BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke

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BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
3/2018

Chancen und Perspektiven
der Beruflichen Rehabilitation

                                                                                                             BFW IM
                                                                                                             WANDEL
                                                                                                             DER ZEIT

Erfolgsfaktoren in der beruflichen Rehabilitation
50 Jahre Bundesverband: BFW-Plattform für Qualität und Entwicklung
Berufliche Rehabilitation in Deutschland hat sich bewährt. Vielleicht lässt sich der Erfolg der Deutschen Berufsför-
derungswerke (BFW) ganz schlicht und einfach so auf den Punkt bringen: Die BFW sind seit ihrer Gründung in den
50er-Jahren Garanten dafür, Menschen mit Behinderung zurück in das Arbeitsleben zu begleiten. In diesem Jahr
feiern die BFW das 50-jährige Jubiläum ihres Zusammenschlusses. REHAVISION beschäftigt sich aus diesem Anlass
mit den Erfolgsfaktoren und Meilensteinen beruflicher Rehabilitation in den Berufsförderungswerken. Seite 3

                                Projekt TErrA:                                                        Erfolgsfaktor Netzwerk
                                Fachkräftesicherung
                                                                                                      Um berufliche Rehabilita-
                                BFW und Projektpartner wie                                            tion weiterzuentwickeln,
                                thyssenkrupp Steel Europe                                             setzen Berufsförderungs-
                                entwickeln Strategien zum                                             werke auf Kooperation:
                                überbetrieblichen Tätigkeits-                                         Netzwerke schaffen
                                wechsel für Beschäftigung                                             Win-win-Situationen
                                bis zur Rente.                                                        für alle Akteure.
                                Seite 8                                                               Seite 10

                                                         Die REHAVISION wird herausgegeben vom
BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
VORWORT

                 Liebe Leserin, lieber Leser,
                 die Arbeitswelt hat sich in den letzten 50 Jahren        gern und den Unternehmen war entscheidend für
                 enorm verändert. Um Menschen mit gesundheitlichen        den Erfolg der letzten 50 Jahre. Ein Dank gilt auch
                 Beeinträchtigungen und Behinderungen eine zweite         allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berufs-
                 Chance zu geben und die Rückkehr in Arbeit und Be-       förderungswerke und ihrem großen professionellen
                 ruf zu ermöglichen, mussten die berufliche Rehabilita-   Engagement für die berufliche Wiedereingliede-
                 tion und die Berufsförderungswerke stets wandlungs-      rung von Menschen mit Behinderung. Nicht zuletzt
                 fähig bleiben. Zum Abschluss unseres Jubiläumsjahrs      bedanke ich mich beim Team unserer Verbandsge-
                 widmen wir uns deswegen in dieser REHAVISION den         schäftsstelle: Alle Aktivitäten im Jubiläumsjahr – wie
                 Erfolgsfaktoren und Meilensteinen der beruflichen        der Parlamentarische Abend oder die Vortragsreihe
                 Rehabilitation. Was hat die Arbeit der Berufsförde-      – wurden von dort mit großem Einsatz koordiniert
                 rungswerke erfolgreich gemacht? Wie haben sie auf        und umgesetzt. Die wertvollen inhaltlichen Impulse
                 Veränderungen des Arbeitsmarktes reagiert und wel-       des Jubiläumsjahres werden wir aufgreifen, um
                 che Rolle hat der Verband bei der Zusammenarbeit         gemeinsam mit unseren Partnern die berufliche
                 und Weiterentwicklung aller Berufsförderungswerke        Rehabilitation fit für die Zukunft zu machen.
                 gespielt? Dies sind nur einige der Fragen, denen wir
                 in der aktuellen Ausgabe nachgehen.                      Ihre

                 An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei
                 allen Partnern und Wegbegleitern bedanken: Die           Dr. Susanne Gebauer
                 partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Bundes-        Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes
                 ministerium für Arbeit und Soziales, den Reha-Trä-       Deutscher Berufsförderungswerke

                 Inhaltsverzeichnis

                 Schwerpunkt Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . 3        Aus den BFW . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
                 Erfolgsfaktoren in der beruflichen                       Case Management – ein Fall für das BFW . . . 13
                 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
                 „Die Zukunft einer inklusiven                            Namen und Nachrichten . . . . . . . . . . . . 14
                 Gesellschaft mitgestalten“ . . . . . . . . . . . . 7     Neue Technologien für neue Lernkonzepte . . . 14
                 Innovative Lösungen zur Fachkräftesicherung . . 8        Kurz notiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
                 Erfolgsfaktor Netzwerk . . . . . . . . . . . . . 10      Personalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
                 Gemeinsames Modell für Niedersachsen. . . . . . 12       Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

                    Impressum

                    Redaktion:                                            Gestaltung:
                    Dr. Susanne Gebauer, Frank Gottwald,                  zeichensetzen medienagentur GmbH
                    Hans-Dieter Herter, Kerstin Kölzner,                  GDA Kommunikation − Gesellschaft für Marketing
                    Ellen Krüger, Frank Memmler, Niels Reith,             und Service der Deutschen Arbeitgeber mbH
                    Dr. Jessica Stock, Astrid Hadem (V. i. S. d. P.)
                                                                          Leserservice:
                    Fotonachweise (Seite):                                Kontakt: Ellen Krüger
                    BV BFW/Kruppa (1, 2, 7, 10, 15); thyssenkrupp;        Knobelsdorffstraße 92, 14059 Berlin
                    (1); BFW Frankfurt (1, 11); BFW Nürnberg (3,          Tel.: 030 3002-1253, Fax: 030 3002-1256
                    14); zeichensetzen (5, 6, 12); BAG BBW / Jakob        E-Mail: rehavision@bv-bfw.de
                    Hoff, Sozialverband VdK / Peter Himsel, BFW
                                                                          Herausgeber:
                    Leipzig, BA / Daniel Karmann (15)
                                                                          Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V.
                    Aktuelle Ausgaben der REHAVISION finden               Druck:
                    Sie als Download unter: www.bv-bfw.de                 Königsdruck – Printmedien und digitale Dienste GmbH

2   REHAVISION
BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

Erfolgsfaktoren in der beruflichen Rehabilitation
50 Jahre Bundesverband: BFW-Plattform für Qualität und Entwicklung

Berufliche Rehabilitation in Deutschland hat sich bewährt. Vielleicht lässt sich der Erfolg der Deutschen Berufsförderungswerke
(BFW) ganz schlicht und einfach so auf den Punkt bringen: Die BFW sind seit ihrer Gründung in den 50er-Jahren Garanten
dafür, Menschen mit Behinderung zurück in das Arbeitsleben zu begleiten. In diesem Jahr feiern die BFW das 50-jährige Ju-
biläum ihres Zusammenschlusses. REHAVISION beschäftigt sich aus diesem Anlass mit den Erfolgsfaktoren und Meilensteinen
beruflicher Rehabilitation in den Berufsförderungswerken.

N     ach 50 Jahren sind die Deutschen Berufsförde-
      rungswerke als gefragte Ansprechpartner rund
um die berufliche Re-Integration von Menschen mit
                                                            Menschen mit einer Behinderung Teilhabe am Le-
                                                            ben in der Gesellschaft ermöglicht. Prof. Dr. Joa-
                                                            chim Breuer, Hauptgeschäftsführer der Deutschen
Behinderung fest etabliert. Gesetzlich verbrieft im         Gesetzlichen Unfallversicherung sagt dazu: „Für die
SGB IX haben sie sich deutschlandweit zu einem              gesetzliche Unfallversicherung bedeutet Reha vor
schlagkräftigen Instrument zur Unterstützung und För-       Rente: Wir wollen unsere Versicherten nach einem
derung von Menschen mit Behinderung auf hohem               Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit möglichst
Niveau entwickelt, das bei Rehabilitationsträgern,          schnell und nachhaltig wieder auf den ersten Ar-
Politik und Sozialverbänden gleichermaßen Respekt           beitsmarkt zurückbringen. Denn Arbeit ist mehr als
genießt. „Die Berufsförderungswerke tragen als wir-         nur Broterwerb. Sie schafft ein soziales Umfeld und
kungsvolle Kompetenzzentren wesentlich zum Erhalt           gibt Selbstvertrauen.“ Die Berufsförderungswerke
eines selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Le-       seien dabei wichtige Partner, weil „ihre Angebote
bens in einer inklusiven Gesellschaft bei“, unterstreicht   insbesondere auf die Bedürfnisse von Menschen
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ihre Bedeutung.         mit schweren Beeinträchtigungen ausgerichtet sind.
Und auch im europäischen Ausland haben die BFW              Damit stärken sie die Inklusion und die Selbstbestim-
Standards bei der Einführung von Angeboten zur              mung der Betroffenen.“
Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderun-
gen gesetzt. Ein schönes Fazit zum 50-jährigen Jubi-        Beständiger, fortlaufender
läum. Aber woran liegt es?                                  Innovationsprozess

