BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
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3/2018 Chancen und Perspektiven der Beruflichen Rehabilitation BFW IM WANDEL DER ZEIT Erfolgsfaktoren in der beruflichen Rehabilitation 50 Jahre Bundesverband: BFW-Plattform für Qualität und Entwicklung Berufliche Rehabilitation in Deutschland hat sich bewährt. Vielleicht lässt sich der Erfolg der Deutschen Berufsför- derungswerke (BFW) ganz schlicht und einfach so auf den Punkt bringen: Die BFW sind seit ihrer Gründung in den 50er-Jahren Garanten dafür, Menschen mit Behinderung zurück in das Arbeitsleben zu begleiten. In diesem Jahr feiern die BFW das 50-jährige Jubiläum ihres Zusammenschlusses. REHAVISION beschäftigt sich aus diesem Anlass mit den Erfolgsfaktoren und Meilensteinen beruflicher Rehabilitation in den Berufsförderungswerken. Seite 3 Projekt TErrA: Erfolgsfaktor Netzwerk Fachkräftesicherung Um berufliche Rehabilita- BFW und Projektpartner wie tion weiterzuentwickeln, thyssenkrupp Steel Europe setzen Berufsförderungs- entwickeln Strategien zum werke auf Kooperation: überbetrieblichen Tätigkeits- Netzwerke schaffen wechsel für Beschäftigung Win-win-Situationen bis zur Rente. für alle Akteure. Seite 8 Seite 10 Die REHAVISION wird herausgegeben vom
VORWORT Liebe Leserin, lieber Leser, die Arbeitswelt hat sich in den letzten 50 Jahren gern und den Unternehmen war entscheidend für enorm verändert. Um Menschen mit gesundheitlichen den Erfolg der letzten 50 Jahre. Ein Dank gilt auch Beeinträchtigungen und Behinderungen eine zweite allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berufs- Chance zu geben und die Rückkehr in Arbeit und Be- förderungswerke und ihrem großen professionellen ruf zu ermöglichen, mussten die berufliche Rehabilita- Engagement für die berufliche Wiedereingliede- tion und die Berufsförderungswerke stets wandlungs- rung von Menschen mit Behinderung. Nicht zuletzt fähig bleiben. Zum Abschluss unseres Jubiläumsjahrs bedanke ich mich beim Team unserer Verbandsge- widmen wir uns deswegen in dieser REHAVISION den schäftsstelle: Alle Aktivitäten im Jubiläumsjahr – wie Erfolgsfaktoren und Meilensteinen der beruflichen der Parlamentarische Abend oder die Vortragsreihe Rehabilitation. Was hat die Arbeit der Berufsförde- – wurden von dort mit großem Einsatz koordiniert rungswerke erfolgreich gemacht? Wie haben sie auf und umgesetzt. Die wertvollen inhaltlichen Impulse Veränderungen des Arbeitsmarktes reagiert und wel- des Jubiläumsjahres werden wir aufgreifen, um che Rolle hat der Verband bei der Zusammenarbeit gemeinsam mit unseren Partnern die berufliche und Weiterentwicklung aller Berufsförderungswerke Rehabilitation fit für die Zukunft zu machen. gespielt? Dies sind nur einige der Fragen, denen wir in der aktuellen Ausgabe nachgehen. Ihre An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei allen Partnern und Wegbegleitern bedanken: Die Dr. Susanne Gebauer partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Bundes- Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes ministerium für Arbeit und Soziales, den Reha-Trä- Deutscher Berufsförderungswerke Inhaltsverzeichnis Schwerpunkt Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . 3 Aus den BFW . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Erfolgsfaktoren in der beruflichen Case Management – ein Fall für das BFW . . . 13 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 „Die Zukunft einer inklusiven Namen und Nachrichten . . . . . . . . . . . . 14 Gesellschaft mitgestalten“ . . . . . . . . . . . . 7 Neue Technologien für neue Lernkonzepte . . . 14 Innovative Lösungen zur Fachkräftesicherung . . 8 Kurz notiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Erfolgsfaktor Netzwerk . . . . . . . . . . . . . 10 Personalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Gemeinsames Modell für Niedersachsen. . . . . . 12 Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Impressum Redaktion: Gestaltung: Dr. Susanne Gebauer, Frank Gottwald, zeichensetzen medienagentur GmbH Hans-Dieter Herter, Kerstin Kölzner, GDA Kommunikation − Gesellschaft für Marketing Ellen Krüger, Frank Memmler, Niels Reith, und Service der Deutschen Arbeitgeber mbH Dr. Jessica Stock, Astrid Hadem (V. i. S. d. P.) Leserservice: Fotonachweise (Seite): Kontakt: Ellen Krüger BV BFW/Kruppa (1, 2, 7, 10, 15); thyssenkrupp; Knobelsdorffstraße 92, 14059 Berlin (1); BFW Frankfurt (1, 11); BFW Nürnberg (3, Tel.: 030 3002-1253, Fax: 030 3002-1256 14); zeichensetzen (5, 6, 12); BAG BBW / Jakob E-Mail: rehavision@bv-bfw.de Hoff, Sozialverband VdK / Peter Himsel, BFW Herausgeber: Leipzig, BA / Daniel Karmann (15) Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V. Aktuelle Ausgaben der REHAVISION finden Druck: Sie als Download unter: www.bv-bfw.de Königsdruck – Printmedien und digitale Dienste GmbH 2 REHAVISION
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN Erfolgsfaktoren in der beruflichen Rehabilitation 50 Jahre Bundesverband: BFW-Plattform für Qualität und Entwicklung Berufliche Rehabilitation in Deutschland hat sich bewährt. Vielleicht lässt sich der Erfolg der Deutschen Berufsförderungswerke (BFW) ganz schlicht und einfach so auf den Punkt bringen: Die BFW sind seit ihrer Gründung in den 50er-Jahren Garanten dafür, Menschen mit Behinderung zurück in das Arbeitsleben zu begleiten. In diesem Jahr feiern die BFW das 50-jährige Ju- biläum ihres Zusammenschlusses. REHAVISION beschäftigt sich aus diesem Anlass mit den Erfolgsfaktoren und Meilensteinen beruflicher Rehabilitation in den Berufsförderungswerken. N ach 50 Jahren sind die Deutschen Berufsförde- rungswerke als gefragte Ansprechpartner rund um die berufliche Re-Integration von Menschen mit Menschen mit einer Behinderung Teilhabe am Le- ben in der Gesellschaft ermöglicht. Prof. Dr. Joa- chim Breuer, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Behinderung fest etabliert. Gesetzlich verbrieft im Gesetzlichen Unfallversicherung sagt dazu: „Für die SGB IX haben sie sich deutschlandweit zu einem gesetzliche Unfallversicherung bedeutet Reha vor schlagkräftigen Instrument zur Unterstützung und För- Rente: Wir wollen unsere Versicherten nach einem derung von Menschen mit Behinderung auf hohem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit möglichst Niveau entwickelt, das bei Rehabilitationsträgern, schnell und nachhaltig wieder auf den ersten Ar- Politik und Sozialverbänden gleichermaßen Respekt beitsmarkt zurückbringen. Denn Arbeit ist mehr als genießt. „Die Berufsförderungswerke tragen als wir- nur Broterwerb. Sie schafft ein soziales Umfeld und kungsvolle Kompetenzzentren wesentlich zum Erhalt gibt Selbstvertrauen.