahrenabwehr sinnvoll. Die Orientierungswerte sind in Ta- men nachgewiesen werden. Trotz bestehender Empfehlung belle 1 aufgeführt. Die somit aufgestellten Orientierungs- zur Vermeidung und Verminderung von Legionellenbe- daten bezogen sich auf Erkenntnisse im Zusammenhang siedlungen sind Unsicherheiten jedoch vorhanden über mit aufgetretenen Legionellenerkrankungs-Ausbrüchen bzw. • das gegebene Gesundheitsrisiko bei Nachweis von Le- Todesfällen und haben sich in der Folgezeit bei der Beurtei- gionellen in wasserführenden Systemen, lung der Kontaminationen von Hausinstallationen und zur • den Umfang der Maßnahmen im Einzelfall, Erkennung von Infektionsrisiken grundsätzlich bewährt. • die Intensität und den Umfang prophylaktischer Maß- Diese Orientierungsdaten wurden im März 1991 im Rah- nahmen. men der Marburger Gespräche zur Krankenhaushygiene Die Teilnehmer des Expertenkreises waren sich darin einig, intensiv diskutiert und in einer Resolution als Empfeh- dass die vorgegebene Einteilung orientierend ist. Obwohl lung zur Bewertung und Sanierung bei Legionellennach- es derzeit nur wenig genügend gesicherte Daten über das weis im gesamten Wassersystem (systemische Besiedlung) Verhältnis Keimzahl/Infektion gibt, kann auf präventive veröffentlicht (Marburger Gespräche zur Krankenhaus- Maßnahmen nicht verzichtet werden. Die Einzelsituation hygiene 1991). Es heißt hierin: muss jedoch in jedem Fall berücksichtigt werden. "Hierbei zeigt sich aufgrund der Untersuchungen der ver- Da der sichere Ausschluss einer Besiedlung von Legionellen gangenen Jahre, dass Legionellen in vielen Wassersyste- in wasserführenden Systemen oder die Vermeidung einer Tabelle 1: Beurteilung und Maßnahmen bei Legionellen-Nachweis im gesamten Warmwassersystem in Abhängigkeit von der Anzahl der Legionellen- KBE/ml nach dem Kenntnisstand von 1990 (Exner et al. 1990) Legionellen, KBE/ml Interpretation Maßnahmen > 10/ml – akutes Infektionsrisiko anzunehmen 1. Sofortmaßnahmen – Sofortmaßnahmen inbes. zur Verrin- – Verringerung der Aerolisierung (Duschköpfe und gerung der Aerolisierung veranlassen Perlatoren entfernen) – kurzfristige Sanierung nach Abklärung – Verbot der Verwendung des Wassers zum Betrieb der Gegebenheiten des Wasser- und Reinigung med.-technischer Geräte und zur Atemwegsanfeuchtung systems veranlassen – Beschränken des Duschens auf absolut – mittelfristige Maßnahmen entspre- notwendiges Maß chend BGA-Empfehlung und Anlage 2. – Begutachtung des wasserführenden Systems 3. kurzfristige Sanierung zur Reduktion der Legionellen- KBE/ml (< 10 KBE/100 ml) – Reinigung und Entschlämmen – thermische Sanierung oder – Hochchlorung 4. mittelfristige Maßnahmen – s. BGA-Empfehlung und Anlage zur Richtlinie 5. Kontrolle der Wasserqualität 6. retrospektive und prospektive epidemiologische Analyse von fieberhaften respiratorischen Infektionen < 10/ml - 10/100 ml – potenzielles Infektionsrisiko nicht – Verbot der Verwendung des Wassers zum Betrieb auszuschließen und Reinigung med.-techn. Geräte und zur – es besteht Handlungsbedarf Atemwegsanfeuchtung – Detailkontrolle an Endsträngen in Risikobereichen – Begutachtung des wasserführenden Systems – hiernach Entscheidung über Art einer möglichen Sanierung (Hochchlorung, thermische Behandlung, Netzreinigung etc.) – mittelfristige Maßnahmen entsprechend BGA- Empfehlung und Anlage – Kontrolle der Wasserqualität < 10/100 ml -
