Bundestagswahl 2021: Wahlpro-gramme im Krankenhaus-Check

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Bundestagswahl 2021: Wahlpro-gramme im Krankenhaus-Check
Politik

Jan Eilrich, Sabrina Krause

Bundestagswahl 2021: Wahlpro-
gramme im Krankenhaus-Check
Perspektiven der Parteien für die zukünftige stationäre Versorgung
Mit dem Ausbruch der Coronapandemie drehte sich der öffent-          rung der Geburtsmedizin und die Neustrukturierung der Finan-
liche und politische Diskurs plötzlich noch stärker und mit grö-     zierung der Kinder- und Jugendmedizin. Die Linke geht dabei
ßerer Intensität um die Leistungsfähigkeit des deutschen Ge-         noch einen Schritt weiter und fordert die Abschaffung der Fall-
sundheitswesens. Nach mittlerweile eineinhalb Jahren, in de-         pauschalen und eine vollständige Finanzierung der Kranken-
nen die Folgen der Coronapandemie insbesondere die statio-           hausbetriebskosten durch die Krankenkassen. Damit einher
näre Versorgung zeitweise vor erhebliche Herausforderungen           geht die Vorstellung, dass Gewinne aus dem Betrieb von Kran-
gestellt hat, lässt sich feststellen, dass die deutschen Kranken-    kenhäusern nicht entnommen werden dürfen, sondern voll-
häuser einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, dass         ständig im Betrieb verbleiben müssen. Auch die SPD formuliert
Deutschland im internationalen Vergleich erfolgreich im Kampf        die Absicht, dass Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemein-
gegen die Pandemie war und ist. Einige gesundheitspolitische         schaft erwirtschaftet werden, weitestgehend wieder in das Ge-
Reformen in der 19. Legislaturperiode konnten jedoch, bedingt        sundheitssystem zurückfließen sollen. Bündnis 90/Die Grünen
durch die Pandemie, nicht abgeschlossen werden. Vor diesem           sprechen sich für eine Reform der Krankenhausfinanzierung
Hintergrund ist zu erwarten, dass auch die neu gewählte Bun-         mit einem stärkeren Strukturfinanzierungsanteil aus. Perspek­
desregierung in der kommenden Legislaturperiode der Gesund-          tivisch soll es eine gemeinsame Abrechnungssystematik von
heitspolitik eine hohe Bedeutung beimessen wird.                     ambulanten und stationären Leistungen geben. Die FDP setzt
Strukturreform, Digitalisierung, Pflegepersonal: Mit welchen         ihren Schwerpunkt auf ein qualitätsorientiertes Vergütungs­
                                                                     ­
krankenhausbezogenen, gesundheitspolitischen Positio­nen ge-         system. Zusätzlich sollen Fehlanreize für eine Überversorgung
hen die Parteien in die Bundestagswahl? Der Beitrag beleuchtet       vermieden werden. Die AfD sieht die Finanzierung der Kran-
die Wahlprogramme der aktuell im Bundestag vertretenen Par-          kenhäuser perspektivisch über ein Individualbudget vor, bei
teien und stellt ihre Vorhaben vor.                                  dem das klinische Leistungsgeschehen, die Prüfungsergebnisse
                                                                     eines neuen Medizinischen Dienstes im Gesundheitswesen, der
Krankenhausstrukturreform                                            Bedarf in der Bevölkerung sowie die wirtschaftliche Leistungs-
Eine Strukturreform der Krankenhauslandschaft wurde schon            fähigkeit des Krankenhauses herangezogen werden.
in der aktuellen Legislaturperiode intensiv diskutiert. Seit jeher   Die Vorstellungen einer bedarfsgerechten Grundfinanzierung,
streiten aber Gesundheitsexperten über die Ziele und Wege zur        eines Strukturfinanzierungsanteils sowie der Krankenhausbud-
Umsetzung. Auch die großen Parteien positionieren sich dazu          gets zielen alle auf verbesserte Vorhaltefinanzierung ab. Bis auf
in ihren Wahlprogrammen anlässlich der Bundestagswahl im             die CDU/CSU legen alle Parteien zusätzlich konkrete Vorschlä-
Herbst 2021.                                                         ge zur Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vor.
Da eine Strukturreform mit maßgeblichen Veränderungen in             Die Vorschläge reichen dabei von der vollständigen Abschaf-
der Finanzierung, der Planung und den Versorgungsstrukturen          fung der Fallpauschen bis hin zu einer stärkeren Qualitätsorien-
einhergeht bzw. diese deutlich beeinflusst, werden in einem          tierung.
ersten Schritt die unterschiedlichen Positionen der Parteien für
diese Unterthemen dargestellt, um dann in einem Zwischenfa-          Investitionsfinanzierung: kaum Ansätze in den
zit die parteipolitischen Ziele einer Strukturreform zu einem        ­Wahlprogrammen
Gesamtbild zusammenzufassen.                                          Zur Investitionsfinanzierung im Speziellen haben sich nur drei
                                                                      Parteien geäußert. Die SPD spricht sich dafür aus, die Investiti-
Krankenhausfinanzierung und DRG-System                                onsmittel an klare Zielvorgaben für Reformen zu koppeln, wo-
CDU/CSU sprechen sich für eine bedarfsgerechte und flächen-           bei diese nicht näher erläutert werden. Bündnis 90/Die Grünen
deckende Grund- und Regelversorgung aus, die in der Kranken-          fordern eine gemeinsame Investitionsfinanzierung von Bund
hausfinanzierung stärker berücksichtigt werden soll, insbeson-        und Ländern für die Krankenhäuser. Zudem sollen „grüne“
dere mit Blick auf die ländliche Versorgung. Detailliertere Posi-     Krankenhäuser und Maßnahmen zur Verringerung von CO2-
tionen werden nicht formuliert. Die SPD befürwortet ebenfalls        Emmissionen stärker unterstützt werden. Die FDP fordert eine
eine angemessene und bedarfsgerechte Grundfinanzierung.              nachhaltige Verbesserung der Investitionskostenfinanzierung
Das Fallpauschalensystem soll geprüft und dort, wo notwendig,        nur speziell für Maximalversorger und kleinere spezialisierte
abgeschafft werden. Explizit genannt werden die Ausgliede-           Kliniken. Diese Einschränkung wird mit dem Ziel begründet,

