Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie - Deloitte

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Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie - Deloitte
Durch Sektorenkopplung zu
einer dekarbonisierten und
nachhaltigen Ökonomie
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Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Die Elektrifizierung der Wirtschaft als Grundlage
für Klimaneutralität                                                                 04
Auswirkungen auf das energiewirtschaftliche System                                   06
Implikationen für die Bereiche Verkehr,
Industrie und Wärme                                                                  10
 Verkehrssektor                                                                      12
 Industrie                                                                           16
 Wärmesektor                                                                         20
Unternehmensindividuelle Herausforderungen der
Sektorenkopplung managen                                                             24
Fazit                                                                                30

                                                                                               03
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie - Deloitte
Die Elektrifizierung der
Wirtschaft als Grundlage
für Klimaneutralität
Die Bundesregierung unterstützt das Ziel,    Abb. 1 – Endenergieverbrauch 2018 nach Sektoren1
den Anstieg der globalen Durchschnittstem-
peratur im Vergleich zu 1990 auf 1,5° C zu
begrenzen. Aufgrund des dringend gebo-
tenen Handlungsbedarfs zur Eindämmung
der Klimaerwärmung werden Konzepte zur
Dekarbonisierung der Energiesysteme mit
Nachdruck verfolgt. Da in Deutschland rund                    Verkehr                                            Industrie
85 Prozent der klimarelevanten Emissionen                     751 TWh                                             736 TWh
auf die Bereitstellung von Endenergie
entfallen, liegt hier der entscheidende
                                                               30,1%                                               29,5%
Hebel zur Verbesserung der deutschen
Klimabilanz.

Abbildung 1 zeigt den Endenergiever-
brauch (EEV) 2018, aufgeteilt nach den
Sektoren Verkehr, Industrie, Haushalte
sowie Gewerbe/Handel/Dienstleistungen.
Neben der Steigerung der Energieeffizienz
(„Efficiency first“) müssen zur Erreichung
der Klimaziele in allen Sektoren fossile
Energieträger stärker durch erneuerbare
Energien substituiert werden.                                                                            Gewerbe, Handel,
                                                            Haushalte
                                                                                                         Dienstleistungen
                                                             636 TWh
                                                                                                             375 TWh
                                                              25,4%
                                                                                                              15,0%

04                                               1
                                                     Umweltbundesamt, „Energieverbrauch nach Energieträgern und Sektoren“, abgerufen am 23.11.2020.
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Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Die Sektoren mit dem größten Energiever-                   sätzlich die Technologieoffenheit der                    Mit dieser – aus Sicht des Klimaschutzes –
brauch in Deutschland sind der Verkehr                     „Energiewende“ betont und die Rahmen-                    nutzbringenden physikalischen Eigenschaft
und die Industrie, auf die insgesamt                       bedingungen oft auch von diesem Leitsatz                 geht die Notwendigkeit einher, die Prozesse
ca. 60 Prozent des Endenergieverbrauchs                    geprägt sind, wird die Energiewende                      in Unternehmen und privaten Haushalten
entfallen. Dabei sind fossile Kraftstoffe                  bislang faktisch eher als Stromwende und                 in stärkerem Maße zu elektrifizieren. Zwei
und Erdgas die beiden Energieträger über                   somit als fokussierter sektoraler Ansatz                 zentrale Fragestellungen tun sich in diesem
alle Sektoren hinweg, die mit Abstand den                  und – entgegen politischer Verlautba-                    Zusammenhang auf:
größten Anteil zur Endenergieversorgung                    rungen – nicht als sektorübergreifende
beitragen. Strom als Energieträger deckt                   Systemintegration verstanden. Letztere                   • Welche Bereiche und Prozesse lassen
lediglich ca. 21 Prozent des Endenergie-                   hat aber eben nicht nur die innersekto-                    sich heute oder morgen aus technischer,
bedarfs.                                                   rale Optimierung im Blick, sondern zielt                   wirtschaftlicher und regulatorischer Sicht
                                                           darauf, das energetische Potenzial und                     sinnvoll elektrifizieren?
„Weg von nuklearen und fossilen Brenn-                     die Flexibilität des einen Sektors auch
stoffen, hin zu erneuerbaren Energien                      für andere Sektoren nutzbar zu machen.                   • Welche Möglichkeiten haben Unterneh-
und mehr Energieeffizienz“ – das ist das                   Insofern ist gerade die Sektorenkopplung,                  men und private Haushalte, sich in die
erklärte Ziel der Bundesregierung und der                  also die Verknüpfung von Strom- und                        Sektorenkopplung einzubringen bzw. wel-
Energiewende. Um dies zu erreichen, soll                   (Erdgas-)Wärmeversorgung, Mobilität                        che Chancen ergeben sich beim Einstieg
die Energieversorgung zunehmend auf                        und industriellen Prozessen sowie deren                    in den Energiemarkt, zusätzliche Erlöse
erneuerbare Energien umgestellt werden.                    Infrastrukturen, der Schlüssel für eine                    zu erschließen oder gar neue Geschäfts-
Erneuerbarer, „grüner“ Strom spielt dabei                  erfolgreiche Energiewende. Folglich räumt                  modelle zu entwickeln?
in Deutschland eine zentrale Rolle. Ins-                   die Bundesregierung dem Konzept der
besondere hier wurde der Ausbau in den                     Sektorenkopplung im „Integrierten Nati-                  Der Beantwortung dieser beiden zentralen
letzten Jahren bereits stark vorangetrieben.               onalen Energie- und Klimaplan“, im „Kli-                 Fragenstellungen soll in den folgenden
Der Anteil der erneuerbaren Energien an                    maschutzplan 2050“ sowie im „Grünbuch                    Kapiteln nachgegangen werden.
der Gesamtstromerzeugung betrug 2019                       Energieeffizienz“ eine hohe Bedeutung zur
bereits 42,1 Prozent, was auch eine Folge                  Erreichung der ambitionierten klimapoliti-
des massiv geförderten Ausbaus der Wind-                   schen Ziele ein.3
und Solarenergie ist.
                                                           Im Zuge der schrittweisen Substitution
Anders stellt sich jedoch die Situation mit                fossiler Energieträger wird Strom aus
Blick auf die Gesamtenergiebereitstellung in               erneuerbaren Energien in Zukunft
Deutschland dar. Hier liegt der Beitrag der                der bedeutsamste Energieträger sein.
erneuerbaren Energieträger am Endener-                     Einerseits stehen mit Photovoltaik- und
gieverbrauch bei lediglich ca. 15 Prozent.                 Windkraftanlagen etablierte Technologien
Somit besteht in Deutschland noch großes                   zur Verfügung, die in Deutschland noch
Potenzial zur Senkung der Treibhausgas-                    ausschöpfbares Potenzial zeigen und
emissionen.                                                deren Ausbau auch weiterhin politisch
                                                           vorangetrieben wird. Andererseits lässt
Zentrales Ziel der Energiewende ist eine                   sich Strom physikalisch sehr gut in andere
auf das Jahr 1990 bezogene Reduktion des                   Energieformen wie Wärme oder mechani-
Treibhausgasausstoßes um 55 Prozent                        sche Arbeit wandeln und ist daher für eine
bis zum Jahr 20302 und um 80–95 Prozent                    sektorübergreifende Nutzung geradezu
bis zum Jahr 2050. Hierbei ist zu betonen,                 prädestiniert.
dass dieses ambitionierte Ziel die gesamte
Energieversorgung betrifft. Obwohl die
Politik auf EU- und Bundesebene grund-

2
    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „Integrierter Nationaler Energie- und Klimaplan“, Juni 2020, S. 46.
3
    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „Integrierter Nationaler Energie- und Klimaplan“, Juni 2020, S. 65.                                         05
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie - Deloitte
Auswirkungen auf das
energiewirtschaftliche
System
Derzeit wird kontrovers diskutiert, wie sich    insbesondere auch vor dem Hintergrund
die Stromnachfrage in den kommenden             der gerade verabschiedeten Nationalen
Jahrzehnten entwickeln wird bzw. auf            und EU-Wasserstoffstrategie.5 Denn
welchen Stromverbrauch die Energieerzeu-        CO2-freien grünen Wasserstoff durch
gung und das Stromnetz auszurichten sind.       Elektrolyse herzustellen, verlangt nach
Während einerseits Effizienzmaßnahmen           einem zehnmal größeren Energieeinsatz,
zu einem Rückgang des Strombedarfs              als wenn der Wasserstoff aus Erdgas (also
führen dürften, erhöht andererseits eine        grauer oder blauer Wasserstoff) herge-
tiefgreifende Sektorenkopplung bzw. die         stellt wird.
Elektrifizierung bisher mit fossilen Energie-
trägern betriebener Wirtschaftsprozesse         Abb. 2 – Prognose Bruttostromverbrauch 2030 6
die Stromnachfrage aus den dann ange-
bundenen Sektoren.                                  800