    „Wir brauchen nicht alles Bewährte über Bord            Soweit das Prinzip. Dennoch erfolgt eine berufliche
zu werfen. Aber Erneuerung tut Not, schon um das            Rehabilitation heute anders als noch vor 50 Jahren.
Bewährte für die Zukunft zu sichern“, so hat es der         Das hat gute Gründe: Innerhalb eines halben Jahr-
frühere Bundespräsident Roman Herzog in seiner              hunderts verändern sich die gesellschaftlichen, wirt-
berühmten Berliner Rede formuliert. Das beschreibt          schaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.
im Grunde eine Kernkompetenz der Berufsförde-               Auf sie nicht zu reagieren, hätte Auswirkungen auf die
rungswerke. Bewährt ist dabei vor allem das Prinzip         berufliche Rehabilitation gehabt. „Um zukunftsfähig
„Reha vor Rente“ – nicht nur, weil es volkswirtschaft-      zu bleiben, gilt es, stets Lösungen zu entwickeln, die
lich sinnvoll ist, sondern auch weil es den einzelnen       Innovationen vorantreiben und Fortschritte bringen

                                                                                                                     REHAVISION   3
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SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

                                 – ob ökonomisch, bezogen auf die gesellschaftli-                                            re später noch sind die Grundsätze, die in der Grün-
                                 che Entwicklung oder auf die Anforderungen des                                              dungsurkunde der ARGE festgehalten wurden, aktuell:
                                 Arbeitsmarktes“, sagt Dr. Susanne Gebauer, Vor-                                             So sorgt insbesondere die gemeinsame Erarbeitung
                                 standsvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher                                             von qualitativen Mindestanforderungen für Rehabili-
                                 Berufsförderungswerke. Und das gelingt offenkun-                                            tationseinrichtungen für einen einheitlichen Standard
                                 dig. Lob gibt es dafür auch aus dem Bundesministe-                                          in der Leistungserbringung – von den Trägern der Re-
                                 rium für Arbeit und Soziales. Bundesarbeitsminister                                         habilitation heute als unverzichtbar geschätzt.
                                 Hubertus Heil schätzt an den Berufsförderungswer-
                                 ken ihre „hohe Bereitschaft zur Weiterentwicklung                                                Und noch ein Punkt hat sich von Anfang an als
                                 der Strukturen und des Leistungsangebots“, sagt                                             zentraler Baustein für den Erfolg der beruflichen Reha-
                                 er im Kurzinterview mit REHAVISION. Heil: „Dieser                                           bilitation in den Berufsförderungswerken erwiesen: die
                                 beständig fortlaufende Innovationsprozess zeichnet                                          partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Rehabilita-
                                 sich durch seinen ganzheitlichen Ansatz und intensi-                                        tionsträgern und der Politik. Schon bei der Gründung
                                 ve Zusammenarbeit aller Beteiligten im Reha-System                                          waren die Träger von Rehabilitationsleistungen feder-
                                 aus. Da ziehen wirklich alle an einem Strang.“                                              führend beteiligt, wie zum Beispiel die Rentenversiche-
                                                                                                                             rungsträger, damals noch als Landesversicherungsan-
                                     Auch ein Blick auf die zentralen Meilensteine der                                       stalten, oder auch die Berufsgenossenschaften. 1999
                                 Deutschen Berufsförderungswerke bestätigt das. Die                                          manifestierten sie schließlich ihre Zusammenarbeit in
                                 BFW waren stets Spiegel ihrer Zeit und eng mit der                                          dem bis heute gültigen Abschluss des „Rahmenvertra-
                                 Entwicklung des Gesamtsystems der beruflichen Re-                                           ges über die Zusammenarbeit zwischen Rehabilitati-
                                 habilitation verbunden. So ist es kein Zufall, dass der                                     onsträgern und Berufsförderungswerken“.
                                 Zusammenschluss zur Arbeitsgemeinschaft der Deut-
                                 schen Berufsförderungswerke, kurz ARGE BFW, 1968                                            Orientiert am Kunden
                                 erfolgte – einem Jahr des Aufbruchs und der Vollbe-
                                 schäftigung sowie des erklärten politischen Willens,                                        Dass berufliche Rehabilitation eine unverzichtbare
                                 berufliche Rehabilitation voranzutreiben. Höhepunkt                                         Leistung ist, um Menschen wieder ins Berufsleben
                                 war die Ankündigung der Bundesregierung im Jahr                                             zu bringen, war nie Anlass von Diskussionen. Klar
                                 1969, ein „Jahrzehnt der Rehabilitation“ einzuläuten.                                       war auch, dass an dieser Leistung alle mitwirken
                                                                                                                             müssen – ob Reha-Träger, Mensch mit Behinderung
                                 Zusammenarbeit als Garant für Qualität                                                      oder Unternehmen. Dennoch war es den Berufsför-
                                                                                                                             derungswerken wichtig, deutlich zu machen, dass sie
                                 Damals beschlossen die Berufsförderungswerke, ihre                                          eine Dienstleistung erbringen, die sich am Kunden
                                 Kompetenzen zu bündeln und fachlich enger zusam-                                            orientiert. „Die gute und enge Kooperation mit den
                                 menzuarbeiten. Sie gründeten die ARGE BFW in dem                                            Sozialversicherungsträgern ist die zentrale Säule un-
                                 Wissen, dass ein Zusammenschluss für die Qualität der                                       serer Arbeit“, unterstreicht die Vorstandsvorsitzende
                                 beruflichen Rehabilitation ein wichtiger Garant und                                         des Bundesverbandes, Dr. Susanne Gebauer, nach-
                                 Erfolgsfaktor für die Zukunft sein würde. Auch 50 Jah-                                      drücklich. Das galt zur Zeit der Gründung genauso

    Meilensteine in 50 Jahren Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke

                                              1990 ff:                                               2002:
                                              Ausweitung des Netzplanes der Deutschen                Verabschiedung des Berliner
                                              Berufsförderungswerke auf die neuen Bundesländer       Programmes (ARGE BFW)
                                                                                                                                                                2008/09:
                                                                                                                                                                UN-Behindertenrechtskonvention

                 1970:                                                   1999:                                                     2006:                                     2014:
                 Aktionsprogramm der Bundesregierung                     Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit zwischen            Beginn der BFW-Entwicklung                ARGE BFW wird zum
                 zur Förderung der Rehabilitation der Behinderten        Rehabilitationsträgern und Berufsförderungswerken         „Neues Reha-Modell”                       Bundesverband Deutscher
                                                                                                                                                                             Berufsförderungswerke

                                                                                                                                                                                                    Heute

    1968:                      1980:                        1998:                      2001:                                                    2007:
    Gründung der               Fortschreibung des           Verabschiedung des         Einführung des              2004 ff:                     Start der BMAS-Initiative                 2016:
    Arbeitsgemeinschaft        Aktionsprogramms             Erfurter Programmes        Sozialgesetzbuchs IX        Arbeitsmarktreformen         RehaFutur (bis 2013)                      Bundesteilhabegesetz
    der Deutschen              Rehabilitation               der ARGE BFW
    Berufsförderungswerke
    (ARGE BFW)

4     REHAVISION
BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

wie es heute Gültigkeit hat. Unterstrichen wurde die
klare Ausrichtung am Bedarf des Kunden 1998 im so
genannten „Erfurter Programm“ der BFW und 2002
dann noch einmal bekräftigt im „Berliner Programm“.
Die BFW passten sich damit aktiv dem Paradigmen-
wechsel an, den das Sozialgesetzbuch IX eingeläutet
hatte: Sie stellten die Teilhabe der behinderten Men-
schen stärker in den Mittelpunkt ihrer Arbeit und nah-
men die Selbstbestimmung von Menschen mit Behin-
derungen ernst. „Ganz nah am Menschen ist seitdem
unser Credo“, so Dr. Susanne Gebauer.

