Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie - Deloitte
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Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Die Elektrifizierung der Wirtschaft als Grundlage für Klimaneutralität 04 Auswirkungen auf das energiewirtschaftliche System 06 Implikationen für die Bereiche Verkehr, Industrie und Wärme 10 Verkehrssektor 12 Industrie 16 Wärmesektor 20 Unternehmensindividuelle Herausforderungen der Sektorenkopplung managen 24 Fazit 30 03
Die Elektrifizierung der Wirtschaft als Grundlage für Klimaneutralität Die Bundesregierung unterstützt das Ziel, Abb. 1 – Endenergieverbrauch 2018 nach Sektoren1 den Anstieg der globalen Durchschnittstem- peratur im Vergleich zu 1990 auf 1,5° C zu begrenzen. Aufgrund des dringend gebo- tenen Handlungsbedarfs zur Eindämmung der Klimaerwärmung werden Konzepte zur Dekarbonisierung der Energiesysteme mit Nachdruck verfolgt. Da in Deutschland rund Verkehr Industrie 85 Prozent der klimarelevanten Emissionen 751 TWh 736 TWh auf die Bereitstellung von Endenergie entfallen, liegt hier der entscheidende 30,1% 29,5% Hebel zur Verbesserung der deutschen Klimabilanz. Abbildung 1 zeigt den Endenergiever- brauch (EEV) 2018, aufgeteilt nach den Sektoren Verkehr, Industrie, Haushalte sowie Gewerbe/Handel/Dienstleistungen. Neben der Steigerung der Energieeffizienz („Efficiency first“) müssen zur Erreichung der Klimaziele in allen Sektoren fossile Energieträger stärker durch erneuerbare Energien substituiert werden. Gewerbe, Handel, Haushalte Dienstleistungen 636 TWh 375 TWh 25,4% 15,0% 04 1 Umweltbundesamt, „Energieverbrauch nach Energieträgern und Sektoren“, abgerufen am 23.11.2020.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Die Sektoren mit dem größten Energiever- sätzlich die Technologieoffenheit der Mit dieser – aus Sicht des Klimaschutzes – brauch in Deutschland sind der Verkehr „Energiewende“ betont und die Rahmen- nutzbringenden physikalischen Eigenschaft und die Industrie, auf die insgesamt bedingungen oft auch von diesem Leitsatz geht die Notwendigkeit einher, die Prozesse ca. 60 Prozent des Endenergieverbrauchs geprägt sind, wird die Energiewende in Unternehmen und privaten Haushalten entfallen. Dabei sind fossile Kraftstoffe bislang faktisch eher als Stromwende und in stärkerem Maße zu elektrifizieren. Zwei und Erdgas die beiden Energieträger über somit als fokussierter sektoraler Ansatz zentrale Fragestellungen tun sich in diesem alle Sektoren hinweg, die mit Abstand den und – entgegen politischer Verlautba- Zusammenhang auf: größten Anteil zur Endenergieversorgung rungen – nicht als sektorübergreifende beitragen. Strom als Energieträger deckt Systemintegration verstanden. Letztere • Welche Bereiche und Prozesse lassen lediglich ca. 21 Prozent des Endenergie- hat aber eben nicht nur die innersekto- sich heute oder morgen aus technischer, bedarfs. rale Optimierung im Blick, sondern zielt wirtschaftlicher und regulatorischer Sicht darauf, das energetische Potenzial und sinnvoll elektrifizieren? „Weg von nuklearen und fossilen Brenn- die Flexibilität des einen Sektors auch stoffen, hin zu erneuerbaren Energien für andere Sektoren nutzbar zu machen. • Welche Möglichkeiten haben Unterneh- und mehr Energieeffizienz“ – das ist das Insofern ist gerade die Sektorenkopplung, men und private Haushalte, sich in die erklärte Ziel der Bundesregierung und der also die Verknüpfung von Strom- und Sektorenkopplung einzubringen bzw. wel- Energiewende. Um dies zu erreichen, soll (Erdgas-)Wärmeversorgung, Mobilität che Chancen ergeben sich beim Einstieg die Energieversorgung zunehmend auf und industriellen Prozessen sowie deren in den Energiemarkt, zusätzliche Erlöse erneuerbare Energien umgestellt werden. Infrastrukturen, der Schlüssel für eine zu erschließen oder gar neue Geschäfts- Erneuerbarer, „grüner“ Strom spielt dabei erfolgreiche Energiewende. Folglich räumt modelle zu entwickeln? in Deutschland eine zentrale Rolle. Ins- die Bundesregierung dem Konzept der besondere hier wurde der Ausbau in den Sektorenkopplung im „Integrierten Nati- Der Beantwortung dieser beiden zentralen letzten Jahren bereits stark vorangetrieben. onalen Energie- und Klimaplan“, im „Kli- Fragenstellungen soll in den folgenden Der Anteil der erneuerbaren Energien an maschutzplan 2050“ sowie im „Grünbuch Kapiteln nachgegangen werden. der Gesamtstromerzeugung betrug 2019 Energieeffizienz“ eine hohe Bedeutung zur bereits 42,1 Prozent, was auch eine Folge Erreichung der ambitionierten klimapoliti- des massiv geförderten Ausbaus der Wind- schen Ziele ein.3 und Solarenergie ist. Im Zuge der schrittweisen Substitution Anders stellt sich jedoch die Situation mit fossiler Energieträger wird Strom aus Blick auf die Gesamtenergiebereitstellung in erneuerbaren Energien in Zukunft Deutschland dar. Hier liegt der Beitrag der der bedeutsamste Energieträger sein. erneuerbaren Energieträger am Endener- Einerseits stehen mit Photovoltaik- und gieverbrauch bei lediglich ca. 15 Prozent. Windkraftanlagen etablierte Technologien Somit besteht in Deutschland noch großes zur Verfügung, die in Deutschland noch Potenzial zur Senkung der Treibhausgas- ausschöpfbares Potenzial zeigen und emissionen. deren Ausbau auch weiterhin politisch vorangetrieben wird. Andererseits lässt Zentrales Ziel der Energiewende ist eine sich Strom physikalisch sehr gut in andere auf das Jahr 1990 bezogene Reduktion des Energieformen wie Wärme oder mechani- Treibhausgasausstoßes um 55 Prozent sche Arbeit wandeln und ist daher für eine bis zum Jahr 20302 und um 80–95 Prozent sektorübergreifende Nutzung geradezu bis zum Jahr 2050. Hierbei ist zu betonen, prädestiniert. dass dieses ambitionierte Ziel die gesamte Energieversorgung betrifft. Obwohl die Politik auf EU- und Bundesebene grund- 2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „Integrierter Nationaler Energie- und Klimaplan“, Juni 2020, S. 46. 3 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „Integrierter Nationaler Energie- und Klimaplan“, Juni 2020, S. 65. 05