Die Bundesregierung prognostiziert in               700
ihrem Klimaschutzprogramm 2030, dass
                                                                                   206
sich der gegenwärtige Stromverbrauch                600
geringfügig unterhalb des heutigen                            68
Niveaus bewegen dürfte.4 Wir gehen                  500                             60
jedoch davon aus, dass die Stromnach-
frage in den nächsten Jahren steigen wird.
                                                    400
Einsparungen durch Effizienzmaßnahmen
können sicherlich erreicht werden.
                                                    300
Dennoch, sollten die Klimaschutzziele                         531                  474
mit Nachdruck umgesetzt werden,
                                                    200
wird die Stromnachfrage aufgrund
von zusätzlichen Stromverbräuchen
für Wärmepumpen, Elektromobilität                   100                                                   Klassischer Stromverbrauch
und PtX-Technologien (Power-to-Gas,                                                                       Netzverluste, Eigenverbrauch
Power-to-Liquids) die Einspareffekte bei              0                                                  Zusätzlicher Stromverbrauch
                                                                                    -65                   Sektorenkopplung
Weitem übersteigen. Daher sind Strom-
verbräuche zwischen 700 und 800 TWh             -100                                                      Effizienzgewinne
im Jahr 2030 durchaus als realistisches                      2017                  2030
Szenario (zum Vergleich: 599 TWh 2017;
575 TWh 2019) einzuschätzen (vgl. Abb. 2).
Zu diesem Schluss kommen auch andere
Akteure und Energieverbände. Dies gilt

                                                4
                                                   undesregierung, „Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans
                                                  B
                                                  2050“, Oktober 2019, S. 32.
                                                5
                                                  Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „Die Nationale Wasserstoffstrategie“, Juni 2020, S. 2.
06                                              6
                                                   Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., „Das BEE-Szenario 2030“, Mai 2019, S. 3.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Die Zunahme der Einspeisung von erneu-                       Positive und negative Residuallasten, also
erbarem Strom im Netz, der unverzichtbar                     jene Stromnachfrage, die nicht durch
ist, um auch die wachsende Stromnach-                        erneuerbare Energien gedeckt werden
frage zu decken, wird Auswirkungen                           kann oder im gegenteiligen Fall durch
auf die Stabilität der Stromversorgung                       ein Stromüberangebot überdeckt wird,
haben. So müssen die Netzbetreiber                           dürften in den kommenden Jahren weiter
bereits heute in erheblichem Ausmaß                          zunehmen. Das Stromangebot wird auf-
Netzeingriffe vornehmen. Dies zeigt                          grund der fluktuierenden Stromerzeugung
sich u.a. in den Kosten für Ausfallarbeit                    aus Sonne und Wind volatiler und kann
bei Redispatch-Maßnahmen, die im                             während des Tages und zwischen Jahres-
Jahr 2018 rund 7.900 GWh umfassten                           zeiten stark von der benötigten Nachfrage
und Entschädigungsansprüche i.H.v. ca.                       abweichen. Die Prognosen gehen ausein-
387 Mio. € nach sich zogen. Über das                         ander, in welchem Umfang dies in Zukunft
Einspeisemanagement von erneuerbaren                         der Fall sein wird. Abbildung 3 zeigt
Energieanlagen kamen weitere rund 5.400                      hierzu die Ansichten unterschiedlicher
GWh bzw. 635 Mio € hinzu.                                    Forschungsinstitute und Energieverbände
                                                             für maximale und minimale Residuallast-
                                                             wertausschläge der Jahre 2030 und 2050.

Abb. 3 – Prognose der Residuallast-Extremwerte 2030 und 20507

120

100

    80

    60                                                                                                            118

    40                                                                                                     84
                 75         76                                                                 73
                                                                                 71

    20                                                  41
                                              26

     0
                    Positiv                     Negativ                             Positiv                 Negativ
                                   2030                                                             2050

      Bundesverband Erneuerbare Energie e.V./Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH
      Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme/Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft

7
    Öko-Institut e.V., „Visionen und Pfadentscheidungen der Energiewende“, Juli 2019, S. 31.                                                             07
Während die Prognosen für die positive           im Einzelfall zu hinterfragen, denn die Aus-
Residuallast zwischen den Jahren 2030 und        lastung der Kapazität über das Jahr dürfte
2050 keine wesentlichen Veränderungen            im Durchschnitt nur für wenige Stunden
voraussagen und temporär zwischen 70             und Tage gesichert sein. Die Kosten hierfür
und 80 GW liegen, ist bei den negativen          werden über die Netzentgelte „sozialisiert“.
Residuallasten eine wesentliche Erhöhung         Darüber hinaus stehen Gaskraftwerke auf-
zu erkennen. Die Anzahl der Stunden pro          grund des CO2-Austoßes dem eigentlichen
Jahr mit überschüssigem Strom im Netz            Ziel der Dekarbonisierung entgegen.
wird zunehmen – insbesondere die Höhe
der temporär auftretenden negativen Resi-        Die dargestellte Problematik lässt den
duallasten im Netz.                              Schluss zu, dass Ansätze der Sektoren-
                                                 kopplung einen zusätzlichen Beitrag
Doch wie kann das energiewirtschaftliche         für einen ausgeglichenen Strommarkt
System Stromangebote und -nachfrage in           ermöglichen müssen: Die Integration von
Zukunft ausgleichen und auf Lastschwan-          Strom- und Wärmeversorgung, Mobilität
kungen reagieren?                                und industriellen Prozessen schafft dabei
                                                 die benötigte Flexibilität. Wie umfangreich
Ein Ansatz, um zwischen Nord- und Süd-           dieser Beitrag sein wird, hängt von der
deutschland für Ausgleich zu sorgen, ist der     Wirtschaftlichkeit und der Praktikabilität
massive Ausbau der Übertragungsnetze.            des jeweiligen Ansatzes ab und ist im Detail
So werden laut BMWi über 7.500 Kilometer         noch schwer zu prognostizieren.
im Übertragungsnetz optimiert, verstärkt
oder neu gebaut. Die Kostenschätzungen           Zu erwarten ist jedoch, dass in Zukunft
für den Ausbau des Übertragungsnetzes            für einen wirtschaftlichen Flexibilitätsmix
liegen bei ca. 52 Mrd. €. Der Netzausbau         viele unterschiedliche Flexibilitätsansätze
ist sehr teuer und wird durch aufwendige         angewendet werden, um einen effizienten
und langwierige Genehmigungsverfahren            Ausgleich zwischen Erzeugung und Ver-
erschwert, sodass ein massiver Netz-             brauch zu realisieren. Das folgende Kapitel
ausbau alleine nicht die wirtschaftlichste       soll daher die einzelnen Sektorenkopp-
Lösung darstellt. Eine weitere häufig            lungstechnologien im Verkehr-, Industrie-
diskutierte Möglichkeit ist der Ausbau von       und Wärmebereich u.a. auch aus diesem
gasbefeuerten Regelenergiekraftwerken,           Blickwinkel heraus betrachten.
um erneuerbare Erzeugungsdefizite auszu-
gleichen. Auch hier ist die Wirtschaftlichkeit