Legionellen in Hausinstallations-Systemen Übersichtsbeiträge Wiederbesiedlung nach Sanierungsmaßnahmen nicht mög- • Wasser aus Anlagen der Hausinstallation, u.a. Warmwas- lich ist, sind sowohl gezielte (Ortsbesichtigung) als auch sersysteme und Wasser aus Trinkwasservorratsbehältern generell prophylaktische Maßnahmen sowie regelmäßige (z.B. auf Koloniezahl und spezielle Erreger wie E. coli, P. hygienische Untersuchungen erforderlich. aeruginosa. Legionella spp.) in halbjährlichem Abstand Die quantitative und qualitative Untersuchung der Wasser- • Wasser aus Trinkwasserbehandlungsanlagen, besonders proben auf Legionellen ist in der Regel nur in medizini- solche, die nach dem Ausfällungs-, Filtrations- oder Aus- schen Hygiene-Instituten oder Landesuntersuchungsämtern tauscherprinzip arbeiten (z.B. auf Koloniezahl, P. aerugi- durchzuführen. Eine Bewertung der Ergebnisse setzt die nosa) in halbjährlichem Abstand Kenntnis der Örtlichkeit bzw. des Hausinstallations-Sys- • Wasser für Dialysegeräte (z.B. auf Koloniezahl, P. aerugi- tems voraus. Es wird eine mindestens jährliche Kontrolle nosa) in halbjährlichem Abstand auf Legionellen im Warmwasserbereich von Krankenan- • Wasser für Sprühlanzen, Mundduschen und Turbinen- stalten und Altenpflegeheimen für notwendig gehalten. In sprays, insbesondere in zahnärztlichen Einheiten (z.B. Abhängigkeit vom bakteriologischen Befund können ggf. auf Koloniezahl, P. aeruginosa, Legionella spp.) in halb- kürzere Zeitabstände der Kontrollen erforderlich werden." jährlichem Abstand Untersuchungen auf der Grundlage dieser Orientierungs- werte, über die Exner et al. 1993 berichteten, zeigten, dass Konkrete Richtwerte oder Orientierungswerte wurden je- mit einer systemischen Kontamination von Hausinstalla- doch in dieser Empfehlung ebenso nicht genannt, sodass tions-Systemen in 63% der Kliniken und Krankenhäuser nur die bisherigen Orientierungswerte existierten, die von (N = 73), in 36% der Altenpflege- und Behindertenheime Exner et al. 1990 und vom Marburger Krankenhaushy- (N = 77), in 73% der Betriebsgebäude mit Kauen (N = 11), giene-Arbeitskreis genannt wurden. in 65% der Hallen- und Freibäder (N = 31) und in 35% 1993 wurden von dem Deutschen Verein des Gas- und der Verwaltungsgebäude (N = 20) zu rechnen sei. Wasserfachs (DVGW) die Arbeitsblätter W 551-552 her- In 50% der 46 untersuchten Kliniken und Krankenhäuser ausgegeben, die sich mit den technischen Maßnahmen zur konnte eine systemische Kontamination des Hausinstalla- Verminderung des Legionellenwachstums (W 551-1993) tions-Systems mit mehr als 10.000 Legionellen/L festge- sowie mit Betrieb (April 1996) befassten. Hierin wurden basierend auf den Orientierungswerten Empfehlungen für stellt werden. Maßnahmen bzw. erweiterte Untersuchungen gegeben. In Im Jahre 1993 wurde schließlich die Anlage zu Ziffer 5.6 Abhängigkeit von den Konzentrationen wurden Aussagen der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprä- über die Höhe des Kontaminationsgrades, die notwendi- vention: "Hygienische Untersuchungen in Krankenhäusern gen Maßnahmen und die weitergehende Untersuchung und anderen medizinischen Einrichtungen" veröffentlicht. gegeben. Die Bedeutung dieses DVGW-Arbeitsblattes lag Hierin heißt es, dass hygienische Untersuchungen von Was- einerseits in der Übernahme der 1990 und 1991 aus hygi- ser an festzulegenden Probenahmestellen