Krisen managen, Chancen nutzen

„Wenn Krise ist, muss man Krise managen.“ Gerhard
Schröder, der sich gerne als Macher sah, nahm die
hohe Zahl der Arbeitslosen von 4 Millionen zum An-
lass, um 2005 den Arbeitsmarkt durch das „vierte
Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeits-            dernisieren. Dafür entwickelten sie auf Basis der vor-      In der Initiative Reha-
markt“ zu reformieren. Das Gesetz, das nach seinem         handenen Kompetenzen neue Geschäftsfelder wie               Futur entwickelten die
                                                                                                                       BFW zusammen mit
Erfinder VW-Manager Peter Hartz benannt wurde,             modulare Qualifizierungen, betriebsnahe Angebote
                                                                                                                       anderen Akteuren
gilt als folgenreichste Sozialreform seit dem Zweiten      oder Leistungen zum betrieblichen Eingliederungs-           Standards für eine
Weltkrieg. In jedem Fall wurde sie folgenreich für         und Gesundheitsmanagement. Eine Entwicklung,                zukunftsfeste beruf-
die Berufsförderungswerke. Für sie begann mit der          deren Konzept auch aus Sicht der Deutschen Ren-             liche Rehabilitation.
Reform die größte Krise ihrer Geschichte. Zugleich         tenversicherung zukunftsweisend war. Brigitte Gross,
zeigte sich in dieser Zeit ihre größte Stärke – sie nah-   Direktorin bei der Deutschen Rentenversicherung
men die Krise an und initiierten einen Veränderungs-       Bund, würdigt: „Mit dem Neuen Reha-Modell ha-
prozess. Dabei waren es weniger hausgemachte Pro-          ben sich die Berufsförderungswerke neu aufgestellt
bleme, die viele Berufsförderungswerke damals an           und ihr Leistungsportfolio flexibel und individuell für
den Rand der wirtschaftlichen Existenz bringen soll-       die Zukunft ausdifferenziert. In den konzeptionellen
ten, sondern schlichtweg erhebliche Veränderungen          Ansätzen sind die Themen Medien-, Netzwerk- und
in der Arbeitsmarktpolitik und unklare Reglungen der       Selbstlernkompetenz ein fester Bestandteil und wer-
Hartz-Gesetze zum Thema Rehabilitation.                    den stetig an die rasanten technologischen Entwick-
                                                           lungen angepasst.“
Das „Neue Reha-Modell“
                                                           Maßstab für den Erfolg: Integration in Arbeit
„Wie muss berufliche Rehabilitation in einer dienstleis-
tungs- und wissensorientierten Arbeitswelt aussehen,       Wer sich mit Erfolgsfaktoren beschäftigt, kommt nicht
um zukunftsfähig zu sein?“ Mit dieser Frage beschäf-       an der Frage vorbei, was eigentlich der Maßstab
tigen sich die Berufsförderungswerke immer wieder.         für den Erfolg ist. In der beruflichen Rehabilitation ist
Mit besonderer Intensität taten sie das im Rahmen der      das vor allem die Integrationsquote. Sie beschreibt,
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geför-       wie viele der BFW-Absolventen im Anschluss an ihre
derten Initiative RehaFutur als Antwort auf die große      Rehabilitation in ein festes Beschäftigungsverhältnis
Krise. Sie entwickelten ein neues Reha-Modell, das für     im ersten Arbeitsmarkt vermittelt wurden. Je nach
Modernisierungen und Innovationen auf ganzer Linie         Ausbildung und Region sowie Schwere der Behin-
sorgte: Mehr Partizipation und Mitbestimmung der           derung unterscheiden sich die Ergebnisse, liegen
Rehabilitanden im Rahmen des Reha-Prozesses, Inklu-        aber durchschnittlich zwischen 70 und 80 %. Dieser
sion im Sinne des Übereinkommens über die Rechte           Erfolg kommt nicht von ungefähr. „Wir orientieren
von Menschen mit Behinderungen sowie eine engere           unser Ausbildungsportfolio an den Bedarfen des Ar-
Vernetzung und Kooperation mit Unternehmen waren           beitsmarkts“, erklärt Dr. Susanne Gebauer, „und wir
zentrale Aspekte der Weiterentwicklung. „Das gute          erschließen kontinuierlich neue Berufsfelder für die
Zusammenspiel der Faktoren ist der Schlüssel für den       BFW-Teilnehmenden.“ Insgesamt verfügen die BFW
Erfolg der Berufsförderungswerke“, zieht Hubertus          heute über mehr als 250 Qualifizierungsangebote
Heil eine Bilanz und ergänzt: „Deshalb hatte das vom       – anerkannte Ausbildungsberufe, aber auch Anlern-
BMAS unterstützte, innovative ‚Neue Reha-Modell‘           und Fachpraktikerberufe. Alle werden stets im engen
der Berufsförderungswerke von Anfang an alle Fakto-        Dialog mit Bildungsexperten und Arbeitgebern ent-
ren im Blick. Mit seiner Umsetzung wurde stärker auf       wickelt, wie beispielsweise SAP oder DATEV. Ohne
Flexibilisierung, Modularisierung, Individualisierung      die BFW gäbe es im Übrigen auch so manchen Beruf
und Arbeitsmarktorientierung gesetzt.“                     nicht. Unangefochten an der Spitze ihrer „Berufe-Ent-
                                                           wicklungen“ steht dabei der geprüfte Qualitätsfach-
    So war es. Die Berufsförderungswerke machten           mann/Qualitätsfachfrau, der mittlerweile ein Fachar-
sich auf den Weg, die berufliche Rehabilitation zu mo-     beiterberuf mit anerkanntem Abschluss ist.

                                                                                                                       REHAVISION         5
BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

                             Damit Menschen nachhaltig fit für den Arbeitsmarkt   Verband für mehr Zusammenarbeit
                        werden, braucht es aber mehr als Fachwissen. Dr. Sus-     und Vernetzung
                        anne Gebauer: „Es kommt darauf an, die Menschen für
                        die kommenden Arbeitswelten beschäftigungsfähig zu        Um diese Herausforderungen auch in Zukunft best-
                        machen – durch entsprechende berufliche Kompeten-         möglich bewältigen zu können sowie innovative Ent-
                        zen, aber auch durch Schlüsselkompetenzen wie Team-       wicklungen anzustoßen und zu koordinieren, haben
                        fähigkeit oder die Fähigkeit, Veränderungen bewältigen    die BFW ihre Zusammenarbeit immer weiter inten-
                        zu können.“ Hier verfügen die Berufsförderungswerke       siviert und professionalisiert. Als Bundesverband
                        über ein Potenzial, das ihr Alleinstellungsmerkmal        Deutscher Berufsförderungswerke haben sie seit
                        ist: Sie erbringen ihre Leistung in interdisziplinären    2014 zudem die politische Interessensarbeit und die
                        Teams: Ausbilder, Fallmanager, Ärzte, Psychologen         Zusammenarbeit mit den verschiedensten Partnern
                        und Vermittlungsexperten arbeiten Hand in Hand, um        verstärkt. Beispielsweise im Netzwerk berufliche
                        eine berufliche Rehabilitation in möglichst jedem Ein-    Rehabiltation (NbR), in dem sie sich gemeinsam mit
                        zelfall zu einem Erfolg werden zu lassen.                 anderen Leistungserbringern regelmäßig austau-
                                                                                  schen. „Gemeinsame Positionen haben eine höhere
                        Neue Herausforderungen                                    Schlagkraft – das ist die Stärke des Netzwerks für
                                                                                  berufliche Rehabilitation“, erklärt Tanja Ergin, Ge-
                        Die Weiterentwicklung der beruflichen Rehabilitation      schäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der
                        ist ein Prozess, der nie endet. Ebenso wenig die He-      Berufsbildungswerke und ebenfalls Mitglied im NbR.
                        rausforderungen. Denn vor diesen stehen die BFW
                        immer wieder neu. Mit Blick auf den Rückgang des              Nicht minder wichtig ist eine enge Verzahnung mit
                        Erwerbspersonenpotenzials, alternde Belegschaften         der Wirtschaft – schließlich geht es um erfolgreiche
                        und Menschen mit komplexen Problemlagen gilt es,          Inklusion im Arbeitsleben. Und auch hier ist in den
                        Reha-Prozesse zukünftig noch wirksamer zu machen.         vergangenen Jahren eine Menge passiert: Neben
                                                                                                   Kooperationen mit Unternehmen
                                                                                                   haben die BFW mit „Chefsache In-
                                                                                                   klusion“ ein spannendes Dialogfor-
                                                                                                   mat eingeführt, das Entscheider aus
                                                                                                   Wirtschaft, Politik und Rehabilitati-
                                                                                                   onsträgern zusammenbrachte. Das
                                                                                                   erfolgreiche Expertenforum wurde
                                                                                                   explizit als beispielhafte Maßnah-
                                                                                                   me im Nationalen Aktionsplan 2.0
                                                                                                   der Bundesregierung zur Umsetzung
                                                                                                   der UN-Behindertenrechtskonven-
                                                                                                   tion gelistet. Auch das ein Erfolg.
                                                                                                   Dass hier noch mehr möglich ist,
                                                                                                   unterstreicht Peter Clever, Mitglied
                                                                                                   der Hauptgeschäftsführung der
                                                                                                   Bundesvereinigung der Deutschen
                                                                                                   Arbeitgeberverbände: „Die Be-
                                                                                                   rufsförderungswerke können noch
                                                                                                   mehr wichtige Unterstützung für
Mit Unternehmen im      Schon jetzt gilt das Prinzip „Prävention vor Rehabili-    Unternehmen beim betrieblichen Gesundheits- bzw.
Dialog – das ist das    tation vor Rente“. Auch die Grenzen und Übergänge         Eingliederungsmanagement bieten.“ Gerade die Di-
Prinzip der BFW-
                        zu ambulanten Leistungen werden vermutlich weiter         gitalisierung böte hier Chancen. Mit entsprechend
Veranstaltungsreihe
„Chefsache Inklusion“   ineinanderfließen. Medizinische und berufliche Reha       angepassten Qualifizierungsangeboten „können die
                        müssen sich damit befassen, wie sie die Zusammen-         Berufsförderungswerke auch einen wichtigen Beitrag
                        arbeit verzahnen und Übergänge verbessern können.         zur Fachkräftesicherung leisten“, ist er überzeugt.