08
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

                                                                       09
Implikationen für die
Bereiche Verkehr,
Industrie und Wärme
Die zukünftige Entwicklung der gesamten        Die Elektromobilität mit batterie- oder
Nachfrage nach grünem Strom sowie die          brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeugen
hohen Kosten für den Netzausbau haben          und der Ausbau der hierfür notwendigen
für Unternehmen zur Folge, dass sie sich       Infrastruktur sind in vollem Gange. Für
einerseits in einem Umfeld mit hoher           lange Strecken, hohe Gewichte sowie
Unsicherheit bzgl. des zukünftigen Strom-      auf dem Wasser oder in der Luft ist es
preises bzw. der Stromabgaben bewegen.         dagegen noch offen, welche Technologie
Gleichzeitig eröffnet die Sektorenkopplung     sich durchsetzen wird. Nachwachsende
eine Reihe von Möglichkeiten, mit neuen        Rohstoffe und synthetische Kraftstoffe,
Erlösen oder Geschäftsmodellen in den          die sich in Technologien wie Power-to-Gas
Energiemarkt einzusteigen und dazu             oder Power-to-Liquids manifestieren,
beizutragen, das Gesamtsystem zu stabi-        spielen jedoch eine zentrale Rolle. Die
lisieren.                                      Wirtschaftlichkeit der Technologie wirft
                                               bislang in viele Fällen allerdings noch
Wie Abbildung 4 schematisch und ohne           Fragen auf.
Anspruch auf Vollständigkeit darstellt, sind
die Sektorenkopplungsmöglichkeiten für         Auch lässt sich über grünen Strom grund-
Unternehmen vielschichtig, oft auch bidi-      sätzlich die Wärmeversorgung für private
rektional, die Anzahl der möglichen Markt-     Haushalte und die Industrie ermöglichen –
teilnehmer groß und die technischen            insbesondere wenn es um die Wärmebe-
Optionen der Umsetzung über bereits            reitstellung in Gebäuden geht. Hierfür gibt
vorhandene oder noch aufzubauende              es bereits eine Vielzahl von unterschiedli-
Infrastrukturen bzw. Assets vielfältig.        cher Fördermöglichkeiten. Auch der regu-
Wasserstoff ist das Schlüsselelement der       latorische Rahmen hat sich in den letzten
Sektorenkopplung in den Bereichen, in          Jahren dynamisch weiterentwickelt.
denen Strom aus erneuerbaren Energien
nicht direkt als Endenergie eingesetzt         Die Beispiele zeigen: Unternehmen
werden kann. Grüner Wasserstoff und            müssen sich auf dem Weg zu einer
seine Folgeprodukte (Power-to-X) eröffnen      dekarbonisierten Energieversorgung mit
Dekarbonisierungswege für die Mobilität        vielen Themen auseinandersetzen und
(Flugzeuge, Schiffe, Schwerlastverkehr und     stehen dabei vor komplexen technischen,
Züge), die Chemie-, Düngemittel-, Stahl-       wirtschaftlichen und regulatorischen Frage-
und Zementindustrien. Die Nationale            stellungen, die es zu beantworten gilt –
Wasserstoffstrategie der Bundesregierung       sofern es aufgrund des gegenwärtigen Ent-
vom Juni 2020 sieht daher auch Maß-            wicklungsstandes unterschiedlicher Tech-
nahmen zur Umsetzung von Sektoren-             nologien und des Regulierungsrahmens
kopplung in den Bereichen Verkehr, Indus-      bereits eindeutige Antworten geben kann.
trie, Wärme und Infrastruktur vor.

10
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Abb. 4 – Sektorenkopplung

                                                                                  Power-to-Heat

                                                               Po
                                                                 we
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                            Strom                                        o-                                                Hea     Wärme
                                                                           Ga
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                                                                    we
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                                                                                       Gas
                                EV C
                                 ha
                                  r gi

                                                                                             (Syn. Kraftstoffe)
                                                                                             Gas-to-Liquids
                                   ng
                                       /H
                    Ve

                                         O-
                        hic

                                                                                  H2
                                         LK
                            l

                                            W
                          e- t

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                                              /B
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                                                     n
                                Gr
                                  id

                                                                                   Verkehr

Strom                                       Gas                                                Verkehr                                 Wärme
Infrastruktur/Assets:                       Infrastruktur/Assets:                              Infrastruktur/Assets:                   Infrastruktur/Assets:
Erzeugungsanlagen/                          Gasnetz/Speicher/                                  Ladeinfrastruktur                       KWK-Anlagen/Wärmepumpen
Stromnetz/Stromspeicher                     Elektrolyseure                                     Anlagen für neue                        Wärmespeicher/Wärmenetze/
Marktteilnehmer:                            Marktteilnehmer:                                   Antriebskonzepte                        Anlagen für Prozesswärme
• Stromerzeuger                             • Industrie                                        Marktteilnehmer:                        Marktteilnehmer:
• Netzbetreiber Strom                       • EVUs                                             • Automobilhersteller                   • Industrie
  (ÜNB/VNB)                                 • Netzbetreiber Gas                                • E-Mobility Service Provider           • Wohnungswirtschaft (Haushalte)
                                              (FLN/VNB)                                        • Ladeinfrastrukturbetreiber            • GHD
                                                                                               • Flottenbetreiber

                                                                                                                                                                     11
Für die Sektoren Industrie und Verkehr wird der Entwicklungsstand
möglicher Technologien der Sektorenkopplung im Folgenden
dargestellt. Hinzu kommt der Wärmebereich, der in Deutschland
über alle Sektoren hinweg einen sehr hohen Energieverbrauch
verursacht und auf den es sich lohnt, einen Blick zu werfen.

Verkehrssektor                              Tendenzen im Individualverkehr und
Der Verkehr ist mit einem Anteil von        bei Nutzfahrzeugen
ca. 30 Prozent der größte End-energie-      Im Individualverkehr scheint sich die Elek-
verbraucher aller Sektoren. Innerhalb       tromobilität mittels batteriebetriebener
dessen tragen wiederum der Individual-,     Fahrzeuge (BEV) oder hybrider Konzepte
Straßen-, Seegüter- und nicht zuletzt       (PHEV, REEV) als wirtschaftlichste Techno-
der Flugverkehr entscheidend zu den         logie durchzusetzen. Das direkte Laden
Treibhausgasemissionen bei. Bis 2018        der Batterie ist mit Effizienzvorteilen
basierte der Endenergieverbrauch im         verbunden. Der nachhaltig erzeugte Strom
Verkehrssektor noch zu ca. 94 Prozent       ist direkt nutzbar, und im Gegensatz zur
auf fossilen Mineralölprodukten. Für die    Brennstoffzellentechnologie muss kein
Zukunft ist allerdings noch offen, welche   Wasserstoff mittels verlustbehafteter Elek-
Energieträger sich am Markt letztendlich    trolyse erzeugt werden. Ein BEV benötigt
durchsetzen werden. Das Spektrum reicht     für 100 km entlang der gesamten Prozess-
dabei von synthetischen Kraftstoffen über   kette lediglich 15 kWh Strom. Dies ist deut-
Wasserstoff bis hin zu Strom aus erneu-     lich weniger bzw. nur ein Bruchteil dessen,
erbaren Energien. Für einzelne Bereiche     was bei alternativen Technologien wie bei
zeichnen sich bereits erste Tendenzen ab.   Brennstoffzellenfahrzeugen (31 kWh) oder
                                            Verbrennungsmotoren mit synthetischen
                                            Kraftstoffen (103 kWh) einzusetzen wäre.
                                            Immer mehr deutsche OEMs hinterfragen
                                            daher derzeit Investitionen in die weitere
                                            Entwicklung von brennstoffzellenbetrie-
                                            benen PKWs.

                                            Ganz anders verhält es sich dagegen
                                            bei den Nutzfahrzeugen. Selbst die
                                            neueste Batterien-Generation weist
                                            immer noch eine limitierte gravimetrische
                                            Energiedichte auf. Infolgedessen sind die
                                            Reichweiten im Vergleich zu den Verbren-
                                            nungsmotoren noch deutlich geringer.
                                            Je mehr Masse ein Fahrzeug hat, umso
                                            größere Bedeutung gewinnt die Reichwei-
                                            tenproblematik.

                                            Die folgende Grafik (Abb. 5) zeigt die mög-
                                            lichen Antriebstechnologien für die unter-
                                            schiedlichen Fahrzeug-Gewichtsklassen.

12
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Abb. 5 – Sektorenkopplungstechnologien für den Straßenschwerlastverkehr8

    Größenklasse                            Kleinlaster und         Leichte Lkws          Mittelschwere       Mittelschwere       Sattelzüge
                                            umgebaute Pkws                                Lkws (Kategorie 1A) Lkws (Kategorie 2B)

    Zulässiges Gesamtgewicht
                                            0–3,5 t                 3,5–7,5 t             7,5–12 t                12–20 t               40 t
    [t]

    Ø Jahresfahrleistung
                                            ca. 13 Tsd.             ca. 27 Tsd.           ca. 66 Tsd.             ca. 74 Tsd.           ca. 106 Tsd.
    [km/a]

    Bestand
                                            ca. 2,62 Mio.           ca. 236 Tsd.          ca. 74 Tsd.             ca. 81 Tsd.           ca. 219 Tsd.
    [Fahrzeuge 2019]

    Fahrleistung
                                            34,1 Mrd.               6,4 Mrd.              4,9 Mrd.                5,8 Mrd.              23,2 Mrd.
    [Fahrzeuge x km/a]

    Energiebedarf
                                            24,7                    8,4                   8,7                     13,5                  71
    TTWB) [TWh/a]

                                                      Reine Batteriefahrzeuge
                                                       sowie Plug-in-Hybride

                                                                                             Power-to-Gas
    Potenzielle strombasierte
    Antriebstechnologien
                                                                                           Power-to-Liquids

                                                                                                                         Hybridoberleitungs-Lkw

A
    Aufteilung der Größenklasse in zwei Kategorien entsprechend der KBA-Daten
B
    Tank-to-Wheel