durchzuführen enisch-medizinischer Sicht etablierten Orientierungswerte seien. und den darauf basierenden technischen Maßnahmen. Wasser aus Anlagen der Hausinstallation, u.a. Warmwas- Die DVGW-Arbeitsblätter als allgemein anerkannte Regel sersysteme und Wasser aus Trinkwasservorratsbehältern der Technik haben dazu geführt, dass insbesondere das Problembewusstsein auch im Bereich von Planungs- und sollten in halbjährlichem Abstand auf Koloniezahl, E. coli, Sanitärgewerbe deutlich verbessert werden konnte und in Pseudomonas aeruginosa und Legionella spp. untersucht zunehmendem Maße Hausinstallations-Systeme errichtet werden. Hierin heißt es: wurden, die aufgrund der Vorgaben der DVGW-Arbeits- blätter in der Lage waren, Konzentrationswerte von we- Hygienische Untersuchungen von Wasser an festzulegen- niger als 1 KBE Legionella spec./ml sicherzustellen. Die den Probeentnahmestellen DVGW-Empfehlungen – obwohl technische Empfehlung – bedeuteten einen Durchbruch in der Risikokommunika- Hierzu zählen entsprechend der Anlage zu Ziffer 4.4.6 und tion, standen hiermit für Betrieb und Wartung von Haus- 6.7 der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektions- installations-Systemen technische Orientierungswerte zur prävention: "Anforderungen der Hygiene an die Wasser- Verfügung, um den Betriebs- und Wartungszustand eines versorgung" Hausinstallations-Systems mit beurteilen zu können und Hygienische Untersuchungen zur Verhütung von Infektio- hatten eine ähnliche Durchschlagskraft wie seinerzeit die nen und anderen Gesundheitsbeeinträchtigungen Einführung der Koloniezahl durch Robert Koch zur Beur- teilung der Effizienz einer Wasserfiltration und Wasserauf- 216 Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009
Übersichtsbeiträge Legionellen in Hausinstallations-Systemen bereitung. Diese technische Regel war bezüglich der Nen- sen, wurden seit 1998 konzentrationsabhängige Anforde- nung von technischen Legionellen-Maßnahmewerten zum rungen für das Vorkommen von Krankheitserregern in Was- damaligen Zeitpunkt einmalig. ser für den menschlichen Gebrauch einschließlich Legio- nellen eingeführt. Die beiden Arbeitsblätter wurden im April 2004 überar- beitet und in einem Arbeitsblatt W 551 zusammengeführt Diese Anforderungen wurden mit der Trinkwasser-Verord- (DVGW 2004). nung 2001 ab 2003 in Deutschland in geltendes Recht umgesetzt. Dabei wurden die Probenahmestellen bei der orientieren- den und der weitergehenden Untersuchung sowie Bewer- Zusätzlich wurde im Infektionsschutzgesetz 2001 eine Mel- tung, Maßnahmen, weitergehende Untersuchungen sowie depflicht für Legionella-Infektionen eingeführt. Nachuntersuchungen zusammengefasst. Zum Nachweis von Legionellen wurden 1998 die ISO Für Krankenhäuser gelten entsprechend den Empfehlun- 11731 und die ISO CD 11731-2 beschrieben, diese Metho- gen des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trink- den wurden im Bundesgesundheitsblatt 1999 42:650-656 wasserkommission die Kriterien für weitergehende Unter- veröffentlicht. suchungen; zudem müssen in Krankenhäusern spätestens Ebenfalls wurden im Bundesgesundheitsblatt 2000 die nach einem einjährigen Intervall Untersuchungen vorge- Empfehlungen des Umweltbundesamtes zum Nachweis nommen werden (Umweltbundesamt 2006). von Legionellen in Trinkwasser und Badebeckenwasser 1997 wurden die technischen Regeln für Schwimmbäder nach Anhörung der Trink- und Badewasserkommission – allgemeine Anforderungen: Aufbereitung von Schwimm- veröffentlicht. und Badebeckenwasser der DIN 19643 – herausgegeben und Empfehlungen für die hygienische Kontrolle von 2004 wurden die Arbeitsblätter W 551/2 überarbeitet und Schwimmbädern durch die Gesundheitsbehörden, worin in ein Arbeitsblatt W551 zusammengeführt (DVGW 2004). ebenso Anforderungen genannt wurden. 