BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

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BULLETIN
                                DER
                          BUNDESREGIERUNG
                            Nr. 87-2 vom 18. Juni 2021

Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

zum 31. Jahrestag der ersten freien Volkskammerwahl
am 16. Juni 2021 als Videobotschaft:

Lieber Norbert Lammert,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

wie schon gesagt, musste im letzten Jahr die Veranstaltung zum 30. Jahrestag der
ersten freien Wahl zur Volkskammer der DDR am 18. März 1990 pandemiebedingt
leider ganz ausfallen. Deshalb freue ich mich wirklich, dass wir heute zumindest in
diesem Rahmen gemeinsam auf dieses so bedeutsame Datum in der deutschen De­
mokratiegeschichte zurückblicken können. Ich danke der Konrad-Adenauer-Stiftung
auch dafür, dass sie im Anschluss an meine Rede die Dinge noch einmal von allen
Seiten beleuchten wird.

Wir vergessen nie, dass dieser Tag ohne ein weiteres Datum der deutschen Ge­
schichte undenkbar ist, nämlich den 17. Juni 1953. Es sind heute fast auf den Tag
genau 68 Jahre vergangen, seitdem an diesem Tag aus einem Arbeitskampf ein poli­
tischer Aufstand wurde – mit Forderungen nach freien Wahlen, dem Rücktritt der SED-
Führung und der Wiedervereinigung Deutschlands. Doch 1953 lebte die Hoffnung auf
Veränderung nur wenige Stunden. Dann ließ das sowjetische Militär die Panzer rollen.
Dutzende Menschen verloren ihr Leben, viele wurden verhaftet und verurteilt. Bis zur
ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 mussten die Bürgerinnen und Bür­
ger der DDR weitere 37 Jahre warten.
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Bei seiner Antrittsrede vor dem Bundestag und Bundesrat im Jahr 1949 fasste der
erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, die Entste­
hungsgeschichte der Demokratie in Deutschland wie folgt zusammen: „Es ist […] das
geschichtliche Leid der Deutschen, dass die Demokratie von ihnen nicht erkämpft
wurde, sondern als letzte, als einzige Möglichkeit […] kam, wenn der Staat in Katastro­
phen und Kriegen zusammengebrochen war.“

Das war 1949. Theodor Heuss konnte damals nicht ahnen, dass 40 Jahre später die
Demokratie für die Ostdeutschen nicht als Geschenk in der Not kommen würde, son­
dern dass sie sie mit Mut und Entschlossenheit in einer friedlichen Revolution selbst
erkämpfen sollten. Ihre friedliche Revolution mündete nach wenigen Monaten in freien
Wahlen und fand in einer neuen Volkskammer und Regierung auch institutionell Form
und Gestalt.

Die Sehnsucht nach einer offenen und demokratischen Gesellschaft, die Sehnsucht
nach Freiheit war immer da gewesen, nicht nur in der DDR, sondern in allen Staaten
des damaligen Ostblocks. Doch sie musste nach der Niederschlagung des Aufstands
von 1953, nach dem Mauerbau 1961 und den weiteren Jahrzehnten politischer Trost­
losigkeit mit Mut und Entschlossenheit in einer friedlichen Revolution erkämpft werden.

1989 und 1990 gelang also eine Selbst-Demokratisierung. Anders als 1953 arbeitete
gleichsam nun auch die Zeit für sie, denn der Sozialismus hatte abgewirtschaftet,
buchstäblich. In dieser Lage überwanden nach Jahren des Erduldens und Schweigens
nicht mehr allein Bürgerrechtler, sondern ein großer Teil der Bevölkerung insgesamt
die Angst, ging auf die Straßen oder erteilte der DDR die Absage durch Flucht und
Ausreise. Neue Bürgerrechtsbewegungen und Parteien entstanden.

Auch die Ost-CDU öffnete sich der Erneuerung. Ein wichtiger Impuls dafür war der
sogenannte „Brief aus Weimar“, den im September 1989 kirchlich engagierte Persön­
lichkeiten wie Gottfried Müller und Christine Lieberknecht verfasst hatten. Die darin
enthaltenen Forderungen waren zwar eher moderat, stießen gleichwohl auf breite Re­
sonanz. Mit dem Berliner Parteitag im Dezember 1989, auf dem Lothar de Maizière
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als neuer Vorsitzender bestätigt wurde, bekannte sich die Ost-CDU zu Demokratie,
Sozialer Marktwirtschaft und der Einheit Deutschlands.

Im Herbst 1989 begann auch mein Weg als Politikerin. Ich wollte in einer der neuen
Parteien mitmachen. Menschlich, atmosphärisch und natürlich auch programmatisch
gefiel mir der Demokratische Aufbruch am besten. Er wollte eine möglichst schnelle
Wiederherstellung der Deutschen Einheit – das war auch mir sehr wichtig.