Im schweren Last-, Schiff- und Flugver-                   Option zur Nutzung einer Hybrid-                    Abstimmung der technischen Entwick-
kehr gewinnen die Power-to-Gas- (PtG:                     Oberleitung (HO-LKW). Diese Technik                 lungen zwischen den verschiedenen
Wasserstoffgewinnung durch Elektrolyse)                   könnte auf Autobahnen zur Anwendung                 Unternehmen aus den Bereichen Auto-
und Power-to-Liquids-Technologien (PtL:                   kommen, wo ein (teil)elektrifizierter               mobil, Gase/Brennstoffe, Kommunikation
Weiterverarbeitung von Wasserstoff zu                     LKW-Antrieb über eine Oberleitung mit               und Energiewirtschaft. Die wechselseitige
synthetischen flüssigen Kraftstoffen)                     Strom versorgt wird.                                Abstimmung der Entwicklungen ist im
zunehmend an Bedeutung. Wie bereits                                                                           Interesse der Investitionssicherheit ein
oben dargestellt, kommt ein Batterieein-                  Alle genannten Optionen ziehen jedoch               unverzichtbarer Baustein einer effizienten
satz (BEV: batterieelektrische Fahrzeuge,                 Investitionen in den Auf- und Ausbau von            und wirtschaftlichen Umsetzung der
PHEV: Plug-in-Hybride) aus technischer                    Anlagen und Infrastruktur nach sich. Glei-          Sektorenkopplung. Das kann auch am
Sicht nicht in Betracht. Um die Dekarboni-                ches gilt für die Assets zur Bereitstellung         Beispiel der Ladeinfrastruktur verdeutlicht
sierungsziele zu erreichen, liegt der Fokus               der zusätzlich benötigten elektrischen              werden.
daher auf Brennstoffzellen und Verbren-                   Energie – für z.B. die Verstärkung der
nungsmotoren.                                             Stromnetze sowie den Ausbau der E-Lade-
                                                          und Wasserstoffinfrastruktur. Die zielkon-
Für LKWs hoher Gewichtsklassen besteht                    forme Umsetzung der Sektorenkopplung
darüber hinaus noch die technische                        bedingt eine enge und möglichst parallele

8
    Zentrales Fahrzeugregister (ZFZR), abgerufen am 23.11.2020.                                                                                        13
Aufbau der Ladeinfrastruktur für                vertraglich zusammengeschlossen, um                   die Ladestationen aller angeschlossenen
batteriebetriebene Fahrzeuge                    den Aufbau der Ladeinfrastruktur voran-               Betreiber auch von Kunden dritter Anbieter
Derzeit sind in Deutschland etwa 27.700         zutreiben. So wurde z.B. die Gesellschaft             im Markt nicht nur gefunden, sondern
(halb)öffentliche Ladepunkte installiert. Um    Ionity von den OEMs BMW, Daimler, Ford,               auch genutzt werden. Für die Betreiber
jedoch das erklärte Ziel der Europäischen       VW u.a. gegründet, um die Ladeinfra-                  der Ladeinfrastruktur eröffnet sich damit
Union einer Absenkung der CO2-Emissionen        struktur entlang der europäischen Auto-               die Chance einer höheren Auslastung
von PKW-Flotten um 37,5 Prozent bis zum         bahnen aufzubauen. Das alleine ist jedoch             der Ladesäulen. Darüber hinaus lassen
Jahr 2030 erreichen zu können (im Vergleich     nicht ausreichend. In Ergänzung hierzu                sich neben den direkten Einnahmen aus
zu 2021), muss auch die Ladeinfrastruktur       sind weitere lokale Kooperationen erfor-              den Ladevorgängen weitere indirekte
massiv ausgebaut werden. Eine Studie im         derlich, um auch auf dem (verbleibenden)              Einnahmen aus z.B. Cross-Selling oder aber
Auftrag des BMWi geht davon aus, dass bis       regionalen Straßennetz flächendeckend                 der Verfügbarkeit/ dem Zugriff auf Nut-
2030 ca. 194.000 öffentliche Ladepunkte         Lademöglichkeiten anzubieten.                         zerdaten generieren. Datenanalysen von
benötigt werden (für einen Fahrzeug-                                                                  Supermärkten zeigen, dass das Aufstellen
bestand von ca. 7,2 Mio. PKW).9 Es ist          Mit diesem physischen Aufbau der Ladein-              von Ladesäulen von den Kunden als beson-
erkennbar, dass für den Aufbau der Ladein-      frastruktur müssen darüber hinaus auch                ders „innovativ und grün“ wahrgenommen
frastruktur noch erhebliche Anstrengungen       vernetzte Lösungen geschaffen werden,                 wird und sich auf diesem Weg neue,
unternommen werden müssen, die jedoch           um den Kunden die gesamte Ladeinfra-                  umweltbewusste Kunden gewinnen lassen.
den Unternehmen auch die Chance bieten,         struktur betreiberunabhängig zugänglich
sich an der Elektrifizierung des Verkehrssek-   zu machen. Bspw. die Firma Hubject bietet
tors zu beteiligen.                             hierfür eine eRoaming-Plattform für
                                                vernetzte Elektromobilität an, die ein
Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt        anbieterübergreifendes Laden von Elek-
angesichts des hohen Investitionsvolu-          trofahrzeugen in ganz Europa möglich
mens haben sich bereits Unternehmen             macht. Über die Hubject-Plattform können

Abb. 6 – Voraussichtliche Entwicklung der öffentlichen Ladeinfrastruktur bis 2030

 400.000                                                                                                                                   7.200.000

                                                                                         ∆ Elektrofahrzeuge: 7,06 Mio.
 350.000                                                                                                                                   6.200.000

 300.000                                                                                                                                   5.200.000

 250.000                                                                                                                                   4.200.000

 200.000                                                                                                                                   3.200.000

                                                                          ∆ Ladepunkte: 166 Tsd.
 150.000                                                                                                                                   2.200.000

 100.000                                                                                                                                   1.200.000

     50.000                                                                                                                                  200.000

         0                                                                                                                                  -800.000
              2018   2019     2020      2021    2022     2023         2024      2025      2026       2027      2028      2029       2030

               Ladepunkte         Ladepunkte Prognose              Elektrofahrzeuge           Elektrofahrzeuge Prognose

14                                                       9
                                                             Universität des Saarlandes, „Automobile Wertschöpfung 2030/2050“, Dezember 2019, S. 209.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Elektrofahrzeuge als netzdienliche                     Regulatorischer Ausblick
Assets                                                 Die Sektorenkopplung stellt die Politik vor
Aus einer flächendeckenden Nutzung                     die Herausforderung, neben einem sek-
von Elektrofahrzeugen eröffnen sich                    toralen auch einen sektorübergreifenden
wiederum Chancen bzw. potenzielle                      Regulierungsansatz zu finden. Die gesetz-
Anwendungen für die Sicherstellung der                 geberischen Aktivitäten beschränken sich
Netzstabilität. Autobatterien laden in                 derzeit aber überwiegend auf die ener-
Zeiten hoher EE-Verfügbarkeit und nied-                giewirtschaftlichen Rahmenbedingungen,
riger Strompreise. Im Falle eines Erzeu-               indem andere Sektoren in die Regulierung
gungsengpasses bzw. hoher Strompreise                  der Energiewirtschaft einbezogen werden.
erfolgt eine Rückeinspeisung ins Netz.                 Am Beispiel des Verkehrssektors lässt sich
Damit lässt sich in Teilen Regelenergie zur            der vom Gesetzgeber gewählte Ansatz gut
Stabilisierung der Energieversorgung für               ablesen: Ladesäulen sind grundsätzlich
das lokale Netz bereitstellen, was Auto-               von der Ladesäulenverordnung (LSV) und
mobilherstellern oder Mobilitätsanbietern              dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
grundsätzlich die Chance eröffnet, neue                erfasst und die Betreiber unterstehen der
Geschäftsmodelle und Einnahmequellen                   Aufsicht der Bundesnetzagentur (BNetzA).
aufzubauen. Im Jahr 2025 dürfte der                    So können Ladesäulen bereits heute als
geschätzte Bestand an Elektrofahrzeugen                steuerbare Verbrauchseinrichtungen von
in Deutschland in der Lage sein, über 60               verringerten Netzentgelten profitieren.
Gigawattstunden Strom zu speichern.                    Des Weiteren sind Ladesäulen bzw. die
Diese Speicherkapazität wird sich bis zum              Akkumulatoren von angeschlossenen/
Jahr 2030 bereits auf annähernd eine                   ladenden Elektrofahrzeugen potenzielle
halbe Terawattstunde vergrößert haben.                 Teilnehmer an künftigen Systemhaltungs-
Die Europäische Kommission geht davon                  maßnahmen der Verteilnetzbetreiber
aus, dass bis 2050 ca. 20 Prozent der in               (sog. Ampelsystem).11 Der Aufbau der
der EU benötigten täglichen Flexibilität               Infrastruktur wird auch mittelbar durch
durch Elektrofahrzeuge bereitgestellt                  gesetzliche Auflagen für Gebäudeeigen-
werden kann.10                                         tümer angereizt durch die Einführung des
                                                       Gebäudeelektromobilitäts-Infrastrukturge-
Eine entscheidende Herausforderung                     setzes (GEIG). Diese Anreiz-Mechanismen
dürfte dabei sein, die Bereitstellung von              des energiewirtschaftlichen Rege-
Regelenergie – trotz einer begrenzten                  lungsrahmens z.B. über verminderte
Zyklenfestigkeit der Akkumulatoren –                   Strombezugskosten wird der Gesetzgeber
wirtschaftlich auszugestalten. Dies steht              weiterverfolgen.
natürlich auch in Abhängigkeit von den
durch die Regulierung bereitgestellten                 Gleichzeitig wird der Gesetzgeber
Anreiz- und Vergütungsmodellen.                        verkehrssektorspezifische Maßnahmen
                                                       wie etwa Quotenregelungen (z.B. Bio-
                                                       kraftstoff) einführen, um die Entwicklung
                                                       voranzutreiben. Insoweit bleibt zu hoffen,
                                                       dass der künftige Regulierungskanon aus
                                                       sektorspezifischen Maßnahmen auch zur
                                                       Sektorenkopplung beiträgt und nicht in
                                                       ein Regulierungsdickicht führt.