                             Das bestätigt Brigitte Gross: „Der Erfolg von Re-        Fest steht: Netzwerkarbeit ist Zukunftsarbeit.
                        habilitation wird daran gemessen, in welchem Maße         Denn im Austausch mit anderen – mit Rehabilitations-
                        es gelingt, umfassende Veränderungen in unserer Ge-       trägern, Arbeitgebern, Medizinern und Menschen mit
                        sellschaft in Bezug auf Kernthemen wie Digitalisierung    Behinderung – liegt das Potenzial für Innovationen.
                        und Demografie zu begleiten und aktiv mitzugestal-        Die BFW jedenfalls werden die Herausforderungen
                        ten.“ Das Leitziel der Rentenversicherung „Return to      annehmen. Nicht nur weil das ihr Auftrag ist, sondern
                        Work“ erfordere eine individuelle, passgenaue und         weil sie Entwicklungen willkommen heißen. Dr. Sus-
                        ganzheitliche Beratung, Rehabilitation und Unterstüt-     anne Gebauer: „Wir haben schlichtweg Freude dar-
                        zung der Versicherten. „Dabei sind der Aufbau und         an, Neues zu entwickeln, um Menschen mit gesund-
                        die Pflege von Kooperationen mit Leistungsträgern         heitlichen Einschränkungen auf ihrem Weg zurück
                        und Leistungserbringern im Sinne eines Netzwerkes         in das Arbeitsleben bestmöglich zu unterstützen. Als
                        selbstverständlich“, so die DRV-Direktorin.               Reha-Profis sind wir Überzeugungstäter.“

 6    REHAVISION
BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

„Die Zukunft einer inklusiven Gesellschaft mitgestalten“
Dr. Susanne Gebauer, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Berufsförderungswerke,
und Geschäftsführer Niels Reith über 50 Jahre Bundesverband

„Zusammenkommen ist ein Beginn . . .“, so fängt ein
bekanntes Sprichwort von Henry Ford an. Für den
Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
jährt sich das Zusammenkommen in diesem Jahr
zum 50. Mal. 1968 schlossen sich acht Berufsförde-
rungswerke zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen
und gaben damit den Startschuss zur Entwicklung
eines bundesweiten Kompetenznetzwerkes. Über die
Rolle des Bundesverbandes, Erfolge und Zukunfts-
aufgaben sprechen die Vorstandsvorsitzende Dr.
Susanne Gebauer und Geschäftsführer Niels Reith.

REHAVISION: 50 Jahre Zusammenarbeit der BFW,
erst in der ARGE, nun im BV: Welche Rolle spielt der
Zusammenschluss für die BFW und für ihre Partner?

Dr. Susanne Gebauer: Ich bin der festen Ansicht, dass
die BFW ohne die enge Zusammenarbeit und den              Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolge         Vorstandsvorsitzende
                                                                                                                   des Bundesverbands
fachlichen Austausch in der ARGE und im heutigen          des BV in den vergangenen Jahren?
                                                                                                                   Deutscher Berufsför-
Bundesverband die letzten Jahrzehnte nicht so erfolg-                                                              derungswerke
reich gemeistert hätten. Die Grundsätze, die bereits      Niels Reith: Gemeinsam haben der Verband und sei-        Dr. Susanne Gebauer
bei der Gründung der damaligen ARGE beschlossen           ne Mitglieder in den letzten Jahren einiges erreicht:    und Geschäftsführer
wurden, haben bis heute Gültigkeit. Von Beginn an         der Aufbau der Geschäftsstelle, unsere Reihe „Chefsa-    Niels Reith
war der Verband nicht nur eine Interessengemein-          che Inklusion“, die Modellprojekte TErrA und ORELTA,
schaft, die partnerschaftlich mit Politik und Reha-Trä-   die Zusammenarbeit im Netzwerk berufliche Rehabili-
gern zusammenarbeiten wollte. Der Verband ist seit        tation und die Reihe „Zusammen erfolgreich in Arbeit“
jeher auch eine BFW-Qualitätsgemeinschaft und eine        sind nur einige Beispiele. Zudem sind aus meiner Sicht
Plattform für gemeinsame Entwicklungen und Projek-        der gemeinsame BFW-Austausch zur LBR-Einführung
te, von denen viele zu Standards in den BFW und           und der angelaufene Diskussionsprozess zu den digi-
darüber hinaus geworden sind. Denken Sie an das           talen Herausforderungen wichtige Erfolge.
RehaAssessment oder das „Reha-Modell“ der BFW.
Allein hätten die BFW diese Ressourcen nicht auf-         Welche Zukunftsaufgaben gilt es für die BFW zu
bringen und auch nicht mit einer Stimme mit Politik,      lösen und wie kann der Verband dabei unterstützen?
Unternehmen und Reha-Trägern sprechen können.
                                                          Dr. Susanne Gebauer: Vor uns liegen eine ganze
Welche Vorteile hat ein Verband mit Sitz in Berlin?       Reihe von Aufgaben, die mit Chancen und Risiken
                                                          verbunden sind: Die demografische Entwicklung
Niels Reith: Ein großer Vorteil liegt sicherlich darin,   und die Digitalisierung werden auch die berufli-
dass wir deutlich arbeitsteiliger vorgehen können.        che Rehabilitation verändern. Außerdem müssen
Das hauptamtliche Team der Geschäftsstelle kann           wir gemeinsam noch individuellere Reha-Leistun-
die ehrenamtlichen Vorstände unterstützen und ent-        gen entwickeln und diese enger mit medizinischen
lasten. Mit unserer Präsenz in Berlin sind wir dauer-     Angeboten und der Arbeitswelt verzahnen. Hier
haft und einfacher ansprechbar für alle relevanten        müssen Anreize für sektorübergreifende Koopera-
Akteure im Feld der beruflichen Rehabilitation. Die       tionen geschaffen und neue Finanzierungsmodelle
enge Zusammenarbeit mit Politik, Reha-Trägern,            entwickelt werden. Es kommt also einiges auf uns
Wissenschaft, Verbänden oder großen Unterneh-             zu. Aber ich bin überzeugt: Wenn die BFW zusam-
men, wäre in dieser Form sonst nicht machbar. Wir         menhalten und im Verband eng zusammenarbeiten,
können mehr Netzwerkarbeit leisten und intensiver         schaffen wir gemeinsam auch diese Aufgaben. In
und strukturierter in den zahlreichen Fachgremien         den letzten fünf Jahrzehnten haben wir uns als Ver-
mitwirken. Der Verband trägt aber auch zur stär-          band immer auch aktiv an der Ausgestaltung des
keren Vernetzung der BFW untereinander bei und            politischen Rahmens der beruflichen Rehabilitation
fördert deren Austausch. Vor dem Hintergrund der          beteiligt. Dies bieten wir weiterhin an. Gemeinsam
anstehenden Herausforderungen, die nur gemein-            mit unseren Partnern aus Politik, Wirtschaft und
sam bewältigt werden können, wird diese Aufgabe           Verwaltung möchten wir die Zukunft einer inklusi-
in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen.               ven Gesellschaft mitgestalten.