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Politik

dadurch eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Ver-      vollständigen Reinvestition von Gewinnen sollen die Anreize
sorgung sicherstellen zu können. CDU/CSU, AfD und Die Linke       für private Konzerne zusätzlich minimiert werden. Weniger
äußern sich nicht explizit zur Krankenhausinvestitionsfinanzie-   ­radikal sind die Positionierungen von SPD und Bündnis 90/Die
rung.                                                              Grünen, die eine stärkere Gemeinwohlorientierung anstreben,
Die Ausführungen in den Wahlprogrammen zur zukünftigen             wobei die Grünen explizit den Trend zur Privatisierung umkeh-
Investitionskostenfinanzierung werden der hohen Bedeutung          ren wollen. Die AfD möchte den Anteil der privaten Träger auf
einer nachhaltigen und ausreichenden Investitionsfinanzierung      maximal 60 % begrenzen. Die FDP setzt sich für die Sicherstel-
für die Krankenhausstrukturen nicht gerecht. Der wesentliche       lung der Trägervielfalt ein.
Grund dürfte die duale Krankenhausfinanzierung sein, durch
die den Ländern die Verantwortung einer zur wirtschaftlichen      Sektorenübergreifende Versorgung: wenig detaillierte
Sicherung der Krankenhäuser ausreichenden Investitionskos­        ­Vorstellungen
tenfinanzierung obliegt.                                           Wie bereits bei den Ausführungen zur Krankenhausplanung zu
                                                                   erkennen ist, wird die Weiterentwicklung der sektorenübergrei-
Krankenhausplanung                                                 fenden Versorgung vermutlich eines der wichtigsten gesund-
Dem Programm der Unionsparteien zufolge soll das Ziel einer        heitspolitischen Themen der 20. Legislaturperiode. An dieser
bedarfsgerechten und flächendeckenden Grund- und Regelver-         Schnittstelle werden aktuell die meisten Potenziale zur Verbes-
sorgung, insbesondere in der ländlichen Versorgung, in der         serung der Versorgung und der Angebotsstrukturen gesehen.
Krankenhausfinanzierung und in der Krankenhausplanung              Umso überraschender ist, dass im Wahlprogramm der CDU/
stärker berücksichtigt werden. Als konkrete Maßnahme wird          CSU dazu keine Aussage getroffen wird. Die SPD erklärt eine
eine stärkere Bündelung komplexer Behandlungen genannt.            qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zum Ziel, wes-
Auch wenn diese Maßnahme als Qualitätssicherungsinstru-            halb die Rollenverteilung zwischen ambulantem und statio-
ment vorgesehen ist, hat sie dennoch Auswirkungen auf die          närem Sektor neu geordnet, die Sektorengrenzen überwunden
Krankenhausplanung. Die SPD trifft keine konkrete Aussage          und eine gute Kooperation und Koordination der medizi-
zur Weiterentwicklung der Krankenhausplanung, sondern              nischen, psychotherapeutischen und pflegerischen Berufe si-
möchte grundsätzlich die Versorgung aufrechterhalten. Recht        chergestellt werden müssten. Dazu sollen Integrierte Versor-
umfangreich äußern sich Bündnis 90/Die Grünen zur zukünf-          gungszentren in ländlichen Regionen ausgebaut werden, wofür
tigen Ausgestaltung der Krankenhausplanung. Es wird eine ver-      die Krankenhäuser stärker ambulant geöffnet werden müssen.
bindlichere Landeskrankenhausplanung gefordert, die die öf-        Dort soll eine teambasierte und interdisziplinäre Form der am-
fentlichen Versorgunginteressen an Grund-, Schwerpunkt- und        bulanten Versorgung geschaffen werden.
Maximalversorger definiert. Der Bund soll dazu die Möglichkeit    Bündnis 90/Die Grünen haben sich bereits zum Ende der lau-
haben, gemeinsame bundesweite Grundsätze zu definieren.           fenden Legislaturperiode mit dem Vorschlag für Gesundheits-
Die flächendeckende, erreichbare Grundversorgung der Bevöl-       regionen in die Diskussion zur Weiterentwicklung der sek­to­
kerung soll dabei einen eigenen Stellenwert haben. Mit Blick      ren­übergreifenden Versorgung eingebracht. Die detaillierten
auf die Vorstellungen einer sektorenübergreifenden Versorgung     Vorstellungen finden sich im Wahlprogramm jedoch nicht
wird bereits die gemeinsame Planung von ambulanter und sta-       wieder. Dort wird lediglich die Förderung von regionalen Ver-
tionärer Versorgung gefordert. Auch bei den Linken ist der sek-   sorgungsverbünden adressiert. Der sektorenübergreifende An-
torenübergreifende Ansatz zentral für die Weiterentwicklung       satz findet sich aber in der gemeinsamen Planung und dem
der Versorgungsplanung. Daher wird eine gemeinsame Planung        perspektivisch einzuführenden gemeinsamen Abrechnungs­
von stationärer und ambulanter Versorgung über ein gemein-        system wieder.
sames Planungsgremium (Patientenvertreter, Länder, Kommu-         Die FDP möchte die Versorgungsbereiche künftig besser ver-
nen, Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen) angestrebt.          zahnen und vernetzen und dafür die Sektorengrenzen abbau-
Speziell für die Krankenhäuser sollen die Planungsrechte der      en. Integrierte Gesundheitszentren sollen dabei unterstützen,
Bundesländer gestärkt werden. Die FDP zielt bei der zukünf-       die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstatio-
tigen Krankenhausplanung auf eine verantwortungsvolle Berei-      nären Behandlungen zu sichern. Die Bedürfnisse des länd-
nigung des stationären Überangebots. Vehement lehnt die FDP       lichen Raums mit seiner besonderen Versorgungsstruktur sollen
eine Planungshoheit der Krankenkassen für die Versorgungs-        durch entsprechende Programme explizit berücksichtigt wer-
strukturen ab.                                                    den. Der Grundsatz ambulant vor stationär soll dabei maßgeb-
Einige Parteien haben sich auch explizit zur Trägerstruktur in    lich sein. Für die Dauer der Entscheidungsverfahren zur Über-
der Krankenhauslandschaft geäußert. Die Linke strebt eine         führung von stationären Leistungen in die ambulante Versor-
Rückführung der Krankenhäuser in kommunale, öffentliche           gung soll die stationäre Vergütung erhalten bleiben. Auch Die
oder gemeinnützige Hände an. Dies soll mit einem Fonds vom        Linke sieht regionale Versorgungsnetzwerke mit einer sektoren-
Bund zur Förderung der Rekommunalisierung erreicht werden.        übergreifenden Versorgung mittelfristig als Rückgrat der wohn-
Zudem sollen kommunale Krankenhausverbünde stärker geför-         ortnahen medizinischen Versorgung. Diese Netzwerke sollen
dert werden. Mit der bereits dargestellten Positionierung zur     als zentrale Anlaufstelle für die Patienten dienen und eine Ko-