2006 wurde seitens des Umweltbundesamtes nach Anhö- Im Flockungsfiltrat bei einer Beckenwassertemperatur von rung der Trinkwasserkommission die Stellungnahme "Pe- > 23°C soll Legionella pneumophila in 100 ml nicht nach- riodische Untersuchung auf Legionellen in zentralen Er- weisbar sein. Für Beckenwasser von Warmsprudelbecken wärmungsanlagen der Hausinstallation nach § 3 Nr. 2 sowie Becken mit zusätzlichen aerosolbildenden Wasser- Buchstabe c TrinkwV 2001, aus denen Wasser für die Öf- kreisläufen und Beckentemperaturen > 23°C soll Legionella fentlichkeit bereitgestellt wird" herausgegeben, worin die pneumophila in 1 ml nicht nachweisbar sein. Anforderungen der Trinkwasserkommission präzisiert wur- den (Umweltbundesamt 2006). 1998 wurden die "Hygiene-Anforderungen an Raumluft- technische Anlagen und Geräte" (VDI-Arbeitsblatt 6022) herausgegeben und im April 2006 grundlegend revidiert. 3 Aktuelle epidemiologische Charakteristika In dieser Richtlinie werden für Umlaufwasser in Luftbe- feuchtern von raumlufttechnischen Anlagen < 100 KBE von Legionellosen in Deutschland Legionella spp./100 ml und für Wasser in Rückkühlwerken 3.1 Allgemeine epidemiologische Charakterisierung < 1.000 KBE Legionella spp./100 ml genannt. 1998 wurde die Richtlinie 98/83/EG des Rates über die In der Diskussion zur Bedeutung von Legionellosen wur- Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch veröf- de zum Teil die epidemiologische Bedeutung von Legio- fentlicht, in welcher gefordert wird, dass im Wasser für nellosen infrage gestellt. den menschlichen Gebrauch Krankheitserreger nicht in Konzentrationen enthalten sein dürfen, die eine Schädi- In einer Mitteilung des Robert Koch-Instituts (Epidemiolo- gung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen. gisches Bulletin 2005) wird auf die sogenannte Capnetz- Studie Bezug genommen. Hiermit wird zum ersten Mal eine Konzentrationsabhän- gigkeit für Krankheitserreger und chemische Schadstoffe Es heißt hierzu: "Hiernach geht man davon aus, dass in eingeführt. Damit bekam der Konzentrationsbezug für die Deutschland etwa 4% aller ambulant auftretenden Pneu- Untersuchung von Legionellen in Hausinstallations-Sys- monien durch Legionellen verursacht werden. Bei jähr- temen eine rechtliche Grundlage. Durch die Aufnahme lich etwa 500.000 ambulanten Pneumonien wären somit des Hausinstallations-Systems und der Forderung, dass die rund 20.000 Fälle der Legionärskrankheit zuzuschreiben. Anforderungen an die Wasserqualität am Austritt aus den- Die an das RKI übermittelten Fälle von Legionärskrankheit jenigen Zapfstellen, die der Entnahme von Wasser für den nach nachgewiesenen Erregerspezies bzw. Serogruppen menschlichen Gebrauch dienen, eingehalten werden müs- zeigten, dass 81,9% der mitgeteilten Spezies zu Legionella Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009 217
