BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG - BULLETIN DER ...

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BULLETIN
                               DER
                         BUNDESREGIERUNG
                            Nr. 38-1 vom 17. März 2021

Rede von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier

bei der Eröffnung des digitalen FAZ-Kongresses „Zwischen den Zeilen“
am 12. März als Videobotschaft:

Es hätte so schön sein können. Lieber Herr Kohler, lieber Herr Müller, als mich Ihre
Einladung zu diesem Leserkongress erreichte, da hätten die Herausgeber der FAZ, da
hätten wir alle uns für heute – Mitte März 2021 – eine andere Wirklichkeit erträumt.
Dass wir uns persönlich begegnen würden, und nicht nur digital. Dass wir Rückschau
halten würden auf eine bis dahin halbwegs überstandene Pandemie – und dass wir
voller Zuversicht vorausblicken auf ein Jahr des Neuanfangs, ein Jahr geprägt von
Wahlen, von politischem Aufbruch und wirtschaftlicher Erholung.

Ein wunderbarer Traum – doch das Aufwachen tut weh. Die Pandemie hat unser Land
seit Monaten wieder fest im Griff. Seit November haben wir dramatisch wachsende
Infektionszahlen erlebt – und vor allem erschütternd viele Todesfälle.

Nach erneut viereinhalb Monaten Lockdown schien die Welle gerade gebrochen. Und
erfreulicherweise sank die Zahl der Todesfälle weiter, aber die Entwicklung der Neu­
infektionen geht wieder deutlich nach oben. Ein Widerspruch, der diese ungewissen
Wochen prägt.

Gewiss ist hingegen eins: Die Ungeduld ist riesengroß und die Unzufriedenheit greif­
bar. Der Lockdown zehrt an den Nerven. Nach einem harten Winter sind die Menschen
der eigenen vier Wände überdrüssig. Wir wollen wieder unter Freunden und Kollegen
sein, unbesorgt zur Arbeit gehen, in die Schulen und Universitäten. Wir wollen, dass
die Restaurants, Geschäfte, Theater und Kinos wieder öffnen. Und auch ein Gespräch
ohne Maske wäre eine Wohltat.
Bulletin Nr. 38-1 vom 17. März 2021 / Bpräs. – zur Eröffnung des FAZ-Kongresses, Videobotschaft

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Doch solange das Virus und seine Mutationen die Situation beherrschen, hält uns die
Ungewissheit gefangen. Und je länger sie anhält, desto verzagter wird der Blick in die
Zukunft. Wie wird die Normalität aussehen, in die wir zurückkehren wollen? Was wird
geblieben sein von dem, was einmal war? Und was erwarten wir uns von einer neuen
Normalität?

In einer solchen Mischung aus Ungeduld und Ungewissheit ist Kritik unvermeidbar –
aber auch unüberhörbar geworden: zu wenige Schnelltests, zu wenig Impfstoff. Zu
spät bestellt, zu sparsam kalkuliert, sagen die einen, zu teuer eingekauft, sagen die
anderen. Die Verteilung: mal ungerecht, mal schlecht organisiert. Der Staat: zu lang­
sam, die Verwaltung: veraltet, digitale Lösungen: verstolpert. So oder so ähnlich lautet
die Kritik.

Nach den Erfahrungen der letzten Monate müssen wir einsehen, dass unser Staat für
eine solche Krise nicht überall ausreichend gerüstet war. Wir haben Krankenhäuser,
Gesundheitsämter und andere Einrichtungen kosteneffizient ausgestattet, aber nicht
mit einem Bewusstsein für die Gefahren einer kollektiven Krise vom Ausmaß der
Coronapandemie.

Zum Verdruss über große und kleine Versäumnisse tritt nun – ganz aktuell – die Em­
pörung über jedenfalls zwei Abgeordnete des Bundestages, die sich in der Krise an
der Krise persönlich bereichert haben. Und ich teile diese Empörung.