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Politik

ordinierungsfunktion übernehmen. Die AfD strebt einen stär-         Renteneintritts der „Babyboomer-Generation“ und einer wach-
keren Ausbau von Polikliniken und MVZ (unter ärztlicher Lei-        senden Inanspruchnahme im Zuge des demografischen Wan-
tung) an. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen zudem           dels der Personalbedarf in den Krankenhäusern noch weiter
konsequent ihren Sicherstellungsauftrag zur flächendeckenden        steigen.
Versorgung wahrnehmen.                                              Für alle Berufsgruppen im Krankenhaus soll nach Auffassung
                                                                    Der Linken Personalabbau und Outsourcing ausgeschlossen
Reformbaustelle Notfallversorgung                                   werden. Alle Beschäftigten sollen unabhängig von ihrer Be-
Eine – vor allem pandemiebedingt – offene Reformbaustelle           schäftigungsform dieselben Löhne auf Tarifvertragsbasis ge-
aus der 19. Legislaturperiode ist die ambulante Notfallversor-      zahlt bekommen („Ein Haus, ein Tarif“). Die FDP fordert besse-
gung. Sehr ausführlich stellen Bündnis 90/Die Grünen ihre Vor-      re Arbeitsbedingungen und einen optimierten Ausgleich zwi-
stellungen dazu im Wahlprogramm vor. Neben einer Zusam-             schen Arbeits- und P­ rivatleben. Bündnis 90/Die Grünen gehen
menführung der 112 und 116 117 zu einer gemeinsamen Ge-             noch einen Schritt weiter und setzen sich für innovativere Ar-
sundheitsleitstelle sollen an zentralen Klinikstandorten Notfall-   beitsmodelle, zum Beispiel die 35-Stunden-Woche bei vollem
zentren aufgebaut werden, an denen die ambulanten und               Lohnausgleich, ein.
stationären Versorgungsmöglichkeiten eng verzahnt sind. Die
Finanzierung soll über eigene Budgets für die Notfall- und In-      Pflegekräfte
tensivmedizin erfolgen. Darüber hinaus sollen einheitliche Stu-     Alle Parteien planen, die aktuellen Bemühungen auch in der
fen und Vorgaben zur Notfallversorgung definiert werden. SPD        20. Legislaturperiode fortzuführen und unterbreiten verschie-
und FDP fordern eine integrierte Notfallversorgung, wobei es        dene Vorschläge, um den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten.
dazu keine detaillierten Ausführungen gibt. Die Linke sieht die     Um der Pflege auch in der Öffentlichkeit sowie der Selbstver-
notfallmedizinische Versorgung als einen Bestandteil der be-        waltung mehr Gehör zu verschaffen, setzen sich CDU/CSU und
reits vorgestellten regionalen Versorgungsnetzwerke.                Bündnis 90/Die Grünen für die Schaffung einer Bundespflege-
                                                                    kammer ein. Die Linke lehnt diese Struktur ab und sieht statt-
Zwischenfazit: mögliche Ziele                                       dessen einen erheblichen Personalaufbau vor. Über ein Pflege-
Die Parteien haben sich in ihren Wahlprogrammen in sehr un-         stellenförderprogramm sollen 100 000 zusätzliche Pflegekräfte
terschiedlicher Detailtiefe zur Weiterentwicklung der Struk-        in den Krankenhäusern eingesetzt werden. Dies soll über einen
turen in der stationären Versorgung positioniert. Während sich      pauschalen und generellen monatlichen Zuschlag in Höhe von
einige Parteien nur sehr übergeordnet zu ihren Perspektiven         500 € auf das Grundgehalt und über die Rückgewinnung ausge-
äußern, gibt es wiederum zahlreiche sehr detaillierte Ausfüh-       bildeter, aber aus dem Beruf ausgeschiedener Pflegekräfte er-
rungen zu speziellen Versorgungsbereichen. Die CDU/CSU hat          reicht werden.
sich zu den Krankenhausstrukturthemen in nur wenigen in-            Auch die anderen Parteien sehen verbesserte Löhne und Ar-
haltlichen Sätzen positioniert. Auch in Bezug auf die künftige      beitsbedingungen als wichtigen Baustein zur Steigerung der
Gestaltung der Strukturen ist das Thema der sektorenübergrei-       Attraktivität des Berufsbildes an, setzen jedoch unterschied-
fenden Versorgung von zentraler Bedeutung. Nahezu alle Par-         liche Schwerpunkte. SPD, Grüne, Linke und FDP streben an,
teien formulieren dazu grundsätzliche Versorgungsziele – eini-      über ein flächendeckendes, einheitliches und verbindliches Per-
ge positionieren sich bereits mit klaren Reformabsichten. Eine      sonalbedarfsbemessungsverfahren, zum Beispiel der PPR 2.0,
sektorenübergreifende Planung, sektorenübergreifende Versor-        einen attraktiven Arbeitsplatz sicher zu stellen. Die FDP fordert
gungsstrukturen sowie eine integrierte Notfallversorgung sind       darüber hinaus die Abschaffung der Pflegepersonaluntergren-
die häufigsten Ansätze. Auch bei der Krankenhausfinanzierung        zen sowie eine Entlastung der Pflegekräfte durch den Einsatz
eint die Parteien der Wille, eine bedarfsgerechte Grundfinanzie-    digitaler Medien und den Abbau von Bürokratie. Dazu sollen
rung zu erreichen. Die Abschaffung der Fallpauschalen oder ein      Bürokratie- und Berichtspflichten bepreist werden. Auch CDU/
Strukturfinanzierungsanteil werden zum Beispiel als konkrete        CSU und Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Forderung
Maßnahmen angekündigt. Bei anderen Parteien bleibt es bei           nach einem Bürokratieabbau. Zusätzlich wollen Bündnis 90/
der Absichtserklärung, deren Umsetzung aber nicht erläutert         Die Grünen Tarifverträge als verpflichtende Grundlage für Pfle-
wird.                                                               gelöhne definieren. Die AfD möchte über einen Flächentarifver-
                                                                    trag mit steuerfreien Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen
Krankenhauspersonal                                                 eine leistungsgerechtere Bezahlung sicherstellen.
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen verstärkt sich wei-        Einen besonderen Schwerpunkt legen die Parteien auch auf die
ter und wird zunehmend von der Öffentlichkeit wahrgenom-            Pflegeausbildung. Nach dem Willen der FDP soll diese grundle-
men. In der 19. Legislaturperiode wurden, mit einem starken         gend reformiert und durch die Aufnahme von digitalen Inhal-
Fokus auf den Bereich der Pflege, zahlreiche Maßnahmen er-          ten, pflegerischen Kompetenzen und einer verbesserten Durch-
griffen, um die Personalsituation in den Krankenhäusern zu          lässigkeit gestärkt werden. Zur Entlastung des Pflegepersonals
verbessern. Die ersten Trends bei den Ausbildungszahlen stim-       wollen die Unionsparteien die Ausbildung zur Pflegefachassis­
men zwar positiv, allerdings wird aufgrund des bevorstehenden       tenz aufwerten, gemeinsam mit den Ländern bundesweit har-