Legionellen in Hausinstallations-Systemen Übersichtsbeiträge pneumophila Serogruppe 1 gehören, 9,4% zu Legionella Urin-Antigentest nachgewiesen werden, ermittelt werden. pneumophila anderer Serogruppen. Bei der Interpretation Bei Patienten, deren Erkrankung durch den Urin-Antigen- dieser Daten muss berücksichtigt werden, dass dieses Ergeb- test nachgewiesen wurde, konnten schwerere Verläufe fest- nis durch den häufig verwendeten Urinantigen-Nachweis gestellt werden. 30% der Patienten mit Legionella pneumo- zum Nachweis von Legionellen beeinflusst wird, wodurch phila-Pneumonie erhielten eine diskordante initiale antimi- in der Regel nur Legionella pneumophila der Serogruppe 1 krobielle Therapie. Die Autoren schlussfolgerten: nachgewiesen wird und für andere Serogruppen bzw. Spe- zies nur wenig sensitiv sind. • Legionella ist eine führende Ursache der ambulant er- In 277 der 483 übermittelten Erkrankungsfälle (57,3%) worbenen Pneumonie in Deutschland. war mindestens eine Angabe zu einer Exposition inner- • Eine Legionellose muss sowohl bei hospitalisierten als halb der zehn Tage vor Erkrankungsbeginn genannt. An auch nicht hospitalisierten Patienten differentialdiagnos- erster Stelle wurde mit 46,9% der Privathaushalt als mög- tisch berücksichtigt werden. licher Infektionsort genannt, gefolgt von der Übernach- • Das positive Ergebnis eines Urin-Antigentestes ist mit tung im Hotel (30,3%). An dritter Stelle stand mit 16,7% einem schwereren klinischen Verlauf assoziiert. der stationäre Aufenthalt in einem Krankenhaus, wobei • Der Urin-Antigentest führt zu einer möglicherweise re- dies im Jahr 2005 nur bei 11% der mitgeteilten Legionel- levanten Unterschätzung von Spezies, die nicht zu losen der Fall war. Legionella pneumophila gehören. Die labordiagnostische Bestätigung der hier genannten • Die Legionellen-Pneumonie bei ambulanten Patienten Exposition mittels Nachweis einer Legionellenkontamina- unterscheidet sich signifikant von hospitalisierten Pati- tion in den Wassersystemen der jeweiligen Einrichtungen enten hinsichtlich klinischer Präsentation und Ausgang. oder Privathaushalte wird jedoch nicht systematisch über- • Derzeit besteht in Deutschland eine nicht akzeptable mittelt und lag nur in vereinzelten Fällen vor. Hier be- hohe Rate einer diskordanten initialen antimikrobiellen steht erheblicher Verbesserungsbedarf, da diese Daten für Therapie. die Verbesserung der Prävention und Kontrolle von Legio- nellosen von erheblicher Bedeutung sind. Es spricht wei- terhin dafür, dass bei festgestellten Legionellosen nur eine Nach Angaben des Robert Koch-Institutes (Stocker et al. unzureichende Abklärung im Hinblick auf die mögliche 2009) treten nach Daten des Kompetenznetzwerkes für Infektionsquelle in Deutschland durchgeführt wird." ambulant erworbene Pneumonien (Capnetz), die zwischen Die Letalität bei nosokomialen Infektionen wird bezogen 2002 und 2005 gesammelt wurden, jährlich schätzungs- auf die Jahre 2005 und 2006 mit 19,5% angegeben, wo- weise 15.000-30.000 ambulant erworbene Fälle von Le- hingegen sich für die nicht nosokomial erworbenen Er- gionärskrankheit in Deutschland auf. Dies entspricht ei- krankungen im gleichen Zeitraum eine Letalität von 6,6% ner geschätzten jährlichen Inzidenz von 18,2-36,4 Fällen/ ergibt. Dies bedeutet, dass das Risiko, an einer nosokomial 10.000 Einwohner. erworbenen Legionärskrankheit zu sterben, rund dreimal Nach Auswertung der dem Robert Koch-Institut in den so hoch ist. Die höhere Letalität