“ Die Berufsförderungswerke eines selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Le- seien dabei wichtige Partner, weil „ihre Angebote bens in einer inklusiven Gesellschaft bei“, unterstreicht insbesondere auf die Bedürfnisse von Menschen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ihre Bedeutung. mit schweren Beeinträchtigungen ausgerichtet sind. Und auch im europäischen Ausland haben die BFW Damit stärken sie die Inklusion und die Selbstbestim- Standards bei der Einführung von Angeboten zur mung der Betroffenen.“ Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderun- gen gesetzt. Ein schönes Fazit zum 50-jährigen Jubi- Beständiger, fortlaufender läum. Aber woran liegt es? Innovationsprozess „Wir brauchen nicht alles Bewährte über Bord Soweit das Prinzip. Dennoch erfolgt eine berufliche zu werfen. Aber Erneuerung tut Not, schon um das Rehabilitation heute anders als noch vor 50 Jahren. Bewährte für die Zukunft zu sichern“, so hat es der Das hat gute Gründe: Innerhalb eines halben Jahr- frühere Bundespräsident Roman Herzog in seiner hunderts verändern sich die gesellschaftlichen, wirt- berühmten Berliner Rede formuliert. Das beschreibt schaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. im Grunde eine Kernkompetenz der Berufsförde- Auf sie nicht zu reagieren, hätte Auswirkungen auf die rungswerke. Bewährt ist dabei vor allem das Prinzip berufliche Rehabilitation gehabt. „Um zukunftsfähig „Reha vor Rente“ – nicht nur, weil es volkswirtschaft- zu bleiben, gilt es, stets Lösungen zu entwickeln, die lich sinnvoll ist, sondern auch weil es den einzelnen Innovationen vorantreiben und Fortschritte bringen REHAVISION 3
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN – ob ökonomisch, bezogen auf die gesellschaftli- re später noch sind die Grundsätze, die in der Grün- che Entwicklung oder auf die Anforderungen des dungsurkunde der ARGE festgehalten wurden, aktuell: Arbeitsmarktes“, sagt Dr. Susanne Gebauer, Vor- So sorgt insbesondere die gemeinsame Erarbeitung standsvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher von qualitativen Mindestanforderungen für Rehabili- Berufsförderungswerke. Und das gelingt offenkun- tationseinrichtungen für einen einheitlichen Standard dig. Lob gibt es dafür auch aus dem Bundesministe- in der Leistungserbringung – von den Trägern der Re- rium für Arbeit und Soziales. Bundesarbeitsminister habilitation heute als unverzichtbar geschätzt. Hubertus Heil schätzt an den Berufsförderungswer- ken ihre „hohe Bereitschaft zur Weiterentwicklung Und noch ein Punkt hat sich von Anfang an als der Strukturen und des Leistungsangebots“, sagt zentraler Baustein für den Erfolg der beruflichen Reha- er im Kurzinterview mit REHAVISION. Heil: „Dieser bilitation in den Berufsförderungswerken erwiesen: die beständig fortlaufende Innovationsprozess zeichnet partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Rehabilita- sich durch seinen ganzheitlichen Ansatz und intensi- tionsträgern und der Politik. Schon bei der Gründung ve Zusammenarbeit aller Beteiligten im Reha-System waren die Träger von Rehabilitationsleistungen feder- aus. Da ziehen wirklich alle an einem Strang.“ führend beteiligt, wie zum Beispiel die Rentenversiche- rungsträger, damals noch als Landesversicherungsan- Auch ein Blick auf die zentralen Meilensteine der stalten, oder auch die Berufsgenossenschaften. 1999 Deutschen Berufsförderungswerke bestätigt das. Die manifestierten sie schließlich ihre Zusammenarbeit in BFW waren stets Spiegel ihrer Zeit und eng mit der dem bis heute gültigen Abschluss des „Rahmenvertra- Entwicklung des Gesamtsystems der beruflichen Re- ges über die Zusammenarbeit zwischen Rehabilitati- habilitation verbunden. So ist es kein Zufall, dass der onsträgern und Berufsförderungswerken“. Zusammenschluss zur Arbeitsgemeinschaft der Deut- schen Berufsförderungswerke, kurz ARGE BFW, 1968 Orientiert am Kunden erfolgte – einem Jahr des Aufbruchs und der Vollbe- schäftigung sowie des erklärten politischen Willens, Dass berufliche Rehabilitation eine unverzichtbare berufliche Rehabilitation voranzutreiben. Höhepunkt Leistung ist, um Menschen wieder ins Berufsleben war die Ankündigung der Bundesregierung im Jahr zu bringen, war nie Anlass von Diskussionen. Klar 1969, ein „Jahrzehnt der Rehabilitation“ einzuläuten. war auch, dass an dieser Leistung alle mitwirken müssen – ob Reha-Träger, Mensch mit Behinderung Zusammenarbeit als Garant für Qualität oder Unternehmen. Dennoch war es den Berufsför- derungswerken wichtig, deutlich zu machen, dass sie Damals beschlossen die Berufsförderungswerke, ihre eine Dienstleistung erbringen, die sich am Kunden Kompetenzen zu bündeln und fachlich enger zusam- orientiert. „Die gute und enge Kooperation mit den menzuarbeiten. Sie gründeten die ARGE BFW in dem Sozialversicherungsträgern ist die zentrale Säule un- Wissen, dass ein Zusammenschluss für die Qualität der serer Arbeit“, unterstreicht die Vorstandsvorsitzende beruflichen Rehabilitation ein wichtiger Garant und des Bundesverbandes, Dr. Susanne Gebauer, nach- Erfolgsfaktor für die Zukunft sein würde. Auch 50 Jah- drücklich. Das galt zur Zeit der Gründung genauso Meilensteine in 50 Jahren Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke 1990 ff: 2002: Ausweitung des Netzplanes der Deutschen Verabschiedung des Berliner Berufsförderungswerke auf die neuen Bundesländer Programmes (ARGE BFW) 2008/09: UN-Behindertenrechtskonvention 1970: 1999: 2006: 2014: Aktionsprogramm der Bundesregierung Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Beginn der BFW-Entwicklung ARGE BFW wird zum zur Förderung der Rehabilitation der Behinderten Rehabilitationsträgern und Berufsförderungswerken „Neues Reha-Modell” Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke Heute 1968: 1980: 1998: 2001: 2007: Gründung der Fortschreibung des Verabschiedung des Einführung des 2004 ff: Start der BMAS-Initiative 2016: Arbeitsgemeinschaft Aktionsprogramms Erfurter Programmes Sozialgesetzbuchs IX Arbeitsmarktreformen RehaFutur (bis 2013) Bundesteilhabegesetz der Deutschen Rehabilitation der ARGE BFW Berufsförderungswerke (ARGE BFW) 4 REHAVISION