Auswirkungen auf das energiewirtschaftliche System Derzeit wird kontrovers diskutiert, wie sich insbesondere auch vor dem Hintergrund die Stromnachfrage in den kommenden der gerade verabschiedeten Nationalen Jahrzehnten entwickeln wird bzw. auf und EU-Wasserstoffstrategie.5 Denn welchen Stromverbrauch die Energieerzeu- CO2-freien grünen Wasserstoff durch gung und das Stromnetz auszurichten sind. Elektrolyse herzustellen, verlangt nach Während einerseits Effizienzmaßnahmen einem zehnmal größeren Energieeinsatz, zu einem Rückgang des Strombedarfs als wenn der Wasserstoff aus Erdgas (also führen dürften, erhöht andererseits eine grauer oder blauer Wasserstoff) herge- tiefgreifende Sektorenkopplung bzw. die stellt wird. Elektrifizierung bisher mit fossilen Energie- trägern betriebener Wirtschaftsprozesse Abb. 2 – Prognose Bruttostromverbrauch 2030 6 die Stromnachfrage aus den dann ange- bundenen Sektoren. 800 Die Bundesregierung prognostiziert in 700 ihrem Klimaschutzprogramm 2030, dass 206 sich der gegenwärtige Stromverbrauch 600 geringfügig unterhalb des heutigen 68 Niveaus bewegen dürfte.4 Wir gehen 500 60 jedoch davon aus, dass die Stromnach- frage in den nächsten Jahren steigen wird. 400 Einsparungen durch Effizienzmaßnahmen können sicherlich erreicht werden. 300 Dennoch, sollten die Klimaschutzziele 531 474 mit Nachdruck umgesetzt werden, 200 wird die Stromnachfrage aufgrund von zusätzlichen Stromverbräuchen für Wärmepumpen, Elektromobilität 100 Klassischer Stromverbrauch und PtX-Technologien (Power-to-Gas, Netzverluste, Eigenverbrauch Power-to-Liquids) die Einspareffekte bei 0 Zusätzlicher Stromverbrauch -65 Sektorenkopplung Weitem übersteigen. Daher sind Strom- verbräuche zwischen 700 und 800 TWh -100 Effizienzgewinne im Jahr 2030 durchaus als realistisches 2017 2030 Szenario (zum Vergleich: 599 TWh 2017; 575 TWh 2019) einzuschätzen (vgl. Abb. 2). Zu diesem Schluss kommen auch andere Akteure und Energieverbände. Dies gilt 4 undesregierung, „Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans B 2050“, Oktober 2019, S. 32. 5 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „Die Nationale Wasserstoffstrategie“, Juni 2020, S. 2. 06 6 Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., „Das BEE-Szenario 2030“, Mai 2019, S. 3.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Die Zunahme der Einspeisung von erneu- Positive und negative Residuallasten, also erbarem Strom im Netz, der unverzichtbar jene Stromnachfrage, die nicht durch ist, um auch die wachsende Stromnach- erneuerbare Energien gedeckt werden frage zu decken, wird Auswirkungen kann oder im gegenteiligen Fall durch auf die Stabilität der Stromversorgung ein Stromüberangebot überdeckt wird, haben. So müssen die Netzbetreiber dürften in den kommenden Jahren weiter bereits heute in erheblichem Ausmaß zunehmen. Das Stromangebot wird auf- Netzeingriffe vornehmen. Dies zeigt grund der fluktuierenden Stromerzeugung sich u.a. in den Kosten für Ausfallarbeit aus Sonne und Wind volatiler und kann bei Redispatch-Maßnahmen, die im während des Tages und zwischen Jahres- Jahr 2018 rund 7.900 GWh umfassten zeiten stark von der benötigten Nachfrage und Entschädigungsansprüche i.H.v. ca. abweichen. Die Prognosen gehen ausein- 387 Mio. € nach sich zogen. Über das ander, in welchem Umfang dies in Zukunft Einspeisemanagement von erneuerbaren der Fall sein wird. Abbildung 3 zeigt Energieanlagen kamen weitere rund 5.400 hierzu die Ansichten unterschiedlicher GWh bzw. 635 Mio € hinzu. Forschungsinstitute und Energieverbände für maximale und minimale Residuallast- wertausschläge der Jahre 2030 und 2050. Abb. 3 – Prognose der Residuallast-Extremwerte 2030 und 20507 120 100 80 60 118 40 84 75 76 73 71 20 41 26 0 Positiv Negativ Positiv Negativ 2030 2050 Bundesverband Erneuerbare Energie e.V./Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme/Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft 7 Öko-Institut e.V., „Visionen und Pfadentscheidungen der Energiewende“, Juli 2019, S. 31. 07
Während die Prognosen für die positive im Einzelfall zu hinterfragen, denn die Aus- Residuallast zwischen den Jahren 2030 und lastung der Kapazität über das Jahr dürfte 2050 keine wesentlichen Veränderungen im Durchschnitt nur für wenige Stunden voraussagen und temporär zwischen 70 und Tage gesichert sein. Die Kosten hierfür und 80 GW liegen, ist bei den negativen werden über die Netzentgelte „sozialisiert“. Residuallasten eine wesentliche Erhöhung Darüber hinaus stehen Gaskraftwerke auf- zu erkennen. Die Anzahl der Stunden pro grund des CO2-Austoßes dem eigentlichen Jahr mit überschüssigem Strom im Netz Ziel der Dekarbonisierung entgegen. wird zunehmen – insbesondere die Höhe der temporär auftretenden negativen Resi- Die dargestellte Problematik lässt den duallasten im Netz. Schluss zu, dass Ansätze der Sektoren- kopplung einen zusätzlichen Beitrag Doch wie kann das energiewirtschaftliche für einen ausgeglichenen Strommarkt System Stromangebote und -nachfrage in ermöglichen müssen: Die Integration von Zukunft ausgleichen und auf Lastschwan- Strom- und Wärmeversorgung, Mobilität kungen reagieren? und industriellen Prozessen schafft dabei die benötigte Flexibilität. Wie umfangreich Ein Ansatz, um zwischen Nord- und Süd- dieser Beitrag sein wird, hängt von der deutschland für Ausgleich zu sorgen, ist der Wirtschaftlichkeit und der Praktikabilität massive Ausbau der Übertragungsnetze. des jeweiligen Ansatzes ab und ist im Detail So werden laut BMWi über 7.500 Kilometer noch schwer zu prognostizieren. im Übertragungsnetz optimiert, verstärkt oder neu gebaut. Die Kostenschätzungen Zu erwarten ist jedoch, dass in Zukunft für den Ausbau des Übertragungsnetzes für einen wirtschaftlichen Flexibilitätsmix liegen bei ca. 52 Mrd. €. Der Netzausbau viele unterschiedliche Flexibilitätsansätze ist sehr teuer und wird durch aufwendige angewendet werden, um einen effizienten und langwierige Genehmigungsverfahren Ausgleich zwischen Erzeugung und Ver- erschwert, sodass ein massiver Netz- brauch zu realisieren. Das folgende Kapitel ausbau alleine nicht die wirtschaftlichste soll daher die einzelnen Sektorenkopp- Lösung darstellt. Eine weitere häufig lungstechnologien im Verkehr-, Industrie- diskutierte Möglichkeit ist der Ausbau von und Wärmebereich u.a. auch aus diesem gasbefeuerten Regelenergiekraftwerken, Blickwinkel heraus betrachten. um erneuerbare Erzeugungsdefizite auszu- gleichen. Auch hier ist die Wirtschaftlichkeit 08