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Politik

                  CDU/CSU                                       SPD                                           Bündnis 90/Die Grünen
Vergütungs-       –– Stärkere Berücksichtigung einer be­        –– Bedarfsgerechte und angemessene            –– Reform der Krankenhausfinanzierung
system               darfs­gerechten und flächendeckenden          Grundfinanzierung                             mit einem starken Strukturfinanzie­
                     Grund- und Regelversorgung insbeson­       –– Neustrukturierung der Finanzierung der        rungsanteil
                     dere mit Blick auf die ländliche Versor­      Kinder- und Jugendmedizin                  –– Perspektivisch: gemeinsame Abrech­
                     gung                                       –– Überprüfung des Fallpauschalen-Sys­           nungssystematik für ambulante und
                                                                   tems                                          ­stationäre Leistungen
                                                                –– Ausgliederung der Geburtshilfe aus dem
                                                                   Fallpauschalensystem
                                                                –– Gewinne aus Mitteln der Solidargemein­
                                                                   schaft sollen weitestgehend zurück­
                                                                   fließen
Investitions-                                                   –– Steuerzuschüsse und Investitionsmittel     –– Gemeinsame Investitionsfinanzierung
finanzierung                                                       sollten mit klaren Zielvorgaben für die       von Bund und Ländern
                                                                   Reform des Systems verbunden werden        –– Unterstützung von grünen Kranken­
                                                                                                                 häusern zur Verringerung der CO2-Emis­
                                                                                                                 sionen
Krankenhaus-      –– Stärkere Berücksichtigung einer be­        –– Erhalt der Versorgung inklusive Ausbau     –– Definition von bundesweiten Planungs­
planung              darfs­gerechten und flächendeckenden          integrierter Versorgungszentren in länd­      grundsätzen
                     Grund- und Regelversorgung insbeson­          lichen Regionen                            –– Übergreifende Planung von ambulanter
                     dere mit Blick auf die ländliche Versor­                                                    und stationärer Versorgung
                     gung                                                                                     –– Einführung einer verbindlicheren Lan­
                  –– Stärkere Bündelung komplexer Behand­                                                        des­krankenhausplanung, inkl. Definition
                     lungen                                                                                      öffentlicher Versorgungsinteressen an
                                                                                                                 verschiedene Versorgungsstufen
Träger­struktur                                                 –– Zentrale Rolle der öffentlichen Kranken­   –– Stärkung der Gemeinwohlorientierung
                                                                   häuser bei der Stärkung des Gemein­        –– Umkehr des Privatisierungstrends
                                                                   wohls

Notfall-                                                        –– integrierte, bessere Notfallversorgung     –– Gemeinsamen Gesundheitsleitstellen
versorgung                                                                                                    –– Aufbau von Notfallzentren an zentralen
                                                                                                                 Klinikstandorten mit enger Verzahnung
                                                                                                                 ambulanter und stationärer Versorgung
                                                                                                              –– Eigene Budgets für die Notfall- und
                                                                                                                 ­Intensivmedizin
                                                                                                              –– Definition von einheitlichen Stufen und
                                                                                                                  Vorgaben zur Notfallversorgung
Sektoren-                                                       –– Überwindung der Sektorengrenzen            –– Förderung regionaler Versorgungsver­
übergreifende                                                   –– Ausbau der integrierten Versorgungs­          bünde
Versorgung                                                         zentren in den ländlichen Regionen
                                                                –– Öffnung der KH für teambasierte und
                                                                   ­interdisziplinäre Formen der ambulanten
                                                                    Versorgung
                                                                –– Koordination und Kooperation der
                                                                    ­medizinischen, psychotherapeutischen
                                                                     und pflegerischen Berufe
Personal          –– Etablierung einer Bundespflegekammer       –– Gute Arbeitsbedingungen und angemes­       –– Gründung einer Bundespflegekammer
                  –– Bürokratieabbau zugunsten der Patien­         sene Löhne in der Pflege                   –– Ermöglichung innovativer Arbeits­
                     tenbehandlung                              –– Voranbringen eines neuen, bundes­             modelle
                  –– Aufwertung und bundesweite Harmo­             weiten und einheitlichen Personalbe­       –– Vorgaben zur Personalbemessung,
                     nisierung der Pflegefachassistenzaus­         messungsrahmens                               ­Behandlungs- und Versorgungsqualität
                     bildung inkl. Ausbildungsvergütung                                                       –– Bürokratieabbau
                  –– Fortführung der Reform der Berufsge­                                                     –– Verbindlichkeit von Tarifverträgen für
                     setze mit Abschaffung des Schulgeldes                                                        Löhne in der Pflege
                     und Einführung einer Ausbildungsvergü­                                                   –– Finanzielle und strukturelle Unterstüt­
                     tung für die Gesundheitsberufe                                                              zung des Pflegestudiums und der
                  –– Stärkere Nutzung der Kompetenzen der                                                        Pflegeforschung
                     Heil- und Hilfsmittelerbringer                                                           –– Bessere Vergütung und Abschaffung des
                                                                                                                 Schulgeldes in den Ausbildungen der
                                                                                                                 Gesundheitsfachberufe
                                                                                                              –– Direktzugang und reguläre Studien­
                                                                                                                 gänge für Therapieberufe
                                                                                                              –– Stärkung der Geburtshilfe/Hebammen­
                                                                                                                 versorgung

772                                                                                                                      9.2021 |
Politik