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN wie es heute Gültigkeit hat. Unterstrichen wurde die klare Ausrichtung am Bedarf des Kunden 1998 im so genannten „Erfurter Programm“ der BFW und 2002 dann noch einmal bekräftigt im „Berliner Programm“. Die BFW passten sich damit aktiv dem Paradigmen- wechsel an, den das Sozialgesetzbuch IX eingeläutet hatte: Sie stellten die Teilhabe der behinderten Men- schen stärker in den Mittelpunkt ihrer Arbeit und nah- men die Selbstbestimmung von Menschen mit Behin- derungen ernst. „Ganz nah am Menschen ist seitdem unser Credo“, so Dr. Susanne Gebauer. Krisen managen, Chancen nutzen „Wenn Krise ist, muss man Krise managen.“ Gerhard Schröder, der sich gerne als Macher sah, nahm die hohe Zahl der Arbeitslosen von 4 Millionen zum An- lass, um 2005 den Arbeitsmarkt durch das „vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeits- dernisieren. Dafür entwickelten sie auf Basis der vor- In der Initiative Reha- markt“ zu reformieren. Das Gesetz, das nach seinem handenen Kompetenzen neue Geschäftsfelder wie Futur entwickelten die BFW zusammen mit Erfinder VW-Manager Peter Hartz benannt wurde, modulare Qualifizierungen, betriebsnahe Angebote anderen Akteuren gilt als folgenreichste Sozialreform seit dem Zweiten oder Leistungen zum betrieblichen Eingliederungs- Standards für eine Weltkrieg. In jedem Fall wurde sie folgenreich für und Gesundheitsmanagement. Eine Entwicklung, zukunftsfeste beruf- die Berufsförderungswerke. Für sie begann mit der deren Konzept auch aus Sicht der Deutschen Ren- liche Rehabilitation. Reform die größte Krise ihrer Geschichte. Zugleich tenversicherung zukunftsweisend war. Brigitte Gross, zeigte sich in dieser Zeit ihre größte Stärke – sie nah- Direktorin bei der Deutschen Rentenversicherung men die Krise an und initiierten einen Veränderungs- Bund, würdigt: „Mit dem Neuen Reha-Modell ha- prozess. Dabei waren es weniger hausgemachte Pro- ben sich die Berufsförderungswerke neu aufgestellt bleme, die viele Berufsförderungswerke damals an und ihr Leistungsportfolio flexibel und individuell für den Rand der wirtschaftlichen Existenz bringen soll- die Zukunft ausdifferenziert. In den konzeptionellen ten, sondern schlichtweg erhebliche Veränderungen Ansätzen sind die Themen Medien-, Netzwerk- und in der Arbeitsmarktpolitik und unklare Reglungen der Selbstlernkompetenz ein fester Bestandteil und wer- Hartz-Gesetze zum Thema Rehabilitation. den stetig an die rasanten technologischen Entwick- lungen angepasst.“ Das „Neue Reha-Modell“ Maßstab für den Erfolg: Integration in Arbeit „Wie muss berufliche Rehabilitation in einer dienstleis- tungs- und wissensorientierten Arbeitswelt aussehen, Wer sich mit Erfolgsfaktoren beschäftigt, kommt nicht um zukunftsfähig zu sein?“ Mit dieser Frage beschäf- an der Frage vorbei, was eigentlich der Maßstab tigen sich die Berufsförderungswerke immer wieder. für den Erfolg ist. In der beruflichen Rehabilitation ist Mit besonderer Intensität taten sie das im Rahmen der das vor allem die Integrationsquote. Sie beschreibt, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geför- wie viele der BFW-Absolventen im Anschluss an ihre derten Initiative RehaFutur als Antwort auf die große Rehabilitation in ein festes Beschäftigungsverhältnis Krise. Sie entwickelten ein neues Reha-Modell, das für im ersten Arbeitsmarkt vermittelt wurden. Je nach Modernisierungen und Innovationen auf ganzer Linie Ausbildung und Region sowie Schwere der Behin- sorgte: Mehr Partizipation und Mitbestimmung der derung unterscheiden sich die Ergebnisse, liegen Rehabilitanden im Rahmen des Reha-Prozesses, Inklu- aber durchschnittlich zwischen 70 und 80 %. Dieser sion im Sinne des Übereinkommens über die Rechte Erfolg kommt nicht von ungefähr. „Wir orientieren von Menschen mit Behinderungen sowie eine engere unser Ausbildungsportfolio an den Bedarfen des Ar- Vernetzung und Kooperation mit Unternehmen waren beitsmarkts“, erklärt Dr. Susanne Gebauer, „und wir zentrale Aspekte der Weiterentwicklung. „Das gute erschließen kontinuierlich neue Berufsfelder für die Zusammenspiel der Faktoren ist der Schlüssel für den BFW-Teilnehmenden.“ Insgesamt verfügen die BFW Erfolg der Berufsförderungswerke“, zieht Hubertus heute über mehr als 250 Qualifizierungsangebote Heil eine Bilanz und ergänzt: „Deshalb hatte das vom – anerkannte Ausbildungsberufe, aber auch Anlern- BMAS unterstützte, innovative ‚Neue Reha-Modell‘ und Fachpraktikerberufe. Alle werden stets im engen der Berufsförderungswerke von Anfang an alle Fakto- Dialog mit Bildungsexperten und Arbeitgebern ent- ren im Blick. Mit seiner Umsetzung wurde stärker auf wickelt, wie beispielsweise SAP oder DATEV. Ohne Flexibilisierung, Modularisierung, Individualisierung die BFW gäbe es im Übrigen auch so manchen Beruf und Arbeitsmarktorientierung gesetzt.“ nicht. Unangefochten an der Spitze ihrer „Berufe-Ent- wicklungen“ steht dabei der geprüfte Qualitätsfach- So war es. Die Berufsförderungswerke machten mann/Qualitätsfachfrau, der mittlerweile ein Fachar- sich auf den Weg, die berufliche Rehabilitation zu mo- beiterberuf mit anerkanntem Abschluss ist. REHAVISION 5
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN Damit Menschen nachhaltig fit für den Arbeitsmarkt Verband für mehr Zusammenarbeit werden, braucht es aber mehr als Fachwissen. Dr. Sus- und Vernetzung anne Gebauer: „Es kommt darauf an, die Menschen für die kommenden Arbeitswelten beschäftigungsfähig zu Um diese Herausforderungen auch in Zukunft best- machen – durch entsprechende berufliche Kompeten- möglich bewältigen zu können sowie innovative Ent- zen, aber auch durch Schlüsselkompetenzen wie Team- wicklungen anzustoßen und zu koordinieren, haben fähigkeit oder die Fähigkeit, Veränderungen bewältigen die BFW ihre Zusammenarbeit immer weiter inten- zu können.“ Hier verfügen die Berufsförderungswerke siviert und professionalisiert. Als Bundesverband über ein Potenzial, das ihr Alleinstellungsmerkmal Deutscher Berufsförderungswerke haben sie seit ist: Sie erbringen ihre Leistung in interdisziplinären 2014 zudem die politische Interessensarbeit und die Teams: Ausbilder, Fallmanager, Ärzte, Psychologen Zusammenarbeit mit den verschiedensten Partnern und Vermittlungsexperten arbeiten Hand in Hand, um verstärkt. Beispielsweise im Netzwerk berufliche eine berufliche Rehabilitation in möglichst jedem Ein- Rehabiltation (NbR), in dem sie sich gemeinsam mit zelfall zu einem Erfolg werden zu lassen. anderen Leistungserbringern regelmäßig austau- schen. „Gemeinsame Positionen haben eine höhere Neue Herausforderungen Schlagkraft – das ist die Stärke des Netzwerks für berufliche Rehabilitation“, erklärt Tanja Ergin, Ge- Die Weiterentwicklung der beruflichen Rehabilitation schäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der ist ein Prozess, der nie endet. Ebenso wenig die He- Berufsbildungswerke und ebenfalls Mitglied im NbR. rausforderungen. Denn vor diesen stehen die BFW immer wieder neu. Mit Blick auf den Rückgang des Nicht minder wichtig ist eine enge Verzahnung mit Erwerbspersonenpotenzials, alternde Belegschaften der Wirtschaft – schließlich geht es um erfolgreiche und Menschen mit komplexen Problemlagen gilt es, Inklusion im Arbeitsleben. Und auch hier ist in den Reha-Prozesse zukünftig noch wirksamer zu machen. vergangenen Jahren eine Menge passiert: Neben Kooperationen mit Unternehmen haben die BFW mit „Chefsache In- klusion“ ein spannendes Dialogfor- mat eingeführt, das Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Rehabilitati- onsträgern zusammenbrachte. Das erfolgreiche Expertenforum wurde explizit als beispielhafte Maßnah- me im Nationalen Aktionsplan 2.0 der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonven- tion gelistet. Auch das ein Erfolg. Dass hier noch mehr möglich ist, unterstreicht Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: „Die Be- rufsförderungswerke können noch mehr wichtige Unterstützung für Mit Unternehmen im Schon jetzt gilt das Prinzip „Prävention vor Rehabili- Unternehmen beim betrieblichen Gesundheits- bzw. Dialog – das ist das tation vor Rente“. Auch die Grenzen und Übergänge Eingliederungsmanagement bieten.