Man muss sich das vorstellen: Da nehmen Millionen von Menschen Einschränkungen
hin, verlieren Einkommen, verzichten auf den Besuch bei Eltern oder Enkeln, auf Tref­
fen selbst im engsten Freundeskreis, ängstigen sich monatelang um die Gesundheit
und das Leben ihrer Liebsten – und müssen dann hören, dass ausgerechnet Abgeord­
nete die Hand aufhielten; bevor der bescheidene medizinische Schutz in Gestalt von
Gesichtsmasken die Menschen überhaupt erreichte.

Das ist schäbig und das ist schändlich! Unterschätzen wir nicht, was da angerichtet
wurde: Es geht um sehr viel mehr als individuelles Fehlverhalten. Es geht nicht nur um
das Vertrauen in die Integrität Einzelner – es geht um das Vertrauen in die Integrität
des Staates und seiner Institutionen.
Bulletin Nr. 38-1 vom 17. März 2021 / Bpräs. – zur Eröffnung des FAZ-Kongresses, Videobotschaft

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Deshalb verdienen die bekannt gewordenen Fälle persönlicher Bereicherung nicht nur
Empörung – sie sind Gift für die Demokratie. Es ist nicht meine Aufgabe, eine rechtli­
che Bewertung vorzunehmen. Aber es ist meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, dass
es hier nicht nur um rechtliche Fragen geht. Wer sein Mandat gezielt ausnutzt, um sich
persönlich zu bereichern, der beschädigt nicht nur andere, die redlich ihre demokrati­
sche Arbeit tun. Der fügt der Demokratie Schaden zu! Ich bin da mit dem Bundestags­
präsidenten Schäuble völlig einer Meinung: Wer so handelt, hat schlicht im Bundestag
nichts verloren. Um der Demokratie willen bitte ich alle, alle im Parlament vertretenen
Parteien, nicht nur schnell, sondern vor allem belastbar zu klären, ob weitere Fälle zu
befürchten sind. Das ist dringlicher denn je!

Also, es gibt Unzufriedenheit, und es gibt Grund dafür. Aber die Frage ist: Was machen
wir mit dem Verdruss? Fehler zu benennen, ist wichtig. Noch wichtiger ist es, sie zu
korrigieren. Dazu gehören auch Korrekturen an unserem Selbstbild. Haben wir wirklich
zu Recht erwartet, aus dieser globalen Jahrhundertprüfung fast automatisch als Jahr­
gangsbester hervorzugehen?

Wenn ich erinnern darf: Es ist kaum mehr als sechs Monate her, da haben wir – mög­
licherweise auch andere, aber vor allem wir selbst – uns schon mit Genugtuung als
„Pandemieweltmeister“ gesehen. Es fehlte in der Politik, auch in den Medien nicht an
Hochmut, mit dem man auf verzweifelte Bemühungen anderer Länder herabgeschaut
hat.

Ein gutes halbes Jahr später das glatte Gegenteil: „rote Laterne“, „Dilettantenstadl“,
„Bananenrepublik“, „Staatsversagen“ lese und höre ich nahezu täglich. Wo eben noch
Hochmut war, herrscht heute Kleinmut.

Muss es in Deutschland eigentlich immer der Superlativ sein – im Guten wie im
Schlechten? Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt? Gibt es eigentlich auch was
dazwischen?

Ich persönlich finde: Es ist schlicht zu früh, um Bilanz zu ziehen. Und ein Überbie­
tungswettbewerb in Schwarzmalerei hilft jetzt niemandem weiter. Wir verschwenden
viel zu viel Energie mit der Suche nach dem Schuldigen des Tages, mit Schwarze-
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Peter-Spielen, mit Impfneid auf der einen Seite oder Impfverweigerung auf der ande­
ren. Wir rauben uns den Blick nach vorn.