Zusammen mit der CDU und der DSU trat der Demokratische Aufbruch in der Allianz
für Deutschland zur Volkskammerwahl am 18. März 1990 an. Dort bekam sie ein un­
erwartet klares Mandat. Demgegenüber sahen sich jene in der Minderheit, die sich für
Zwischenlösungen, Übergangszeiten oder einen dritten Weg ausgesprochen hatten.
Die Wahlbeteiligung – Norbert Lammert hat es eben schon gesagt – lag bei sage und
schreibe über 93 Prozent – der höchsten, die bei freien Wahlen in Deutschland jemals
erreicht wurde.

So machte der 18. März 1990 den Willen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger
unmissverständlich klar: Wir waren aus freiem Willen und mit deutlicher Mehrheit zur
Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit entschlossen. Die wesentli­
chen Gründe dafür waren ebenso einfach wie überzeugend: Zum einen war es die
Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, die die Freiheit, die Demokratie und
die Menschenwürde des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt, und zum anderen das Mo­
dell der Sozialen Marktwirtschaft, das ungleich effizienter und erfolgreicher als die
Zentrale Planwirtschaft der DDR war.

Das Ziel der Einheit war also gesetzt. Doch wie sollte es erreicht werden? Wie sollte
eine Zusammenführung der beiden Staats- und Verwaltungsstrukturen, die kaum un­
terschiedlicher sein könnten, in möglichst kurzer Zeit gelingen?

Auf diese Frage überzeugende Antworten zu finden, wurde zusätzlich dadurch an­
spruchsvoll, dass viele Abgeordnete der neuen Volkskammer und Regierung erstmals
politische Verantwortung übernahmen. Sabine Bergmann-Pohl zum Beispiel gab ihren
Beruf als Ärztin auf. Die Idee, als Volkskammerpräsidentin und erste Frau im Staat
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nebenbei den einen oder anderen Tag in der Praxis absolvieren zu können, erwies
sich schnell als illusorisch. Oder Paul Krüger, der bei einem Gespräch mit Journalisten
nebenbei von einer Parteifreundin für die Kandidatur vorgeschlagen wurde. Oder Ka­
tharina Landgraf, die sich entschlossen hatte, anstelle ihres Manns zu kandidieren, der
als LPG-Vorsitzender arbeiten wollte. Viele, viele andere schlugen plötzlich einen völlig
neuen Weg in ihrem Leben ein.

Umso bemerkenswerter war es, was die neue Volkskammer leistete. In den sechs
Monaten ihres Bestehens verabschiedete sie 164 Gesetze sowie 93 Beschlüsse. Dass
die neu gewählten Volkskammerabgeordneten nicht nur quantitativ, sondern auch in­
haltlich besondere Zeichen setzten, zeigte sich gleich in ihrer zweiten Sitzung, als sie
sich in einer gemeinsamen Erklärung zur Mitverantwortung auch Ostdeutschlands für
das unermessliche Leid bekannten, das Deutschland während des Nationalsozialis­
mus über Europa und die Welt gebracht hatte. Diese Verantwortung hatte die DDR
jahrzehntelang verdrängt oder von sich gewiesen. Kommunisten wurden als Opfer und
zugleich als Sieger der Geschichte angesehen, die Täter dagegen im Westen verortet.

Auch der Antisemitismus war für die SED-Führung allenfalls eine Frage, die der Ver­
gangenheit oder dem Westen angehörte. Das stellten die Volkskammerabgeordneten
ebenfalls richtig, indem sie mit ihrer Erklärung um Verzeihung baten „für Heuchelei und
Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik gegenüber dem Staat Israel und für die Ver­
folgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem Lande.“

Ohne Zweifel hatte die Staatsideologie der DDR vielen Ostdeutschen einen offenen
und kritischen Zugang zur deutschen Geschichte erschwert. Die Erklärung der Volks­
kammer war deshalb ein wichtiger Schritt, dies zu ändern. Denn für Deutschland sind
die Erinnerung an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte und die immerwährende
Verantwortung dafür Teil der nationalen Identität.