“ Gerade die Di- Prinzip der BFW- zu ambulanten Leistungen werden vermutlich weiter gitalisierung böte hier Chancen. Mit entsprechend Veranstaltungsreihe „Chefsache Inklusion“ ineinanderfließen. Medizinische und berufliche Reha angepassten Qualifizierungsangeboten „können die müssen sich damit befassen, wie sie die Zusammen- Berufsförderungswerke auch einen wichtigen Beitrag arbeit verzahnen und Übergänge verbessern können. zur Fachkräftesicherung leisten“, ist er überzeugt. Das bestätigt Brigitte Gross: „Der Erfolg von Re- Fest steht: Netzwerkarbeit ist Zukunftsarbeit. habilitation wird daran gemessen, in welchem Maße Denn im Austausch mit anderen – mit Rehabilitations- es gelingt, umfassende Veränderungen in unserer Ge- trägern, Arbeitgebern, Medizinern und Menschen mit sellschaft in Bezug auf Kernthemen wie Digitalisierung Behinderung – liegt das Potenzial für Innovationen. und Demografie zu begleiten und aktiv mitzugestal- Die BFW jedenfalls werden die Herausforderungen ten.“ Das Leitziel der Rentenversicherung „Return to annehmen. Nicht nur weil das ihr Auftrag ist, sondern Work“ erfordere eine individuelle, passgenaue und weil sie Entwicklungen willkommen heißen. Dr. Sus- ganzheitliche Beratung, Rehabilitation und Unterstüt- anne Gebauer: „Wir haben schlichtweg Freude dar- zung der Versicherten. „Dabei sind der Aufbau und an, Neues zu entwickeln, um Menschen mit gesund- die Pflege von Kooperationen mit Leistungsträgern heitlichen Einschränkungen auf ihrem Weg zurück und Leistungserbringern im Sinne eines Netzwerkes in das Arbeitsleben bestmöglich zu unterstützen. Als selbstverständlich“, so die DRV-Direktorin. Reha-Profis sind wir Überzeugungstäter.“ 6 REHAVISION
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN „Die Zukunft einer inklusiven Gesellschaft mitgestalten“ Dr. Susanne Gebauer, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Berufsförderungswerke, und Geschäftsführer Niels Reith über 50 Jahre Bundesverband „Zusammenkommen ist ein Beginn . . .“, so fängt ein bekanntes Sprichwort von Henry Ford an. Für den Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke jährt sich das Zusammenkommen in diesem Jahr zum 50. Mal. 1968 schlossen sich acht Berufsförde- rungswerke zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und gaben damit den Startschuss zur Entwicklung eines bundesweiten Kompetenznetzwerkes. Über die Rolle des Bundesverbandes, Erfolge und Zukunfts- aufgaben sprechen die Vorstandsvorsitzende Dr. Susanne Gebauer und Geschäftsführer Niels Reith. REHAVISION: 50 Jahre Zusammenarbeit der BFW, erst in der ARGE, nun im BV: Welche Rolle spielt der Zusammenschluss für die BFW und für ihre Partner? Dr. Susanne Gebauer: Ich bin der festen Ansicht, dass die BFW ohne die enge Zusammenarbeit und den Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolge Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands fachlichen Austausch in der ARGE und im heutigen des BV in den vergangenen Jahren? Deutscher Berufsför- Bundesverband die letzten Jahrzehnte nicht so erfolg- derungswerke reich gemeistert hätten. Die Grundsätze, die bereits Niels Reith: Gemeinsam haben der Verband und sei- Dr. Susanne Gebauer bei der Gründung der damaligen ARGE beschlossen ne Mitglieder in den letzten Jahren einiges erreicht: und Geschäftsführer wurden, haben bis heute Gültigkeit. Von Beginn an der Aufbau der Geschäftsstelle, unsere Reihe „Chefsa- Niels Reith war der Verband nicht nur eine Interessengemein- che Inklusion“, die Modellprojekte TErrA und ORELTA, schaft, die partnerschaftlich mit Politik und Reha-Trä- die Zusammenarbeit im Netzwerk berufliche Rehabili- gern zusammenarbeiten wollte. Der Verband ist seit tation und die Reihe „Zusammen erfolgreich in Arbeit“ jeher auch eine BFW-Qualitätsgemeinschaft und eine sind nur einige Beispiele. Zudem sind aus meiner Sicht Plattform für gemeinsame Entwicklungen und Projek- der gemeinsame BFW-Austausch zur LBR-Einführung te, von denen viele zu Standards in den BFW und und der angelaufene Diskussionsprozess zu den digi- darüber hinaus geworden sind. Denken Sie an das talen Herausforderungen wichtige Erfolge. RehaAssessment oder das „Reha-Modell“ der BFW. Allein hätten die BFW diese Ressourcen nicht auf- Welche Zukunftsaufgaben gilt es für die BFW zu bringen und auch nicht mit einer Stimme mit Politik, lösen und wie kann der Verband dabei unterstützen? Unternehmen und Reha-Trägern sprechen können. Dr. Susanne Gebauer: Vor uns liegen eine ganze Welche Vorteile hat ein Verband mit Sitz in Berlin? Reihe von Aufgaben, die mit Chancen und Risiken verbunden sind: Die demografische Entwicklung Niels Reith: Ein großer Vorteil liegt sicherlich darin, und die Digitalisierung werden auch die berufli- dass wir deutlich arbeitsteiliger vorgehen können. che Rehabilitation verändern. Außerdem müssen Das hauptamtliche Team der Geschäftsstelle kann wir gemeinsam noch individuellere Reha-Leistun- die ehrenamtlichen Vorstände unterstützen und ent- gen entwickeln und diese enger mit medizinischen lasten. Mit unserer Präsenz in Berlin sind wir dauer- Angeboten und der Arbeitswelt verzahnen. Hier haft und einfacher ansprechbar für alle relevanten müssen Anreize für sektorübergreifende Koopera- Akteure im Feld der beruflichen Rehabilitation. Die tionen geschaffen und neue Finanzierungsmodelle enge Zusammenarbeit mit Politik, Reha-Trägern, entwickelt werden. Es kommt also einiges auf uns Wissenschaft, Verbänden oder großen Unterneh- zu. Aber ich bin überzeugt: Wenn die BFW zusam- men, wäre in dieser Form sonst nicht machbar. Wir menhalten und im Verband eng zusammenarbeiten, können mehr Netzwerkarbeit leisten und intensiver schaffen wir gemeinsam auch diese Aufgaben. In und strukturierter in den zahlreichen Fachgremien den letzten fünf Jahrzehnten haben wir uns als Ver- mitwirken. Der Verband trägt aber auch zur stär- band immer auch aktiv an der Ausgestaltung des keren Vernetzung der BFW untereinander bei und politischen Rahmens der beruflichen Rehabilitation fördert deren Austausch. Vor dem Hintergrund der beteiligt. Dies bieten wir weiterhin an. Gemeinsam anstehenden Herausforderungen, die nur gemein- mit unseren Partnern aus Politik, Wirtschaft und sam bewältigt werden können, wird diese Aufgabe Verwaltung möchten wir die Zukunft einer inklusi- in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. ven Gesellschaft mitgestalten. REHAVISION 7