Natürlich muss es gerecht zugehen beim Impfen. Natürlich müssen die vulnerablen
Gruppen zuerst geimpft werden. In den Wochen des Impfstoffmangels im Januar und
Februar war das zwingend. Aber unser Ehrgeiz, alles zur Perfektion zu treiben – ge­
paart mit der Ängstlichkeit vorm Experimentieren – steht uns häufig genug im Weg.
Wir wollen es besonders gut machen; sichern jede Maßnahme mit unzähligen Regeln
ab – mit der Folge, dass jede notwendige Abweichung – gut begründete Abweichung
– von der Regel als „Hochverrat“ verschrien wird. Wir denken nicht britisch, nicht ame­
rikanisch, nicht israelisch – und darüber sollten wir uns nicht grämen. Aber etwas mehr
Pragmatismus täte uns gut. Erst recht, wenn in den kommenden Wochen deutlich
mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Nicht noch mehr Sondersendungen und Talk­
shows helfen jetzt, sondern mehr testen, schneller impfen – mit allen Mitteln, die wir
haben. Das ist das Gebot der Stunde!

Allerdings sollten wir uns vor einer Illusion hüten: Mehr Zufriedenheit wird sich nicht
sofort einstellen. Pragmatismus heißt zwar nicht Verzicht auf Regeln, braucht aber
Spielraum. Mehr Pragmatismus erhöht die Entscheidungsgeschwindigkeit, bedeutet
im Zweifel aber auch mehr Unschärfen, unterschiedliche Lösungen für dasselbe Prob­
lem und Widersprüche im System. Und die können von den Noch-Nicht-Geimpften
genauso als Ungerechtigkeit empfunden werden wie manche der heute geltenden
strikten Regeln als ungerecht empfunden werden. Es bleibt also anstrengend. Gerade
deshalb finde ich: Weniger querdenken – mehr geradeaus laufen. Das täte uns jetzt
gut!

Wir müssen anerkennen: Manches ist hierzulande gut gelungen, manches ist andern­
orts erfolgreicher gemacht worden. Also: Wer macht was besser und was können wir
uns davon abschauen? Es gibt einfach viel zu lernen in dieser Pandemie. Und das von
allen.

Zuallererst: Wir brauchen Zusammenarbeit – regional, national, europäisch und global.
Das ist eine ganz entscheidende Lektion. Wir müssen in dieser Krise nicht gegenei­
nander – nicht Land gegen Land, Land gegen Bund, Bund gegen Europa –, sondern
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wir müssen den Kampf gegen das Virus gemeinsam bestehen. Die Pandemie ist erst
vorbei, wenn sie überall vorbei ist.

Das gilt im Kleinen wie im Großen. Wir stehen im Wettbewerb, und das ist gut, weil
Wettbewerb Innovationen hervorbringt, wie zum Beispiel neue Impfstoffe. Aber wir sind
als Individuen, als Gesellschaft und als Nation – wir sind auch auf andere angewiesen.

Wir haben in diesem Pandemiejahr ja erfahren: Es gibt Berufsgruppen, über die reden
wir selten, aber die sind für das Überleben einer Gesellschaft entscheidend. Wir müs­
sen bereit sein, diese Berufe wirklich aufzuwerten – und das heißt mehr als freundli­
cher Applaus von den Balkonen.

Die Pandemie hat uns gelehrt: Der Schutz des anderen ist auch unser eigener. Es
reicht nicht, sich nur selbst gegen das Virus zu schützen, wir müssen uns darauf ver­
lassen können, dass auch die anderen dasselbe tun. Wir sind verletzlich – als Gemein­
schaft und als Individuen. Diese Erfahrung der Pandemie mag heilsam sein, aber sie
ist auch eine Kränkung unseres Individualismus, der jahrzehntelang scheinbar unge­
stört blühen konnte. Nun müssen wir einsehen, jetzt in der Krise müssen wir einsehen:
Die Idee, dass wir völlig frei über uns selbst und unser Leben bestimmen könnten, ist
trügerisch. Wir sind angewiesen auf andere Menschen, auf ein funktionierendes Ge­
meinwesen, einen handlungsfähigen Staat, auch auf eine internationale Gemein­
schaft, die in der Lage ist, Absprachen zu treffen und einander zu helfen. Deshalb ist
es ein ermutigendes Zeichen, dass die USA unter neuer Führung den Austritt aus der
Weltgesundheitsorganisation wieder zurückgenommen haben und sie gerade jetzt
massiv finanziell unterstützen.