FDP                                                Die Linke                                           AfD
–– Einführung eines qualitätsorientierten Ver­     –– Abschaffung der Fallpauschalen, vollständige     –– Einführung eines Individualbudgets
   gütungssystems                                     Refinanzierung der Betriebskosten durch die
–– Fehlanreize für Überversorgung verhindern          Krankenkassen
                                                   –– Gewinne aus dem Betrieb von Krankenhäusern
                                                      müssen im Betrieb verbleiben

–– Nachhaltige Verbesserung der Investitions­
   kostenfinanzierung für Maximalversorger und
   spezialisierte Kliniken

–– Strukturreform zum Abbau von Überan­            –– Gemeinsame Planung und Gestaltung von
   geboten                                            ­stationärer und ambulanter Versorgung durch
–– Ablehnung der Planungshoheit der Kranken­           gemeinsame Planungsgremien auf Landes­
   kassen                                              ebene
                                                   –– Stärkung der Planungsrechte der Bundes­
                                                       länder

–– Sicherstellung der Trägervielfalt               –– Überführung von Krankenhäusern in kommu­         –– Begrenzung des Anteils privater Träger auf
                                                      nale, öffentliche oder gemeinnützige Hände          max. 60 %
                                                   –– Einrichtung eines Fonds zur Rekommunalisier­
                                                      ung und Förderung kommunaler Krankenhaus­
                                                      verbünde
–– Vernetzte und bedarfsgerechte Gestaltung        –– Stärkung regionaler Versorgungsnetzwerke
   von Notfallversorgungsstrukturen                   auch zur notfallmedizinischen Versorgung

–– Verzahnung und Vernetzung der Versorgungs­      –– Stärkung regionaler Versorgungsnetzwerke,        –– Ausbau von Polikliniken und MVZ unter ärzt­
   bereiche, umfassende Gesundheitsversorgung         die u. a. ambulante, akut stationäre und not­       licher Leitung
–– Grundsatz „ambulant vor stationär“                 fallmedizinische Behandlungen in einer Region    –– konsequente Wahrnehmung des Sicherstel­
–– Integrierte Gesundheitszentren für die ambu­       koordinieren und als zentrale Anlaufstelle für      lungsauftrages für eine flächendeckende Ver­
   lante und kurzstationäre Versorgung                alle Patienten dienen                               sorgung durch die KVen

–– Verbesserte Arbeitsbedingungen und besserer     –– Beendigung von Personalabbau und                 –– Flächentarifvertrag mit steuerfreien Nacht-,
   Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben        ­Outsourcing in den Krankenhäusern                  Sonn- und Feiertagszuschlägen
–– Abschaffung der Pflegepersonaluntergrenzen      –– Löhne auf Basis von Tarifverträgen („Ein Haus,   –– Förderung und Finanzierung der Ausbildung
   und Einsatz der PPR 2.0                             ein Tarif“)                                        zur Pflegefachkraft
–– Entlastung der Pflegekräfte durch digitale      –– Ablehnung der Einführung von Pflegekammern       –– Rückkehr zu getrennten Pflegeausbildungen
   ­Medien und den Abbau von Bürokratie            –– Pflegestellenförderprogramm für 100 000          –– Sprachniveau C1 und eine dem deutschen
–– Entbürokratisierung durch Einführung einer          zusätzliche Pflegekräfte, 500 €-Zuschlag auf       Standard entsprechende fachliche Qualifika­
    Bepreisung von Bürokratie- und Berichts­           das Grundgehalt                                    tion als Voraussetzungen für Medizinisches
    pflichten                                      –– Einführung einer gesetzlichen Personal­             Fachpersonal aus dem Ausland
–– Reform der Pflegausbildung mit einer Stärkung       bemessung für alle Berufe
   von digitalen Inhalten, pflegerischen Kompe­    –– Bundesweite Ausbildungsverordnungen
   tenzen und einer verbesserten Durchlässigkeit   –– Gebührenfreie Aus- und Fortbildung und
–– Stärkung der freien Gesundheitsberufe               angemessene Vergütung von Arbeits­
                                                       leistungen
                                                   –– Stärkung der Qualifizierung und bessere
                                                       Bezahlung der Gesundheits- und Heilberufe

                    | 9.2021                                                                                                                        773
Politik

                   CDU/CSU                                       SPD                                           Bündnis 90/Die Grünen
 Digitalisierung   –– Schrittweiser Ausbau des Prozesses         –– Verbesserung von Versorgungsqualität       –– Weiterentwicklung der elektronischen
 im Kranken­          „Digitale Gesundheit 2025“ zu einer um­       und Effizienz im Gesundheitswesen             Patientenakte
 haus                 fassenden Strategie „Digitale Gesund­         durch Digitalisierung                      –– Sicherstellung der Interoperabilität
                      heit 2030“                                 –– Entlastung der Fachkräfte                     durch Pflicht für Softwarehersteller,
                   –– Garantierter digitaler, wohnortnaher und   –– Weiterbildung zur Qualifikation des           ­offene Schnittstellen anzubieten
                      möglichst barrierefreier Zugang zu Ge­        ­Personals im Bereich Digitalisierung      –– Forschungsbezogene Nutzung von
                      sundheitsversorgern                        –– Höchste Priorität für Schutz der Patien­       pseudo- oder anonymisierten Gesund­
                   –– Fortführung der begonnenen Offensive           tendaten                                      heitsdaten
                      des Bundes für mehr digitale Innova­       –– Nutzung der Potenziale der Digita­
                      tionen                                         lisierung für die Verbesserung von
                   –– Beseitigung von Informationslücken             ­Diagnosen und für die flächendeckende
                      zwischen Praxis und Krankenhaus                 gesundheitliche Versorgung
                   –– Innovationsoffensive im Umfang von
                      500 Mio. € für Robotik und Digitali­
                      sierung in der Pflege
                   –– Nutzung pseudonymisierter Versor­
                      gungsdaten für die Forschung und Ver­
                      einheitlichung von Datenschutzvorgaben
 Pandemie-         –– Stärkung und Modernisierung des ÖGD        –– Bessere Rahmenbedingungen und              –– Stärkung und Digitalisierung des ÖGD
 Lehren            –– Ausbau des Robert-Koch-Instituts zu           bessere digitale Ausstattung für ÖGD          inkl. einer verbesserten Finanzierung
                      ­einem deutschen Public-Health-Institut    –– Gezielte Förderung von Innovationen        –– Definition von Stufen zur Eindämmung
                   –– Souveränitätsoffensive bei der Medika­        und neuen Methoden im Bereich der             von Pandemien
                       mentenproduktion                             ­Arzneimittel                              –– Aktualisierung der Pandemieschutzpläne
                   –– Staatliche Lagerhaltung für besonders                                                    –– Einrichtung eines unabhängigen und
                       versorgungskritische Arzneiwirkstoffe                                                      ­interdisziplinären Pandemierates
                                                                                                               –– Gründung eines Bundesinstitutes für
                                                                                                                   Gesundheit als zentrales Public-Health-
                                                                                                                  Organ
 Allgemeine        –– Enges Zusammenspiel von gesetzlicher       –– Bürgerversicherung                         –– Bürgerversicherung
 krankenhaus-         und privater Krankenversicherung unter     –– Verpflichtung für Krankenhäuser, die       –– Stärkung und Ausbau der stationären
 betreffende          Beteiligung der bewährten Selbstver­          öffentliche Mittel erhalten, Schwanger­       Hospize und SAPV-Teams
 Positionen           waltung                                       schaftsabbrüche als Grundversorgung        –– Stärkung der Universitätsmedizin
                   –– Garantierter Zugang zur Palliativ- und        anzubieten                                 –– Erhöhung der Qualitätstransparenz
                      Hospizversorgung                                                                         –– Verbesserte Versorgung psychisch Er­
                                                                                                                  krankter durch flexible patientenorien­
                                                                                                                  tierte therapeutische Hilfsangebote von
                                                                                                                  ambulanter und stationärer Versorgung
 europäische                                                     –– Schaffung einer souveränen Europä­         –– Gemeinsame, europäische Planung von
 Krankenhaus-                                                       ischen Gesundheitsunion, u. a. mit ga­        Notfallkapazitäten
 politik                                                            rantierten Mindeststandards, einem         –– Etablierung eines europäischen Früh­
                                                                    starken Katastrophenschutzmechanis­           warnsystems
                                                                    mus und die gemeinsamer Forschung
                                                                    und ­Beschaffung medizinischer Güter