wurde dabei auf die deut- Jahren 2004-2006 übermittelten Fälle von Legionärskrank- lich anfälligere Risikopopulation im Krankenhaus (oftmals heit mit insgesamt 1.339 Fällen konnten bei 942 Fällen ältere, multimorbide Patienten mit schwerwiegenden Grund- Angaben zu einer der drei Expositionsarten (nosokomiale krankheiten) zurückgeführt. Legionellose, ambulant erworbene Legionellose – im pri- Weitere Ergebnisse zur Epidemiologie ambulant erworbe- vaten oder beruflichen Umfeld erworben – sowie reiseasso- ner Legionellen-Pneumonien wurden von von Baum et al. ziierte Fälle von Legionärskrankheit) verwertet werden. (2008) publiziert. Bei Untersuchung von 2.503 erwachse- Die ambulant erworbenen Legionellosen traten mit einem nen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie konn- Anteil von 58% (547 Fälle) am häufigsten auf, gefolgt te eine Legionellen-Pneumonie in 3,8% festgestellt wer- von reiseassoziierten Legionellosen mit 29% (270 Fälle). den, weswegen Legionella spezies als einer der am häufigs- An dritter Stelle folgte mit 13% (125 Fälle) die nosoko- ten erworbenen Krankheitserreger für ambulant erworbene mialen Legionellosen. Pneumonien von den Autoren eingestuft wurden. In dieser Untersuchung lag die Häufigkeit für ambulant behandel- Nosokomiale Legionellosen wiesen mit 13% die höchste Letalität auf, gefolgt von ambulant erworbenen Legionel- te und hospitalisierte Patienten in ähnlicher Größenord- losen mit 9% und reiseassoziierten Legionellosen mit 5%. nung (3,7 und 3,8% respektive). Die überwiegende Spezi- es war Legionella pneumophila, dennoch konnten bei 10% Die insgesamt 1.339 gemeldeten Fälle entsprechen nur etwa der Fälle andere Legionellen-Spezies, die nicht durch den 2% der nach dem Capnetz geschätzten Fälle im Erfassungs- 218 Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009
Übersichtsbeiträge Legionellen in Hausinstallations-Systemen zeitraum. Dies bedeutet, dass 98% der aufgetretenen Legio- niertes Duschwasser wurde bei einigen Erkrankten als eine nellosen trotz bestehender Meldepflicht nicht erfasst werden. wahrscheinliche Infektionsursache angesehen. Ein eindeu- tiger Infektionsweg konnte seinerzeit aber nicht ermittelt Die Gründe hierfür müssen u.a. in der unzureichend einge- werden. leiteten Diagnostik gesucht werden, da offensichtlich zahl- reiche Pneumonien ohne diagnostische Absicherung pro- Aus Schleswig-Holstein wurde ein Legionellose-Ausbruch batorisch antibiotisch behandelt werden. in einem Universitätsklinikum mit drei beteiligten Patien- ten übermittelt. Die nach erfolgter Nierentransplantation Nach Einschätzung des Robert Koch-Institutes liegt die immunsupprimierten Patienten erkrankten in den Mona- für Deutschland anhand der Meldungen berechnete Inzi- ten November/Dezember 2003. Die Infektion erfolgte nach denz gemeldeter Legionärskrankheiten niedriger als im Angaben der übermittelnden Stellen ebenfalls über Legio- europäischen Durchschnitt und – nach aktuellen Schätzun- nellen-kontaminiertes Trinkwasser des Krankenhauses. gen – vermutlich erheblich unter der tatsächlichen Krank- heitslast. Zwischen Februar 2004 und Juli 2004 wurden fünf Erkran- kungsfälle aus einem Krankenhaus der Regelversorgung Angesichts des Präventionspotentials vor allem bei reiseas- in Sachsen an das RKI übermittelt. Auch hier wurde als soziierten nosokomialen Erkrankungen sind nach Einschät- Infektionsursache