Es ist keine kluge Idee, aus der Bewältigung einer Pandemie einen Wettlauf zu ma­
chen. Es reicht nicht aus, in einem Land möglichst schnell möglichst viele Menschen
zu impfen, während das Coronavirus andernorts Mutationen bildet und eine neue
Runde der Pandemie auslöst. Aber genau das passiert, wenn wir uns nicht um einen
weltweiten Zugang zu Impfstoffen tatsächlich bemühen.

Die scharfe Krisenlage etwa in Tschechien, der Mangel an Impfstoffen auf dem West­
balkan, die Nachrichten aus unserer Nachbarschaft dürfen uns nicht gleichgültig las­
sen. Ich habe manche kritische Zuschrift bekommen, als ich mit dem Generaldirektor
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der Weltgesundheitsorganisation für die Unterstützung der internationalen Covax-Ini­
tiative geworben habe. Einige haben mir geschrieben, ich solle mich als Bundespräsi­
dent gefälligst um die Interessen der Deutschen kümmern. Es sei jetzt nicht die Zeit
für Solidaritätsbekundungen. Nun gut: Wem Solidarität zu betulich klingt, der mag es
„wohlverstandenes Eigeninteresse“ nennen. Klar ist doch, wir brauchen den Zugang
zu Impfstoffen auch in diesen Ländern. Wenn nicht, werden gerade wir reisefreudigen
Deutschen die Infektion immer wieder ins eigene Land zurücktragen.

Auch wenn die Erfahrung nicht ganz neu ist: Es wird uns selbst nicht gut gehen, wenn
es unseren Nachbarn schlecht geht. Und deshalb hat unser Handeln in dieser Krise
eben nicht nur Auswirkungen auf unsere Gesellschaft oder auf unsere Wirtschaft.
Nein, die Pandemie ist auch ein geopolitischer Moment – ein Moment, den andere
Mächte kühl kalkulierend für sich nutzen. Uns sollte klar sein: Unser Handeln gegen­
über unseren Nachbarn heute wird die Welt mitprägen, die eine neue Bundesregierung
im Herbst vorfinden wird. Als Macht in der Mitte Europas sollten wir nicht verlernen,
auch mit den Augen unserer Nachbarn auf uns selbst zu schauen.

Vor einem Jahr, zu Beginn der Pandemie, habe ich die etwas forsche Vorhersage ge­
wagt: Wir werden das Virus besiegen. Ich würde diesen Satz heute vorsichtiger formu­
lieren: Die Pandemie werden wir überwinden, ja. Aber wir werden für eine längere Zeit
lernen müssen, mit dem Virus zu leben.

Der Kampf gegen das Virus ist ein Marathonlauf. Vielleicht hätten wir schon mehr Stre­
cke machen können. Aber wir sollten auch bitte nicht so tun, als stolperten wir noch in
der Startzone herum. Vielleicht sind uns andere ein Stück voraus – aber am Ziel ist
keiner! Und tatsächlich haben wir Fortschritte gemacht. Behandlungen sind besser und
Medikamente, die Krankheitsverläufe abmildern, gefunden worden – vor allem aber
gibt es Impfstoffe!

Wer hätte – ehrlich gefragt – letzten Sommer gedacht, dass wir heute nicht nur einen,
sondern gleich mehrere, auf unterschiedliche Weise einsetzbare und anpassungsfä­
hige Impfstoffe zur Verfügung hätten! Dass Forscher aus Deutschland am Impfstoff­
wunder ganz entscheidend mitgewirkt haben, darf uns doch auch ein bisschen stolz
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machen. Ich jedenfalls freue mich darauf, zwei von ihnen heute in einer Woche mit
dem Verdienstorden unseres Landes auszuzeichnen.