                                                                                                                   REHAVISION       7
BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

Innovative Lösungen zur Fachkräftesicherung
Projekt TErrA: BFW und Projektpartner entwickeln Strategien zum
erfolgreichen Tätigkeitswechsel

Der demografische Wandel sensibilisiert Deutschland beim Thema Fachkräfte. Gerade in gesundheitlich belastenden Berufen
brauchen Unternehmen heute innovative Wege, um Menschen möglichst bis zum Renteneintritt beschäftigungsfähig zu halten.
Die Berufsförderungswerke kennen diese Bedarfe. Und sie erarbeiten vernetzt mit Unternehmen zukunftsweisende Lösungen.
Auch das ist einer ihrer Erfolgsfaktoren. Im Projekt TErrA erproben sie innovative Wege zur Fachkräftesicherung. Mit Erfolg,
wie das Beispiel von Praxispartner thyssenkrupp Steel Europe zeigt.

                        Ü      berbetriebliche Tätigkeitswechsel zum Erhalt der
                               Arbeitsfähigkeit in regionalen Netzwerken – kurz
                         TErrA: So heißt das vom Bundesministerium für Bildung
                                                                                      Doch das Projekt TErrA verfolgt einen gänzlich neuen
                                                                                      Ansatz. Im Mittelpunkt steht die Idee, dass von Ein-
                                                                                      schränkungen gefährdete Beschäftigte ihre Tätigkeit
                         und Forschung geförderte Verbundprojekt ganz offizi-         auch überbetrieblich wechseln können: In regionalen
                         ell, das 2016 von sieben Projektpartnern initiiert wurde.    Unternehmensnetzwerken sollen zukünftig mittels
                         Kerngedanke des Projektes ist, Unternehmen mit altern-       Matching-Verfahren passende Arbeitnehmer und
                         den Belegschaften Impulse und Lösungen zu geben, wie         Arbeitgeber zusammengebracht werden und so alle
                         Menschen möglichst bis zur Rente nicht nur beschäfti-        Beteiligten profitieren. Eine Lösung, die perspektivisch
                         gungsfähig, sondern im Berufsleben bleiben können.           gerade für kleine und mittelständische Unternehmen
                         Für den praxisnahen Ansatz des Projektes bürgt die           bedeutsam werden kann, bei denen innerbetriebliche
                         Zusammensetzung der Partner: Neben dem Bundes-               Tätigkeitswechsel nicht ohne Weiteres möglich sind.
                         verband Deutscher Berufsförderungswerke, dem BFW
                         Dortmund sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz           Koordinierte Beratung
                         und Arbeitsmedizin (BAuA), dem Demographie Netz-
                         werk (ddn) und der Prospektiv GmbH sind auch zwei            Damit dieser Ansatz gelingt, benötigen Unterneh-
                         Unternehmen beteiligt: die EDG Entsorgung Dortmund           men ein koordiniertes Vorgehen – und den Blickwin-
                         GmbH und die thyssenkrupp Steel Europe. Schließlich          kel der Prävention, um potenzielle Tätigkeitswech-
                         geht es um Ergebnisse aus der Praxis für die Praxis.         sel möglichst frühzeitig zu planen. Hier kommt die
                                                                                      Kompetenz der Berufsförderungswerke ins Spiel: Als
                         Neu: Der überbetriebliche Ansatz                             Experten für Prävention und berufliche Rehabilitati-
                                                                                      on begleiten sie die Unternehmen und Beschäftig-
                         Der Bedarf an Maßnahmen zum Erhalt von Beschäf-              ten als Berater. Im Rahmen von TErrA werden dafür
                         tigungsfähigkeit ist bekannt. Präventive Gesund-             passende Matching- und Analyse-Instrumente ent-
                         heitsangebote oder auch das Betriebliche Eingliede-          wickelt. Der Bundesverband Deutscher Berufsför-
                         rungsmanagement sind in Unternehmen vielerorts               derungswerke fungiert zudem als Koordinator des
                         etabliert, um die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten.       TErrA-Projektes: Er steuert den Forschungsverbund

     TErrA: So funktioniert der Prozess                     Beratung und Begleitung                                  Win-Win-Situationen
                                                            aus einer Hand.                                          für Beschäftigte und
                                                                                                                     Unternehmen.

     Unternehmens-                 Handlungs-                  Matching von              Kompetenz- und               Überbetrieblicher
         netzwerk                    bedarf                    Tätigkeits- und            Gesundheits-                Tätigkeitswechsel
     mit Präventions-                                        Kompetenzprofilen              entwicklung
      dienstleistern
                                    Unternehmen: Erhalt der Arbeitskraft.
                                    Veränderung des Anforderungsprofils.               Lebensphasenorientierte
                                    Beschäftigte: Bedarf an gesundheitlicher           Personalpolitik: Erhalt der
                                    Vorsorge und beruflicher Entwicklungswunsch.       Beschäftigungsfähigkeit.