monisieren und durch eine bundesweite Ausbildungsvergütung                      reits vorgenommen. Die Bemühungen mussten jedoch auf-
attraktiver gestalten. Bündnis 90/Die Grünen fokussieren sich                   grund der Coronapandemie unterbrochen werden. Nach den
stärker auf das Pflegestudium sowie die Pflegeforschung und                     Vorstellungen der FDP soll dieser Prozess zur Stärkung der frei-
möchten diese strukturell unterstützen und finanziell aufwer-                   en Gesundheitsfachberufe weiter fortgeführt werden.
ten. Einen Sonderweg schlägt die AfD ein. Sie lehnt die genera-                 Neben einer grundsätzlichen Gebührenfreiheit in der Ausbil-
listische Pflegeausbildung ab und fordert stattdessen die Rück-                 dung zu den Gesundheitsfachberufen unterstützt Die Linke
kehr zu den getrennten Ausbildungsformen. Medizinisches                         bundesweit einheitliche Ausbildungsordnungen mit einer an-
Fachpersonal aus dem Ausland, das in Deutschland in der Pfle-                   gemessenen Ausbildungsvergütung. Darüber hinaus sollen
ge arbeiten möchte, sollte nach Auffassung der AfD künftig                      diese Berufe gestärkt und besser bezahlt werden. Beide Ziele
mindestens über Kenntnisse der deutschen Sprache auf C1-Ni-                     verfolgt auch die CDU/CSU, möchte aber zusätzlich noch die
veau und eine dem deutschen Standard entsprechende fach-                        Kompetenzen der Heil- und Hilfsmittelerbringer stärker nut-
liche Qualifikation verfügen.                                                   zen. Bündnis 90/Die Grünen unterstützen diese Forderungen
                                                                                und äußern konkrete Umsetzungsvorschläge, indem sie einen
Gesundheitsfachberufe                                                           Direktzugang und reguläre Studiengänge für die Therapiebe-
Neben der Stärkung der Pflege sah der Koalitionsvertrag für die                 rufe fordert.
19. Legislaturperiode auch eine verbesserte Ausbildung bei den                  Detailliert gehen Bündnis 90/Die Grünen auf die Reformvorha-
Gesundheitsfachberufen vor. Erste Anpassungen wurden be-                        ben in der Hebammenversorgung ein und haben damit ein Al-

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Politik

 FDP                                                Die Linke                                           AfD
 –– Offenere und fördernde Rahmenbedingungen        –– Barrierefreier Zugang zu digitalen Gesundheit­   –– Keine zentrale Datenbank für vertrauliche
    für Innovationen                                   stechnologien                                       ­Patientendaten
 –– Gezielte Förderung digitaler Infrastruktur in   –– Schwerpunkt auf sinnvoller, die Pflegekräfte     –– Dezentrale Speicherung von Notfalldatensatz,
    Krankenhäusern                                     entlastender Digitalisierung                         Medikamentenübersicht oder einer Patienten­
                                                    –– Wahrung und Schutz der informationellen              verfügung auf der elektronischen Gesund­
                                                       Selbstbestimmung                                     heitskarte
                                                    –– Verbot der zentralen Speicherung von Daten,
                                                       die im Zusammenhang mit der elektronischen
                                                       Gesundheitskarte erhoben werden

 –– Rückführung der Arzneimittelproduktion nach     –– finanzielle Stärkung des ÖGD und bessere
    Deutschland oder in die EU                         Koordinierung
                                                    –– Stärkung der Arzneimittelsouveränität
                                                    –– Intensivierung der Förderung für die For­
                                                       schung zu Therapie und Langzeitsymptomen
                                                       einer COVID-19-Infektion