10
     owering a climate-neutral economy: Commission sets out plans for the energy system of the future and clean hydrogen,
    P
    abgerufen am 23.11.2020.
11
   BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., „Elektromobilität als Anwendungsfall des Ampelkonzepts im Verteilnetz“,
    April 2018, S. 6.                                                                                                                               15
Industrie                                            Abb. 7 – Endenergieverbrauch im Industriesektor 2018 nach Energieträgern12
Der Industriesektor stellt den zweit-
größten Endenergieverbraucher unter                                                       21 TWh
den Sektoren dar (s. Kapitel 1), wobei zu                                   Sonstige Energieträger
den zwei größten Verbrauchergruppen                                                          2,8%                    120 TWh
                                                                           32 TWh
insbesondere die Metallerzeugung und                                                                                 Stein- und Braunkohle
                                                                Erneuerbare Wärme
die Grundstoffchemie zählen.                                                                                         16,3%
                                                                             4,4%
                                                                     47 TWh
Ab dem Jahr 1990 ging der Endenergie-
                                                                  Fernwärme                                                        28 TWh
verbrauch in der Industrie zwar zunächst
                                                                       6,4%                                                        Mineralölprodukte
merklich zurück, was vor allem auf den
Schwund der Industrie in den neuen                                                                                                 3,8%
Bundesländern zwischen 1990 und
1993 zurückzuführen war. Ab 2002 stieg                                                            736 TWh
dieser dann aber mit dem Wirtschafts-
wachstum wieder deutlich an und betrug
im Jahr 2018 über 700 TWh. Etwa zwei                                227 TWh
Drittel des Endenergieverbrauchs der                              Strom (inkl.
Industrie werden für die Erzeugung von                  erneuerbare Energien)
                                                                                                                             262 TWh
Prozesswärme benötigt. Etwa ein Drittel                               30,8%
                                                                                                                             Gase
entfällt auf den Betrieb von Motoren und
                                                                                                                             35,5%
Maschinen. Raumwärme ist ein relativ
kleines Segment und wird im folgenden
Abschnitt Wärme betrachtet.

Die Endenergieversorgung der Industrie               Elektrifizierung der Anlagen für                      Hochtemperatur-Wärmepumpen, die
basierte 2018 noch zu mehr als zur Hälfte            Prozesswärme                                          die Umgebungswärme aus Sole, Wasser
auf Gas, Kohle und Mineralöl (s. Abb. 7).            Die Prozesswärme spielt in der Industrie              oder Luft nutzen, ggf. in Kombination mit
Der Anteil an Strom (inkl. EE) beträgt 31            in Bezug auf den Energieverbrauch die                 mechanischen Brüdenverdichtern für
Prozent, und die erneuerbare Wärme                   zentrale Rolle. Beim Ausloten alternativer            Temperaturen bis maximal 200° C infrage.
kommt auf einen kleinen Anteil von 4                 Energieträger müssen für eine wirt-
Prozent. Für eine Dekarbonisierung muss              schaftlich sinnvolle Dekarbonisierung                 Gegenüber den bislang üblichen Industrie-
auch hier in den nächsten Jahren bzw.                allerdings unterschiedliche Temperatur-               gaskesseln zeichnen sich Elektrodenheiz-
Jahrzenten eine stärkere Elektrifizierung            niveaus betrachtet werden. Während die                kessel und Wärmepumpen in der Regel
stattfinden.                                         Erzeugung sehr hoher Temperaturen für                 durch einen höheren Wirkungsgrad aus,
                                                     Schmelz- und Brennprozesse bislang nicht              aber auch durch rund 50 bzw. mehr als
Doch wo liegen in der Industrie die                  oder nur sehr schwer elektrifiziert oder              100 Prozent höhere Investitionskosten
wesentlichen Ansatzpunkte?                           mit grünem Wasserstoff wirtschaftlich                 (240 bzw. 375 ggü. 150 €/kW) und einer
                                                     betrieben werden kann, stehen für die                 vermutlich geringeren Lebensdauer (20
                                                     Erzeugung von Prozesswärme im niedri-                 statt 30 Jahre). Der Hauptgrund für die
                                                     geren Temperaturbereich < 500° C bereits              bislang zurückhaltende Elektrifizierung
                                                     heute durchaus geeignete elektrothermi-               dieser Temperaturbereiche liegt allerdings
                                                     sche Verfahren zur Verfügung.                         darin, dass Energie aus Strom mit hohen
                                                                                                           Abgaben und Steuern belegt wird und
                                                     Zur Erzeugung von Dampf für Produkti-                 daher momentan gegenüber dem Einsatz
                                                     onsprozesse beispielsweise bieten Power-              fossiler Brennstoffe nicht wirtschaftlich
                                                     to-Heat-Konzepte die Möglichkeit, den Ein-            nutzbar ist. EEG-Umlage, CO2-Handels-
                                                     satz fossiler Brennstoffe in KWK-Anlagen              und Steuersysteme und andere Einfluss-
                                                     oder Gaskesseln zu vermeiden oder doch                faktoren ändern sich allerdings fortlau-
                                                     zumindest zu reduzieren. Hier kommen                  fend. Daher sollten unter Zugrundelegung
                                                     Elektrodenheizkessel mit Heizschwertern               der aktuellen und zukünftigen Rahmen-
                                                     für Temperaturen bis zu 500° C sowie                  bedingungen die spezifischen Differenz-

16                                          12
                                                 Auswertungstabellen zur Energiebilanz der Bundesrepublik Deutschland 1990 bis 2018, abgerufen am 23.11.2020.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Abb. 8 – Erneuerbare Prozesswärme nach Temperaturniveau13

                                Wärmepumpe

                                  Geothermie

                                 Solarthermie

               Alternative Brennstoffe
(biogen oder synthetisch sowie Abfälle)

       Direkter elektrischer Energieeintrag

                                              100° C             500° C                1.000° C              1.500° C

kosten der Elektrifizierung fortlaufend im                von ca. 50 bis 60 Prozent je Tonne Stahl               Entwicklung eines e-Crackers arbeiten
Blick behalten werden.                                    verbunden ist. Dies wirkt sich natürlich               wollen, da sich die technologischen Her-
                                                          nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit                ausforderungen gemeinsam effizienter
Sowohl aus technologischer als auch                       aus.14 Vor diesem Hintergrund werden                   meistern lassen. Bis spätestens 2050
ökonomischer Sicht stellt die Erzeugung                   daher Fördermöglichkeiten wie der EU-In-               wollen die beiden Unternehmen eine auch
von Hochtemperaturwärme auf Basis der                     novationsfond, Grünstahlquoten für Kon-                unter ökonomischen Gesichtspunkten
erneuerbaren Energien die größte Heraus-                  sumgüterproduzenten oder gar Umlagen                   einsetzbare e-Cracker-Lösung realisieren.
forderung dar. Das betrifft insbesondere                  für die Endkunden von Stahlprodukten
auch die Produktion von Stahl. Zur                        diskutiert. Eine Primärstahlerzeugung
Schmelzung von Stahlschrott lassen sich                   auf Basis einer Eisenelektrolyse wird aus
zwar Elektrolichtbogenöfen nutzen. Diese                  langfristiger Sicht voraussichtlich nicht
können auch mit grünem Strom betrieben                    vor 2050 zu erwarten sein, stellt dann
werden, was jedoch mit dem ökonomi-                       allerdings eine CO2-freie produktionstech-
schen Nachteil eines sehr hohen Strom-                    nische Alternative dar.
verbrauchs erkauft werden muss. Im Jahr
2017 wurde mithilfe dieser Technik bereits                Ein weiteres Beispiel, das die techni-
über ein Drittel der Stahljahresproduktion                schen Herausforderungen in Bezug auf
erstellt. Da allein die Wiederverwendung                  die Erzeugung von Prozesswärme im
von Stahlschrott für die Bedarfsdeckung                   Hochtemperaturbereich deutlich macht,
allerdings nicht ausreichend ist, kann die                ist die perspektivische Elektrifizierung
emissionsbehaftete Hochofentechnik                        der Cracker-Technologie. Cracker werden
bislang nicht vollständig ersetzt werden.                 von Raffinerien eingesetzt, um Naphtha
Die Firma Salzgitter geht bei der Substi-                 oder Flüssiggase in Olefine und andere
tution ihrer alten Hochofentechnik durch                  Chemierohstoffe aufzuspalten. Im Juni
Direktreduktionsanlagen (mit grünem                       2020 haben die Unternehmen Shell Che-
Wasserstoff) samt Elektroöfen davon aus,                  micals und DOW in einer Presseerklärung
dass dies mit operativen Mehrkosten                       veröffentlicht, dass sie gemeinsam an der