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN Innovative Lösungen zur Fachkräftesicherung Projekt TErrA: BFW und Projektpartner entwickeln Strategien zum erfolgreichen Tätigkeitswechsel Der demografische Wandel sensibilisiert Deutschland beim Thema Fachkräfte. Gerade in gesundheitlich belastenden Berufen brauchen Unternehmen heute innovative Wege, um Menschen möglichst bis zum Renteneintritt beschäftigungsfähig zu halten. Die Berufsförderungswerke kennen diese Bedarfe. Und sie erarbeiten vernetzt mit Unternehmen zukunftsweisende Lösungen. Auch das ist einer ihrer Erfolgsfaktoren. Im Projekt TErrA erproben sie innovative Wege zur Fachkräftesicherung. Mit Erfolg, wie das Beispiel von Praxispartner thyssenkrupp Steel Europe zeigt. Ü berbetriebliche Tätigkeitswechsel zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit in regionalen Netzwerken – kurz TErrA: So heißt das vom Bundesministerium für Bildung Doch das Projekt TErrA verfolgt einen gänzlich neuen Ansatz. Im Mittelpunkt steht die Idee, dass von Ein- schränkungen gefährdete Beschäftigte ihre Tätigkeit und Forschung geförderte Verbundprojekt ganz offizi- auch überbetrieblich wechseln können: In regionalen ell, das 2016 von sieben Projektpartnern initiiert wurde. Unternehmensnetzwerken sollen zukünftig mittels Kerngedanke des Projektes ist, Unternehmen mit altern- Matching-Verfahren passende Arbeitnehmer und den Belegschaften Impulse und Lösungen zu geben, wie Arbeitgeber zusammengebracht werden und so alle Menschen möglichst bis zur Rente nicht nur beschäfti- Beteiligten profitieren. Eine Lösung, die perspektivisch gungsfähig, sondern im Berufsleben bleiben können. gerade für kleine und mittelständische Unternehmen Für den praxisnahen Ansatz des Projektes bürgt die bedeutsam werden kann, bei denen innerbetriebliche Zusammensetzung der Partner: Neben dem Bundes- Tätigkeitswechsel nicht ohne Weiteres möglich sind. verband Deutscher Berufsförderungswerke, dem BFW Dortmund sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz Koordinierte Beratung und Arbeitsmedizin (BAuA), dem Demographie Netz- werk (ddn) und der Prospektiv GmbH sind auch zwei Damit dieser Ansatz gelingt, benötigen Unterneh- Unternehmen beteiligt: die EDG Entsorgung Dortmund men ein koordiniertes Vorgehen – und den Blickwin- GmbH und die thyssenkrupp Steel Europe. Schließlich kel der Prävention, um potenzielle Tätigkeitswech- geht es um Ergebnisse aus der Praxis für die Praxis. sel möglichst frühzeitig zu planen. Hier kommt die Kompetenz der Berufsförderungswerke ins Spiel: Als Neu: Der überbetriebliche Ansatz Experten für Prävention und berufliche Rehabilitati- on begleiten sie die Unternehmen und Beschäftig- Der Bedarf an Maßnahmen zum Erhalt von Beschäf- ten als Berater. Im Rahmen von TErrA werden dafür tigungsfähigkeit ist bekannt. Präventive Gesund- passende Matching- und Analyse-Instrumente ent- heitsangebote oder auch das Betriebliche Eingliede- wickelt. Der Bundesverband Deutscher Berufsför- rungsmanagement sind in Unternehmen vielerorts derungswerke fungiert zudem als Koordinator des etabliert, um die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. TErrA-Projektes: Er steuert den Forschungsverbund TErrA: So funktioniert der Prozess Beratung und Begleitung Win-Win-Situationen aus einer Hand. für Beschäftigte und Unternehmen. Unternehmens- Handlungs- Matching von Kompetenz- und Überbetrieblicher netzwerk bedarf Tätigkeits- und Gesundheits- Tätigkeitswechsel mit Präventions- Kompetenzprofilen entwicklung dienstleistern Unternehmen: Erhalt der Arbeitskraft. Veränderung des Anforderungsprofils. Lebensphasenorientierte Beschäftigte: Bedarf an gesundheitlicher Personalpolitik: Erhalt der Vorsorge und beruflicher Entwicklungswunsch. Beschäftigungsfähigkeit. Quelle: BV BFW | taetigkeitswechsel.de 8 REHAVISION
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN und transferiert die entwickelten Modelle in das werden. Dazu gehört unter anderem das softwareba- bundesweite Netzwerk der BFW. „So können wir sierte Analyseverfahren IMBA, das bereits am Stand- sicherstellen, dass die Ergebnisse langfristig und flä- ort Neuwied erfolgreich eingesetzt wird: Physische chendeckend umgesetzt werden“, erklärt Dr. Susan- und psychische Arbeitsplatzanforderungen werden ne Bartel, Projektleiterin beim Bundesverband. anhand einer Skala bewertet mit dem Ziel, die Be- lastung der Tätigkeit nachhaltig zu reduzieren. Um Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor: So wurde darüber hinaus mehr Arbeitsplätze zu schaffen, die ein Beratungsprozess entwickelt, der Unternehmen prä- sich für einen Tätigkeitswechsel besonders gut eignen, ventiv bei der Planung inner- und überbetrieblicher Tä- nutzt der Stahlhersteller das Insourcing von Dienstleis- tigkeitswechsel unterstützt. Das BFW Dortmund zeichnet tungen im Bereich Digitalisierung und Dokumentenma- dabei für die Beratung der Arbeitgeber verantwortlich. nagement. Am Standort Duisburg hat thyssenkrupp Sylvia Hahn ist eine der Beraterinnen im BFW Dort- Steel mit Unterstützung von Fördermitteln einen neuen mund. Sie hat viele Gespräche mit Betroffenen geführt. Arbeitsbereich geschaffen: ein modernes Kompetenz- Die Erfahrungen daraus sind in das Beratungskonzept zentrum für den Rechnungsscan. Hier leisten rund 30 eingeflossen. Das zentrale Problem: Keiner weiß, wer Fachkräfte und leistungsgewandelte Mitarbeitende verantwortlich ist. Hahn: „Was zur Umsetzung fehlt, ist gemeinsam wertschöpfende Arbeit – etwa beim Rech- jeweils die aktive Unterstützung und Beteiligung des nungsempfang oder der Digitalisierung und dem Aus- ‚anderen‘ Prozessbeteiligten.“ Genau hier setzt das lesen von Datensätzen. Ein entscheidender Aspekt, um Konzept an. „Die Inhalte sind stark ressourcenorientiert leistungsgewandelte Mitarbeitende in Beschäftigung und fördern die Auflösung des Tunnelblicks“, sagt die zu halten, ist die enge Zusammenarbeit zwischen den BFW-Beraterin. „Der Beratungsprozess dient dabei Betriebsakteuren. Deshalb hat thyssenkrupp Steel Eu- als Orientierungsrahmen für die Unterstützung von rope einen eigenen Koordinationsbereich für Inklusion Arbeitgebern im Netzwerk“, ergänzt Ludger Peschkes, und berufliche Rehabilitation, der den Inklusionspro- Geschäftsführer des BFW Dortmund. „Er holt alle Be- zess standortübergreifend koordiniert. teiligten da im Prozess ab, wo sie in ihrer persönlichen Entwicklung stehen, und kann sie flankieren mit geziel- Eine Besonderheit des Projektes schätzt Dr. Caro- ten individuellen Maßnahmen.