     Quelle: BV BFW | taetigkeitswechsel.de

 8     REHAVISION
BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

und transferiert die entwickelten Modelle in das           werden. Dazu gehört unter anderem das softwareba-
bundesweite Netzwerk der BFW. „So können wir               sierte Analyseverfahren IMBA, das bereits am Stand-
sicherstellen, dass die Ergebnisse langfristig und flä-    ort Neuwied erfolgreich eingesetzt wird: Physische
chendeckend umgesetzt werden“, erklärt Dr. Susan-          und psychische Arbeitsplatzanforderungen werden
ne Bartel, Projektleiterin beim Bundesverband.             anhand einer Skala bewertet mit dem Ziel, die Be-
                                                           lastung der Tätigkeit nachhaltig zu reduzieren. Um
     Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor: So wurde      darüber hinaus mehr Arbeitsplätze zu schaffen, die
ein Beratungsprozess entwickelt, der Unternehmen prä-      sich für einen Tätigkeitswechsel besonders gut eignen,
ventiv bei der Planung inner- und überbetrieblicher Tä-    nutzt der Stahlhersteller das Insourcing von Dienstleis-
tigkeitswechsel unterstützt. Das BFW Dortmund zeichnet     tungen im Bereich Digitalisierung und Dokumentenma-
dabei für die Beratung der Arbeitgeber verantwortlich.     nagement. Am Standort Duisburg hat thyssenkrupp
Sylvia Hahn ist eine der Beraterinnen im BFW Dort-         Steel mit Unterstützung von Fördermitteln einen neuen
mund. Sie hat viele Gespräche mit Betroffenen geführt.     Arbeitsbereich geschaffen: ein modernes Kompetenz-
Die Erfahrungen daraus sind in das Beratungskonzept        zentrum für den Rechnungsscan. Hier leisten rund 30
eingeflossen. Das zentrale Problem: Keiner weiß, wer       Fachkräfte und leistungsgewandelte Mitarbeitende
verantwortlich ist. Hahn: „Was zur Umsetzung fehlt, ist    gemeinsam wertschöpfende Arbeit – etwa beim Rech-
jeweils die aktive Unterstützung und Beteiligung des       nungsempfang oder der Digitalisierung und dem Aus-
‚anderen‘ Prozessbeteiligten.“ Genau hier setzt das        lesen von Datensätzen. Ein entscheidender Aspekt, um
Konzept an. „Die Inhalte sind stark ressourcenorientiert   leistungsgewandelte Mitarbeitende in Beschäftigung
und fördern die Auflösung des Tunnelblicks“, sagt die      zu halten, ist die enge Zusammenarbeit zwischen den
BFW-Beraterin. „Der Beratungsprozess dient dabei           Betriebsakteuren. Deshalb hat thyssenkrupp Steel Eu-
als Orientierungsrahmen für die Unterstützung von          rope einen eigenen Koordinationsbereich für Inklusion
Arbeitgebern im Netzwerk“, ergänzt Ludger Peschkes,        und berufliche Rehabilitation, der den Inklusionspro-
Geschäftsführer des BFW Dortmund. „Er holt alle Be-        zess standortübergreifend koordiniert.
teiligten da im Prozess ab, wo sie in ihrer persönlichen
Entwicklung stehen, und kann sie flankieren mit geziel-         Eine Besonderheit des Projektes schätzt Dr. Caro-
ten individuellen Maßnahmen.“                              lin Eitner besonders: Den Austausch im Rahmen der
                                                           Werkstattgespräche, die Projektpartner ddn bei betei-
Enge Kooperation mit thyssenkrupp Steel                    ligten Unternehmen veranstaltet, findet sie „immer hoch
                                                           spannend“. Denn es geht dabei stets um Best Practice –
Entscheidender Erfolgsfaktor war die enge Ko-              d. h. darum, Arbeitgebern an Hand guter Fallbeispiele
operation mit den Praxispartnern. Zu ihnen ge-             das Prinzip der Tätigkeitswechsel möglichst praxisnah
hört auch die Stahlsparte des Industrie-Konzerns           zu vermitteln. Die guten Erfahrungen sollen Kreise zie-
thyssenkrupp. Das Unternehmen steht angesichts             hen – und das langfristig in möglichst vielen Unterneh-
des demografischen Wandels selbst vor großen He-           mensnetzwerken im gesamten Bundesgebiet.
rausforderungen. Ein Großteil der Tätigkeiten in der
Stahlproduktion ist mit körperlichen Belastungen           Belange aller Akteure verknüpfen
verbunden, gleichzeitig liegt das Durchschnittsalter
der insgesamt rund 19.000 Mitarbeitenden schon             Das TErrA-Projekt endet 2019,
heute bei 45,8 Jahren. „Viele unserer Mitarbeiten-         aber seine Wirkung wird darüber
den sind zwischen 45 und 55 Jahren alt“, bestätigt         hinaus reichen, davon ist Ludger            ➝ Ausblick 2019
Dr. Carolin Eitner, Projektbeteiligte bei TErrA. „Wir      Peschkes überzeugt: „TErrA könnte           Die Ergebnisse des TErrA-Pro-
versuchen, die Produktion so altersgerecht wie mög-        der Türöffner für eine trägerüber-          jektes werden 2019 u. a. im
lich zu gestalten und Belastungen zu reduzieren,           greifende Kooperation mit Arbeit-           Zuge einer Abschlussveran-
aber dennoch gibt es Beschäftigte, die leistungsge-        gebern und Beschäftigten sein, die          staltung vorgestellt (Termine:
wandelt sind.“ Als Unternehmen hat der Stahlkon-           alle Akteure an einen Tisch holt            Seite 15). Langfristig gilt es,
zern eine lange Tradition, Mitarbeitende im Unter-         und die Tertiärprävention mit der           die erarbeiteten Instrumente
nehmen zu halten. Das spiegelt sich in der Vielzahl        Sekundär- und Primärprävention              flächendeckend zu implemen-
von Präventionsangeboten und Maßnahmen zum                 verknüpft.“ Die Berufsförderungs-           tieren: Regionale Arbeitge-
innerbetrieblichen Tätigkeitswechsel wider. „Dieses        werke nehmen dabei als Berater              ber-Netzwerke sollen gestärkt
Know-how haben wir in das Projekt eingebracht“,            zukünftig eine Schlüsselrolle ein.          und für Tätigkeitswechsel ge-
so Eitner. Für thyssenkrupp Steel wiederum ist die         Peschkes: „Durch Aufklärung und             wonnen werden.
wissenschaftliche und fachliche Expertise der Pro-         Beratung zum Thema Arbeit und
jektpartner wichtig: „Wir erhoffen uns Impulse für         Gesundheit können bedarfsge-                ➝ weitere Informationen:
Weiterentwicklungen und neue Konzepte.“                    rechte Maßnahmen mit präven-                www.taetigkeitswechsel.de
                                                           tivem Charakter durchgeführt
Innovationen und Insourcing                                werden, die Gesundheit und Er-
bei thyssenkrupp Steel                                     werbsfähigkeit möglichst frühzeitig
                                                           stabilisieren.“ Ein weiter Weg, der
thyssenkrupp selbst nutzt schon heute vielfältige          sich lohnt – für Leistungsträger,
Maßnahmen, bei denen Fachkräfte durch einen ziel-          Unternehmen und Beschäftigte
gerichteten Wechsel beruflicher Tätigkeiten gesichert      gleichermaßen.

                                                                                                                      REHAVISION         9
BFW IM WANDEL DER ZEIT - Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

Erfolgsfaktor Netzwerk
Warum Zusammenarbeit die berufliche Rehabilitation weiterbringt

Erfolgreiche Netzwerke zeichnen sich durch vier Aspekte aus: klare Ziele, starke Mitglieder, ihre Beziehungen zueinander und die
Fähigkeit, aktuelle Themen zu besetzen. Vor allem aber braucht aktives Netzwerken einen langen Atem. „Man muss dran bleiben“,
sagt Maria Klink, Geschäftsführerin des Berufsförderungswerkes Frankfurt am Main. Sie ist selbst in vielen Netzwerken aktiv und
kennt die Grundregeln gut: „Es geht um Austausch, um das Einbringen des eigenen Wissens und der eigenen Kompetenzen – und
genauso um das Nutzen von Informationen und Leistungen der Netzwerkpartner.“ Kurz: Es geht darum, Win-win-Situationen zu
schaffen. Für die Berufsförderungswerke eine der zentralen Aufgaben, um berufliche Rehabilitation zielführend weiterzuentwickeln.

                     D    ie richtigen Netzwerke zu finden oder sogar
                          selbst zu initiieren, ist einer der Schlüsselfakto-
                      ren für den Erfolg der Berufsförderungswerke in den
                                                                                setzung, um die Bedarfe von Betrieben auszuloten
                                                                                und gemeinsam Lösungen zur Fachkräftesicherung
                                                                                zu entwickeln. Eine Kooperation bietet dafür viel-
                      vergangenen Jahrzehnten. Sowohl auf Verbands-             fältige Chancen - und je langfristiger die Zusam-
                      ebene als auch in den einzelnen Regionen haben            menarbeit ausgerichtet ist, desto intensiver können
                      langjährige Partnerschaften und Kontakte zu Unter-        unternehmensspezifische Anforderungen in den
                      nehmen und Verbänden zu einem Wissenstransfer             Qualifizierungen berücksichtigt und effiziente Maß-
                      geführt, der sich in vielfältigen gemeinsamen Mo-         nahmen rund um ein demografiefestes Personalma-
                      dellprojekten und Entwicklungen niederschlägt.            nagement realisiert werden. Auf Bundesebene hat
                                                                                der Verband daher die Partnerschaften mit Unter-
                           Eine besondere Rolle kommt dabei der Koopera-        nehmen wie z. B. der Deutschen Bahn initiiert und
                      tion mit Unternehmen zu. Hier war das BFW Frank-          eine eigene Stelle für den Ausbau und die Pflege der
                      furt am Main eines der ersten, das sich aktiv in das      Netzwerke eingerichtet. Ein besonderes Format hat
                      UnternehmensForum einbrachte, einer Arbeitgeber-          der Verband darüber hinaus mit „Chefsache Inklusi-
                      initiative, die auf mehr Inklusion in der Wirtschaft      on“ entwickelt. Neben der thematischen Zielsetzung
                      zielt. Ebenso vernetzte sich Maria Klink im ddn – dem     gibt es hier auch eine klar definierte Zielgruppe:
                      Demographie Netzwerk Rhein-Main, in dem sie die           Führungskräfte und Personalverantwortliche. Auch
                      Leitung des Arbeitskreises Gesundheit übernahm.           das ein Vorteil für die Qualität des Austauschs.
                      Heute zeugen viele gemeinsame Kooperationen des
                      BFW Frankfurt mit Unternehmen zum Betrieblichen           BANG: Mit Ausbildungs­-
                      Eingliederungsmanagement oder als Qualifizierungs-        betrieben vernetzen
                      partnerschaften von der Nähe, die aus diesen Netz-
                      werkengagements resultieren.                              Ein Netzwerk aus Unternehmen und Bildungspart-
                                                                                nern ist BANG, kurz für „Berufliches Ausbildungs-
                      Strategische Partnerschaften                              Netzwerk im Gewerbebereich“. Hier haben sich
                      mit Unternehmen                                           an mehreren Regionen in Deutschland kleine und
                                                                                mittelständische Unternehmen mit Qualifizierungs-
                      „Gerade die Zusammenarbeit mit Unternehmen ist            dienstleistern zu regionalen Ausbildungsvereinen zu-
                      von besonderer Bedeutung“, erklärt Niels Reith, Ge-       sammengeschlossen, um ihren Fachkräftebedarf zu
                      schäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen           sichern. Sie wissen, dass sie beim Thema Ausbildung
                      Berufsförderungswerke. Denn sie schafft die Voraus-       neue Wege gehen müssen, weil sie Entlastung brau-