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Implikationen für die Bereiche Verkehr, Industrie und Wärme Die zukünftige Entwicklung der gesamten Die Elektromobilität mit batterie- oder Nachfrage nach grünem Strom sowie die brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeugen hohen Kosten für den Netzausbau haben und der Ausbau der hierfür notwendigen für Unternehmen zur Folge, dass sie sich Infrastruktur sind in vollem Gange. Für einerseits in einem Umfeld mit hoher lange Strecken, hohe Gewichte sowie Unsicherheit bzgl. des zukünftigen Strom- auf dem Wasser oder in der Luft ist es preises bzw. der Stromabgaben bewegen. dagegen noch offen, welche Technologie Gleichzeitig eröffnet die Sektorenkopplung sich durchsetzen wird. Nachwachsende eine Reihe von Möglichkeiten, mit neuen Rohstoffe und synthetische Kraftstoffe, Erlösen oder Geschäftsmodellen in den die sich in Technologien wie Power-to-Gas Energiemarkt einzusteigen und dazu oder Power-to-Liquids manifestieren, beizutragen, das Gesamtsystem zu stabi- spielen jedoch eine zentrale Rolle. Die lisieren. Wirtschaftlichkeit der Technologie wirft bislang in viele Fällen allerdings noch Wie Abbildung 4 schematisch und ohne Fragen auf. Anspruch auf Vollständigkeit darstellt, sind die Sektorenkopplungsmöglichkeiten für Auch lässt sich über grünen Strom grund- Unternehmen vielschichtig, oft auch bidi- sätzlich die Wärmeversorgung für private rektional, die Anzahl der möglichen Markt- Haushalte und die Industrie ermöglichen – teilnehmer groß und die technischen insbesondere wenn es um die Wärmebe- Optionen der Umsetzung über bereits reitstellung in Gebäuden geht. Hierfür gibt vorhandene oder noch aufzubauende es bereits eine Vielzahl von unterschiedli- Infrastrukturen bzw. Assets vielfältig. cher Fördermöglichkeiten. Auch der regu- Wasserstoff ist das Schlüsselelement der latorische Rahmen hat sich in den letzten Sektorenkopplung in den Bereichen, in Jahren dynamisch weiterentwickelt. denen Strom aus erneuerbaren Energien nicht direkt als Endenergie eingesetzt Die Beispiele zeigen: Unternehmen werden kann. Grüner Wasserstoff und müssen sich auf dem Weg zu einer seine Folgeprodukte (Power-to-X) eröffnen dekarbonisierten Energieversorgung mit Dekarbonisierungswege für die Mobilität vielen Themen auseinandersetzen und (Flugzeuge, Schiffe, Schwerlastverkehr und stehen dabei vor komplexen technischen, Züge), die Chemie-, Düngemittel-, Stahl- wirtschaftlichen und regulatorischen Frage- und Zementindustrien. Die Nationale stellungen, die es zu beantworten gilt – Wasserstoffstrategie der Bundesregierung sofern es aufgrund des gegenwärtigen Ent- vom Juni 2020 sieht daher auch Maß- wicklungsstandes unterschiedlicher Tech- nahmen zur Umsetzung von Sektoren- nologien und des Regulierungsrahmens kopplung in den Bereichen Verkehr, Indus- bereits eindeutige Antworten geben kann. trie, Wärme und Infrastruktur vor. 10
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Abb. 4 – Sektorenkopplung Power-to-Heat Po we r-t t Strom o- Hea Wärme Ga s -t o- Ga s s-t Ga o- Po we r Gas EV C ha r gi (Syn. Kraftstoffe) Gas-to-Liquids ng /H Ve O- hic H2 LK l W e- t ah /B o- n Gr id Verkehr Strom Gas Verkehr Wärme Infrastruktur/Assets: Infrastruktur/Assets: Infrastruktur/Assets: Infrastruktur/Assets: Erzeugungsanlagen/ Gasnetz/Speicher/ Ladeinfrastruktur KWK-Anlagen/Wärmepumpen Stromnetz/Stromspeicher Elektrolyseure Anlagen für neue Wärmespeicher/Wärmenetze/ Marktteilnehmer: Marktteilnehmer: Antriebskonzepte Anlagen für Prozesswärme • Stromerzeuger • Industrie Marktteilnehmer: Marktteilnehmer: • Netzbetreiber Strom • EVUs • Automobilhersteller • Industrie (ÜNB/VNB) • Netzbetreiber Gas • E-Mobility Service Provider • Wohnungswirtschaft (Haushalte) (FLN/VNB) • Ladeinfrastrukturbetreiber • GHD • Flottenbetreiber 11
Für die Sektoren Industrie und Verkehr wird der Entwicklungsstand möglicher Technologien der Sektorenkopplung im Folgenden dargestellt. Hinzu kommt der Wärmebereich, der in Deutschland über alle Sektoren hinweg einen sehr hohen Energieverbrauch verursacht und auf den es sich lohnt, einen Blick zu werfen. Verkehrssektor Tendenzen im Individualverkehr und Der Verkehr ist mit einem Anteil von bei Nutzfahrzeugen ca. 30 Prozent der größte End-energie- Im Individualverkehr scheint sich die Elek- verbraucher aller Sektoren. Innerhalb tromobilität mittels batteriebetriebener dessen tragen wiederum der Individual-, Fahrzeuge (BEV) oder hybrider Konzepte Straßen-, Seegüter- und nicht zuletzt (PHEV, REEV) als wirtschaftlichste Techno- der Flugverkehr entscheidend zu den logie durchzusetzen. Das direkte Laden Treibhausgasemissionen bei. Bis 2018 der Batterie ist mit Effizienzvorteilen basierte der Endenergieverbrauch im verbunden. Der nachhaltig erzeugte Strom Verkehrssektor noch zu ca. 94 Prozent ist direkt nutzbar, und im Gegensatz zur auf fossilen Mineralölprodukten. Für die Brennstoffzellentechnologie muss kein Zukunft ist allerdings noch offen, welche Wasserstoff mittels verlustbehafteter Elek- Energieträger sich am Markt letztendlich trolyse erzeugt werden. Ein BEV benötigt durchsetzen werden. Das Spektrum reicht für 100 km entlang der gesamten Prozess- dabei von synthetischen Kraftstoffen über kette lediglich 15 kWh Strom. Dies ist deut- Wasserstoff bis hin zu Strom aus erneu- lich weniger bzw. nur ein Bruchteil dessen, erbaren Energien. Für einzelne Bereiche was bei alternativen Technologien wie bei zeichnen sich bereits erste Tendenzen ab. Brennstoffzellenfahrzeugen (31 kWh) oder Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen (103 kWh) einzusetzen wäre. Immer mehr deutsche OEMs hinterfragen daher derzeit Investitionen in die weitere Entwicklung von brennstoffzellenbetrie- benen PKWs. Ganz anders verhält es sich dagegen bei den Nutzfahrzeugen. Selbst die neueste Batterien-Generation weist immer noch eine limitierte gravimetrische Energiedichte auf. Infolgedessen sind die Reichweiten im Vergleich zu den Verbren- nungsmotoren noch deutlich geringer. Je mehr Masse ein Fahrzeug hat, umso größere Bedeutung gewinnt die Reichwei- tenproblematik. Die folgende Grafik (Abb. 5) zeigt die mög- lichen Antriebstechnologien für die unter- schiedlichen Fahrzeug-Gewichtsklassen. 12
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Abb. 5 – Sektorenkopplungstechnologien für den Straßenschwerlastverkehr8 Größenklasse Kleinlaster und Leichte Lkws Mittelschwere Mittelschwere Sattelzüge umgebaute Pkws Lkws (Kategorie 1A) Lkws (Kategorie 2B) Zulässiges Gesamtgewicht 0–3,5 t 3,5–7,5 t 7,5–12 t 12–20 t 40 t [t] Ø Jahresfahrleistung ca. 13 Tsd. ca. 27 Tsd. ca. 66 Tsd. ca. 74 Tsd. ca. 106 Tsd. [km/a] Bestand ca. 2,62 Mio. ca. 236 Tsd. ca. 74 Tsd. ca. 81 Tsd. ca. 219 Tsd. [Fahrzeuge 2019] Fahrleistung 34,1 Mrd. 6,4 Mrd. 4,9 Mrd. 5,8 Mrd. 23,2 Mrd. [Fahrzeuge x km/a] Energiebedarf 24,7 8,4 8,7 13,5 71 TTWB) [TWh/a] Reine Batteriefahrzeuge sowie Plug-in-Hybride Power-to-Gas Potenzielle strombasierte Antriebstechnologien Power-to-Liquids Hybridoberleitungs-Lkw A Aufteilung der Größenklasse in zwei Kategorien entsprechend der KBA-Daten B Tank-to-Wheel Im schweren Last-, Schiff- und Flugver- Option zur Nutzung einer Hybrid- Abstimmung der technischen Entwick- kehr gewinnen die Power-to-Gas- (PtG: Oberleitung (HO-LKW). Diese Technik lungen zwischen den verschiedenen Wasserstoffgewinnung durch Elektrolyse) könnte auf Autobahnen zur Anwendung Unternehmen aus den Bereichen Auto- und Power-to-Liquids-Technologien (PtL: kommen, wo ein (teil)elektrifizierter mobil, Gase/Brennstoffe, Kommunikation Weiterverarbeitung von Wasserstoff zu LKW-Antrieb über eine Oberleitung mit und Energiewirtschaft. Die wechselseitige synthetischen flüssigen Kraftstoffen) Strom versorgt wird. Abstimmung der Entwicklungen ist im zunehmend an Bedeutung. Wie bereits Interesse der Investitionssicherheit ein oben dargestellt, kommt ein Batterieein- Alle genannten Optionen ziehen jedoch unverzichtbarer Baustein einer effizienten satz (BEV: batterieelektrische Fahrzeuge, Investitionen in den Auf- und Ausbau von und wirtschaftlichen Umsetzung der PHEV: Plug-in-Hybride) aus technischer Anlagen und Infrastruktur nach sich. Glei- Sektorenkopplung. Das kann auch am Sicht nicht in Betracht. Um die Dekarboni- ches gilt für die Assets zur Bereitstellung Beispiel der Ladeinfrastruktur verdeutlicht sierungsziele zu erreichen, liegt der Fokus der zusätzlich benötigten elektrischen werden. daher auf Brennstoffzellen und Verbren- Energie – für z.B. die Verstärkung der nungsmotoren. Stromnetze sowie den Ausbau der E-Lade- und Wasserstoffinfrastruktur. Die zielkon- Für LKWs hoher Gewichtsklassen besteht forme Umsetzung der Sektorenkopplung darüber hinaus noch die technische bedingt eine enge und möglichst parallele 8 Zentrales Fahrzeugregister (ZFZR), abgerufen am 23.11.2020. 13
Aufbau der Ladeinfrastruktur für vertraglich zusammengeschlossen, um die Ladestationen aller angeschlossenen batteriebetriebene Fahrzeuge den Aufbau der Ladeinfrastruktur voran- Betreiber auch von Kunden dritter Anbieter Derzeit sind in Deutschland etwa 27.700 zutreiben. So wurde z.B. die Gesellschaft im Markt nicht nur gefunden, sondern (halb)öffentliche Ladepunkte installiert. Um Ionity von den OEMs BMW, Daimler, Ford, auch genutzt werden. Für die Betreiber jedoch das erklärte Ziel der Europäischen VW u.a. gegründet, um die Ladeinfra- der Ladeinfrastruktur eröffnet sich damit Union einer Absenkung der CO2-Emissionen struktur entlang der europäischen Auto- die Chance einer höheren Auslastung von PKW-Flotten um 37,5 Prozent bis zum bahnen aufzubauen. Das alleine ist jedoch der Ladesäulen. Darüber hinaus lassen Jahr 2030 erreichen zu können (im Vergleich nicht ausreichend. In Ergänzung hierzu sich neben den direkten Einnahmen aus zu 2021), muss auch die Ladeinfrastruktur sind weitere lokale Kooperationen erfor- den Ladevorgängen weitere indirekte massiv ausgebaut werden. Eine Studie im derlich, um auch auf dem (verbleibenden) Einnahmen aus z.B. Cross-Selling oder aber Auftrag des BMWi geht davon aus, dass bis regionalen Straßennetz flächendeckend der Verfügbarkeit/ dem Zugriff auf Nut- 2030 ca. 194.000 öffentliche Ladepunkte Lademöglichkeiten anzubieten. zerdaten generieren. Datenanalysen von benötigt werden (für einen Fahrzeug- Supermärkten zeigen, dass das Aufstellen bestand von ca. 7,2 Mio. PKW).9 Es ist Mit diesem physischen Aufbau der Ladein- von Ladesäulen von den Kunden als beson- erkennbar, dass für den Aufbau der Ladein- frastruktur müssen darüber hinaus auch ders „innovativ und grün“ wahrgenommen frastruktur noch erhebliche Anstrengungen vernetzte Lösungen geschaffen werden, wird und sich auf diesem Weg neue, unternommen werden müssen, die jedoch um den Kunden die gesamte Ladeinfra- umweltbewusste Kunden gewinnen lassen. den Unternehmen auch die Chance bieten, struktur betreiberunabhängig zugänglich sich an der Elektrifizierung des Verkehrssek- zu machen. Bspw. die Firma Hubject bietet tors zu beteiligen. hierfür eine eRoaming-Plattform für vernetzte Elektromobilität an, die ein Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt anbieterübergreifendes Laden von Elek- angesichts des hohen Investitionsvolu- trofahrzeugen in ganz Europa möglich mens haben sich bereits Unternehmen macht. Über die Hubject-Plattform können Abb. 6 – Voraussichtliche Entwicklung der öffentlichen Ladeinfrastruktur bis 2030 400.000 7.200.000 ∆ Elektrofahrzeuge: 7,06 Mio. 350.000 6.200.000 300.000 5.200.000 250.000 4.200.000 200.000 3.200.000 ∆ Ladepunkte: 166 Tsd. 150.000 2.200.000 100.000 1.200.000 50.000 200.000 0 -800.000 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 Ladepunkte Ladepunkte Prognose Elektrofahrzeuge Elektrofahrzeuge Prognose 14 9 Universität des Saarlandes, „Automobile Wertschöpfung 2030/2050“, Dezember 2019, S. 209.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Elektrofahrzeuge als netzdienliche Regulatorischer Ausblick Assets Die Sektorenkopplung stellt die Politik vor Aus einer flächendeckenden Nutzung die Herausforderung, neben einem sek- von Elektrofahrzeugen eröffnen sich toralen auch einen sektorübergreifenden wiederum Chancen bzw. potenzielle Regulierungsansatz zu finden. Die gesetz- Anwendungen für die Sicherstellung der geberischen Aktivitäten beschränken sich Netzstabilität. Autobatterien laden in derzeit aber überwiegend auf die ener- Zeiten hoher EE-Verfügbarkeit und nied- giewirtschaftlichen Rahmenbedingungen, riger Strompreise. Im Falle eines Erzeu- indem andere Sektoren in die Regulierung gungsengpasses bzw. hoher Strompreise der Energiewirtschaft einbezogen werden. erfolgt eine Rückeinspeisung ins Netz. Am Beispiel des Verkehrssektors lässt sich Damit lässt sich in Teilen Regelenergie zur der vom Gesetzgeber gewählte Ansatz gut Stabilisierung der Energieversorgung für ablesen: Ladesäulen sind grundsätzlich das lokale Netz bereitstellen, was Auto- von der Ladesäulenverordnung (LSV) und mobilherstellern oder Mobilitätsanbietern dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) grundsätzlich die Chance eröffnet, neue erfasst und die Betreiber unterstehen der Geschäftsmodelle und Einnahmequellen Aufsicht der Bundesnetzagentur (BNetzA). aufzubauen. Im Jahr 2025 dürfte der So können Ladesäulen bereits heute als geschätzte Bestand an Elektrofahrzeugen steuerbare Verbrauchseinrichtungen von in Deutschland in der Lage sein, über 60 verringerten Netzentgelten profitieren. Gigawattstunden Strom zu speichern. Des Weiteren sind Ladesäulen bzw. die Diese Speicherkapazität wird sich bis zum Akkumulatoren von angeschlossenen/ Jahr 2030 bereits auf annähernd eine ladenden Elektrofahrzeugen potenzielle halbe Terawattstunde vergrößert haben. Teilnehmer an künftigen Systemhaltungs- Die Europäische Kommission geht davon maßnahmen der Verteilnetzbetreiber aus, dass bis 2050 ca. 20 Prozent der in (sog. Ampelsystem).11 Der Aufbau der der EU benötigten täglichen Flexibilität Infrastruktur wird auch mittelbar durch durch Elektrofahrzeuge bereitgestellt gesetzliche Auflagen für Gebäudeeigen- werden kann.10 tümer angereizt durch die Einführung des Gebäudeelektromobilitäts-Infrastrukturge- Eine entscheidende Herausforderung setzes (GEIG). Diese Anreiz-Mechanismen dürfte dabei sein, die Bereitstellung von des energiewirtschaftlichen Rege- Regelenergie – trotz einer begrenzten lungsrahmens z.B. über verminderte Zyklenfestigkeit der Akkumulatoren – Strombezugskosten wird der Gesetzgeber wirtschaftlich auszugestalten. Dies steht weiterverfolgen. natürlich auch in Abhängigkeit von den durch die Regulierung bereitgestellten Gleichzeitig wird der Gesetzgeber Anreiz- und Vergütungsmodellen. verkehrssektorspezifische Maßnahmen wie etwa Quotenregelungen (z.B. Bio- kraftstoff) einführen, um die Entwicklung voranzutreiben. Insoweit bleibt zu hoffen, dass der künftige Regulierungskanon aus sektorspezifischen Maßnahmen auch zur Sektorenkopplung beiträgt und nicht in ein Regulierungsdickicht führt. 