13
      ntjie Seitz & Stefan Estelmann, Erneuerbare Energien für Prozesswärme aus Sicht der Wissenschaft, abgerufen am 23.11.2020.
     A
14
     Emissionen auf der Spur, abgerufen am 23.11.2020.                                                                                                  17
Grüner Wasserstoff als Energieträger              Für die Sektorenkopplung muss neben                     wäre aus europa- und nationalrechtlicher
Die Nationale Wasserstoffstrategie des            dem Ausbau der erneuerbaren Energien –                  Sicht auch heute schon grundsätzlich für
Bundes und die Europäische Wasser-                was essenziell ist – allerdings auch die                Verteilnetze möglich, allerdings bestehen
stoffallianz beabsichtigen nicht weniger, als     Wasserstoffinfrastruktur noch erheblich                 doch substanzielle Unterschiede der
den europäischen Wasserstoffmarkt von             ausgebaut werden. Abbildung 9 gibt zu                   Wirtschaftszweige: Während die Regu-
derzeit knapp 10 Millionen Tonnen (ca. 13%        den einzelnen Phasen einen Überblick.                   lierung der Energiewirtschaft auf einem
der weltweiten Wasserstoffproduktion)                                                                     vorhandenen Energiemarkt aufbaute, ist
und einem Umsatz von rund 2 Mrd. € bis            Derzeit werden hierzu technische Mach-                  der Wasserstoffmarkt noch im Entstehen.
2030 auf 140 Mrd. € zu versiebzigfachen.          barkeitsprojekte realisiert, wie beispiels-             Eine gleichgelagerte Regulierung der
Dabei gilt es, die Produktion, Übertragung        weise die von ITM und Shell errichtete                  Infrastruktur ist daher nur bedingt ziel-
und Nutzung in der Mobilität, Industrie,          PEM-Elektrolyse („Refhyne“) mit einer                   führend. Nichtsdestotrotz dürfte es auf
Energie- und Heizungswirtschaft zu                Kapazität von 10 MW in der Rheinland                    eine Regulierung der Infrastruktur – auch
optimieren. Grüner Wasserstoff spielt in          Raffinerie in Wesseling. In der nächsten                der bereits bestehenden – hinauslaufen,
Zukunft die zentrale Rolle als Energielie-        Phase gilt es, technische Anlagen zu                    die einen nicht-diskriminierenden Zugang
ferant im Rahmen der Energiewende, u.a.           realisieren, Betriebserfahrung zu sammeln               Dritter zur Infrastruktur einführt. Die zen-
auch deswegen, weil sich überschüssiger           und die Geschäftsmodelle rentabel zu                    tralen Fragen, die gelöst werden müssen,
Strom über Elektrolyseverfahren in Form           gestalten.                                              sind aber die Finanzierung neuer und die
von Wasserstoff speichern lässt. Dennoch                                                                  Öffnung bestehender Infrastrukturen.
muss an dieser Stelle darauf hingewiesen          Regulatorischer Ausblick
werden, dass die Herstellung grünen               Neben dem technischen Fortschritt muss                  Die Elektrifizierung eröffnet gerade der
Wasserstoffs sehr energieintensiv ist und         die Dekarbonisierung der Industrien                     Industrie Chancen und Ansatzpunkte, dar-
im Vergleich zur Wasserstoffherstellung           zusätzlich von regulatorischer Seite                    über hinaus im Sinne eines intelligenten
auf Erdgasbasis (Dampfreformation) rund           unterstützt bzw. beschleunigt werden.                   Demand-Side-Managements einen Beitrag
zehnmal so viel Energie benötigt. D.h.,           Dazu zählen z.B. die Absenkung der                      zur Stabilität des energiewirtschaftli-
unter Beachtung dieser Rahmenbedin-               Stromnebenkosten für Elektrolyseure                     chen Systems und der Netze zu leisten.
gungen kann Wasserstoff insbesondere              sowie die Reduzierung bzw. Befreiung                    Sie muss daher ein zentrales Element
dann sinnvoll genutzt werden, wenn der            von der EEG-Umlage.15 Außerdem könnte                   der zukünftigen Energieversorgung
direkte Einsatz von Strom nicht möglich ist       beispielsweise die Umstellung auf Direkt-               werden. Sei es, indem überschüssiger
(z.B. zur Speicherung) oder grüner Wasser-        reduktion von Eisenerz bei der Vergabe                  erneuerbarer Strom in Form von grünem
stoff in Form einer stofflichen Nutzung, z.B.     der Emissionszertifikate/ETS-Handels-                   Wasserstoff zwischengespeichert oder
in der chemischen Industrie, verwendet            systeme stärker honoriert werden.                       die Bereitstellung strombasierter Prozess-
werden soll.                                                                                              wärme netzdienlich organisiert wird. Dafür
                                                  Gegenwärtig gibt es eine Reihe von Initi-               bedarf es auf regulatorischer Seite die
Grüner Wasserstoff lässt sich auch ins            ativen, die darauf zielen, die technischen              bestehenden Anreize in EnWG, StromNEV,
deutsche Erdgasnetz einspeisen, wobei             Voraussetzungen für eine funktionierende                GasNEV sowie im EEG für Stromspeicher
5–10 Volumenprozent technisch ohne                Wasserstoffwirtschaft zu schaffen. So ent-              weiterzuentwickeln und auszubauen.
Weiteres möglich sind. Die Erlöse von             hält der von den Fernleitungsnetzbetrei-
25–30 €/MWh H2 sind jedoch relativ                bern vorgestellte Netzentwicklungsplan
gering. Wird grüner Wasserstoff in lokalen        Gas 2020–2030 Maßnahmen für ein Was-
Speichern zwischengelagert, eröffnen sich         serstoffnetz, das schwerpunktmäßig in
voraussichtlich finanziell interessantere         Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
Nutzungspfade in der Industrie und vor            aufgebaut werden soll und Verbindungen
allem im Verkehrssektor. Denn der Einsatz         zu den Niederlanden hat. Im Hinblick
z.B. in Brennstoffzellenfahrzeugen (Busse,        auf die – mögliche – Regulierung der
Lastkraftwagen, Schiffe etc.) ermöglichen         benötigten Wasserstoffinfrastruktur ist
voraussichtlich die höchsten Erlöse in            festzuhalten, dass sich zwar die Bundes-
Höhe von 100–300 €/MWh H2, da es kaum             netzagentur bereits positioniert und –
andere Dekarbonisierungsmöglichkeiten             mittelbar – für eine an der Regulierung
für diese Sektoren gibt.                          der Strom- und Erdgasnetze orientierte
                                                  Regulierung ausgesprochen hat.16 Dies

                                 15
                                     ie Bundesregierung strebt in der laufenden Novellierung des EEG eine Befreiung von der EEG-Umlage für den Bezug des für
                                    D
                                    die Elektrolyse verwendeten Stroms an. Das Inkrafttreten des neuen EEG 2021 wird für den 01.01.2021 erwartet.
18                               16
                                    Bundesnetzagentur, „Regulierung von Wasserstoffnetzen - Bestandsaufnahme“, Juli 2020, S. 72.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Abb. 9 – Entwicklung des Wasserstoffs im Rahmen der Sektorenkopplung

                     Entwicklung neuer Sekto-       Intensivierung der                    Sektorenkopplung flächen-
                     renkopplungskonzepte           Sektorenkopplung                      deckend umgesetzt
                     (bis 2025)                     (bis 2035)                            (nach 2035)

                                                    Kontinuierlicher Ausbau
                                                                                          Breiter Einsatz effizienter
Elektrolyse          Aufbau von Pilotanlagen        und Weiterentwicklung der
                                                                                          Verfahren
                                                    Technik

                     Zunehmende Einspeisung in      Ausbau von Wasserstoff-               Ausgebaute, intelligente
H2-Infrastruktur
                     vorhandene Gasnetze            speicherkapazitäten                   Wasserstoffnetzwerke

                     Weitere Entwicklung von        Steigender Bedarf in                  Großflächige Verteilung und
H2-Nutzung
                     (Pilot-)Anwendungen            Industrie und Verkehr                 Nutzung

                                                    Zunehmende Produktion
                     Hohe Investitionen in                                                Zunehmend rentable
Kosten                                              und damit einhergehende
                     Forschung und Entwicklung                                            Geschäftsmodelle
                                                    Kostendegressionseffekte

                     Anpassung des
                     regulatorischen Rahmens                                              Ausgereifte Marktmechanismen
Rahmenbedingungen
                     und umfassende staatliche                                            und Infrastruktur
                     Fördermaßnahmen

                              Wasserstoff wird sich zum zentralen
                              Energieträger der Sektorenkopplung
                              entwickeln.