10   REHAVISION
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

chen – gerade „zu Beginn und am Ende einer Aus-             wir gemeinsam berufliche Rehabilitation gestalten
bildung“, wie es einer der Mitgliedsbetriebe sagt. Im       und unsere Expertise und Positionen gebündelt in die
BANG Nordschwarzwald ist auch das BFW Schöm-                Politik einbringen“, so Reith. Gemeinsame Veranstal-
berg vertreten, das als Bildungsträger von den be-          tungen, Stellungnahmen und auch Modellprojekte
teiligten Unternehmen damit beauftragt wurde, ihre          sind dafür wichtige Instrumente – vor allem aber ein
Auszubildenden in bestimmten Intervallen zu schulen.        wesentlicher Faktor, um das System der beruflichen
„Der Vorteil für das Berufsförderungswerk liegt auf         Rehabilitation auch weiterhin erfolgreich aufzustellen.
der Hand“, sagt Klaus Krebs, Geschäftsführer des
BFW Schömberg: „Für das BFW entstehen dadurch
wichtige Firmenkontakte, die sich darüber hinaus po-
sitiv auswirken können, z. B. bei der Suche nach ge-
eigneten Praktikums- und Arbeitsplätzen oder auf die
Vermittlungszahlen.“ Insgesamt, so Krebs, werde die
Netzwerkarbeit immer wichtiger – sowohl um mehr
Bekanntheit zu erlangen, als auch um in der Ausbil-
dung up to date zu bleiben.

NbR: Positionen stärken

Neben den Netzwerken mit Unternehmen, enga-
gieren sich die Berufsförderungswerke in Fachgre-
mien. Dabei geht es sowohl darum, den fachlichen
Austausch zu vertiefen als auch darum, die gesell-
schaftspolitischen Rahmenparameter mitzubestim-
                                                                                                                      Maria Klink (links) mit
men. Um ihren Auftrag zum Nutzen der Menschen               Netzwerke verknüpfen                                      Netwerzpartnern aus
mit gesundheitlichen Beeinträchtigen bestmöglich                                                                      Ministerien und
erfüllen zu können, sind die Berufsförderungswerke          „Netzwerke schaffen Synergieeffekte“, so Maria            Wirtschaft.
gemeinsam mit sechs weiteren Verbänden von Leis-            Klink. Aber auch wenn am Ende Unternehmen und
tungserbringern beispielsweise im „Netzwerk berufli-        Organisationen den Nutzen haben, so sind es doch
che Rehabilitation“ (NbR) aktiv. Hier sind alle Anbieter    Menschen, die Netzwerke zusammenhalten und zu
beruflicher Reha-Leistungen vernetzt, um sich mit an-       einem persönlichen Gewinn werden lassen. Nicht
deren Akteuren auszutauschen und voneinander zu             selten verknüpfen sie sogar mehrere Netzwerke
lernen. „Nur so können Aktionen effizient gesteuert         miteinander. So macht es auch die BFW-Geschäfts-
und zielgerichtet zur Verbesserung der systemischen         führerin Maria Klink vor: Bei ihren eigenen Netz-
Leistung beitragen“, erklärt Rolf Limbeck, Vorsitzender     werk-Treffen schafft sie ganz neue thematische
der Bundesarbeitsgemeinschaft Beruflicher Trainings-        Verbindungen und bringt Experten für Gesundheit,
zentren und ebenfalls Mitglied im NbR. In einem so          Arbeit, Demografie und Achtsamkeit mit Unterneh-
ausdifferenzierten System von Arbeitsmarkt, Sozial-         mensvertretern und Fachleuten aus der Sozialversi-
politik und Rehabilitation sei ohne Vernetzung kein         cherung zusammen. Davon profitieren alle – und am
Fortschritt zu initiieren, ist er überzeugt. „Hier wollen   Ende besonders die berufliche Rehabilitation.

    Best Practice
    Netzwerk-Dialog im BFW Frankfurt

    Es gibt Fragen, die werden in Wirtschaft, Politik und Ge-          die schneller werdende Arbeitswelt 4.0, ohne sie zu überfor-
    sellschaft gleichermaßen gestellt. Und sie werden in ver-          dern? Manager und Personaler aus Unternehmen, Arbeits-
    schiedenen Organisationen und Initiativen diskutiert. Um           mediziner, Vertreter aus Verbänden, Sozialversicherung und
    gemeinsam Antworten auf zentrale Fragen zu finden, lud             dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration ga-
    Maria Klink, Geschäftsführerin des BFW Frankfurt am Main,          ben ganz persönliche und offene Antworten. „Ein Dialog mit
    Führungskräfte zu einem exklusiven Netzwerk-Dialog ein.            vielen Facetten“, so die Teilnehmenden – und ein Dialog mit
    Ziel war es, Impulse zu geben, Erfahrungen auszutauschen –         Mehrwert: „Achtsamkeit mit sich und anderen ist nicht nur
    und Experten zu vernetzen.                                         ein Instrument gesunder Führung, sondern zudem ein wirk-
                                                                       samer Präventionsansatz, um Belastungen im Arbeitsleben
    Wie erhält man sich die mentale Belastbarkeit als Füh-             dauerhaft Stand zu halten“, so Maria Klink am Ende. Wie
    rungskraft, wenn die globale Wirtschaft unberechenbar              das dauerhaft gut gelingt, darüber tauscht sich das Netz-
    geworden ist? Wie nimmt man seine Mitarbeitenden mit in            werk auch in Zukunft aus.

                                                                                                                      REHAVISION         11
SCHWERPUNKT ERFOLGSFAKTOREN

Gemeinsames Modell für Niedersachsen
DRV Braunschweig-Hannover und INN-tegrativ entwickeln Integrationskonzept

Was macht eine berufliche Rehabilitation erfolgreich? „Dass sie partnerschaftlich gestaltet wird“, sagen Jan Miede, stellver-
tretender Geschäftsführer der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, und Jörg Barlsen, Geschäftsführer
der INN-tegrativ gGmbH, in der die Berufsförderungswerke (BFW) Bad Pyrmont, Goslar und Weser-Ems zusammenge-
schlossen sind. Und noch etwas gehört zum Erfolg einer beruflichen Rehabilitation – dass sie ihr Ziel auch erreicht: nämlich
die Menschen zu integrieren, die ohne diese Leistung aus dem Erwerbsleben herausfallen würden. Dazu sind Jan Miede und
Jörg Barlsen in Niedersachsen einen besonderen Weg gegangen. Im Gespräch mit REHAVISION stellen sie ihr gemeinsames
Erfolgsmodell vor: das INN-Maßnahmenpaket.

                                                                                       Miede und unterstreicht: „Schon nach einer Woche
                                                                                       haben wir Klarheit. Das ist ein ganz großer Vorteil.“
                                                                                       Damit gelingt dem Reha-Assessment eine frühzeitige
                                                                                       und schnelle Weichenstellung: Der Weg führt nur noch
                                                                                       für diejenigen in eine Umschulung, für die damit ein
                                                                                       Integrationserfolg gesichert ist. Die anderen erhalten
                                                                                       alternative Unterstützungsangebote. Die Folge: gerin-
                                                                                       gere Abbruchquoten. „Wir erwarten“, so Miede, „dass
                                                                                       im Screening und Reha-Assessment eine umfassende
                                                                                       Diagnostik und Reha-Planung erfolgt. Dabei sind bei
                                                                                       Bedarf auch Leistungsangebote anderer Anbieter ein-
                                                                                       zubeziehen.“ Das Verfahren gilt heute für das gesamte
                                                                                       INN-tegrativ-Leistungsportfolio. „Die entscheidenden
                                                                                       Faktoren sind Betriebs- und Wohnortnähe sowie eine
                                                                                       klare Integrationsorientierung“, sagt Jörg Barlsen.