10 owering a climate-neutral economy: Commission sets out plans for the energy system of the future and clean hydrogen, P abgerufen am 23.11.2020. 11 BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., „Elektromobilität als Anwendungsfall des Ampelkonzepts im Verteilnetz“, April 2018, S. 6. 15
Industrie Abb. 7 – Endenergieverbrauch im Industriesektor 2018 nach Energieträgern12 Der Industriesektor stellt den zweit- größten Endenergieverbraucher unter 21 TWh den Sektoren dar (s. Kapitel 1), wobei zu Sonstige Energieträger den zwei größten Verbrauchergruppen 2,8% 120 TWh 32 TWh insbesondere die Metallerzeugung und Stein- und Braunkohle Erneuerbare Wärme die Grundstoffchemie zählen. 16,3% 4,4% 47 TWh Ab dem Jahr 1990 ging der Endenergie- Fernwärme 28 TWh verbrauch in der Industrie zwar zunächst 6,4% Mineralölprodukte merklich zurück, was vor allem auf den Schwund der Industrie in den neuen 3,8% Bundesländern zwischen 1990 und 1993 zurückzuführen war. Ab 2002 stieg 736 TWh dieser dann aber mit dem Wirtschafts- wachstum wieder deutlich an und betrug im Jahr 2018 über 700 TWh. Etwa zwei 227 TWh Drittel des Endenergieverbrauchs der Strom (inkl. Industrie werden für die Erzeugung von erneuerbare Energien) 262 TWh Prozesswärme benötigt. Etwa ein Drittel 30,8% Gase entfällt auf den Betrieb von Motoren und 35,5% Maschinen. Raumwärme ist ein relativ kleines Segment und wird im folgenden Abschnitt Wärme betrachtet. Die Endenergieversorgung der Industrie Elektrifizierung der Anlagen für Hochtemperatur-Wärmepumpen, die basierte 2018 noch zu mehr als zur Hälfte Prozesswärme die Umgebungswärme aus Sole, Wasser auf Gas, Kohle und Mineralöl (s. Abb. 7). Die Prozesswärme spielt in der Industrie oder Luft nutzen, ggf. in Kombination mit Der Anteil an Strom (inkl. EE) beträgt 31 in Bezug auf den Energieverbrauch die mechanischen Brüdenverdichtern für Prozent, und die erneuerbare Wärme zentrale Rolle. Beim Ausloten alternativer Temperaturen bis maximal 200° C infrage. kommt auf einen kleinen Anteil von 4 Energieträger müssen für eine wirt- Prozent. Für eine Dekarbonisierung muss schaftlich sinnvolle Dekarbonisierung Gegenüber den bislang üblichen Industrie- auch hier in den nächsten Jahren bzw. allerdings unterschiedliche Temperatur- gaskesseln zeichnen sich Elektrodenheiz- Jahrzenten eine stärkere Elektrifizierung niveaus betrachtet werden. Während die kessel und Wärmepumpen in der Regel stattfinden. Erzeugung sehr hoher Temperaturen für durch einen höheren Wirkungsgrad aus, Schmelz- und Brennprozesse bislang nicht aber auch durch rund 50 bzw. mehr als Doch wo liegen in der Industrie die oder nur sehr schwer elektrifiziert oder 100 Prozent höhere Investitionskosten wesentlichen Ansatzpunkte? mit grünem Wasserstoff wirtschaftlich (240 bzw. 375 ggü. 150 €/kW) und einer betrieben werden kann, stehen für die vermutlich geringeren Lebensdauer (20 Erzeugung von Prozesswärme im niedri- statt 30 Jahre). Der Hauptgrund für die geren Temperaturbereich < 500° C bereits bislang zurückhaltende Elektrifizierung heute durchaus geeignete elektrothermi- dieser Temperaturbereiche liegt allerdings sche Verfahren zur Verfügung. darin, dass Energie aus Strom mit hohen Abgaben und Steuern belegt wird und Zur Erzeugung von Dampf für Produkti- daher momentan gegenüber dem Einsatz onsprozesse beispielsweise bieten Power- fossiler Brennstoffe nicht wirtschaftlich to-Heat-Konzepte die Möglichkeit, den Ein- nutzbar ist. EEG-Umlage, CO2-Handels- satz fossiler Brennstoffe in KWK-Anlagen und Steuersysteme und andere Einfluss- oder Gaskesseln zu vermeiden oder doch faktoren ändern sich allerdings fortlau- zumindest zu reduzieren. Hier kommen fend. Daher sollten unter Zugrundelegung Elektrodenheizkessel mit Heizschwertern der aktuellen und zukünftigen Rahmen- für Temperaturen bis zu 500° C sowie bedingungen die spezifischen Differenz- 16 12 Auswertungstabellen zur Energiebilanz der Bundesrepublik Deutschland 1990 bis 2018, abgerufen am 23.11.2020.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Abb. 8 – Erneuerbare Prozesswärme nach Temperaturniveau13 Wärmepumpe Geothermie Solarthermie Alternative Brennstoffe (biogen oder synthetisch sowie Abfälle) Direkter elektrischer Energieeintrag 100° C 500° C 1.000° C 1.500° C kosten der Elektrifizierung fortlaufend im von ca. 50 bis 60 Prozent je Tonne Stahl Entwicklung eines e-Crackers arbeiten Blick behalten werden. verbunden ist. Dies wirkt sich natürlich wollen, da sich die technologischen Her- nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit ausforderungen gemeinsam effizienter Sowohl aus technologischer als auch aus.14 Vor diesem Hintergrund werden meistern lassen. Bis spätestens 2050 ökonomischer Sicht stellt die Erzeugung daher Fördermöglichkeiten wie der EU-In- wollen die beiden Unternehmen eine auch von Hochtemperaturwärme auf Basis der novationsfond, Grünstahlquoten für Kon- unter ökonomischen Gesichtspunkten erneuerbaren Energien die größte Heraus- sumgüterproduzenten oder gar Umlagen einsetzbare e-Cracker-Lösung realisieren. forderung dar. Das betrifft insbesondere für die Endkunden von Stahlprodukten auch die Produktion von Stahl. Zur diskutiert. Eine Primärstahlerzeugung Schmelzung von Stahlschrott lassen sich auf Basis einer Eisenelektrolyse wird aus zwar Elektrolichtbogenöfen nutzen. Diese langfristiger Sicht voraussichtlich nicht können auch mit grünem Strom betrieben vor 2050 zu erwarten sein, stellt dann werden, was jedoch mit dem ökonomi- allerdings eine CO2-freie produktionstech- schen Nachteil eines sehr hohen Strom- nische Alternative dar. verbrauchs erkauft werden muss. Im Jahr 2017 wurde mithilfe dieser Technik bereits Ein weiteres Beispiel, das die techni- über ein Drittel der Stahljahresproduktion schen Herausforderungen in Bezug auf erstellt. Da allein die Wiederverwendung die Erzeugung von Prozesswärme im von Stahlschrott für die Bedarfsdeckung Hochtemperaturbereich deutlich macht, allerdings nicht ausreichend ist, kann die ist die perspektivische Elektrifizierung emissionsbehaftete Hochofentechnik der Cracker-Technologie. Cracker werden bislang nicht vollständig ersetzt werden. von Raffinerien eingesetzt, um Naphtha Die Firma Salzgitter geht bei der Substi- oder Flüssiggase in Olefine und andere tution ihrer alten Hochofentechnik durch Chemierohstoffe aufzuspalten. Im Juni Direktreduktionsanlagen (mit grünem 2020 haben die Unternehmen Shell Che- Wasserstoff) samt Elektroöfen davon aus, micals und DOW in einer Presseerklärung dass dies mit operativen Mehrkosten veröffentlicht, dass sie gemeinsam an der 13 ntjie Seitz & Stefan Estelmann, Erneuerbare Energien für Prozesswärme aus Sicht der Wissenschaft, abgerufen am 23.11.2020. A 14 Emissionen auf der Spur, abgerufen am 23.11.2020. 17