 –– Stärkung des Wettbewerbs und vereinfachter      –– Abschaffung der Trennung zwischen PKV und        –– Kurzzeitpflege in Krankenhäusern mit Finan­
    Wechsel zwischen GKV und PKV                       GKV                                                 zierung durch die Pflegeversicherung
                                                    –– Einführung einer einheitlichen Solidarischen     –– Verpflichtende Untersuchung auf multiresis­
                                                       Gesundheitsversicherung ohne Beitragsbe­            tente Keime bei jedem stationären Aufenthalt
                                                       messungsgrenzen                                  –– Verpflichtende Beschäftigung eines Mikro­
                                                    –– Vollständig barrierefreier Zugang zu Einrich­       biologen bei KH mit Intensivstation
                                                       tungen des Gesundheitswesens, inklusive          –– Unangekündigte Qualitätskontrollen
                                                       ­Mitnahme persönlicher Assistenten bei
                                                        ­stationären Aufenthalten
                                                    –– sozialökologisches Investitionsprogramm der
                                                       EU zur gezielten Förderung wirtschaftlich
                                                       schwächerer Länder, Regionen, Branchen

leinstellungsmerkmal. Zum einen möchten sie einen Geburts-                     Grünen möchten die elektronische Patientenakte konsequent
hilfegipfel einberufen, der Qualitätsstandards festlegt. Außer-                weiterentwickeln und Softwarehersteller zur Sicherstellung
dem setzen sie sich für eine 1:1 Betreuung bei der Geburtshilfe,               der Interoperabilität verpflichten, offene Schnittstellen anzu-
die Wahlfreiheit des Geburtsortes, eine Reform der Berufshaft-                 bieten.
pflicht und die Aufnahme einer Rufbereitschaftspauschale ein.                  Einen konzeptionellen wie strukturellen Schwerpunkt legen
Die wohnortnahe Hebammenversorgung soll auch durch den                         CDU/CSU auf die Förderung der Digitalisierung im Gesund-
Ausbau hebammengeführter Kreißsäle und Geburtshäuser si-                       heitswesen. An die E-Health-Strategie soll sich der Prozess Di-
chergestellt werden.                                                           gitale Gesundheit 2025 anschließen, der schrittweise und res-
                                                                               sortübergreifend zu einer umfassenden Strategie Digitale Ge-
Digitalisierung                                                                sundheit 2030 ausgebaut werden und konkrete Handlungsemp-
Der Ausbau der Digitalisierung war ein Schwerpunkt von                         fehlungen für die Gesundheitsversorgung enthalten soll. Für
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der 19. Legislatur-                    die Bevölkerung wird ein digitaler, wohnortnaher und barriere-
periode. Für die Fortführung dieses Kurses und eine inten-                     freier Zugang zu den verschiedenen Gesundheitsversorgern ga-
sivere Nutzung der Digitalisierungspotenziale setzen sich                      rantiert. Dafür sollen auch die bereits eingeführten digitalen
Union, SPD und FDP ein. Für Die Linke ist besonders wichtig,                   Innovationen des virtuellen Krankenhauses noch intensiver
dass digitale Gesundheitstechnologien barrierefrei gestaltet                   beitragen, um medizinische Fachkenntnis flächendeckend ver-
werden und damit für alle zugänglich sind. Bündnis 90/Die                      fügbar zu machen. Mit der Einführung digitaler Versorgungs-

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Politik

ketten plant die Union, Informationslücken zwischen Kranken-      rung der Pandemieschutzpläne und die Errichtung eines unab-
häusern und niedergelassenen Praxen zu beseitigen.                hängigen und interdisziplinären Pandemierates an. Außerdem
                                                                  soll ein neues Bundesinstitut für Gesundheit geschaffen wer-
Entlastung des Personals                                          den, das als zentrales Public-Health-Organ wirkt. CDU/CSU
Mit der Digitalisierung soll zudem das Personal im Gesund-        setzen sich stattdessen dafür ein, bereits existierende Struk-
heitswesen entlastet werden. Hierbei legen die Parteien unter-    turen zu nutzen, indem das Robert-Koch-Institut gestärkt und
schiedliche Schwerpunkte. Die Linke betont, dass ihr Schwer-      zu einem Public-Health-Institut ausgebaut wird.
punkt auf einer sinnvollen, die Pflegekräfte entlastenden Di-     Im Bereich der Arzneimittel fordert Die Linke die Stärkung der
gitalisierung liegt. CDU/CSU sehen eine eigene Innova­tions­      Arzneimittelsouveränität und wird dabei von CDU und CSU un-
offensive zur Digitalisierung und für den Einsatz von Robotik     terstützt, die sich außerdem für eine Bevorratung versorgungs-
in der Pflege vor. Dafür möchten sie ein 500 Mio. € schweres      kritischer Wirkstoffe aussprechen. Die SPD möchte als Reak­
Förderprogramm aufsetzen. Auch die SPD möchte mithilfe            tion auf die Coronapandemie die Arzneimittelentwicklung in
der Digitalisierung das Personal gezielt entlasten, allerdings    Deutschland gezielt fördern. Die Linke strebt ganz speziell eine
darüber hinaus explizit die Versorgungsqualität und die Effi­     Stärkung und den Ausbau der Forschung zu Symptomen, Lan-
zienz verbessern. Die Sozialdemokraten betonen ausdrück-          gezeitfolgen und Therapie von Covid-19-Infek­tionen an.
lich, mit der Digitalisierung kein Personal ersetzen zu wollen.
Vielmehr müsse das Personal weitergebildet und qualifiziert       Übergeordnete gesundheitspolitische Themen
werden.                                                           Die Wahlprogramme enthalten darüber hinaus verschiedene,
                                                                  eher allgemein gehaltene und übergeordnete Positionen zur Ge-
Datenverarbeitung                                                 sundheitspolitik. Teilweise betreffen diese auch die Kranken-
Durch den Ausbau der Digitalisierung werden immer mehr            häuser. Dabei berücksichtigen die Parteien nicht nur nationale
Daten generiert. Diese sind zugleich besonders sensibel und       Vorhaben, sondern machen auch Vorschläge für Reformen, die
schützenswert, worauf die SPD verweist. Andererseits können       auf europäischer Ebene zu verorten sind.
sie einen wichtigen Beitrag dafür leisten, die Gesundheitsver-
sorgung zu verbessern. Deshalb setzen sich Bündnis 90/Die         Vorstellungen zur übergeordneten nationalen
Grünen dafür ein, pseudonymisierte oder anonymisierte Ge-         ­Gesundheitspolitik
sundheitsdaten unter Einhaltung höchster Datenschutzanfor-         Auf nationaler Ebene wird immer wieder die Einführung einer
derungen für die Forschung zu nutzen. Auch die Unionspar-          Bürgerversicherung diskutiert. Entsprechende Forderungen
teien sprechen sich dafür aus, pseudonymisierte Daten für die      fanden sich bereits in den Wahlprogrammen der Parteien zu
Forschung zu nutzen und entsprechende Datenschutzrege-             den vorherigen Bundestagswahlen. Während die Union ein
lungen zu vereinheitlichen. Die Linke betont in diesem Zu-         enges Zusammenspiel von gesetzlicher und privater Kranken-
sammenhang die Wahrung und den Schutz der informatio-              versicherung forciert, fordern SPD und Bündnis 90/Die Grünen
nellen Selbstbestimmung. Außerdem sollen alle Daten, die im        die Einführung einer einheitlichen Bürgerversicherung. Einen
Zusammenhang mit der elektronischen Gesundheitskarte er-           Schritt weiter geht Die Linke, die zunächst die Trennung zwi-
hoben werden, nicht zentral gespeichert werden können. Ge-         schen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufheben
gen eine zentrale Speicherung vertraulicher Patientendaten in      und schrittweise eine solidarische Gesundheitsversicherung
einer Datenbank spricht sich vehement die AfD aus. Stattdes-       einführen möchte, in die alle Erwerbstätigen einzahlen und die
sen sollten ihrer Überzeugung nach lediglich ein Notfalldaten-     keine Beitragsbemessungsgrenzen vorsieht. Demgegenüber
satz, die Medikamentenübersicht oder eine Patientenverfü-          steht die Forderung der FDP, die Trennung von GKV und PKV
gung dezentral auf der Gesundheitskarte gespeichert werden         beizubehalten und den Wettbewerb zwischen beiden zu stär-
können.                                                            ken. Dazu soll auch der Wechsel zwischen beiden Versiche-
                                                                   rungstypen vereinfacht werden.
Lehren aus der Pandemie                                            Darüber hinaus legen die Parteien ganz unterschiedliche
Nahezu alle Parteien leiten aus den Erfahrungen in der Corona-     Schwerpunkte in ihren Wahlprogrammen. Die Unionsparteien
pandemie Anpassungen und Forderungen im Gesundheitswe-             planen, den Zugang zur Palliativ- und Hospizversorgung zu ga-
sen ab. Insbesondere der Öffentliche Gesundheitsdienst rückt       rantieren. Auch Bündnis 90/Die Grünen möchten Hospize und
verstärkt in den Fokus und soll gestärkt, besser finanziert und    die ambulante Palliativversorgung verbessern und ausbauen.
durch einen stärkeren Einsatz digitaler Medien modernisiert        Darüber hinaus setzen sie sich für eine Stärkung der Universi-
werden. Dafür sprechen sich neben der Union auch die SPD,          tätsmedizin, eine Erhöhung der Qualitätstransparenz und eine
Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke aus.                           optimierte Versorgung psychisch Erkrankter ein. Dies soll bei-
Strukturell sollen nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen       spielsweise durch ein flexibles Hilfsangebot von ambulanter
bereits frühzeitig Vorkehrungen für künftige Pandemien ge-         und stationärer Versorgung erreicht werden. Für Die Linke ist
schaffen werden. Dafür strebt die Partei eine Definition von       ein vollständig bar­rierefreier Zugang zu den Gesundheitsein-
einheitlichen Stufen zur Pandemieeindämmung, die Aktualisie-       richtungen wichtig. Deshalb setzt sich die Partei auch für die