                          D   as niedersächsische Modell begann mit der Fra-           Individualität wird dabei groß geschrieben: Je nach
Jan Miede (links), stv.
Geschäftsführer der           ge, welche Leistungen die Personen eigentlich            Bedarf kann auch bei einer wohnortnahen Rehabili-
DRV Braunschweig-
                          brauchen, die in einem BFW angemeldet werden.                tation auf das stationäre Angebot der BFW zurück-
Hannover und Jörg
Barlsen (rechts),
                          „Heute haben wir vor allem Menschen mit komplexen            gegriffen werden. Derzeit wird zudem in Kooperation
Geschäftsführer der       Problemlagen und multiplen Hemmnissen in unseren             mit dem Reha-Zentrum Bad Pyrmont, einer psycho-
INN-tegrativ gGmbH        Berufsförderungswerken“, erklärt Barlsen. Oft sind es        somatischen Reha-Klinik, ein Angebot entwickelt, das
                          Menschen mit psychischen Erkrankungen oder unbe-             sich aus Leistungen der medizinischen Rehabilitation
                          wältigten Lebensbrüchen. Und das hat einen ande-             und LTA zusammensetzt. „Damit versuchen wir, Per-
                          ren Ansatz zur Folge: „Im Mittelpunkt der beruflichen        sonen mit unbewältigten Lebensbrüchen und einem
                          Reha steht dann weniger ‚die richtige Qualifizierung‘        wenig arbeitsfördernden Lebensumfeld gerecht zu
                          als vielmehr ein bedarfsorientiertes Angebot zur In-         werden“, erläutert der BFW-Geschäftsführer. „Bei
                          tegration“, so Barlsen. Hier setzen die INN-Maßnah-          ihnen scheitern berufliche Reha-Maßnahmen meist
                          men an, die 2013 mit der Entwicklung eines Prototyps         nicht wegen fehlender Qualifizierung, sondern auf-
                          für ein neues Integrationskonzept, dem Integrations-         grund einer Alltagsgestaltung, in der Arbeit keinen
                          netzwerk Niedersachsen begannen – kurz INN.                  Platz hat.“ Die vernetzte Leistung soll Förderung und
                                                                                       Motivation mit einer professionell moderierten Re-
                          Erfolgsrezept Integration – die INN-Angebote                 flexion der eigenen Lebenssituation verknüpfen und
                                                                                       damit die Chancen auf eine gelingende Integrati-
                          Am Anfang jeder Reha-Leistung steht ein Screening:           on verbessern. „Der Personenkreis, auf den dieses
                          Statt des Gießkannenprinzips geht es um Zielgrup-            Angebot zugeschnitten ist, wird weiter wachsen“,
                          pengenauigkeit und die Frage: „Welches Unterstüt-            schätzt Miede die Entwicklung ein. Daher sei hier
                          zungsangebot benötigt der Versicherte und wer ist der        das Potenzial der BFW besonders gefragt.
                          geeignete Leistungserbringer?“ Dazu wird das Prüfver-
                          fahren der DRV um ein Screening im BFW ergänzt:              Erfolgsquote von 80 %
                          Innerhalb einer Woche wird geprüft, ob für die ge-
                          testete Person überhaupt Leistungen zur Teilhabe am          „80 % sollte die Integrationsquote betragen“, sagt
                          Arbeitsleben (LTA) in einem BFW infrage kommen oder          Miede und betont: „Um dieses Ziel zu erreichen, ar-
                          nicht. Sind die Leistungen der INN-tegrativ eine wirk-       beiten die Partner eng zusammen. Gelingt eine Inte-
                          same Strategie, wird in den folgenden drei Wochen            gration nicht, betreiben Reha-Träger und Leistungs-
                          im Rahmen eines Reha-Assessments geklärt, wie die            erbringer eine gemeinsame Ursachenanalyse.“ Das
                          Maßnahmen konkret aussehen können. „Ein solches              funktioniert. Und das beweist auch die Quote, die
                          zweistufiges Verfahren ist hilfreich für die DRV“, erklärt   heute nahezu in allen Maßnahmen erreicht wird.

12     REHAVISION
AUS DEN BFW

Case Management – ein Fall für das BFW
Kooperation mit Krankenkassen hilft, Arbeitsunfähigkeit zu überwinden

Schnell zurück an den Arbeitsplatz? Für Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen kann davon keine Rede sein. Laut aktueller
Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK sind sie im Schnitt 26,1 Tage krank geschrieben. Das ist nicht nur ein Prob-
lem für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber. Ein Problem, das Geld kostet – zuerst die Betriebe und danach die
Krankenkassen. Hier setzt das Case Management-Angebot der Berufsförderungswerke für Krankenkassen an, maßgeschnei-
dert für die Schnittstelle zwischen Prävention, medizinischer und beruflicher Rehabilitation.

D   ie Entwicklung ist alarmierend: In den letzten
    zehn Jahren sind die Krankschreibungen wegen
psychischer Störungen um gut 90 % gestiegen. Die
                                                                               Wie sieht die Arbeit im Case Management nun
                                                                           konkret aus? „Wir führen Gespräche mit Arbeitgebern,
                                                                           wenn klar ist, dass eine Rückkehr des erkrankten Mit-
Kosten dafür hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz                       arbeitenden nicht ohne Aufwand möglich ist“, erklärt
und Arbeitsmedizin errechnet – und da kommt eini-                          Kerstin Brandt. Dabei geht es um das Aufzeigen von
ges zusammen: Krankheitskosten von knapp 16 Mrd.                           Möglichkeiten wie einer innerbetrieblichen Umsetzung
Euro pro Jahr, Produktionsausfallkosten von 8,3 Mrd.                       oder einer Anpassungsqualifizierung. Und natürlich
Euro und Ausfall an Bruttowertschöpfung durch psy-                         geht es auch um die Frage, wie es weitergeht, wenn
chische Erkrankungen von 13,1 Mrd. Euro.                                   eine berufliche Neuorientierung notwendig wird. „Als
                                                                           BFW verfügen wir über eine große Netzwerkkompe-
Bessere Teilhabechancen für Versicherte                                    tenz“, stellt Kerstin Brandt fest. „Wir kennen die Versor-
mit psychischen Erkrankungen                                               gungsstrukturen und arbeiten eng mit Reha-Trägern
                                                                           und Integrationsfachdiensten zusammen. Kurz: Die
Das Case Management-Angebot des BFW Berlin-Bran-                           BFW-Experten sind Spezialisten für alle Fragen zur Teil-
denburg kommt da wie gerufen: „Seit 2017 bieten wir                        habe am Arbeitsleben. Das zahlt sich aus. „Wir können
ein Leistungspaket an, das Versicherte der Krankenkas-                     dazu beitragen, dass sich die Zeiten einer Arbeitsunfä-
sen dabei unterstützt, ihre Arbeitsunfähigkeit oder Ar-                    higkeit verkürzen und der Zugang zu Teilhabeleistun-
beitsplatzkonflikte zu überwinden und damit auch ihren                     gen beschleunigt wird“, so die BFW-Bereichsleiterin. Im
Arbeitsplatz zu erhalten“, berichtet Dr. Kerstin Brandt,                   BFW München hat man sogar den Nutzen ausgerech-
Bereichsleiterin RehaAssessment und Besondere Hilfen                       net: „Wenn ein Beschäftigter nur sechs Tage weniger
im BFW Berlin-Brandenburg. Im Fokus stehen dabei                           im Krankengeldbezug ist, hat sich das Case Manage-
Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen. Auch im                         ment schon gelohnt“, so Stefan Volk. Das bestätigt auch
BFW München gibt es ein Case Management-Ange-                              Frank Memmler, Geschäftsführer im BFW Sachsen-An-
bot. „Wir arbeiten für ca. zehn Krankenkassen“, sagt                       halt, das 2018 weit über 200 BEM-Fälle vor allem mit
Case Manager Stefan Volk. In den vergangenen                               Versicherten der AOK Sachsen-Anhalt betreut. Mehr
Jahren hat er über 650 Beratungen im Rahmen des                            noch: Wenn am Ende der Arbeitsplatz erhalten bleibt,
freiwilligen Mehrwertangebotes für die Versicherten                        hat das Case Management wirksam einer vorzeitigen                   Im Jahr 2017 haben
der Krankenversicherer durchgeführt. In den meisten                        Ausgliederung aus dem Arbeitsleben vorgebeugt. Ge-                  die AU-Tage aufgrund
Fällen ging es dabei um die Wiedereingliederung von                        nau das wünscht sich der Gesetzgeber. Mit dem Bun-                  psychischer Erkran-
Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Die psychi-                        desförderprogramm rehapro setzt er auf „Prävention                  kungen bei Frauen
sche Erkrankung ist dabei oft eine Begleiterscheinung                      vor Rehabilitation“ und auf ”Rehabilitation vor Rente“.             gegenüber dem Jahr
zu körperlichen Einschränkungen“, so Volk.                                 Hier könnte das Case Management Schule machen.                      1997 um 284 %
                                                                                                                                               zugenommen.

                       Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen (Indexdarstellung)
                       nach Geschlecht, in den Jahren von 1997 bis 2017         Quelle: © Statista 2018

                                400
 Indexerstellung (1997 = 100)

                                             Frauen      Männer
                                350
                                300
                                250
                                200
                                150
                                100
                                      1997        1999      2001   2003   2005        2007        2009         2011        2013         2015        2017

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