Identitätsstiftend ist auch unsere föderale Verfassung. Dass es regionale Traditionen
und Identitäten gab und gibt, konnten auch die Gleichheitsideologie und der starre
Zentralismus in der DDR nicht aus der Welt schaffen. Die Wiederherstellung des Fö­
deralismus begann im Osten Deutschlands mit dem Gesetz zur Selbstverwaltung der
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Gemeinden und Landkreise im Mai 1990. Es war die CDU/DA-Fraktion, die das in ganz
besonderer Weise wollte und auch voranbrachte. Das wurde zur Arbeitsgrundlage für
die kommunalen Parlamente. Tausende Menschen, die zuvor noch nie politische Ver­
antwortung übernommen hatten, konnten sich seitdem in der kommunalen Selbstver­
waltung engagieren. Der zweite Schritt war das im Juli 1990 verabschiedete Län­
dereinführungsgesetz, das die 1952 abgeschafften Länder wiederherstellte.

Aber es bedurfte natürlich weiterer Gesetze, um auch die rechtlichen Voraussetzungen
für die Deutsche Einheit zu schaffen. Und das gelang mit den drei großen Staatsver­
trägen: dem Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozial­
union, dem Einigungsvertrag und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag. Ihre Erarbeitung und
Verabschiedung in kürzester Zeit waren eine unglaubliche Leistung. Gewiss, im Rück­
blick ist es leicht zu kritisieren, dass die Verträge vielleicht nicht an allen Stellen ganz
perfekt waren, aber es steht außer Zweifel, dass sie das denkbar Beste waren, das
damals, in der Kürze der Zeit zumal, geleistet werden konnte.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch an die Sitzung der Volkskammer am 17.
Juni 1990 erinnern, und zwar besonders an drei bemerkenswerte Tagesordnungs­
punkte.

Erstens: Es wurde unter anderem darüber debattiert, wie mit der damals noch gültigen
DDR-Verfassung umzugehen sei. Die Volkskammer verabschiedete mit knapper Zwei­
drittelmehrheit ein Verfassungsgrundsätzegesetz. Es bestand aus nur wenigen Arti­
keln, die es gleichwohl in sich hatten, denn sie setzten die sozialistischen Elemente
der alten Verfassung der DDR außer Kraft, die der Herstellung der Einheit im Wege
gestanden hatten.

Zweitens: Die Volkskammer verabschiedete in der Sitzung am 17. Juni 1990 auch das
Treuhandgesetz. Doch damit war die Frage, wie mit dem sogenannten Volksvermögen
der DDR umzugehen sei, noch keineswegs abschließend geklärt. Vielmehr lagen da­
mals verschiedene Alternativen zur Neuausrichtung der Treuhandanstalt auf Privati­
sierung und Wettbewerbsfähigkeit auf dem Tisch.
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So verfolgte bis zur Volkskammerwahl die Regierung Modrow die Idee einer Sanierung
unter staatlicher Regie. Diese Aufgabe sollte ehemaligen Mitarbeitern der DDR-Mini­
sterien für Industrie und Wirtschaft übertragen werden. Es darf, um es zurückhaltend
zu sagen, bezweifelt werden, dass sie über das hierfür notwendige markt- und be­
triebswirtschaftliche Know-how verfügten. Eine andere Idee war, Anteilsscheine am
Volksvermögen auszugeben. Hierzu gab es allerdings schon damals erhebliche Be­
denken. Gleichwohl bestand die SPD darauf, eine Option auf Anteilsscheine ins Treu­
handgesetz aufzunehmen. Demnach sollte nach Sanierung der Wirtschaft das Volks­
vermögen an die Ostdeutschen verteilt werden. Dass es aber gar kein Volksvermögen
zu verteilen gab, machte spätestens die 1992 vorgelegte Eröffnungsbilanz der Treu­
handanstalt klar. Hier wurde mit einem Defizit von 250 Milliarden Euro gerechnet.
Heute wissen wir, dass alle praktizierten Modelle der sogenannten Coupon-Privatisie­
rung in anderen postsozialistischen Ländern nicht sonderlich erfolgreich waren.

So war also der Start in die Demokratie und die Soziale Marktwirtschaft auch durch die
Behauptung und den Trugschluss belastet, Volksvermögen verteilen zu können, das
es in Wahrheit gar nicht gab. Nur ein Beispiel dafür, wie künstlich genährte Erwartung
schließlich Enttäuschung nach sich zieht.

Und schließlich drittens: Auf der Sitzung am 17. Juni 1990 hatte die DSU-Fraktion ei­
nen Antrag über den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes ge­
stellt. So weit so gut. Doch das eigentlich Spannende dieses Antrags war, dass der
Beitritt „mit dem heutigen Tag“ erfolgen sollte; eine Illusion, wenn man den Beitritt halb­
wegs geordnet gestalten wollte. Der Antrag wurde dann auch mit großer Mehrheit ab­
gelehnt. Denn es hatte – wie Lothar de Maizière schon in seiner Regierungserklärung
am 19. April 1990 dargelegt hatte – nicht allein, um Tempo zu gehen, sondern auch
um Qualität.