“ lin Eitner besonders: Den Austausch im Rahmen der Werkstattgespräche, die Projektpartner ddn bei betei- Enge Kooperation mit thyssenkrupp Steel ligten Unternehmen veranstaltet, findet sie „immer hoch spannend“. Denn es geht dabei stets um Best Practice – Entscheidender Erfolgsfaktor war die enge Ko- d. h. darum, Arbeitgebern an Hand guter Fallbeispiele operation mit den Praxispartnern. Zu ihnen ge- das Prinzip der Tätigkeitswechsel möglichst praxisnah hört auch die Stahlsparte des Industrie-Konzerns zu vermitteln. Die guten Erfahrungen sollen Kreise zie- thyssenkrupp. Das Unternehmen steht angesichts hen – und das langfristig in möglichst vielen Unterneh- des demografischen Wandels selbst vor großen He- mensnetzwerken im gesamten Bundesgebiet. rausforderungen. Ein Großteil der Tätigkeiten in der Stahlproduktion ist mit körperlichen Belastungen Belange aller Akteure verknüpfen verbunden, gleichzeitig liegt das Durchschnittsalter der insgesamt rund 19.000 Mitarbeitenden schon Das TErrA-Projekt endet 2019, heute bei 45,8 Jahren. „Viele unserer Mitarbeiten- aber seine Wirkung wird darüber den sind zwischen 45 und 55 Jahren alt“, bestätigt hinaus reichen, davon ist Ludger ➝ Ausblick 2019 Dr. Carolin Eitner, Projektbeteiligte bei TErrA. „Wir Peschkes überzeugt: „TErrA könnte Die Ergebnisse des TErrA-Pro- versuchen, die Produktion so altersgerecht wie mög- der Türöffner für eine trägerüber- jektes werden 2019 u. a. im lich zu gestalten und Belastungen zu reduzieren, greifende Kooperation mit Arbeit- Zuge einer Abschlussveran- aber dennoch gibt es Beschäftigte, die leistungsge- gebern und Beschäftigten sein, die staltung vorgestellt (Termine: wandelt sind.“ Als Unternehmen hat der Stahlkon- alle Akteure an einen Tisch holt Seite 15). Langfristig gilt es, zern eine lange Tradition, Mitarbeitende im Unter- und die Tertiärprävention mit der die erarbeiteten Instrumente nehmen zu halten. Das spiegelt sich in der Vielzahl Sekundär- und Primärprävention flächendeckend zu implemen- von Präventionsangeboten und Maßnahmen zum verknüpft.“ Die Berufsförderungs- tieren: Regionale Arbeitge- innerbetrieblichen Tätigkeitswechsel wider. „Dieses werke nehmen dabei als Berater ber-Netzwerke sollen gestärkt Know-how haben wir in das Projekt eingebracht“, zukünftig eine Schlüsselrolle ein. und für Tätigkeitswechsel ge- so Eitner. Für thyssenkrupp Steel wiederum ist die Peschkes: „Durch Aufklärung und wonnen werden. wissenschaftliche und fachliche Expertise der Pro- Beratung zum Thema Arbeit und jektpartner wichtig: „Wir erhoffen uns Impulse für Gesundheit können bedarfsge- ➝ weitere Informationen: Weiterentwicklungen und neue Konzepte.“ rechte Maßnahmen mit präven- www.taetigkeitswechsel.de tivem Charakter durchgeführt Innovationen und Insourcing werden, die Gesundheit und Er- bei thyssenkrupp Steel werbsfähigkeit möglichst frühzeitig stabilisieren.“ Ein weiter Weg, der thyssenkrupp selbst nutzt schon heute vielfältige sich lohnt – für Leistungsträger, Maßnahmen, bei denen Fachkräfte durch einen ziel- Unternehmen und Beschäftigte gerichteten Wechsel beruflicher Tätigkeiten gesichert gleichermaßen. REHAVISION 9
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN Erfolgsfaktor Netzwerk Warum Zusammenarbeit die berufliche Rehabilitation weiterbringt Erfolgreiche Netzwerke zeichnen sich durch vier Aspekte aus: klare Ziele, starke Mitglieder, ihre Beziehungen zueinander und die Fähigkeit, aktuelle Themen zu besetzen. Vor allem aber braucht aktives Netzwerken einen langen Atem. „Man muss dran bleiben“, sagt Maria Klink, Geschäftsführerin des Berufsförderungswerkes Frankfurt am Main. Sie ist selbst in vielen Netzwerken aktiv und kennt die Grundregeln gut: „Es geht um Austausch, um das Einbringen des eigenen Wissens und der eigenen Kompetenzen – und genauso um das Nutzen von Informationen und Leistungen der Netzwerkpartner.“ Kurz: Es geht darum, Win-win-Situationen zu schaffen. Für die Berufsförderungswerke eine der zentralen Aufgaben, um berufliche Rehabilitation zielführend weiterzuentwickeln. D ie richtigen Netzwerke zu finden oder sogar selbst zu initiieren, ist einer der Schlüsselfakto- ren für den Erfolg der Berufsförderungswerke in den setzung, um die Bedarfe von Betrieben auszuloten und gemeinsam Lösungen zur Fachkräftesicherung zu entwickeln. Eine Kooperation bietet dafür viel- vergangenen Jahrzehnten. Sowohl auf Verbands- fältige Chancen - und je langfristiger die Zusam- ebene als auch in den einzelnen Regionen haben menarbeit ausgerichtet ist, desto intensiver können langjährige Partnerschaften und Kontakte zu Unter- unternehmensspezifische Anforderungen in den nehmen und Verbänden zu einem Wissenstransfer Qualifizierungen berücksichtigt und effiziente Maß- geführt, der sich in vielfältigen gemeinsamen Mo- nahmen rund um ein demografiefestes Personalma- dellprojekten und Entwicklungen niederschlägt. nagement realisiert werden. Auf Bundesebene hat der Verband daher die Partnerschaften mit Unter- Eine besondere Rolle kommt dabei der Koopera- nehmen wie z. B. der Deutschen Bahn initiiert und tion mit Unternehmen zu. Hier war das BFW Frank- eine eigene Stelle für den Ausbau und die Pflege der furt am Main eines der ersten, das sich aktiv in das Netzwerke eingerichtet. Ein besonderes Format hat UnternehmensForum einbrachte, einer Arbeitgeber- der Verband darüber hinaus mit „Chefsache Inklusi- initiative, die auf mehr Inklusion in der Wirtschaft on“ entwickelt. Neben der thematischen Zielsetzung zielt. Ebenso vernetzte sich Maria Klink im ddn – dem gibt es hier auch eine klar definierte Zielgruppe: Demographie Netzwerk Rhein-Main, in dem sie die Führungskräfte und Personalverantwortliche. Auch Leitung des Arbeitskreises Gesundheit übernahm. das ein Vorteil für die Qualität des Austauschs. Heute zeugen viele gemeinsame Kooperationen des BFW Frankfurt mit Unternehmen zum Betrieblichen BANG: Mit Ausbildungs- Eingliederungsmanagement oder als Qualifizierungs- betrieben vernetzen partnerschaften von der Nähe, die aus diesen Netz- werkengagements resultieren. Ein Netzwerk aus Unternehmen und Bildungspart- nern ist BANG, kurz für „Berufliches Ausbildungs- Strategische Partnerschaften Netzwerk im Gewerbebereich“. Hier haben sich mit Unternehmen an mehreren Regionen in Deutschland kleine und mittelständische Unternehmen mit Qualifizierungs- „Gerade die Zusammenarbeit mit Unternehmen ist dienstleistern zu regionalen Ausbildungsvereinen zu- von besonderer Bedeutung“, erklärt Niels Reith, Ge- sammengeschlossen, um ihren Fachkräftebedarf zu schäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen sichern. Sie wissen, dass sie beim Thema Ausbildung Berufsförderungswerke. Denn sie schafft die Voraus- neue Wege gehen müssen, weil sie Entlastung brau- 10 REHAVISION