                                                                                                                             19
Wärmesektor                                    privaten Haushalte mit ca. 44 Prozent,              Mit Blick auf Abbildung 11 und die ver-
Der Wärme-Anteil am Gesamtenergie-             deren Endenergiebedarf insbesondere                 wendeten Energieträger fällt auf, dass in
verbrauch in Deutschland beträgt über          für die Erzeugung von Raumwärme und                 privaten Haushalten bislang immer noch
alle Sektoren hinweg über 56 Prozent           die Warmwasseraufbereitung anfällt. Die             vorwiegend Erdgas- und Ölheizungen für
(s. Abb. 10). Damit wird für die Wärme-        Industrie folgt dicht dahinter mit knapp            die Wärmeerzeugung in Gebäuden zum
und Kälteerzeugung in Gebäuden, die            40 Prozent Gesamtenergieverbrauch,                  Einsatz kommen. Der Anteil beläuft sich auf
Bereitstellung von Warmwasser sowie die        wobei hier die Erzeugung von Prozess-               insgesamt ca. 75 Prozent. In der Industrie
Prozess- und Klimakälte mit Abstand die        wärme dominiert, wie bereits in Abschnitt           ist es nicht anders, auch hier werden die
meiste Energie in Deutschland verbraucht.      Industrie näher erläutert wurde.                    Gebäude bislang weitgehend fossil beheizt.
Den größten Anteil haben hierbei die

Abb. 10 – Endenergieverbrauch in Deutschland 2017: Anteile für Wärme nach Anwendungsbereichen in den
einzelnen Sektoren17

35%

30%                                                                                      29,5%
        28,9%

                                     26,1%
25%                                          94,4%
                                             5,0%
                     75,5%                   6,1%
                             2,7%
20%                                          15,7%

                                                           15,5%
15%

                     86,4%
                                                                      64,1%
10%
                                             73,2%                               5,4%
                                                                                 10,5%
                                                                                 8,6%
 5%
                                                                      75,5%
                     10,9%                                                                            0,0%
 0%
       Industrie     davon         Haushalte davon         GHD*      davon               Verkehr     davon
                   Wärmemarkt               Wärmemarkt             Wärmemarkt                      Wärmemarkt

          Gesamt           Raumwärme          Warmwasser           Prozesswärme              K limakälte        Prozesskälte

       * Gewerbe, Handel, Dienstleistungen

20                                                                   17
                                                                          Anwendungsbilanzen zur Energiebilanz Deutschland, abgerufen am 23.11.2020.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie

Abb. 11 – Beheizungsstruktur in Deutschland18

100%
                                   14,0     12,6      11,4      10,6      10,1       9,7       9,4       9,2        9,0      9,0
              16,6      15,3
                                                      12,3      12,3      12,4      12,4       12,4      12,4      12,5      12,5
 80%                    12,0       12,0     12,2
              12,0

                                                                32,6      32,2      31,9       31,6      31,2      30,9      30,5
 60%                                        33,2      32,9
                        33,7       33,4
              34,0

 40%

                                                      43,4      44,5      45,3      46,0       46,6      47,2      47,6      48,0
 20%          37,4      39,0       40,6     42,0

     0%
              1995      1996      1997      1998      1999      2000      2001      2002      2003      2004       2005     2006

100%
               9,0       9,1       9,1       9,3       9,7       9,9      10,3      10,4       10,6      10,6      10,7      10,8
              12,6      12,6       12,7     12,8      12,9      13,1      13,3      13,5       13,6      13,7      13,8      13,9
 80%

              30,1      29,8       29,3     28,9      28,3      27,8      27,2      26,8       26,5      26,3      26,1      25,9
 60%

 40%

              48,3      48,5       48,9     49,0      49,1      49,2      49,2      49,3       49,3      49,4      49,4      49,4
 20%

     0%
              2007      2008      2009      2010      2011      2012      2013      2014      2015      2016       2017     2018

                Gas            Heizöl        F ernwärme           Strom, Elektro-Wärmepumpen und Sonstiges

Der CO2-Ausstoß für die Wärmeversorgung                  Gas-Heizkessel besteht z.B. eine Austausch-            sich die Frage, welcher Lösungsraum sich
in Gebäuden insgesamt ist daher entspre-                 pflicht, wenn diese älter als 30 Jahre sind.           hierfür technisch aufspannen lässt. Hierzu
chend hoch und macht ca. ein Drittel der                 Bei Neubauten soll verstärkt auf Techniken             lässt sich festhalten: Fossile Brennstoffe
CO2-Emissionen in Deutschland aus19. Die                 der erneuerbaren Energie wie Solaranlagen,             können bereits heute durch grünen Strom
bereits 2009 eingeführte „Verordnung                     Biogas, Holzheizungen oder Wärmepumpen                 ersetzt werden, der seinerseits mittels der
über energiesparenden Wärmeschutz                        zurückgriffen werden. Dies ist ein Schritt in          Power-to-Heat-Technologie – entweder
und energiesparende Anlagentechnik bei                   Richtung EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie              zentral oder dezentral – in Wärme umge-
Gebäuden“ (EnEV), die Vorgaben zur                       2018/844 EU) bzw. Niedrigenergiegebäude.               wandelt werden kann.
Heizungs- und Klimatechnik sowie zum
Wärmedämmstandard von Gebäuden                           Es bleibt festzustellen, dass auch in der
macht, wurde daher in den letzten Jahren                 Wärmeerzeugung für Gebäude noch großes
immer wieder verschärft – zuletzt 2016.                  Einsparpotenzial von CO2-Emissionen
Für Bestandsgebäude mit Öl- oder                         liegt. In diesem Zusammenhang stellt