Wie wichtig diese Haltung war, zeigte sich nicht zuletzt am Umgang mit den Stasi-
Unterlagen. Die gesammelten Informationen der SED-Diktatur als Ausweis staatlicher
Bespitzelung, Unterdrückung und Willkür sollten und durften nicht einfach unter Ver­
schluss gehalten oder gar vernichtet werden. Mit dem entsprechenden Gesetz der
Volkskammer – und einer Zusatzklausel im Einigungsvertrag – war der Weg zum Stasi-
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Unterlagen-Gesetz vorgezeichnet, das später vom gesamtdeutschen Bundestag ver­
abschiedet wurde.

Wir alle damals – ich war stellvertretende Regierungssprecherin der Regierung von
Lothar de Maizière – haben die gut sechs Monate seit der Volkskammerwahl wie eine
Art Ausnahmezustand erlebt. Am 2. Oktober war unsere Mission dann erfüllt und die
offiziellen Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit konnten beginnen. Ich durfte am Fest­
akt im Berliner Schauspielhaus teilnehmen. Ich glaube, wir alle waren ein wenig stolz
auf das, was seit dem 18. März 1990 erreicht wurde.

Doch trotz aller Freude über das Erreichte und trotz aller Vorfreude auf die Einheit
sagten wir uns auch: Das also wars. Sich selbst innerhalb von sechs Monaten gleich­
sam neu zu erfinden, um sich wieder abzuschaffen, ohne genau zu wissen, wie es für
den Einzelnen weitergehen sollte – das war etwas, das vermutlich niemanden von uns
kalt ließ, der sich in die Arbeit der letzten DDR-Regierung und der Volkskammer ein­
gebracht hatte. Mich jedenfalls berührte dieser Moment sehr.

Seit dem ersten Tag der Deutschen Einheit ist unfassbar viel geschehen. Deutschland
ist mehr und mehr zusammengewachsen. Der Transformationsprozess war schwierig
und langwierig; und doch ging er mit so vielen neuen Chancen einher. Auch die große
Mehrheit der Ostdeutschen ist heute mit ihrem persönlichen Leben und mit unserer
Demokratie zufrieden.

Ein abgeschlossener Prozess aber ist die Demokratie selbstverständlich nie. Sie muss
stets geschützt und verteidigt werden. Auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bür­
ger in die Stärke und die Kraft der demokratischen Ordnung wird nur bestehen können,
wenn sie sich bei allen fundamentalen Fragen unserer Zeit als handlungs- und lö­
sungsfähig erweist. Denken wir an die Bewahrung von Wohlstand und sozialer Sicher­
heit oder jetzt gerade an die Bewältigung der Coronapandemie und des Klimawandels.

Unsere Demokratie lebt ganz wesentlich von der Bereitschaft der Bürgerinnen und
Bürger, Verantwortung für unser Gemeinwesen zu übernehmen. Nur eine Gesell­
schaft, in der viele und nicht nur Einzelne Verantwortung übernehmen, kann auf Dauer
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eine freie, eine menschliche Gesellschaft sein, die auch berechtigte Anliegen von Min­
derheiten berücksichtigen kann.

1989 wollten und konnten sich in der DDR immer mehr Menschen nicht mehr damit
abfinden, was ihnen ihr Staat vorgab und ihnen tagein, tagaus zumutete. Sie wurden
von duldenden Menschen zu aktiven Bürgerinnen und Bürgern. Die Erinnerung an
diese Selbst-Demokratisierung kann uns auch heute eine große Ermutigung sein.
Denn Demokratie lebt von Bürgerinnen und Bürgern, die sich zu ihr bekennen, die die
Meinungen anderer gelten lassen, die die verschiedenen Interessen im Sinne des Ge­
meinwohls friedlich zum Ausgleich bringen – und die all das tun, weil sie bereit und
fähig zum Kompromiss sind, weil sie Freiheit immer mit Verantwortung zusammenden­
ken.

Es ist diese Bereitschaft und Fähigkeit zum Kompromiss, die eine, wenn nicht die zent­
rale staatspolitische Lehre aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts ist. Denn sie
macht es möglich, die Welt immer auch mit den Augen des anderen zu sehen, also die
Würde des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen oder sie wie in unserem
wunderbaren Grundgesetz ganz an den Anfang als Artikel 1 zu setzen, der alles staat­
liche Handeln leitet. Möge dies unserem Land auch in Zukunft beschieden sein.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen jetzt sehr gute, interes­
sante Diskussionen, Erinnerungen, Beispiele und vieles andere mehr. Ich danke der
Konrad-Adenauer-Stiftung dafür, dass sie auf diese Veranstaltung bestanden hat. Sie
ist unbedingt notwendig.

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