das Wasserleitungssystem im Kranken- zung des Robert Koch-Institutes zu geringe Meldezahlen haus angegeben, das daraufhin saniert wurde. nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern auch vergebene Chancen, weitere Fälle zu verhindern (Stocker et al. 2009). Ein weiterer Legionellen-Ausbruch ereignete sich in einem Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen. Im April/Mai 2006 erkrankten dort nach Umbauarbeiten am Hausinstallations- 3.2 Legionellen-Ausbrüche System mehrere Patienten. Fünf Erkrankungsfälle wurden an das RKI übermittelt, einer dieser Patienten verstarb. Die Analyse von in Deutschland aufgetretenen Legionel- Aus diesem Grunde wurden dezidierte Empfehlungen einer lose-Ausbrüchen zeigte, dass diese meist im Zusammen- Expertenanhörung im Bundesgesundheitsblatt 2006 ver- hang mit Neubauten und Umbauten des Hausinstallations- öffentlicht (N.N. 2006). Systems assoziiert waren. Von 2003-2006 wurden im Meldesystem des RKI insgesamt 18 Legionellose-Ausbrüche erfasst, die zusammen 69 Ein- 4 Regulatorische Aspekte zelfälle umfassen, was einem Anteil von 4,2% an den Ge- samterkrankungen in diesem Zeitraum entspricht. Davon 4.1 Allgemeine Aspekte wurden fünf nosokomiale Ausbrüche mit jeweils 3-7 Er- krankten, entsprechend 17% aller nosokomialer Legionel- Hinsichtlich der Infektionsreservoire müssen neben Haus- losen in den Jahren 2003–2006, registriert. Acht weitere installations-Systemen Rückkühlwerke und Warmsprudel- Ausbrüche mit 2–6 Fällen wurden im Zusammenhang mit becken berücksichtigt werden. Von Bedeutung ist, dass für Reisen übermittelt (davon drei nach Inlands- und fünf nach Hausinstallations-Systeme und Warmsprudelbecken dezi- Auslandsreisen). Fünf Ausbrüche mit 2–5 Fällen ließen sich dierte Richtlinien und Orientierungswerte für Legionellen der Kategorie ambulant erworbene Legionellosen zuordnen. bestehen, wohingegen technische Rückkühlwerke in Deutsch- land im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nicht Insgesamt wurden 25 Erkrankungen im Zusammenhang systematisch unter Aufsicht einer Gesundheitsbehörde hin- mit einer nosokomialen Häufung übermittelt. Die Fälle sichtlich einer Kontamination mit Legionellen untersucht stammen aus den Bundesländern Brandenburg, Nordrhein- werden. Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Aus risikoregulatorischer Sicht sind folgende Fakten von Zwei dieser Häufungen ereigneten sich im Neubau eines Bedeutung: Brandenburger Klinikums der Schwerpunktversorgung im • Legionellosen sind von hoher epidemiologischer Be- Dezember/Januar 2002/2003 sowie im Juni/Juli 2003. Ins- deutung. gesamt waren zwölf Patienten betroffen, sieben Patienten • Trotz bestehender Meldepflicht ist eine erhebliche Un- bei der ersten Häufung bzw. fünf Patienten bei der zwei- tererfassung gegeben, wobei nur 2% der auftretenden ten Häufung. Legionellosen tatsächlich gemeldet werden. Als Ursache wurde für die Mehrzahl der Fälle bei beiden • Neben Hausinstallations-Systemen existieren weitere Ausbrüchen eine Legionellenkontamination im Hausinstal- relevante Infektionsreservoire wie Rückkühlwerke, die lations-System des neu errichteten Bettenhauses angenom- bei Risikomanagementmaßnahmen zu berücksichtigen men. Die Inhalation oder Mikroaspiration über kontami- sind. Umweltmed Forsch Prax 14 (4) 2009 219
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