18
     BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., „Entwicklung des Wärmeverbrauchs in Deutschland“, Mai 2019, S. 19.
19
      EG: Was steht im neuen Gebäudeenergiegesetz?, abgerufen am 23.11.2020.
     G                                                                                                                                                    21
Dezentrale Wärmebereitstellung für                Die Wärmepumpen-Technologie wird somit                   ergänzen, indem sie überschüssigen,
Gebäude                                           zur wichtigsten Heiztechnik (Raumwärme                   erneuerbaren Strom in Wärme umwan-
Während bei dezentralen elektrischen Hei-         und Warmwasser) der Zukunft. Mit dem                     deln. Das Fernwärmenetz der Stadt Flens-
zungssystemen ein deutlicher Rückgang             zunehmenden Einsatz ist allerdings auch                  burg ist hierfür ein Praxisbeispiel.
von Stromdirekt- und Nachtspeicherhei-            mit einem weiter steigenden Strombedarf
zungen zu beobachten ist – nicht zuletzt          von 80 bis 135 TWh zu rechnen. Im Inter-                 Aufgrund ihres hohen Wirkungsgrades
aufgrund steigender Strompreise sowie             esse einer nachhaltigen CO2-Reduzierung                  von über 85 Prozent werden in Deutsch-
des ordnungsrechtlichen Rahmens der               sollte dieser zusätzliche Bedarf natürlich               land ebenfalls KWK-Anlagen wie z.B.
EnEV (jetzt Gebäudeenergiegesetz –                durch erneuerbaren Strom gedeckt                         Blockheizkraftwerke durch das Kraft-
GEG) –, gewinnen Wärmepumpen                      werden.22                                                Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) geför-
zunehmend an Bedeutung. Aufgrund                                                                           dert. Auch KWK-Anlagen können über
des technischen Reifegrades steht eine            Zentrale Wärmebereitstellung mit                         das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
effiziente Technologie zur Verfügung, die         Wärmenetzen                                              vergütet werden. Dies kann der Fall sein,
u.a. auch die Vorgaben des GEG meistert.          Bei zentraler Wärmeversorgung mittels                    wenn die KWK-Anlage als Energieträger
Wärmepumpen erzeugen aus einer                    Fern- oder Nahwärmenetzen kommen                         z.B. Biogas oder synthetischen Kraftstoff
Kilowattstunde Strom je nach Jahresar-            bislang häufig reine Heizkraftwerke oder                 nutzt, der selber wiederum auf der Grund-
beitszahl drei bis fünf Kilowattstunden           Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-                       lage erneuerbaren Stroms erzeugt wurde.
Wärme20. Dies ist ein Grund, warum bei            Anlagen) zum Einsatz, in denen neben
30 Prozent der Neubauten in Deutschland           fossilen Energieträgern wie Steinkohle und               Allerdings ist durch die grundsätzliche
die Entscheidung zugunsten der Wärme-             Erdgas auch Abfälle oder biogene Energie-                Umstellung der Fördersystematik in ein
pumpe fällt.                                      träger verbrannt werden. Die Versorgung                  Direktvermarktungsmodell mit vorgela-
                                                  von Wohngebäuden mit Fernwärme hatte                     gerter Ausschreibung (Ausnahme Kleinst-
Wärmepumpensysteme lassen sich                    2018 – bei steigender Tendenz – einen                    anlagen) die finanzielle Förderung in den
zudem mit Heizstäben ergänzen, die für            Anteil von 14 Prozent. In größeren Städten               letzten Jahren deutlich zurückgegangen.
sich genommen nicht sinnvoll energetisch          wie Berlin, Mannheim, Hamburg und                        Für die Sektorenkopplung eignen sich
einsetzbar sind, aber in einem begrenzten         Düsseldorf ist das Fernwärmenetz bereits                 insbesondere KWK-Anlagen mit stromge-
bivalenten Betrieb überschüssigen, erneu-         gut ausgebaut und wird auch noch erwei-                  führter Fahrweise, die zur Erhöhung der
erbaren Strom kurzfristig aufnehmen               tert. Die fossilen Energieträger könnten                 Flexibilität mit Power-to-Heat-Modulen,
können.                                           alternativ auch durch Großwärmepumpen,                   wie z.B. Elektroheizkesseln, ergänzt
                                                  Elektroheizkessel oder aber KWK-Anlagen                  werden. Gleichzeitig angeschlossene
Der Einbau von Wärmepumpen wird über              ersetzt werden. Diese technischen Opti-                  Großwärmespeicher erhöhen zudem
zahlreiche Möglichkeiten wie z.B. durch           onen erlauben es, die Sektorenkopplung                   noch die Flexibilität für den Strommarkt.
Zuschüsse des Bundesamtes für Wirt-               weiter voranzutreiben. So können auch                    Diese erlauben es je nach technischer
schaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) oder           Großwärmepumpen ihre Energie in                          Auslegung, die Wärmeversorgung bis
in Form eines zinsgünstigen Kredits der           Wärmenetze einspeisen. Für die Zukunft                   zu mehrere Wochen/ggf. gar Monate zu
KfW-Bank gefördert. Viele Bundesländer,           ist zu erwarten, dass die Wärmepumpen                    überbrücken. 2018 trugen KWK-Anlagen
Kommunen oder Energieversorger stellen            grundsätzlich technische Vorlauftempera-                 in Deutschland mit ca. 230 TWh zur Wär-
ebenfalls Fördermittel zur Verfügung,             turen von über 100° C erzeugen können.                   meversorgung bei und stellen damit ein
sodass Investitionen in elektrische               Die Wärmenetze der vierten Generation                    wesentliches Element der Energiewende
Wärmepumpen deutlich erleichtert                  werden jedoch mit einem deutlich niedri-                 und Sektorenkopplung dar.
werden. Wir gehen mit Blick auf das Jahr          geren Temperaturfenster zwischen
2050 davon aus, dass die Versorgung von           20 und 95° C auskommen bzw. ope-                         Allerdings ist hier kritisch anzumerken,
Gebäuden mit Niedrigtemperaturwärme               rieren23. Dadurch verringern sich die                    dass eine flexible stromgeführte Fahr-
bis zu 90 Prozent 21 durch Wärmepumpen            Energieverluste.                                         weise von KWK-Anlagen nicht in allen
erfolgen wird. Hierfür gibt es mehrere                                                                     Fällen wirtschaftlich darstellbar ist. Diese
Gründe – den Zwang zur Erreichung der             Ähnlich den Heizstäben in der dezentralen                Situation dürfte sich durch die Einführung
Klimaziele, die Förderung der Wärmepum-           Erzeugung von Gebäudewärme können                        des Brennstoffemissionshandels, der
pentechnik durch den Bund sowie den               Elektroheizkessel bereits vorhandene                     v.a. Erdgas verteuern wird, nochmals
Reifegrad dieser Heiztechnologie.                 Wärmesysteme und -netze ebenfalls                        verschärfen.

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                      Wärmepumpe im Neubau, abgerufen am 23.11.2020.
                   21
                       arek Miara, Gestiegene Effizienz: Feldtests bestätigen Potenzial von Wärmepumpen als wichtigster Heiztechnik der Zukunft,
                      M
                      abgerufen am 23.11.2020.
                   22
                       Bundeswirtschaft für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, „Grundsatzstudie Energieeffizienz“, 2018, S. 134.
22                 23
                        Innovative Lösungen: Wärmenetze 4.0 sind smart und besonders effizient, abgerufen am 23.11.2020.
Dennoch werden Wärmenetze im Rahmen           Klimaanlagen zur Verfügung gestellt
der Energiewende und Sektorenkopplung         werden kann. Denn Klimaanlagen lassen
zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die          sich, ähnlich wie Heizungen, kurzzeitig
Bundesförderung für effiziente Wärme-         abschalten, ohne dass die Raumtempe-
netze „Wärmenetzsysteme 4.0“ fördert          ratur spürbar beeinträchtigt wird.
deshalb innovative Wärmenetzsysteme,
die überwiegend mit erneuerbaren Ener-        Regulatorischer Ausblick
gien bzw. Abwärme betrieben werden und        Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der
sich gleichzeitig durch eine strommarkt-      Wärmebereich, anders als Strom- und
dienliche Sektorenkopplung auszeichnen.       Erdgasversorgung, (noch) nicht einer Sek-
Die Förderung zielt dabei insbesondere        torregulierung unterliegt. Im Wesentlichen
auf die kommunalen Betriebe oder Zweck-       werden die gesetzlichen Rahmenbedin-
verbände.                                     gungen durch das GEG, das KWKG und
                                              das EEG gesetzt. Entsprechend ist zu
Flexibilitätspotenziale durch                 erwarten, dass hierin die nötigen Impulse
Sektorenkopplung im Wärmebereich              in Zukunft implementiert werden.
Die Sektorenkopplung im Niedrigtempe-
raturbereich lässt sich bereits heute mit     Es bestehen dabei zahlreiche regulato-
ausgereifter Technik umsetzen. Von Vorteil    rische Herausforderungen, an denen
im Sinne der Systemdienlichkeit ist auch,     für eine smarte und schlagkräftige
dass der Energiebedarf in Grenzen flexibi-    Sektorenkopplung im Wärmebereich
lisiert werden kann, indem der Strom- und     weiter zu arbeiten ist. Dies betrifft z.B. das
Wärmesektor gekoppelt wird. Power-to-         Incentivieren kleiner Marktakteure durch
Heat-Module können dabei flexibel einge-      das EnWG, um eine flexible Fahrweise
setzt werden. Sie erfüllen grundsätzlich      ihrer Wärmepumpen entsprechend zu
die technischen Voraussetzungen für den       vergüten. Auch flexible, lastvariable Tarife
Minutenreserve- als auch für den Sekun-       durch eine Dynamisierung der EEG-Um-
därreservemarkt.                              lage oder der Netzentgelte wären grund-
                                              sätzlich Mittel, die Sektorenkopplung mit
So können beispielsweise KWK-Anlagen          entsprechenden Preissignalen am Markt
mit Power-to-Heat-Modulen als zuschalt-       zu unterstützen. Es bleibt abzuwarten,
bare Lasten gemäß § 13 Absatz 6a EnWG         ob das sog. Ampelsystem im Verteilnetz
vermarktet werden. Bei simultaner Dros-       zeitnah Realität wird und entsprechende
selung von KWK-Anlagen (Stromeinspei-         Anreize schafft.
sung sinkt) und elektrischer Wärmebereit-
stellung (Stromausspeisung steigt) lässt
sich Überschussstrom aus erneuerbaren
Energien verwerten. Die BNetzA räumt
den Übertragungsnetzbetreibern ein,
zuschaltbare Lasten unter bestimmten
Voraussetzungen von bis zu
2 GW zu kontrahieren.

Abschließend sei noch ergänzend
erwähnt, dass einige der aufgezeigten Fle-
xibilitätspotenziale natürlich auch für die
Kälteerzeugung gelten. So zeigt beispiels-
weise ein Pilotprojekt an einem deutschen
Flughafen, dass Regelleistung über die

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