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN chen – gerade „zu Beginn und am Ende einer Aus- wir gemeinsam berufliche Rehabilitation gestalten bildung“, wie es einer der Mitgliedsbetriebe sagt. Im und unsere Expertise und Positionen gebündelt in die BANG Nordschwarzwald ist auch das BFW Schöm- Politik einbringen“, so Reith. Gemeinsame Veranstal- berg vertreten, das als Bildungsträger von den be- tungen, Stellungnahmen und auch Modellprojekte teiligten Unternehmen damit beauftragt wurde, ihre sind dafür wichtige Instrumente – vor allem aber ein Auszubildenden in bestimmten Intervallen zu schulen. wesentlicher Faktor, um das System der beruflichen „Der Vorteil für das Berufsförderungswerk liegt auf Rehabilitation auch weiterhin erfolgreich aufzustellen. der Hand“, sagt Klaus Krebs, Geschäftsführer des BFW Schömberg: „Für das BFW entstehen dadurch wichtige Firmenkontakte, die sich darüber hinaus po- sitiv auswirken können, z. B. bei der Suche nach ge- eigneten Praktikums- und Arbeitsplätzen oder auf die Vermittlungszahlen.“ Insgesamt, so Krebs, werde die Netzwerkarbeit immer wichtiger – sowohl um mehr Bekanntheit zu erlangen, als auch um in der Ausbil- dung up to date zu bleiben. NbR: Positionen stärken Neben den Netzwerken mit Unternehmen, enga- gieren sich die Berufsförderungswerke in Fachgre- mien. Dabei geht es sowohl darum, den fachlichen Austausch zu vertiefen als auch darum, die gesell- schaftspolitischen Rahmenparameter mitzubestim- Maria Klink (links) mit men. Um ihren Auftrag zum Nutzen der Menschen Netzwerke verknüpfen Netwerzpartnern aus mit gesundheitlichen Beeinträchtigen bestmöglich Ministerien und erfüllen zu können, sind die Berufsförderungswerke „Netzwerke schaffen Synergieeffekte“, so Maria Wirtschaft. gemeinsam mit sechs weiteren Verbänden von Leis- Klink. Aber auch wenn am Ende Unternehmen und tungserbringern beispielsweise im „Netzwerk berufli- Organisationen den Nutzen haben, so sind es doch che Rehabilitation“ (NbR) aktiv. Hier sind alle Anbieter Menschen, die Netzwerke zusammenhalten und zu beruflicher Reha-Leistungen vernetzt, um sich mit an- einem persönlichen Gewinn werden lassen. Nicht deren Akteuren auszutauschen und voneinander zu selten verknüpfen sie sogar mehrere Netzwerke lernen. „Nur so können Aktionen effizient gesteuert miteinander. So macht es auch die BFW-Geschäfts- und zielgerichtet zur Verbesserung der systemischen führerin Maria Klink vor: Bei ihren eigenen Netz- Leistung beitragen“, erklärt Rolf Limbeck, Vorsitzender werk-Treffen schafft sie ganz neue thematische der Bundesarbeitsgemeinschaft Beruflicher Trainings- Verbindungen und bringt Experten für Gesundheit, zentren und ebenfalls Mitglied im NbR. In einem so Arbeit, Demografie und Achtsamkeit mit Unterneh- ausdifferenzierten System von Arbeitsmarkt, Sozial- mensvertretern und Fachleuten aus der Sozialversi- politik und Rehabilitation sei ohne Vernetzung kein cherung zusammen. Davon profitieren alle – und am Fortschritt zu initiieren, ist er überzeugt. „Hier wollen Ende besonders die berufliche Rehabilitation. Best Practice Netzwerk-Dialog im BFW Frankfurt Es gibt Fragen, die werden in Wirtschaft, Politik und Ge- die schneller werdende Arbeitswelt 4.0, ohne sie zu überfor- sellschaft gleichermaßen gestellt. Und sie werden in ver- dern? Manager und Personaler aus Unternehmen, Arbeits- schiedenen Organisationen und Initiativen diskutiert. Um mediziner, Vertreter aus Verbänden, Sozialversicherung und gemeinsam Antworten auf zentrale Fragen zu finden, lud dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration ga- Maria Klink, Geschäftsführerin des BFW Frankfurt am Main, ben ganz persönliche und offene Antworten. „Ein Dialog mit Führungskräfte zu einem exklusiven Netzwerk-Dialog ein. vielen Facetten“, so die Teilnehmenden – und ein Dialog mit Ziel war es, Impulse zu geben, Erfahrungen auszutauschen – Mehrwert: „Achtsamkeit mit sich und anderen ist nicht nur und Experten zu vernetzen. ein Instrument gesunder Führung, sondern zudem ein wirk- samer Präventionsansatz, um Belastungen im Arbeitsleben Wie erhält man sich die mentale Belastbarkeit als Füh- dauerhaft Stand zu halten“, so Maria Klink am Ende. Wie rungskraft, wenn die globale Wirtschaft unberechenbar das dauerhaft gut gelingt, darüber tauscht sich das Netz- geworden ist? Wie nimmt man seine Mitarbeitenden mit in werk auch in Zukunft aus. REHAVISION 11
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN Gemeinsames Modell für Niedersachsen DRV Braunschweig-Hannover und INN-tegrativ entwickeln Integrationskonzept Was macht eine berufliche Rehabilitation erfolgreich? „Dass sie partnerschaftlich gestaltet wird“, sagen Jan Miede, stellver- tretender Geschäftsführer der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, und Jörg Barlsen, Geschäftsführer der INN-tegrativ gGmbH, in der die Berufsförderungswerke (BFW) Bad Pyrmont, Goslar und Weser-Ems zusammenge- schlossen sind. Und noch etwas gehört zum Erfolg einer beruflichen Rehabilitation – dass sie ihr Ziel auch erreicht: nämlich die Menschen zu integrieren, die ohne diese Leistung aus dem Erwerbsleben herausfallen würden. Dazu sind Jan Miede und Jörg Barlsen in Niedersachsen einen besonderen Weg gegangen. Im Gespräch mit REHAVISION stellen sie ihr gemeinsames Erfolgsmodell vor: das INN-Maßnahmenpaket. Miede und unterstreicht: „Schon nach einer Woche haben wir Klarheit. Das ist ein ganz großer Vorteil.“ Damit gelingt dem Reha-Assessment eine frühzeitige und schnelle Weichenstellung: Der Weg führt nur noch für diejenigen in eine Umschulung, für die damit ein Integrationserfolg gesichert ist. Die anderen erhalten alternative Unterstützungsangebote. Die Folge: gerin- gere Abbruchquoten. „Wir erwarten“, so Miede, „dass im Screening und Reha-Assessment eine umfassende Diagnostik und Reha-Planung erfolgt. Dabei sind bei Bedarf auch Leistungsangebote anderer Anbieter ein- zubeziehen.“ Das Verfahren gilt heute für das gesamte INN-tegrativ-Leistungsportfolio. „Die entscheidenden Faktoren sind Betriebs- und Wohnortnähe sowie eine klare Integrationsorientierung“, sagt Jörg Barlsen. D as niedersächsische Modell begann mit der Fra- Individualität wird dabei groß geschrieben: Je nach Jan Miede (links), stv. Geschäftsführer der ge, welche Leistungen die Personen eigentlich Bedarf kann auch bei einer wohnortnahen Rehabili- DRV Braunschweig- brauchen, die in einem BFW angemeldet werden. tation auf das stationäre Angebot der BFW zurück- Hannover und Jörg Barlsen (rechts), „Heute haben wir vor allem Menschen mit komplexen gegriffen werden. Derzeit wird zudem in Kooperation Geschäftsführer der Problemlagen und multiplen Hemmnissen in unseren mit dem Reha-Zentrum Bad Pyrmont, einer psycho- INN-tegrativ gGmbH Berufsförderungswerken“, erklärt Barlsen. Oft sind es somatischen Reha-Klinik, ein Angebot entwickelt, das Menschen mit psychischen Erkrankungen oder unbe- sich aus Leistungen der medizinischen Rehabilitation wältigten Lebensbrüchen. Und das hat einen ande- und LTA zusammensetzt. „Damit versuchen wir, Per- ren Ansatz zur Folge: „Im Mittelpunkt der beruflichen sonen mit unbewältigten Lebensbrüchen und einem Reha steht dann weniger ‚die richtige Qualifizierung‘ wenig arbeitsfördernden Lebensumfeld gerecht zu als vielmehr ein bedarfsorientiertes Angebot zur In- werden“, erläutert der BFW-Geschäftsführer. „Bei tegration“, so Barlsen. Hier setzen die INN-Maßnah- ihnen scheitern berufliche Reha-Maßnahmen meist men an, die 2013 mit der Entwicklung eines Prototyps nicht wegen fehlender Qualifizierung, sondern auf- für ein neues Integrationskonzept, dem Integrations- grund einer Alltagsgestaltung, in der Arbeit keinen netzwerk Niedersachsen begannen – kurz INN. Platz hat.