Grüner Wasserstoff als Energieträger Für die Sektorenkopplung muss neben wäre aus europa- und nationalrechtlicher Die Nationale Wasserstoffstrategie des dem Ausbau der erneuerbaren Energien – Sicht auch heute schon grundsätzlich für Bundes und die Europäische Wasser- was essenziell ist – allerdings auch die Verteilnetze möglich, allerdings bestehen stoffallianz beabsichtigen nicht weniger, als Wasserstoffinfrastruktur noch erheblich doch substanzielle Unterschiede der den europäischen Wasserstoffmarkt von ausgebaut werden. Abbildung 9 gibt zu Wirtschaftszweige: Während die Regu- derzeit knapp 10 Millionen Tonnen (ca. 13% den einzelnen Phasen einen Überblick. lierung der Energiewirtschaft auf einem der weltweiten Wasserstoffproduktion) vorhandenen Energiemarkt aufbaute, ist und einem Umsatz von rund 2 Mrd. € bis Derzeit werden hierzu technische Mach- der Wasserstoffmarkt noch im Entstehen. 2030 auf 140 Mrd. € zu versiebzigfachen. barkeitsprojekte realisiert, wie beispiels- Eine gleichgelagerte Regulierung der Dabei gilt es, die Produktion, Übertragung weise die von ITM und Shell errichtete Infrastruktur ist daher nur bedingt ziel- und Nutzung in der Mobilität, Industrie, PEM-Elektrolyse („Refhyne“) mit einer führend. Nichtsdestotrotz dürfte es auf Energie- und Heizungswirtschaft zu Kapazität von 10 MW in der Rheinland eine Regulierung der Infrastruktur – auch optimieren. Grüner Wasserstoff spielt in Raffinerie in Wesseling. In der nächsten der bereits bestehenden – hinauslaufen, Zukunft die zentrale Rolle als Energielie- Phase gilt es, technische Anlagen zu die einen nicht-diskriminierenden Zugang ferant im Rahmen der Energiewende, u.a. realisieren, Betriebserfahrung zu sammeln Dritter zur Infrastruktur einführt. Die zen- auch deswegen, weil sich überschüssiger und die Geschäftsmodelle rentabel zu tralen Fragen, die gelöst werden müssen, Strom über Elektrolyseverfahren in Form gestalten. sind aber die Finanzierung neuer und die von Wasserstoff speichern lässt. Dennoch Öffnung bestehender Infrastrukturen. muss an dieser Stelle darauf hingewiesen Regulatorischer Ausblick werden, dass die Herstellung grünen Neben dem technischen Fortschritt muss Die Elektrifizierung eröffnet gerade der Wasserstoffs sehr energieintensiv ist und die Dekarbonisierung der Industrien Industrie Chancen und Ansatzpunkte, dar- im Vergleich zur Wasserstoffherstellung zusätzlich von regulatorischer Seite über hinaus im Sinne eines intelligenten auf Erdgasbasis (Dampfreformation) rund unterstützt bzw. beschleunigt werden. Demand-Side-Managements einen Beitrag zehnmal so viel Energie benötigt. D.h., Dazu zählen z.B. die Absenkung der zur Stabilität des energiewirtschaftli- unter Beachtung dieser Rahmenbedin- Stromnebenkosten für Elektrolyseure chen Systems und der Netze zu leisten. gungen kann Wasserstoff insbesondere sowie die Reduzierung bzw. Befreiung Sie muss daher ein zentrales Element dann sinnvoll genutzt werden, wenn der von der EEG-Umlage.15 Außerdem könnte der zukünftigen Energieversorgung direkte Einsatz von Strom nicht möglich ist beispielsweise die Umstellung auf Direkt- werden. Sei es, indem überschüssiger (z.B. zur Speicherung) oder grüner Wasser- reduktion von Eisenerz bei der Vergabe erneuerbarer Strom in Form von grünem stoff in Form einer stofflichen Nutzung, z.B. der Emissionszertifikate/ETS-Handels- Wasserstoff zwischengespeichert oder in der chemischen Industrie, verwendet systeme stärker honoriert werden. die Bereitstellung strombasierter Prozess- werden soll. wärme netzdienlich organisiert wird. Dafür Gegenwärtig gibt es eine Reihe von Initi- bedarf es auf regulatorischer Seite die Grüner Wasserstoff lässt sich auch ins ativen, die darauf zielen, die technischen bestehenden Anreize in EnWG, StromNEV, deutsche Erdgasnetz einspeisen, wobei Voraussetzungen für eine funktionierende GasNEV sowie im EEG für Stromspeicher 5–10 Volumenprozent technisch ohne Wasserstoffwirtschaft zu schaffen. So ent- weiterzuentwickeln und auszubauen. Weiteres möglich sind. Die Erlöse von hält der von den Fernleitungsnetzbetrei- 25–30 €/MWh H2 sind jedoch relativ bern vorgestellte Netzentwicklungsplan gering. Wird grüner Wasserstoff in lokalen Gas 2020–2030 Maßnahmen für ein Was- Speichern zwischengelagert, eröffnen sich serstoffnetz, das schwerpunktmäßig in voraussichtlich finanziell interessantere Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Nutzungspfade in der Industrie und vor aufgebaut werden soll und Verbindungen allem im Verkehrssektor. Denn der Einsatz zu den Niederlanden hat. Im Hinblick z.B. in Brennstoffzellenfahrzeugen (Busse, auf die – mögliche – Regulierung der Lastkraftwagen, Schiffe etc.) ermöglichen benötigten Wasserstoffinfrastruktur ist voraussichtlich die höchsten Erlöse in festzuhalten, dass sich zwar die Bundes- Höhe von 100–300 €/MWh H2, da es kaum netzagentur bereits positioniert und – andere Dekarbonisierungsmöglichkeiten mittelbar – für eine an der Regulierung für diese Sektoren gibt. der Strom- und Erdgasnetze orientierte Regulierung ausgesprochen hat.16 Dies 15 ie Bundesregierung strebt in der laufenden Novellierung des EEG eine Befreiung von der EEG-Umlage für den Bezug des für D die Elektrolyse verwendeten Stroms an. Das Inkrafttreten des neuen EEG 2021 wird für den 01.01.2021 erwartet. 18 16 Bundesnetzagentur, „Regulierung von Wasserstoffnetzen - Bestandsaufnahme“, Juli 2020, S. 72.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Abb. 9 – Entwicklung des Wasserstoffs im Rahmen der Sektorenkopplung Entwicklung neuer Sekto- Intensivierung der Sektorenkopplung flächen- renkopplungskonzepte Sektorenkopplung deckend umgesetzt (bis 2025) (bis 2035) (nach 2035) Kontinuierlicher Ausbau Breiter Einsatz effizienter Elektrolyse Aufbau von Pilotanlagen und Weiterentwicklung der Verfahren Technik Zunehmende Einspeisung in Ausbau von Wasserstoff- Ausgebaute, intelligente H2-Infrastruktur vorhandene Gasnetze speicherkapazitäten Wasserstoffnetzwerke Weitere Entwicklung von Steigender Bedarf in Großflächige Verteilung und H2-Nutzung (Pilot-)Anwendungen Industrie und Verkehr Nutzung Zunehmende Produktion Hohe Investitionen in Zunehmend rentable Kosten und damit einhergehende Forschung und Entwicklung Geschäftsmodelle Kostendegressionseffekte Anpassung des regulatorischen Rahmens Ausgereifte Marktmechanismen Rahmenbedingungen und umfassende staatliche und Infrastruktur Fördermaßnahmen Wasserstoff wird sich zum zentralen Energieträger der Sektorenkopplung entwickeln. 19