Und dennoch: Hundertprozentige Garantien kann es nicht geben, egal welche Maß­
nahmen wir zum Schutz vor Infektionen einsetzen. Und wir müssen mit der Enttäu­
schung leben, dass auch „die Wissenschaft“ keine absolute Wahrheit kennt. Im Ge­
genteil: Der Wesenskern der Wissenschaft bleibt das Fragen, das Zweifeln und Ver­
werfen, und das Neue suchen. Niemand sollte das bedauern. Denn nur so entsteht
Erkenntnisfortschritt und das heißt, wir müssen weiter mit Ungewissheit und auch mit
unterschiedlichen wissenschaftlichen Bewertungen leben. Wer das Gegenteil behaup­
tet, verkürzt und instrumentalisiert wissenschaftliche Erkenntnis und beschädigt am
Ende das Vertrauen in beide, in die Wissenschaft und in die Politik. Für endgültige
Wahrheiten sind andere Instanzen als die weltlichen zuständig.

Natürlich braucht Politik Fachkenntnis und Beratung, um entscheiden zu können. Aber
sie kann ihr Handeln nicht allein auf wissenschaftliche Expertise allein stützen. Und
sie darf sich schon gar nicht hinter ihr verstecken! „Die Zahlen mögen sein, wie sie
wollen. Sie geben nie wie ein Naturgesetz vor, was zu tun ist.“ So schreibt Caspar
Hirschi in seinem klugen Text diese Woche in Ihrer Zeitung. Politik muss abwägen,
widerstreitende Interessen berücksichtigen. Sie muss Freiheitsrechte ebenso schüt­
zen wie die Gesundheit der Bevölkerung und die Existenz von Unternehmen und Ar­
beitsplätzen. Dies zu tun, bedeutet Entscheidungen zu treffen, Risiken einzugehen,
sich auch zu korrigieren und vor allem zu lernen – aus der eigenen Erfahrung und aus
der Erfahrung anderer.

Und diese Lernfähigkeit muss die Politik auch der eigenen Bevölkerung zutrauen. Ja,
der Staat muss sich schützend und fördernd vor das Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit seiner Bürgerinnen und Bürger stellen, aber er kann beides nicht allein
durch Verbote und Kontrolle garantieren.

Ob der gemeinsame Kraftakt gelingt, ob Regeln akzeptiert und befolgt werden, ist nicht
nur eine Frage von Klarheit und Strenge der Regeln. Es ist auch eine Frage des Ver­
trauens. Und Vertrauen ist eine Ressource, die so knapp ist wie der Impfstoff – und
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die nicht einmal eingefroren werden kann. Das Überwinden jeder Krise ruht auf jener
sehr fragilen Übereinkunft: „Du, Staat, tust Deinen Teil und ich, Bürger, tue meinen.“

Staat und Bürger müssen einander vertrauen können und im Vertrauen aufeinander
handeln. Denn Vertrauen, Vertrauen in einer Demokratie heißt letztlich: Selbst – Ver­
trauen. Ich bin überzeugt: Wir in Deutschland haben allen Grund dafür!

Zwar gleicht diese Pandemie keiner Krise, die wir kennen. Aber jede Krise der vergan­
genen Jahrzehnte haben wir in Deutschland gemeistert. Gemeistert, gerade weil un­
sere Demokratie sich immer wieder als lernfähig erwiesen hat. Gerade weil die Demo­
kratie die einzige Staatsform ist, in der Kritik und Selbstkorrektur mit eingebaut sind,
ist sie, davon bin ich überzeugt, am Ende stärker als jede autoritäre Alternative. Das
gilt es, in der Pandemie neu zu beweisen. Deshalb: Es ist jetzt nicht die Zeit für Resig­
nation und Selbstmitleid. Nicht alles, aber vieles ist doch gelungen. Wo es hakt, kön­
nen wir besser und schneller werden.

Unsere Stärken sind kein Grund für Hochmut. Unsere Fehler aber auch kein Grund für
Kleinmut, sondern Mut braucht es, guten Mut! Deshalb bitte ich uns: Deutschland, wirf
jetzt nicht das Handtuch! Im Gegenteil: Hol‘ raus, was in Dir steckt!

Es gibt eine Zukunft nach der Pandemie, und die braucht unsere Ideen und unsere
ganze Kraft – gerade jetzt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Kon­
ferenz.

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