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Politik

      Mitnahme persönlicher Assistenten bei stationären Aufenthal-
      ten von Menschen mit Behinderungen ein. Die SPD möchte das             Die Wahlprogramme der Parteien
      Angebot für Schwangere, die einen Schwangerschaftsabbruch
      vornehmen lassen wollen, verbessern. Krankenhäuser, die öf-            sind beispielsweise auf der Website der
      fentliche Mittel erhalten, sollen diese Eingriffe anbieten. Dage-      https://www.bundestagswahl-2021.de/
      gen sieht die AfD verschiedene Verpflichtungen für die Kran-           wahlprogramme/
      kenhäuser vor, die vielfach qualitätsorientiert sind. Diese um-        abrufbar.
      fassen eine verpflichtende Untersuchung auf multiresistente
      Keime bei jedem stationären Krankenhausaufenthalt sowie ei-
      ner vorgeschriebenen Beschäftigung eines Mikrobiologen bei          sein. Die Linke fordert hingegen ein sozial-ökologisches Investi-
      Krankenhäusern mit Intensivstation. Außerdem sollen unange-         tionsprogram der EU, mit dem gezielt schwächere Länder, Regi-
      kündigte Qualitätskontrollen durchgeführt werden können. Im         onen und Branchen für Zukunftsaufgaben gefördert werden.
      Anschluss an eine stationäre Behandlung von Pflegebedürf-
      tigen soll es Krankenhäusern möglich sein, von der Pflegeversi-     Fazit
      cherung finanzierte Leistungen im Rahmen der Kurzzeitpflege         Infolge der Coronapandemie kommt der Gesundheitspolitik in
      zu erbringen.                                                       der 20. Legislaturperiode eine besondere Bedeutung zu. Die
                                                                          Parteien legen in ihren Wahlprogrammen ganz unterschiedliche
      Vorstellungen zur europäischen Gesundheitspolitik                   Schwerpunkte mit verschiedenen Lösungsansätzen. An vielen
      Die Gesundheitspolitik ist bislang Angelegenheit der Mitglieds-     Stellen lassen sich jedoch bereits die künftigen gesundheitspo-
      staaten der Europäischen Union. Bereits in den letzten Jahren       litischen Reformdiskussionen erkennen. Die Reform der Kran-
      wurden jedoch verschiedene Initiativen unternommen, die eu-         kenhausstrukturen, die nachhaltige Lösung des Fachkräfteman-
      ropäische Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitspolitik          gels und eine weitere Forcierung der Digitalisierung im Gesund-
      zu stärken. Insbesondere die SPD und Bündnis 90/Die Grünen          heitswesen werden dabei verstärkt in den Mittelpunkt rücken.
      möchten diesen Kurs mit weiteren Reformschritten intensivie-        Wie notwendige Reformen in diesen Problemfeldern inhaltlich
      ren. Während sich die Grünen für eine gemeinsame europä-            ausgestaltet werden, hängt am Ende maßgeblich davon ab, wel-
      ische Planung von Notfallkapazitäten sowie die Etablierung          che Parteien die künftige Regierung stellen und welche Mehr-
      eines europäischen Frühwarnsystems aussprechen, will die            heitsverhältnisse existieren.
      SPD eine europäische Gesundheitsunion schaffen. Bestandteile
      dieser sollen u. a. einheitliche Mindeststandards in der Gesund-    Anschrift der Verfasser
      heitsversorgung, ein starker Katastrophenmechanismus und            Jan Eilrich/Sabrina Krause, Deutsche Krankenhausgesell-
      die gemeinsame Beschaffung von medizinischen Produkten              schaft e.V., Bereich Politik, Wegelystraße 3, 10623 Berlin    n

                                                                                                                                    Anzeige

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