Wärmesektor privaten Haushalte mit ca. 44 Prozent, Mit Blick auf Abbildung 11 und die ver- Der Wärme-Anteil am Gesamtenergie- deren Endenergiebedarf insbesondere wendeten Energieträger fällt auf, dass in verbrauch in Deutschland beträgt über für die Erzeugung von Raumwärme und privaten Haushalten bislang immer noch alle Sektoren hinweg über 56 Prozent die Warmwasseraufbereitung anfällt. Die vorwiegend Erdgas- und Ölheizungen für (s. Abb. 10). Damit wird für die Wärme- Industrie folgt dicht dahinter mit knapp die Wärmeerzeugung in Gebäuden zum und Kälteerzeugung in Gebäuden, die 40 Prozent Gesamtenergieverbrauch, Einsatz kommen. Der Anteil beläuft sich auf Bereitstellung von Warmwasser sowie die wobei hier die Erzeugung von Prozess- insgesamt ca. 75 Prozent. In der Industrie Prozess- und Klimakälte mit Abstand die wärme dominiert, wie bereits in Abschnitt ist es nicht anders, auch hier werden die meiste Energie in Deutschland verbraucht. Industrie näher erläutert wurde. Gebäude bislang weitgehend fossil beheizt. Den größten Anteil haben hierbei die Abb. 10 – Endenergieverbrauch in Deutschland 2017: Anteile für Wärme nach Anwendungsbereichen in den einzelnen Sektoren17 35% 30% 29,5% 28,9% 26,1% 25% 94,4% 5,0% 75,5% 6,1% 2,7% 20% 15,7% 15,5% 15% 86,4% 64,1% 10% 73,2% 5,4% 10,5% 8,6% 5% 75,5% 10,9% 0,0% 0% Industrie davon Haushalte davon GHD* davon Verkehr davon Wärmemarkt Wärmemarkt Wärmemarkt Wärmemarkt Gesamt Raumwärme Warmwasser Prozesswärme K limakälte Prozesskälte * Gewerbe, Handel, Dienstleistungen 20 17 Anwendungsbilanzen zur Energiebilanz Deutschland, abgerufen am 23.11.2020.
Durch Sektorenkopplung zu einer dekarbonisierten und nachhaltigen Ökonomie Abb. 11 – Beheizungsstruktur in Deutschland18 100% 14,0 12,6 11,4 10,6 10,1 9,7 9,4 9,2 9,0 9,0 16,6 15,3 12,3 12,3 12,4 12,4 12,4 12,4 12,5 12,5 80% 12,0 12,0 12,2 12,0 32,6 32,2 31,9 31,6 31,2 30,9 30,5 60% 33,2 32,9 33,7 33,4 34,0 40% 43,4 44,5 45,3 46,0 46,6 47,2 47,6 48,0 20% 37,4 39,0 40,6 42,0 0% 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 100% 9,0 9,1 9,1 9,3 9,7 9,9 10,3 10,4 10,6 10,6 10,7 10,8 12,6 12,6 12,7 12,8 12,9 13,1 13,3 13,5 13,6 13,7 13,8 13,9 80% 30,1 29,8 29,3 28,9 28,3 27,8 27,2 26,8 26,5 26,3 26,1 25,9 60% 40% 48,3 48,5 48,9 49,0 49,1 49,2 49,2 49,3 49,3 49,4 49,4 49,4 20% 0% 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Gas Heizöl F ernwärme Strom, Elektro-Wärmepumpen und Sonstiges Der CO2-Ausstoß für die Wärmeversorgung Gas-Heizkessel besteht z.B. eine Austausch- sich die Frage, welcher Lösungsraum sich in Gebäuden insgesamt ist daher entspre- pflicht, wenn diese älter als 30 Jahre sind. hierfür technisch aufspannen lässt. Hierzu chend hoch und macht ca. ein Drittel der Bei Neubauten soll verstärkt auf Techniken lässt sich festhalten: Fossile Brennstoffe CO2-Emissionen in Deutschland aus19. Die der erneuerbaren Energie wie Solaranlagen, können bereits heute durch grünen Strom bereits 2009 eingeführte „Verordnung Biogas, Holzheizungen oder Wärmepumpen ersetzt werden, der seinerseits mittels der über energiesparenden Wärmeschutz zurückgriffen werden. Dies ist ein Schritt in Power-to-Heat-Technologie – entweder und energiesparende Anlagentechnik bei Richtung EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie zentral oder dezentral – in Wärme umge- Gebäuden“ (EnEV), die Vorgaben zur 2018/844 EU) bzw. Niedrigenergiegebäude. wandelt werden kann. Heizungs- und Klimatechnik sowie zum Wärmedämmstandard von Gebäuden Es bleibt festzustellen, dass auch in der macht, wurde daher in den letzten Jahren Wärmeerzeugung für Gebäude noch großes immer wieder verschärft – zuletzt 2016. Einsparpotenzial von CO2-Emissionen Für Bestandsgebäude mit Öl- oder liegt. In diesem Zusammenhang stellt 18 BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., „Entwicklung des Wärmeverbrauchs in Deutschland“, Mai 2019, S. 19. 19 EG: Was steht im neuen Gebäudeenergiegesetz?, abgerufen am 23.11.2020. G 21
Dezentrale Wärmebereitstellung für Die Wärmepumpen-Technologie wird somit ergänzen, indem sie überschüssigen, Gebäude zur wichtigsten Heiztechnik (Raumwärme erneuerbaren Strom in Wärme umwan- Während bei dezentralen elektrischen Hei- und Warmwasser) der Zukunft. Mit dem deln. Das Fernwärmenetz der Stadt Flens- zungssystemen ein deutlicher Rückgang zunehmenden Einsatz ist allerdings auch burg ist hierfür ein Praxisbeispiel. von Stromdirekt- und Nachtspeicherhei- mit einem weiter steigenden Strombedarf zungen zu beobachten ist – nicht zuletzt von 80 bis 135 TWh zu rechnen. Im Inter- Aufgrund ihres hohen Wirkungsgrades aufgrund steigender Strompreise sowie esse einer nachhaltigen CO2-Reduzierung von über 85 Prozent werden in Deutsch- des ordnungsrechtlichen Rahmens der sollte dieser zusätzliche Bedarf natürlich land ebenfalls KWK-Anlagen wie z.B. EnEV (jetzt Gebäudeenergiegesetz – durch erneuerbaren Strom gedeckt Blockheizkraftwerke durch das Kraft- GEG) –, gewinnen Wärmepumpen werden.22 Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) geför- zunehmend an Bedeutung. Aufgrund dert. Auch KWK-Anlagen können über des technischen Reifegrades steht eine Zentrale Wärmebereitstellung mit das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) effiziente Technologie zur Verfügung, die Wärmenetzen vergütet werden. Dies kann der Fall sein, u.a. auch die Vorgaben des GEG meistert. Bei zentraler Wärmeversorgung mittels wenn die KWK-Anlage als Energieträger Wärmepumpen erzeugen aus einer Fern- oder Nahwärmenetzen kommen z.B. Biogas oder synthetischen Kraftstoff Kilowattstunde Strom je nach Jahresar- bislang häufig reine Heizkraftwerke oder nutzt, der selber wiederum auf der Grund- beitszahl drei bis fünf Kilowattstunden Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK- lage erneuerbaren Stroms erzeugt wurde. Wärme20. Dies ist ein Grund, warum bei Anlagen) zum Einsatz, in denen neben 30 Prozent der Neubauten in Deutschland fossilen Energieträgern wie Steinkohle und Allerdings ist durch