“ Die vernetzte Leistung soll Förderung und Motivation mit einer professionell moderierten Re- Erfolgsrezept Integration – die INN-Angebote flexion der eigenen Lebenssituation verknüpfen und damit die Chancen auf eine gelingende Integrati- Am Anfang jeder Reha-Leistung steht ein Screening: on verbessern. „Der Personenkreis, auf den dieses Statt des Gießkannenprinzips geht es um Zielgrup- Angebot zugeschnitten ist, wird weiter wachsen“, pengenauigkeit und die Frage: „Welches Unterstüt- schätzt Miede die Entwicklung ein. Daher sei hier zungsangebot benötigt der Versicherte und wer ist der das Potenzial der BFW besonders gefragt. geeignete Leistungserbringer?“ Dazu wird das Prüfver- fahren der DRV um ein Screening im BFW ergänzt: Erfolgsquote von 80 % Innerhalb einer Woche wird geprüft, ob für die ge- testete Person überhaupt Leistungen zur Teilhabe am „80 % sollte die Integrationsquote betragen“, sagt Arbeitsleben (LTA) in einem BFW infrage kommen oder Miede und betont: „Um dieses Ziel zu erreichen, ar- nicht. Sind die Leistungen der INN-tegrativ eine wirk- beiten die Partner eng zusammen. Gelingt eine Inte- same Strategie, wird in den folgenden drei Wochen gration nicht, betreiben Reha-Träger und Leistungs- im Rahmen eines Reha-Assessments geklärt, wie die erbringer eine gemeinsame Ursachenanalyse.“ Das Maßnahmen konkret aussehen können. „Ein solches funktioniert. Und das beweist auch die Quote, die zweistufiges Verfahren ist hilfreich für die DRV“, erklärt heute nahezu in allen Maßnahmen erreicht wird. 12 REHAVISION
AUS DEN BFW Case Management – ein Fall für das BFW Kooperation mit Krankenkassen hilft, Arbeitsunfähigkeit zu überwinden Schnell zurück an den Arbeitsplatz? Für Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen kann davon keine Rede sein. Laut aktueller Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK sind sie im Schnitt 26,1 Tage krank geschrieben. Das ist nicht nur ein Prob- lem für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber. Ein Problem, das Geld kostet – zuerst die Betriebe und danach die Krankenkassen. Hier setzt das Case Management-Angebot der Berufsförderungswerke für Krankenkassen an, maßgeschnei- dert für die Schnittstelle zwischen Prävention, medizinischer und beruflicher Rehabilitation. D ie Entwicklung ist alarmierend: In den letzten zehn Jahren sind die Krankschreibungen wegen psychischer Störungen um gut 90 % gestiegen. Die Wie sieht die Arbeit im Case Management nun konkret aus? „Wir führen Gespräche mit Arbeitgebern, wenn klar ist, dass eine Rückkehr des erkrankten Mit- Kosten dafür hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz arbeitenden nicht ohne Aufwand möglich ist“, erklärt und Arbeitsmedizin errechnet – und da kommt eini- Kerstin Brandt. Dabei geht es um das Aufzeigen von ges zusammen: Krankheitskosten von knapp 16 Mrd. Möglichkeiten wie einer innerbetrieblichen Umsetzung Euro pro Jahr, Produktionsausfallkosten von 8,3 Mrd. oder einer Anpassungsqualifizierung. Und natürlich Euro und Ausfall an Bruttowertschöpfung durch psy- geht es auch um die Frage, wie es weitergeht, wenn chische Erkrankungen von 13,1 Mrd. Euro. eine berufliche Neuorientierung notwendig wird. „Als BFW verfügen wir über eine große Netzwerkkompe- Bessere Teilhabechancen für Versicherte tenz“, stellt Kerstin Brandt fest. „Wir kennen die Versor- mit psychischen Erkrankungen gungsstrukturen und arbeiten eng mit Reha-Trägern und Integrationsfachdiensten zusammen. Kurz: Die Das Case Management-Angebot des BFW Berlin-Bran- BFW-Experten sind Spezialisten für alle Fragen zur Teil- denburg kommt da wie gerufen: „Seit 2017 bieten wir habe am Arbeitsleben. Das zahlt sich aus. „Wir können ein Leistungspaket an, das Versicherte der Krankenkas- dazu beitragen, dass sich die Zeiten einer Arbeitsunfä- sen dabei unterstützt, ihre Arbeitsunfähigkeit oder Ar- higkeit verkürzen und der Zugang zu Teilhabeleistun- beitsplatzkonflikte zu überwinden und damit auch ihren gen beschleunigt wird“, so die BFW-Bereichsleiterin. Im Arbeitsplatz zu erhalten“, berichtet Dr. Kerstin Brandt, BFW München hat man sogar den Nutzen ausgerech- Bereichsleiterin RehaAssessment und Besondere Hilfen net: „Wenn ein Beschäftigter nur sechs Tage weniger im BFW Berlin-Brandenburg. Im Fokus stehen dabei im Krankengeldbezug ist, hat sich das Case Manage- Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen. Auch im ment schon gelohnt“, so Stefan Volk. Das bestätigt auch BFW München gibt es ein Case Management-Ange- Frank Memmler, Geschäftsführer im BFW Sachsen-An- bot. „Wir arbeiten für ca. zehn Krankenkassen“, sagt halt, das 2018 weit über 200 BEM-Fälle vor allem mit Case Manager Stefan Volk. In den vergangenen Versicherten der AOK Sachsen-Anhalt betreut. Mehr Jahren hat er über 650 Beratungen im Rahmen des noch: Wenn am Ende der Arbeitsplatz erhalten bleibt, freiwilligen Mehrwertangebotes für die Versicherten hat das Case Management wirksam einer vorzeitigen Im Jahr 2017 haben der Krankenversicherer durchgeführt. In den meisten Ausgliederung aus dem Arbeitsleben vorgebeugt. Ge- die AU-Tage aufgrund Fällen ging es dabei um die Wiedereingliederung von nau das wünscht sich der Gesetzgeber. Mit dem Bun- psychischer Erkran- Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Die psychi- desförderprogramm rehapro setzt er auf „Prävention kungen bei Frauen sche Erkrankung ist dabei oft eine Begleiterscheinung vor Rehabilitation“ und auf ”Rehabilitation vor Rente“. gegenüber dem Jahr zu körperlichen Einschränkungen“, so Volk. Hier könnte das Case Management Schule machen. 1997 um 284 % zugenommen. Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen (Indexdarstellung) nach Geschlecht, in den Jahren von 1997 bis 2017 Quelle: © Statista 2018 400 Indexerstellung (1997 = 100) Frauen Männer 350 300 250 200 150 100 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 REHAVISION 13
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