die grundsätzliche die Entscheidung zugunsten der Wärme- Erdgas auch Abfälle oder biogene Energie- Umstellung der Fördersystematik in ein pumpe fällt. träger verbrannt werden. Die Versorgung Direktvermarktungsmodell mit vorgela- von Wohngebäuden mit Fernwärme hatte gerter Ausschreibung (Ausnahme Kleinst- Wärmepumpensysteme lassen sich 2018 – bei steigender Tendenz – einen anlagen) die finanzielle Förderung in den zudem mit Heizstäben ergänzen, die für Anteil von 14 Prozent. In größeren Städten letzten Jahren deutlich zurückgegangen. sich genommen nicht sinnvoll energetisch wie Berlin, Mannheim, Hamburg und Für die Sektorenkopplung eignen sich einsetzbar sind, aber in einem begrenzten Düsseldorf ist das Fernwärmenetz bereits insbesondere KWK-Anlagen mit stromge- bivalenten Betrieb überschüssigen, erneu- gut ausgebaut und wird auch noch erwei- führter Fahrweise, die zur Erhöhung der erbaren Strom kurzfristig aufnehmen tert. Die fossilen Energieträger könnten Flexibilität mit Power-to-Heat-Modulen, können. alternativ auch durch Großwärmepumpen, wie z.B. Elektroheizkesseln, ergänzt Elektroheizkessel oder aber KWK-Anlagen werden. Gleichzeitig angeschlossene Der Einbau von Wärmepumpen wird über ersetzt werden. Diese technischen Opti- Großwärmespeicher erhöhen zudem zahlreiche Möglichkeiten wie z.B. durch onen erlauben es, die Sektorenkopplung noch die Flexibilität für den Strommarkt. Zuschüsse des Bundesamtes für Wirt- weiter voranzutreiben. So können auch Diese erlauben es je nach technischer schaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) oder Großwärmepumpen ihre Energie in Auslegung, die Wärmeversorgung bis in Form eines zinsgünstigen Kredits der Wärmenetze einspeisen. Für die Zukunft zu mehrere Wochen/ggf. gar Monate zu KfW-Bank gefördert. Viele Bundesländer, ist zu erwarten, dass die Wärmepumpen überbrücken. 2018 trugen KWK-Anlagen Kommunen oder Energieversorger stellen grundsätzlich technische Vorlauftempera- in Deutschland mit ca. 230 TWh zur Wär- ebenfalls Fördermittel zur Verfügung, turen von über 100° C erzeugen können. meversorgung bei und stellen damit ein sodass Investitionen in elektrische Die Wärmenetze der vierten Generation wesentliches Element der Energiewende Wärmepumpen deutlich erleichtert werden jedoch mit einem deutlich niedri- und Sektorenkopplung dar. werden. Wir gehen mit Blick auf das Jahr geren Temperaturfenster zwischen 2050 davon aus, dass die Versorgung von 20 und 95° C auskommen bzw. ope- Allerdings ist hier kritisch anzumerken, Gebäuden mit Niedrigtemperaturwärme rieren23. Dadurch verringern sich die dass eine flexible stromgeführte Fahr- bis zu 90 Prozent 21 durch Wärmepumpen Energieverluste. weise von KWK-Anlagen nicht in allen erfolgen wird. Hierfür gibt es mehrere Fällen wirtschaftlich darstellbar ist. Diese Gründe – den Zwang zur Erreichung der Ähnlich den Heizstäben in der dezentralen Situation dürfte sich durch die Einführung Klimaziele, die Förderung der Wärmepum- Erzeugung von Gebäudewärme können des Brennstoffemissionshandels, der pentechnik durch den Bund sowie den Elektroheizkessel bereits vorhandene v.a. Erdgas verteuern wird, nochmals Reifegrad dieser Heiztechnologie. Wärmesysteme und -netze ebenfalls verschärfen. 20 Wärmepumpe im Neubau, abgerufen am 23.11.2020. 21 arek Miara, Gestiegene Effizienz: Feldtests bestätigen Potenzial von Wärmepumpen als wichtigster Heiztechnik der Zukunft, M abgerufen am 23.11.2020. 22 Bundeswirtschaft für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, „Grundsatzstudie Energieeffizienz“, 2018, S. 134. 22 23 Innovative Lösungen: Wärmenetze 4.0 sind smart und besonders effizient, abgerufen am 23.11.2020.
Dennoch werden Wärmenetze im Rahmen Klimaanlagen zur Verfügung gestellt der Energiewende und Sektorenkopplung werden kann. Denn Klimaanlagen lassen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die sich, ähnlich wie Heizungen, kurzzeitig Bundesförderung für effiziente Wärme- abschalten, ohne dass die Raumtempe- netze „Wärmenetzsysteme 4.0“ fördert ratur spürbar beeinträchtigt wird. deshalb innovative Wärmenetzsysteme, die überwiegend mit erneuerbaren Ener- Regulatorischer Ausblick gien bzw. Abwärme betrieben werden und Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der sich gleichzeitig durch eine strommarkt- Wärmebereich, anders als Strom- und dienliche Sektorenkopplung auszeichnen. Erdgasversorgung, (noch) nicht einer Sek- Die Förderung zielt dabei insbesondere torregulierung unterliegt. Im Wesentlichen auf die kommunalen Betriebe oder Zweck- werden die gesetzlichen Rahmenbedin- verbände. gungen durch das GEG, das KWKG und das EEG gesetzt. Entsprechend ist zu Flexibilitätspotenziale durch erwarten, dass hierin die nötigen Impulse Sektorenkopplung im Wärmebereich in Zukunft implementiert werden. Die Sektorenkopplung im Niedrigtempe- raturbereich lässt sich bereits heute mit Es bestehen dabei zahlreiche regulato- ausgereifter Technik umsetzen. Von Vorteil rische Herausforderungen, an denen im Sinne der Systemdienlichkeit ist auch, für eine smarte und schlagkräftige dass der Energiebedarf in Grenzen flexibi- Sektorenkopplung im Wärmebereich lisiert werden kann, indem der Strom- und weiter zu arbeiten ist. Dies betrifft z.B. das Wärmesektor gekoppelt wird. Power-to- Incentivieren kleiner Marktakteure durch Heat-Module können dabei flexibel einge- das EnWG, um eine flexible Fahrweise setzt werden. Sie erfüllen grundsätzlich ihrer Wärmepumpen entsprechend zu die technischen Voraussetzungen für den vergüten. Auch flexible, lastvariable Tarife Minutenreserve- als auch für den Sekun- durch eine Dynamisierung der EEG-Um- därreservemarkt. lage oder der Netzentgelte wären grund- sätzlich Mittel, die Sektorenkopplung mit So können beispielsweise KWK-Anlagen entsprechenden Preissignalen am Markt mit Power-to-Heat-Modulen als zuschalt- zu unterstützen. Es bleibt abzuwarten, bare Lasten gemäß § 13 Absatz 6a EnWG ob das sog. Ampelsystem im Verteilnetz vermarktet werden. Bei simultaner Dros- zeitnah Realität wird und entsprechende selung von KWK-Anlagen (Stromeinspei- Anreize schafft. sung sinkt) und elektrischer Wärmebereit- stellung (Stromausspeisung steigt) lässt sich Überschussstrom aus erneuerbaren Energien verwerten. Die BNetzA räumt den Übertragungsnetzbetreibern ein, zuschaltbare Lasten unter bestimmten Voraussetzungen von bis zu 2 GW zu kontrahieren. Abschließend sei noch ergänzend erwähnt, dass einige der aufgezeigten Fle- xibilitätspotenziale natürlich auch für die Kälteerzeugung gelten. So zeigt beispiels- weise ein Pilotprojekt an einem deutschen Flughafen, dass Regelleistung über die 23
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